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Fesseln der Liebe (?)

von

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Kapitel 2

Der Rest des Unterrichts ging heute recht leise vorüber. Kaum ein Schüler machte irgendwelche Scherze, wie sonst immer. Aya war, obwohl Ria und Shinri nichts sagten, wütend auf beide. Schon die bloße Anwesenheit beider störte sie. Jackin sagte nichts dazu. Er saß neben Aya und verfolgte das Geschehen des Unterrichts. Nach dem Unterricht blieb das Mädchen noch sitzen. Sie blickte Jackin traurig hinterher, nachdem sich verabschiedet hatte.

Aya ließ den Kopf sinken. “Wie ich das Nachsitzen doch hasse!”, murmelte sie fluchend. Schon sah sie, wie Ria Jackin hinterher lief. “Dumme Kuh!”, zischte sie und sie streckten sich gegenseitig die Zungen heraus.

“Du bist wirklich schlecht erzogen worden, Aya”, erkannte Shinri, der noch immer hinter ihr saß. Ein Schock durchfuhr sie. Damit hatte sie eigentlich nicht gerechnet. Sonst, wenn sie hier nachsitzen musste, war sie immer ganz alleine in diesem Zimmer. Herr Heulsu ging dann immer in das Lehrerzimmer und aß zu Mittag.

Aya fühlte sich in Shinris Gegenwart hilflos und schutzlos. Trotzdem wand sie sich mutig um, damit sie ihm in die Augen blicken konnte und meinte: “Ich bin überhaupt nicht erzogen worden! Aber, was machst du überhaupt noch hier?”

Sie hoffte, er habe nur irgendetwas vergessen und würde sie bald verlassen. Aber seine Antwort versetzte ihr einen weiteren Schock. “Ich warte, bis du endlich mit der Schule fertig bist, dann komme ich mit zu dir nach Hause und dann…”, er sprach nicht weiter, grinste aber hinterlistig.

Ein mulmiges Gefühl überkam Aya. Zornig entgegnete sie ihm: “Wie kommst du auf solch eine Schnapsidee? Als ob ich dich hineinlassen würde? Das ist immer noch meine Wohnung und ich wäre gerne ungestört und alleine!”

Der Schwarzhaarige stand auf und setzte sich neben sie, auf Jackins Stuhl. “Weißt du… ich habe eine Schwäche für solche Mädchen, wie dich.” Aya starrte ihn total verwirrt an. “Was labberst du?”, kam es etwas genervt aus ihrem Mund. “Als ob ich mich mit Leuten, wie dir, abgeben würde. Übrigens, ich gehöre nicht dir!” Sie schaukelte nervös mit ihrem Stuhl. Ihre Arme stützte sie am Tisch hinter ihr ab. “Ich kann es dir aber beweisen, dass du mir gehörst. Es müsste sich genau dort befinden.” Er zeigte auf ihre Brüste. Wie unverschämt! Aya wurde knallrot, verschränkte ihre Arme vor ihren Brüsten und verlor dadurch das Gleichgewicht. Sie krachte auf den Boden. Verdammt! Shinri grinste sie breit an und lachte.

“Was ist?!”, schimpfte sie. “Du nervst! Verschwinde endlich! Ich kann dich nämlich nicht leiden!” Wie sehr sie dieser Shinri aufregte. Zu gerne hätte sie jetzt ihre Ruhe, ihre lang ersehnte Ruhe, die sie sonst nie genossen hatte.

Shinris Mine wurde ernster. Er fragte gelassen: “Hast du dich noch nie gefragt, was dieses Zeichen bedeuten soll und woher es kommt?” Aya wirkte etwas verwirrt. Woher wusste er davon? Shinri kam ihr etwas näher. Bedrohlich nahe. “Ich kann es dir ja zeigen”, erklärte er ihr. Aya fühlte sich auf dem Boden schutzlos. Nein! Nicht mit ihr!

Schnell stand sie auf und griff nach ihrem Mäppchen. Wütend schleuderte sie es nach ihrem Gegenüber, der aber geschickt auswich. Das gefiel ihr überhaupt nicht! Ihr Mäppchen zischte an Shinri vorbei und krachte an die weiße Wand neben der Tür. Zur selben Zeit betrat Herr Heulsu das Zimmer.

Erschrocken kreischte er auf. Dieser Gegenstand kam ihm wohl zu schnell und plötzlich. Er hatte nicht damit gerechnet. Sein Herz raste vor Panik. Der Lehrer rutschte zu Boden und starrte seine Schülerin schockiert an.

“Jetzt hast du den Lehrer erschrocken”, kam es tadelnd aus Shinris Mund. Böse funkelte sie ihn an. “Das sehe ich selber!”, motzte sie zornig. “Herr Lehrer. Es tut mir wirklich leid. Aya wird das bestimmt nie wieder machen”, entschuldigte sich Shinri an Ayas Stelle bei Herr Heulsu. Dieser nickte nur stumm, dann raffte er sich auch schon wieder. “Ich lasse dich für heute gehen, Aya. Morgen wirst du die versäumten Stunden nachholen!”

Die Brünette nickte schuldbewusst. Sie entschuldigte sich von sich aus noch einmal und verschwand dann, nachdem sie ihre Sachen zusammengepackt hatte. Es verwirrte sie, dass der Lehrer sie so mir nichts dir nichts hat gehen lassen. Doch wurde diese Verwirrung von einem Ärger übertroffen. Denn Shinri folgte ihr wirklich.

Auf dem Weg nach Hause lief Aya immer zügiger. Sie verfluchte Shinri. Über die Schulter hinweg fauchte sie ihn an: “Ich habe keine Lust, dich bei mir zu Hause zu sehen. Also verschwinde!” Sie war ehrlich. Leider Gottes mochte er das anscheinend! Somit half es ihr kein Stückchen weiter. Nur, was wollte er von ihr? Wieso ging er mit? Weshalb verfolgte er sie? Was hatte sie nur falsch gemacht, um nun so bestraft zu werden?

Shinri zeigte ein Lächeln. “Aber ich wollte dir doch etwas wichtiges zeigen”, gab er von sich, klang dabei hinterlistig und grinste. Aya bekam es langsam mit der Angst zu tun. Sie hatte überhaupt keine Ahnung, was er sich dabei dachte, oder was er vorhatte, doch sie wollte es auch nicht herausfinden.

Sie schritt zügig voran und ignorierte ihn so gut es ging. Noch immer war er ihr dicht auf den Fersen.

Durch ihr schnelles Tempo kam sie viel früher, als gewohnt, zu Hause an. Wie von Shinri bereits erwähnt, wartete dort keine Menschenseele auf ihre Rückkehr. Sie lebte ganz alleine in dieser kleinen Wohnung, die ihre Eltern finanzierte.

Sie hatte ihre Mutter und auch ihren Vater vor etwa drei Jahren das letzte Mal gesehen. Sie reisten viel umher und ließen ihre Tochter immer wieder alleine zurück. Ihr war es egal, somit hatte sie wenigsten ihre Ruhe, redete sie sich immer wieder ein. Dennoch fragte sie sich in diesem Augenblick, weshalb Shinri wusste, dass sie alleine Zuhause lebte? Hatte der Lehrer ihm irgendetwas erzählt?

In den letzten Metern versuchte sie ihn noch abzuschütteln, öffnete blitzschnell die Tür und versuchte sie hinter sich zuzuknallen. Da hatte sie aber nicht mit Shinris Fuß gerechnet, der sich unhöflicher Weise zwischen Tür und Angel stellte. Mit Leichtigkeit öffnete er die Tür, obwohl das Mädchen sich mit aller Kraft dagegen stemmte. Gelassen trat er ein, während Aya ihn für einen kurzen Moment entsetzt und verblüfft musterte.

“Verlasse sofort meine Wohnung, oder ich rufe die Polizei!”, ermahnte sie ihn dann endlich. Sie wollte ihn nicht hier haben. Sie wünschte sich ihre Ruhe, denn er schien an irgendwelchen Komplexen zu leiden, sie bis hier hin zu verfolgen.

Shinri lehnte grinsend an der Tür. “Du willst die Polizei rufen? Versuch es doch. Bevor du nur eine Nummer gedrückt hättest, hätte ich dich außer Gefecht gesetzt. Übrigens hat keiner der Bullen nur eine geringste Chance gegen mich.” Shinri grinste vergnügt.

Die Drohungen halfen ihr nicht aus dieser Situation. Und sie bemerkte, dass er nicht nur daher schwafelte. In seinen Augen funkelte etwas, dass ihr auf einer seltsamen Art klar werden ließ, dass er es mehr als nur ernst meinte.

Aya wand sich ab und ließ ihre Tasche in ein entferntes Eck des Wohnzimmers schlittern, dann machte sie sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer. “Du bist doch irre”, schimpfte sie. “Setz dich ins Wohnzimmer und wehe du folgst mir!” Shinri entgegnete dem wütenden Blick unschuldig, als wüsste er nicht, wieso sie so etwas sagte. Schon eilte sie in ihr Zimmer und schloss hinter sich ab.

Er sollte bloß nicht hier hereinkommen. Sie brauchte jetzt wenigstens etwas Ruhe. Sie zog sich um, wie fast jeden Tag nach der Schule. Eigentlich duschte sie meistens noch, aber heute war es ihr zu gefährlich mit ihrem neuen Mitschüler bei sich Zuhause.

Gerade ließ sie ihr T-Shirt auf den Boden gleiten, als sie ein Pfeifen hinter sich vernahm. Erschrocken blickte sie auf, Richtung Tür. Reflexartig verschränkte sie ihre Arme vor ihrer Brust. Mit hochrotem Kopf blickte sie in die Augen des Jungen, der sich in diesem Zimmer befand. Es war Shinri, der gelassen am Türrahmen lehnte und sie bewundernd musterte. Er grinste frech.

Aya konnte es kaum fassen. Fast wie in einem Traum, einem Alptraum! Wie war er nur in dieses Zimmer gekommen? Sie hatte doch zugesperrt, hatte sie?! Es war unglaublich. Sie verstand es nicht.

Shinri grinste weiterhin und begutachtete das Mädchen interessiert. Aya kochte vor Zorn. Wütend fuhr sie ihn an: “Glotz nicht so bescheuert!! Verschwinde aus meinem Zimmer, du Perverser!” Sie funkelte ihn böse an, was ihr auch nicht weiter half. Er blieb stehen und beobachtete sie weiterhin. Am liebsten hätte sie ihm irgendetwas an den Kopf geschmissen, doch zuerst musste sie sich ihr T-Shirt wieder anziehen, dachte sie sich.

Shinri lachte. Er fand ihre Wortwahl wohl sehr amüsant. Mit ruhigen und langsamen Schritten kam er auf sie zu, ohne aber ein Wort zu sagen. Aya ging jeden Schritt, den er machte, zurück. Sie fühlte sich wie eine Beute, eingekreist von einem wilden Raubtier.

Schon bald spürte sie ihr Bett hinter sich. Es gab kein Entkommen mehr. Shinri sprach: “Ich werde es dir jetzt zeigen. Es ist schließlich ein guter Zeitpunkt.” Er stand dicht vor ihr. Das Lächeln hatte sich gelegt. Sein Gesicht zeigte ernste Züge, die ihm unheimlich gut standen. Ayas Herz begann schneller zu schlagen. Was wird das jetzt? Was hat er vor? Gedanken flogen quer durch ihren Kopf.

Auf einmal packte Shinri Ayas Handgelenk. Sein Griff war fest, dennoch sanft und anschmiegsam. Er behandelte sie mit größter Vorsicht, so kam es ihr vor. Schon bald, obwohl Aya versuchte sich zu wehren, brachte er ihre Arme hinter ihren Rücken. Dort hielt er sie mit einer Hand fest. Er war verdammt stark!

Sie versuchte sich zu wehren, sich aus dieser Lage zu befreien, doch hielt er fest dagegen. Das ließ die Wut in ihr wieder anfangen zu brodeln. Sie war ihm schutzlos ausgeliefert. Wirklich schutzlos. Jeden Widerstand brachte er liebevoll zum schweigen.

Sanft berührte er eine Stelle über Ayas linker Brust. Ganz genau an dieser Stelle befand sich ein schwarzes Zeichen. Es wirkte, wie eine Tätowierung. Sie hatte es schon seit ihrer Geburt. Sie dachte, es wäre ein Muttermahl, doch die Ärzte konnten diese Vermutung nicht bestätigen. Somit hatte sie sich damit zufrieden gegeben. Nun lag die Antwort fast zum greifen nahe.

Dieses Zeichen. Zwei ineinander geschlungene Buchstaben. A und S. Um sie herum befand sich ein Kreis aus weiteren schlangenähnlichen Strichen. Ganz in Schwarz. Was es bedeutete, wusste Shinri. Aya aber nicht und sie hatte auch keine Lust mehr es zu erfahren. Nicht von ihm. Denn sie wusste, es würde ihr nicht gefallen.

Shinri ließ sie wieder los. Endlich. Er trat einen kleinen Schritt zurück, war ihr aber noch immer nah genug, dass sich ihr Herz weiterhin wie bei einem Wettrennen benahm. Auf einmal zog er sein eigenes T-Shirt aus. Sie sah ihm zu verwirrt zu. Was sollte das werden?

Doch, um sich Gedanken zu machen, gab es kaum Zeit. Sie blickte auf seine blanke Brust. Gut gebaut und durchtrainiert. Die Muskeln zeichneten sich ab, ließen ihm aber seine schlanke Figur beibehalten. Was hatte sie anderes erwartet? Als sie dann aber dasselbe Zeichen, das auch sie trug, auf seiner linken Brust erblickte, stockte ihr der Atem. Das konnte doch nicht wirklich wahr sein!

“Das ist sicher nur irgendein dummer Zufall! Deswegen heißt das noch lange nicht, dass ich dir gehören werde!”, meinte sie entschieden. Shinri grinste wieder und entgegnete ihr: “Schicksal, nicht Zufall.”

Ein Schweigen machte sich im Zimmer breit. Aya musste ihm irgendwie Recht geben. Denn für ein Zufall, war dies zu außergewöhnlich. Schließlich hatte er sie gefunden, sie angesprochen und wusste von diesem verdammten Zeichen, das komplett identisch wie das seine war und sich auch an derselben Stelle befand. Unmöglich! Könnte das wirklich nur Zufall sein?

Der Junge beendete die Stille im Raum. “Wir sollten jetzt aber endlich mit den Hausaufgaben anfangen. Der Lehrer könnte sonst wieder böse auf dich werden und dich noch länger nachsitzen lassen, nicht?” Er lachte, dann marschierte er, ohne einen Blick zurück, aus dem Zimmer und ließ sie alleine.

Aya raffte sich schnell, zog sich ihr T-Shirt wieder an und rätselte: “Wie hat er es nur geschafft die verschlossene Tür aufzubekommen?” In ihrem Kopf hatte sich auch ein Zweifel breit gemacht. Wollte er wirklich nur Lernen? Sie konnte sich das kaum vorstellen. Sie sollte ihn wohl lieber nicht aus den Augen lassen. Das bereitete ihr Unbehagen. Wer konnte wissen, was er noch anstellen würde? Das wollte sie sich lieber nicht ausmalen. Er war wirklich seltsam, dass hatte sie bereits zu spüren bekommen. Doch, was verbarg sich wirklich hinter seiner Fassade?
 

Als sie in ihr kleines Wohnzimmer kam, saß Shinri halbnackten auf der Couch. Er beugte sich über den kleinen Wohnzimmertisch und schrieb mit dem Füller in sein Mathematikheft. Sein Blick zeigte ihr, dass er sich dabei ernsthaft konzentrierte. Er war wirklich bei der Sache.

Aya trat ein kleines Stück näher und lugte ihm über die Schulter. Sie stellte fest, dass dieser, anders als erwartet, doch wirklich seine Hausaufgaben machte. Verblüfft blieb sie stehen und sah ihm zu.

Plötzlich packte Shinri sie am Arm und zog sie herunter, auf seinen Schoß. Sie schrie schockiert auf und zappelte, wie ein Fisch im Netz. Doch kam sie nicht weg von ihm.

“Du hast mich warten lassen. Das ist etwas, das ich überhaupt nicht leiden kann”, kam es von ihm. Er grinste. Aya bemerkte, wie ihr Gesicht anfing rot anzulaufen. Ihr Herz klopfte einen Takt schneller.

“Mir doch egal!”, zischte sie und versuchte sich vergeblich auf zusetzten. Shinri spielte nicht mit. Er verschlimmerte sogar noch ihre Lage, als er ihre beiden Handgelenke packte und sie sanft, aber beständig, auf die Couch drückte. Sie spürte das Polster unter sich. Shinri beute sich über sie. Der Takt Ayas Herzens beschleunigte sich um ein dreifaches. Sie fühlte die Hitze, die in ihre Wangen hinauf kroch.

“Ist dir das vielleicht unangenehm, mir so nah zu sein?”, fragte Shinri hämisch grinsend, obwohl er die Antwort bereits kannte: ‘Ja!’ Aya dachte es, doch sagte sie: “Nein! Wieso sollte es? Ich werde ja auch tagtäglich von wildfremden Männern bedrängt!” Ihre Worte waren der blanke Sarkasmus, aber sie halfen. Shinri ließ sie los und setzte sich auf. Sein ganzer Körper spannte sich an.

Aya, die endlich wieder ihre Bewegungsfreiheit zurück hatte, folgte seinem Beispiel. Missmutig musterte sie ihn aus den Augenwinkeln heraus. Wie sollte sie reagieren? Was sollte sie jetzt sagen?

Shinri nahm ihr die Entscheidung ab. “Wir sollten mit den Hausaufgaben beginnen”, meinte er, um das Thema zu wechseln. Da sie nichts widersprüchliches sagte, entspannte er sich wieder. Aya nahm auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz, um genügend Abstand zu ihm zu haben, falls er wieder eine Dummheit vor hatte.

Die dunklen Augen musterten sie nur für einen Moment, dann wand sich der Junge ganz an seine Hausaufgaben, so wie auch Aya.

In seiner Gegenwart macht das Mädchen kein einziges Auge zu. Der Gedanke, ihm schutzlos ausgeliefert zu sein, machte ihr Panik. Sie saß an ihren Mathematikhausaufgaben, ebenso wie er. Als er aber bemerkte, dass sie bei einigen Aufgaben sehr viel Zeit benötigte, oder gar übersprang, wand er sich an sie. “Soll ich dir vielleicht helfen? Du scheinst Hilfe dringend zu benötigen. Komm, setz dich.”

Er klopfte mit seiner Handfläche auf den Platz rechts neben sich. Aya zweifelte einige Zeit. Konnte sie sich einfach dort hinsetzten? Direkt neben ihm? Irgendwann riss sie sich zusammen und setzte sich zu ihm auf die Couch.

Als er anfing ihr die ganzen Aufgaben zu erklären, drang kein einziger doofer Spruch aus seinem Mund. Er wirkte erwachsen und souverän. Vielleicht war er ja doch nicht so ein Idiot, wie sie dachte. Für diese kurze Zeit war ihre Panik verflogen, doch ihr Herz, es hörte nicht auf zu rasen…

Es herrschte eine wundervolle Ruhe zwischen ihnen. Er, mit seiner freundlichen Art, erklärte ihr alles und sie fühlte sich zunehmend wohler in seiner Gegenwart. Sie hoffte, er würde weiterhin so bleiben, sich nicht wieder so frech benehmen und vielleicht könnten sie dann auch viel besser miteinander klar kommen.

Dennoch glaubte sie nicht, dass er so einfach damit aufhören würde, sie so um den Verstand zu bringen. Das schlimmste daran war aber, dass irgendetwas in ihr ihn willkommen hieß.
 

Als schon die Nacht über die Stadt hereingebrochen war, beendeten sie endlich die Hausaufgaben und Aya fühlte endlich wieder das Wissen in sich, das sie die ganze Zeit wohl verdrängt hatte. Sie hatte die Aufgaben verstanden und sie wusste, sie müsste demnächst in der Schule nicht mehr so angemault werden. Der Lehrer wäre mit ihr zufrieden, wie sie es auch selber mit sich war. Wenn sie nun auch nicht mehr verschlafen würde, dann wäre ihre Freizeit endlich wieder größer.

Genüsslich streckte sie sich. Sie gähnte. Die Müdigkeit hatte sie bereits befallen, doch konnte sie Shinri nicht damit anstecken. Er kam ihr vor, wie ein starker Fels, der nie nachgab. Er zeigte keine Schwächen und schien ein unüberwindbares Selbstvertrauen zu haben. Sie fragte sich nur, wie sie so jemanden hat kennen lernen können.

Wären sie sich nicht so begegnet – hätte er sie nicht so seltsam angemacht – vielleicht läge nun etwas anderes zwischen ihnen, als ihre Wut. Eine Freundschaft. Denn sie musste sich immer wieder eingestehen, dass Shinri verdammt gut aussah. Diese markanten Gesichtszüge, die ihm für sein Alter etwa männliches und ernstes verliehen. Er wirkte finster und unberechenbar und doch konnte er seine frechen Kommentare nicht sein lassen. Als sie anfing, an ihn und seine Art zu denken, kam ihr plötzlich die Frage in den Sinn, wie er wohl noch sein konnte.

Tief in ihren Gedanken verloren merkte sie nicht, dass Shinri bereits alle sene Schulsachen eingepackt hatte. Er stand neben der Couch, legte seine Arme auf die Lehne und betrachtete sie, während Aya bäuchlings auf dem Polster lag und der Gegenwart entschwand.

“Wo werde ich übernachten?” Eine einzige Frage genügte und Aya schreckte wieder aus ihren Tagträumen. Die hoffnungsvoll, jedoch neckische Stimme war bis in ihre Gedanken vorgedrungen und hatte alles beiseite geschoben, was sich dort ausbreiten wollte.

Mit leicht geöffnetem Mund betrachtete sie Shinri und wiederholte seine Worte in ihren Gedanken. Auf einmal schoss eine Hitze in ihr empor und färbte die Haut ihrer Wangen rötlich. “Spinnst du?!”, fauchte sie ihn an und sprang von der Couch.

Shinri Zoma grinste. “Vielleicht”, scherzte er. “Aber hast du etwa gedacht, ich bleibe nur die Hausaufgaben über? Da hast du dich schwer getäuscht, meine kleine Katze, aber ab heute werde ich hier wohnen.” Er sagte es mit so deutlicher Genugtuung in der Stimme, dass Aya vor Zorn zu brodeln begann.

Sie schnaubte verächtlich. “Das ist meine Wohnung! Du hast kein Recht, hier zu sein, ohne meine Erlaubnis! Verschwinde, oder ich rufe die Polizei!”, drohte sie ihm und war bereits auf dem Weg in den Flur, in dem das selten benutzte Telefon stand.

“Nicht so eilig, Kätzchen.” Shinris Hand legte sich fest wie ein Schraubstock um Ayas Arm. Er hielt sie vom Gehen ab, zog sie zu sich auf die Couch und brachte sie wieder unter sich. “Es bringt nichts, die Polizei zu holen. Sie können dir nicht helfen, Aya. Viel mehr würdest du sie nur in Gefahr bringen.”

Shinris Augen glühten gefährlich. Die Drohung kam bei Aya an und sie schluckte schwer. Wer war dieser Junge nur? Noch nie hatte sie jemand vergleichbaren kennen gelernt. Sie würde nicht sagen, dass er ihr Angst machte. Viel mehr verwirrte er sie und brachte ihre eigenen Gedanken durcheinander.

“Lass mich los”, schimpfte sie ihn, denn sie wollte trotz allem nicht klein bei geben. “Von mir aus kannst du hier schlafen, solange du mich endlich los lässt!” Der Griff lockerte sich und Aya entkam Shinris Nähe nur knapp. Sie seufzte schwer. 'Selbst schuld', lachte eine stimme in ihr, die auf Shinris Seite zu stehen schien.

Schweren Herzens stand sie auf und verließ das Wohnzimmer, um Bettwäsche für Shinri zu holen. Auch wenn sie ihn nicht freiwillig hier haben wollte, so war sie nicht fähig, ihn auf dem nackten Fußboden schlafen zu lassen.

“Wenn du hier bleiben möchtest, dann wirst du dich auch an meine Regeln halten müssen. Und die Erste wäre wohl, dass du auf der Couch schläfst. Mein Schlafzimmer ist für dich tabu!”

Unsanft schleuderte sie die Bettwäsche auf die Couch und hätte Shinri beinahe darunter begraben. Der Junge fing das Knäuel geschickt und grinste Aya über den weichen Stoff hinweg an. “Wenn es sein muss. Ich wünsche dir eine Gute Nacht.”

“Ich dir nicht”, entgegnete Aya ihm und stampfte davon in ihr Schlafzimmer. Sie wollte die Hoffnung, er würde sie morgen verlassen, oder wäre nur ein schlechter Traum, nicht aufgeben. Doch etwas in ihr betete leise, er möge für Ewigkeit bleiben.

Zügig schloss sie die Tür hinter sich, um ihm keine Chance zu geben, doch zu ihr zu gelangen. Da sie aber wusste, dass er sogar geschlossene Türen überwinden konnte, schob sie zur Sicherheit mit Müh und Not ihre Kommode vor die Tür.

Fertig umgezogen ließ sie sich in ihr kuscheliges Bett fallen. So fertig wie heute, war sie schon lange nicht mehr gewesen.

Sie war müde und kaputt, aber seltsamer Weise wollte der Schlaf nicht kommen. Sie wälzte sich von einer Seite zur anderen. Schloss ihre Augen, öffnete sie wieder. Egal, was sie versuchte, es gelang ihr nicht, die Gedanken los zu werden.

Was würde der morgige Tag ihr bringen? Sie wiederholte jedes Wort, dass Shinri heute gesagt hatte. Das alles ließ sie einfach nicht los. Vor allem … hatte er wirklich recht?

Unbewusst wanderte ihre Hand an die Stelle, an der sich das Zeichen befand, dass sie angeblich mit Shinri verband. Sie musste zugeben, für einen Zufall war diese Geschichte wirklich zu abgedroschen. Aber Schicksal? Gab es so etwas überhaupt? “Sein Eigentum”, murmelte sie leise. “Sollte ich das wirklich sein?” 'Was dann?', setzte sie die Frage gedanklich fort.

Schnell schüttelte sie den Kopf. Seine Worte durften sie nicht durcheinander bringen. Am besten wäre es, überhaupt nicht darauf zu hören. Sein Eigentum? Pah! Da würde sie nicht mitspielen!

Erst als es auf Mitternacht zuging, konnte sie ihre Augen schließen und einschlafen. Der heutige Tag hatte sie so sehr beschäftigt, ebenso der ungewöhnliche Junge Namens Shinri. Doch jetzt überholte sie der Schlaf und zog sie mit sich.
 

Friedlich schlummerte sie in ihrem Bett. Der Mond schien in das Zimmer und warf einen Schatten auf das Bettgestell. Kühle Luft strömte in das Zimmer.

Leise glitt das Fenster auf. Der Kirchturm in der Stadt schlug zur Geisterstunde und Aya schlief friedlich weiter, ohne etwas zu bemerken. Glücklich kuschelte sie sich in ihre weiche Decke. Das unbekannte, dunkle Geschöpf setzte sich auf das Fensterbrett und die goldenen Augen richteten sich auf das Mädchen im Bett, ohne die Augen einmal abzuwenden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Angel_Sina_08
2008-12-07T17:04:41+00:00 07.12.2008 18:04
Es wird immer intressanter. BIn gespannt
Von: abgemeldet
2008-08-04T08:59:24+00:00 04.08.2008 10:59
Ich find' die Geschichte cool!!!
Das wird voll spaßig!!!!
Aber...
hast du wirklich die meisten Rechtschreib- und Grammatikfehler berichtigt?
Wenn ja, dann will ich gar net wissen, wie die Story vorher ausgesehen hat!!!
Schrieb' schnell weiter!!



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