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Reqium of Darkness & Quiet Symphony

Walker x Kanda
von

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Eskalation

Ich stolperte, ich strauchelte... taumelnd bewegte ich mich in diesen Massen, die nach Leben trachteten.

Nach meinem, nach Kandas... und wie stürzte ich zurück zu ihm, um ihn zu verteidigen. Wie kämpfte ich für ihn, wie warf ich mich in diese Massen und schreckte nicht vor eigenen Verletzungen zurück.

Was waren sie schon im Vergleich zur Gefahr, die für Kanda bestand!

Jeden Kratzer nahm ich auf mich, jede Schramme, jeden Schmerz... und ganz gleich, wie sehr er in mir tobte, ganz gleich wie stark ich zur Seite geschmettert wurde, ich hatte aufzustehen und neben Kanda auch das Innocence zu verteidigen. Die Akuma rückten vor, rückten zurück und stets gab es den einen oder anderen, der meinen beiden Heiligtümern gefährlich nahe kam. Explosionen pflasterten meinen Weg, dröhnten in meinen Ohren, spien mir heiße, feurige Luft entgegen und wie schwer fiel mein Atem nach einer schier unendlich erscheinenden Dauer meines Widerstandes. Ich war der einzige, der imstande war, etwas zu bewegen... und wie schmerzten mir unterdessen Kandas Schreie, die mich wuterfüllt eines unverzeihlichen Fehlers bezichtigten.

Machte ich es denn falsch?!

Würde sich Kanda in einer solchen Lage dem Tod ergeben, um die Mission zufriedenstellend zu erfüllen?!

Und inmitten des Rauches und des Schmerzes stellte ich mir die Frage, ob er wohl auch so gehandelt hätte. Wäre ich dort aufgespießt und jedes Handelns unfähig... hätte er mir den Rücken gekehrt und seine Prioritäten gegen mich gesetzt?

Wäre er zum Innocence geeilt, ohne Wert auf mich zu legen...?

Eine Frage, auf die ich keine Antwort fand. Eine Frage, über die ich nicht grübeln konnte, denn die Situation erforderte all meine Konzentration.

Über, neben, unter mir... der Feind schien überall und seine Masse nicht abzunehmen, so viele ich auch in Stücke riss und gegen Hausfassaden schmetterte. Wie ein Wink des Schicksals, der mir den Tod aufzubürden versuchte!

Ich biss die zusammen, ich zwang meine müden Glieder und wie verbissen versuchte ich Kandas Schmerz- und Wuterfüllte Stimme aus meiner Wahrnehmung verbannen.

Ich durfte nicht hinhören!

Durfte mich nicht fügen!

Ihm blieb hier und jetzt keine Entscheidung!

Alles, was es gab, lag in meinen Händen und wie unterdrückte ich das erschöpfte Zucken meiner Glieder, wie unterdrückte ich das Gefühl, dass mir Batteriesäure durch die Venen schoss und meine Lunge kurz davor war, zu zerbersten. Alles schmerzte, alles ermüdete und ich weiß nicht, wie ich mich irgendwann noch auf den Beinen hielt. Ich stieß mich ab, rollte mich zur Seite, griff an und schlug zurück. Einer nach dem anderen unterlag meinem Schwert. Durch so einige Körper fraß es sich. Gnadenlos, plötzlich und es wirkte wie eine Ewigkeit, als ich bemerkte, wie wenig Level 1 noch meinen Weg kreuzten. Ihre Reihen schienen vernichtet, doch waren es die anderen, die mich in Atem hielten und in jeder Sekunde in den gnadenlosen Kampf verstrickten.

Ein Kampf ohne etwaige Gerechtigkeit. Ein Kampf ohne Fairness, für welchen ich in jedem Moment verdammt wurde.

Doch es fühlte sich nicht falsch an... ganz und gar nicht.

Der Gedanke, ihn mir nicht nehmen zu lassen, schien mich am Leben zu erhalten... mir immer und immer die letzten Kräfte zu schenken!

Ich ließ ihn mir nicht nehmen... von niemandem!

Er würde nicht hier sterben... nicht solange ich hier bei ihm war... solange mein Körper dazu fähig war, sich zu bewegen... solange ich atmete...

Solange ich ihn liebte!

Ein betäubender Schlag traf meinen Rücken, riss mich zu Boden und doch war ich sofort zurück auf den Beinen. Ich hatte mich abgerollt, rutschte beinahe aus in all dem Schutt, in all der Asche, die mich umgab und das Bild vibrierte vor meinen Augen, kurz bevor ich jenen Level 2 mit meinem Schwert aufspießte und ihn zur Seite schleuderte.

Nur selten hatte ich solche Befürchtungen um das Siegen gehegt. Nur selten war das Ende eines Kampfes so undurchsichtbar und ungewiss, wie zu diesem Zeitpunkt, zu welchem mir mein Körper deutliche Erschöpfungserscheinungen zusandte und mich meiner seltenen Schwäche warnte. Es war eine prekäre Lage, in die mich selbst hineinmanövrierte! Wie viel Verantwortung hatte ich auf mich genommen... wie viel gewagt... und ich kämpfte weiter, verdunkelte den weißen Himmel mit den schwarzen Rauchwolken brennender Akuma, ebnete meinen Weg mit ihren Einzelteilen und wie sehr schien ich mich dabei auf meinen Körper verlassen zu können. Das Ende war noch nicht erreicht... längst nicht... ich konnte noch kämpfen... ich war nicht besiegt!

Weitere Momente, die sich so erbarmungslos in die Länge zogen...

Die Zeit wusste ich schon längst nicht mehr einzuschätzen. Wie lange ich diesen Ort zu einem Schauplatz des Kampfes machte.

Es könnte eine volle Stunde sein... vielleicht zwei... vielleicht erschien es mir doch nur so...?

Eine kleine Platzwunde an der Stirn erschwerte mir das Sehen. Mein Blick trübte sich rot, alles schien so undeutlich und eilig begann ich zu rennen, mir die Augen zu wischen und um die alte, klare Sicht zu ringen.

Ein leises Geräusch drang kaum in meine Wahrnehmung.

Es glich einem Surren...

Ein seltsames Geräusch, dem ich keine Beachtung schenkte, doch mit einem Mal schien der Himmel über meinem Kopf zu explodieren. Vier Level 3 riss es in Fetzen und ächzend blickte ich auf und sah qualmende Einzelteile noch immer dort über mir hängen.

Regungslos... festgezurrt...?

Ich öffnete den Mund, ein fahriger Atem drang über meine Lippen und strauchelnd fuhr ich herum.

Ein weiterer...

Wie nahe war er mir gewesen!

Wie plötzlich verzerrte er sich unter unsagbaren Schmerzen und wie grell war diese weitere Explosion. Ich riss die Hand vor die Augen, strauchelte zurück und wie deutlich war die Stimme, die sich plötzlich erhob.

„Allen!“

Ich kannte sie...

Ich kannte sie!!

Ich hob den Kopf, bewegte mich strauchelnd zur Seite und wie ein Stich traf mich die Erleichterung, als ich ihn erkannte.

Dort, neben mir... auf dem Dach.

Meine Augen weiteten sich.

„Marie...!“ Meine Stimme gab kaum noch etwas her. Wie brüchig erhob sie sich, wie bebend und mit einer letzten, raschen Bewegung spannte Marie seine Drähte ein weiteres Mal und jagte die letzten Level 3 in diese Falle. Ihre Bewegungen erstarben. Zu allen Seiten schienen sie festzuhängen und mit stockendem Atem verfolgte ich, wie auch sie aufschrien und es sie unter Maries Technik nahezu zerriss. Sie wurden auseinandergezerrt, in die Luft gejagt und die letzte Bewegung, die ich plötzlich hinter mir ausmachte, war die eines Finders, der zu mir eilte.

Maries Finder...

„Walker!“ Besorgt bahnte er sich einen Weg durch all die rauchenden, qualmenden Kadaver, erreichte mich keuchend und aufgeregt. „Sind Sie verletzt?!“

War ich es...?

Ächzend und bebend starrte ich ihn an. Nur kurz... bevor ich mich zurück zu Marie wandte und meine brennenden Augen verfolgten, wie sich dieser vom Dach schwang.

Der Sieg...?

Wie plötzlich war es geschehen... wie unglaublich war dieser Zufall...

Ich meinte, es nicht realisieren zu können. Alles geschah so schnell, dass ich es nicht erfassen konnte und auch als Marie mich erreichte, tat ich nichts anderes, als ihn anzustarren.

Mein Körper schien wie betäubt. Keinen Schmerz nahm ich wahr, kein Pochen, keine Qual... so war es auch um einiges stiller geworden und Maries Lippen bewegten sich zuerst völlig stumm.

Meine Ohren dröhnten...

Er sah mich an, seine große Hand bettete sich auf meiner Schulter und augenblicklich gab mein Körper unter diesem Druck nach und schwankte zur Seite.

Seine Lippen... immer noch starrte ich sie an und plötzlich wurde an mir gerüttelt.

„... da!“, erhob sich Maries aufgeregte Stimme in meinem dumpfen Rauschen. „Wo ist Kanda!“

Kanda?

Es traf mich wie ein Blitz und mit einem Mal fuhr ich in die Höhe und herum. Maries Hände glitten von mir, als ich in die Richtung starrte, in die sich meine Augen so oft gerichtet hatten.

Um zu überprüfen... wie oft hatte ich mich versichert, dass er keinen weiteren Schaden nahm und auch jetzt erkannte ich ihn durch all den pechschwarzen Rauch.

Noch immer war er dort... noch immer fixiert, doch er bewegte sich.

Die Hand... matt hob sie sich erneut zu jenem Pfahl, bettete sich darauf und Maries erschrockenes Keuchen drang an meine Ohren, als er meinem Blick folgte und dasselbe erspähte.

Seine Verwundung, ging es mir durch den Kopf. Vermutlich war sie ernst...

Marie sollte sich wohl besser beeilen und das tat er auch. Sofort eilte er an mir vorbei, sprang durch den Qualm der brennenden Kadaver.

Wie gut...

Röchelnd atmete ich ein.

Man kümmerte sich um ihn.

„Walker?“ Es war der Finder, der noch immer bei mir stand.

Seine Stimme... sie drang zu mir, als wäre er mir nicht wirklich so nahe. Als stünde er woanders... weit entfernt...

Der Rauch... er schien zuzunehmen... mir in die Augen zu steigen.

Es wurde finster um mich herum.

Der Rauch fing mich ein und allmählich entspannte sich mein Gesicht.

Es war getan...

War vorbei...

Jetzt konnte ich mich ausruhen.

Nur ein bisschen...

Meine Lider wurden so schwer. So furchtbar schwer, dass sie sich meiner Kontrolle entzogen. Sie senkten sich, alles wurde umso schwärzer...

Ausruhen.

Nur ein... ganz kleines bisschen...

Und es wurde ruhiger um mich herum.

Wie angenehm.

Das Tosen des Kampfes erstarb... alles erstarb... und kaum spürte ich, wie meine Beine unter mir hinwegbrachen und ich haltlos zu Boden ging.

Ich ließ mich fallen... ich konnte es und nur ein leichtes Stechen zeugte davon, dass ich mit dem Kopf aufschlug, bevor mich etwaiges Bewusstsein verließ.

Es war pechschwarz... schwer... warm... lautlos...

Ich... ruhte mich nur kurz aus.
 

Wie schnell ich das Bewusstsein verloren hatte...

Als wäre es mir entflohen, sobald ich mich nicht mehr verbittert daran klammerte.

Und es drehte sich… irgendwie alles um mich und so schnell, bis ich ein deutliches Surren wahrnahm. Es begleitete mich, während ich in einer tiefschwarzen dumpfen Hitze versank und all meine Sinne verlor. Nur selten zuvor war ich der Wirklichkeit so fern gewesen. Ein schier unendliches Nichts hielt mich gefangen und doch drang zu manchen Zeiten ein Rauschen an meine Ohren, das ich für meinen Atem hielt.

Ich schien aufzutauchen.

Nur langsam, doch ich kehrte zurück und irgendwann spürte ich dieses raue Gefühl auf der Wange.

Es war hart, es war trocken...

Jemand berührte mich. Es waren Hände, die sich über meine Schultern tastete und mit einem tiefen Atemzug kehrte ich vollends zurück in jene Realität.

Wie lange war ich ihr ferngeblieben...?

War was in dieser Zeit geschehen?

Meine Lider zuckten, wollten sich noch nicht so recht heben. Wollten mir die Umwelt noch nicht offenbaren, doch ich begann sie zu hören.

Stimmen, das Knacken entfernter Flammen. Schritte auf dem trockenen Boden, auf dem ich lag. Der Kies knirschte unter irgendwelchen Sohlen, ein Gemurmel drängte sich an meine Ohren und mit einem leichten Husten sammelte sich meine Wahrnehmung in der Wirklichkeit. Ich war wach, bewegte den Kopf und öffnete die Augen.

Das Licht blendete mich. Jeder Einfluss schien auf den ersten Blick zuviel, doch ein Blinzeln leistete Abhilfe. Konturen wurden deutlicher, das Licht ermattete ein wenig und benommen starrte ich in die Welt, die mich umgab.

Ich lag hier... genau dort, wo ich zusammengebrochen war. Nur hatte man mich auf den Rücken gewendet. Das Gestein drückte in meine Rippen, Dreck haftete auf meinem Gesicht und stockend wendete ich es zur anderen Seite. Eine Gestalt erhob sich neben mir. Gekleidet in diesen Mantel... es war der Finder, der neben mir saß und sorgsam hielt er jenes Innocence bei sich auf dem Schoß. Ich blinzelte zu diesem Ding... zu diesem gottverdammten Ding.

Sie hatten es also geborgen...

„Walker.“ Erleichtert neigte sich der Finder über mich. „Was für ein Glück! Sie sind wieder bei Bewusstsein!“

Wie lange hatte sich mein Körper der Wirklichkeit entzogen...?

Er fühlte sich nicht besser auf, kaum sehr viel stärker oder vom Schmerz befreit.

Es konnte keine lange Zeit sein und vorsichtig begann ich mich zu bewegen. Die Ellbogen stemmte ich hinab, stemmte mich ächzend auf und ein kurzer Schwindel ließ mich das Gesicht verziehen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich der Finder sofort, doch ich tat seine Hilfsbereitschaft mit einem leichten Kopfschütteln ab.

Mir helfen?

Er hatte ja keine Ahnung.

Mein Bauch schmerzte. Irgendwie alles und selbst meine Arme hatten kaum genug Kraft inne, mir gute Dienste zu leisten. Es fiel schwer und wie verbissen stemmte ich mich auf meine Hände, um mich zumindest hinsetzen zu können. Auf die Beine wollte ich kommen, aufstehen... es gab diesen Drang in mir, der diesen dreckigen Boden hasste und mit besorgtem Blick verfolgte der Finder meine Mühen.

War ich wirklich so erschöpft?

Waren all meine Kräfte an Ende?

Gegen Ende des Kampfes hatte ich meinen Körper kaum noch gespürt. Alles schien sich abgeschaltet zu haben. Alles war fort gewesen... und auch jetzt tauchte ich nur langsam in die Realität ein und erinnerte mich an das, was geschehen war.

Ich saß aufrecht, lahm zog ich meine Beine zu mir und den aufgeregten, goldenen Golem wischte ich beiläufig zur Seite, als er mir zu nahe kam.

Kanda...

Es war wohl mein erster Gedanke und mein Genick schmerzte, als ich eilig den Kopf wandte und ihn suchte.

Hatte Marie ihm helfen können?

Ging es ihm besser?

Nur wenige Flammen loderten noch um uns herum. Viele Überreste der Akuma waren bereits verloschen, doch sah ich durch eine der Rauchsäulen Bewegungen, die mich aufatmen ließen.

Dort war er.

Nur unsicher bewegte er sich auf den Beinen, ließ sich von Marie stützen... und wie verkrampft war der Griff seiner Hand in seinen Bauch.

Der schwarze Stoff der Uniform war durchtränkt von Blut. Selbst auf dem hellen Kies des Bodens hinterließ er Spuren und es war ein durchaus gequältes Gesicht, das ich erblickte.

War die Wunde noch nicht verheilt?

Nur langsam bewegte er sich in meine Richtung, aufmerksam hielt Marie seinen Arm und mir gelang ein tiefes Durchatmen, mit dem ich mich daran machte, aufzustehen. Wieder stemmte ich mich auf die Hände, wieder verlangte ich meinen Armen so einiges ab und die beiden hatten mich beinahe erreicht, da setzte ich endlich die Füße auf den Boden und richtete mich schwankend auf. Ein erneuter Schwindel...

Kandas Gestalt wurde vor meinen Augen größer und größer, das Knacken des Kieses näherte sich auch weiterhin und benommen hob ich die Hand, um mir die Augen zu reiben. Ich stand... wenn auch etwas unsicher... und Kanda erreichte mich.

Mit einem Schritt trat er an mich heran, nur vorsichtig und leicht nach vorne gebeugt und ich sah nicht die Bewegung seiner Hand. Sah nicht, wie sich aus dem blutigen Stoff löste, doch plötzlich erfasste ein schmerzvoller Schlag mein Gesicht. Es riss meinen Kopf zur Seite, taumelnd folgte mein Körper und völlig übermannt von dieser Kraft sank ich zurück zu Boden und schlug ächzend auf.

„Du...“, wie deutlich erreichte mich Kandas Stimme. Sie bebte vor Wut, hatte eine Kraft inne, die ihm nicht mehr anzusehen war. Benommen begann ich mich zu räkeln. „Du verdammter Vollidiot!!“

Schallend schrie er mich an und zischend biss ich die Zähne zusammen und tastete um mich.

„Kanda...“, leise wandte sich Marie an ihn, doch er wurde unterbrochen.

„Sieht so für dich das Befolgen von Befehlen aus?!“

Meine Lippe... wie blind tastete ich mit der Hand nach ihr, wischte das Blut mit dem Handrücken zur Seite und blickte zu ihm auf.

Ein solcher Zorn, wie er in Kandas Zügen zu lesen war.

So eine Verachtung...

Hatte ich es verdient...?!

„Was sollte das?!“ Kanda war außer sich. Er neigte sich hinab, doch wurde sachte von Marie zurückgezogen. „Was wäre passiert, wäre Marie nicht aufgetaucht?! Du konntest es nicht wissen! Das Innocence verlieren! Ist es das, was du wolltest?!“

Wovon sprach er da...

Wovon!

Zitternd senkte ich die Hand zum Boden, rappelte mich vorsichtig auf.

Der kalte Schauer einer gewissen Wut bekam mich zu fassen und finster blickte ich zu ihm auf, als dort kauerte. Wie funkelnd er mich anstarrte, wie aufgelöst im Zorn, zu dem er einfach kein Recht hatte!

Wofür hatte ich gekämpft?!

Für seine Unzufriedenheit?

Nein, verdammt noch mal!

Für sein Leben!!

Und er genoss es noch, oder irrte ich?!

Befand ich mich hier nur in einem Alptraum?!

Es fühlte sich so an!

Verkrampft fand seine Hand zur Wunde zurück, klammerte sich in den Stoff der Uniform.

„Und einem wie dir soll ich vertrauen?!“, stieß er weiterhin aus und ein Zucken durchfuhr meine Mimik. „Ist dir denn gar nichts wichtig?!“

„Sei still...“, nur leise kam die Stimme über meine blutenden Lippen sowie sich meine Finger im Dreck des Bodens versenkten.

Worte, die nicht zu ihm gedrungen waren.

Worte, die bisher nur mir gehörten.

Ob mir nichts wichtig war?!

Was hätte ich denn noch tun sollen, um ihm zu zeigen, dass er diese verdammte Rolle einnahm!

Dass er mir wichtig war!

So wichtig, wie nur wenig anderes!!

„Du hast die gesamte Mission gefährdet!!“

„Halts Maul!!“ Ich fuhr in die Höhe, doch kam nicht auf die Beine. Sie gehorchten mir nicht mehr. Doch ich schrie ihn an, mit all dem Schmerz, mit all dem Zorn und Unverständnis, das ich gegenüber seinen Worten empfand.

Er verstand nichts!

Gar nichts!!

Sofort war seine blutige Hand mir entgegengezuckt. Er wollte mich packen, doch wieder zog Marie ihn zurück, versuchte ihn zu beschwichtigen.

„Es ist dein Leben, das ich gerettet habe!“ Meine Stimme gab kaum noch etwas her. Heiser und bebend schrie ich ihn an und schäumend vor Wut versuchte er sich von Marie loszureißen. Doch er wurde gehalten... und es wäre mir egal gewesen, hätte er sich auf mich gestürzt.

Seine Schläge könnten unmöglich so sehr weh tun, wie seine Worte!

„Wie kann es dir so wenig wert sein?!“

„Ich habe es dir erklärt!“, zischte er zurück und wand sich im festen Griff. „Ich habe es dir immer und immer wieder erklärt, was für Prioritäten gesetzt werden müssen!!“

„Ich setze meine Prioritäten nach eigenem Ermessen!! Du hast mir nicht vorzuschreiben, wie ich zu handeln habe!!“ Keuchend sank ich in mich zusammen, klammerte mich in meinem Zorn in den Boden. „Ich habe es geschafft...!“, stieß ich aus, „... ich habe es geschafft!“ Wieder blickte ich zu ihm auf. „Ich habe dich beschützt! Ich habe das Innocence beschützt, also was willst du jetzt von mir?! Was macht dich wütend?! Dass du am Leben bist?! Es steht dir frei, den Tod nachzuholen! Ich halte dich nicht auf!!“

„Du verdammter...!!“ Ein Ruck, ein Zerren und mit einem Mal war er frei. Maries Hände erreichten ihn nicht mehr, viel zu rasch tat er diesen Schritt, doch bei diesem blieb es auch. Das Bein konnte ihn nicht halten... er sank hinab, brach in sich zusammen und kurz darauf hockten wir dort beide beieinander.

Zornig... keuchend... doch zu erschöpft.

Kein weiteres Wort wollte über meine Lippen kommen. Kaum noch ein Ausdruck mein Gesicht verändern und schweigend standen Marie und der Finder neben uns.

Es war ein Fiasko ohnegleichen...
 

Bald darauf saß ich dort und an eine Wand gelehnt. Ich hatte einen trockenen Platz gefunden. Inmitten des Schlachtfeldes saß ich auf wenigen hölzernen Brettern und unter einem kleinen Dach, das die Schüsse überlebt hatte. Während ich das Innocence abwesend in der rechten Hand bewegte, betrachtete ich mir diese verloschenen Überbleibsel des Kampfes. Sie umgaben mich zu allen Seiten. Gerade so, als würden selbst die toten Spuren der Akuma noch auf mich lauern.

Nein... der Kampf war vorbei.

Kanda war sicher, ich war sicher... ebenso das Innocence und doch empfand ich es als denkbar schlechtesten Ausgang. Ich hatte nicht das Gefühl einer gewissen Erleichterung. Alles in mir war ernüchtert und verbittert und als wolle meine Lippe mich von etwaigem Vergessen fernhalten, tat auch sie noch weh. Oft hob ich die Hand, oft betastete ich die Wunde. Was für eine Kraft Kanda noch übrig gehabt hatte, um mir diesen Schlag zu versetzen. Körperlich sowie mental. Nichts stimmte mehr.

Marie hatte ihn in eines der Gebäude gebracht. Vermutlich hatte er sich dort ein wenig hingelegt. Die Verletzung schien ihn länger zu quälen, als ich es erwartet hatte und was mich anging, ich wartete. Derzeit telefonierte Marie mit Komui. Ich wusste nicht, was bei diesem Gespräch Fakt war, doch es dauerte gar nicht lange, da verließ Marie das Gebäude und gesellte sich zu mir. Und er schien es eilig zu haben. Selbstverständlich, immerhin hatte auch er eine Mission zu erfüllen. Sie war wohl noch nicht vollbracht und als er mich erreichte, hatte ich das Gefühl, dass wir uns jetzt alle auf irgendeinen Weg machen würden. Er musterte mich, schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, das ich nicht erwidern wollte. Seufzend hockte er sich zu mir, schlug den Mantel seiner Uniform hoch und kreuzte die Arme im Schoß.

„Kanda wird in das Hauptquartier zurückkehren“, hob er an. „In seiner Verletzung befindet sich Rost und Dreck, weshalb er abbrechen muss.“

Dachte ich mir... irgendwie.

Lahm nickte ich.

„Was dich angeht“, wieder musterte er mich, schien mein Gesicht und meine Müdigkeit zu studieren. „Komui lässt dir zwei Möglichkeiten. Wenn du dir eine weitere Mission nicht zutraust, kannst du vorerst mit Kanda zurückkehren.“

„Und wenn ich es mir zutraue?“ Die Frage kam sofort, denn letztlich konnte ich mir alles besser vorstellen, als Kanda in nächster Zeit noch einmal unter die Augen zu treten. Unser Weg wäre von eisigem Schweigen und verächtlichen bis zornigen Blicken erfüllt und das war genau das, was ich derzeit nicht ertragen würde.

„In dem Fall bittet dich Komui, das Innocence in die Asien Zweigstelle zu bringen.“

„Das mache ich.“ Ich antwortete ohne zu grübeln, ohne meine Kräfte einzuschätzen und hob demonstrierend das Innocence.

„Gut.“ Wieder lächelte Marie und klopfte meine Schulter. Er versuchte mich aufzubauen, vermutlich irgendwie zu ermuntern und kam auf die Beine. „Dann gehst du eben nach dieser Mission Nachhause.“

„Ja.“ Ich umschloss das Innocence mit der Hand, zog die Beine an. „Ist es dringlich?“

„Nein.“ Marie reichte mir die Hand und ich griff nach ihr. „Du kannst dir Zeit lassen und dich irgendwo ausruhen. Scheinbar hast du es nötig.“

Da sagte er etwas Wahres. Er zog mich in die Höhe, klopfte mir den Rücken und befreite meine Uniform dort vom Dreck.

„Ich muss mich wieder mit meinem Finder auf den Weg machen.“ Das war der Abschied und sofort nickte ich. Er war nur auf der Durchreise gewesen, durch einen glücklichen Wink des Schicksals in der Nähe und sein gutes Gehör musste ihn anschließend genau hierher geführt haben und an den Ort, an dem man ihn und seine Kraft brauchte. Es war einer der seltenen Momenten, an welchem ich dem Schicksal dankte. Nur ein bisschen.

„Mein Finder hat deine Missionsmappe gefunden.“ Er griff unter seinen Umhang und reichte mir das schwarze Heft. „Vielleicht brauchst du es ja noch.“

„Vielen Dank.“ Ich nahm es an mich, klemmte es unter meinen Arm und verstaute das Innocence in einer reichlich großen Tasche meines Gürtels. „Und...“, fuhr ich etwas leiser fort, „... danke für deine Hilfe.“

„Dazu sind Kameraden da“, erwiderte er schmunzelnd und kurz winkten wir uns, als er sich abwandte.

Ja... um sich gegenseitig zu helfen, um einander zu retten.

Wie konnte Kanda nur soviel anders denken?

Ich wusste es nicht, doch der Weg, der vor mir lag, würde mir genug Möglichkeit geben, darüber zu grübeln.

Nach Asien also... was für eine Strecke.

Und ich machte mich sofort auf den Weg.

Mir stand nicht der Sinn danach, Worte mit einem Finder zu wechseln. Ebenso wenig wollte ich Kanda und seinen scharfen Vorwürfen begegnen. Es war schon gut, sich hier und jetzt zu trennen. Vielleicht übernahm ich mich etwas mit dieser Mission... ich tat nur wenige Schritte, zurück in das weiße Nichts, das die Stadt umgab und zurück zu jener Haltestelle, von der Kanda und ich gekommen waren. Ein langer Marsch lag vor mir, ein beschwerlicher Marsch, doch ich nahm ihn auf mich, ohne länger über ihn zu grübeln. Da mir Zeit blieb, wie Marie sagte, hatte ich es erst einmal auf die nächste Stadt abgesehen. Dort würde ich pausieren, mich in einem Hotelzimmer richtig ausschlafen und auch das eine oder andere essen. Ohne diese Stärkung würde ich Asien nicht lebendig erreichen.
 

Entgegen der Schwäche und Erschöpfung ging ich dennoch zügig. Ich legte Wert darauf, die Haltestelle zu erreichen, bevor ein weiterer Schneesturm auf den glorreichen Gedanken kam, loszuschlagen und mir jeden Schritt zu erschweren. Ein Vorhaben, das Erfolg hatte, doch ließ ich mich völlig ermattet auf die Bank sinken, als ich mein Ziel erreichte. In den ersten Momenten nicht dazu fähig, den Plan zu studieren.

Wenn ein Zug kam, dann bemerkte ich es schon. Lieber schloss ich für einen Moment die Augen, streckte die müden Beine von mir und mummelte mich in meinem Wintermantel ein. Zumindest fror ich nicht. Ja, zumindest wurde ich ein wenig geschont und meine Pause auf dieser Bank dauerte nicht einmal lange an, bevor ich das Rauschen und Rattern des sich nähernden Zuges vernahm und die Augen öffnete.

Wohin er genau fuhr, das war mir egal. Es würde jedenfalls eine Stadt sein, die wir irgendwann erreichten und wie ich von dort aus Asien erreichte, das war das Problem des nächsten Tages. Richtig. Heute interessierten mich all diese Dinge nicht mehr. In einer warmen und windstillen Kabine gönnte ich mir schon die eine oder andere Stunde Schlaf und stieg etwas wackelig aus, als der Zug nach zwei Stunden den großen Bahnhof einer Stadt erreichte. Ich wusste nicht, wie sie hieß. Es war mir so egal gewesen, in welche Richtung der Zug fuhr, ich hatte nur noch Augen für eine Unterkunft und fand diese auch rasch in der Nähe des Bahnhofes. Es war ein kleines, unauffälliges Hotel.

Es schien nicht viel zu bieten aber letztendlich war ich ja nur auf ein halbwegs bequemes Bett aus und aus dem gebrochenen Englisch des Gastwirtes fischte ich schon heraus, dass es dort so etwas gab. Müde wurde die kurze Absprache gehalten und mein Mund verzog sich unter einem ausgiebigen Gähnen, als ich hinauf in die erste Etage stieg, müde nach meiner Zimmernummer suchte und mich in meinem Raum einfach nur auf das Bett fallen ließ. Ich schaffte es gerade mal noch, den Mantel von meinen Schultern zu streifen. Auch die Stiefel zog ich mir umständlich von den Füßen und ich fiel so schnell in den Schlaf, als hätte ich eine gesamte Woche nicht mehr mit ihm zugebracht.

Ein tiefer, schwarzer und warmer Schlaf und als ich am späten Nachmittag des nächsten Tages die Augen öffnete, fühlte ich mich um einiges wohler. Mein Körper hatte eine gewisse Kraft zurückbekommen, ebenso mein Kopf war recht klar und unbelastet. Es war wohl eine der wenigen Zeiten, zu denen mir der Schlaf gute Dienste leistete und anschließend ließ ich mir mit allem Zeit. Ich stieg in die Badewanne der Herberge, wärmte mich auf und während ich ein ausgiebiges Mittagessen aß, hangen meine etwas klamme Uniform sowie der Mantel nahe eines Kamins und wurden getrocknet. Erst dann fühlte ich mich problemlos bereit für die Reise nach Asien. Die Länge des Weges verlor an Ernsthaftigkeit, es verlor alles seinen Schrecken und wie entspannt trat ich in den frühen Abendstunden mit trockenen Kleidern, starken Gliedern und vollem Bauch aus der Herberge und atmete tief durch in der frischen, kalten Luft.

Jetzt konnte Asien kommen.

Eine Karte am Hauptbahnhof war es, an der ich mich orientierte. An der ich mir meine Verbindungen heraussuchte und mich nicht von der Dauer der Strecke abschrecken ließ. Vor morgen Nacht wäre ich nicht an meinem Ziel.

Zwei Tage und eine Nacht...

Ich nahm es auf mich, ohne erneut kopflastig zu werden und erlaubte mir im ersten Zug die Rückkehr meiner Grübeleien. Ich wollte verarbeiten und verstehen, was passiert war. Zwischen Kanda und mir. Ich wollte ihn verstehen und weshalb er so handelte, wie er nun einmal handelte. Beweggründe oder nur Erklärungen für abstruses Verhalten, doch so sehr ich auch diese Gedanken wälzte, ich schien nur in immer kompliziertere Gefilde abzurutschen. Alle Fragen, die ich mir stellte, konnte ich mir letztlich nicht beantworten und es war stets ein- und dieselbe Barriere, die mir dabei in den Weg kam. Die Barriere, Kanda nicht gut genug zu kennen.

Was wusste ich schon von ihm?

Nicht einmal den kleinsten Fetzen seiner Vergangenheit...

Wo kam er her?

Er war lange beim Orden... nicht viel kürzer, als es Linali war. Er und sie waren wohl die ersten meiner Generation der Exorzisten gewesen, doch dieser Fakt war so undeutlich, so unwichtig, wenn man darauf aus war, das Puzzle zusammenzusetzen.

Ich wusste... gar nichts.

Worüber wunderte ich mich also?

Selbstverständlich konnte ich mir sein Verhalten nicht erklären. Es traf mich, als wäre ich ein tauber, blinder und stummer Gegenstand. Ich wich nicht zurück, doch prallte es ebenso an mir ab, ohne dass ich in diesem Schlag zu lesen wusste.

Darüber zu grübeln, war sinnlos, war Zeitverschwendung.

Möglicherweise war es schon so beabsichtigt.

Möglicherweise würde ich niemals mehr über ihn erfahren... würde ich ihn niemals komplett verstehen.

Und ich hätte mich damit abzufinden. Eine andere Eventualität blieb mir nicht.

Schwer zu akzeptieren, wo er mich doch in so hohem Maße interessierte.

Dort und im Zug blieb mir nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass er das Hauptquartier sicher erreichte und dort die nötige Ruhe fand.
 

Und irgendwann erreichte ich Asien... und somit mein Ziel.

Es hatte sich so wenig verändert, seit ich vor wenigen Jahren dort gewesen war. Eine finstere Zeit, eine gefährliche Gradwanderung, an die ich mich nur ungern erinnerte. Und doch war sie es gewesen, die mir die zweite und letzte Chance eingeräumt hatte.

Die Wiederherstellung meines kristallisierten Innocence’... wie lange hatte dieser Kampf gedauert und wie angenehm war diese andere Art meines Besuches. Die Menschen wieder zu treffen, die diese schwere Zeit mit mir verbracht hatten, war angenehm.

„Allen Walker!“ Eifrig schüttelte Bak meine Hand. Schon seit einiger Zeit und leicht reserviert lächelte ich zurück. „Was für eine Freude! Wie groß du geworden bist!“ Mit großen Augen neigte er sich zu mir, hob die andere Hand zu meiner Stirn. „Ein wahrer Riese!“

„Das ist wohl leicht übertrieben“, erwiderte ich verhalten und endlich wurde meine Hand losgelassen. Dafür kassierte ich einen deftigen Schlag gegen die Schulter.

„Ich habe gehört, du hast dich gemacht! Wie es nicht anders zu erwarten war!“ Bak lachte auf, war wieder einmal bei besonders guter Laune und machte den Anschein, nichts anderes zu tun zu haben, als sich mit mir zu befassen. Und dabei standen wir inmitten seines Büros, das wahrscheinlich schon so einige Arbeit für ihn bereithielt. „Hast du Zeit mitgebracht? Erzähl mir doch ein bisschen was!“

„Was zum Beispiel?“ Ich kratzte mich im Schopf und seine Nachdenklichkeit wirkte irgendwie gespielt.

„Zum Beispiel...“, murmelte er, während er sich eifrig das Kinn rieb, „... wie es Linali so geht.“

„Ah.“ Ich runzelte die Stirn.

Wie nostalgisch...

Hier hatte sich wirklich nichts verändert.

„Also ihr...“, ich verzog den Mund, musterte ihn resigniert, „... geht es gut.“

„Ach, das freut mich.“ Bak seufzte auf, lehnte sich an seinen Schreibtisch. „Und den anderen? Kanda zum Beispiel?“

„Kanda?“

Dass er sich nach ihm erkundigte, das wunderte mich. Meinem Wissen nach gab es keine wirklich große Verbindung zwischen den Beiden. Sofort juckte diese Frage in mir, doch ich hatte sie wohl zu unterdrücken. Hier und jetzt war der falsche Zeitpunkt für Neugierde.

„Ähm...“ Ich schlug meinen Mantel zurück, tastete an meinem Gürtel nach dem Innocence, „... ihm geht’s auch bestens.“

Wenn ich ehrlich war, hatte ich keine Lust, zuviel über andere zu erzählen. Ich plauderte nicht. Wenn er direkte Fragen hatte, dann sollte er sie an die betreffenden Personen richten.

„Wunderbar.“ Seufzend rückte Bak an seiner Mütze und als sich plötzlich die Tür zu seinem Büro öffnete, lehnte er sich zur Seite und spähte an mir vorbei. Er machte große Augen und als ich eilige Schritte hinter mir vernahm, wandte ich mich auch um.

„Walker!“ Mit ausgestreckten Armen eilte Mr. Wong auf mich zu. Er machte dieses Wiedersehen zu einer recht dramatischen Sache und kurz darauf fand ich mich in einer eisernen Umarmung wieder. „Es ist mir so eine Freude, Sie wiederzusehen!“ Er drückte mich innig und gerade, als ich keine Luft mehr bekam, ließ er von mir ab und packte mich liebevoll an den Schultern. Er war darauf aus, mich zu mustern und kaum sah er mein Gesicht, da erblichen seine Züge vor Entsetzen. „Was sind Sie so blass?“, ächzte er. „Essen Sie ausreichend?“

Er hatte ja keine Ahnung.

Irritiert nickte ich und da lehnte er sich näher und kniff die Augen zusammen.

„Sie sind ja verletzt!“

„Ach!“ Lachend hob ich die Hand. „Die paar Kratzer...“

„Ihre Lippe...“, keuchte er weiter, „... wie schrecklich! War das ein Akuma?!“

„So in etwa“, murmelte ich zurück und bevor er irgendwie an mir zu rütteln begann, löste ich mich aus dieser Umklammerung. Ich lächelte freundlich, befreite mich von den Händen.

„Wie lange bleibst du?“, erkundigte sich Bak in diesem Moment und mit erhobenen Brauen wandte ich mich um. „Ich meine nur...“, er schirmte seinen Mund mit der Hand ab, neigte sich zu mir, „... Fou würde sich bestimmt freuen, wenn du mal vorbeischaust.“

„Oh, das mache ich sowieso“, konnte ich ihn beruhigen. „Ich würde dann auch noch eine Kleinigkeit essen, bevor ich mich auf den Rückweg mache.“

„So ist es richtig!“, bezeugte Wong sofort und ein Klaps traf meine Schulter. „Essen ist die Grundlage für gute Gesundheit.“

„Ähm... ja.“ Lächelnd nickte ich, bekam das Innocence zu fassen und zog es hervor. „Wo gebe ich es ab?“

„Oh.“ Händereibend trat Bak näher. „Das nehme ich.“

Sofort drückte ich es ihm in die Hand und machte mich daran, mich unauffällig davonzustehlen.

„Also, ich... gehe dann mal.“

„Essen Sie ordentlich!“ Wong streckte mir den Daumen entgegen. „Und wenn ich nachher die Verletzungen in Ihrem Gesicht schnell mit einer antiseptischen Salbe versorgen dürfte...“

„Ich denke, das ist nicht nötig.“ Verhalten lächelnd begann ich zu winken, mich dem Ausgang Schritt für Schritt zu nähern. Wong seufzte gebrochen. Irgendwie schienen ihn diese Worte zu enttäuschen, doch Bak war immer noch bester Laune, als er mir winkte.

„Schau noch mal vorbei, bevor du gehst“, rief er mir nach, als ich schon bei der Tür war. „Ich werde dir noch etwas für Komui mitgeben!“

Ich nickte... tat es noch immer lächelnd und tief durchatmend schob ich mich dann hinaus in den kühlen Flur und schloss die Tür hinter mir.

Geschafft.

Erst einmal die Uniform zurechtgerückt und das Gesicht gerieben. Ich fühlte mich so zerzaust und während ich mich schlendernd in Bewegung setzte. Fuhr ich mir auch durch den Schopf.

Auf Fou freute ich mich.

Ja, auf sie freute ich mich wirklich. Meine Dankbarkeit für das, was sie für mich getan hatte, reichte bis in die Gegenwart hinein.

Ich begann mich zu orientieren, blieb an der nächsten Kreuzung stehen und sah mich um.

Wo ging noch mal lang? Ich lehnte mich nach vorn, versuchte mehr in den beiden Richtungen zu erkennen und entschied mich am Ende doch für den linken Weg. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich das Erdgeschoß aufzusuchen. Und um dorthin zu gelangen, brauchte man erst einmal Treppen. Um sich in einem solchen Hauptquartier zurechtzufinden, benötigte man vermutlich Jahre. Ich folgte dem Gang, ging gemächlich und doch zielstrebig und wirklich, ich fand ein Treppenhaus und stieg die Stufen hinab.

„Allen Walker...?“

Nur zögerlich erhob sich die Stimme hinter mir. Die Stimme eines Mädchens, an das ich mich natürlich erinnerte und als ich mich umwandte, stand sie wirklich dort.

Lou Fa...

Sie musste gerade aus dem Gang geeilt sein, den ich hinter mir ließ. Und mit ihr... wie hießen sie noch... Shifu und Rikei?

„Hallo.“ Lässig hob ich die Hand und unter einem lauten Keuchen klammerte sich Lou Fa um ihre Mappe. Während sie sich seltsam zu verhalten begann, wurde mir von den beiden jungen Wissenschaftlern zurückgewinkt.

„Wie geht es Ihnen?“

„Es ist also wahr!“ Mit zusammengepressten Lippen starrte Lou Fa zu Boden. Ihr Gesicht hatte eine seltsame Farbe bekommen. Bekam sie genug Luft? „Sie sind wirklich da!“ Sie zog den Kopf zwischen die Schultern, schüttelte ihn. „Ich wollte es nicht glauben!“

„Doch, ich... bin wirklich da.“ Entspannt kehrte ich zu ihnen zurück und wurde währenddessen mit großen Augen angestarrt. „Und es geht mir gut.“ Lächelnd wandte ich mich an Shifu. „Und euch?“

„Alles bestens.“

„Jetzt reiß dich zusammen!“ Rikei ließ Lou Fa seinen Ellbogen spüren und mit einem Mal fuhr sie in die Höhe und reichte mir die Hand.

„Freut mich, Sie wiederzusehen!“ Fast hysterisch erhob sich ihre Stimme und irritiert schüttelte ich ihre Hand.

Stimmt ja. So war sie schon damals gewesen.

„Alles in Ordnung?“

„Ach... danke für Ihre Sorge! Wirklich... vielen Dank!“ Mit glänzenden Augen erwiderte sie meinen skeptischen Blick. „Mir geht es... einfach wunderbar!“

„Das freut mich. Ach.“ Ich wies mit einer knappen Kopfbewegung zur Treppe. „Wie praktisch, dass ich euch treffe. Ich denke, ich war gerade dabei, mich zu verlaufen.“

„Wo wollen Sie denn hin?“, erkundigte sich Shifu.

„Zu Fou.“

„Ah!“ Shifus Gesicht erhellte sich, neben ihm lachte Rikei und Lou Fa starrte mich immer noch an. „Natürlich. Da sind Sie ganz falsch.“

„Oh.“ Resigniert juckte ich mir den Mundwinkel und folgte einem Wink, der zur anderen Treppe wies. „Sie nutzen diese Treppe, gehen bis ins Erdgeschoss und dort...“

„Wir...!“ Plötzlich erwachte Lou Fa wieder zum Leben. Sie schnappte nach Luft. „Wir... könnten Sie auch dorthin begleiten!“

„Lou fa!“ Wieder bekam sie einen Ellbogen ab, während ich nur den Kopf schief legte. „Wir sind gerade im Auftrag unterwegs, hast du das schon vergessen?“

„Der kleine Umweg?“ Fast schon bettelnd wandte sich das Mädchen an ihre beiden Begleiter. „Der winzig kleine Umweg...?“

„Ich finde es auch, wenn ihr es mir erklärt“, warf ich ein, bevor sie sich noch in die Haare bekamen und während Shifu und Rikei nur zustimmend nickten, sackte Lou Fa irgendwie in sich zusammen. Seufzend und gebrochen und beirrt starrte ich sie an.

„Okay, also passen Sie auf.“ Wieder wandte sich Shifu der Erklärung zu. „Wie gesagt, Sie gehen bis ins Erdgeschoss und dann in den kleinen Durchgang, der gleich auf der rechten Seite ist.“

„So kurz?“, staunte ich und zustimmend wurde genickt.

„So kurz.“

„Vielen Dank.“

„Ach, nicht nötig.“ Lachend winkten die beiden jungen Männer ab. Lou Fa schien zwischen ihnen kleiner und kleiner zu werden. Erst, als ich mich kurz darauf dem Abschied näherte, erwachte sie wieder zum Leben und fuhr in die Höhe.

„Besuchen Sie uns noch einmal?“, wollte sie aufgeregt wissen aber Fragen solcher Art konnte ich nicht behaupten. Wenn es darum ging... eigentlich hoffte ich nicht, diesen Weg in absehbarer Zeit noch einmal auf mich nehmen zu müssen. So oder so konnte ich nichts versprechen und da verfing sie sich schon wieder in dieses tiefe, dumpfe Seufzen.

„Na na.“ Feixend tätschelten Shifu und Rikei ihre Schulter. „Ich glaube, wir müssen dann mal weiter.“

„Och nö...“

„Ich wollte euch nicht aufhalten.“

„Haben Sie nicht.“

„Na dann.“ Ich winkte ihnen und Lou Fa sah gar nicht begeistert aus, als die beiden jungen Wissenschaftler sie mit sich zogen.

„Jetzt aber schnell“, hörte ich Rikei noch flüstern, bevor die drei in einem nahen Gang verschwanden. „Wir müssen die Daten noch auswerten.“

„Machen Sie es gut!“ Laut erhob sich Lou Fa’s Stimme. „Auf Wiedersehen! Passen Sie auf sich auf und...“

„Das macht er schon“, unterbrach Shifu sie tröstend. „Vergiss nicht, wie stark er ist!“

Wie nett...

Verschämt lächelnd blieb ich stehen, bis ihre Schritte von dem Dröhnen einer nahen Tür verschlungen wurden.

Ach, wie schön.

Seufzend wandte ich mich dem beschriebenen Weg zu. Hatte ich die drei also auch noch getroffen. Jetzt fehlte nur noch eine. Ich ging zügig, hielt mich strikt an die Beschreibung und fand im Erdgeschoss wirklich etwas, das wie ein großer Durchgang aussah. Ich schien richtig zu sein und bequem trat ich durch das Gewölbe und erreichte diese große Halle. Die Säulen zu meinen Seiten... und vor mir dieses riesige Tor. All das erweckte Erinnerungen. Ich sah mich um, während ich mich dem Tor näherte.

Wie viel Zeit hatte ich mit Fou verbracht... wie viel hatte sie für mich getan?

Ich versenkte die Hände in den Hosentaschen, hob und senkte die Schultern unter einem tiefen Durchatmen und blieb vor den wenigen Stufen stehen.

Dieses Tor... hier war sie doch, oder?

„Was für ein seltener Besuch!“ Plötzlich erhob sich die resolute Stimme in der Halle und unaufhaltsam breitete sich dieses Lächeln auf meinen Lippen aus.

Das war sie, wie sie leibte und lebte.

„Ich wollte nicht gehen, bevor ich hier war“, erwiderte ich ruhig und ein leises Schnauben zeugte von einer gewissen Wut.

„Das ist ja auch das Mindeste!“ Mit einem Mal erstrahlte die Oberfläche des Tores in gleißendem Licht. „Wo du ohnehin nie etwas von dir hören lässt, Allen Walker!“

„Tut mir Leid.“ Ich trat einen Schritt zurück und lauschte in die rasch zurückgekehrte Stille hinein.

Zeigte sie sich mir?

Ich blickte diesem gleißenden Licht entgegen, wartete auf ihre Materialisierung, doch mit einem Mal zuckte dieser Schatten hervor und stieß mir entgegen, dass meine Augen ihm kaum zu folgen vermochten. So blitzschnell... und trotzdem war es mir ein Leichtes, den kraftvollen Schlag mit der Linken zu parieren. Ich rutschte zurück. Nur um ein Stück, doch ich hielt dagegen und sah das grinsende Gesicht Fou’s vor mir. Sie hielt gegen meinen Arm und wie gaben uns einem kurzen Kräftemessen hin, bevor sie von mir abließ und mit einem Sprung zurücksetzte. Galant kam sie auf.

„Wo ist der mickrige Allen Walker, den ich kenne?“

Diese resolute Stimme...

Dieser kraftvolle Charakter...

Grinsend ließ ich den Arm sinken.

„Grüß dich, Fou.“
 

Niemand schrieb mir Eile vor und so ließ ich mir meine Zeit im Asian Brunch. Es begann mit dem Austausch von kleinen Sticheleien zwischen Fou und mir, es gipfelte in einem freundschaftlichen Gespräch und es musste wohl eine Stunde dauernd, bevor ich die untere Halle verließ und mich bei Bak blicken ließ. Er hatte noch etwas für mich. Es war ein Brief, den er mir reichte und mit diesem im Gepäck und den alten Kräften trat ich ohne zu Zögern den Heimweg an. Die Reise würde lange dauern. Mich erwartete so einiges und so wollte ich es nicht länger vor mir herschieben und verließ das in einem Berg verborgene Hauptquartier Asiens. Essen würde ich im Zug, auch das Ausruhen verschob ich auf diesen Zeitpunkt, denn er würde ein Langer sein. Was vor mir lag, war mehr als eine Tagesreise und so mummelte ich mich wieder in meinen Mantel und machte mich auf den Weg zum Bahnhof.

Letztendlich hatte dieser kurze Abstecher gut getan.

Er hatte mich zum Lächeln getrieben, zum grinsen und spaßen. Vermutlich genau das, was ich nach der Mission mit Kanda nötig hatte. Eine gewisse Ablenkung, die ich zu schätzen wusste.
 

~*tbc*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2011-03-06T07:42:09+00:00 06.03.2011 08:42
Also ich kann beide verstehen. ö_ö
Von: abgemeldet
2010-10-14T18:49:10+00:00 14.10.2010 20:49
Uijuijui da hats jetzt aber geknallt!!
das hat Allen echt gar nicht verdient das Yuu ihm so kommt! >:(
Von: abgemeldet
2010-10-10T12:05:09+00:00 10.10.2010 14:05
Der Streit zwischen allen und yuu war echt übel. Sowas hab ich echt nich erwartet das Kanda SO sauer ist aber verstehen tu ich es schon ein bissl. Ich freu mich aber auch das das asian brunch erwähnt wird. XD


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