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Let's become a Ninja!

Kapitel 38 erneuert!
von

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Schicksal

Mehr oder weniger schweigend aßen sie zu Abend. Shabons Mutter hatte Kurai wieder ein Lunchpaket gemacht, welches Kurai gerade genüsslich plünderte. Lorrenor war stumm wie ein Grab, scheinbar wollte er nicht unbedingt sprechen. Vielleicht lag es auch am anderen Sensei... Sie waren einfach nicht ihr kleiner, gewohnter Kreis. Kurai runzelte die Stirn. Ihre Familie war nicht komplett.

»Ich übernehme die erste Wache«, funkte Shabon breit grinsend dazwischen und Kurai fluchte. Die erste Wache zu haben war am besten, weil man dann unbesorgt durchschlafen konnte. Wenn nichts passierte, hieß das natürlich.

»Ich die Zweite«, reservierte Kurai schnell. Wenn sie Shabon ablöste, konnte sie ihr von Ren erzählen.

Enoki nickte.

»Lorrenor nimmt dann die Dritte und ich passe dann bis zum Morgen auf. Versucht am besten gleich nach dem Essen zu schlafen. Ich will morgen noch im Morgengrauen mit euch weitersuchen, vielleicht kriegen wir so einen Überraschungseffekt.«

»In Ordnung...«, murmelte Kurai und aß noch ein letztes Stück Surimi, ehe sie die fast leere Lunchbox in ihrem Rucksack verstaute und den Rücken durchstreckte. Trotz des befremdlichen Gefühls unterhielt sich die Gruppe gerade über die Elemente und Jutsus, als Shabons Nachtwache anbrach. Inzwischen stand ein schmaler Sichelmond am Himmel und Sterne glommen auf.
 

Kurai wollte in den wenigen Stunden, bis sie an der Reihe war nicht schlafen und so gesellte sie sich gleich zu Shabon. Nebeneinander hockten sie im Gras und schauten mehr oder weniger beide gleich mürrisch drein, als es prasselnd zu Regnen begann. Die Baumkronen hielten zwar viel ab, nass wurden die Ninjas aber trotzdem.

»Ich hasse Regen«, fluchte Shabon, »Und dann noch immer nachts. Als wenn es so schon nicht kalt genug wäre.«

Kurai musste an Ren denken. Ob er einen trockenen Platz gefunden hatte? Er machte so einen hilflosen Eindruck auf sie.

»Kurai?«, fragte Shabon, die ihre Abwesenheit bemerkt zu haben schien, »Ist was?«

»Nein«, meinte Kurai, »Ich hab' Zabuzas Untergebenen getroffen.«

»Häh? Wann? Wo? ...Wen? Den schwarzhaarigen Jungen? ...Ren?«

»Ja, genau«, das Fuchsmädchen nickte.

»Beim Feuerholz sammeln, oder? Darum hat es so lange gedauert.«

Kurai nickte und blickte in den Himmel.

»Ja... Er ist sehr nett... Und er scheint sehr hilflos.«

»Wie meinst du das?«, fragte Shabon und Kurai erzählte ihrer Freundin von dem Gespräch und von der Art und Weise, wie Ren wirkte. Hilflos, kindlich, naiv und irgendwie in der Jugend zerstört. Kurai hatte das Gefühl, dass er mal etwas ganz und gar Schlimmes durchlebt haben musste, wovon eventuell auch die Narbe auf seinem Gesicht sprach. Aber das lag nicht in ihrem Ermessen. Sie wusste nur, dass er ein Freund war.

»Er sagt also auch, dass wir keine Feinde sind. Das ist gut«, schloss Shabon, »Irgendwie tut er mir leid. Zabuza scheint nicht gerade einer von der gesprächigen Sorte zu sein.«

»Aber er ist trotzdem ein guter Kerl«, ergriff Kurai Partei, »Als Ren von ihm gesprochen hat, hatte ich fast das Gefühl... Ach, egal.«

»Was für ein Gefühl?«, hakte Shabon sofort nach.

»Na ja«, zögerte das Fuchsmädchen, »Ich hatte das Gefühl, dass Zabuza für Ren irgendwie das ist, was Meister Kakashi für mich ist.«

»Verstehe schon«, erwiderte Shabon, aber man hörte an ihrem Ton, dass sie dort etwas nicht so ganz unterschreiben wollte. Scheinbar hielt sie noch immer an der Theorie fest, dass Kurai mehr für Kakashi-Sensei empfand als sie sich eingestand. Kurai wurde rot und wusste nicht warum.

»Egal«, lenkte die junge Umidame ab, »Jedenfalls ist es gut, wenn wir die beiden nicht mehr im Rücken haben. Und gegen Shaku sind sie auch - was wollen wir mehr?«

»Ich frage mich nur immer noch, wieso er so geheimnisvoll getan hat. Er wollte mir weder sagen, warum sie uns helfen, noch warum er hier im Wald ist.«

»Warum sie dir helfen, meinst du«, korrigierte Shabon, »Wir schienen ihnen ja mehr oder weniger egal zu sein.«

»Das stimmt nicht... Ren hat doch auch geholfen, den Meister aus dem Wassergefängnis zu kriegen.«

»Ja, nachdem du in Sicherheit warst.«

»Das war ganz sicher Zufall«, beteuerte Kurai, »Ich kenne Zabuza nicht. Ich weiß auch nicht... Manchmal ist mir, als wenn ich ihn schon ewig kenne. Dabei habe ich noch kein einziges richtiges Wort mit ihm gewechselt... Verrückt.«

»Seelenverwandtschaft oder so«, grinste Shabon breit, »Sei einfach froh, sonst wärst du schon sonstwo. Die Sache am Fluss war echt gefährlich.«

»Ja...«

»Mach dir keine Gedanken.«

Shabon war optimistisch wie immer und das brachte auch das Fuchsmädchen auf andere Gedanken. Sie plauderten über Belanglosigkeiten - darüber, welche Tiermasken sie wohl als Anbus zugewiesen bekommen würden, was Kakashi wohl jetzt gerade tat, worum es eigentlich im 'FlirtParadies' ging und wer es geschrieben haben mochte und eben solche unwichtigen aber doch schönen Dinge. Kurai fühlte sich unsagbar wohl an Shabons Seite und wünschte sich nichts sehnlicher, als das ihr Leben auf ewig so weitergehen würde. Einfach nur mit ihrem Team zusammenzusein war für Kurai das Größte. Die ganze Quälerei in der Schule war angesichts ihres jetzigen Glücks wie verflogen.
 

Kurai träumte in dieser Nacht, dass Ren Flügel bekam und dem Himmel entschwand. Am Morgen war sie vollkommen verwirrt über diese Anhäufung von Unsinn, hatte die Sache angesichts der Mission aber schnell ganz vergessen. Ihr taten die Knochen vom nassen Boden weh und Shabon schaute aus der Wäsche, als würde sie heute beide Attentäter mit Freude eigenhändig erwürgen, um ihne Laune auszulassen. Lorrenor sprach keinen Ton und Enoki schien hochkonzentriert angesichts des bevorstehenden Kampfes. Kurai seufzte abgrundtief. Nein, so war das definitiv nicht schön. Hoffentlich wurde der Meister schnellstmöglich gesund, damit dieses Drama ein Ende fand... Das war ja nicht zum aushalten.
 

Missgelaunt stiefelten Shabon und Kurai nebeneinander über den inzwischen fast ganz trockenen Boden. Enoki schien noch immer angespannt und Lorrenor einfach nur genervt. Selbst der kühle, stille Sato-Nachkomme schien wirklich an seinen Gewohnheiten zu hängen, mit Kakashi-Sensei, Kurai und Shabon auf Missionen zu gehen. Vielleicht hatte er doch nicht nur für Kurai vor dem Hokage zugestimmt, eine Gruppe zu bleiben... Aber das konnte Kurai nicht wissen.

Die zwei Kilometer waren schnell hinter sich gebracht. Die alte Mine kam in Sicht - ein tiefer Schacht war erkennbar, über dem eher dürftig ein Holzgestell gebaut worden war. Scheinbar hatte man die Arbeiter und die Beute mithilfe eines Flaschenzugs in die Grotte hineingelassen und wieder hinausgezogen. Das Gestell wirkte alt, zerfressen und klapprig.
 

Um die Mine herum war Flachland. Das Gras kitzelte die Waden der Ninjas und der Wind wehte fast idyllisch über den Ort hinweg, so als würde hier nie etwas Negatives sein können. Aber auch Lorrenor, Shabon und Kurai waren inzwischen zu gute Shinobi geworden, um sich davon täuschen zu lassen.

Stille herrschte. Eine Zeit lang horchten sie alle angespannt, ehe Enoki seine Stimme erhob.

»Wir sollten uns aufteilen«, schlug er vor, »Das Gebiet hier ist nicht sonderlich groß. Ruft einfach, falls ihr fündig werdet.«

Mit diesen Worten zog er vier schwarze Bänder aus der Tasche, an denen kleine Funkgeräte befestigt waren. Die drei Chu-Nin nahmen jeweils Ihres und banden es wie vorgesehen um ihre Hälse, zogen das Kabel daran hinauf und befestigten schließlich den Knopf im Ohr. Enoki tat es ihnen gleich.

»Ich gehe mit Kurai«, sagte Shabon und nahm deren Handgelenk, »Wir melden es sofort, wenn wir jemanden sehen.«

Enoki nickte und Lorrenor ebenso. Sie nahmen sich die rechte Hälfte des Gebietes vor und begaben sich in zuerst in die Nähe der Mine, um dort alles zu prüfen. Danach strebten sie einige Hügel an, die sich einige Meter weiter bereits auftaten.
 

»Gehen wir«, meinte Kurai und Shabon nickte, folgte ihrer Freundin. Sie traten über ebenen Boden, es tat sich lediglich ein Waldstück auf, während weiter weg von ihnen einige kleine Felsen in die Luft ragten. Kurai vermutete, dass es dort eine Quelle gab.

Die Mädchen gingen nebeneinander her und die Vögel zwitscherten ausgelassen. Die Sonne strahlte angenehm vom Himmel und Shabon ertappte sich dabei, wie sie kurz unvorsichtig wurde. Das Waldstück war leer, eigentlich war es nur eine Aneinanderreihung mehrerer Bäume, die allerdings an den Nadelwald grenzten, aus dem sie kamen. Hier versteckte sich niemand, das hätten sie bemerkt.

»Komm, schauen wir noch dort«, schlug Kurai vor und deutete mit dem Zeigefinger auf die kleine Felsformation. Shabon nickte nur und wenige Sekunden später hatten sie ihr Ziel erreicht. Tatsächlich plätscherte hier eine kleine, glasklare Quelle vor sich hin, die von den Felsen gehalten wurde.
 

Shabon entfernte sich einen Schritt. Sie gähnte hörbar und streckte die Arme in die Luft.

»Hier ist niemand«, meinte sie, »Die haben wahrscheinlich irgendwie herausbekommen, dass sie bereits verfolgt werden und sich verkrümelt... Wäre auch ziemlich dumm, zu versuchen sich hier zu verstecken. Hier gibt es fast nichts.«

Auch Kurai hatte der Quelle den Rücken gekehrt und runzelte nun die Stirn. Ihr war, als habe sie eben ein Blubbern vernommen und blickte sich um - ein Schatten huschte über das Wasser. Kurai atmete auf. Es waren nur Fische.

»Lass uns die anderen suchen«, schlug das Fuchsmädchen also vor, »Hier gibt es ja doch nichts.«

»Du hast Recht.«
 

Die beiden Kunoichis machten kehrt und strebten wieder die Nähe der Mine an. Im selben Augenblick jedoch erklang ein lautes Platschen und zwei Schatten taten sich in der Sonne über ihnen auf. Kurai wollte herumfahren, als Shabon sie bereits griff und mit ihr zur Seite sprang. Beide prallten schmerzhaft auf die Erde, aber die junge Umidame rollte sich sofort über Kurai ab und stand wieder auf. Kurai sprang ebenfalls auf und peilte einen kurzen, verwirrten Moment die Lage. Zwei Ninja standen vor ihr. Einer von ihnen hatte fast bleiche Haut, braune Augen und hellblondes Haar, während der andere ähnlich wie Kakashi ein Tuch über dem Mund trug. Seine Augen stachen von kaltem Grau, sein Haar war verdeckt und er war sehr breit und groß gebaut. Beide besaßen ein Kiri-Stirnband, dessen Zeichen durchritzt worden war - sie hatten sie gefunden.

»Lauf!«, zischte Kurai Shabon zu. Beide wussten, dass Shabon im Nahkampf so gut wie machtlos war und aus dem Hintergrund agieren musste. Daher nickte sie, machte kehrt und rannte auf das Waldstück zu, um sich dort zu schützen und ihre Illusionskünste anwenden zu können.

»Ruf die anderen!«
 

»Du ganz allein gegen uns?«, spottete der Vermummte, »Du siehst aber nicht gerade stark aus.«

»Langweilig«, brummte der Blonde und grinste, »Ich hatte gehofft, dass mal wirklich starke Ninja kommen, mit denen wir uns ein bisschen befassen können. Händler zu töten ist nicht gerade spannend... Die Meisten können nichtmal einen einzigen Bunshin erschaffen.«

Kurai knurrte hörbar. Es widerte sie an, dass es Menschen gab, die ein Lebewesen töteten und noch stolz darauf waren. Sie wusste, dass sie in Schwierigkeiten steckte, denn allein konnte sie wahrscheinlich nicht mal einen von den beiden in Schach halten. Aber sie musste versuchen sie abzulenken, bis Shabon über Funk Lorrenor und Enoki gerufen hatte.
 

Die beiden Gegner stürmten nun auf Kurai zu. Ihr Herz schlug erbarmungslos gegen ihre Brust, doch sie zwang sich zur Ruhe und Überlegtheit. Ein Fehler auf diesem Niveau konnte sie den Kopf kosten, dessen war sie sich mehr als bewusst.

Von zwei Seiten attackierten die Nuke-Nin das Fuchsmädchen, welches die Schwäche fand und hinaufsprang. Dabei suchte ihr Finger bereits das Funkgerät an ihrem Hals, um es anzuschalten - kaum war sie in die Nähe des Knopfes gekommen, versetzte man ihr einen scheppernden Schlag ins Kreuz. Kurai segelte zu Boden und prallte schmerzhaft mit dem Becken auf, woraufhin sie sich eine Sekunde nicht bewegen konnte und fast von einem Shuriken in den Hals getroffen worden wäre. Noch auf den Knien stützte Kurai sich mit den Händen ab und rannte so schnell sie die Beine trugen zur Quelle, denn Wasser war auch ihr Element.

Die Gegner waren schneller und überholten das Mädchen von beiden Seiten. Kurai stoppte sich abrupt mit dem Fuß und die Zeit, in der die Verbrecher an ihr vorbeirauschten nutzte Kurai für einige Fingerzeichen und Konzentration.

»Suiton Suikodan no Jutsu!«, rief sie und bündelte möglichst viel Chakra in diesen Angriff, darauf hoffend, dass der Abstand zum kühlen Nass nicht zu groß war. Nach kurzer Zeit erhob sich allerdings bereits der Wasserschwall, der sogar ein Stückchen breiter war als letztes Mal und erfasste die durch den Angriff unaufmerksamen Shinobi. Beide wurden hinfortgespült und blieben einen Moment am Boden liegen.

Kurai wusste, dass ihnen das Wasser wahrscheinlich nicht mal wehgetan hatte. Sie spielten mit Kurai und kämpften höchstens mit halber Kraft, scheinbar war ihnen wirklich langweilig. Kurai allerdings war nur froh über diesen Umstand, denn dies verschaffte ihr Zeit.
 

Sie formte aus wenig Wasser zwei Mizu-Bunshins, die mit einem Kunai bewaffnet die beiden Abtrünnigen angriffen. Der Blonde jedoch sprang auf und zerteilte beide Bunshins mithilfe eines Doppelkunais in der Mitte, woraufhin sie wieder zu einer Pfütze wurden. Kurai fluchte und stolperte rückwärts, als der vermummte Ninja sie angriff. Sie nahm die Arme zur Verteidigung hoch, um das Schlimmste zu verhindern, aber da streifte etwas brennend Heißes knapp ihre Schulter.

Ein leichter Lichtblitz erhellte die Sicht und Kurai kniff die Augen zusammen, um weiterhin sehen zu können. Der vermummte Nuke-Nin schrie und rollte sich am Boden entlang, seine Kleidung hatte Feuer gefangen und stand lichterloh in Flammen. Der andere Ninja reagierte wirklich schnell, formte ein schlichtes Tigerzeichen und erschuf damit ebenfalls einen Wasserdoppelgänger, der sich über seinem Freund auflöste und ihn mithilfe des entstandenen Wassers löschte. Benommen blieb der ehemals Brennende noch auf dem Boden liegen, während der Blonde bereits wieder zum Angriff überging. Diesmal jedoch kam er kaum zum Losrennen, weil links neben Kurai die Erde in einer geraden Linie aufplatzte und ihm die Beine einklemmte, sodass er sich erst wieder befreien musste.

Kurai fuhr herum und erblickte Shabon, Lorrenor und Enoki hinter sich.

»Leute!«, rief sie erleichtert und suchte schnell die Nähe ihres unvollständigen Teams, »Gottseidank seid ihr da. Ich hätte nicht mehr lange durchgehalten.«

»Gut gemacht, Kurai«, lobte Enoki, »Jetzt können wir sie zusammen angreifen.«
 

Auch der Vermummte erhob sich nun wieder und sah alles andere als freundlich aus.

»Naoki«, sprach er den Blonden an, scheinbar war dies sein Name, »Zeig ihnen doch mal deinen Freund. Bestimmt werden sie viel Spaß mit ihm haben.«

Naoki begann daraufhin ohrenbetäubend zu lachen.

»Es kostet verdammt viel Chakra diesen Bastard zu rufen, Osamu«, erwiderte er dann, während er mit seinem Kunai eine blutige Kerbe in den linken Zeigefinger ritzte, »Aber ich bin auf das Spektakel gespannt.«

Noch bevor das Team 2 etwas tun konnte presste er die flache, blutige Hand auf den Boden, auf welchem nun ein Muster erschien.

»Kuchiyose no Jutsu!«, rief Naoki und danach geschah nichts.

»Scheiße...«, fluchte Enoki leise. Sie waren in Gefahr.

Einige Zeit geschah nichts. Es herrschte absolute Stille und fast war es, als habe das Jutsu nicht funktioniert. Doch nach einigen Sekunden ertönte ein Krächzen am Himmel und alle Anwesenden sahen auf.
 

Ein Vogel kam auf sie zugeflogen. Er hatte langes, schwarzes Gefieder und sein Schnabel glänzte spitz im Sonnenlicht. Es war der größte Vogel, den Shabon, Lorrenor und Kurai jemals gesehen hatten - mit den Flügeln war er mindestens drei Meter groß.

»Töte sie!«, schrie Naoki dem Vogel zu und dieser spreitzte bedrohlich die Krallen, krähte dumpf und hallend und nahm dann Ziel auf die Chu-Nin und ihren Ersatzmeister.

»Weg hier!«, schrie dieser und setzte sich in Bewegung, rannte vorran in Richtung Waldstück, woraufhin seine Untergebenen ihm folgten, »Schnell in den Wald! Beeilt euch!«

Kurai rannte so schnell es ihr möglich war. Ihre Lunge brannte inzwischen wie Feuer, während sie noch immer das Kreischen des Vogels und das Lachen der beiden Gegner in den Ohren hatte, denn sie war noch immer geschwächt vom Kampf. Wut packte sie. Sie hasste es, so hilflos zu sein und nun hetzten sie ein Kuchiyosewesen auf die Gruppe - diese Feiglinge waren wirklich nicht zu übertreffen.

Ein scharfer Luftzug verriet, dass der Vogel die Gruppe fast eingeholt hatte. Kurai rannte noch schneller und holte damit Lorrenor, Shabon und Enoki schließlich ein. Als der Wald in greifbare Nähe rückte, stießen die Ninja sich vom Boden ab und sprangen mit einem Hechtsprung ins Gebüsch. Nur wenige Zehntelsekunden später fegte der Vogel krähend über sie hinweg und zerteilte einen schmaleren Baum kurz über ihnen als wäre er ein Grashalm. Krachend kam er neben dem Versteck der Shinobi auf und diese verhielten sich möglichst ruhig.

»Was sollen wir machen?!«, zischte Shabon verzweifelt, »Wir haben keine Chance gegen diesen Vogel.«

»Nein, haben wir nicht«, meinte Enoki toternst, »Ihn zu töten ist fast unmöglich. Vielleicht, wenn wir ihn alle gleichzeitig mit einem Jutsu treffen.«

»Ich will ihn nicht töten«, sagte Kurai, »Das Tier kann nichts dafür.«

Kurz herrschte Stille, dann nickte Lorrenor.

»Ich finde es auch intelligenter, sich auf die beiden Nuke-Nins zu konzentrieren. Wenn wir Naoki töten, wird auch der Vogel verschwinden - immerhin löst sich dann der Kuchiyosebund.«

»Ja, das ist richtig«, sagte Enoki, »Wir müssen getrennt agieren. Ich kümmere mich um den Vogel und lenke ihn ab, ihr versucht die beiden Abtrünnigen zu töten.«

»Verstanden«, sagten Kurai, Shabon und Lorrenor im Chor.

»Bleibt zusammen. Schützt euch gegenseitig«, gab ihnen Enoki noch mit, »Viel Glück.«
 

Er sprang aus dem Gebüsch. Der Vogel hatte gerade einen Kreis gezogen und schwebte nun über dem Wald, denn hier konnte er keinen Sturzflug mehr machen. Er würde sich an den Bäumen verletzen, da sie zu eng standen und das schien er zu wissen.

Sie saßen in der Klemme. Die Abtrünnigen würden nicht in den Wald kommen, die Gruppe konnte aber auch nicht raus, ohne von dem Vogel getötet zu werden.
 

Enoki rannte aus dem Wald und hielt unter dem Vogel inne, warf ein Shuriken nach dem Tier, welches es aber nicht einmal erreichte. Um die Aufmerksamkeit des Kuchiyosewesens zu erwecken reichte es allerdings und eben dies hatte der Jo-Nin damit bezweckt. Er entfernte sich noch weiter vom Waldstück und der Vogel folgte ihm schreiend.

»Jetzt!«, zischte Lorrenor barsch und zu dritt stürmten sie aus dem Gebüsch. Tatsächlich standen Naoki und Osamu noch an der Stelle von eben und beobachteten den schwarzen Vogel, wurden jetzt aber auf die Chu-Nin aufmerksam.

»Ihr schonwieder«, sagte Osamu, »Ihr nervt.«

»Ihr auch«, zischte Kurai.

Lorrenors schwarze Pupillen färbten sich rot. Die Sharingan aktivierten sich und er stellte sich kampfbereit hin, während Shabon ihre Flöte zückte und etwas abseits blieb. Kurai griff ein Kunai und blieb dicht neben Lorrenor, machte sich ebenfalls bereit.

»Los geht's«, raunte er ihr selbstsicher zu. Er schien wirklich Gefallen am Kampf zu finden, was Kurai von sich nicht gerade sagen konnte. Sie nickte ihm zu und gleichzeitig stürmten sie auf die Gegner zu, Shabons Flötenspiel erklang kurz später. Es war eine hektische aber rhythmische Melodie, die Kurai irgendwie noch mehr anspornte. Das nahm sie nebensächlich wahr, denn jetzt erreichte sie mit Lorrenor die Gegner. Der junge Sato-Erbe attackierte Naoki und überließ Kurai den ohnehin schon durch die Verbrennungen verletzten Osamu, welcher mit seinem breiten Arm ausholte und nach ihr schlug. Kurai war mit ihrer Gruppe wesentlich selbstsicherer und duckte sich im Sprung unter dem Schlag hinweg. Sie nutzte diese kurze Blöße und rammte Osamu ihr Kunai in den Unterarm, riss es aber sofort wieder heraus und entfernte sich.

Dies allerdings nicht schnell genug, woraufhin er Kurai am Kragen zu packen bekam und sie fast mühelos hochhob. Sie trat umsich und versuchte den Gegner zu erreichen, doch dieser holte aus und schleuderte Kurai nach links, woraufhin sie mitten ins Gefecht von Lorrenor und Naoki taumelte. Lorrenor, der gerade zum Schlag ausgeholt und damit fast Kurai getroffen hätte stoppte abrupt und rammte sie lediglich leicht mit seinem Körper, während Naoki genau diese Chance nutzte. Er packte die Hinterköpfe der beiden Teamkameraden und schlug sie mit voller Wucht zusammen, woraufhin sich bei Kurai für einen kurzen Moment die Lichter ausknipsten. Lorrenor jedoch gab ihr einen leichten Schlag auf die Schulter, damit sie wieder zu sich kam und stürzte sich dann erneut auf Naoki.

Kurai sah alles verschwommen und ihr Kopf schmerzte, aber sie ließ sich davon nicht ausschalten. Sie wollte endlich auch einmal etwas bringen und nicht immer nur schutzlos oder ohnmächtig daliegen - diese Zeiten waren endgültig vorbei, das hatte sie sich geschworen.

Kurai rappelte sich auf und sprang zu Lorrenor und Naoki, die sich noch immer miteinander schlugen. Osamu war jetzt allerdings hinter dem jungen Sato aufgetaucht und drohte ihm sein Doppelkunai in den Nacken zu schlagen.

Kurai sprang mit ganzer Kraft dazwischen und rammte ihren Kopf in Osamus Magen. Dieser keuchte erstickt auf und torkelte einige Schritte nach hinten.

Das Fuchsmädchen schnaufte wie nach einem Marathonlauf. Sie war vollkommen erschöpft und ihre Beine zitterten. Normalerweise machte der Kampf allein sie schon müde, aber jetzt hatte sie auch noch das Suikodan eingesetzt. Sie musste sich Mühe geben, nicht auf den Hosenboden zu fallen. Der Kampf war noch nicht vorbei.

Osamu schüttelte fast ruckartig den Kopf. Noch immer war Shabons Flötenspiel erkennbar und der breit gebaute, vermummte Shinobi schien ernsthaft Probleme deswegen zu haben. Shabon schien ihn mit ihrer Illusionskunst erwischt zu haben und dies musste Kurai nutzen.

Sie umgriff fest ihr Wurfmesser und stürmte auf Osamu zu, um ihm jenes in die Stirn zu rammen.
 

Kurai hatte ihn fast erreicht, als er plötzlich die Augen aufschlug und ihr Handgelenk griff. Er drückte so fest zu, dass Kurai vor Schmerz aufschrie und dann holte er mit dem Kopf aus, um sie zu rammen. Das Fuchsmädchen zog blitzschnell den eigenen Kopf weg und wurde daher nur an der Schulter getroffen, woraufhin sie fast einen ganzen Meter wegtänzelte und schließlich hinfiel.

Im gleichen Moment schoss Osamu los, aber nicht auf Kurai, sondern auf Shabon. Diese stand noch immer mit vor Konzentration geschlossenen Augen vor dem Anfang des Waldes und flötete ihre Illusion.
 

»Shabon!«, schrie Kurai aus vollem Halse und die Melodie brach ab, Shabon sah die Gefahr auf sich zukommen, »Hau ab! Schnell!«

Shabon machte kehrt und wollte zur Seite ausweichen, auch Kurai war aufgesprungen und versuchte Osamu einzuholen. Sie kam von der Seite auf ihn zu und hatte daher die geringe Chance, vor ihm am Ziel zu sein.

»Bleib wo du bist!«, zischte der Abtrünnige und schleuderte einen Regen von Shurikens auf Shabon. Eines traf sie ihm rechten Oberschenkel und ein anderes streifte ihren Hals, woraufhin Blut diesen hinablief. Vor Schmerz krümmte Shabon sich hinunter, um den Wurfstern aus ihrem Bein zu ziehen.

»Schneller«, keuchte Kurai im Rennen und drückte ihren Brustkorb so straff nach oben wie irgendwie möglich, um schneller zu sein.

Fast zeitgleich durchfuhr sie ein kurzer Intervall von Hitze, den sie selbst kaum wahrnahm. Kurai rannte wenige Schritte schneller und schaffte es, Osamu zu erreichen, bevor dieser Shabon erreichen konnte. Sie ballte die Faust und schlug Osamu im Rennen mit solch einer Wucht ins Gesicht, dass sie mit der Faust abrutschte und sich den kleinen Finger brach. Er krachte entzwei und Kurai hörte es, fühlte aber keinen Schmerz. Zu sehr war sie von Adrenalin durchtränkt.
 

Osamu torkelte davon, Shabon sackte auf den Hosenboden und zog endlich den Wurfstern aus ihrer Wunde. Sie riss sich zusammen, das konnte Kurai sehen, aber vor ihren Augen verschwamm die Umwelt allmählig. Sie hatte sich vollkommen verausgabt und fast kein Chakra mehr übrig - das Suikodan, der Kampf ansich und die Mizu-Bunshins hatten fast all ihre verfügbaren Vorräte gefressen.

»Du kleine Ratte!«, zischte Osamu jetzt wütend und mit blutender Nase, nachdem er einen ausgeschlagenen Zahn zu Boden gespuckt hatte, »Das wirst du büßen!«

Er nahm Anlauf und holte mit seinem Doppelkunai so weit aus wie es ihm möglich war, zielte auf Kurais Schädeldecke und raste auf sie zu. Dieses Mal würde er sie kriegen.

Kurai versuchte hinwegzuspringen, aber im falschen Augenblick knickte ihr linkes Knie ein. Kurai sackte hinab und versuchte noch vergeblich, sich mit dem Arm wegzuziehen, als ihr plötzlich ein scharfer Luftzug ins Gesicht rauschte. Es knallte direkt vor ihr und Kurai wurde zurückgestoßen, landete auf dem Hosenboden und blickte auf.

Es dauerte einige Sekunden, ehe ihr müder Geist erfassen konnte was sie sah. Vor ihr stand Ren.

Er hielt ein Kunai in der Hand und hatte sich Osamu entgegengeworfen, ihm die Waffe mit ganzer Kraft in die Schulter gerammt. Osamu taumelte zurück, vor Schmerz und Verwunderung gleichermaßen und erst jetzt sah Kurai, dass das Doppelkunai des Abtrünnigen in Rens Brust auf Höhe der Lunge steckte.

Rens Kopf sank einen Moment hinunter und er hustete. Kleine Blutstropfen verließen seinen Mund dabei.
 

Mit geweiteten Augen und ohne zu Blinzeln starrte Kurai auf seinen Rücken. Ren richtete sich wieder auf und begann dann zu taumeln. Er trat einen Schritt zurück, um nicht umzufallen und dann sackte er nach vorn auf die Knie.

Kurai sprang ohne zu denken auf und stützte ihn.

»Ren!«, rief sie verzweifelt und blickte jetzt auf das Kunai. Es steckte bis zum Anschlag in seiner Haut und dickflüssiges Blut sickerte aus der Wunde, verfärbte den Stoff seines Oberteils dunkel.

Ren hustete erneut, bewegte sich aber nicht.

»Ren«, sprach Kurai wieder und Tränen sammelten sich in ihren Augen.

Erstarrt stand Shabon abseits vom Geschehen, hatte den Schmerz im eigenen Bein inzwischen vergessen. Osamu hielt inne, schien von dieser Szenerie noch immer überrascht. Von Enoki und Lorrenor war keine Spur, nur weit entfernt konnte man ihre Rufe und Kampfgeräusche vernehmen. Aber an Shabon und Kurai rauschte dies alles vorbei wie ein Film.

»Warum?«, murmelte Shabon leise und trat jetzt einen Schritt auf die beiden zu, blieb knapp einen Meter vor ihnen stehen und kniete sich hinunter. Sie sah auf die Verletzung, auf das Eisen, welches so tief im Körper des Jungen steckte. Einen kurzen Moment trafen sich Shabons und Kurais Augen. Die Blauen sahen hoffnungsvoll, fast flehend aus, aber Shabon schüttelte langsam den Kopf. Bei einer verletzten Lunge konnte man nichts tun - zumindest nicht hier in der Wildnis.

»Nein«, keuchte Kurai und Shabon sah sie zum ersten Mal wirklich weinen. Sie rüttelte Ren, der daraufhin ein schmerzvolles Keuchen ausstieß. Ein dünnes Blutrinnsal verließ seinen Mund.

»Warum?! Sag es mir!«

»Es war...«, begann Ren nun und alle wurden still, »Es war doch... mein Auftrag. M-Mein... Meister... Er... Er hat mir diese wichtige Aufgabe anvertraut...«

»Wichtige Aufgabe?«, fragte Shabon leise. Sie schien noch immer klar und gefasst, »Meinst du, Kurai zu beschützen?«

»J-Ja...«, murmelte Ren und schloss die Augen, »Es... es ist wichtig. Ich... Ich durfte nicht versagen. Nicht dieses Mal. Mein Meister... hat so viel für mich getan... Und jetzt wollte ich ein Mal etwas für ihn tun...«

Mit diesen Worten verließ die Kraft seinen Körper. Er kippte zur Seite und Kurai fing ihn auf, drückte ihn an sich und keuchte aus einer Mischung aus Trauer und Wut.

»B-Bitte...«, bat Ren und blickte zu Kurai auf, wandte dann den Kopf zurück, um auch Shabon sehen zu können, »Bitte sagt meinem Meister, dass ich... seine Aufgabe erfüllt habe. Es hat doch was gebracht.«

»Ren!«, sagte Kurai eindringlich. Sein Blut verteilte sich auf einem Stück ihrer Kleidung, aber das kümmerte sie nicht, »Ren!«

Der Junge schloss die Augen. Einen kurzen Moment verharrte er wie im Schlaf, dann erschlaffte sein Körper.

»REN!«

Kurai rüttelte ihn stärker, damit er aufwachte. Das durfte nicht passieren. Nicht wegen ihr.

»Kurai«, ermahnte Shabon sie, »Hör auf... Er ist tot.«

»Nein...«, flüsterte Kurai und ließ ihn. Vorsichtig legte sie ihn am Boden ab, so als könne er noch Schmerzen empfinden. Ihr Blick war verschwommen von Tränen, aber als sie seinen Körper sah, verspürte sie noch etwas anderes.

Hass.

»Das wirst du büßen...«, murmelte Kurai dumpf und blickte auf. Osamu stand noch immer vor ihnen, riss jetzt grob das Kunai aus seiner Schulter und trat zurück, als er Kurais rote Augen sah. Die schmalen Pupillen fixierten ihn scheinbar von selbst.

Für einen Moment wurde es still. Vor Kurais Augen begann sich alles zu drehen. Müdigkeit, Trauer, Fassungslosigkeit und Hass ergriffen gleichermaßen Besitz von ihr und das Fuchsmädchen keuchte hörbar. Kurai sah Ren an und fast zerfraß sie der Wille, seinen Tod rückgängig zu machen oder zu rächen.

Ja... Sie musste Ren rächen.

»Du...«, knurrte Kurai mit zitternder Stimme und stand auf. Es war, als würde ihr Inneres brennen, wieder kam das Gefühl über sie, explodieren zu müssen. Doch dieses Mal konnte sie es nicht beherrschen.

Unwillkürlich kniff sie die Augen leicht zusammen, als etwas in ihrem Körper zu wachsen schien. Deutlich fühlte sie einen schmerzhaften Druck, der ihr gleichzeitig so viel Energie zu geben schien, dass sie kaum still stehen konnte. Mit tiefen, rasselnden Zügen atmend krümmte Kurai sich hinunter und in ihrem Rücken knackte es. Sie schrie auf, aber dies nur geistig, denn äußerlich sah Shabon nur die zu breiten Kerben gewordenen Striche auf ihren Wangen und ihre Eckzähne, die ein Stück länger und spitzer wurden.

Kurais Finger versteiften sich, als ihre Nägel wie Krallen etwas in die Länge wuchsen. Dabei verheilten zischend die Kratzer auf ihrem Körper und auch ihr gebrochener Finger schien sich allein zu richten, der Knochen griff wieder ineinander. Es schmerzte unendlich, so als würde sie in Feuer stehen und lebendig verbrennen, aber Kurai gab keinen Ton vonsich und starrte nur stumm auf Osamu - ihr Ziel. Kyuubi fauchte in ihrem Innern und rotes Chakra sickerte während ihrer Veränderung um Kurais Körper, dann verschwand es in der Erde, als wäre es aus ihr emporgestiegen. Das Fuchsmädchen sah nichts mehr außer schwarz um sich herum, einzig und allein Osamus Silhouette leuchtete grell vor ihrem Geist. All ihr Hass lenkte sich auf ihn, während sie sich auf alle Viere stellte und kollernd knurrte.
 

»Kurai...«, murmelte Shabon leise. Kurai war so anders geworden, dass die junge Umidame sie kaum erkannte. Der Blick in ihren Augen und ihr gekrümmter, veränderter Körper zeigten ihr, dass es dieses Mal anders war. Dieses Mal hatte Kyuubi die Kontrolle über Kurai gewonnen.
 

»W-Was zum?!«, raunte Osamu und bewaffnete sich mit dem Kunai, welches er gerade aus seiner Schulter gerissen hatte. Was war mit diesem Mädchen los? Dieses Jutsu kannte er nicht.

»Stirb...«, keuchte Kurai und schoss in seine Richtung. Sie war fast drei mal so schnell wie sonst, der Wind peitschte ihr ins Gesicht, doch Kurai änderte keine Miene - nichts tat ihr in diesem Moment weh und Kurais Geist kreiste nur darum, wie sie Osamu töten und Ren rächen konnte. Es war, als hätte für alles andere die Zeit angehalten, nur ihre Aufgabe stand noch im Licht.

Osamu trat zurück und stieß mit dem Wurfmesser nach Kurai, aber diese warf schlicht den Kopf zur Seite und ließ sich von der Waffe treffen. Tief steckte sie in ihrer Schulter und ein kurzer Intervall von Chakra stieß das Kunai mit Wucht wieder hinaus. Klirrend landete das Messer auf dem Boden und zischend verheilte die Wunde auf der Stelle wieder.

»A-Aber...«, keuchte Osamu und ergriff jetzt die Flucht. Er sprang rückwärts in die Luft, um zu entkommen, aber Kurai war schneller. Sie handelte nicht selbstständig, wurde geführt und bekam nur dumpf mit, was geschah. Vor ihren Augen sah sie nur Ren und sonst nichts.

Das Fuchsmädchen sprang Osamu hinterher und traf ihn mit dem Kopf in Magen, woraufhin dieser es schaffte, sie mit einem Tritt auf Distanz zu befördern. Nur kurz formte er einige Fingerzeichen, bis sich vor ihm ein fast riesiger Wasserstrudel auftat. Es war ein Suikodan no Jutsu, nur wesentlich größer als das von Kurai und krachend ergriff es Besitz von ihr und schleuderte sie hinweg.

Kurai knallte auf den Boden und spürte deutlich, wie es in ihrer Schulter polterte, aber der Schmerz war kaum zu ihrem Geist durchgedrungen, da verebbte er schon wieder. Kurai stand auf und keuchte, um diesen Schwall Energie irgendwie zu beherrschen, nur gelingen wollte es ihr nicht. Osamu allerdings wartete nicht und warf einige Shuriken auf das Mädchen, bevor er neue Fingerzeichen ausführte. Sie war ihm unheimlich und er musste diesen Kampf jetzt beenden, bevor er womöglich noch die Kontrolle über diesen Kampf verlor. In ihr schien irgendetwas erwacht zu sein, auch wenn er es sich nicht erklären konnte.

Die Wurfsterne schossen auf Kurai zu, aber erneut umgab sie eine Wehe von Chakra und stieß die Waffen weg, als seien es Spielzeuge. Wie tot landeten sie am Boden, während Kurai bereits wieder auf dem Weg zu Osamu war.

Dieses Mal verstand man Osamus Gemurmel nicht, aber kurz darauf stachen spitze Felsen der Reihe nach aus der Erde und versuchten das Fuchsmädchen zu durchbohren. Der Gegner landete am Boden, noch immer das Vogelzeichen angesetzt, um das Jutsu zu halten.

Kurai wich einem Stein nach dem anderen aus ohne es zu merken. Immernoch starrte sie wie hypnotisiert in Osamus Richtung, ehe sie eine Hand fest zur Faust ballte und einfach durch den letzten Felsen hindurchsprang. Es polterte ohrenbetäubend, als sie mithilfe des roten Chakra durch die Oberfläche brach und noch bevor der vollkommen verwirrte Osamu hinwegspringen konnte, holte Kurai ihn vierbeinig ein und stieß sich am Boden ab. Sie zog den Kopf hinunter und rammte ihren Gegner mit der Schädeldecke direkt ins Gesicht, woraufhin er mit dem Hinterkopf gegen einen der umliegenden Bäume knallte. Sein Körper erschlaffte fast augenblicklich und nur ein letzter, stoßender Atemzug verließ seinen Mund. Sein Genick musste durch die beiden kräftigen Aufschläge gebrochen sein.
 

Shabon blickte unsicher zu Kurai, wachte noch immer an Rens Seite und stand jetzt auf, um ihre Freundin anzusprechen. Diese allerdings schien noch nicht genug zu haben und suchte mit den Augen in wilden, ungleichmäßigen Bewegungen die Umgebung ab, wahrscheinlich um auch Naoki zu finden.

Als Kurai ihn erspähte, raste sie sofort auf ihn zu. Sie würde erst ruhen können, wenn beide tot waren und ihre Strafe bekommen hatten. Lorrenor war ebenfalls da und sah etwas lädiert aus, aber dies nahm Kurai in diesem Moment nicht wahr. Als sie kurz vor Naoki war und mit den Armen ausholte, um ihn zu kratzen, kam ein kraftvolles Gokakyuu ihr zuvor und setzte ihn in Flammen. Aufgrund seines Geschreis blieb Kurai stehen und röchelte leise, sah ihm zu, aber Lorrenor schien nicht so grausam zu sein und beendete Naokis Leben mit einem gezielten Stich mit einem Kunai.
 

Kurai starrte ihn noch eine Weile lang an, ehe ihr Blick schließlich auf Lorrenor fiel. Der Sato-Erbe schaute ihr mit einer Spur Verwunderung und Ernst entgegen, musterte merklich ihren veränderten Körper, sagte aber nichts. Als Kurai ihn wahrnahm verschwand die Hitze, die Wut und auch die Kraft. Ihre Augen wurden wieder normal, so wie auch der Rest und schließlich versagten ihre Beine ihr entgültig den Dienst. Sie sackte auf den Hosenboden und brauchte einige Sekunden, bis sie verstand, was gerade geschehen war.

»Alles okay?«, fragte Lorrenor jetzt und hielt ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Kurai ergriff sie, wurde hochgezogen, knickte aber sofort wieder ein, sodass Lorrenor ihren Arm um seinen Nacken legte und sie stützte.

»Geht es Shabon gut?«

Kurai nickte. Im gleichen Moment sah sie Enoki, der jetzt auch wieder zu ihnen kam. Er war gesund, hatte aber zum Teil eingerissene Kleidung und einige offene Stellen am Körper, wo er offensichtlich gekratzt und gehackt worden war.

»Ihr habt vorbildlich gekämpft«, lobte er, »Ich bin wahnsinnig stolz auf euch.«
 

Sie suchten den Weg zurück zu Shabon, welche noch immer bei Rens Leiche war. Sie sah bedrückt aus und als sie zum Stillstand gekommen waren, ließ Kurai sich loslassen und kniete sich zu Ren. Sie konnte kaum beschreiben, ob Müdigkeit, Schuldgefühl oder Trauer in diesem Moment überwog. Alles war so stark, dass es schmerzte.

Kurai senkte den Kopf ein wenig hinunter und begann zu weinen. Es war ihr egal, dass dies eigentlich gegen die Ninjaregeln verstieß und auch, dass alle dabei waren. Ihre Tränen tropften an ihrer Nasenspitze hinab und versiegten auf Rens Oberteil.

»Wer war der Junge?«, fragte Enoki und tat dabei betroffen.

»Ein Freund von uns...«, sagte Shabon und erzählte kurz angebunden, dass er Kurai geschützt und an der Lunge verletzt worden war.

Lorrenor blickte zu Boden und sah dann auf Kurai, die mehr oder weniger völlig aufgelöst im Gras hockte, eher er sie kurz an der Schulter zog.

»Lass ihn uns beerdigen«, meinte er dann, »Das hat er immerhin verdient.«

Wie Lorrenor jetzt auf die Idee kam verstand wohl keiner der Anwesenden so wirklich, aber Shabon fiel auf, dass er ja bei Adoptiveltern wohnte. Ob er die Beerdigung seiner eigenen Eltern erlebt hatte? Vielleicht hatte sie ihm geholfen zu verarbeiten... Das wäre ein Grund, warum er das jetzt sagte.
 

Am Rande des Waldes begannen Lorrenor, Kurai und Shabon also mithilfe der Kunai, die ja auch als Grabwerkzeuge dienten, ein Grab auszuheben. Sicherlich hätte man ein Jutsu benutzen können, um es schneller gehen zu lassen, aber Ren hatte sich für sie geopfert und deshalb wollten sie Mühe in seine letzte Ruhestätte stecken. Shabon holte gegen Ende einige Blumen aus dem Wald und Enoki legte den Jungen schließlich in das Erdloch. Sie streuten die Blumen über ihn, was Kurai übernahm und schippten das Loch wieder zu.

»Es tut mir so leid...«, murmelte Kurai leise, bevor die Erde ihn vollständig bedeckt hatte. Aus zwei Ästen formten sie mithilfe eines Kunais zur Befestigung ein Kreuz und stellten es aufrecht auf das Grab. Sie alle sprachen ein kurzes Gebet für ihn, was üblich war und dann blickten sie etwas betreten auf das Holzkreuz.

»Wir sollten nach Hause gehen«, sagte Enoki, »Wir sind zwar müde, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr noch viel länger hier bleiben wollt. Ihr könnt Kurai stützen, wenn sie es nicht schafft.«

»Ist das okay für dich, Kurai?«, fragte Shabon, bemerkte dann aber, dass ihre Kameraden starr auf den Wald blickte, »...Kurai?«

Alle drei folgten jetzt den Augen des Fuchsmädchens und erspähten Zabuza, der anscheinend die Beerdigung beobachtet hatte und ihnen nun mit einer Mischung aus Verwirrung und Fassungslosigkeit entgegensah.

Die Welle von Verzweiflung in Kurai wurde noch größer. Wie sollte sie Zabuza nur erklären, was passiert war? Mit Sicherheit hasste er ihr Team und besonders sie dafür, dass Ren deswegen umgekommen war.

Zabuza jedoch machte kehrt und verschwand im Wald.
 

»Warte!«, rief Kurai, sprang mit ihrer letzten verbliebenen Kraft auf und rannte ihm nach.

»Kurai!«, stieß Enoki aus und wollte ihr hinterher, wurde aber gleichzeitig von Shabon und Lorrenor zurückgehalten.

»Die Zeit haben wir auch noch«, meinte Shabon, »Kurai kommt schon klar.«
 

Kurai war langsam und verlor ihn aus den Augen, blickte sich innerhalb des Waldes um und schlug dann einfach irgendeine Richtung ein, die sich aber als die Richtige erweisen sollte. Nach diesem kurzen Sprint keuchte sie wie nach einem Ausdauerlauf, als sie endlich Zabuza vorfand. Er stand mit dem Rücken zu ihr und schien sie nicht zu bemerken, was natürlich nicht stimmte.

»Z-Zabuza«, keuchte sie, »Bitte... Warte.«

»Was willst du?«, fragte er dumpf aber nicht unbedingt unfreundlich. Fast hatte Kurai das Gefühl, Zabuza habe kurz seine Farce verloren. Das wunderte sie auch nicht wirklich...

»Ren... Hat mich beschützt und ist dabei gestorben«, jetzt sammelte sich wieder das Wasser in ihren Augen, »W-Wir konnten ihn nicht retten...«

»Ja...«, sagte Zabuza nur. Er war zu schwach gewesen...

»Es tut mir leid«, entschuldigte sich das Fuchsmädchen, »Ich soll... dir von ihm sagen, dass er endlich auch mal etwas für dich tun konnte. Er schien froh darüber zu sein...«

Es tat ihr so endlos leid, dass dieser liebe Kerl wegen ihr tot war. Sie hasste sich fast dafür.

»Verstehe...«, murmelte der Kiri-Dämon und jetzt lag eine Spur Weichheit in seiner Stimme, noch immer hatte er sich nicht zu ihr umgedreht.

»Warum?«, fragte Kurai nun ein wenig lauter, »Warum hast du ihm diese Aufgabe gegeben? Warum sollte er mich schützen?«

»Es würde nichts bringen es dir zu sagen...«, meinte Zabuza bestimmt und wandte sich zu ihr. Seine Augen glänzten nass, scheinbar war er wirklich betroffen über Rens Tod.

»Danke für seine letzte Nachricht«, sagte er noch, »Achte auf dich.«

»War...-«, Kurai hatte noch nicht ausgesprochen, da war er bereits verschwunden. Enttäuscht und wütend stapfte sie wieder durch den Wald zurück zu ihrem Team. Inzwischen hatte sie eine Art Grenze überschritten und konnte trotz ihrer vollkommenen Erschöpfung wieder Gehen. So als hätte sie die Müdigkeit tief in sich drin eingeschlossen. War es dieses Gefühl, was man Übermüdung nannte?

Kurai war so durcheinander, dass sie nicht wusste, was sie zuerst denken sollte. Ren war wegen ihr gestorben, Zabuza wollte ihr immer noch nicht sagen, warum er sie schützte, Kyuubi hatte sie beherrscht und Kurai hatte ihren ersten Menschen getötet. Sie hatte einfach nur das Bedürfnis, sich irgendwo hinzulegen wo es warm und dunkel war. Bei diesem Gedanken kam ihr komischerweise Kakashi in den Sinn und jetzt bemerkte sie, wie stark er ihr fehlte. Mit ihm an ihrer Seite wäre das sicher nicht passiert...
 

»Alles in Ordnung, Kurai?«, fragte Shabon, als das Fuchsmädchen das Team wieder erreichte. Es hatte an Rens Grab gewartet.

»Ja...«, flüsterte Kurai nur und suchte mit den Augen am Boden. Es dauerte eine Weile, dann fand sie das Kunai im Gras, mit welchem Ren sie geschützt hatte. Kurai hob es auf, riss grob einen Faden aus der Naht ihres Oberteils und knotete ihn darum. Sie würde das Wurfmesser von ihm so erkennen und es ab jetzt bei sich tragen, um Ren zu ehren. Sie ließ das Messer in der Tasche verschwinden und Team 2 machte kehrt Richtung Konoha.
 

Zwischenzeitlich musste Kurai von ihren beiden Kameraden gestützt werden, den Rest des Weges schaffte sie allerdings allein. Shabon sorgte sich sichtlich um ihre Freundin, denn seit dem Gespräch mit Zabuza und Rens Tod war sie schweigsam und blickte fast tranceartig immer auf die gleiche Stelle. Das Mädchen verstand ihren Schmerz, aber lindern konnte es ihn nicht. Shabon war selbst noch völlig betroffen von dem Vorfall, was man auch sogar bei Lorrenor beobachten konnte. Shabon war ihm endlos dankbar dafür, dass er Kurai geschützt hatte, aber fair war dasSchicksal nicht. Shabon seufzte und ließ Kurai in Ruhe, damit sie nachdenken konnte.
 

Wieder in Konoha angekommen verabschiedeten sich alle ein wenig geknickt, selbst Enoki suchte recht schnell das Weite. Shabon wollte Kurai ansprechen, aber diese hatte bereits zielgerichtet ihren Weg eingeschlagen und so ließ Shabon sie gehen. Es war mit Sicherheit besser so. Also begab sich die junge Umidame nach Hause, erhaschte sich aber dabei, wie sie ununterbrochen über den Auftrag nachdachte und zeichnete schließlich ein Bild in Gedenken an Ren.
 

Kurai wollte nur noch zu Meister Kakashi. Sie war so müde, dass sie verschommen sah, aber dies alles war ihr egal. Sie sehnte sich nach seiner Gesellschaft, er war für sie eine Wand der Sicherheit, die zu keiner Situation schwand. Nur der Gedanke daran, jetzt einfach bei ihm sein zu können linderte.
 

Als Kurai im Krankenhaus ankam, musste sie aber feststellen, dass Kakashi gerade schlief. Leise trat Kurai ein und setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett, beobachtete ihn. Er sah ruhig und entspannt aus, aber Kurai wäre auch so nicht auf die Idee gekommen, ihn zu wecken. Schlafen ließ ihn gesund werden und darauf war das ganze Team erpricht. Enoki war ein guter Meister, aber eben nicht ihrer. Kurai lächelte leicht, obwohl sie unendlich traurig und genauso müde war. Ihre Augen waren geschwollen und ihr Kopf fühlte sich heiß an.

Kurais Körper war beinahe taub vor Erschöpfung. Sie hatte sich übernommen wie noch nie in ihrem Leben und ihr war schwindlig und kalt. Trotzdem wollte sie noch eine Weile bei ihrem Meister bleiben, nach diesem Tag wünschte sie sich seine Gesellschaft und wusste noch nicht mal wirklich warum. Kurai stützte die Ellenbogen auf sein Bett und legte den Kopf in die Hände, beobachtete ihn. Wenn er dabeigewesen wäre...

Mit Sicherheit wäre Ren dann noch am Leben gewesen. Kakashi-Sensei hätte von Anfang an anders gekämpft und vielleicht auch besser geplant. Es war Kurais Schuld, dass Ren gestorben war, aber sie konnte den Gedanken jetzt erfolgreich verdrängen. Zu sehr stand sie noch unter Schock.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Kurais Augen nach unten klappten. In einem kurzen Versuch wollte sie aufschrecken und dann doch nach Hause gehen, aber nur kurz später sank die Stirn des Fuchsmädchens auf Kakashis Schulter und sie schlief ein.
 

Es war ein traumloser aber finsterer Schlaf. Er war so wenig erholsam wie schön und als Kurai wieder erwachte, wollten sich ihre Lider nur schwerlich heben lassen. Ihr Rücken schmerzte bis hinunter zum Steiß und sie spürte, dass sie noch immer auf dem Stuhl an Kakashis Bett saß, Kopf und Arme auf der Matratze. Auch den Geruch ihres Meisters konnte Kurai noch wahrnehmen, er lag leicht aufgerichtet neben ihr und las in seinem Buch. Kurai rieb sich mit einer Hand im Auge und setzte sich wieder gerade hin. Mist... Sie war hier eingeschlafen.

»Na, aufgewacht?«, fragte Kakashi auch prompt und blickte von seinem Buch auf.

»J-Ja...«, murmelte Kurai. Sie hatte Augenringe und ihr Gesicht war noch immer gerötet, was auch der Meister jetzt zur Kenntnis nahm. Kurai sah schlecht und deprimiert aus, war bleich.

»Wie spät ist es...?«

»Fast zwölf Uhr Mittags.«

»Was? Schon? Aber die Besuchszeit...-«

»Die Schwester wollte dich nicht wecken, weil du wirklich fertig aussahst«, erklärte Kakashi in üblich ruhigem Ton, »Da haben wir dich schlafen lassen.«

Sie war ja immerhin Stammgast hier und da konnte man sich schon mal eine Nacht darauf verlassen, dass sie nichts anstellte, wenn sie hierblieb, dachte Kurai trocken.

»Ist was passiert?«, fragte Kakashi schließlich langsam.

Erst jetzt fanden die Erinnerungen wieder Einzug in ihren Geist und wieder überkam sie die Trauer. Kurai schaute zu Boden und mied seinen Blick, woraufhin Kakashi das Buch auf seinen Nachttisch legte, die Decke zur Seite schlug und sich ans Bettende setzte. Er trug noch immer das ärmellose, dunkelblaue Oberteil und eine graue Hose. Er wirkte völlig anders in dieser Kleidung.

»Ich brauche etwas frische Luft«, meinte er, »Kommst du mit?«

Kurai verstand erst nicht, aber dann leuchtete ihr ein, dass er wohl nicht in diesem kargen Zimmer mit ihr sprechen wollte. Er durfte wohl schon raus, er war ja sogesehen auch fast gesund und brauchte nur noch etwas Erholung.
 

Wenig später liefen sie nebeneinander den überdachten Weg vor dem Krankenhaus entlang. Es war ein großes Gelände, wo Kurai jetzt vereinzelt auch Rollstühle und Leute auf Krücken sah, die zögerlich ihre ersten Schritte an der frischen Luft versuchten oder schlicht die Sonne genießen wollten.

Kurai schwieg und blickte zu Boden. Sie wollte einerseits darüber sprechen, andererseits es aber einfach verdrängen und ihre Ruhe haben. Doch sie wusste, dass das nicht ging. Kakashi sagte nichts, bis Kurai von selbst zu erzählen begann. Sie ließ auch das Treffen mit Ren im Wald nicht aus und langte schließlich dort an, wo Ren in ihren Armen starb, es in ihrem Kopf klickte und die Erinnerungen zu verschwommenen, grauen Bildern wurden. Tränen liefen jetzt an ihren Wangen entlang, sie beherrschte sich nicht zu schluchzen, doch Kurai fühlte sich so dermaßen schuldig, dass sie es kaum aushielt.

Sie waren inzwischen am Ende des Weges angekommen und standen vor einem länglich gemauerten Blumentopf, welcher im Kreis auf einen zweiten Weg und damit wieder zurück ins Innere des Hospitals lenkte.

»Er hat sich also geopfert, um dich zu retten...«, wiederholte Kakashi leise und Kurai nickte, hatte den Kopf gen Boden gewandt, um ihm ihre Schwäche nicht so offen zu zeigen.

»Es ist meine Schuld...«, schluchzte Kurai und der Jo-Nin seufzte. Er verstand ihre Gefühle, hatte sie doch das erste Mal einen Freund verloren und dann noch, weil dieser ihr geholfen hatte. Er musste für einen Moment an sein altes Team denken, besonders an Obito. Kurais Schmerzen jetzt waren dem ähnlich, wenn natürlich auch nicht so stark. Er war nur froh darüber, dass sie Ren nicht intensiver gekannt hatte, denn dann hätte er sie nicht zu beruhigen gewusst.

»Er war zufrieden, als er gestorben ist«, versuchte der Ninja es jetzt, »Er konnte Zabuzas Auftrag erfüllen, so wie er es sich gewünscht hatte.«

»Ja...«, entgegnete Kurai noch immer heiser, »Er hatte... so einen tollen Charakter. Er hat so einsam gewirkt... Ich hätte ihn so gern besser kennengelernt... Er war auch gegen Shaku und wir hätten gemeinsam gegen ihn kämpfen können... Aber...-«

Sie verstummte, als sie Kakashis Hand auf ihrer Schulter fühlte. Er schien zu wissen wie sie sich fühlte und sie war unendlich dankbar für seine Gesellschaft. Kurai musste daran denken, was jetzt wäre, wenn Shabon damals im Feuer umgekommen und Kakashi an der Blutvergiftung gestorben wäre. Dieser Gedanke trieb sie noch mehr in Verzweiflung und so lehnte Kurai ihre Stirn leicht an Kakashi.

»Ich wollte stark sein... Damit mich niemand mehr beschützen muss«, sagte sie, »Ihr alle h-habt mir schon so oft geholfen... D-Du bist fast gestorben deswegen... Und ein Mal hab ich es hinbekommen, i-ich hab wirklich gut gekämpft... Und dann musste ich wieder beschützt werden und das hat Rens Leben gekostet.«

Es war nicht nur das Schuldgefühl sondern auch der Ärger darüber, es wieder nicht allein geschafft zu haben. Kakashi verharrte und ließ sie reden, denn normalerweise beruhigte man sich nach einiger Zeit von selbst wieder. Dies geschah bei Kurai auch und als sie sich etwas beruhigt hatte, ließ der Jo-Nin sie wieder los.

»Das man dir immer geholfen hat, hat nur einen Grund«, sagte er dann und Kurai blickte ihm entgegen, »Undzwar, dass man dich dort wo du bist wirklich mag.«

Das war eine völlig andere Ansicht dieser Sache und Kurai wurde schlagartig bewusst, dass dies stimmte. Auch sie hatte Lorrenor und auch Shabon im Kampf schon manches Mal vor einer Verletzung oder Schlimmerem bewahrt und nie hatte sie groß darüber nachgedacht. Wahrscheinlich taten es ihre Freunde ebenso wenig, wenn sie ihr halfen.

»Und stark bist du auch schon geworden«, fügte Kakashi hinzu, »Das geht nicht von heute auf morgen. Wenn ich bedenke, was du früher konntest du was du jetzt kannst... Einen viel schnelleren Weg gibt es nicht.«

Natürlich war Lorrenor mit seinem Training wesentlich erfolgreicher. Aber er war auch ein regelrechtes Arbeitstier, abgesehen davon, dass Männer in körperlichen Dingen meist schneller fortschritten als Frauen.

Sie liefen den zweiten Weg entlang, der wieder zum Hospital führte. Kakashi schien vollkommen fit zu sein.

»Du hast gesagt, dass Kyuubi dich gesteuert hat«, meinte er dann, »Und es hat dir die Kraft gegeben, den Ninja zu töten. Das ist auch eine Form von Kraft.«

Kurai dachte an die heiße Wut in ihrem Innern und an den Schmerz, als ihr Körper sich verändert hatte. An die neue Dimension des Kämpfens, die sie erfahren hatte und daran, dass sie Osamu getötet hatte. Ja... Dies war auch eine Form von Kraft.

»Aber nicht meine...«, murmelte Kurai leise.

»Es ist deine«, versicherte Kakashi ihr, »Immerhin ist Kyuubi in dir gebannt und in niemandem sonst. Lorrenor lehnt seine Sharingan ja auch nicht ab. Es ist dir angeboren, also solltest du es als einen Teil von dir sehen.«
 

Damit regte Kakashi sie zum Nachdenken an. Er hatte wie immer vollkommen Recht mit den Dingen, die er sagte und Kurai bewunderte ihn wie so manches Mal für seine Weltanschauung. Im Krankenhaus schickte er Kurai nach Hause, damit sie schlief und etwas aß. Das Fuchsmädchen war so gerädert, da die Nacht halb auf Kakashis Bett auch nicht gerade erholsam gewesen war, dass es zu Hause nach ein paar Konzentratiosnübungen und einer warmen Mahlzeit bis zum nächsten Morgen um zehn Uhr durchschlief.
 

Heute war ein freier Tag nach dieser Reise und Kurai tat der ganze Körper weh. Durch ihre Überlastung plagte sie eigentlich an jeder Stelle Muskelkater, wo man sich bewegen konnte und dementsprechend wollte sie Pause machen und heute nicht trainieren. Sie hatte noch lange über Kakashis Worte nachgedacht, ehe sie eingeschlafen war und war zu dem Entschluss gekommen, Kyuubis Kraft ab jetzt als Ihre zu sehen. Sie würde Rens Kunai bei sich behalten und wollte damit abschließen, dass er, wie Kakashi es gesagt hatte, zufrieden gestorben war. Sie würde ihn nie vergessen, wollte aber versuchen ihn gehen zu lassen.
 

Trotz allem war Kurai die nächsten Tage geknickt. Sie besuchte Kakashi-Sensei und danach meistens gleich Shabon, ein mal besuchten sie alle drei den Meister und oft kam Kurai mit Shabon allein. Erst Ende der Woche stand die nächste C-Mission an, die Kurai zähneknirschend erwartete. Drei Tage vor der neuen Aufgabe widmete sich das Fuchsmädchen wieder dem Training und Shabon und Lorrenor waren natürlich mit dabei. Shabon war mit ihrer Illusionskunst inzwischen so weit, dass sie Menschen buchstäblich in Löcher fallen, aufschlagen und Schmerzen fühlen lassen konnte. Dies war auch eine Erklärung dafür, dass Osamu zum Teil so unaufmerksam gewesen war, denn Shabon hatte ihn fast die ganze Zeit über attackiert. Das Problem war jetzt nur noch, die Ninja auch dauerhaft in der Illusion festzuhalten, dies schien Shabons Worten zufolge nicht so einfach zu sein.

Lorrenor feilte an seinen Techniken. Ryuuka, Hosenka und Gokakyuu waren jetzt nicht nur erstaunlich groß sondern klappten auch ganz ohne Fingerzeichen aus dem Stehgreif. Trotzdem war der junge Sato-Erbe wütend darüber, dass er die mystischen Augentechniken noch nicht erlernen konnte, die man seinem Bluterbe zuschrieb. Aber Kurai kümmerte sich darum nicht weiter, denn Lorrenor war niemals zufrieden mit sich.

Sie selbst schaffte es nun, ihre Mizu-Bunshins angreifen zu lassen und sie konnten sich nun auch bis zu fünfzig Meter von ihr entfernen ohne zu verfliegen. Den Rest der Zeit hatte sie in das Suikodan investiert, welches aber kaum besser geworden, nur etwas an Wucht und Geschwindigkeit gewonnen hatte. Das ärgerte Kurai ungemein, aber mehr als üben konnte sie nicht.
 

Der nächste Auftrag unter Enokis Leitung verlief erstaunlicherweise ganz ohne Zwischenfälle. Die Aufgabe war einfach, sie mussten nur einpaar lausige Banditen aus dem Wald fangen und unversehrt nach Konoha bringen, wo sie bestraft wurden. Die nächste Aufgabe war nun in zwei Tagen angesetzt, nach denen auch die letzte Woche ohne Kakashi im Team beginnen würde.
 

An diesem Abend saß Kurai gedankenversunken an ihrem Küchentisch und blickte auf das Familienfoto, auf dem nicht sie sondern ein anderes Kind abgebildet war, wie sie ja herausgefunden hatte. Das Fuchsmädchen stellte nach einiger Zeit das Bild wieder auf den Schrank, wo es hingehörte und bewegte sich zu dem Fotokarton, den sie zusammen mit dem Katana auf dem Dachboden gefunden hatte. Richtig durchwühlt hatte sie ihn nie, meistens nur die obersten Fotos rausgeklaubt und sortiert, manchmal blind hineingegriffen. Doch heute wollte sie spezifisch nach einem weiteren Foto dieses Kindes suchen.

Sie kippte den kompletten Inhalt auf den Fußboden und besah jedes einzelne Bild. Sie fand darunter sogar eines ihrer vermutlichen Großeltern, doch leider gab es kein Anzeichen dafür, ob von mütterlicher oder väterlicher Seite aus. Traurig seufzend stöberte sie weiter und wurde nach einiger Zeit tatsächlich fündig.

Es war ein Foto, auf dem ganz offensichtlich sie - noch ohne Fuchsstriche - in einer Wiege lag, vielleicht wenige Monate alt. Kurai hatte das Bild erst weglegen wollen, erspähte aber schließlich etwas Entscheidendes.

Weiter hinten am Fenster sah man nämlich den Rücken eines Kindes. Es war um Einiges älter als Kurai, mindestens acht Jahre, wie sie schätzte, hatte schwarzes Haar und blickte gerade hinaus. Kurai fluchte, weil sie sein Gesicht nicht sehen konnte und legte das Bild auf den Nachttisch. Morgen würde sie den Hokage besuchen, um endlich die Wahrheit zu erfahren.
 

Aber Kurai fand keine Ruhe. Die ganze Zeit lag sie im Bett, überlegte krampfhaft, was mit dem Kind geschehen sein konnte. Wurde es zusammen mit ihren Eltern getötet? Aus welchem Grund?

Da kam Kurai jedoch ganz plötzlich eine Idee. Es war ein Gedanke, an den sie vorher nie eine Sekunde verschwendet hatte.

Rein theoretisch mussten sowohl sie als auch das andere Kind eine Geburtsurkunde besitzen. Yota hatte damals viel Zeug von ihren Eltern weggeworfen, sie war noch zu klein gewesen, um sich jetzt zu erinnern wieso. Er hatte Kurai das spätere Leben erleichtern wollen, hatte neue Betten angeschafft, Schränke aussortiert. Aber vielleicht konnte Kurai die Urkunden ja bekommen, wenn sie im Krankenhaus von Konoha nachfragte. Normalerweise wurden Kopien solcher Dinge gelagert.

Anhand der Geburtsurkunde konnte sie zumindest den Namen und das Geschlecht des Kindes feststellen.
 

Am nächsten Morgen also ließ Kurai das Foto in ihrer Tasche verschwinden und begab sich zum Krankenhaus. Heute ausnahmsweise mal nicht, um Kakashi zu besuchen, sondern um sich zum richtigen Ort durchzufragen, um die Urkunden zu erhalten. Schließlich geriet das Fuchsmädchen an eine freundliche Frau, der sie die ganze Geschichte erklärte und die schließlich auch bereit war, ihr das zu geben was sie wollte. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis die beiden Geburtsurkunden aufgetrieben worden waren, man schrieb für sie eine Kopie ab und händigte sie Kurai aus. So würde sie Geschlecht und Name ihres Geschwisterteils herausfinden, den Rest würde ihr der Hokage sicher sagen.
 

Als sie allerdings nach draußen trat und auf die Urkunden blickte, wich sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht. Weit geöffnet starrten die blauen Augen auf das Stück Papier, auf dem die Tinte noch gar nicht richtig getrocknet war. Es war, als stünde die Zeit für diesen Moment still.

Fast hysterisch überflog Kurai auch die zweite Geburtsurkunde und fand damit den Beweis dafür, dass das, was sie sah, Wirklichkeit war. Augenblicklich wurde ihr schlecht und sie musste sich kurz fassen. Das konnte einfach nicht sein.

Hin- und hergerissen machte sie schließlich kehrt, stürmte wieder ins Krankenhaus, obwohl Rennen hier ausdrücklich verboten war und suchte nach dem Zimmer, in dem der Sensei lag. Als sie die Tür aufknallte, zuckte er tatsächlich ein wenig zusammen. Er hatte gerade wieder in seinem Buch gelesen.

»Kurai«, sprach er sie an, »Warum hast du es so eilig?«

Er sah ihren käsigen Gesichtsausdruck und runzelte die Stirn, richtete sich etwas auf.

»Was ist?«

»M-Meister...«, keuchte Kurai und blickte ihn an, als würde sie ein Gespenst gesehen haben. Dann aber hielt sie die beiden Blätter hoch.

»Z... Zabuza... ist mein Bruder.«



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2003-11-08T19:49:03+00:00 08.11.2003 20:49
schnell weiter!!!!!!!
schreib bitte ganz schnell weiter!!
klasse story!!


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