Zum Inhalt der Seite

Ayashi - Der Weg zur Wahrheit

(überarbeitet)
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

An diesem Abend stand Hankan selbst oben auf der Mauer und ließ seinen Blick über die Umgebung streifen. Er nickte seiner Hime kurz zu und ließ sie dann ebenfalls über das Land schauen. Sie kam auch oft hierher, um einen Augenblick Ruhe zu suchen, das wusste er. Ayashi stützte ihre Arme auf die steinerne Brüstung, die den Wehrgang auf der Mauer notdürftig vor Angriffen schützte, und sah in die Ferne.

Die Hügel lagen ruhig und friedlich da, als gäbe es keinen Krieg im Norden. Leise hörte sie das Meer in der Ferne rauschen. Der Wind trug seinen salzigen Duft deutlich bis zum Schloss. Ayashi schloss für einen Moment die Augen und atmete die warme und schwere Abendluft ein. Es war Sommer, doch zwischen all den Kämpfen und Angriffen fiel es ihr schwer, sich an die häufigen Wechsel der Jahreszeiten zu erinnern. Sommer. Herbst. Winter. Frühling. Es war ihr einerlei – meistens.

Der Winter machte sie traurig, da sie ihren Vater nicht beobachten konnte, wie er den Schrein ihrer Mutter aufsuchte. Der Frühling machte sie nachdenklich, weil die Schönheit der Kirschblüten nicht einmal für einen kurzen Augenblick das Bewusstsein des Krieges zurückdrängen konnte. Der Sommer entsetzte sie, da es umso deutlicher wurde, dass das Schloss beinahe völlig verlassen war. Nur der Herbst schien in Ayashis Leben zu passen, doch auch hier störten die farbenfrohen Blätter und das ausgelassene Spiel des Windes das insgesamt düstere Bild der Zukunft.

Ayashi schüttelte den Kopf und seufzte, dann wandte sie sich an Hankan:

„Gibt es etwas Neues aus der Schlacht oder von den Verbündeten?“

„Nein, Ayashi-Sama.“

„Ich gewöhne mich langsam daran.“ meinte sie und blickte wieder in die Ferne.

Hankan betrachtete seine Hime und nickte langsam. Sie erledigte ihre Aufgabe gut und mit klarem Verstand. Er hatte nicht erwartet, dass er ihr so leicht folgen konnte, doch ihre Entscheidungen waren von Anfang an richtig und sogar klug gewesen. Ayashi ließ sich nichts anmerken, doch er bemerkte den Druck, der auf ihr lastete.

„Ayashi-Sama, wenn Ihr etwas braucht…“

„Nein, danke. Es ist alles in Ordnung.“ wehrte Ayashi ab und blickte den erfahrenen General an. „Ich hoffe jedes Mal, wenn ich frage, keine schlechten Neuigkeiten zu erhalten. So kann ich mir sicher sein, dass mein Vater, Katsumoto, Inu-no-taishou, Sesshou… unsere anderen Verbündeten noch am Leben sind. Und ich kann mir sicher sein, dass auch Ayame in Kochi ausreichend geschützt ist.“

„Ayame ist sicherer, als Ihr es seid, Ayashi-Sama. Sie ist in Kochi. Die chinesischen Youkai müssten zwei Gebirge überqueren, um dorthin zu gelangen.“

„Ja, das ist wahr. Shikoku liegt außerdem nicht in ihrem Interesse.“ stimmte Ayashi dem General mit dumpfer Stimme zu und zog ihre Hand von der Brüstung zurück.

„Gebt die Hoffnung nicht auf, Ayashi-Sama. Wenn Euer Vater in der Schlacht genauso verbissen kämpft, wie Ihr uns hier leitet, kann der Krieg nicht mehr allzu lange dauern.“

Ayashi nickte und zwang sich zu einem Lächeln.

„Ich habe aufgehört, an derartige Voraussagen zu glauben, Hankan-Sama, doch ich danke Euch.“ entgegnete sie und blickte wieder in die Ferne. „Ich werde mich etwas ausruhen.“

„In Ordnung, Ayashi-Sama.“ meinte der General und sah seiner Hime nach, wie sie über die engen und schmalen Stufen wieder hinunter in den leeren Hof stieg und diesen Überschritt.

Niemand kam ihr entgegen. Niemand öffnete ihr die Türen, als sie sich über die Empfangshalle in den privaten Bereich des Schlosses zurückzog und aus Hankans Sicht verschwand. Es war still geworden, da fast alle Diener ins Landesinnere gezogen waren, um den Übergriffen nicht völlig ausgesetzt zu sein. Viele der Kinder waren von Verwandten ebenfalls in geschützte Mauern geholt worden. Hankan hatte es genau wie Ayashi nicht gut geheißen, doch hatte sie ziehen lassen. Er wusste, dass die Mauern von Fukuoka dank ihm, seiner Krieger und seiner kämpferischen Hime zu den stärksten des Landes zählten.
 

Ayashi schritt langsam durch die dunklen Gänge und hörte nur ihre Schritte auf dem Holzböden hallen. Schon lange hatte sie keine Sandalen mehr getragen, da sie immer bereit für den Kampf sein musste. Sie trug einen Hakama und zwei Haoris, Stiefel und das Haar zurückgebunden, sodass Ayashi sich beinahe nicht mehr vorstellen konnte, einen Kimono aus Seide zu tragen. Nachdenklich betrachtete sie ihre Hände, an denen sich allmählich durch raue Haut an den Handballen und unterhalb der Finger in der Handfläche ansehen ließ, dass sie fast täglich das Schwert führte. Ayashi stellte sich ihr Spiegelbild vor und lachte bitter. Sie konnte sich wirklich nicht mehr als Hime bezeichnen.

Stetig ging sie weiter durch den Palast. Ruhe brauchte sie zwar, doch sie stellte sich einfach nicht mehr ein. Sobald sie sich niederlegte, kamen ihr die schlimmsten Gedanken in den Sinn und ihre nach außen hin gefasste Haltung begann wie eine alte und baufällige Fassade zu zerbröckeln. Ayashis Ruhe bestand nun darin, durch den ruhigen Palast zu spazieren, und in dieses und jenes Zimmer zu sehen, nur um festzustellen, dass es natürlich verlassen war und niemand mehr darin lebte, arbeitete oder beisammen saß.

Der Mond schleppte sich langsam auf seinem Weg über den klaren Himmel, als Ayashi in die Gärten hinaustrat, um die sich schon längere Zeit niemand mehr gekümmert hatte. Das Gras stand hoch, der Kies war unsauber und unebenmäßig, das Wasser der Teiche trüb, die Steine der Witterung überlassen, die Büsche und Sträucher nicht geschnitten, verwelkte Blüten aus den Blumenstauden nicht entfernt. Sogar das Laub des letzten Herbstes sammelte sich in den Ecken des Weges und auf den Stufen der Brücken oder des kleinen Schreines. Ein Bild des Jammers bot sich ihr bei Tage und Ayashi kannte ihn zu genüge. Sie war froh, dass die Dunkelheit die größten Missstände von ihren Augen fernhielt. Im Moment gab es einfach wichtigere Dinge zu erledigen und die wenigen Bediensteten im Schloss zur Gartenarbeit anzuhalten, schien ihr nicht angebracht.
 

Eine Windböe trug plötzlich den Geruch von fremdem Blut gegen Ayashis Sinne. Blitzschnell tastete sie nach ihrem Schwert und legte ihre Hand kampfbereit an den Griff, während sie durch den Garten und über den angrenzenden Hof die Mauer hinaufeilte.

„Was ist geschehen?“ fragte Hankan verwundert.

Ayashi blickte ihn verwirrt an, dann witterte sie in der Luft nach dem Geruch und musste feststellen, dass der Wind zu ungünstig stand. Ihre Augen durchkämmten die dunkle, leicht in silbernes Mondlicht getauchte Landschaft, doch der Geruch erreichte nicht noch einmal ihre Sinne. Es hatte ähnlich gerochen wie Inu-no-taishous Blut, doch er war es nicht gewesen, da war sich Ayashi sicher.

„Der Geruch von Blut… In den Gärten habe ich ihn deutlich wahrgenommen.“ erklärte Ayashi kurz dem General und suchte weiter mit zusammen gekniffenen Augen die Gegend ab.

Ihr Blick streifte weiter nach Norden und beobachtete den Waldrand, von dem der Geruch gekommen sein konnte. Hankan lief auf der Mauer entlang und spähte in die andere Richtung, doch Ayashi wusste, dass er dort nicht fündig werden würde. Fieberhaft blinzelte sie einige Male und fixierte weiter die Dunkelheit, bis sie endlich in weiter Ferne nicht weit entfernt vom Waldrand eine Gestalt erkannte, die reglos auf dem Boden lag.

„Hankan-Sama! Am Waldrand! Im Norden!“ rief sie und wies mit ihrer Hand in die Richtung, die sie meinte.

Hankan folgte mit seinem Blick ihrer Hand und nickte.

„Ich lasse Kaiso und Kogeki rufen. Sie sollen nachsehen!“ rief er ihr zu, doch Ayashi befand sich schon auf dem Weg in den Kopf und schüttelte den Kopf, als sie nach oben zu ihm sah.

„Das dauert zu lange! Ruft dir Krieger und kommt mir nach!“ wies sie ihn an, stemmte das Tor auf und rannte auf direktem Weg auf den Waldrand zu.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück