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Fesseln der Liebe (?)

von

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Kapitel 3

Weckerrufe schrillten durch das Zimmer. Aya schreckte aus dem Schlaf und schaltete den Metallkasten aus, ohne ihn hinab zu werfen. Sie fühlte sich genauso müde, wie gestern Abend. Sie hasste es früh aufzustehen und gestern Nacht war sie erst zur späten Stunde eingeschlafen.

Am liebsten würde sie jetzt noch etwas länger im Bett liegen bleiben, aber es war Schule und sie konnte nicht wieder zu spät kommen, nachdem sie schon früh genug aufgewacht war.

Sie schälte sich aus ihrer Decke und stand auf. Auf einmal spürte sie einen kalten Luftzug auf ihrer Haut und hob ihren Blick. Sofort erstarrte sie, als sie das offenstehende Fenster bemerkte. Verwirrt fragte sie sich, weswegen es offen stand. Als sie gestern zu Bett gegangen war, war es noch geschlossen gewesen.

Angst kroch in ihr hoch. Sie versuchte sich zu beruhigen und redete sich ein, das sie es nur angelehnt habe. Der Wind hätte es dadurch ohne Probleme aufstoßen können. So und nicht anders konnte und musste es gewesen sein. Eine andere Möglichkeit kam nicht in Frage. Schließlich befand sie sich im dritten Stock und niemand konnte hier einfach so herauf kommen. Nachdem sie das Fenster endlich geschlossen hatte, zog sie sich um.

Kurz danach fand sie bereits das erste, schwerwiegende Problem des Tages vor. Direkt vor ihrer Tür stand noch immer die Kommode und versperrte ihr den Weg in den Flur. Aya musste diese erst wieder zur Seite schieben, was viel Zeit in Anspruch nahm und körperlich anstrengend war. Sie war noch sehr müde an diesem frühen Morgen, doch schaffte sie es nach einiger Zeit trotzdem.

Siegesfreude durchströmte sie und sie betrat ihren kleinen Flur. Licht erglomm über ihr, als sie den Schalter betätigte. Sie gähnte und streckte sich der Decke entgegen. Wie gerne wäre sie jetzt wieder zurück in ihr Bett gekrochen, doch wollte sie nicht wieder zu spät zur Schule kommen.

Aya schritt über die Dielen und kam im Wohnzimmer an. Dort blieb sie stehen und starrte entsetzt in den nächsten Raum. Ihr Blick fiel auf die Couch, auf der ein gut aussehender Junge saß und in einem Buch aus Ayas Regal vertieft war.

Das brünette Mädchen musterte einige Zeit lang dieses Bild. Einerseits war es etwas Schönes, endlich jemanden in dieser einsamen Wohnung zu haben. Sie hatte sich schon immer gewünscht nicht mehr alleine sein zu müssen, doch wollte sie auch niemandem eine Last sein. Jetzt, als sie genau dies hatte, was sie sich sehnlich gewünscht hatte, wollte sie wieder ihre Ruhe, ihre Stille, das Schweigen. Egal, wie sehr es ihr Wunsch war, so hatte sie das Bedürfnis verspürt ihn hier zu haben. Nein! Solch eine Person war nicht das, was sie hier haben wollte, unterbrach sie ihre eigenen Gedanken.

“Falls du Hunger haben solltest, musst du mit in die Küche kommen. Ich werde dich bestimmt nicht bedienen”, motzte sie, da sie eigentlich gehofft hatte, ihn hier nicht mehr aufzufinden. Schon lief sie in Richtung Flur, als Shinri ihr noch entgegnete: “Wie wäre es denn mit einem guten Morgen?” Sein Blick glitt über den Rand des Buches und blieb an Aya hängen, die eben durch den Türbogen schritt.

Sie hatte seine Worte vernommen und wieder staute sich eine unbändige Wut in ihr auf. Sie wusste, sie hasste niemanden mehr, als diesen Shinri! Wie konnte er nur solch einen Spruch von sich geben, wenn er sich doch ohne Fragen hier eingeschlichen hatte? Sie hatte ihn gewiss nicht gebeten hier zu bleiben! Diesem Einbrecher auch noch einen guten Morgen zu wünschen? Spinnt der?!

Sie betrat die kleine Küche und versuchte ihre Wut irgendwie zu bändigen. Eigentlich hatte sie keine Lust zu Frühstücken, doch rebellierte ihr Magen bereits laut und drängte sie dazu sich gemeinsam mit Shinri, der gerade hereinkam, an den Tisch zu setzten.

Das Essen verlief schweigend und ohne jeglichen dummen Kommentar, aber dafür fühlte sich Aya seit geraumer Zeit von ihm beobachtet. Seine Augen hingen an ihr und sie zwang sich dazu, ihren eigenen Blick gesenkt zu halten, um nicht in das tiefe Schwarz sehen zu müssen.

Nach dem gemeinsamen Frühstück richtete die Brünette sich im Bad her und nachdem auch Shinri das Bad benutz hatte, verließen sie zusammen die Wohnung. Aya schloss hinter sich ab und schleppte ihre Tasche mit sich, in der das erste Mal seit Monaten fertige Hausaufgaben mitschwangen. Der wohl einzige Punkt, für den sie Shinri vielleicht hätte danken können.

Sie hatte aber etwas anders, worüber sie nachdachte. Sie fragte sich nämlich, was mit Ria geschehen war. Das blonde Mädchen war zusammen mit Shinri hier angekommen, aber hatte sie – im Gegensatz zu Shinri – eine kleine Wohnung gemietet?
 

Der Morgen diesen Tages war genauso, wie die der letzten Tage. Nur eines war anders. Jackin hatte eine neue Mitbewohnerin. Ria, die auch seine neue Klassenkammeradin war, hatte ihn gestern gebeten, sie bei sich aufzunehmen.

Zuerst war er nicht sicher gewesen, was er dazu hätte sagen sollen. Ein fremdes Mädchen mit zu sich nach Hause zu nehmen? Doch Ria schien von ihrem Plan nicht abgebracht werden zu wollen. Sie hatte wahrlich einen Narren an ihm gefressen.

Zu letzt hatte er sich dabei erwischt, als er im Gedanken seine Wohnung überprüft hatte. Wie sah sie das letzte mal aus? Sauber genug, um Besuch hinein zu lassen?

Nach der Schule war sie dann wirklich mit zu ihm gekommen und eigenartiger Weise hatte sie seine Wohnung wunderschön gefunden, obwohl sie sehr klein und etwas unordentlich war.

Am Nachmittag hatte Jackin Ria dann alleine zurück lassen müssen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund vertraute er ihr sofort und spürte eine Art Verbundenheit zu ihr, auch wenn dies überhaupt nicht möglich sein konnte. Während er seiner Arbeit in der Pizzeria nachging, hing er in Gedanken immer wieder bei Ria und fragte sich, wer sie wohl wirklich war. Das Mädchen hatte etwas eigenartiges, ungewöhnliches an sich.

Natürlich kam Ria etwas hochnäsig rüber – als würde ihr alles gehören. Aber so war sie nicht. Das wusste er, ohne sie wirklich kennen zu müssen und genau dieser Gedanke ließ ihn keine Ruhe mehr.

Als er zurück nach Hause gekommen war, fand er eine Wohnung vor, die kaum seiner eigenen glich. Sie war sauber und ordentlich. Seltsam war es nur, dass er dies erst auf den zweiten Blick registrierte, da seine dunkelblauen Augen von Anfang an an Ria hingen. Sie gehörte eigentlich nicht in seine Wohnung, doch kam es ihm vor, als wäre genau hier ihr Platz.

“Vielen Dank noch einmal für die Nachhilfe”, erklang Rias melodische Stimme und riss Jackin aus seinen Tagträumen. Für einen Moment war er etwas verwirrt.

“Ach so ist das. Kein Problem”, antwortete er und lächelte sanft. Gestern hatten sie gemeinsam für die Schule gelernt und im Moment waren sie auf den Weg dorthin. Der Ort, an dem sie sich das erste Mal getroffen hatten.

Ria, die neben ihm lief, entgegnete seinem Lächeln ebenfalls und wirkte dabei wie ein Engel. “Und vielen Dank, dass ich bei dir wohnen darf. Ich hätte nicht gewusst, was ich sonst hätte tun sollen.” Ihre hellblauen Augen strahlten Zufriedenheit aus. Dafür, dass sie sich meistens sehr selbstsicher gab, konnte sie auch richtig niedlich sein.

“Von wo kommt ihr jetzt eigentlich? Du und dieser Shinri?”, wollte Jackin dann wissen, um das Gespräch nicht zu verlieren. Er freute sich jedes Mal, wenn er ihre Stimme zu hören bekam. Es beruhigte ihn und gab ihn das Gefühl, dass alles vollkommen in Ordnung war. Etwas eigenartig, wenn man bedachte, dass sie sich erst seit Gestern kannten.

Ria bleib kurz stehen und sah etwas nervös aus, dann lächelte sie aber wieder und schritt zügig voran. “Wir kommen auch aus Deutschland, nur wohnen wir weiter im Norden.” Sie strich ihre blonden Haare hinter das Ohr.

“Und wieso seit ihr jetzt hier? Wo sind eure Eltern und wieso habt ihr keine Wohnung gemietet, wenn ihr wusstet, dass ihr länger hier bleiben wollt?” Jackin kam es gewiss etwas spanisch vor, dass zwei junge Menschen umzogen, ohne einen festen Sitz zu haben. Andererseits konnte er es ihnen nicht verübeln. Immerhin hatte auch er ein unkontrolliertes Leben geführt, bevor er Aya traf.

Das Mädchen, welches den selben Nachnamen, wie Shinri trug, lächelte entschuldigend, konnte damit aber nicht über ihre Nervosität hinwegtäuschen. “Tut mir leid. Das hatte persönliche Gründe und die würde ich lieber für mich behalten. Ein andermal vielleicht”, versprach sie und fuhr sich erneut mit den Fingern durch die Haare.

„Du musst nicht, wenn du nicht möchtest“, erklärte Jackin ihr beschwichtigend. Er selbst war es, der eine Vergangenheit hinter sich hatte von der das hübsche Mädchen lieber nicht erfahren sollte. Vor allem nicht dann, wenn sie doch eine der wenigen war, mit der er sich so gut unterhalten konnte. Was nicht hieß, dass ihm Aya nicht minder wichtig war. Aya war seit Jahren die wichtigste Person in seinem Leben gewesen. Sogar wichtiger, als er selbst.

Schon kamen sie an der Schule an. Einige Schüler waren bereits da, nur Aya und Shinri noch nicht. Da Jackin Aya immer am Eingang traf, blieb er auch heute dort stehen und wartete auf das Mädchen.
 

Shinri schwieg den ganzen Weg über, was Aya etwas nervös machte. Den gestrigen Tag hatte er sie geärgert und heute kam kaum ein Wort des Hohns aus seinem Mund. Irgendwie wirkte er auch etwas müde. Gewiss hatte er eine anstrengende Nacht hinter sich, dachte Aya. Doch damit war die Geschichte noch nicht gegessen. Noch immer zerbrach sie sich den Kopf darüber. Das hörte erst auf, als die Schule in Sicht kam.

Am Eingang wartete bereits Jackin. Zu Ayas Übel stand auch Ria bei ihm, die sie fast schon vergessen, wenn nicht verdrängt, hatte. Sie fragte sich, was diese hier zu suchen hatte.

Aya beeilte sich und beschleunigte ihre Geschwindigkeit. Sie begrüßte Jackin mit einer Umarmung. Natürlich sagte er nichts dagegen und entgegnete ihr ebenso. Sie waren die besten Freunde und niemand würde sie trennen. Nicht einmal die beiden Zomas.

Ria zog eine verärgerte Miene, die Aya nicht entging. Ihr schien es nicht zu gefallen, dass sie sich so nahe standen. Das brünette Mädchen streckte ihr frech die Zunge entgegen und Ria entgegnete dem ebenso.

Als Ria ein Wort des Protestes aussprechen wollte, denn Aya ließ Jackin nicht los, seine Gegenwart gefiel ihr zunehmender, gesellte sich Shinri neben Aya. Er hatte auch keine Lust mehr länger zusehen zu müssen. Seine Hände umschlangen Ayas Taille und er hievte sie elegant zur Seite. Die Umarmung löste sich und er setzte Aya neben sich auf den Boden ab. “Du gehörst mir, vergiss das ja nie.”

Aya trat sofort einige Schritte zurück, um Abstand zu ihm zu gewinnen. Nun zeigte auch sie ihm ihre freche Zunge. “Lass mich einfach in Ruhe!”, schimpfte sie. Eigentlich hatte sie sich auf einen dummen Kommentar gefasst gemacht, doch dieser blieb aus.

Nervös betrachtete sie den kühlen Shinri, der sie ernst betrachtete. Schnell schüttelte sie die Gedanken, die ihr kommen wollten, zur Seite und wand sich an Ria: “Und du, lass Jackin in Ruhe! Niemand gehört irgendwem!” Sie ergriff Jackins Hand und zog ihn sanft mit sich.

Der blonde Junge betrachtete noch einmal kurz die beiden Klassenkammeraden, folgte Aya aber schweigend. Die Zomas blieben zurück.

Aya fragte sich, weswegen sie ihnen nicht hinterher rannten, wie sonst immer. Sie benahmen sich eigenartig. Obwohl sie die beiden erst einen Tag lang kannte, hatte sie geglaubt zu wissen, was diese tun würden. Doch langsam schwand dieses angebliche Wissen. Wer waren die Zomas nur?
 

Mit wachsender Sorge betrachtete Ria ihren Verwandten. „Shinri“, begann sie und ihre Hand wollte sich auf seine Wange legen, aber er wich dem aus.

„Lass das. Ich bin kein kleiner Junge“, meinte er und seine schwarzen Augen sahen sie nun direkt an. Aya und Jackin waren gegangen und die beiden Zomas wurden alleine zurück gelassen.

Rias Sorge schwand nicht, sondern wuchs noch mehr. „Shinri, du hast sie gefunden. Lass dich gehen und genieße das Leben“, bat sie. Wieder wanderte ihre Hand nach vorne und dieses Mal wich Shinri nicht aus. Sanft berührte Ria die Wangen und strich mit den Daumen über die Haut, wie es die Person immer getan hatte, bei denen sie groß geworden waren.

„Es ist zu gefährlich für sie. Und … ich sollte gehen“, meinte Shinri. Die Entschlossenheit war bereits gewichen. Aber Ria wollte nicht so schnell aufgeben und schon gar nicht wollte sie, dass Shinri aufgab. Sein Leben hing am seidenen Faden.

„Shinri! Du bist 19. Du darfst das nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen. Sie ist deine Auserwählte. Sie wird es verstehen“, flehte Ria und sah Shinri eindringlich in die Augen, aber der Ältere lachte nur amüsiert auf. „Verstehen? Du solltest sie sehen. Sie wollte bereits zweimal die Polizei rufen.“ Obwohl es eigentlich nicht hätte witzig sein sollen, amüsierte es ihn. Aya hatte ihre eigene Art, die Probleme zu lösen.

Diese Erzählung ließ Ria nur schwer seufzen. Mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen musterte sie ihren Verwandten. „Wahrscheinlich hat sie nur so darauf reagiert, weil du mit deiner speziellen Art gekommen bist.“ Sie kannte Shinri gut genug, um zu wissen, wie er wohl vorgegangen sein musste. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal gefragt, mit ihr mitgehen zu dürfen. Nein, ganz gewiss sogar.

Ria konnte sich das Grinsen nicht mehr länger verkneifen. Ja, sie kannt Shinri wirklich gut. „Mach, wie du meinst. Ihr seit für einander bestimmt, also werdet ihr gewiss irgendwie zusammen kommen.“ Sie zuckte mit den Schultern.

Der Junge lächelte zufrieden. „Ja, glaube ich auch“, lachte er, doch obwohl sie somit dieses Gespräch beendet hatten, lag noch immer Sorge in Rias Blick. Irgendwann war keine Option für Shinri. Er brauchte Aya jetzt.

„Lass uns rein gehen“, schlug Shinri vor, um der nächsten Frage zu entgehen. Zum Glück folgte Ria ihm ohne Widerworte.
 

Die Beiden, die voraus gegangen waren, standen bereits im Klassenzimmer. Außer ihnen war niemand sonst in dem Raum. Die Gunst der Stunde nutzend, wand sich Aya an Jackin, welcher sich bereits auf seinen Platz gesetzt hatte. Sie selbst stand noch immer an der Tür und betrachtete ihren besten Freund eindringlich.

„Jack. Was wird das hier eigentlich alles? Wer sind die beiden? Sie sind seltsam und ich mache mir Sorgen um dich. Du bist mit Ria hierher gekommen, also. Was wollte sie?“ In Ayas Augen funkelte ehrliche Sorge, aber auch der Hass auf das blonde Mädchen.

Jackin, der seine Schulsachen auf den Tisch ausbreitete, hob den Blick und sah Aya mit seinen dunkelblauen Augen an. „Ich weiß genauso viel, wie du. Aber ich müsste mir eigentlich mehr Sorgen um dich machen, wie du um mich. Shinri scheint mir nicht ganz koscher zu sein.“

Dem konnte Aya nur voll und ganz zustimmen. Dieser Junge war wirklich nicht ganz richtig im Kopf. Aber sie wollte Jackin lieber nicht verraten, dass genau der Typ nun bei ihr wohnte. Wenn er dies erfuhr, könnt es einen Krieg zwischen diesen beiden geben.

„Versprich mir einfach, aufzupassen“, bat Aya. Auch wenn Ria nicht ganz so gefährlich aussah. Sie vertraute ihr nicht und würde es wohl auch nie tun. Vor allem nicht, da sie sich anscheinend zwischen Jackin und Aya stellte.

Jackin lachte leise auf. „Zerbrich dir deinen Kopf nicht wegen mir. Du weißt ja, ich kann sehr gut auf mich alleine aufpassen. Aber sei du vorsichtig.“

„Ja, werde ich“, meinte Aya und nickte mit ernster Miene. Was Shinri betraf, würde sie sehr gut aufpassen. Denn wenn er es schon wagte, ungefragt in ihre Wohnung zu kommen, hatte er wirklich keinen Skrupel.

„Aber jetzt sollten wir-“, begann Aya. Sie wollte sich gerade zu ihren Platz begeben, als die Tür aufschwang und ihr an den Hinterkopf knallte. Es geschah mit einer unglaublichen Wucht, sodass Aya kurz taumelte und dann zu Boden stürzte. Sie hielt sich die schmerzende Stelle und drehte sich auf den Rücken, um den Feind ins Gesicht sehen zu können.

Es war Ria, die das Zimmer betrat. Als sie Aya erblickte, funkelten ihre Augen amüsiert. „Oh, dass wollte ich nicht“, entschuldigte sie sich, doch meinte sie es nicht so, wie sie es sagte.

Aya sprang mit zornigem Gesichtsausdruck auf die Beine und deutete auf Ria. „Na klar! Als ob du das nicht wolltest! Lüg doch-“, begann sie vor Wut kochend, doch verstummte sie, als eine weitere Person in das Zimmer kam. Shinri! Es dauerte einen kurzen Augenblick, bevor sie wieder dazu ansetzte, etwas zu sagen. Seine Gegenwart würde sie nicht aus den Konzept bringen. Wenn sie schon so in Fahrt war, könnte sie ihm auch gleich sagen, was sie von ihm hielt.

Aber bei ihrem Plan hatte sie nicht mit Shinri selbst gerechnet. Der Junge machte ihr einen Strich durch die Rechnung, als er mit wenigen Schritten bei ihr stand, sie an sich zog und sanft ihre Lippen mit seinen eigenen umschloss.

Mit vor Entsetzen geweiteten Augen stand sie wie gelähmt an Ort und Stelle, während Shinri sie küsste. Nur langsam registrierte sie, dass es Wirklichkeit war. Das kribblige Gefühl, dass durch ihren Körper fuhr und auch die Hitze, die sich in ihr ausbreitete wollten ihr zeigen, wie schön es sein konnte, aber ihr Verstand war dagegen. Shinri küsste sie!, zischte er. Auch wenn es ein sanfter, liebevoller Kuss war, so kam er doch von dem Jungen, der sie als sein Eigentum betrachtete.

Erst, als Shinri wieder von ihr abließ, war sie fähig, zu handeln. Wütend funkelte sie ihn an. Da ihre Wangen gerötet waren, wirkte es kaum bedrohlich. „Das war mein erster Kuss, du verdammter Idiot! Oh Gott! Ich hasse dich!“ Wütend schlug sie mit der Faust gegen dessen Brust. „Lass mich endlich in Ruhe! Verflucht!“ Noch einen letzten zornerfüllten Blick, dann wand sie sich um und verließ das Klassenzimmer. Sie ertrug den Jungen keine Sekunde länger.

Aya rannte den Korridor entlang und wäre beinahe in Herr Heulsu hinein gerannt. Der Lehrer starrte ihr verwirrt hinterher, während sie ihn kaum registrierte. Das schellen der Schulglocke hallte durch die leeren Flure. Der Unterricht begann, aber Aya wollte nicht zurück. Sie brauchte Ruhe und Zeit, sich zu beruhigen.

Erst, als sie die kühle Luft der Freiheit auf ihrer Haut spürte und wusste, sie war hier ganz alleine, hielt sie an. Shinri war ihr nicht gefolgt und auch sonst niemand war zu sehen. Sie registrierte ihre Umgebung und erkannte den Pausenhof vor sich. Vereinzelte Bäume standen inmitten des steinernen Bodens. Einige Bänke standen darunter und am Rand des Hofes. Auf der rechten Seite erstreckte sich ein Spielfeld für Fußball- oder Basketballspiele.

Aya steuerte eine der Bänke an, die unter einem Baum standen. Sie ließ sich im kühlen Schatten auf das Holz nieder. Was war nur los mit ihr? Wieso hatte sie so reagiert? Ihre Gedanken plagten sie und sie wusste nicht, damit um zu gehen. Sie suchte eine Antwort doch gab es keine. Denn, wenn sie sich selber nicht einmal verstand, wer sollte ihr dann noch helfen können?

Die Tatsache, dass die Schule bereits angefangen hatte, störte sie keineswegs. Da sie nicht hinein wollte, nur um Shinri zu begegnen, blieb sie hier draußen sitzen.

In der Ruhe, die sie hier draußen umgab, begann sie sich einiges zu fragen. Zum Beispiel hätte sie zu gerne gewusst, wieso Shinri sie überhaupt geküsst hatte. Er glaubte wohl, er könne alles machen. Doch bedachte er nicht dabei die Gefühle des brünetten Mädchens. Schließlich war es ihr ersten Kuss gewesen.

Hätte ihr Herz doch nur genauso reagiert, wie ihr Kopf. Aber nein! Ihr Herz hatte nicht ausgesetzt vor Schock, sondern war in die Luft gesprungen, hatte Saltos geschlagen und setzte sich dann in Bewegung um den schnellsten Takt in ihrem Leben anzugeben. Sie seufzte. Bestimmt hatte Shinri dieses Anzeichen bemerkt und machte sich nun noch mehr Hoffnungen, was sie am aller wenigsten wollte. Was sollte dann aus ihrem Versuch, ihn los zu werden, passieren?

Während ihre Gedanken noch kreisten, vibrierte ihr Handy. Sie zog es aus ihrer Hosentasche und betrachtete das Display. Sie hatte eine SMS bekommen. Natürlich war Jackin der Absender. Niemand anderes kannte ihre Nummer, außer ihre Eltern vielleicht, die ihr aber noch nie geschrieben hatten.

Jackin schien sich Sorgen zu machen. “Ich hoffe, es geht dir gut. Schule hat begonnen und hab dem Lehrer gesagt, dir ginge es schlecht. Geh nach Hause, ruh dich aus. Werde dich heut besuchen. Gruß, Jack.”

Ein Lächeln legte sich auf Ayas Lippen. Sie freute sich über die SMS. Er machte sich Sorgen und wollte sie heute besuchen. Jackin war wirklich ein liebenswerter Junge.

Sie antwortete ihm mit einer kurzen SMS, sagte ihm, dass sie sich freue und schnell nach Hause ginge. Genau das tat sie dann auch. Sie verließ den Pausenhof. Zum Glück trug sie noch immer ihre Tasche bei sich. Schnell verließ sie das Schulgelände und machte sich auf den Weg nach Hause. Sie dachte auf dem Weg dorthin viel nach und trottete die Straße entlang. Wie würde sie jemals Shinri verscheuchen können?

Doch egal, wie lange sie nachdachte, sie kam zu keinem Ergebnis. Als sie in ihrer Wohnung angelangte, ließ sie ihre Schultaschen im Flur liegen und genoss eine Dusche. Die Abwesenheit ihres selbsternannten Mitbewohners musste sie unbedingt ausnutzen so gut es ging. Sie ließ sich in den Dampf des warmen Wassers einhüllen und genoss es alleine zu sein. Sie fühlte sich wohl, aber irgendetwas in ihr schien nicht mit ihr diese Meinung zu teilen.

Sie stieg aus der Kabine, trocknete sich ab, föhnte ihre Haare und bändigte diese mit ihrer Haarbürste. Als sie dann frisch angezogen in die Küche kam spülte sie das Geschirr ab, da sie in der Früh nicht dazu gekommen war. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab und blieben an ihrem ersten Kuss hängen. Sie musste sich ablenken!

Nachdem sie ihre häuslichen Tätigkeiten hinter sich hatte, machte sie es sich auf der Couch gemütlich und sah sich eine Dokumentation an. Sie versuchte sich hinein zu vertiefen, damit sie nicht an Shinri denken musste, aber ihr Wunsch ging nicht ganz in Erfüllung. Immer wieder kamen ihr diese zwei schwarzen Augen in den Sinn und dieses widerwärtige, hinterhältige Grinsen. Sie unterdrückte eine aufkommende Wut und beobachtete das Leben, das vor ihr im Fernseher gezeigt wurde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Angel_Sina_08
2008-12-07T17:24:03+00:00 07.12.2008 18:24
Also der Shinri ist schlimm. Die arme aya. Aber bin gespannt wie es weitergeht. XD
Von: abgemeldet
2008-08-08T10:36:33+00:00 08.08.2008 12:36
Nach wie vor 'ne wirklich coole Geschichte, aber...
Darf ich dich fragen, was du in deutsch für eine Note hattest?


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