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Drachenseele

Das Herz einer Priesterin
von

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*~Ishiki~*

"Manche Leute wären frei, wenn sie zu dem Bewusstsein ihrer Freiheit kommen könnten. " – Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
 

Kapitel 4 - Ishiki

-Bewusstsein-
 

*Was versteht man eigentlich unter Dankbarkeit in ihren Grundzügen? Und in welchem Verhalten kann man diese erkennen?

Ist es überhaupt möglich, jenen Begriff des Dankbarseins für die Allgemeinheit gültig zu definieren? Hat nicht jedes Wesen seine eigene Art und Weise, sich auszudrücken und sich für einen Gefallen oder eine Leistung erkenntlich zu zeigen?*
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

Erschöpft hielt ich inne, wischte mir mit einem der weißen Ärmel über die Stirn. Es war mehr Arbeit und vor allem anstrengender als ich gedacht hatte, zudem stimmte meine Schätzung die Dauer betreffend absolut nicht. Ich hatte mich gründlich vertan.

Die Sonne stand schon tief, heute würde ich es nicht mehr schaffen. Allzu schlimm stufte ich es dann aber doch nicht ein, wirklich weg konnte ich zur Zeit ohnehin nicht.

Mein Blick wanderte vom Horizont über den großräumigen Mittelpunkt des Dorfes, überflog kurz den Tempel, erfasste dann wieder den Gegenstand in meiner rechten Hand. Es war ein Schwert, ein Katana, aber... seine Aura war seltsam. Es gestattete mir zwar es zu berühren, anderweitig kehrte sich die Energie gegen meine. Mehr als sonderbar, ein Schwert mit eigener Energie, einer richtigen Aura und so etwas wie einem Willen?

Dazu fiel mir nur der Begriff Dämonenklinge ein, Menschen fertigten und besaßen so etwas nicht, dazu fehlte dem allergrößten Teil einfach die nötige Verbundenheit mit speziellen Elementen - beispielsweise mit der Natur oder mit der Magie. Ich hatte in dieser Richtung auch schon Gerüchte zu Ohren bekommen. Von errungenen Schwertern, deren Besitzer einer nach dem anderen starben. Verfluchte Schwerter, angeblich. Für mich hörte sich das nicht sehr nachvollziehbar an, jetzt hatte ich zu diesem Thema meine eigene Theorie. Selbst ich könnte dieses Schwert nicht effektiv einsetzen; ich wäre nicht fähig sein Potential zu entfalten, mit einem Dämonenschwert konnte ein Mensch nicht in Einklang kommen.

Fremdartige Ornamente schmückten die makellose weiße Scheide, es machte einen wertvollen Eindruck. Trotzdem entdeckte ich weiterhin nichts Besonderes an ihm, die Klinge war scharf und in bester Verfassung, vielleicht ein wenig matt, aber alles in allem erschien es mir sehr klassisch - auf das Aussehen bezogen, wirkte es nicht dämonisch.

Vielleicht gehörte es ja ihm; die Schwerter der ansäßigen Drachentöter unterschieden sich deutlich, ich war mir sicher, dass es niemandem von hier gehört haben konnte. Die absolut Sicherheit hatte ich nicht - ich hätte mir auch sonst etwas aus den wenigen Fakten zusammenreimen können, allerdings klang das für mich nicht verlockend, Spekulationen mochten gut und schön sein, ich hielt sie hier nicht für angebracht.

Während ich diese Gedanken weiter vertiefte und ausschweifen ließ, lief ich zurück zum Tempel; irgendwie hatte es mir dieses Schwert angetan, es interessierte mich und ich dachte gerne weiter darüber nach.

Wieder einmal stieg ich die aus Stein gefertigten Tempeltreppen herauf, wog das verhältnismäßig schwere Katana in der Hand. Wie sollte man dieses Schwert nur einhändig führen?

Selbst mein eigenes - welches ich grundsätzlich zweihändig zu führen pflegte - war leichter als dieses. Möglicherweise ein Sammlerstück, ein Staubfänger zum bloßen Anschauen oder etwas Dergleichen. Daraus folgend im Grunde nutzlos.
 

Ich nahm die letzte Stufe, richtete mein Sichtfeld auf mein Ziel. Immer noch darauf bedacht, so wenige Geräusche wie nur möglich zu erzeugen; ich trat näher, stand fast neben ihm, als ich plötzlich meinte, so etwas wie einen Impuls zu spüren, einen energetischen Impuls, der von dem Schwert in meiner Hand ausging.

"Skýdis..."

Unter diesem Wort spannte sich sein Körper sichtlich an.

Erschrocken wich ich ein Stück nach hinten, das Schwert entglitt meinem Griff, ein durchaus lauter, metallischer Klang hallte in der geräumigen Tempelhalle wieder, verklang nur allmählich.

Ich hatte wohl damit gerechnet, dass er wieder zu sich kommen würde, aber jetzt...?

Diese Reaktion hatte mich wirklich überrascht. Er hatte auf der linken Seite, mir abgewandt, gelegen, aber geschlafen konnte er nicht haben; zugegeben, der Reflex war nicht sehr rasch gekommen, aber für einen Schlafenden doch noch zu schnell.

Er war immer noch heiser, ziemlich musste ich feststellen und bei Weitem noch nicht bei Kräften. Seit ihn dieser Impuls erreicht hatte, versuchte er sich auf die Unterarme zu stützen und aufzurichten - vergebens. Seine deutlich sichtbaren Anstrengungen waren umsonst, er begriff das erst eine ganze Weile später. Er hatte sich sinnlos verausgabt, verblieb nun hörbar nach Luft keuchend und ohne Regung.

Hatte er mich überhaupt wahrgenommen?

Meinem Gefühl zur Folge nicht... das war sicherlich auch gut so, meinetwegen konnte diese Erkenntnis seinerseits noch ein bisschen auf sich warten lassen.

Ich hoffte inständig darauf, dass ich auf sprachlicher Ebene keine Probleme mit ihm bekam. Bis jetzt hatte er sich nur - für mich - unverständlich geäußert, in einer Sprache, die ich nicht einmal irgendeiner Region zuzuordnen wusste. Das würde diese ganze Geschichte noch um einiges verkomplizieren und darauf legte ich es wirklich nicht an.

Zumindest hatte ich jetzt den Beweis, dass es sein Schwert war; er hatte ja unverkennbar darauf reagiert oder es auf ihn, wie man es eben nehmen wollte. Interesse hätte ich noch an dem Wort, dass er vorhin gebraucht hatte... was das wohl bedeutete? Was sagte man denn, wenn man die Aura seines Schwertes spürte?

Also darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht... die Dämonen waren eben ein seltsames Volk...
 

ּ›~ • ~‹ּ
 

Die Nacht gestaltete sich ruhig; in den frühen Morgenstunden wurde sie jedoch von seinen andauernden Hustenanfällen geweckt. Es ergab sich beinahe wieder das Bild der letzten Nacht, nicht so dermaßen heftig, aber das konnte sich ja noch ändern.

Verschlafen rieb sie sich die Augen, schlug die dünne Decke beiseite, langte nach der Schale in der sie voraussichtlich noch den Rest der Kräutermischung aufbewahrt hatte, rutschte bewegungsfaul zu ihm herüber. Mit sanfter Gewalt drehte sie ihn auf den Rücken, flößte ihm den ganzen restlichen Inhalt des Tongefäßes ein. Gähnend kehrte sie zu ihrem Lager zurück, legte sich nieder und zog die Zudecke über den Kopf. Jetzt konnte sie zumindest bis Sonnenaufgang schlafen.
 

Einige Stunden nach Mittag beendete ich schließlich meine Arbeit, sprach zuletzt noch ein umfassendes Gebet für die Gefallenen, nahm mir dafür angemessen viel Zeit. Ich empfand es als sehr wichtig, das Seelenheil der Verstorbenen musste gewährleistet sein.

Nach einer spärlichen Säuberung mit dem kalten Wasser des Dorfbrunnens kehrte ich zum Tempel zurück, setzte einen Fuß auf die erste, von der Sonne angewärmte, steinerne Stufe der hinaufführenden Treppe. Ich blickte auf, ein merkwürdiges Gefühl spielte in meiner Magengegend und trotz seiner beständigen Fremde kam es mir bekannt vor...

Behende bewältigte ich die Treppe, mit jedem Schritt überlegte ich inne zu halten oder wieder hinabzusteigen, aber ich tat es nicht. So schnell würde er nun auch wieder nicht in den Besitz seiner vollen Kräfte kommen, wenn ich jetzt schon solch große Bedenken pflegte, wie verhielt ich mich, wenn er auch nur einigermaßen wieder bei Kräften war?

... ich wusste es nicht.

Missmutig nahm ich die letzten Stufen, blieb auf der obersten stehen, ging den Raum zuerst mit den Augen ab.

Eine deutliche Regung zeichnete sich an seinem noch liegenden Körper ab, als ich in seine Richtung schaute; heute schaffte er es sich aufzusetzen, stütze sich auf den rechten Unterarm und drehte sich in meine Richtung, die Leinendecke rutschte ihm bis zu den Hüften. Einmal mehr tauchte das Abbild von einem Tier in meinem Kopf auf; ein Tier hatte gerade so viel auf den Rippen, dass es für den nächsten Beutezug reichte, der Körper hielt sich eher sehnig als muskulös. Mager traf es wohl eher als dünn. Und das bei seinem nicht wirklich schmal angelegten Körperbau; trotzdem machte er keinen richtig unterernährten Eindruck.

Er starrte mich an oder in meine Richtung, sonst nichts. Ich verhielt mich ebenso. Schweigen. Und weiter?

Die linke Hand lag in seinem Schoß, mit der rechten stützte er sich ab, lagerte einen kleinen Teil seines Gewichtes darauf, diente wahrscheinlich nur dazu das Gleichgewicht zu halten. Sein Blick war eigenartig, ähnlich dem an jenem Abend, als ich ihm das erste Mal begegnet war.

Nein, das Fanatische, rein Tierische fehlte, im Moment beherrschte er seinen Instinkt und nicht andersherum. Vielleicht würde er mich doch nicht sofort in der Luft zerreißen...

Auch weiterhin tat sich nichts. Ich atmete tief ein, bewegte mich in kleinen Schritten vorwärts, allerdings nicht auf ihn zu . Herausfordern musste man es nicht. Er ging dem nach, jedoch nicht mit den Augen, drehte den Kopf. Seltsam...

Ich streckte den Arm leicht zur Seite, legte die Hand auf den Griff meines Schwertes. Es veränderte sich nichts. In mir begann ein Verdacht zu keimen. Dieser bestätigte sich, als ich mit allerhöchster Vorsicht das Schwert aus seiner Scheide zog. An dem Abend unserer ersten Begegnung hätte er mich augenblicklich für einen solch feindseligen Zug getötet. Kein Zweifel. Aber es war sicher, dass er es auch so nicht dulden würde. Damit verblieb eine Möglichkeit...

...er nahm es nicht wahr, er sah es nicht; deshalb kam keine Reaktion. War er etwa blind? Oder... war das eine weitere Tücke dieses Giftes?

Wie benommen schluckte ich, steckte das Schwert zurück; so konnte das nicht weitergehen und den Anfang würde er nicht machen. Ich räusperte mich zaghaft, kniete auf der Unterlage meines Lagers ab. Unsicher fing ich seinen Blick ab, mit dem Wissen, sowieso nicht gesehen zu werden.

"Mein Name ist Midoriko, ich bin Priesterin... fühlst du dich besser?"

Die Worte schienen ungehört im Raum unterzugehen.

"..."

Er antwortete nicht, woran es lag, wusste ich in dem Moment auch nicht. Aber mir schien es nicht so, als würde er mich nicht verstehen.

Ein leises Grollen erfüllte schließlich den Raum, mit der Zeit klang es zu heiser um wirklich als bedrohlich durchzugehen, dem Abbruch folgte ein Schnauben. Vielleicht passte es ihm nicht, dass ich ihn geduzt hatte... aber warum sollte ich ihn denn siezen?

Das verlangte ich ja auch nicht von ihm.

Was sollte ich jetzt tun?

Seine Präsenz war mir jetzt bereits wieder seltsam unangenehm, selbst in seinem derzeitigen Zustand war seine Aura mächtig und eiskalt. Ich wich seinem starren, blinden Blick aus, es gab mir dieses Gefühl, dass ich vor ihm nichts verbergen konnte; ich mochte es absolut nicht, wenn mich jemand von vornherein durchschaute, so wie ich es tat - warum wusste ich nicht.

Ich entschied mich nach längerem Hin und Her Wasser holen zu gehen, war ziemlich erleichtert, als ich den Tempel für einige Zeit verlassen konnte; die Eingeengtheit verflog. Tiefe Atemzüge nehmend, hievte ich den Eimer über die niedrige Brüstung des Brunnens.

Seine bewusste Anwesenheit war beklemmend - nach diesem Begriff hatte ich gesucht, der Grund dafür wollte mir nicht so recht in den Sinn kommen. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte er sich ja recht annehmbar gebärdet, mir blieb nur die Hoffnung darauf, dass es auch so blieb. Eine Garantie würde ich nicht bekommen. Es war gefährlich, riskant - vielleicht hatte mich gerade diese Tatsache dazu verführt...

Das Schlafen ließ ich für heute wohl lieber geflissentlich aus, ich würde sicherlich gar keine Ruhe finden. Außerdem glaubte ich weniger bis gar nicht, dass er es nötig hatte mich feiger Weise nachts im Schlaf zu töten. Das konnte ich wohl ausschließen.

Als ich in den Tempel zurückkehrte, lag er wieder, aber er war wach, drehte sich von mir weg. Ihm seine Ruhe zu lassen war die beste Lösung; mehr als ihm eine Schale Wasser möglichst in Reichweite zu schieben, hielt ich nicht für notwendig, wollte es auch nicht.
 

Wie ich schnell herausfand, brauchte ich mir auch nicht mehr Mühe zu machen; außer Wasser nahm er nichts an, ließ es stehen und er trank auch nur, wenn ich nicht zugegen war. Von Dankbarkeit war nichts zu erkennen. Einerseits hatte ich damit gerechnet, andererseits hätte ich es vorgezogen, doch irgendwie gezeigt zu bekommen, dass er es schätzte noch am Leben zu sein.

Der trübe Schleier über seinen weißen Augen verflog mit den Stunden des nächsten Tages, sein Zustand schien sich nun rascher zu bessern. Eine richtige Beurteilung meinerseits blieb trotzdem aus, er ließ mich nicht sehr nah an sich heran, das Maximum bewegte sich in der drei oder vier Schrittlängen-Grenze. Ich würde lügen wenn ich behauptete, dass mir dieses abweisende Verhalten nichts ausmachen würde; ich hielt es nicht nur für unangebracht, es war unverschämt. Aber was hatte ich von ihm erwartet? Genau, dass er sich auf irgend eine Weise erkenntlich zeigte und wenn er mir auch nur ein paar meiner Fragen beantworten würde.

Nein, ganz im Gegenteil. Jeder Ansprechversuch endete gleich: er ignorierte vollkommen, was ich sagte - und ich konnte schwören er verstand es - wartete auch nicht ab, bis ich fertig war, sondern gab nur dieses tiefe, kehlige Knurren von sich; einen animalischen Laut, den ich so noch nie vernommen hatte. Man erkannte es deutlich als Drohung. Ich verstand das nicht, ich tat ihm doch nichts.

Seit er wieder zu sich gekommen war, schlief er nicht mehr. Nicht, wenn ich nicht vor Ort war und schon gar nicht, wenn ich mich kurzzeitig doch im Tempel aufhielt. Auch dösen sah ich ihn nicht, wenn ich auftauchte schien er hellwach, beobachtete jede kleinste Bewegung meinerseits. Doch er mied es, mich direkt anzusehen, er schaute mir nicht ins Gesicht. Ehrlich gesagt, kam mir das gelegen, damit blieb ich zumindest von diesem ,nackten' Gefühl verschont.

Ich wusste immer weniger, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, sein einfaches Hiersein machte mich zusehends ratloser - immer hielt ich den Gedanken fest, dass er bis jetzt noch keinen Versuch unternommen hatte mich zu töten, das rechnete ich ihm an. Aber wie bereits erwähnt, ich konnte nur hoffen , dass er es sich nicht anders überlegte...
 

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Das Gift zirkulierte noch immer in meinen Adern, ich spürte deutlich die verhängnisvolle Süße, die mich zu verführen versuchte, sowie die Trübe, die meine Sinne umfing, meine Wahrnehmung stark beeinträchtigte. Die betroffenen Wunden heilten schlecht, fast gar nicht, das Gift verlagerte nur seinen Schwerpunkt, ich hatte es noch nicht ausgestanden. Dazu fügte sich noch, dass sich mir keine Gelegenheit mehr bot meinen Körper in einen absoluten Ruhezustand zu versetzen - damit würde ich mich selbst ausliefern.

Dieser Mensch war eigenartig... sie hatte mehr als einmal die beste Chance gehabt mich zu töten, aber sie hatte es nicht genutzt. Es gab keinen plausiblen Grund dafür. Ich hätte sie in jener Nacht getötet; sie hatte es verhindert - was genau sie getan hatte, lag meinem Wissen fern.

Menschen waren so schwach... sie hatte mich wahrscheinlich aufgrund ihres Mitleides verschont. Allein dieses Wort verabscheute ich... mit Gnade, Mitgefühl und Barmherzigkeit oder was auch immer kam man nicht weit. Solche Grundsätze brachten den frühen Tod mit sich und den konnte ich mir nicht erlauben. Mit dem Aufkeimen der Menschheit schwanden die Populationen der Drachenclans, nicht nur die Loftsdrekar wurden übelst dezimiert. Ganze zwei große Clans von uns waren übrig, einer hier im Osten, der andere lebte im fernen Westen. Auch weiterhin fielen die Zahlen, die Menschen hörten nicht auf... wenn man mit Gnade über sie waltete, dann beging man offen Selbstmord. Seine stupide, naive Denkweise würde uns früher oder später den sicheren Untergang bringen; dafür hasste ich ihn...

Skýdis Reaktion auf dieses gewöhnliche Menschenweib gab mir zu denken; sie besaß einen heftigen Eigenwillen und dann gewährte sie einem Menschen sie zu berühren?

Es lief falsch, ziemlich sogar. Meine Situation passte mir nicht in den Sinn. Es würde dauern, bis ich überhaupt wieder hier heraus kam; allein der Gedanke daran stimmte mich missmutig. Für so etwas hatte ich keine Geduld, wollte sie vielmehr nicht haben...

Wie konnte ein Mensch nur so dumm sein für einen vermeintlichen Dämon Mitleid zu empfinden?

Bei der war wohl schon alles verloren. Aber sie hatte keine Angst vor mir, ob das gut für sie war würde sich zeigen. So lange sie auf dem Abstand blieb, den ich ihr unmissverständlich darlegte, würde ich sie am Leben lassen. Es hatte keinen Reiz für mich sie zu töten und sie gab mir auch keinen wirklichen Grund es zu tun.

Ich war mir nicht sicher, ob ich es nach ihrem bizarren Angriff alleine geschafft hätte... wenn ich mir meinen jetzigen Zustand vor Augen rief, wohl höchstwahrscheinlich nicht. Dieses verdammte Gift hätte mit mir kurzen Prozess gemacht, davon konnte ich ausgehen. Das widerwärtige bittere Kräuterzeug hatte etwas ausgemacht... bedeutete das, dass ich noch lebte weil... sie mir geholfen hatte?

Diese Überlegung gefiel mir ganz und gar nicht, ließ sich aber nicht mehr verdrängen. Falls es sich so verhielt, war es mir nicht möglich die Sache einfach so stehen zu lassen. Ein Leben hatte einen hohen Wert, auch wenn man es selber nicht allzu hoch schätzte, im Allgemeinen traf das wirklich zu. Und das lief natürlich nur auf eine Sache heraus... ich war ihr etwas schuldig... ich hatte meine Ehre und meinen Stolz, im Gegensatz zu dem sonstigen niederen Pack das sich Dämonen schimpfte, ich konnte es nicht einfach hierbei belassen, lebenslange Schulden bei einem Menschen waren eine Schande; ich musste das zügig hinter mich bringen...

So konnte ich es einfach nicht auf mir sitzen lassen. Natürlich könnte ich sie einfach so aus dem Weg räumen und die Begebenheit für nie geschehen erklären, das wäre eine Lösung es zu unterschlagen, vor Anderen. Wenn ich mich auf diese Weise selbst belog, würde ich nie aus meinen Schulden herauskommen...
 

Überfordert starrte sie in den Brunnen, betrachtete sich selbst auf der glatten Oberfläche des dunklen Wassers. Sie hatte keinen Plan für die nächste Zukunft, vielleicht war es am Besten zu verschwinden ohne dass er es mitbekam. Ob er sie gehen lassen würde?

Unzufrieden schüttelte sie den Kopf, wandte sich ruckartig von ihrem Spiegelbild ab, ließ sich auf dem Brunnenrand nieder. Sie schaute zum Tempel. Wie lange er schon auf dem äußeren, rundherumführenden Tempelweg saß, wusste sie nicht. Aber sie wusste, dass er sie beobachtete. Die meiste Zeit hielt er die Augen geschlossen, döste vor sich hin. Wenn er das nicht tat, fixierte er sie. Er verunsicherte sie mit Absicht, aber was versprach er sich davon?

Egal was, er würde es nicht bekommen.

Langsam kam sie in die Situation, es leid zu sein, mitzuspielen. Sie stand auf, blickte ihn fest an.

"Warum tust du das?"

Ihre Stimme gehorchte, verlieh den gesagten Worten die Strenge und Bestimmtheit, die sie brauchten, um überzeugend zu klingen.

"..."

Er schwieg, ignorierte ihre Frage, fuhr unbeirrt fort, das zu tun, was sie versuchte ihm zu untersagen. Er provozierte sie. Deswegen musste sie sich ihre Ruhe bewahren, mit Sicherheit war es das, was er wollte. Auf ihn durfte man nicht eingehen. Personen wie ihn musste man konsequent außer Acht lassen, nicht auf das Verhalten reagieren, ausblenden . Mitunter fiel das schwer, aber anders war man dem nicht beizukommen.

Das hätte sie von einem unerzogenen Kind erwartet, aber nicht von einem mehr oder weniger erwachsenen Dämon. Obwohl, körperlich erwachsen bedeutete ja noch lange nicht geistig erwachsen...

Sie kam wohl nicht daran vorbei noch mindestens einmal zu versuchen mit ihm zu sprechen. Irgendwo in ihm musste ja ein Quäntchen Vernunft zu finden sein, ansonsten wäre er längst in der Härte der Gesellschaft untergegangen, solche Spielchen halfen bei gewalttätigen, grenzenlos dummen Riesendämonen rein gar nicht. Er schlug sich nicht auf die Kosten anderer durch, den Anschein machte er nicht. Ein Wolf im Schafspelz?

Bei dem Gedanken kam sie ins Schmunzeln.

Daran festhaltend stand sie auf, begab sich in den Tempel. Es ließ sich leider nicht aufschieben, sie war mehr oder weniger dazu gezwungen es zu tun. Was tat man nicht alles...
 

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[Anm.]

Skýdis - Wolkengöttin
 

***>>> Kapitel 5:

>"Jedes Leben hat seinen Wert, und wenn man diesen für jemanden bewahrt, entstehen Schulden. Schulden, die es zu begleichen gilt - auch, wenn es schwer fällt. Der Offenbarung folgt der Aufbruch, der von den schwarzen Schwingen des Drachengiftes überlagert wird..."

Brottför



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Lizard
2005-09-11T14:40:28+00:00 11.09.2005 16:40
Wieder ein wunderbares Kapitel.
Und langsam freunde ich mich auch sehr mit den Perspektivenwechseln an, sie gefallen mir mittlerweile sogar sehr gut. Nur einmal, als du für nur ganz kurz in den Universalerzähler gewechselt hast (die kurze Szene in der Nacht, als Midoriko dem noch halb bewusstlosen Dämonen den Rest des Kräutertrunks zu trinken gibt), wirkte sich der Sichtwechsel meines Erachtens ein bisschen störend aus. Ansonsten war alles sehr schön. Und der Stil wieder genial.
Besonders gefallen hat mir irgendwie der Vergleich des Dämonen mit einem tierischen Aussehen und die Szene, wo er Midoriko beobachtet, und seine Gedanken vorher zu ihr bzw. zu seiner Lebensschuld.
Was bedeutet eigentlich Katana und Skydis (kenne mich mit den Begriffen nicht ganz so gut aus und bin neugierig... Katana sagt mir irgendwas, ich komme aber nicht drauf, wo ich den Begriff schon mal gehört habe)?

Über einen Satz bin ich noch gestolpert, da wusste ich nicht so ganz, auf wen der sich bezog, und zwar dieser hier:
>wenn man mit Gnade über sie waltete, dann beging man offen Selbstmord. Seine stupide, naive Denkweise würde uns früher oder später den sicheren Untergang bringen; dafür hasste ich ihn...< Von WEM spricht er? Wer ist da gemeint? Kommt das noch? Oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Freu mich schon auf das neue Kapi!
Von:  Tigerin
2005-09-10T21:51:40+00:00 10.09.2005 23:51
Ich staune immer wieder, wie man so gut mit Wörtern umgehen kann...
Er ignoriert sie also, ist irgentwie auch klar das er misstrauisch ist...
Schreib bitte schnell weiter!
Schick mir bitte wieder ne ENS^^

Bye Tigerin

P.S Danke für deine ENS
Von:  Hotepneith
2005-09-10T19:32:17+00:00 10.09.2005 21:32
Seufz..

Obwohl die Situation an sich eigentlich überhaupt nicht romantisch ist, schaffts du das mit diesen ganezn Bildern und Eigenschaftswörtern doch.

Was hat sie jetzt nur vor?

Und vorher stammen eigentlich diese Ausdrücke für deine kapitel?

bye

hotep


P.S


Danke für deine Ens
Von:  Mondvogel
2005-09-10T12:51:22+00:00 10.09.2005 14:51
So, so. Der verletzte Dämon ist also aufgewacht und ignoriert seine Retterin völlig. Irgendwie kann man ja auch verstehen, dass er misstrauisch ist. Immerhin hatten Menschen und Dämonen noch nie eine gute Beziehung, aber mal sehen wie es mit den beiden da weitergeht.
Du kannst sehr gut Gedanken in Worte fassen und benutzt dabei immer so schöne Wörter. Dein Schreibstiel ist wirklich wunderbar. Mach einfach weiter so, ja?


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