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Des Napoleons Leibgarde

Elizabeth saß wie auf Kohlen, als ihre Mutter sie mit dem Jeep einige Minuten später die Landstraße entlang fuhr.

„Und du bist dir sicher dass er es auch wirklich ist?“, fragte ihre Mutter sicherheitshalber.

„Ja, sie hat ein Bild geschickt, er ist es! Und kannst du jetzt bitte schneller machen?“, flehte Elizabeth und sah angestrengt nach draußen. Die Sonne ging jetzt, im Spätseptember, wenn der Sommer anfing sich langsam von der Welt zu verabschieden und er dabei in einer solchen Perfektion auf den Herbst traf, früher unter. Ja, Elizabeth gab zu dass das ihre absolute Lieblingsjahreszeit war. Jetzt, wenn Sommer und Herbst sich trafen und noch ein letztes Mal versuchten einander zu bekriegen, bis der Herbst schließlich die Oberhand gewann und mit jedem Mal, wenn die Wolken die Sonne verdeckte, zeigte wie kalt er doch war.

Das schönste waren immer die Nachmittage an ebendiesen Wochenenden, wenn Elizabeth mit ihrer Stute und ihrem Hund in aller Ruhe durch die Gegend reiten konnte. Einmal, an einem dieser Wochenenden, war sie, auf den Tag verteilt, ganze zwanzig Meilen zurückgelegt, ohne es überhaupt zu merken.

Doch die Erinnerungen an die letzten Sommer waren gerade nebensächlich.

Mit wild schlagendem Herzen stieg Elizabeth aus dem Auto, als sie die Farm von Audreys Großvater erreichten.

„Elizabeth, hier!“ Die Schwarzhaarige riss sofort den Kopf beim Klang von Audreys Stimme umher und eilte, gefolgt von ihrer Mutter, auf die Scheune zu, wo Audrey zusammen mit ihrem Großvater wartete.

„Ist er hier?“, fragte Elizabeth aufgeregt und wäre fast auf Cleos Schwanz getreten, als die schwarzweiße Katze sich spontan entschloss sich direkt vor ihre Füße zu setzten.

„Oh Cleo“ Audreys Großvater hob die Katze auf seinen Arm, was Audrey nur mit Staunen bewundern konnte. Noch nie hatte sie Cleo oder Mittens auf den Arm bekommen, so was ließ nur Babu mit sich machen.

Aber zurück zum Thema!

„Da steht er, er frisst grade Heu… Also so wie den ganzen Tag schon.“

Elizabeth rannte, mit wild wehenden Locken an Audrey vorbei und was sie da in aller Ruhe fressen sah, ließ ihr ein ganzes Gebirge vom Herzen fallen.

„Oh Audrey! DANKE! Danke, ich bin so erleichtert, ich… Verdammt, ich kann das gar nicht in Worte fassen, Audrey, ich hatte solche Angst um ihn, ich bin so froh dass du…“

Elizabeth brach im Satz an und wand sich einfach dem Pony zu und zwang seinen kleinen Kopf in eine Umarmung, was der alte Wallach mit Würde über sich ergehen ließ. Er biss nicht mal. Nichts war mehr zu sehen von dem hinterhältigen Pony von vorhin.

„Hey, das hab ich doch gern getan. Ich hätte ihn sowieso nicht einfach dort stehen lassen können, auch wenn der Kerl mir den Kleinen nicht aufgezwängt hätte.“

Audrey hatte Elizabeth die ganze Geschichte, wie sie an Napoleon gekommen war, am Handy erzählt.

„Mister Sampson“ Misses Mathew, Elizabeths Mutter, hatte sich nun an Audreys Großvater gewandt „Es tut mir wirklich unglaublich leid dass sie wegen uns so viele Umstände hatten. Ich bin ihnen und ihrer Enkelin einfach nur so unglaublich dankbar dass sie ihn gefunden, er bedeutet uns allen wirklich sehr viel und ohne sie wäre er jetzt weiß Gott wo, Sie-“ Doch sie kam nicht dazu zu Ende zu reden.

„Miss, beruhigen sie sich, es waren wirklich keine Umstände. Wir sind einfach froh dass sie den Kleinen wieder haben, wir haben uns wirklich den Kopf zerbrochen, wem er wohl gehören würde.“

Elizabeth, die inzwischen eine mitgebrachten Führstrick am Halfter Napoleons befestigte und ihn nach draußen führte, meinte nun auch an Audrey gewandt: „Ich will mir echt nicht vorstellen was gewesen wäre, wenn du nicht gewesen wärst. Ich meine, ich hab heute den ganzen Tag nach ihm gesucht, bin durch die ganze Gegend geritten, ich wäre wirklich verzweifelt gewesen wenn ich ihn nicht gefunden hätte… Ich glaub ich lass ihn nie wieder unbeaufsichtigt im Roundpen.“

Audrey schmunzelte, jedoch wandelte sich das, als sie sah dass Elizabeth das kleine, vielleicht etwas über als einen Meter große Pony, zum Jeep führte, dort ein langes Holzbrett, was wohl eine Art Rampe seien sollte, herauszog und Napoleon so auf die Ladefläche führte. Er schien das wohl schon gewohnt zu sein, denn er ließ es ohne Mucken über sich ergehen.

„Äh… Ist das nicht gefährlich?“, fragte sie vorsichtig.

Elizabeth lachte nur. „Ach was! Schau mal, allein die Brüstung vom Jeep ist fast einen Meter hoch, der fällt mir schon nicht runter.“, versicherte Elizabeth ihr und band den Schecken irgendwo auf der Ladefläche fest.

„Er ist das schon gewohnt, so bringen wir ihn schließlich zum Tierarzt… Oder früher auch zum Altersheim.“, mischte sich nun Elizabeths Mutter, welche ihre hellbraunen Haare neu ordnen musste, ein.

„Altersheim?“

„Ja“, begann Elizabeth begeistert „Weißt du, als wir ihn gekauft haben, damals vor zehn Jahren, da war er bereits ein vollausgebildetes Therapiepony, den man zum Beispiel für Altersheimbesuche benutzen konnte. Jedoch war er anscheinen schon zu alt, weshalb er damals auch so billig war. Ich bekam ihn dann Weihnachten, als ich fünf war und BUM: Mein größter Traum wurde wahr! Ich hatte ein Pony. Na ja, nachdem meine Eltern sich geschieden haben ist dann meine Mutter irgendwie drauf gekommen ihn wieder für solche Besuche zu benutzen und schon hatte er wieder seine alte Aufgabe“ Elizabeth musste lachen „Wie die Alten sich da immer gefreut haben, war voll süß! Und als er dann vorletztes Jahr wirklich zu alt für dieses ganze wöchentliche herumfahren wurde, weißt du, wir hatten nie einen Pferdeanhänger, da haben die Leute aus dem Altersheim für ihn eine richtige Abschiedsparty geschmissen, mit Leckerlies bis zum abwinken und er bekam sogar einen Partyhut und… Warte mal, ich könnte dir sogar Fotos davon zeigen.“, plapperte Elizabeth ohne Punkt oder Komma und dann noch in dieser Geschwindigkeit…

„Schatz, es ist spät, wir sollten jetzt wirklich nach Hause… Ich hab irgendwie immer ein schlechtes Gefühl wenn wir Berry und deine kleine Schwester allein zu Hause lasse.“

„Ach, es gibt doch noch Queen, die ist Verantwortungsbewusst genug.“, beschwichtigte Elizabeth ihre Mutter.

Daraufhin musste jeder, mit Ausnahme von Cleo, die noch immer in den Armen von Audreys Großvaters lag, zumindest schmunzeln.

„Elly, sie mag vielleicht einen höheren IQ als deine Schwester haben, aber das ist bei einer Zwölfjährigen auch nicht schwer. Also geh jetzt bitte ins Auto und schau nochmal nach Napoleon.“

Elizabeth seufzte und tat wie ihre Mutter ihr aufgetan hatte.

„Also wie schon gesagt, ich bin dir wirklich unglaublich dankbar Audrey.“ Elizabeths Mutter nahm Audreys Hand etwas unverhofft zwischen ihre eigenen und sah ihr voller Dankbarkeit entgegen.

„Wie gesagt, das war wirklich nichts, ich freu mich einfach dass Napoleon-“

„Nein, wirklich! Wenn wir dir irgendeinen Gefallen tun können, sag es uns.“, unterbrach sie Audrey.

Audrey kicherte verlegen und zog ihre Hand zurück.

„Ach was… Ich brauche nichts…“

„Aber wenn dir was einfällt, ich bin da, ja?“, bekräftigte Elizabeth nochmals nachdrucksvoll.

„Jaaaa, mal schauen…“, murmelte Audrey verlegen und sah zur Seite.

„Wie dem auch sei, jetzt müssen wir wirklich los, sonst passieren… schlimme Dinge bei mir… Ich ahne es!“

„Ach ja… meine Schwester… Naja, auf Wiedersehen, schönen Abend noch!“, verabschiedeten sich Elizabeth und ihre Mutter, diesmal endgültig von Audrey und ihrem Großvater.
 

„So, Ponyproblem hat sich soeben in Luft aufgelöst.“, verkündete Audrey beim Abendessen und kraulte im Vorbeigehen Cooper hinter den Ohren.

„Da bin ich wirklich erleichtert…“, meinte Audreys Mutter halblaut und schob Cooper mit dem Bein unter dem Tisch zur Seite, als er versuchte etwas zu erbetteln.

„Ja, aber mal was anderes…“ Audrey sah vielsagend zu ihrem Onkel, der bisher nur schweigend dagesessen hatte „Was ist denn nun mit deinen Hochzeitsplänen?“ Inzwischen hätte ihr Onkel und ihre Großeltern sich deswegen eigentlich beruhigt haben.

Nun meldete sich Audreys Großmutter zu Wort: „Nun ja, darüber diskutieren wir noch“ Sie klang mehr als nur genervt, was sonst nicht grad die Regel war „Aber Liebes, erzähl uns doch lieber von deinem Schultag… Also was war BEVOR du das Pony angeschleppt hast.“

Audrey musste schmunzeln und verdrehte die Augen, ehe sie von ihrem überaus unspektakulären Tag zu erzählen begann.

Und ehe sie sich versah war sie mit dem Abendessen fertig… und auf dem unmittelbaren Weg zur Scheune… Katzen füttern… und so.
 

„Hey, hallo meine Süßen!“, begrüßte Audrey die beiden Ratten und legte ihnen Futter in die Kiste. Die beiden fiepten ihr bereits entgegen und begannen, sobald sich der Kistendeckel auch nur um einen Spalt hob, auf ihren Armen zu ihr hoch zu klettern, wobei Peggy Lucy um ein Haar von Audrey heruntergeschmissen hätte.

Grade noch so hatte Audrey es geschafft die kleinere der Schwestern mit ihrer freien Hand aufzufangen.

„Na du? Ach was mach ich nur mit euch?“ Audrey setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und kraulte Lucy, die menschenbezogenere der beiden, am Kopf, während Peggy anfing durch Audreys Haar zu krabbeln.

Wenn Audrey so darüber nachdachte, so hatte sie diese Kleinen jetzt schon seit etwa zwei Wochen hier drin versteckt und noch niemanden war es aufgefallen. Natürlich, das war gut, aber dennoch war immer die Angst in ihr, dass es eben irgendwann nicht mehr gut gehen würde. Denn mal ehrlich, wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Ratten auf alle Zeiten hier verstecken konnte? Sie musste unbedingt nochmal ihren Bruder anrufen, denn so ging es nicht weiter. Sie hatte sich zwar angeboten die Kleinen aufzunehmen, doch je länger sie hier waren, umso mehr hing sie ihr Herz an sie, was bei Audrey recht schnell passierte, und umso riskanter wurde es auch sie zu behalten. Mit jedem Tag wuchs das Risiko, dass ihr Großvater oder generell irgendwer mal schnallen würde, dass der Raum hier irgendwie verschlossen war… Und wenn man den Schlüssel nicht finden würde, immerhin hatte Audrey ihn, würde man die Tür aufbrechen und der Ärger, beziehungsweise Sachschaden… Jaaaa, Audrey sah sich schon in einem tiefen Loch aus Tod und Verzweiflung.

Aber fürs Erste war es noch nicht so weit und Audrey konnte einfach den Moment genießen.

Sie spürte plötzlich einen gewissen Gegendruck auf ihrem Finger und musste sofort grinsen, als sie feststellte dass Lucy zärtlich ihren Kopf gegen ihren Finger drückte.

Audrey streichelte sie noch etwas energische rund meinte schließlich halblaut: „Hoffentlich findet mein Genie von Bruder was schönes für euch… Es wäre ‘nen echtes Problem wenn ihr auf Dauer in dieser stinkigen Kammer leben müsstet… Und für euch wäre es ja auch schlecht, nicht?“

Sie hörte Peggy kurz fiepen, was sie aus ihren Träumereien herausriss.

„Ihr tut mir schon leid, fast den ganze tag in der Kiste… Aber ich hoffe auf Henrys noch vorhandene Hirnmasse…“

Vorsichtig setzte Audrey die Schwestern zurück in ihren Käfig und legte das Futter dazu. Essensreste, doch sie erfüllten ihren Zweck.

Als sie die Scheune verließ und durch die Dunkelheit wieder zum Haus lief, kam ihr wieder in den Sinn dass Fluch der Karibik heute im Fernsehen kam und sofort hatte sie wieder einen Grund den heutigen Tag doch nicht als mittelmäßig bis schlecht abzustempeln. DANN fiel ihr jedoch ein dass es kurz nach zehn Uhr war, sie noch duschen musste, morgen Schule war und der Film soweiso so gut wie vorbei war.
 

Als Audrey bettfertig aus dem Bad kam lief sie beinahe in Mike, der über das Geländer des Flurs gelehnt nach unten, in den Eingansflur des Erdgeschosses starrte und nachdenklich an einer noch nicht angezündeten Zigarette herumfingerte.

„Du wirst doch nicht im Haus rauchen?“, meinte Audrey. Sie wusste dass, wenn er das tuen würde, seine Mutter ihn in Stücke reißen würde!

„Was? Ach was, nein, ich geh gleich in meinen Luxusknast.“ Er deutete auf die enge, knarzige Treppe die zum Dachboden hochführte.

Dort lebte er nun seit dem Zeitpunkt, an dem klar war, dass seine Schwester und ihre Familie herziehen würden… Also seit etwa drei Monaten.

Er hatte damals sein ehemaliges Zimmer, in dem jetzt Audrey wohnte, räumen müssen und eine Etage höher ziehen müssen.

Jedoch hatte er danach alle Hebel in Bewegung gesetzt um nicht wie ein Penner zu Hausen. Ja, Audrey war ein paar mal dort oben gewesen und sie musste sagen, dass er verdammt gute Arbeit geleistet hatte, was das dekorative umgestalten des Dachbodens anging!

Er hatte Tapeten an die Wände geklatscht, kurzerhand den ollen Dielenboden geschliffen, so dass die Bretter nicht mehr aussahen als hätten die Kanadier persönlich sie dazu benutzt um kleine Robbenbabys zu Tode zu prügeln.

Auch sah durch die normalen Möbel aus Mikes altem Zimmer hier oben alles viel wohnahfter aus… Nur ein Problem gab es: ALLES, wirklich jede Schachtel, die über die Jahre hier vor sich her gegammelt hatte, war von Mike in eine Ecke des Dachbodens geschoben worden, wo sie niemanden störte… Und da waren sie nun auch. Es war ein unglaublicher Kontrast erst Mikes schönes Zimmer zu sehen und dann am Ende von einem unsortierten Haufen alter Sachen erschlagen zu werden.

Und es gab, von der extremen Privatsphäre, Ruhe und Ruhe hier oben, leider noch einen Minuspunkt: Im Sommer starb man hier.

Die schwüle, stickige Hitze war einfach nicht ertragbar, es war absolut katastrophal! Man hätte eine Klimaanlage oder so gebraucht, aber ohne war es schrecklich! Selbst wenn man alle sechs Fenster aufriss, so bekam man, vor allem wenn kein Windchen wehte, hier oben im schlimmsten Fall einen Kreislaufkollaps. Verständlich dass Mike sich schon auf den Herbst freute.

„Sag mal, was anderes…“ Audrey lehnte sich zu ihm ans Geländer „Was ist jetzt eigentlich mit deiner Freundin? Ich freu mich ja dass du sie heiraten willst und ich find das Granny da echt zu nachtragend ist, aber willst du sie nicht zumindest mal vorstellen? Vielleicht wird sich ja alles auflockern, wenn Granny und Grandpa sie kennenlernen… Oder wir generell alle sie mal kennenlernen.“

Mike seufzte.

„Das war ja auch mein Plan… Aber noch nicht jetzt. Meine Eltern sollen sich erst mal beruhigen, sonst stell ich denen niemanden vor! Mnachmal glaub ich aber echt ich hab einen Fehler damit gemacht ihr den Antrag zu stellen…“

„Ach sei doch nicht so“, versuchte Audrey ihn aufzumuntern „Ich sag’s dir, sobald diese kleine Hürde überwunden ist, wird das schon! Und ich und Mum und Dad stehen doch voll und ganz auf deiner Seite und Henry auch, ich hab schleißlich mit ihm telefoniert… Und ich glaub Cooper steht dir auch bei.“

Mike lachte auf und verdrehte die Augen. Es war doch nicht möglich dass seine Nichte ihn wirklich zum Lachen gebracht hatte, doch nicht in seiner momentanen Situation!

„Na ja, wie gesagt, du bist erwachsen und niemand hat dir zu sagen wie du deine Familienplanung zu machen hast… Und jetzt geh ich ins Bett.“, verabschiedete Audrey sich und wäre, als sie in ihr Zimmer kam, fast über Cooper gestolpert, der sich auf ihrem flauschigen Teppich lang gemacht hatte.
 

Zur selben Zeit saß Katy im Schneidersitz auf ihrem Queen Size Bett und hatte einige Pferderennzeitschriften vor sich aufgeschlagen, aus denen sie bestimmte Artikel ausschnitt. Nebenbei telefonierte sie mit einer ihrer Freundinnen und hatte ihr Macbook neben sich auf ihr Kissen gelegt, ein Musikvideo am Laufen.

Auf ihrem Nachttisch stand, neben ihrer Lampe, der Wasserflasche, den Diätpillen, der Handcreme und dem Wecker, eine Schüssel mit Erdbeeren. Im Flur konnte sie ihren Hund in Richtung Treppe laufen hören, wahrscheinlich hatte er vor schlafen zu gehen, in einem der unzähligen Körbchen die im Haus verteilt lagen. Es gab eines im Wohnzimmer, in ihrem Zimmer, der Küche, dem Flur und dem Kaminzimmer.

Ja, es war ein ganz gewöhnlicher Abend bei ihr.

Katy hatte gerade den letzten Artikel mit einer unglaublichen Sorgfalt ausgeschnitten, als ihre Freundin, die gerade mit dem herziehen über eine Cousine fertig war, fragte: „Und, was machst du so?“

„Ich? Ich muss mir später noch die Gesichtsmaske runter waschen, die Judy mir empfohlen hat, aber momentan schneide ich Artikel über Blue aus.“, erzählte Katy wohlgestimmt und griff nach einem Klebstift, um die ausgeschnittenen Artikel vorsichtig in ein dickes Album einzukleben.

DIESES Album war Katy Heiligtum! ALLES zu ihrem Pferd war in diesem Album auf Papier für die Ewigkeit aufgehoben, es bedeutet ihr wirklich verdammt viel!

„Hä? Wer? Is‘ das ‘ne neue Band oder so?“

Katy verdrehte die Augen. Sie konnte mit viel vor ihren Freundinnen prahlen, aber Blue war es definitiv nicht. Niemanden schien sie zu interessieren, wenn Katy mal von ihr und einem ihrer Siege erzählte, hörte sie kurz ein anerkennendes ‚Uuuuuh!‘ und dann wurde ohne Umschweife wieder über Schuhe oder sonst was weitergeredet.

Auch wenn sie mit Blues Reinrassigkeit oder gar ihren Vorfahren anfing, so wusste sie sofort dass es niemanden interessierte.

„Ey, mein Pferd? Pretty Blue Bailiou of Cheval Hills? Macht’s klick?“

„Ach jaaa… Über die stand was in der Zeitung?“

„Nein, in Rennzeitschriften… Aber ich sag’s dir, wenn sie sich in den letzten zwei Rennen des Jahres gut schlägt… wer weiß?“ man konnte sofort eine gewisse Aufregung in Katys Stimme heraushören.

„Aha… Die sind wohl wichtig…“

„Hallo? Da disqualifizieren sich die Pferde, die nächstes Jahr bei den höheren Rennen mitmachen dürfen, das ist echt wichtig!“

„Ja, sorry, wusste ich nicht! Überhaupt, wo ist Blue eigentlich?“

„Momentan in Lexington, in dem Reitstall von dem Vater einer Freundin meiner Mutter, warum?“

Katys Freundin hatte wohl einfach nur versucht Interesse zu heucheln, denn ihre daher gemurmelte Antwort ‚Nur so‘ war nicht sehr überzeugend.

„Aber mal was anderes“ Katys Stimme überschlug sich plötzlich fast „Nächsten Samstag, also iiiiiiin…“ Katy sah auf ihren Kalender, der am anderen Ende ihres nicht grade kleinen Zimmers hing „drei Tagen, hast du Lust mit nach Lexington zu kommen? Meine Eltern würden dich natürlich umsonst mitnehmen und wir könnten nach dem Rennen shoppen gehen und-“

„Warte, Samstag? Wha, neeee, sorry Katy, aber da bin ich doch meine Cousine besuchen, meine Mutter besteht darauf.“, wand ihre Freundin schnell ab.

„Ich, doch nicht Pickel-Jolene!“, quiekte Katy angewidert ins Telefon.

„Dooooch, das is soooo ekelhaft! Ich hab voll keinen Bock, aber was sein muss, muss sein…“

Katy und ihre Freundin seufzen gleichzeitig, dann meinte Katy jedoch: „Na ja, okay… Ich frag Megan und Lisa, vielleicht kann eine von denen… Aber mach’s gut dann, ich muss dann mal weitermachen… Dinge tun.“

Ihre Freundin lachte auf und verabschiedete sich.

Nach zwei weiteren Gesprächen war jedoch auch klar dass sowohl Lisa als auch Megan Samstag was zu tun hatten.

Schade, jetzt musste sie sich jemand anderes suchen, denn allein würde sie nicht gehen!

Merklich demotiviert starrte Katy auf die Seiten des Blue-Albums, welches vor Bildern von Siegerehrungen, Blue wie sie die Ziellinie überschritt, rannte oder einfach nur dekorativ in der Gegend stand nur so überquoll. Zwischendrin sah man immer wieder Ausgeschnittene Artikel aus Pferderennsportmagazinen über Blue, Fazite von Kritikern über sie und Tierärztliche Gesundheitsbestätigungen.

Und immer mal wieder tauchten auch mal Bilder von jemandem auf, den Katy nicht grade leiden konnte.

Dieser Jemand war auf allen Bildern entweder damit beschäftigt sein Gesicht durch eine Jockeybrille zu verstecken und Blue zu reiten oder sie stand scheinbar unbeteiligt am Zaun der Rennbahn und starrte auf eine Stoppuhr.

Adia.

Ja, dieses Mädchen WOLLTE ja gar nicht aus Katys Leben verschwinden, egal wie sehr sie es sich gewünscht hätte. Kaum war sie endlich außer Haus gewesen, war sie drei Jahre später auch gleich wieder in Katys Leben gewesen… In dem Falle als Trainerin, beziehungsweise Jockey für Blue.

Ja, Adia war eine Qual. Warum sagte eigentlich jeder immer wie toll sie doch war? Hatten diese Leute eigentlich hinter ihre Fassade geschaut?

Wohl kaum.

Und dann auch noch ihr dummer Köter! Wem wollte sie mit dem Ding was beweisen? Wem auch immer sie mit dem Vieh was beweisen wollte, sie hatte es nicht geschafft. Außer der Schule und ihrer Ausbildung hatte die doch sowieso nie was geschafft!

Katy hatte sich damals mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, als dieses Minimalindividuum nun also die Trainerin und zugleich gelegentlich der Jockey für Blue werden sollte, aber verhindern konnte sie es dann doch nicht mehr.

Katy wurde aus ihren Gedanken gerissen als ein Tapsen und das klingeln einer Hundemarke ertönte.

„Heeeeeeey, Humphreeeeey, Schätzchen, komm zu Mummy!“, quiekte Katy entzückt, als ihr Mops hechelnd zu ihrem Bett kam. Katy stand schnell auf und nahm ihn auf den Arm, setzte ihn auf ihr Bett und nahm ihn, sobald sie wieder auf ihrem Bett war, sowieso gleich wieder auf den Arm.

„Naaaaaa, hast du mich vermisst?“, flötete sie und begann ihn energisch am Hals, Bau und Kopf zu streicheln, woraufhin der kleine Rüde nur noch schwerer hechelte.

„Jaaa, das magst du, hm?“ Katy drückte den beigen Hund Liebevoll an sich und fuhr mit ihren Liebkosungen fort, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder zum Teil auf ihren Laptop lenkte.

Humphrey, der in der Zwischenzeit wohl genug von den Tätscheleien seiner Besitzerin zu haben schien, befreite sich aus ihrem Griff und tapste auf das Album zu, das noch immer aufgeschlagen auf dem Bett lag und begann daran herumzuschnüffeln.

Katy bemerkte dies und entriss es ihm recht schnell.

„Nanana, DAS, mein Freund, bekommst du nicht! Ich will doch nicht das mein Humphy-dumphy es mir kaputt macht, hm?“ Sie stand auf und legte es in ihr Regal zurück.

„Zudem…“ sie strich sich eine Strähne zurück und setzte Humphrey wieder auf ihren Schoß, als sie es sich auf dem Bett gemütlich machte „Sollte ich in Zukunft nur noch Bilder in dieses Album kleben auf denen man meine hässliche Schwester nicht sieht… Adia ist nämlich ‘ne Verschwendung an Luft, hm?“ Sie nahm Humphreys faltiges Mopsgesicht zwischen die Hände und kraulte ihn zärtlich am Kinn, woraufhin er ihr mit der Zunge über die Nase fuhr und etwas von ihrer Maske in seinem Maul verschwand.

„Ih“ Sie warf schnell den Kopf zurück „Und die Maske müsste ich mir auch noch abwaschen.“ Sie musste kurz schmunzeln.

Ihre achso-tolle Schwester von Adia kannte solche Probleme natürlich nicht, denn bei so einer Visage ist nichts mehr zu retten.



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