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Vorwort zu diesem Kapitel:
WUUUAAAAAAAT IS DAT?!!? Nunja... Ich werde nun folgendes tun: Es wird ja 4 Hauptcharas in dieser Story geben und was sich anfangs aus einer Obsession zu dem Lied "Summertime Sadness" began, wird sich nun zu folgendem entwickeln: Zu jeder Jahreszeit werd eich mir ein passendes Lied und einen dazu passenden (Haupt-)Charakter aussuchen und dann eine schöne Songfic draus machen...
Solltet ihr also ein schönes Liedchen kennen welches einfach zum Thema Herbst, Winter oder Frühling passt, dann könnt ihr mir auch ruhig bescheid sagen! :D
Folgendes Lied steht übrigens schon für den Winter fest: Winter In Me – Skylar Grey
Woah, ja, da wird irgendwer seinen inneren Emo rauslassen xD

Ich hab den Refrain des Liedes übrigens nur einmal benutzt... hatte keine Lust die selbe Stelle tausend Mal in das Kapi zu quetschen ^^ Komplett anzeigen

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[Sommerkapitel] SUMMERTIME SADNESS


 

Kiss me hard before you go
 

Summertime sadness
 

I just wanted you to know
 

That baby you're the best
 

 
 

Sie wusste auch nicht weiter.

Es war schon wieder so weit, der Sommer kam. Die Tage wurden länger und wärmer, die Arbeit wurde anstrengender, die Nächte kürzer und lauter, die Preise höher, ihre Freundinnen agiler und unternehmungslustiger, ihre Haare wurden heller, ihre Haut röter, ihr Hund wurde um sein Fell gebracht und sie sah Blue endlich wieder auf der Weide.

Und trotzdem konnte sie dieser Jahreszeit so rein gar nichts abgewinnen. Es war einfach so, dass… Was sollte das.

Adia saß zwischen Umzugskisten, die sich in ihrem kleinen Garten tummelten und starrte einfach so in die Luft. Sie starrte sich an einigen Wolken fest, die sich um diese Tageszeit endlich in den von Adia ersehnten Orangeton verfärbten und… Nichts. Sie saß da und tat nichts. Aus reiner Antriebslosigkeit und der Tatsache dass sie keine Ahnung hatte was sie tun sollte machte sie eben gar nichts.

Gar. Nichts.

Sie hatte noch so viel zu tun, ein Blick auf die Kartons verriet das.

Doch sie schaffte es nicht mal sich aufzuraffen um die Eiscreme, die bei diesen Temperaturen leicht schmolz, aus der Einkaufstüte ins Gefrierfach zu stellen.

Es kam ganz plötzlich, diese unglaublichen Attacken der Lustlosigkeit, wenn ihre Gedanken plötzlich in ihre Kindheit und alles was sie damit verband, schweiften, wenn dieser Schwall an Nostalgie sich übermannte und sich in ihr diese Leere breit machte.

Sie war kein trauriger Mensch. Nein, im Gegenteil, sie war jung und hatte ein Äußeres, für das sie viele beneideten, sie hatte eine Ausbildung angefangen, die sie wirklich wollte.

Doch sie kamen einfach. Im Sommer am meisten. Diese unglaubliche Traurigkeit die sie übermannte.

Und dann wollte sie weinen, schaffte es letzten Endes dann aber doch nie. Sie wusste nicht warum.

Klar, es gab da ein paar kleine Probleme mit ihrer Familie, natürlich, aber das war ja nichts Großes. Nichts was sie wirklich zum Heulen brachte. Es war einfach diese unfassbare Sommerdepression, welche sie seit Jahren jedes Mal erfasste und von der sie so schwer los kam.

Aus dem Grund liebte sie den Herbst so sehr, wenn der Sommer mit all seinen Nebeneffekten endlich weg war.

Dieser Scheiß kam meist immer dann wenn sie allein war, weshalb auch niemand davon wusste. Sie hatte ihre Freunde gern und verbrachte gerne viel Zeit mit ihnen, aber wenn es dann doch so weit war, war nichts mehr zu retten.

Adia wusste einfach nichts mehr mit sich anzufangen. Sie hatte den Drang zu heulen, war aber dennoch zu weit davon entfernt, wirklich den Tränen freien Lauf geben zu können.

Sie saß einfach da, starrte leer in die Wolken und bekam irgendwie nichts mehr mit.

Siemusste eine ganze Zeit dagesessen sein, denn als sie wieder ein bisschen zu sich kam, waren die Wolken plötzlich nicht mehr in der Dunkelheit des Nachthimmels zu unterscheiden.

Adia versuchte so was wie Selbstständigkeit in sich auszumachen, aber nicht mal mehr aufstehe wollte sie.

So saß sie also noch immer auf ihrem Karton, in ihrem Garten, in dieser lauen Sommernacht. Sie hörte Grillen zirpen. Sie roch Blumen. Sie schmeckte die Reste des Popcorns, welches sie heute Abend gegessen hatte und welches sich zwischen ihren Zähnen hängen geblieben war.

Doch da war noch ein anderes Geräusch, ein Klimpern oder so was.

Ihr Blick schwiff nun endlich zur Seite und sie sah Chiquitita, ihre Afghanenhündin, die sie auf diese unwiderstehliche Art aus ihren großen, braunen Augen ansah.

Und Adia war so glücklich darüber endlich aus dieser Starre gerissen worden zu sein und als sie sich endlich wieder hinstellte, wusste sie dass sie jetzt auf keinen Fall nachgeben durfte. Sie musste jetzt irgendwas tun, schnell!

Sie sah sich in ihrer kleinen Wohnung um, dann sah sie aus die Kisten im Garten, in denen die Gartenmöbel waren.

Adia machte das Außenlicht an und öffnete wahllos die erste Kiste, doch schloss sie, nach einem weiteren Anflug von Lust Starre gerissen worden zu sein und als sie sich endlich wieder hinstellte, wusste sie dass sie jetzt auf keinen Fall nachgeben durfte. Sie musste jetzt irgendwas tun, schnell!

Sie sah sich in ihrer kleinen Wohnung um, dann sah sie aus die Kisten im Garten, in denen die Gartenmöbel waren.

Adia machte das Außenlicht an und öffnete wahllos die erste Kiste, doch schloss sie, nach einem weiteren Anflug von Lustlosigkeit wieder sofort.

Ohne weitere Gedanken ging sie in den nächsten raum der ihr einfiel: Das bad.

Und da sah sie alles auf der Ablage stehen: Zwölf verschiedene Lidschatten, in gelb, grün, olivbraun, hellblau, dunkelblau, schwarz, rosa, silber, dunkelgrau, orange, hellgrün und lila. Und dann hatte sie noch ihren riesigen Vorrat an schwarzen Kayalstiften und Eyelinern. Und dann, gleich daneben, waren Lippenstifte in allen Rot- und Rosatönen aufgereiht. Dann natürlich noch Flüssigmakeup, Puder und ein Arsenal an Parfums.

Warum hatte sie so viel Zeug? Sie wollte Pferdetrainerin, vielleicht auch mal Jockey, werden, aber warum hatte sie dann so viel Makeup? Das verrückte war, dass sie das Zeug ja sogar wirklich benutzte!

Aber wenn es ihr doch half? Sie fühlte sich immer besser damit. Sie schminkte sich gerne, sie fand sich dann einfach schön und ihr Selbstbewusstsein stieg, das war wirklich so.

Vielleicht würde es ja wieder helfen.

Also gut, warum nicht.

Nachdem Adia sich mehrmals mit einem Puder jegliche Unregelmäßigkeiten ihrer Haut weggeschminkt hatte, griff sie nach dem knalligsten Rot, welches sie bei ihren Lippenstiften finden konnte, gefolgt von einem sauberen Lidstrich und einer Mischung aus gelbem und orangenen Lidschatten.

Sie sah sich mehrmals im Spiegel an, suchte nach Fehlern in ihrem Gesicht, doch nichts dergleichen. Sie hatte einfach Übung darin sich aufzumotzen.

Ihr Blick ging an ihr herab, dann wieder in den Spiegel.

Sie musste was anderes anziehen.

Sie wusste nicht wozu, sie hatte keine Pläne, sie wusste nicht für wen oder warum sie das machte, aber sie wollte auf einmal nur noch hübsch sein.

Also gut.

Sie ging in ihr halb eingerichtetes Schlafzimmer, riss einen Karton auf und sah ihr rotes Rockabilly Kleid dort legen, das hübsche mit den weißen Punkten und der Schleife um die Taille, welches sie so mochte.

Ohne lange zu überlegen zog sie sich um, ließ ihre Haare jedoch wie sie waren. Sie fielen grade so schön.

 
 

I got my red dress on tonight
 

Dancing in the dark in the pale moonlight
 

Got my hair up real big beauty queen style
 

Highheels off, I'm feeling alive
 

 

Und dann, als sie das Schlafzimmer verließ, nur um sich selbst im großen Flurspiegel sehen zu können, da fragte sie sich wieder was sie tun sollte.

Dann erblickte sie jedoch ihre Autoschlüssel auf dem Esstisch liegen und ganz plötzlich überkam es sie.

„Tita, komm, wir gehen jetzt Gassi.“, meinte Adia mit dieser gespielten Freude in der Stimme und lief fast schon Fluchtartig in ihre Wohnung, schnappte sich die Schlüssel und lief durch den Garten, ohne darüber nachzudenken die Verandatüre abzuschließen, zu ihrem Auto.

Ja, nicht mal an eine Leine für Tita hatte sie nachgedacht, dabei wusste sie genau dass sie ihre Hündin nicht ohne Leine ausführen konnte.

Doch irgendwie kümmerte es sie nicht.

„Hey Tita, komm.“

Adia hob dem Windhund die Beifahrertüre ihres Jeeps auf und sie sprang hinein. Adia fühlte einen plötzlichen Schwall an Vorfreude, auf was auch immer sie gleich tun würden, in sich aufkommen, doch als sie schließlich auf vor dem Steuer saß und den Schlüssel drehen wollte, da spürte sie, von einer Sekunde auf die andere, diese extreme Melancholie aufkommen.

Und nun saß sie wieder völlig zusammengesackt in ihrem Auto und realisierte plötzlich dass sie keine Schuhe trug.

Peinlich. Sie war hier aufgedonnert wie sonst war und trug nicht mal Schuhe.

Doch jetzt saß sie schon hier und jetzt musste sie auch irgendwas, egal was, tun.

Sie sah auf die Tankanzeige.

Einfach drauf losfahren?

Tita sah ihr erwartungsvoll entgegen, ließ den Blick immer zwischen ihr und der Außenwelt schweifen.

Ach sei’s drum.

Ohne weitere Gedanken zu verschwenden fuhr Adia los ohne wirklich auf die Geschwindigkeitsbegrenzung zu achten.

Sie fuhr einfach los, immer gerade aus. Hier in Kentucky gab es, sobald man erst mal aus dem Provinzkäffern, in solch einem lebte Adia ja auch, raus war, nichts als Landstraße. Sie pfiff in diesem Falle also auf die Geschwindigkeitsbegrenzung.

Als sie immer schneller wurde und sie, laut der Geschwindigkeitsanzeige, langsam die achtzig Meilen pro Stunde überschritt, ließ sie die Fenster runter.

Chiquitita nahm das sofort wahr und reckte den langen Hals aus dem offenen Fenster, in den nächtlichen Fahrtwind. Sie liebte es das zu machen, schon immer hatte sie das geliebt.

Adia musste lächeln. Egal was war, dieser Hund schaffte es immer sie ein bisschen von ihrer Traurigkeit abzulenken.

„Na du? Ist schön so…“ Adia gab noch mehr Gas und spürte auch wie ihr der Fahrtwind immer mehr durch die Haare blies. Ihre Frisur war zerstört, das war klar.

Schade, sie hatte ihre Haare vorhin einfach toll gefunden.

Doch was juckte es sie?

Immer schneller und schneller raste sie die Landstraße entlang, immer geradeaus, bis sie schließlich das Maximum aus ihrem Jeep raus brachte und nicht mehr schneller fahren konnte.

Tita hatte den Kopf inzwischen wieder eingezogen, selbst ihr schien der Fahrtwind inzwischen zu viel zu werden, was einiges zu bedeuten hatte.

Doch Adia kümmerte es nicht.

Es kümmerte sie nicht dass sie weit über der Geschwindigkeitsbegrenzung, barfuß, um elf Uhr abends, durch die Pampa fuhr, alles was sie verspürte war so was wie ein kleines Bisschen Freude.

Dieser Melancholie und Leere, die sich über sie gelegt hatte, schien ein kleines bisschen gemindert, Adia fühlte sich… lebendig.

Die Geschwindigkeit, das laute Rauschen des Windes, der Motor, die dunkle Landschaft die an einem vorbeiflog wie tote Blätter im Spätherbst… Das war unbeschreiblich.

Adia konnte nicht genug davon bekommen, es schien plötzlich alles so perfekt, sie fühlte sich frei, freier als sie es je gewesen war. Sie dachte vor ein Tagen, als sie bei ihren Eltern endgültig ausgezogen war, sie wisse nun wie sich Freiheit anfühlte, Unabhängigkeit, doch sie hatte sich geirrt.

Das hier war so viel schöner. Das hier war so viel besser. Das hier war so ganz anders.
 

 
 

Oh, my God, I feel it in the air
 

Telephone wires above all sizzlin' like your stare
 

Honey I'm on fire I feel it everywhere
 

Nothing scares me anymore
 

 
 

Sie hatte keine Ahnung wo sie inzwischen war, die Dunkelheit ließ keine Orientierung zu, doch als sie an einer der Wiesen vorbei kam, hinter denen ein Waldrand folgte, da überkam sie plötzlich die unglaubliche Lust durch ebendiese Wiesen und ebendiesen Wald zu laufen, einfach so.

Sie wusste nicht warum, aber plötzlich wollte sie sich nur noch bewegen. Sie war mit hundertachtzig Sachen die Landstraße entlang gerauscht und sie wollte mehr. Sie wollte rennen, jetzt.

Sie brachte den Wagen so sanft wie möglich zum Stehen, mitten auf der Straße.

Ohne Warnlicht, ohne Vorsichtsmaßnahmen, blieb sie einfach mitten auf der Spur stehen, so als würde es sie gar nicht interessieren, was sie da tat.

Sie hielt einen Atemzug lang inne, als sie einen warmen Windhauch von außerhalb spürte und plötzlich überkam sie eine Gänsehaut, von oben bis unten spürte sie wie sich ihr die Haare aufstellten und eine Welle an Euphorie durchfuhr sie.

Jetzt würde sie nichts mehr stoppen. All ihre Traurigkeit schien mit einem Mal wie weggeblasen.

Sie riss die Tür auf, Chiquitita folgte ihr durch das offene Fenster auf ihrer Seite und als Adia die riesige Wiese vor sich im fahlen Mondlicht ausmachen konnte, gefolgt vom Mondlicht, da verspürte sie, neben dieser unbegründeten Vorfreude, plötzlich noch ein anderes Gefühl: Aufregung.

Sie wusste nicht warum, aber ihre Knie wurden weich und sie hatte plötzlich das Gefühl etwas aufregendes, spannendes, verbotenes zu tun.

Als würde sie sich auf eine Reise aufmachen, auf eine Reise die sie nie geplant hatte, dabei war sie nur auf einer Wiese, nicht weit von zu Hause weg, doch ihr kam es so vor als wolle sie nie mehr nach Hause.

Doch plötzlich hatte sie den Drang einfach nur noch zu rennen, jedes Staubkorn unter den Füßen zu spüren, diese angenehme, inzwischen merklich abgekühlte Nachtluft zu schmecken, den Geruch der Blumenwiese bis aufs Äußerste auszukosten, einfach nur ihre primitivsten Verlangen nach Freiheit zu befriedigen.

 
 

I'm feelin' electric tonight
 

Cruising down the coast goin' by 99
 

Got my bad baby by my heavenly side
 

Oh if I go, I'll die happy tonight
 

 

Mit wild klopfendem Herzen stand sie, barfuß, auf der Straße, vor ihr machte sich diese riesige Wiese auf, hinter ihr stand ihr Auto, welches jederzeit geklaut werden könnte, immerhin steckte der Schlüssel noch und neben ihr stand Tita, neugierig, gar erwartungsvoll.

Adia nahm einen Tiefen Atemzug und hielt ihn einige Sekunden, ehe sie die Luft langsam wieder aus sich entweichen ließ.

Sie sah in den Himmel und konnte Telefonleitungen erkennen, das Einzige, was hier einfach nicht in die Landschaft passen wollte.

Und noch immer konnte sie die Gänsehaut auf ihren Armen spüren, konnte ihren heißen Atem spüren wie er ihr über die Lippen strömte, konnte ihren eigenen Herzschlag hören, ihren Hund der unruhig den Kopf umherwand, in der Hoffnung endlich losrennen zu können.

Und dann gab sie sich einfach ihrem innersten Verlangen hin und rannte.

Sie wusste nicht ob sie wirklich so schnell rannte wie sie dachte, aber es war schnell genug um ihr das Gefühl zu geben, dass keine Kette der Welt sie mehr festhalten konnte, dass keine Ängste sie mehr klein machen konnten!

Sie sah aus den Augenwinkeln etwas an sich vorbeirasen.

Chiquitita.

Adia konnte noch grade so ihr langes, blondes Fell sehen, ehe sie im Dunkeln der Nacht verschwand. Doch sie würde zurückkommen, das tat sie immer. Irgendwie war es Adia ja auch egal, es kümmerte sie einfach nicht. Nur sie stand jetzt im Mittelpunkt, nur einmal wollte sie sich auf sich selbst konzentrieren.

Sie wollte endlich mal wieder so was wie Leben in sich in diesem Sommer spüren, sie wollte mehr!

Sie rannte einfach immer weiter, egal wie dreckig ihre Füße seien mussten oder das Gras sie an den Beinen kitzelte. Sie genoss all das viel mehr, es war unbeschreiblich nach all den einsamen Abenden in ihrer kleinen Wohnung, in denen sie, in Traurigkeit versunken, auf ihrem Bett gesessen hatte und manchmal Stundenlang auf die Decke gestarrt hatte, in der Hoffnung endlich schlafen zu können, sich endlich wieder so fühlte, als ob ihr Leben wieder besser wurde.

Besser im Sinne von keinen Druck mehr haben.

Sie konnte nicht sagen was sie gerade so glücklich machte, immerhin rannte sie nur aufgetakelt, mitten in der Nacht, barfuß, ohne Ziel durch eine Wiese, nichts wonach sie sich je gesehnt hätte und doch schien es ihr eine unglaubliche seelische Befriedigung zu bringen.

Sie sah den Waldrand immer näher kommen, wie ein dunkler, geheimnisvoller, alles in sich verschlingender Vorhang machte er sich vor ihr auf.

Chiquitita bellte irgendwo auf, man konnte hören wo sie gerade war.

Adia rannte einfach weiter, so lange bis sie direkt an der Grenze zu dem Wald angekommen war. Sie spürte ihr Herz wild gegen ihren Brustkorb schlagen, sie musste ein paar Mal durchschnaufen.

Sie fühlte sich besser. Viel besser.

Ein paar Mal wischte Adia sich über die Stirn, dann wand sie sich dem Rückweg zu. Sie hatte mit einem Mal alle Lust an dem weiteren Weg in den Wald verloren und wenn sie ganz tief in sich rein horchte, dann konnte sie sagen dass sie glücklicher war.

Nicht glücklich, aber sie fühlte sich so viel besser als noch heute Abend.

In einer eher gemächlichen, andächtigen Geschwindigkeit durchschritt sie die Wiese, zurück zu der Straße wo ihr Auto stand.

Als sie angekommen war rief sie nach Chiquitita, drei Mal und als sie einfach nicht kommen wollte, spürte sie wieder eine Last auf ihrem Herzen wachsen.

Adia schluckte schwer, doch eigentlich hätte sie es wissen müssen. Sie kannte den Hund seit zwei Jahren, natürlich kam sie nicht einfach so zurück, wenn sie schon die Chance auf einen Alleingang hatte.

Doch dann, was relativ unerwartet kam, entschied sich die Afghanin doch noch zu kommen. Ja, sie kam, als Adia sie schon in der Dunkelheit suchen wollte, kam sie einfach so angelaufen, so als ob sie gewusst hätte dass es diese eine Mal wichtig war.

„Hey, Süße…“ Adia ging in die Knie und umarmte den zotteligen Hund innig, was diese jedoch eher in Grenzen zu Schätzen wusste „Na komm, gehen wir nach Hause.“

Und sobald Adia diese Worte ausgesprochen hatte, spürte sie wieder die gleiche Schwermut wie zuvor auf ihren Schultern.

Irgendwie drifteten ihre Gedanken kurz zu Fred, ihrem besten Freund ab. Sie wusste nicht warum, aber sie dachte oft an ihn wenn sie einsam war und wünschte sich in immer an ihrer Seite. Er wusste immer einen Ausweg, egal wie schlecht es ihr ging, er war einfach da. Er war einfach immer da gewesen und irgendwo war es da doch logisch dass er der erste war, an den sie denken musste wenn es ihr so ging wie jetzt.

Und so kam es dazu, dass sie wieder nicht wusste wohin. Dass sie wieder einfach wild aufs Gas trat und einfach irgendwo im Nirgendwo wieder anhielt, wieder ohne auf irgendwelche Vorschriften zu achten.

Und dann saß sie erst mal eine Weile wieder da, starrte leer in die Welt vor ihr. Sie war einsam, das gab es nicht zu bestreiten.

Auf der Rückfahrt herrschte wieder die Stille. Adia hatte die Fenster diesmal oben gelassen, sie wusste nicht warum.

Es war nicht mehr viel bis zu ihrem Haus, doch als sie in die Ortschaft einfuhr, hielt sie kurz an, als sie in einer ganz bestimmten Wohnung noch Licht sah.

Fred war noch wach? Ungewöhnlich für ihn, es war Donnerstag, er ging unter der Woche immer vor Mitternacht ins Bett. Es war halb zwei Uhr morgens.

Einen Moment wollte Adia einfach weiter fahren, doch dann fragte sie sich warum sie jetzt zu Hause sollte.

Um wieder bis drei Uhr morgens wach zu liegen, weil sie aufgrund dieser Sommerdepression nicht schlafen konnte? Um sich dann drei Stunden Schlaf zu erquälen und sich geschätzte drei Liter Kaffee reinzuwürgen?

Um sich morgens in der Dusche im Spiegel zu sehen und sich die Fingernägel so fest in die verhassten Hüften zu bohren, bis sie blaue Flecken davon bekam?

Um sich vor lauter unbegründeter Enttäuschung über sich selbst in die Lippe zu beißen bis diese blutete und anschwoll, damit sie größer wirkte?

Um Abends mit dem Hund raus zu gehen, ein Foto von ihr in der Abendsonne zu machen, es auf Instagram zu stellen und irgendwelche Hashtags dazuklatschen?

Um sich mit ihrer Mutter am Telefon über irgendeine Scheiße zu streiten, die sie nichts anging und ihr nur Kummer bereitete?

Um jeden Freitagabend gespielt dankend eine Einladung zum Grillen bei Freunden auszuschlagen?

Um fast jeden einzelnen, verdammten Abend, den Tränen nahe, im Wohnzimmer zu sitzen und sich einfach nur noch hassen und nicht mal wissen wofür?

Um, wann immer man sich nicht leer fühlte, daran denken zu müssen, dass es heute Abend vielleicht wieder so weit sein konnte?

Um sich vor der Einsamkeit zu fürchten?

Um auf einen frühen Herbst zu hoffen?

Um die Sommergewitter und ihre Dunkelheit in vollen Zügen zu genießen?

Da konnte sie genau so gut nach ihrem besten Freund schauen. Auch wenn es nur darum ging diese Einsamkeit von ihr zu nehmen.
 

 
 

I think I'll love you forever
 

Like the stars miss the sun in the morning skies
 

Late is better than never
 

Even if you're gone I'm gonna drive, drive
 

 

Bester Freund.

Sie log sich doch selbst an.

Er war nicht ihr bester Freund, da war doch mehr.

Und das wusste sie und er bestimmt auch irgendwo… ganz tief in sich drin. Vielleicht.

Wieder stoppte Adia den Wagen und sah, an Chiquitita vorbei, zu Freds Wohnung.

Als sie jedoch den schwarzen Ford auf dem Parkplatz vor der Bar sah, schien ihr ekleine Hoffnung, Fred hätte vielleicht Zeit für sie, wie verblasen.

Charlotte war wohl da, Freds Freundin.

Oh Gott, wie sehr Adia diese Frau doch hasste.

Hasste und beneidete.

Sie biss die Zähne zusammen als sie plötzlich diesen schrecklichen Klos in ihrer Kehle spürte und vor lauter aufsteigender Wut trat sie so heftig und plötzlich ins Gaspedal dass sowohl sie selbst als auch Tita mit voller Wucht in den Sitz gedrückt wurden.

Tita fiepte kurz auf, sammelte sich recht schnell jedoch wieder und sah wieder nach vorne.

Man sah so ihr Profil recht gut, dieses schöne Windhundprofil, mit der langen Rammsnase den hoch angesetzten Augen und dieser generell sehr hoheitlichen, edlen Haltung, die ihr etwas so unglaublich eingebildetes, hochnäsiges gab.

Doch sie hatte ein Herz aus Gold, egal was mit ihr los war. Sie war wie sie war, sie war ein Engel dem leider die Flügel fehlten.

Obwohl, leider? War wohl besser so, sonst würde diese Hund Adia nicht nur wegrennen, sondern auch noch wegfliegen!

Und plötzlich musste Adia auflachen. Sie konnte es nicht fassen dass dieser Hund sie so schnell so sehr von ihrem Momentanen Kummer ablenkte.

Aber eben nur für einen Augenblick, denn nun geschah etwas, nachdem Adia sich schon die ganze Zeit gesehnt hatte: Sie weinte.

Endlich.

Endlich konnte sie einfach losheulen.

Endlich konnte sie dieses brennende Verlangen, was irgendwie den ganzen Sommer lang in ihr begraben lag, raus lassen, denn in einem Punkt war sie Charlotte dankbar: Sie war der Anstoß, der Adia endlich dazu gebracht hatte ihrer Traurigkeit einfach freien Lauf zu lassen.

Und Adia weinte gerne, warum auch nicht? Es sah sie doch niemand, es hatte niemanden zu interessieren. Sie konnte es einfach raus lassen.

Sie sah nichts mehr als sie anhielt, sie wusste nicht genau wo sie war, aber es tat so gut endlich all diese angestaute Trauer herauszubrüllen und als sie die Türe öffnete und völlig blind aus dem Wagen stieg, fiel sie in den Straßengraben.

Egal wo sie war, sie war jedenfalls wieder auf einer Wiese oder einem Getreidefeld, oder sonst wo.

Aber wen juckte es? Sie konnte all das hier endlich in die Welt herausbrüllen, ohne dass es jemanden zu interessieren hatte, ohne dass ihr irgendwer dumme Fragen stellte.

Und sie wusste dass es irgendwann vorbei sein würde, der Sommer kam seinem Ende entgegen.

Doch im Moment, und der Moment war alles was für Adia gerade zählte, herrschte noch immer eine alles auffressende Traurigkeit in ihr, welche ihr eine unfassbare Schwermut auf die Seele legte und sie in ihre eigene, einsame Welt fallen ließ.

Etwas tun konnte sie nicht, nur warten. Der Sommer mochte sich von seiner hässlichsten Seite zeigen, er mochte sie selbst nachts nicht von der Hitze des Tages befreien, doch es würde aufhören.

Das tat es doch immer.

 
 

I've got that summertime, summertime sadness
 

S-s-summertime, summertime sadness
 

Got that summertime, summertime sadness
 

Oh, oh
 


 



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