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Kristallherz

... *Autor hüllt sich in geheimnisvolles (?) Schweigen* XD
von

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Chapter 8

Für einen Augenblick lag fast schon gespenstische Stille über der gesamten Szene. Der Bogenschütze, die Dämonen und auch Jeanne verharrten bewegungslos. Eine Mischung aus Schrecken, Anspannung und Unschlüssigkeit lag über allen.

Nichts regte sich. Der nächste Herzschlag schon konnte alles umschwingen lassen. Konnte über das Schicksal der Siedlung – nein, der ganzen Welt – entscheiden.

Jeannes gesamter Körper stand unter Strom. Sie war bereit bei der kleinsten Bewegung zu reagieren, doch es kam keine. Ihre Nackenhaare stellten sich auf. Ihr Puls tönte laut in ihren Ohren.

Ich muss zum Kristallherz, schoss es ihr durch den Kopf.

Sie musste das Kristallherz beschützen – und ihren himmlischen Freund finden.

Dann, von einem Augenblick zum nächsten, löste sich die Starre und all die in der Gasse versammelten Wesen fassten ihren Schluss zur selben Zeit und machten sich daran ihn umzusetzen.

Die Masse der Bestien geriet wieder in Bewegung. Einige der Dämonen blieben an Ort und Stelle, um sich der menschlichen Gegner anzunehmen, der Rest wandte sich um, und machte sich auf den Weg zu der aufgebrochenen Tür.

Um hinunterzugelangen in das Labyrinth! Um hinunterzugelangen zum Kristallherz!

Das musste sie um jeden Preis verhindern.

Eine starke magische Druckwelle schlug ihr eine Bresche in den Pulk der Bestien und die junge Frau rannte los. Im selben Moment flog ein weiterer weißgefiederter Pfeil an ihr vorbei und vernichtete einen Dämonen, der versucht hatte, sie aufzuhalten. Während sie sich durch die Bresche warf, setzten sich die Bestien in Bewegung, um den Bogenschützen, der so viele ihrer Kameraden gerichtet hatte, seiner Strafe zuzuführen.

Jeanne wusste, dass der junge Mann keine Chance hatte, doch sie blieb nicht stehen, um ihm beizustehen. Im Gegenteil. Sie beschleunigte ihr Rennen noch weiter, als sie hinter sich einen unterdrückten Schrei hörte, dem ein schreckliches reißendes Geräusch folgte.

Gott möge mir vergeben, aber ich habe noch etwas zu tun, bat sie in Gedanken den Allmächtigen und hoffte, dass er gnädig zur Seele des Schützen war.

So sehr sie sich auch bemühte, die Bestien hatten die Tür schon lange vor ihr erreicht – oder zumindest das, was von der einstigen Tür noch übrig geblieben war.

Dort, wo einst die magisch gestärkte, schwere Tür den Eingang zu den Katakomben blockiert hatte, war nun ein riesiges schwarzes Loch. Von dem Tor war nichts mehr übrig. Nicht einmal geschwärzte Überreste, die auf dem Boden gelegen hätten. Es war einfach weg, verschwunden, als hätte es niemals existiert. Als wäre dort schon immer dieses riesige Loch gewesen, das wie das Maul eines schrecklichen Dämons in die Tiefe führte.

Jeanne schluckte. Dieser Anblick füllte sie mit einem unbestimmten Grauen.

Ihr Körper weigerte sich seine Schritte in den geöffneten Schlund des Dämons zu leiten, hinter dem nur Dunkelheit und Tod auf sie warteten. Doch dort unten, tief in den Katakomben, lag auch das, wofür sie lebte. Das, was die Existenz des gesamten Dorfes sicherte. Das, wessen Schutz sie sich verschrieben – und kläglich versagt – hatte.

Das Kristallherz. Quell der Magie. Herz des Dorfes. Spender der Macht. Leben der Siedlung. Und es war in Gefahr.

Du hast geschworen, es zu beschützen, ermahnte sie sich selbst.

Sie atmete einmal tief durch und versuchte ihr Herz zu beruhigen, dessen schneller Puls in ihren Ohren hämmerte.

Es ist nur ein Eingang, beschwor sie sich selbst, dahinter ist nichts, wovor du dich fürchten musst.

Diese Worte waren eine Lüge. Nichts weiter als eine unzureichende Lüge. Hinter diesem Tor, in dem Labyrinth unter dem Dorf, war alles, wovor sie Angst haben musste. Dort unten lauerte ihr Leben und ihr Tod.

Doch obwohl sie eigentlich wusste, wie unzureichend und fadenscheinig diese Worte waren, ließ sich ihr Körper von ihnen überzeugen. Die Starre fiel von ihm ab, und es gelang der jungen Frau eine Lichtkugel zu beschwören.

Sie ließ sie einige Meter in den Gang hinter dem Dämonenmaul – nein dem Eingang, ermachte sie sich selbst in Gedanken – schweben. Doch das kleine Licht vermochte die fast schon stoffliche Dunkelheit dahinter nur unzureichend erhellen. Es wirkte unglaublich verloren und einsam, schwach in dem Schlund.

Doch das musste reichen.

Mit festen Schritten und entschlossenem Blick folgte Jeanne ihrem magischen Licht. Ihre Seele litt dabei Höllenqualen und in ihren Gedanken blitzte noch mal das Bild der dahingeschlachteten Leiche des alten Mannes, und das Geräusch, welches das Ende des hilfsbereiten Schützen markiert hatte, auf.

Sie schüttelte den Kopf, um sich dieser Gedanken zu entledigen.

Es funktionierte, doch ein schales Grauen blieb im Bewusstsein Jeannes haften.

Als sie über die einstmalige Schwelle zwischen Oberwelt und Katakomben überschritt, war es ihr einen Augenblick lang so, als spüre sie wie die Dunkelheit um sie herum versuchte sie zu ersticken.

Normalerweise hatte sie niemals Angst gehabt, sich in dem Labyrinth unter der Siedlung zu bewegen. Sie war oft durch die Gänge gelaufen, doch diesmal...

Damals waren hier auch keine Dämonen, die versucht haben, mich umzubringen, antwortete sie sich in Gedanken selbst grimmig auf die ungestellte Frage.

Ihre Stiefel waren laut auf dem steinernen, kahlen Boden der Gänge und das Geräusch ihrer Schritte hallte weit durch die Gänge. Anschleichen konnte sie sich so definitiv nicht, aber das hatte sie auch nicht vor. Sie wollte die ungebetenen Gäste in den Katakomben nicht überraschen, sondern ihnen verdammt ihr unheiliges Leben nehmen.

Einen Moment lang war Jeanne selbst erschreckt über die Härte dieses Gedanken, bevor sie sich wieder besinnte, was genau hier ihre Aufgabe war. Sie würde alles tun, was nötig war, um die Quelle der Magie zu beschützen – und wenn das bedeutete, dass sie diese Dämonen dorthin zurückschickte, woher sie gekommen waren, dann würde sie auch das tun.

Blieb immer noch das Problem mit Azrael. Nach wie vor war der Engel nicht auffindbar. – Aber der Seraph konnte sicher auch für sich selbst sorgen... Vermutlich sogar besser als sie selbst.

Eine gemeine und hinterlistige Stimme flüsterte in den Gedanken der Frau, dass sie sich dessen doch gar nicht so sicher sein konnte, vor allem in dem Zustand, in dem sich der Engel die letzten Tage schon befunden hatte. Doch sie schob diesen Gedanken beiseite so gut es ging.

Dafür begann sie zu rennen, so schnell ihre Schritte sie trugen. Die kleine Lichtkugel schwebte ihr tapfer voran, und warf schwaches Licht auf die schmucklosen Gänge, gerade so viel, dass sie ihre Umgebung erkennen konnte. Aber wirklich nötig war es nicht. Sie hätte sich notfalls auch in vollkommener Dunkelheit in den Katakomben zurechtgefunden. Sie kannte die Gänge in und auswendig.

Und so entschloss sie sich, den direkten Weg zum Kristallherz zu nehmen.

Je näher sie dem mächtigen Edelstein war, desto stärker würde ihre Magie sein – und das konnte im Kampf gegen eine Übermacht von Dämonen nun wirklich nicht schaden.

Jedoch kam sie nicht annähernd so schnell in den Gängen voran, wie sie sich das gewünscht hatte. Schon nach wenigen Schritten traf sie auf den ersten kleinen Stoßtrupp der unheiligen Wesen, die dabei waren die Katakomben zu stürmen.

Glücklicherweise waren sie nur zu zweit – und im Moment auch ziemlich beschäftigt. Denn vor ihnen, auf dem kalten Steinboden lagen die sterblichen Überreste eines Magiers. Oder zumindest das, was noch von ihnen übrig war.

Eine Mischung aus blankem Hass und eisigem Grauen schlug über Jeanne zusammen, als sie das Offensichtliche erkannte. Die beiden unheiligen Wesen waren gerade noch dabei gewesen sich einen kleinen Mitternachtsimbiss zu gönnen.

Sie hielt in ihrem Lauf abrupt inne. Eigentlich wusste sie, dass sie weiterlaufen sollte, dass sie keine Zeit mit diesen Wesen verschwenden sollte. Doch diese Mistkerle taten sich gerade an dem Leichnam eines ihrer Kameraden gütig – und für einen schrecklichen Moment meinte sie erneut in dem entstellten Körper ihren himmlischen Freund zu erkennen.

Doch da bemerkten die beiden Unheiligen die junge Frau.

Ihre pupillenlosen Augen wandten sich in ihre Richtung und sie ließen von dem Kadaver ab. Ein grausiges Lächeln entstellte die Gesichter der beiden – augenscheinlich nahmen sie an, es sei soeben der zweite Gang aufgetischt worden.

„Zu früh gefreut“, murmelte Jeanne grimmig.

Sie war selbst erstaunt über sich. Noch vor weniger als einer Stunde hätte der Anblick sie gelähmt und in tiefstes Entsetzen gestürzt. Doch jetzt wurden diese Gefühle innerhalb von Sekunden von einer Welle lodernden Zorns hinweggespült.

Ein kurzer Wink mit ihrer linken Hand entfesselte eine Welle blanker Magie, die alles, was sich in ihren Weg wagte, mit purer Macht vernichtete. Die beiden fanden nicht einmal mehr die Zeit zu schreien, bevor ihre toten Körper – oder zumindest das, was noch von ihnen übrig war – neben dem entstellten Leichnams des Magiers zu Boden sanken.

Einen Herzschlag lang sah die junge Magierin noch zu, wie sich grünes und blaues Blut mit dem schmierigen Rot auf dem kalten Stein vermischte, bevor sie ihren Blick schon fast gewaltsam von diesem Bild losriss und weiter durch die Gänge hastete.

Sie traf noch mehr der Höllenkreaturen, die verloren durch das Labyrinth irrten, und erlöste sie aus ihrer irdischen Existenz. Viele von ihnen bemerkten sie nicht einmal, bevor ihre tödliche Magie sie ereilte. Sie waren zu sehr damit beschäftigt zu fressen. – Und zwar nicht nur die menschlichen Streiter, die sich dem Schutz des Kristallherzens verschrieben hatten, sondern auch ihre eigenen gefallenen Kameraden.

Jedoch stellte Jeanne beunruhigt fest, dass es weit mehr menschliche Leichname waren, die die Gänge blockierten. Nur recht vereinzelt lag der groteske Kadaver eines Dämons zwischen den Gefallenen.

Zu ihrem eigenen Erschrecken bemerkte die junge Frau, wie der Anblick sie immer weniger mitnahm. Schließlich bemerkte sie die Leichen kaum noch. Nur noch der Gedanke, dass sie schnellstmöglich zum Kristallherz musste, bevor die Dämonen es erreichten, verblieb in ihrem Kopf.

Und immer wieder schlich sich auch die Hoffnung dazwischen, sie möge doch Azrael treffen. Der Todesengel, der unter den Dämonen wütete. Der Seraph, der das Dorf rettete. Vernichter der Höllenkreaturen.

Doch sie traf ihn nicht. Die einzigen Flügel, die ihr auf ihrer Hatz begegneten, waren die grotesken, verkrüppelten Schwingen der Dämonen.

Immer näher kam sie dem Kristallherz.

Sie wusste es und spürte es auch. Die sprudelnde Quell der Magie begann nach und nach zu einem ganzen Fluss anzuschwellen.

Souverän nahm sie die richten Abzweigungen, ohne auch nur ein einzelnes Mal ihre Geschwindigkeit zu drosseln, als plötzlich einer ihrer Füße auf dem Boden keinen Halt mehr fand. Der Grund war glitschig von rotem Blut und Jeanne verlor in vollem Lauf das Gleichgewicht. Sie fiel und überschlug sich ein paar Mal, jedoch ohne dabei ernsthafte Verletzungen davonzutragen, bevor etwas Weiches ihrem Sturz unfreiwillig ein Ende bereitete.

Jeanne rappelte sich hoch und wollte einfach weiterlaufen. Doch irgendetwas in ihr zwang sie einen Blick auf ihren unfreiwilligen Helfer zu werfen, auch wenn sie einen Verdacht hatte, was ihr eine halbwegs weiche Landung beschert hatte.

Ihre Ahnung wurde auf grausame Weise bestätigt. In der Tat war es ein Leichnam auf dem sie gelandet war – und der auch der Grund für ihren Sturz gewesen war. Denn das Blut des Toten hatte sich rot über den Boden ausgebreitet und ihn in eine glitschige Rutschbahn verwandelt.

Doch etwas war anders, als bei den anderen Leichen. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie bemerkte, was es war. Es waren tiefe Schnittwunden, die ihn bedeckten. Und irgendjemand hatte ihm anscheinend mit einem Messer Bauch und Brust aufgeschlitzt – aber eben mit einem Messer. Diese Wunden stammten nicht von Zähnen und Krallen, sondern von einer Klinge.

Diese Wunden kamen ihr so seltsam bekannt vor – und erst da brachte Jeanne den Mut auf in das Gesicht des Toten zu blicken. Und mit einem Mal gaben ihre Beine unter ihr nach und sie sank auf die Knie. Tränen stiegen ihr brennend in die Augen und liefen ihr heiß die Wangen hinab.

Sie kannte ihn – und mehr noch. Es war ihr Freund gewesen, einer der besten sogar.

„Antoine...“, schluchzte sie unkontrolliert.

Und mit einem Mal liefen noch einmal ungefragt die Bilder ihres Albtraums vor ihr ab – nur dass sie jetzt nicht mehr sicher war, ob es nicht mehr als nur ein Traum war, der sie in dieser Nacht heimgesucht hatte.

Aber nein. Das KANN einfach nicht sein..., dachte sie verzweifelt, Azrael würde so etwas niemals tun.

Und was wäre wenn doch?, erwiderte erneut die leise hinterlistige Stimme in ihren Gedanken.

Jeanne wischte sich die Tränen aus den Augen und zwang sich noch einmal ihren dahingemetzelten Freund zu betrachten. Die Verletzungen entsprachen exakt jenen, die Antoine auch in ihrem Traum erlitten hatte.

„Das ist unmöglich. Azrael würde so etwas wirklich nicht tun“, flüsterte sie verzweifelt und rappelte sich wieder hoch, „und ich beweise es dir, mein Freund. – Und ich bringe denjenigen, der dir das wirklich angetan hat, zur Strecke.“

Und was wenn es doch Azrael war?

Jeanne schüttelte den Kopf.

Der Seraph würde niemals die Hand gegen Antoine erheben.

Einen letzten traurigen Blick auf ihren gefallenen Freund werfend rannte sie wieder los.

Wenn sie das Kristallherz vor den Bestien erreichte, war sein Tod wenigstens nicht umsonst.



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