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Reqium of Darkness & Quiet Symphony

Walker x Kanda
von

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Bedrohliche Aufmerksamkeit

Nur wenige Minuten später war ich dann auf dem Weg. Auf dem Unterarm ein Tablett und dauernd den würzigen Geruch der Nudeln in der Nase, schlenderte ich durch die Gänge und hatte dabei auch auf den Becher zu achten. In ihm war nur Wasser aber unter meinem anderen Arm klemmte noch ein Fläschchen Tee.

Ich wusste, dass dieser Moment ein einzigartiger war. Noch einmal vorkommen würde er wohl kaum und trotzdem durfte ich mir nicht zuviel Zeit lassen. Auch wenn die Nudeln abgedeckt waren, sie würden schnell abkühlen und so trat ich auch zielstrebig in das Treppenhaus.

Der Gang zu jener Tür… schon er war ungewohnt. Ich hätte mir niemals vorstellen können, Kanda Essen zu bringen. Es lag nicht in meinem Aufgabenbereich, unter anderen Umständen wäre ich selbst nie darauf gekommen, doch ich denke, ich hätte mich auch dazu bereit erklärt, wenn zwischen Kanda und mir alles so geblieben wäre, wie es von Beginn an war.

Ich war einfach freundlich… wäre diesen Weg auch mit weitaus weniger Begeisterung gegangen.

So erreichte ich mein Ziel. Kurz rückte ich das Tablett auf meinem Unterarm zurecht, sicherte den Halt, raffte auch die Flasche höher und hob die Hand zur Tür.

Ohne zu zögern… und klopfte an.

Ich tat es laut und mehrmals, bevor ich den Arm sinken ließ, das Tablett entspannter hielt und die Wangen aufblähte. Flüchtig spähte ich nach links, spähte nach rechts und bald zurück zur Tür.

Ich war geduldig und wartete ein paar Sekunden, bevor ich konzentriert lauschte.

Es tat sich gar nichts.

Was für ein gesunder Tiefschlaf.

Bequem wendete ich das Tablett auf den linken Arm, umfasste die Flasche neu und klopfte erneut. Diesmal noch lauter und mehrfach. Sehr energisch, nur um sicherzugehen.

Wenn er das nicht gehört hatte, dann war er tot. Und wenn es zu ihm gedrungen war, dann war er sauer. Aber dazu hatte er keinen Grund. Ich tat hier nichts Schlimmes. Nichts, an dem er sich hochziehen könnte aber um ein finsteres Gesicht würde ich wohl nicht herumkommen.

Egal… das war ich immerhin noch nie.

Und wieder wartete ich, schürzte geduldig die Lippen, blieb einfach dort stehen und lauschte.

Gut, die Türen waren so dick… hören würde man so oder so nichts aber nach wenigen weiteren Sekunden kratzte wirklich die Türklinke. Sofort lenkten sich meine Augen auf sie, verfolgten, wie sie sich in Bewegung setzte und dann wurde mir geöffnet.

Nur langsam und schleppend und genauso erschien dann auch Kanda vor mir.

Dass er gerade noch geschlafen hatte, war deutlich zu erkennen. Nicht zuletzt an dem wirren, offenen Haar, das einen Teil seines Gesichtes verdeckte und träge zurückgestrichen wurde, bevor er sich gegen die Tür lehnte.

Er hatte mich wohl nicht erwartet… ich hätte es auch nicht und anstatt auf das Tablett aufmerksam zu werden, gab er sich lieber damit zufrieden, mich mit müden Augen anzustarren und seine mangelnde Begeisterung über diese Störung deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Seine Miene verzog sich skeptisch, bevor sein Kopf gegen die Tür sank und er mit finsterer Miene dort lehnte.

Und ich hob die Brauen, presste die Lippen aufeinander und wies mit einem Nicken auf mein Mitbringsel. Jetzt bemerkte er es auch. Die dunklen Augen senkten sich zum Tablett und träge suchte seine Hand nach seinem Bauch. Er trug das Shirt, das ich heute schon einmal an ihm gesehen hatte. Es war genauso zerknittert wie zuvor und ausgiebig kratzte er sich, während er auf den Deckel der Schale starrte, als wolle er sie mit den Augen durchdringen.

„Mit besten Grüßen von Jerry.“

Es war ein angenehmer Moment… nicht zuletzt weil seine Müdigkeit ihm jedes beleidigende Wort verbot. Trotz meiner aufopferungsvollen Art wäre er bestimmt dazu imstande gewesen aber jetzt brummte er nur und begann sich von der Tür zu lösen, als ich das Tablett hob und ihm reichte.

Unter einem leisen Quietschen öffnete sich die Tür weiter. Er trat etwas zu mir in den Gang und kaum spürte ich, wie das Gewicht des Tabletts von meinem Arm gehoben wurde, da wurden meine Augen von dem kleinen Spalt angelockt. Dort, direkt neben ihm… und geradlinig erblickte ich sein Zimmer. In der Abenddämmerung lag es sehr deutlich vor mir, noch recht hell und es waren nur wenige Augenblicke. Meine Neugierde durfte nicht auffällig sein und beiläufig reichte ich ihm auch die Flasche.

Es war ein Schrank, den ich sah. Ein interessantes, verschiedenfarbiges, wenn auch leicht kaputtes Fenster.

Ein Tisch…

Es waren nur knapp zwei Sekunden, die mir blieben, um auch eine Lotusblüte zu erkennen. Dort, hinter dem sauberen Glas einer großen, kunstvollen Sanduhr und kaum hatte sie mein Interesse geweckt, da trat Kanda auch schon zurück. Das Tablett einfach auf die Hüfte gestemmt und mit der Hand fixiert, zog er die Tür mit der Schulter herum. Sie neigte sich in mein Blickfeld und gerade gelang es mir noch, zu winken, bevor er einfach und wortlos hinter der Tür verschwand und diese in ihr Schloss zurückgedrängt wurde.

Das leise Kratzen, bevor jedes weitere Geräusch in dem Raum verschluckt wurde und ich wieder alleine dort stand.

Ja, hatte ich das auch erledigt.

Tief atmete ich ein, ließ mich von dem Geräusch der Flügelschläge locken und spähte zur Seite. Tim schien es eilig zu haben. Er bewegte sich schon vor meiner Tür und ein letztes Mal blickte ich zu der, vor der ich stand, bevor ich mich abwandte. Langsam rieb ich die Hände aneinander, seufzte lautlos und schlenderte los.

Das war doch recht gut gelaufen.

Kein bissiges Wort, nur ein kurzer, finstere Blick, mit dem ich gerechnet hatte.

Der Blick, den ich in sein Zimmer werfen konnte… diese einmalige Gelegenheit, entschädigte mich auf jede noch so erdenkliche Art und Weise und ich ertappte mich bei leisen Grübeleien, als ich in mein eigenes Zimmer trat und gedankenverloren aus den Schuhen schlüpfte.

Diese Blüte…

Kandas Raum hatte etwas karg gewirkt… etwas leer… und umso seltsamer war die Anwesenheit dieses Lotus’. Ich konnte es mir nicht erklären und machte mich erst gar nicht auf die Suche nach genau diesen Erklärungen. Nur eines fiel mir auf. Nur ein Gedanke, der gut genug war, ihn weiterhin zu verfolgen.

Ich ließ mich auf die Matratze sinken, zupfte an meiner Hose und beschloss, sie einfach anzulassen.

Dieser Raum passte zu Kanda, wirkte genauso wie sein offizieller Charakter.

Nüchtern, geradlinig, ordentlich…

Nur diese farbenfrohe Blüte versteckte sich wie eine verborgene Facette seiner Persönlichkeit. Ein außergewöhnlich schöner Punkt inmitten dieser rationalen Umgebung.

Interessant…

Wirklich interessant.

Kopfschüttelnd schob ich mich zurück, tastete nach meiner Decke und streifte sie über mich. Es bereitete mir wenige Schwierigkeiten, mich hinzulegen. Etwaige Befürchtungen hielten sich fern von mir, während ich mich einfach dem Schlaf hingab und die Augen schloss. Vergangene Nächte hatten mir gut getan. Waren sie auch kurz gewesen… jedoch genauso ruhig und still.

Das nicht zu unterschätzende Gewicht Timcanpy’s verlagerte sich kurz darauf auf meinen Bauch. Allmählich war er etwas zu schwer dafür und so drehte ich mich einfach auf die Seite und ließ ihn hinabrutschen.

Unter einem tiefen Atemzug suchte ich mir die richtige Bequemlichkeit im Kissen, fand sie sofort und verharrte still.

Dieser Tag… der, der hinter mir lag, hatte schlecht begonnen und gut geendet. Es gab sie noch, die Wendungen, auf die ich nicht mehr zu hoffen wagte. Hin und wieder kamen sie wirklich und ich fühlte mich frei für den nächsten Tag. Voller Erwartungen und Entspannung.

Die Beine entspannt von mir gestreckt, schob ich die Hand unter den Nacken, ließ die Andere zur Seite sinken und spürte die Kälte des Gesteins neben mir. Mein Bauch hob und senkte sich unter einem behaglichen tiefen Durchatmen und abwesend begann meine Zunge die Zähne zu bearbeiten.

Um mich herum herrschte Stille… und wie genoss ich diese völlige Lautlosigkeit.

Keine Geräusche, die meine Sinne beanspruchten…

Kein permanentes Gerede, das mich dazu zwang, ebenso die Stimme zu erheben.

Schwer neigte sich die Müdigkeit mit einem Mal über mich und ich ergab mich einem tiefen Gähnen, bevor ich die Decke höher streifte und die Augen nach einem letzten Blinzeln schloss.

Ein letztes Mal bewegte ich mich, zog nahe die Arme an den Leib und verharrte reglos.

Es wurde dunkel.

Schwer wallte die Finsternis um mich herum und so wie sie, war auch die Stille ein angenehmer Gefährte. Dumpf offenbarte sie sich in ihrem stickigen Gewicht.

Schwerer, als jede Last, undurchsichtiger als der düsterste Schacht.

Trübe betrachteten sich meine Augen die tiefen Schatten, während sich meine Ohren in völliger Geräuschlosigkeit entspannten.

Es war schön hier… in meiner heilen Welt.

Hier gab es nichts und weiter blickte ich um mich, spürte die Wärme zu meinen Füßen.

Ich schien sie in jeder Faser meines Körpers zu spüren. Sie durchflutete mich.

Keine Zeit… hier war es immer dunkel und still… und abgeschieden.

Kein Geruch… keine Kälte, keine Einflüsse, die Existenz bewiesen. Die Wirklichkeit lag woanders und abermals schöpfte ich tiefen Atem.

Trunken bewegte ich mich in meiner Welt, einem nicht existierenden Pfad folgend, ohne Ziel und Sinn. Kein Weg zu meinen Füßen, kein Himmel über mir, auch kein weit entfernter Horizont, dem ich entgegenstrebte.

Es war ein und dasselbe.

Genau so, wie in meinem wahren Leben, in welchem ich einen Schritt nach dem anderen tat.

Niemals stehenbleiben…

Taub und blind setzte ich so einen Fuß vor den anderen und entfernte mich von meinem Ausgangspunkt. Keinen anderen schien es hier zu geben und doch unzählige von ihnen, die weiterführten und viel versprachen. Mit jedem Schritt, mit jeder Bewegung näherte ich mich anderen Gefilden. Bislang noch dunkel und rätselhaft, stellten sie alles dar, wonach ich mich verzehrte.

Etwas Anderes, etwas Zukünftiges, das die Vergangenheit verbannte und fern hielt, offen blieb für das Neue, für das Gute.

Irgendwo… in dieser Finsternis.

Irgendwo.

Doch ich war alleine hier.

Ohne Druck, ohne Hast, ohne zu flüchten.

Und es ging weiter… das tat es immer.

Irgendwie.

Allein mit meinen Gedanken teilte ich meinen Weg.

Die Welt, die in mir lebte, mit all ihren Erschütterungen… mit all ihren Schäden.

‚Hier gibt es nichts’, sagte ich mir still.

Nichts, das schmerzte.

Nichts, das bekämpft werden musste.

Und es war viel Zeit vergangen, seit ich mir dessen zuletzt bewusst gewesen war. Hier in meinen Mauern, in die kein Feind dringen konnte.

Langsam hob ich die Arme.

Weit streckte ich sie von mir, durchstreifte mit den Händen das Nichts, tat weitere Schritte, schloss die Augen.

Wie leicht fühlte ich mich in diesen Augenblicken.

Still lebten diese Gedanken in mir auf, warm umfing mich der Schleier der Trugbilder und meine Arme senkten sich, während ich den Fuß noch immer vor den Anderen setzte.

Ich hob die Lider, schien geradewegs mit der Finsternis zu verschmelzen, als meine Pupillen zur Seite drifteten und kein Ziel fanden.

Doch etwas anderes… und meine Schritte verlangsamten sich, bis ich zum Stehen kam.

Geradewegs aus dem Nichts erreichte mich eine Brise. Ein kühler Luftzug, unter dem ich langsam blinzelte. Völlig entspannt bewegte sich mein Körper, völlig ruhig begann ich mich auch zu drehen, in jede Richtung zu blicken.

Woher kam er…?

Wie hatte er mich gefunden…?

Dunkel und unbelebt umgab mich dieses Nichts. In ihm konnte nichts auferstehen, nichts leben…

Und doch erreichte er mich wieder.

Wie der Hauch eines nahen Sommers. Kühl, wie der letzte Bote des Winters und doch duftend, wie die Blumen, die sich durch die dünne, zurückbleibende Eisschicht kämpften. Mein Schopf wiegte sich in dieser Brise. Kitzelnd streiften die Strähnen meine Stirn und wieder blinzelte ich.

Mein Atem… wie ruhig er fiel.

Kaum hörbar, ebenso schwer wahrzunehmen.

Aber er war da.

Ich lebte… und leise knirschte es unter meinen Füßen, als ich mich umdrehte. Der Luftströmung folgend, die sich diesmal gegen meinen Rücken gedrängt hatte. Nur kurz blickte ich in das Horizontlose Bild, tief nahm meine Brust den Atem in sich auf.

Ohne Schmerzen…

Hier ging es meinen Rippen gut und kaum achtete ich auf das weitere Knirschen unter meinen Füßen.

Ich spürte Unebenheiten unter meinen nackten Fußsohlen.

Bislang war der Boden eben gewesen, ohne jeden Makel. So glatt und angenehm. Nicht so, wie dieses Mal, doch ich dachte nicht daran, den Blick zu senken. Dachte nicht daran, zu überprüfen, woran es keinen Zweifel gab.

Es war doch so wie immer…

Es war noch nie anders gewesen.

Und doch erfasste mich dieser Windhauch erneut… umspielte mich und summte in meinen Ohren. Kühl erfasste er auch meine Augen, ließ sie mich verengen.

Was war das für ein Ton…?

Konnte sich mein Gehör so täuschen…?

War dort nichts gewesen?

Langsam legte ich den Kopf schief, setzte mich in Bewegung, folgte einfach dem Summen des Windes in eine mir unbekannte Richtung.

Das leise Knirschen begleitete jeden meiner bedächtigen Schritte. Bewusst bewegte ich die Hände, regte sie in dem Zug, der sich zu einem permanenten, leichten Wind zu entwickeln schien.

Seltsam…

Wie kalt er war.

Wie er mich frösteln ließ.

Hier in meiner Welt hatte ich mich nie an etwas gestört. Einfach weil es nichts gab, woran ich mich stören könnte.

Es war noch nie so gewesen, doch umso aufmerksamer erforschten meine Augen das Nichts. Etwas schien aus ihm geradewegs zu mir zu dringen, mich zu erreichen und nur beiläufig drang in meine verschwommene Wahrnehmung, wie sich das Knirschen unter meinen Füßen verstärkte.

Es klang so hohl… so trocken… und leicht sank mein Fuß bei dem nächsten Schritt in den Untergrund. Der Boden schien nachzugeben, doch gegensätzlich ging ich nur schneller.

So zielstrebig diesem nicht vorhandenen Punkt entgegen, als befände ich mich auf einer Verfolgung. Etwas zu sehen, das sich nicht greifen ließ.

Etwas, das nicht vorhanden war… nicht vorhanden sein konnte.

Ich schrieb die Gesetze dieser Welt.

Sie gehörte mir.

Sie wurde durch meinen Willen geformt und umso bedrohlicher war der Wind, der mir mit jedem Schritt mächtiger entgegen stieß, mich fernzuhalten schien… mich fernhalten wollte.

Von etwas, wonach sich meine Augen nur umso mehr sehnten.

Was geschah hier…?

Meine Schritte wurden schneller, knirschend sanken meine Füße ein und bewusst spürte ich, wie sich mein Atem vertiefte. Gieriger nahm ich die Luft in mir auf, gieriger labte ich mich an ihr, während ich stets blinzelte, den Kopf wendete… bald die rechte Hand hob und sie der Finsternis entgegenstreckte.

Etwas stimmte nicht…

Etwas konnte nicht stimmen.

Mit der Kälte, die ich mit jedem Augenblick deutlicher spürte.

Mit dem Weg, an dem man mich zu hindern versuchte.

Lautlos öffnete ich den Mund, blickte nach oben, blickte nach beiden Seiten und verlangsamte meine Schritte nur kurz, bevor ich umso zügiger weiterging.

Orientierungslos und blind in eine andere Richtung.

Etwas rief mich… etwas lechzte nach meiner Aufmerksamkeit. Genauso, wie sich etwas in meinen Rücken drängte, mich nur stärker und stärker dem Widerstand entgegenführte.

Keine Befürchtung begleitete mich, kein Gedanke… es schien der pure Instinkt, der mich lenkte.

Der pure, rationale Wille.

Und abrupt hielt ich inne in den eiligen Schritten, als mein Fuß noch tiefer sank und spitze Kanten einen seltsamen Schmerz in ihm hervor riefen.

Was peinigte mich…?

Hier hatte es so etwas nie gegeben und ein letztes Mal schöpfte ich tiefen Atem, bevor ich den Blick senkte, ihn geradewegs auf meine Füße richtete und auf den Boden, der es ihnen schwer machte.

Eilig blinzelte ich, bewegte die Zehen zwischen spitzen Widerständen, die meine Augen noch nicht erfassen konnten. Es war so dunkel zu meinen Füßen, so undurchsichtig und eine leichte Bewegung genügte, um es erneut knirschen und knacken zu lassen.

Ein Zucken durchfuhr meine Mimik, aufmerksam hielt ich die Füße still und langsam bewegte sich meine rechte Hand in mein Blickfeld. Sie neigte sich gen Boden… die Finger streckten sich ihm entgegen und langsam begann ich in die Knie zu gehen, mich hinzuhocken, um zu ertasten, was sich vor meinen Augen verbarg.

Stetig umspielte mich noch immer dieser Wind, als ich mich hinabbeugte, den Arm streckte und auf eine bizarre, raue Fläche traf.

Trocken… so hart… und vorsichtig tastete ich mich weiter, spürte Risse im festen Untergrund, eine Wölbung, in der ich die Finger versenkte.

Was war es…?

Meine Augen verengten sich, drifteten zur Seite… doch völlig blind, was den Boden anbelangte.

Wäre es doch heller… und abrupt hielt ich inne.

Ich war doch der Herr über diese Welt.

Sie war so ruhig, wie ich wollte.

So weit, wie ich wollte.

So hell… wie ich wollte!

Und augenblicklich brach gleißend das Licht aus dem Boden, ließ ihn zu allen Seiten grell erstrahlen und blendete meine Augen mit der plötzlichen Intensität. Das Bild vor ihnen war so strahlend, dass sie sich kurz schlossen… dass sich meine Mimik verzog und ich das Kinn auf das Schlüsselbein drängte.

Kein Trug…

Ich herrschte an diesem Ort.

Ich besaß die Kontrolle… die Fähigkeit, alles zu lenken… zu beeinflussen.

Und vorsichtig begann ich zu blinzeln, mich dem Bild zu stellen, welches sich mir nun deutlich bot. Ich öffnete die Augen, tat es zaghaft, doch rasch umso neugieriger…

… und starrte auf meine Finger, die sich in den tiefen Augenhöhlen eines Totenkopfes versenkt hatten.

Ein kahler Schädel… und das fahrige Ringen nach Atem drang an meine Ohren, als ich herumschnellte und mit geweiteten Augen auf das Meer aus Gebeinen und Skelleten starrte, das sich zu meinen Füßen erstreckte!

So weit… so unendlich… reglos ragten die blanken Rippen bis zum finsteren Horizont in die Höhe und erstickt erhob sich mein Schrei in diesem schrecklichen Gefilde, als ich die Hand von jenem Schädel löste… so übereilt, so überstürzt, dass mein Fuß in die Schädeldecke eines weiteren Kopfes einbrach. Knirschend gab der Knochen nach, haltlos sank ich tiefer und raschelnd bewegten sich die Gebeine unter den stolpernden Schritten, unter denen ich zurückwich.

Zurück… und doch nur hinein in weitere Knochen… ächzend und keuchend zur Seite und hohl knackte und brach es zu meinen Füßen.

Mein Herz…

Noch nie war es an diesem Ort so aufgelebt und umso schmerzhafter raste es in meiner Brust, schlug dumpf und laut, sowie auch mein Atem fahrig und geräuschvoll aus mir heraus brach und meine verzerrte Miene von einer Seite zur anderen schnellte. Sie suchte nach sicherem Boden, während ich fassungslos nach Halt suchte… inmitten der Knochen und Schädel.

Abertausende… unzählige…

Kalt stieß der heftige Atem über meine trockenen Lippen, umso eisiger erfasste mich auch jener Wind und unter einem lauten Ächzen schlug ich die Hände auf die Ohren und schloss die Augen.

Es war nicht die Wirklichkeit…!!

Nichts, das ich hier sah, war wirklich!

Ein scheußlicher Trug…!

Ich hatte aufzuwachen… zurückzukehren an meinen einsamen, friedlichen Ort, den ich so oft aufsuchte!!

Doch das Kratzen und Stechen der Knochen, das meinen Füßen begegnete, war so real…

Zu real!

Mit weit aufgerissenem Mund keuchte ich… keuchte so trocken und laut, als wäre ich Meilen um Meilen gerannt.

Mein Herz… es drohte zu zerspringen…!!

Eisig fraß sich die Gänsehaut über meinen Leib… geradewegs unter die Haut und bis in mein tiefstes Inneres. Starr… reglos… mein Körper schien jeder Beweglichkeit beraubt und mit geschlossenen Augen beugte ich mich nach vorn. Zitternd, bis in jede Faser meines Körpers bebend.

Der Tod…!

Es war nicht mein Reich… es war seines, in dem ich mich befand!

Kein Reich, über das ich Macht hatte…!!

Und der Wind verstärkte sich… lauter und lauter dröhnte er in meinen Ohren. Nicht einmal dämpfen taten meine Hände dieses Geräusch. Dieses ohrenbetäubende Pfeifen und Surren und gellend trug er eine Stimme zu mir… geradewegs zu mir und tief in mich hinein.

Ein Schrei… so laut, so stimmlos… und doch so bekannt, dass ich mit einem Mal in die Höhe fuhr. Meine Hände rissen sich von meinen Ohren, atemlos starrte ich in das pechschwarze Nichts, das sich über mir erstreckte.

Dieser Schrei…

Fahrig fuhr ich herum, achtete kaum noch auf das Knirschen und Knacken… ebenso wenig auf die Schmerzen, als sich splitternde Knochen in meinen Füßen versenkten.

Linali…!!

Sie war es gewesen…!!

Sie schrie… schrie meinen Namen!!

Wo war sie?!

Sie war in Gefahr!!

Gehetzt rang ich nach Luft, um ihren Namen zu schreien… sie zu rufen… sie zu finden, doch so erschüttert und intensiv ich auch den Atem hervorpresste… keine Stimme kam über meine Lippen!

Meine Hände… fahrig fanden sie zu meinem Hals, pressten sich auf ihn, rieben und umklammerten.

Meine Stimme…!!

Das Herz schlug mir bis in den Kopf. Unter einem schieren Schmerz spürte ich jeden Schlag hinter meinen Schläfen und fuhr unter dem ohrenbetäubenden Schall einer weiteren Stimme zur anderen Seite herum.

So laut… ein Schrei, gepackt von nackter Angst…!

Lavi…!!

Er war es gewesen…!!

Kanda…!!

Sie alle!!

Und blind setzte ich mich in Bewegung, zog den Fuß aus den Knochen… begann zu rennen, gehetzt und röchelnd einfach drauf los.

Wo waren sie?!

Sie brauchten mich… jeder Schmerz, jeder Knochensplitter, der sich durch meine Haut bohrte, hielt mich nicht auf. Schiere Pein, die mich mit jedem Augenblick begleitete und kopflos rannte ich weiter, versuchte zu rufen und erschauderte eiskalt unter meinen stimmlosen Schreien.

Sie hörten mich nicht!!

Woher sollten sie wissen, dass ich kam?!

Ich war auf dem Weg… auf dem Weg zu ihnen…

Ich musste sie retten!!

Und fortwährend erhob es sich weiterhin.

Ihr Flehen, ihr Klagen, ihre Schmerzenschreie… so hilflos!!

Sie starben… sie starben irgendwo… an einem Ort, an den ich nicht gelangen konnte!

Taub und gehetzt bewegte sich mein Körper… und meine Beine in weiten Sätzen.

Versengend heiß spürte ich den Schweiß auf meinem Gesicht… die feurige Hitze meines Körpers, die sich gegen die eisige Kälte des Windes zur Wehr setzte. Ich glühte, ich fror…

Und mit jedem Satz, den ich tat, schien ich selbst einen grausamen Tod zu sterben!

Ich musste ihnen helfen…!!

Sie retten…!!

Meine Kraft… stechend lebte dieser Gedanke in meinem Kopf auf.

Ich war mächtig!

Ich besaß Macht… mein Arm besaß sie. Mein Arm würde sie retten und sofort ballte ich die linke Hand zur Faust. Mein Wille erfasste das Gefühl des Innocence’… augenblicklich ließ ich es erwachen und der nächste, laute Schrei brach aus mir heraus, als ich den Arm nach vorne stieß.

Ich würde die Finsternis zerreißen!

Ich würde meine Kameraden retten!!

Mit diesem Arm!!

Und vor Entsetzen vereiste der Atem in meiner Lunge, als ich die rosige Haut erblickte, die diesen Arm überzog.

Eine menschliche Hand, die sich völlig machtlos streckte…

Kein Licht…

Keine Macht…

Ich begann zu stolpern, bis ins Tiefste fassungslos und ungebremst sank mein Fuß bei dem nächsten Schritt in den Untergrund ein. Es riss mich hinab, riss mich zu Boden und schmerzhaft traf mein Kopf auf einen festen Widerstand.

Eine Pein, die meinen gesamten Körper durchfuhr und laut schallte mein trockenes Ächzen und Röcheln wider, als ich mich benommen räkelte, mich wand und krümmte.

Ein Moment, der mich taub werden ließ… den eisigen Wind aus meiner Wahrnehmung riss, die Schmerzen meiner Füße erstickte und den ersten Atemzug, den ich imstande war, in mir aufzunehmen, presste ich unter einem lauten Schrei wieder hervor.

Sofort riss ich auch die Augen auf, zitternd fanden meine Hände Halt und abrupt fuhr ich in die Höhe. Meinen geweiteten, zuckenden Augen bot sich ein nur zu bekanntes Fenster, hinter dem die Sonne aufging und laut ächzend fuhr ich herum und starrte auf das Bett, das sich neben mir erhob.

Ich war zu Boden gestürzt… kauerte inmitten meines Zimmers und fühlte mich doch nicht, als wäre ich wirklich hier.

Kalt… ich zitterte… jeder Muskel…

Schmerzhaft… der fieberhafte Atem in meiner Lunge und ein aufkeimender Druck in meinem Hals ließ mich unter einem trockenen Husten in mir zusammensinken. Sofort schnellten meine Hände zu meiner Brust, versenkten sich im schweißnassen Stoff meines Hemdes.

Ich hustete weiter, röchelte, spürte, wie sich mein Hals verengte und währenddessen nur gedämpft das peinigende Pochen meiner Rippen, mit denen ich auf den Boden traf. Alles in mir quälte sich, alles in mir krampfte und dumpf ging die linke Hand auf den Boden nieder.

Halt… ich brauchte Halt und sank einmal hinab, bevor mein Arm die nötige Stärke fand und ich das Gesicht sinken ließ.

Die Augen verkrampft geschlossen, knirschend die Zähne aufeinandergebissen…

Und kitzelnd löste sich eine Schweißperle aus meinem Augenwinkel.

Luft… ich brauchte Luft…!!

Weit öffnete ich den Mund, rang nach ihr, lechzte nach ihr und hörte doch nur mein ersticktes Röcheln. Zuckend schabten meine Finger über den Boden, umso fester verankerte ich meine andere Hand in dem Hemd und trotz all der Pein öffnete ich die Augen für einen kurzen Moment.

Ich musste es sehen…!!

Ich musste mir sicher sein… und wirklich… es war eine pechschwarze Hand, die sich auf den steinernen Boden stemmte… ein verfluchter Arm… ein mächtiger Arm!

War ich zurück…?

Zitternd blickte ich erneut auf… blickte zur einen Seite… zur anderen…

War… es vorbei…?

Meine Lider zuckten, mein gesamtes Gesicht tat es und hektisch zog ich die Nase hoch, presste die Lippen aufeinander. Benommen blinzelte ich, versuchte das durch Feuchtigkeit verschwommene Bild vor meinen Augen zu verdeutlichen. Ich blickte durch einen nassen Vorhang, zwinkerte unter den Strähnen, die im Schweiß meiner Stirn hafteten und das Flattern des aufgeregten Golems drang kaum zu mir, als ich mich stockend und ungeschickt zu regen begann.

Es war die Realität…!

Sie musste es sein…!!

Und stolpernd sowie strauchelnd schleppte ich mich zur Tür, sank gegen sie und sofort tasteten meine zitternden Hände nach der Klinke.

Ich musste sie spüren… deutlicher!

Ich musste mir sicher sein… dass ich zurück war… das all das hinter mir lag!

Die Realität… ich musste sie mir verinnerlichen… mich beruhigen… zu mir kommen!
 

Leise hallte mein Ächzen in den steinernen Gängen wider… lautlos tastete sich meine Hand an der Wand entlang und ungelenk folgten ihr meine Schritte.

Ich konnte mich nicht verstellen… ich dachte nicht einmal daran und bisher umgab mich das Hauptquartier still und leblos. Keine Augen, die sich auf mich richteten… keine Aufmerksamkeit, die mich im falschen Moment traf und verzweifelt quälte ich mich Schritt um Schritt… quälte mich weiter und von Gang zu Gang.

Meine Knie… sie waren so weich.

Mein Gesicht… eiskalt und nass.

Ein Schlag, der mich erahnen ließ, wie es war, dem Tod nahe zu sein.

Ich war benommen… nicht ich selbst und doch das Sinnbild meines bodenlosen, finsteren Abgrundes. Was er mit mir machte… wozu er mich trieb… hier und jetzt wurde es sichtbar und bebend presste ich die Lippen aufeinander und schob mich um eine Ecke.

Dort…

Meine Augen weiteten sich, als sie diese Tür erspähten.

Mein Ziel…

Fahrig streckte ich ihr die Hand entgegen, gab die Stütze der Wand auf und strauchelte dieser Klinke entgegen.

Endlich… ich erreichte sie und fahrig riss ich sie herum, zog die Tür zu mir und schob mich hastig an ihr vorbei.

Die Duschen… meine starren, geröteten Augen suchten nach ihnen, suchten nach dem kleinen Durchgang, der zu ihnen führte…

Und unter einem eisigen Stich in meiner Herzgegend versagte mein Atem. Erstarrt blieb ich dort lehnen, zu keinem Blinzeln imstande.

Den Spiegeln zugewandt, saß er dort… in Schneidersitz auf einem Hocker und das Gesicht zu mir gewandt.

Die dunklen Augen… so aufmerksam, so durchdringend auf mich gerichtet… dass sich das Schicksal spätestens zu diesem Zeitpunkt als erbarmungsloser Tyrann entpuppte.

Kanda…

Und er sah mich an… länger… nur wenige Sekunden länger als er es sonst tat, während Johnny hinter ihm stand und konzentriert eine Schere zwischen den Fingern bewegte. Eine der langen, schwarzen Strähnen lag bereits in seiner anderen Hand und seine Mimik offenbarte so eine angespannte Konzentration, dass mich seine Aufmerksamkeit nur flüchtig streifte.

Beiläufig, kurz… viel zu oberflächlich, um ihn innehalten zu lassen.

Noch immer war ich zu keinem Atemzug imstande und die Bewegung, in der er die Schere zum kurzen Gruß hob, schien wie in Zeitlupe vor meinen geweiteten Augen abzulaufen.

„Guten Morgen.“

Kaum erreichte mich seine heitere Stimme, kaum drang sie in mein Bewusstsein… denn noch immer blieben diese Augen auf mich gerichtet.

Weitere Sekunden… wahrscheinlich nur wenige, bevor sich Kanda dem Spiegel zuwandte.

Schweigend, doch seine Mimik, die gerade noch völlig entspannt schien, verfinsterte sich schnell.

„Wehe, du schneidest zuviel ab“, erhob sich seine Stimme… soviel deutlicher, als es die von Johnny getan hatte und ich nutzte den Moment, in dem sich der Wissenschaftler nervös die Lippen leckte.

Mit verschlossenen Lippen und zurückgehaltenem Atem… stockend löste ich mich aus dem Türrahmen, nur schwer bekam meine zitternde Hand die Klinke zu fassen und beinahe fliehend bewegte ich mich in Johnnys Rücken, bewegte mich an den beiden vorbei und mit letzten Kräften zu jenem Durchgang.

Schwankend, erschöpft… und nur aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Johnny erneut zu mir spähte. Kurz bevor ich in dem Duschraum verschwand und sofort erhob sich ein nur zu bekanntes Brummen.

„Würdest du dich mal auf meine Haare konzentrieren?“

„Keine Sorge, ich mache es schon richtig.“ Sofort wandte sich Johnny genau diesen zu.

„Das will ich für dich hoffen.“
 

~*tbc*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-07-28T13:36:06+00:00 28.07.2010 15:36
Gerät allen da etwa in eine Zwickmühle? xD
Von: abgemeldet
2010-07-04T12:30:49+00:00 04.07.2010 14:30
Und es wird immer interessanter für mich. Es muss sehr anstrengend sein sich die gesamte Zeit so zu verstellen und einfach anders zu zeigen als man wirklich ist aber ich verstehe das Allen viel zu verbergen hat.
Von: abgemeldet
2010-07-03T11:39:48+00:00 03.07.2010 13:39
ich würd sagen allen hat ein großes kleines problem. Du bist gnadenlos. aber hallo! schnell weiterlesen!
Von: abgemeldet
2010-07-02T08:54:29+00:00 02.07.2010 10:54
Die Träume müssen echt hart für ihn sein. TT__TT wann kümmert sich kanda endlich um ihn?


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