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Filth

[Fortsetzung zu "Wie früher..."]
von

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Irgendwann ist er gegangen, ich weiß nichtmal mehr wann genau. Die Schwester kommt wieder mit ihrem gekünsteteln Lächeln und der gespielten Freundlichkeit, führt mich zum Zimmer der Psychologin. Wieder als wäre ich alt und gebrechlig und unfähig mich aus eigener Kraft fortzubewegen. Aber es ist mir ohnehin egal. Yoshiki wird wiederkommen. Für jetzt ist und bleibt er meine einzige Verbindung zu dir, der einzige, der mir etwas über dich sagen kann... Warum hab ich ihn nur nicht nach dir gefragt? War ich wieder zu sehr mit mir selbst beschäftigt um überhaupt daran zu denken? Wahrscheinlich...
 

Die nette Dame in Jeans und Pulli sitzt wie jeden Tag entspannt mit ihrem Klemmbrett und Stift auf ihrem Sessel. Das Tonbandgerät läuft mit leisem Surren, aber mittlerweile habe ich gelernt es zu ignorieren. Wenigstens ein Fortschritt, der sich einstellt, wenn schon alles andere so ergebnislos scheint.
 

„Wie geht es Ihnen?“, fragt sie, wie jedes Mal zu Beginn einer Sitzung. Als ob innerhalb eines Tages hier drinnen so viel passieren könnte. Aber heute ist etwas passiert, Yoshiki ist passiert.

Ich versuche mich zusammen zu reißen, sie will schließlich nur ihren Job machen. Wenigstens ist ihr Lächeln ehrlich... „Yoshiki, ein alter Freund war hier.“
 

Sie wartet, ob ich noch etwas hinzufüge, bevor sie antwortet. „Haben Sie sich über seinen Besuch gefreut?“

Einen Moment muss ich über die Frage nachdenken, nicke dann aber. „Aber ich habe etwas vergessen...“

Als ich wieder schweige, fragt sie geduldig nach. „Was haben Sie vergessen, Die?“
 

„Ihn nach... nach Kyo... zu fragen...“ Deinen Namen jetzt selbst laut auszusprechen ist seltsam. Das letzte Mal, dass ich das getan habe, war vielleicht, als ich dich das letzte Mal damit angesprochen habe? Jetzt, wo ich darüber nachdenke, ist es wohl wirklich so. Für die 'Außenwelt' muss es die letzten Wochen wohl wirklich so ausgesehen habe, als ob ich dich zu vergessen versuchte. Aber das habe ich nicht, werde ich nie, ich liebe dich, du bist mein Leben, Kyo...
 

„Was hätten Sie über Kyo wissen wollen?“, hakt sie beharrlich nach.

Gute Frage eigentlich. „Ich weiß nicht... Wie es ihm geht?“

Sie nickt und schreibt etwas auf ihr Klemmbrett. Vielleicht ist es auch nur Ablenkung. Könnte mir nicht vorstellen was sie bisher aufzuschreiben hätte. „Was würde passieren, wenn Yoshiki-san ihnen daraufhin sagen würde, dass es Kyo gut geht und dass er vielleicht eine Freundin hat?“
 

Ich schüttle sofort den Kopf, so lächerlich ist der Gedanke. „Kyo steht nicht auf Frauen.“

„Und was wäre, wenn er einen Freund hätte?“, stellt sie die Frage um, ein wenig peinlich berührt von meiner Aussage, wie es scheint, obwohl sie das doch eigentlich hätte wissen müssen. Denkt sie vielleicht, dass du überhaupt nicht schwul bist und diese Sache zwischen uns nur ein Ausrutscher war?
 

„Ich weiß nicht...“ Darüber muss ich erstmal nachdenken und wie bereits mehrmals festgestellt am heutigen Tag, gestaltet sich das momentan als überaus schwierig. „Ich könnte nichts dagegen tun. Aber Kyo war noch nie ein Beziehungsmensch.“ Der Gedanke an Zero kommt in diesem Moment wieder hoch und macht mich für einige Augenblicke rasend. Aber so schnell es gekommen ist, verschwindet das Gefühl auch wieder.
 

„Kann es nicht sein, dass Sie sich das nur manchmal glauben machen wollen?“ Sie sieht nachdenklich aus, aber bestimmt ist das nur eine dieser typischen Psychodoktor-Maschen, die sie während ihres Studiums in und auswendig gelernt hat. „Ist es nicht schmerzhaft, wenn Sie daran denken, dass Kyo vielleicht nur Sie nicht lieben konnte? Dass er mit jemand anderem glücklich ist?“
 

Ein humorloses Lachen entkommt mir. „Man merkt, dass Sie Kyo nicht kennen!“ Du könntest mit niemandem glücklich werden, Kyo, du willst es doch nichtmal... aber selbst dafür liebe ich dich... für alles was du bist.

„Wenn Sie Kyo jetzt gegenüber treten könnte, was würden Sie tun, Die?“ Sie ignoriert, was ich gesagt habe und fährt mir ihrer üblichen Taktik fort: mich aus der Reserve locken und mir dadurch mein eigenes Fehlverhalten vor Augen führen. Auf dieser Schiene fährt sie immer mal wieder, dann wechselt sie mal auf die Schiene 'Sicherlich hatten Sie in Ihrer Kindheit ein schreckliche Trauma und jetzt deswegen Komplexe' oder auch 'Sie waren in der Schule immer ein Außenseiter und wurden gedemütigt und wollen das jetzt durch übertriebene Dominanz kompensieren'. Dummerweise liegt sie mit allem falsch, was sie so versucht. Die Dame ist nett und symphatisch aber im Grunde doch irgendwie hohl. Die perfekte Wahl um einen ebenso hohlen Psycho wie mich zu therapieren, nicht war?
 

„Ich werde ihm in nächster Zukunft nicht gegenübertreten. Ich bin unzurechnungsfähig.“, erinnere ich sie etwas gereizt und eigentlich auch überflüssiger Weise. „Eine Gefahr für mich und meine Umwelt.“, zitiere ich wie aus dem Lehrbuch. „Nicht, dass Kyo das nicht auch ist, aber schließlich bin ich der psychophatische Attentäter hier.“
 

„So drastisch würde ich es nun nicht ausdrücken.“, widerspricht sie wenig überzeugend. Eigentlich habe ich die Sache doch perfekt auf den Punkt gebracht, oder?

„Sie möchten nur nicht zugeben, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin, der irgendwann verlassen und vergessen in dieser Anstalt sterben wird.“, spreche ich meine lange gehegte Hypothese aus.
 

Sie schüttelt überzeugt den Kopf. „Wenn Sie so weiter machen wie jetzt, sind Sie noch nichtmal vergessen, bis Sie sterben. Sie sind nur noch Haut und Knochen, Die-kun.“ Sie sagt das völlig sachlich, anscheinend lässt sie diese Tatsache wohl kalt. Dann sind wir ja schonmal zwei. Dieser Nachmittag erschöpft mich. Erst Yoshiki, dann diese nette Dame mir gegenüber, was wird heute wohl noch alles kommen?
 

... ich will nach Hause, Kyo... mit dir kuscheln... mit dir reden... können wir noch einmal von vorne anfangen?... ich verspreche dir, ich werde dir nicht mehr wehtun... nie wieder...
 


 

Am Abend sitze ich wieder in meinem Stuhl. Die Zeitung liegt immernoch da. Unter dem Titel ist ein Bild von uns allen abgedruckt und ich weiß, dass ich diese Zeitung nicht wegwerfen werde, wie all die anderen zuvor. Es ist das einzige Bild, das ich jetzt von dir habe und vielleicht wird es das letzte sein und das einzige, was mich noch an dich erinnern wird. Werde ich wirklich mein restliches Leben hier verbringen?
 

Vielleicht ist es besser so. Hier kann ich mir einbilden, dass das alles nicht passiert ist, dass du mich irgendwo, tief in deinem Herzen, doch liebst und dass die anderen mich immer noch als ihren Freund ansehen. Aber das tun sie sicherlich nicht. Ich möchte eigentlich garnicht wissen, wie es Toshiya gerade geht, was Kaoru schon alles in seiner Wut zerstört hat und ob Shinya gerade an deinem Bett sitzt oder es schon aufgegeben hat, mit dir reden zu wollen. Denn du wirst nichtmal ihm etwas sagen, nicht?
 

Seufzend lasse ich mich zurücksinken und schließe die Augen. Wie schnell sich die Welt doch verändert. Wir waren am Höhepunkt unseres Erfolges angelangt und nun, nur einen Augenblick später, sind wir gefallen. Vielleicht hattest du Recht, Kyo, vielleicht ist Schmerz wirklich alles, was die Liebe einem im Endeffekt bringt. Ich frage mich nur, woher du das zu wissen glaubtest, ohne zuvor auch nur einmal in dem Leben wirklich geliebt zu haben?
 

Ein leises Klopfen an der Tür, dann schwingt sie auf, ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, kommt die Nachtschwester herein, ein Tablett mit zwei Bechern in der Hand. Auch sie hat wieder ein breites Grinsen auf dem Gesicht; so langsam habe ich das Gefühl, dass die das als Bedingung haben, um Leute hier einzustellen. Als ob es mich als unzurechnungsfähiger Geisteskranker interessiert, ob diese Damen mich anlächeln oder nicht.
 

„So, Die-kun, Zeit für Ihre Medizin.“, trällert sie fröhlich und sieht mich auffordernd an.

Mit hochgezogener Augenbraue mustere ich sie. Die Nächte in dieser Anstalt haben sie aufgequollen und blass gemacht, vielleicht war sie in ihrer Jugend mal hübsch, aber diese Zeiten sind lange vorbei. Nicht, dass es mich sonderlich interessiert, selbst wenn es so gewesen wäre. Ich ignoriere sie.
 

Als sie endlich versteht, dass ich mich heute – wie die meisten Abende zuvor auch – nicht als kooperativ erweisen werde, kommt sie näher, stellt das Tablett ab, verschrenkt die Arme vor der Brust. Mein Blick ist auf unser Bild gerichtet, das Tablett steht zum Teil darauf, dein halbes Gesicht ist verdeckt.

„Würden Sie dieses Zeug freundlicherweise woanders abstellen?“, bitte ich sie mit gezwungener Freundlichkeit und muss mich stark bemühen nicht meine Selbstkontrolle zu verlieren.
 

„Wenn Sie ihre Medizin nehmen, sind Sie mich ganz schnell wieder los und 'dieses Zeug' auch.“, teilt die Schwester mit und auch sie hat sich diesen Ton perfekt angewöhnt, mit dem man normalerweise kleine Kinder anspricht. Oder Leute, die man für völlig eingeschrenkt hält. Die Frage ist nur, für was von beidem sie mich hält. Vielleicht eine gesunde Mischung aus beidem.
 

Wütend ziehe ich die Zeitung unter dem Tablett weg, wodurch eben dieses scheppernd auf dem Boden landet. Die Hand fest um das Papier geschlossen, verschrenke ich die Arme auf meinen zur Brust gezogenen Knien und lege den Kopf darauf. Draußen ist es dunkel, das Licht hier drinnen viel zu hell. Zu gerne würde ich jetzt draußen in irgendeine Bar gehen, ein Bier trinken, vielleicht als Ausklang einer gelungenen Bandprobe, mit den anderen, wie wir es so oft machen. Gemacht haben. Bestimmt wird es so schnell nicht wieder dazu kommen.

„Die-kun, ich bitte Sie, seien Sie vernünftig!“ Ihre Stimme ist nicht mehr halb so freundlich, vielmehr gereizt und drohend, während sie sich Unterstützung von den übrigen Pflegern holt.. Mit was will sie mir schon drohen? Es gibt nichts, womit sie mir Angst machen könnte. Ich habe nichts zu verlieren, aber das sollte sie doch wissen. Niemand hier hat etwas zu verlieren, sie alle haben schon alles in ihrem Leben verloren. Auch ich habe alles verloren: dich, meine Freunde, die Band. Was bleibt ist eine leere Hülle.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  KyOs_DiE
2008-06-28T18:46:59+00:00 28.06.2008 20:46
Die tut mir Leid >< Aber was er getan hat is seine Schuld gewesen, wäre er nicht so abgedreht würde er jetzt auch nich in der Anstalt hocken und sie alle wären bestimmt zumindest noch Freunde...^^~
Von: abgemeldet
2007-12-07T19:54:04+00:00 07.12.2007 20:54
ich freu mich schon auf weitere kapitel :D
Von:  -aftermath-
2007-12-03T15:49:23+00:00 03.12.2007 16:49
q___q
dai tut mir immer mehr leid ><


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