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Drei Stunden Frist für Sakura

Der dritte Dämonenkrimi
von

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Gift oder Heilmittel?

Da ihr alle gemeint habt, dass ihr sehnsüchtig auf einen neuen Krimi warten würdet, habe ich mich beeilt.

Diese Geschichte ist allerdings recht kurz, aber drei Stunden sind ja auch keine sehr lange Zeit...
 


 

1. Gift oder Heilmittel?
 

Die Diener im Schloss des Herrn der Hunde, gleich ob Menschen oder Dämonen, wunderten sich. Sie alle kannten den Heiler Neigi, waren bei Krankheiten auch schon in seiner Behandlung gewesen. Aber noch nie hatten sie den beleibten Herrn in fortgeschrittenem Lebensalter buchstäblich rennen sehen. Er stoppte erst vor dem Arbeitszimmer des Schlossherrn.

"Ist der Fürst hier?" keuchte er.

Die Diener starrten ihn überrascht an, einer antwortete jedoch: "Schon, aber Lord Sesshoumaru ist bei ihm und ich denke, dass sie nicht gestört werden wollen."

"Lord Sesshoumaru? Ah, das Schicksal meint es gut!" Der Heiler ging geradewegs auf die Tür zu und hinein.

Die Diener sahen sich schulterzuckend an. Sowohl Worte als auch Tat waren ungewöhnlich für den ruhigen, höflichen Neigi-san. Und in ihren Augen hatte der Heiler gerade eine äußerst rasche Selbstmordvariante gewählt.
 

Inu no Taishou hob überrascht - und verärgert - den Kopf, stutzte, als er den Störer erkannte.

Neigi warf sich zu Boden: "Verzeiht mein Eindringen, mein Fürst...aber ich bekam eben alarmierende Nachrichten." Vorsorglich berührte er mit der Stirn die Bretter. Auch ihm war nur zu bewusst, dass er gerade mit seinem Leben spielte.

"Neigi?" Der Hundefürst zog die Augen zusammen. Aber er kannte den Heiler zu gut, als dass er angenommen hätte, dieser würde so unhöflich sein, wenn kein sehr guter Grund dafür vorläge: "Was ist geschehen?"

Neigi richtete sich etwas auf: "Mein Fürst, Lord Sesshoumaru...ich bitte nochmals um Vergebung für meine Taktlosigkeit."

"Kommt zur Sache."

"Es geht um Sakura. Ich...Nun, wie Ihr wisst, bitten manchmal andere Fürsten, Menschen oder Dämonen um meine medizinische Beratung. So tat dies vergangene Woche auch Fürst Hikari. Sein Sohn sei erkrankt und ihr eigener Heiler bringe nichts zustande, er sei auch schon sehr alt und er habe wenig Vertrauen in ihn. Nach der Beschreibung der Symptome schloss ich auf eine nervliche Überreizung, nichts Tragisches, und entschied, Sakura dort hin zu schicken. Sie ist ein Mensch und würde sich in einem Menschenschloss gewiss wohlfühlen. So dachte ich. Jetzt ist etwas Entsetzliches passiert. Sowohl der junge Lord als auch ein Gast im Schloss wurden tot aufgefunden. Vieles deutet auf ein Verbrechen hin, nun, eigentlich alles, denn beide Toten tranken am Abend eine Arznei, die ihnen Sakura zubereitet hatte. Sie wurde daher gefangen gesetzt und soll als Mörderin hingerichtet werden."

"Sakura?" Der Hundefürst schüttelte unmerklich den Kopf: "Sie würde gewiss keinen anderen Menschen mit Absicht töten. Wäre es möglich, dass sie einen falschen Trank zubereitet hat?"

"Sie ist äußerst gewissenhaft, mein Fürst, aber das ist natürlich nie auszuschließen. Jedenfalls will Fürst Hikari sie wohl zwingen, ihren Anstifter zu nennen und lässt sie...gewaltsam befragen. Eine Menschenfrau aus diesem Schloss hat mir daraufhin Nachricht geschickt. Ihr tat sie wohl leid, da sie ihr zuvor geholfen hatte."

"Hat sie die Tat gestanden?" erkundigte sich Sesshoumaru.

"Nein." Der Heiler sah ihn korrekterweise nicht an: "Aber natürlich weiß ich nicht, was geschehen ist, seit diese Mariko mir den Brief schrieb. Ich glaube jedenfalls, dass Sakura niemals mit Absicht jemanden vergiften würde. So kann sie auch keinen Anstifter nennen. Ich möchte Euch bitten, mein Fürst, dass ich zu Fürst Hikari gehen darf und ihm die Sachlage erläutern..."

"Nein." Inu no Taishou erhob sich: "Ich gehe. Niemand tötet ein Mitglied meines Haushaltes ohne Gerichtsverfahren. Sesshoumaru."

"Herr Vater?"

"Komm mit."

Neigi atmete auf, als der Hundefürst und der Prinz das Zimmer verließen. Das hatte er zu erreichen gehofft. Der Auftritt des Herrn der westlichen Länder würde bei Fürst Hikari sicher einen ganz anderen Eindruck machen, als es das Erscheinen eines Heilers, sei er auch ein Dämon, gewesen wäre.
 

Das Schloss des menschlichen Fürsten lag inmitten einer blühenden Landschaft. Es war rechteckig gebaut, so dass in der Mitte ein großer Hof entstanden war. Für gewöhnlich lagerten hier Samurai, trainierten, aber heute standen alle Menschen, die nicht arbeiten mussten hier und sahen schweigend zu.

Die Luft wurde plötzlich merklich kühler und alle Geschöpfe fuhren herum. Die meisten von ihnen erkannten dieses unwillkürliche Frösteln, das einen überlief, wenn mächtige Dämonenenergien zu spüren waren. Fürst Hikari sprang unvornehm rasch auf. Zwei Wesen waren auf seinem Hof erschienen, die nicht nur er unverzüglich erkannte.

"Dämonen!" flüsterte es in der Menschenmenge.

Der Fürst ging seinen Gästen entgegen. Die langen weißen Haare und die Zeichnungen im Gesicht machten nur zu klar, wer der Besuch war. "Inu no Taishou, seid mir willkommen.....Ich nehme an, Ihr seid Lord Sesshoumaru..." Er wartete das knappe Nicken gar nicht ab: "Ihr habt von der Ermordung meines Sohnes gehört?"

"Ja." Der Herr der Hunde warf einen Blick in die Mitte des Hofes. Dort war ein Holzpfahl errichtet worden, an dem Sakura gefesselt war, die Arme ausgestreckt über dem Kopf. Sie musste in Ohnmacht gefallen sein, denn sie hing nur an ihrer Fessel, hatte die Augen geschlossen. Soweit er wusste war eine solche Haltung für Menschen sehr kreislaufbelastend und konnte letztendlich tödlich werden. Sie musste schon länger dort stehen. Um sie zusätzlich zu strafen hatte man ihr einen dicken Ast als Knebel in den Mund gepresst, diesen um ihren Kopf gezogen und hinter ihr zusammengebunden. "Es tut mir leid, dass Euer einziger Sohn gestorben ist, Fürst Hikari", sagte er ruhig: "Und wie ich sehe, seid Ihr Euch sicher, dass meine Heilerin einen Fehler begangen hat?"

Fürst Hikari war nicht dumm: "Falls ich Euch verärgert habe...ich hätte Euch Nachricht schicken sollen, dass ich Eure Heilerin gefangen genommen habe, ja. Dafür bitte ich um Vergebung. Aber ich fürchtete, Ihr könntet es auch übel vermerken, dass ich einem Mitglied Eures Haushaltes einen Fehler vorwerfe. Es ist jedoch eindeutig. Sie bereitete die Tränke zu - zwei Schlaftrunke. Und zwei Menschen waren am nächsten Morgen tot. Darunter mein einziger Sohn!" Der Fürst zügelte mühsam seinen Zorn: "Und ich habe sie dort anbinden lassen, um sie zu zwingen, mir zu sagen, wer ihr diesen Befehl gegeben hat. Sobald sie den Namen sagt, bekommt sie zu trinken. Und dann wird sie hingerichtet." Ein wenig zögernd fuhr er fort: "Oder wollt Ihr Einspruch erheben?"

"Nein." Der Herr der Hunde betrachtete ihn ruhig: "Wenn Sakura mit Absicht oder auch aus Versehen die Tränke vergiftet hat, soll sie sterben. Aber nicht, ohne dass ich alle Umstände kenne."

"Vielleicht wird sie Euch antworten."

"Sie wird antworten. Und ich möchte Euch ersuchen, meinem Sohn ungehinderten Zugang zu Eurem Schloss zu gewähren, zu erlauben, dass er Eure Diener befragt, damit wir herausfinden können, was geschehen ist."

"Mein Sohn ist tot! Und ein Gast! Das ist geschehen!"

"Ja. Aber interessiert Euch nicht die Ursache? Unter Dämonen ist es üblich, alle Umstände zusammenzutragen, die für die Schuld oder auch für die Unschuld eines Beschuldigten sprechen, ehe man das Urteil fällt."

Sesshoumaru seufzte in Gedanken. Warum redete sein Vater soviel? Wenn es nach ihm gegangen wäre, würden einige dieser Menschen bereits tot sein. Der Rest würde dann schon spuren. Diese erbärmlichen Geschöpfe lernten nur aus Konsequenzen.

Fürst Hikari starrte den Dämonenfürsten an. So wütend er war, dass sein Sohn tot war, so gern er diese Heilerin qualvoll hätte töten lassen - eines war klar. Vor ihm standen zwei der stärksten und mächtigsten Dämonen. Und Streit mit dem eigentlichen Herrn der westlichen Länder gehörte nicht zu seinen Träumen. "Ihr wollt sie da rausholen, oder? Kein Mitglied Eures Haushalts begeht ein Verbrechen, nicht wahr?" Er musste sich zwingen, das möglichst ruhig zu sagen. Dass es unter Dämonen fairer zugehen sollte als unter Menschen zog er nicht in Betracht.

Sakura raffte sich mühsam auf. Immer öfter brachen ihre Beine weg, immer rascher verlor sie das Bewusstsein. Wenn sie ihr doch nur zu trinken geben würden... Oder wenigstens diesen Ast entfernen, der ihre Lippen wund gerieben hatte, obwohl sie, solange sie wach war, fest in ihn biss, um sich zu schützen. Aber sie konnte keinen Namen sagen, da sie keinen wusste. Niemand hatte sie angestiftet, sie wusste ja nicht einmal, wie sie diesen Fehler gemacht haben sollte. Ihr Blick war noch etwas verschwommen, aber sie erkannte plötzlich zwei Wesen, mit denen sie hier nicht gerechnet hatte. Unwillkürlich war sie etwas erleichtert. Und Inu no Taishou unterhielt sich mit Fürst Hikari? Trotz des Rauschens in ihren Ohren verstand sie in der vollkommenen Stille des Hofes, was der Hundefürst sagte:

"Nein. Ich möchte herausfinden, was geschehen ist. Hat Sakura mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit zwei Menschen getötet, muss sie selbst sterben. So ist das Recht. Und da sie ein Mitglied meines Haushaltes ist, werde ich sie eigenhändig töten." Er hob ein wenig die Hand, so dass jeder Mensch, den es interessierte, die Krallen sehen konnte: "Und tat sie es gar mit Absicht, werde ich sie in Streifen schneiden. - Aber ich will wissen, was geschehen ist. Daher soll mein Sohn sich umsehen."

"Nun gut." Fürst Hikari wusste, dass das nur zu billig war, was der Inu no Taishou forderte. Und er würde seine Rache erhalten, wenn diese Heilerin die Klauen ihres Herrn zu spüren bekam. Er hatte einmal erlebt, wie ein weit schwächerer Dämon seine Krallen langsam durch einen Samurai gezogen hatte. War der mächtige Dämonenfürst verärgert, hätte dieses Mädchen gewiss minutenlang Zeit, zu schreien. "Aber der Tod meines Sohnes ist nun schon zwei Tage her. Ich möchte nicht länger mit seiner Beerdigung warten. Sie sollte heute Abend stattfinden, genauer, in drei Stunden, und ich wollte dort diese Sakura töten. Ich gebe Lord Sesshoumaru drei Stunden. Und dann entscheidet Ihr, Fürst der Hunde, und ich, wie die Heilerin sterben soll."

Trotz der Distanz war die Nase des Dämonenprinzen fein genug, um Sakuras Erleichterung zu wittern. Er war fast amüsiert. Das ließ nur zwei Schlüsse zu: erstens hatte sie nicht mit Absicht die Arzneien vergiftet und zweitens traute sie ihm zu, in drei knappen Stunden entweder den wahren Schuldigen zu finden, zumindest aber alle Umstände aufklären zu können. Sie vertraute ihm. Das war wirklich unterhaltsam von diesem Menschenmädchen.

"Einverstanden", sagte der Inu no Taishou.

"Dann setzen wir uns dort hinüber. - Dai...?" Ein Mann eilte heran, verneigte sich höflich vor seinem Fürsten. Dieser sah sich um: "Dai-san ist mein Haushofmeister, Lord Sesshoumaru. Er wird Euch alles zeigen, was immer Ihr sehen wollt, und Euch auch das Personal befragen lassen. Ihr habt drei Stunden."

Der Prinz nickte ein wenig: "Bindet Sakura anders an und nehmt ihr den Knebel ab. So kann man keine Aussage von ihr bekommen. Und gebt ihr zu trinken. Ich werde sie etwas später befragen."

Fürst Hikari wollte keinen Ärger: "Wie Ihr wünscht." Auf sein Bestätigen eilten zwei Diener los. "Darf ich Euch bitten, mit mir dort in den Schatten zu kommen, Herr der Hunde? Drei Stunden werden für uns lang erscheinen."

"Gewiss." Inu no Taishou warf einen Blick zu Sakura, die zu Boden fiel, als ihre Fessel gelöst wurde. Auch er hatte ihre Erleichterung wittern können - und auch er hatte daraus geschlossen, dass sie nicht mit Vorsatz gehandelt hatte. Aber war sie unzuverlässig gewesen? Oder was war sonst geschehen? Die Samurai gaben ihr einen Wasserkrug. Sie war vernünftig genug, langsam zu trinken. Sie war vertrauenswürdig, intelligent, das hatte Neigi ihm immer wieder über sie erzählt. Und die schlichte Tatsache, dass sie das einzige Wesen war, das bislang in der direkten Nähe seines Sohnes Tage verbracht hatte, ohne auch nur hart bestraft zu werden, deutete auch nicht darauf hin, dass sie nachlässig war. Aber vielleicht war ihr einmal ein Fehler unterlaufen - der dann allerdings gleich verheerende Wirkungen gehabt hatte. Sesshoumaru würde es herausfinden müssen, in der kurzen Zeit, die zur Verfügung stand.
 

Sakura trank langsam. Sie war einfach erleichtert, sitzen zu können, ihren Durst löschen zu können. Erst langsam kam ihr zu Bewusstsein, dass ihr Leben bald zu Ende war. In drei Stunden würde sie sterben müssen, wenn nicht ein Wunder geschah. Sie wusste ja selbst, dass alles gegen sie sprach. Sie hatte die Tränke zubereitet, sie sogar den beiden Männern gebracht, die am Morgen tot aufgefunden wurden. Aber sie hatte es sicher nicht mit Absicht gemacht, und so sehr sie auch grübelte, sie wusste nicht, welchen Fehler sie beim Abmessen begangen haben könnte. Ob doch irgendjemand anders schuld an den Toten sein könnte? Wenn ja, würde das Lord Sesshoumaru herausfinden, da war sie sicher. Und wenn nicht, so würde sie in drei Stunden durch die Hand des Herrn der Hunde sterben. Sie war fast ein wenig froh drum, denn das würde schnell gehen, schneller jedenfalls, als es Fürst Hikari mit ihr vorgehabt hatte.
 


 

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Da steckt jemand in Schwierigkeiten....

Drei Stunden sind nur 180 Minuten. Nicht sehr viel Zeit.
 

Wie immer gilt: wer so nett ist und miträt, mir einen Kommentar hinterlässt, dem schicke ich auch eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Noch 180 Minuten

Ja, drei Stunden sind keine lange Zeit, da habt ihr recht. Es sind alles in allem auch nur fünf Kapitel.

Ich habe die handelnden Personen und ihren Status wieder aufgelistet, damit ihr nachgucken könnt, wer was ist.Ich habe mich wieder bemüht, euch die Indizien im gleichen Moment zu geben, in dem Seine Lordschaft sie findet.

Jetzt fangen wir mit den Ermittlungen einmal an:
 

2. Noch 180 Minuten
 

Kuro Dai war ein zu wohl geschulter Haushofmeister um den Dämonenprinzen an seiner Seite anzustarren. Aber unwillkürlich war er überrascht, dass dieser vollkommen lautlos gehen konnte. Und er hatte natürlich Gerüchte gehört, über Dämonen im Allgemeinen und den mächtigen Hundedämon, der die westlichen Länder schützte, im Besonderen. Das hier war also der Kronprinz? Er sah so jung aus, vielleicht wie sechzehn, aber wer kannte sich schon mit Dämonen aus.

Er blieb stehen, neigte höflich den Kopf: "Was wünscht Ihr zuerst zu sehen, Hoheit?"

"Sag Lord Sesshoumaru." Der Prinz war durchaus nicht unangenehm berührt über solche Höflichkeit - diese Anrede stand einem Fürstensohn nicht zu. "Die Zimmer der beiden Toten. Wurde dort etwas verändert?"

"Nein, Lord Sesshoumaru. Fürst Hikari.." Dai brach ab. Mehr war nicht gefragt gewesen. Aber da der Prinz eine Augenbraue hob fuhr er fort: "Der Fürst befahl, alles so zu lassen, bis sein Sohn begraben sei."

"Gut."

"Wenn Ihr mir folgen würdet..."

"Dai war dein Name?"

"Ja, Lord Sesshoumaru." Er führte den jungen Dämon durch das Schloss.

"Der Prinz war der einzige Sohn des Fürsten?"

"Ja, Lord Sesshoumaru."

"War er beliebt?"

"Oh ja, Lord Sesshoumaru. Ich...Soll ich es Euch erzählen?"

"Ja."

"Der Fürst war schon zweimal verheiratet, aber leider hatten ihn die Götter nicht gesegnet. Erst von seiner dritten Frau bekam er den Prinzen. Dieser war nun neunzehn Jahre alt, ein sehr netter junger Herr. Sehr ruhig, sehr wohlerzogen. Er sollte nächstes Jahr heiraten. Wer hätte gedacht, dass er solch ein tragisches Ende finden würde...." Dai brach ab: "Hier ist das Zimmer des jungen Herrn, Lord Sesshoumaru." Er schob die Tür beiseite und erstarrte: "Nimie, was tust du denn hier?"

Eine junge Dienerin saß dort, tränenüberströmt. Sie sah auf. Als sie den Haushofmeister und einen Unbekannten entdeckte, sprang sie hastig auf, drängte sich an Dai vorbei, berührte noch fast Sesshoumaru, ehe sie den Gang hinunterlief.

Dai schüttelte den Kopf, wandte sich aber an seinen Begleiter: "Verzeiht. Nimie war die persönliche Dienerin des jungen Herrn. Sie ist wohl noch ein wenig durcheinander. - Bitte, tretet ein."

Der Dämonenprinz folgte der Aufforderung, blickte sich rasch im Zimmer um. Eine Truhe für Kleidung, Matten als Lager, eine hölzerne Kopfstütze. Ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Boden, mit Liebesgedichten. Neben dem Lager befand sich ein leerer Becher. "Öffne die Truhe!"

Dai antwortete nicht, sondern tat das Gewünschte. Er war zu lange Haushofmeister, um seine Verwunderung zu zeigen.

Sesshoumaru trat hinzu. Kleidung, wie er erwartet hatte. Aber diese Witterung? Er bückte sich, griff hinein. Unter dem obersten Kimono lagen drei kleine verschlossene Tütchen aus Papier. Er nahm eines. Der Geruch bestätigte sich. Pulver aus Schlafmohn. Er drehte sich wieder um, ging zu dem Becher am Kopfende, hob ihn auf. Die Witterung war eindeutig. Wasser, in dem Mohn aufgelöst worden war. Ein winziger Hauch von Sakuras Fingern war noch zu erkennen.

"Wer hatte Dienst beim Prinzen an dem Abend?"

"Kyo. Soll ich ihn holen?" Dai wartete das Nicken gar nicht ab, sondern eilte schon davon.

Kurz darauf kniete ein Mann höflich vor dem Hundeprinzen nieder.

"Du hattest Dienst? Sakura brachte den Becher?"

"Ja, Herr."

"Lord Sesshoumaru", zischte der Haushofmeister eilig.

"Ja, Lord Sesshoumaru", korrigierte der Diener sofort in die ehrfurchtsvollere Höflichkeitsanrede.

"Hatte sie da den zweiten Becher auch schon in der Hand?"

"Nein, Lord Sesshoumaru. Das wäre kaum gegangen. Sie hatte ja beide auf einem Tablett."

Sesshoumaru unterdrückte ein Seufzen. Für gewöhnlich hätte er diesem erbärmlichen Idioten seine Giftklaue irgendwohin gedrückt. Aber das war ja nicht sein Diener: "Erzähle ausführlich und genau."

"Ja, wie Ihr wünscht. Also, als diese Mörderin..." Kyo blickte irritiert auf, als etwas wie ein Knurren zu vernehmen war, begegnete plötzlich roten Augen. Zu Tode erschreckt brachte er hervor, was offenkundig zu Hören gewünscht wurde: "Als diese Heilerin kam, setzte sie das Tablett neben mir ab und ließ mich fragen, ob sie eintreten dürfe." Da kein Knurren mehr zu hören war, die Augen wieder bernsteinfarben waren, fuhr er fort: "Der Prinz bejahte. So nahm sie einen Becher und ging hinein. Ich hörte dann noch, wie der Prinz etwas sagte, sie etwas sagte, und dann schnell den Raum verließ. Sie fragte mich außerdem nach dem Weg, dann nahm sie das Tablett auf und ging." Er hoffte, dass das alles war, was dieser Dämon hören wollte. Er kannte Dämonen nur als unheimliche Wesen in den Wäldern, die ahnungslose Menschen zerrissen und hatte keine Ahnung, wie man mit welchen umgehen sollte, die so menschenähnlich wirkten, es aber wohl nicht waren. Aber ganz offensichtlich war dies ein sehr vornehmer Herr und er reagierte aus antrainierten Instinkten. "Ich bitte Euch um weitere Fragen, Lord Sesshoumaru."

"Der zweite Becher blieb neben dir stehen? Hast du ihn berührt? Davon getrunken?"

"Nein, natürlich nicht, Lord Sesshoumaru."

"Du kannst gehen." Erleichtert machte sich der Diener davon. Der Dämonenprinz atmete ebenfalls auf. Solche Musterexemplare von Menschen zerrten an seinen Nerven. Zumal, wenn er ihnen nicht zeigen durfte, wie sehr sie irrten. "Gut, Dai. Wo ist das Zimmer des anderen Toten? Wie hieß er?"

"Nigari-san, Lord Sesshoumaru. Er war ein Gefolgsmann des Fürsten und im Augenblick hier zu Gast. Wenn Ihr die Güte hättet, mir zu folgen?"

Der Hundeprinz hatte die Güte. Drei Stunden waren schließlich keine lange Zeit, um etwas herauszufinden.
 

Das Gästezimmer sah fast aus wie das des toten Fürstensohnes. Auch hier stand der Becher, in dem Sakura das Schlafmittel gebracht hatte, noch neben dem Kopfende. Daneben lag ein einfacher, schmaler Seidengürtel. Der Nase nach war dieser Gürtel eng mit dem Besitzer des Zimmers in Berührung gekommen, gehörte wohl ihm. Eine kleine Truhe, vermutlich eine Reisetruhe, befand sich an der linken Wand. Dies war ja nur ein Gast gewesen, hatte nur wenig Garderobe mitgebracht. Auf der Truhe lag ein Kimono, nachlässig hingeworfen, in viele Falten geknittert. Auch dieser gehörte dem Verstorbenen. Darauf befand sich eine schwere Goldkette, wie sie ehrenhalber verliehen wurde.

Sesshoumaru nahm den Becher, witterte. Hier war ebenfalls der Geruch des Schlafpulvers zu erkennen, schien aber etwas schwächer zu sein, als in dem Trank des Prinzen. Und der Hauch Sakura haftete immer noch an dem Gefäß. Er stellte den Becher ab, drehte sich um: "Wo sind die beiden Toten?"

"Im Keller. Dort ist es kühl und Fürst Hikari wollte beide gemeinsam beerdigen, eine große Ehre für Nigari-san..."

"Ich will sie sehen."

"Äh." Dai hätte fast geschluckt. Aber vielleicht galt das unter Dämonen nicht als unschicklich. Jedenfalls hatte er den Befehl bekommen, alles zu zeigen, was dieser Dämonenprinz sehen wollte. Überdies: wer wusste schon, wie ein verärgerter Dämon reagieren würde. So sagte er hastig: "Kommt bitte, Lord Sesshoumaru."
 

Während dieser dem Haushofmeister folgte, dachte er nach. Pulver aus Schlafmohn war ein unter Menschen übliches Mittel, um künstlich einschlafen zu können. Diese erbärmlichen Wesen benötigten ja Schlaf. So gesehen war nichts ungewöhnlich. Sakura hatte sich jedenfalls nicht in der Art der Medizin vergriffen. Konnte man Schlafmohn überdosieren oder gar vergiften? Hatte jemand anderer sich an ihren Arzneien zu schaffen gemacht? Dieser müsste sich dann aber gut auskennen.

Im Keller steckte der Haushofmeister sich eine Fackel an, ehe er weiterging. Er hatte eine gesunde Abneigung in einen dunklen Kellerraum mit zwei Leichen zu gehen, aber dann sagte er sich, dass nichts, was ihn dort erwartete, ärger sein könnte als sein derzeitiger Begleiter. Er hatte unauffällig, wie er hoffte, diesen immer wieder betrachtet. Das war zwar unhöflich, aber wann sah man schon einmal einen Dämon aus dieser Nähe und musste nicht um sein Leben fürchten? Und so menschlich dieser auf den ersten Blick wirkte - die Hände waren Klauen und Dai verspürte keine Lust auszuprobieren, wie sie sich anfühlen würden.

Er öffnete die Klappe, stieg vorsichtig die Leiter hinab, entzündete unten noch eine Fackel. Im flackernden Licht wirkten die beiden Toten lebendig und er schluckte etwas, zuckte dann aber zusammen, als der Dämonenprinz neben ihm landete. Er hatte darauf verzichtet, die Leiter zu benutzen, sondern war gesprungen.
 

Sesshoumaru ignorierte den Haushofmeister und trat zu den Leichen. Anhand der Kleidung war unschwer zu erkennen, wer wer war. Das Gesicht des Prinzen war völlig friedlich und entspannt. Wäre nicht der unverkennbare Geruch des Todes gewesen, hätte man annehmen können, der Mohnsaft wirke noch immer. Auch seine Körperhaltung sah eher wie im Schlaf aus.

Er wandte sich Nigari zu. Bei diesem waren die Spuren des Todes deutlicher zu erkennen, denn sein Gesicht war aufgedunsen und verzerrt. Zudem besaß der Tote mehr von den typischen, schwärzlichblauen Leichenverfärbungen bei Menschen, insbesondere im Halsbereich, soweit man bei der Kleidung etwas erkennen konnte.

"Ich möchte den bisherigen Heiler sprechen. Lebt er noch im Schloss?"

"Ja, Lord Sesshoumaru." Der Haushofmeister löschte hastig das Licht und eilte die Leiter empor, weniger aus promptem Gehorsam, eher froh, den unheimlichen Gestalten unten zu entkommen. Er war kaum oben, als auch der Hundeprinz empor gesprungen kam. So leicht und elegant wie das aussah, konnte ein Sprung über drei Meter für einen Dämon nicht das geringste Problem darstellen. "Würdet Ihr mir bitte folgen?" Dai schloss die Klappe und führte seinen dämonischen Begleiter weiter durch das Schloss.
 

Sesshoumaru bemerkte eine Bewegung neben sich. Er hätte der Attacke leicht ausweichen können, aber er war zu neugierig, was das werden sollte. Diese Dienerin, diese Nimie, rannte auf ihn zu, schlug mit beiden Fäusten wild auf seine Rüstung ein. Das war einfach zu albern, als dass er das für einen echten Angriff gehalten hätte. Aber natürlich war das kein Benehmen. Er schlug dosiert zu. Immerhin war das nicht sein Personal. Wenn jemand zuhause eine solche Attacke gewagt hätte, hätte er sich in allen vier Ecken des Raumes gleichzeitig wiedergefunden. Das Mädchen flog gegen die nächste Wand, blieb dort liegen.

"Nimie!" brachte der Haushofmeister entgeistert hervor: "Bist du jetzt völlig übergeschnappt?"

"Er will diese Mörderin retten!" schluchzte sie: "Sakura soll doch sterben! Sie muss sterben!"

"Bitte, verzeiht, Lord Sesshoumaru", wandte sich Dai höflich an seinen Gast: "Sie muss den Verstand verloren haben." Er trat zu dem Mädchen, flüsterte ihr zu: "Bitte den Prinzen um Verzeihung und bedank dich, dass du noch lebst! Er ist nicht nur einfach ein Prinz sondern auch ein Dämon. Und sein Vater, der mächtige Inu no Taishou ist im Hof. Du bringst uns alle in Gefahr mit deiner Verrücktheit!"

Nimie schluchzte wieder: "Das ist doch alles nur meine Schuld, dass der junge Herr tot ist!"

Der Dämonenprinz machte einen Schritt näher: "Was?"

Dai schluckte: "Was redest du da? Nimie?" Hoffentlich war das nicht die Wahrheit, sonst würde Fürst Hikari ja sein Gesicht vor den Dämonen verlieren.

"Ich...ich muss einen Fehler gemacht haben..."

"Wieso soll es deine Schuld sein, dass der Prinz gestorben ist?" Der Haushofmeister überlegte kurz, ob sie wirklich irrsinnig geworden war.

"Er...er wollte mich nicht mehr. Ich muss einen Fehler gemacht haben..." Das Mädchen sah zögernd zu Dai: "Ihr wisst es doch, Dai-san...er hat mich immer gern gemocht, aber seit diese Sakura da war, hat er mich überhaupt nicht mehr beachtet. Ich muss einen Fehler gemacht haben. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte er nie nach dieser Heilerin geschickt, hätte er nie den Trank zu sich genommen. Ich habe was falsch gemacht und nur darum musste er sterben!" Sie schlug die Hände vors Gesicht.

"Das ist Unsinn", befahl Dai streng: "Und dein Benehmen ist mehr als unziemlich. Bedank dich jetzt bei Lord Sesshoumaru, dass er so gnädig war, dich nicht zu töten und dann geh und beruhige dich. Du bist ja eine Schande für unser Haus."

Nimie nahm sich mühsam zusammen. Aber ihr war klar, dass der Haushofmeister Recht hatte. Sie hatte sich mehr als anstößig benommen, ohne nachzudenken sogar auf einen Dämon eingeschlagen. Eigentlich war es wirklich verwunderlich, dass sie noch lebte. Vorsichtig blickte sie auf. Er sah so jung aus, und im Grunde wie ein Mensch. "Ich...ich..." Wie sollte sie das sagen? "Danke...." murmelte sie dann einfach, ehe sie aufstand und weglief. Hoffentlich hatte sie nicht zuviel gesagt.

"Ich bitte um Verzeihung, Lord Sesshoumaru", meinte Dai hastig: "Unser Personal ist für gewöhnlich nicht so unhöflich. Sie muss noch immer geistig verwirrt sein, durch den Tod des jungen Herrn."

"Ich will zu dem Heiler."

"Natürlich. Bitte, folgt mir. Ich bedauere diesen Zwischenfall zutiefst, Lord Sesshoumaru. Und ich danke für die Nachsicht, die Ihr mit Nimie hattet." Dai ging weiter. "Akari-san lebt dort in diesem Flügel."
 

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Hat euch die Tatortbesichtigung oder die Leichenbeschau weitergeholfen? Immerhin ist schon einiges von der Zeit um.
 

Tipps und Kommentare werden wie immer gern entgegengenommen.Ich schicke euch dann wieder eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Noch 120 Minuten

Es freut mich, dass euch die Geschichte so gut gefällt.
 

Ich hab auch eine Idee für einen neuen Krimi gehabt... Mal sehen, wie lange ich dazu brauchen werde, ihn zu schreiben.
 

Jetzt viel Spass beim Lesen und Raten!
 


 

3. Noch 120 Minuten
 

Ein zufällig vorbeikommender Diener, den der Haushofmeister fragte, bestätigte, dass der Heiler, Akari-san, in seinem Zimmer sei.

Dai öffnete die Tür: "Akari-san, Fürst Hikari gab mir den Auftrag, Lord Sesshoumaru durch das Schloss zu führen. Er soll alle Auskünfte bekommen, die er wünscht."

"Lord..?" Der Heiler verneigte sich hastig. Natürlich wusste er, wer das war, er war ja zuvor selbst mit im Hof gestanden, als die beiden Dämonen erschienen waren. "Wie kann ich Euch helfen?" Er war ein Mann von sicher über sechzig Jahren.

"In dem du mir ein paar Fragen beantwortest." Sesshoumaru sah sich um. Der Raum wirkte wie bei Neigi: Truhen, in denen Kräuter und Mineralien zu wittern waren, eine eigene Feuerstelle, um Tränke kochen zu können, verschiedene Becher und Gerätschaften, kleine Tütchen. "Warst du ärgerlich, als Sakura angefordert wurde?"

Akari war nicht dumm. Er wusste, worauf diese Frage hinauslief. So zögerte er ein wenig. Aber soweit er wusste, war die Nase gerade von Hundedämonen zu fein, als dass dem Prinzen eine Lüge entgangen wäre. So formulierte er sorgfältig. "Nun, ich freute mich nicht gerade, dass Fürst Hikari mir sein Vertrauen entzog. Und ich bedauerte es umso mehr, als jetzt diese tragischen Folgen eingetreten sind."

"Der Prinz war krank?"

"Ja, aber nicht körperlich. Ich versuchte, dem Fürsten klarzumachen, dass die Müdigkeit seines Sohnes, seine Blässe, seine Stille, auf sein Gemüt zurückzuführen wären."

"Unser Heiler vermutete eine nervliche Überreizung. Du auch?"

"Ja, in der Art." Der Heiler sah zu Dai, meinte dann jedoch: "Er litt darunter, der einzige Sohn zu sein, fühlte sich überfordert, wie Ihr gewiss versteht, Lord Sesshoumaru."

"Du solltest darauf verzichten, mich analysieren zu wollen." Das klang fast sanft, war aber nichtsdestotrotz eine Drohung.

"Verzeiht, das meinte ich nicht", sagte Akari hastig, dem gerade erst bewusst wurde, dass er ebenfalls mit einem einzigen Sohn sprach: "Vergebt mir. Seht mir meinen unüberlegten Satz nach..."

Immer dieses sinnlose Gestammel."Daher gabst du ihm das Schlafpulver, das in seiner Truhe lag?"

Der Heiler atmete ein wenig auf. "Ja, Lord Sesshoumaru. Der Prinz klagte seit Jahren über Schlafbeschwerden, oft genug konnte er erst im Morgengrauen einschlafen. So habe ich ihm immer kleine Tütchen in der korrekten Dosierung zubereitet und ihm gegeben. Er konnte sich so je nach Bedarf selbst einen Schlaftrunk zubereiten. Wobei ich ihm natürlich gesagt habe, dass er keinesfalls mehr als zwei Tüten mit dem Mohnpulver verwenden dürfte. Das wäre ja eine Vergiftung gewesen. Und ein Päckchen reichte ihm für gewöhnlich auch."

"Vor zwei Tagen wollte er, dass Sakura ihm einen Trunk zubereitete. Weißt du, warum?"

Der Heiler sah zu Boden: "Nun, Lord Sesshoumaru...."

"Ich warte."

"Sakura mag ja eine ganz gute Heilerin sein, aber sie ist ebenso eindeutig ein sehr hübsches Mädchen. Wenn sie den Trank braute und ihm persönlich in sein Zimmer bringen sollte, wollte er vielleicht...nun ja. Mit ihr anbändeln?"

"Und Nigari?"

"Der wollte kaum mit ihr anbändeln, seine Frau kam ja mit her."

"Seine Frau?" Sesshoumaru drehte sich zu Dai um.

Der Haushofmeister nickte: "Mariko. Sie schläft allerdings im Frauentrakt."

Mariko? Dann hatte sie den Brief an Neigi geschrieben? Tat Sakura ihr etwa leid? Oder war das nur eine zufällige Namensgleichheit? Er blickte wieder zu Akari, der hastig zu Boden sah: "War Nigari krank?"

"Nein, nicht das ich wüsste. Aber solch ein Mohntrunk wirkt auch bei leichten Schmerzen, Kopfschmerzen oder so. Ihr müsst Sakura befragen, warum sie ihn herstellen sollte." Der Heiler keuchte erschreckt auf, als er plötzlich gut einen Meter über dem Boden schwebte, eine Hand mit Krallen an der Kehle. Entsetzt starrte er hinunter in die bernsteinfarbenen Augen des Dämonenprinzen, der sich offenkundig nicht einmal anstrengen musste.

"Sag mir nie, was ich tun soll."

"Verzeiht..." brachte Akari hervor, dem die Luft ausging. Irgendwie schaffte er es noch, das zu sagen, was sein Gegenüber hören wollte. "Lord Sesshoumaru."

Der öffnete die Finger: "Zeig mir solch eine Tüte mit dem Mohnpulver."

Der Heiler raffte sich eilig auf. Der Umgang mit Dämonen barg unerwartete Risiken. Natürlich war er nicht begeistert gewesen, dass Sakura den Prinzen behandeln sollte, aber er hatte sie durchaus höflich gefunden. Nun allerdings fragte er sich, wie ihr Leben in einem Schloss voller Dämonen wohl aussehen würde. Ob sie deswegen so bemerkenswert höflich und zurückhaltend war? Musste man das da sein, wenn man am Leben bleiben wollte? Er holte rasch eine kleine Tüte: "Bitte, Lord Sesshoumaru."

Dieser nahm es, witterte. Ja, das war der gleiche Geruch wie in den Tütchen im Zimmer des Prinzen. "Die Dosierung ist stets die gleiche?"

"Ja, Lord Sesshoumaru. Ich habe diese Tüten eigentlich stets bereitliegen, für den Fall, dass jemand einen Schlaftrunk möchte. So muss ich nicht in Eile abmessen. Und der Prinz bekam immer eine vollständige Wochenration von mir."

Das erklärte die unbenutzten Tütchen. "Fürst Hikari wusste nichts davon, dass sein Sohn regelmäßig Mohnsaft zu sich nahm?"

Akari zögerte: "Nein. Der Prinz wünschte es nicht, um nicht in den Augen seines Vaters noch schwächer dazustehen. Und....wenn ich das Euch erklären dürfte, Lord Sesshoumaru?" Nach seinem Erlebnis war er vorsichtiger.

"Ja."

"Nun, die Dosierung ist nicht gefährlich und gar nichts. Es bestand kein Grund, den Fürsten gegen den Willen des Prinzen darüber zu informieren." Überdies war er sich nicht sicher, wie der Herr darauf reagiert hätte.

"Woran könnte er gestorben sein?"

"Entweder Sakura hat eine viel zu hohe Dosierung genommen oder aber Mohnpulver und etwas anderes verwechselt, sei es mit Absicht oder ohne."

"Und für Nigari gilt das gleiche?"

"Ja, Lord Sesshoumaru."

"Gut." Der Dämonenprinz drehte sich um. Dai schob hastig die Tür für ihn auf.

Für einen Augenblick begegneten die Blicke der beiden Menschen sich. Sie würden erst aufatmen, wenn die unheimlichen Besucher wieder verschwunden waren.

Sesshoumaru dachte kurz nach, ehe er sich abwandte und nach rechts ging. Dai war etwas überrascht, beeilte sich aber, ihm zu folgen. Dort ging es wieder in den Hof. Wollte der Dämonenprinz mit seinem Vater sprechen? War er schon überzeugt, dass Sakura nur einen Fehler gemacht hatte, fahrlässig gehandelt hatte? Das würde ihr zwar nicht das Leben retten, aber doch einen schnellen Tod bescheren.
 

Sakura kniete neben dem Pfosten in der Mitte des Hofes. Sie war nicht mehr gefesselt und hatte nun zu trinken bekommen und sie war im Augenblick damit schon zufrieden. Auch, wenn ihr nur zu klar war, dass ihr Leben in knapp zwei Stunden zu Ende sein würde, wenn nicht ein Wunder geschähe. Unwillkürlich hob sie etwas den Kopf, sah hinüber, wo sich der menschliche und der dämonische Fürst unterhielten. Inu no Taishou hatte gesagt, er würde sie eigenhändig töten und sie hoffte, dass er gnädig genug wäre, sie schnell sterben zu lassen. Ganz gewiss würde Lord Sesshoumaru nachweisen können, dass sie nicht mit Absicht die beiden Männer vergiftet hatte. Sie überlegte zum hundertsten Mal, was sie an diesem Abend falsch gemacht hatte, aber sie wusste es nicht.

Sie sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung, erkannte weiße Hosen, schwarze Schuhe und neigte sich hastig weiter vor.

"Sakura."

"Lord Sesshoumaru?"

"Wann bekamst du die Anforderung für den Schlaftrunk von dem Prinzen und wann von Nigari?"

"Fast gleichzeitig, Lord Sesshoumaru. Es war beim Essen im Saal."

"Es konnte also jeder hören, dass beide Mohnsaft wollten?"

"Ja." Sie überlegte. Doch, das stimmte. Beide hatten das vor einer größeren Anzahl von Zuhörern gesagt. Das war ihr noch gar nicht aufgefallen.

"Du bist dann in dein Zimmer gegangen?"

"Ja, Lord Sesshoumaru. Wünscht Ihr einen genauen Bericht?"

"Ja." Angenehm, dass sie wusste, wie er vorzugehen pflegte.

"Nun, ich ging in mein Zimmer. Neigi-san hatte mir seine Reiseapotheke überlassen, wo die gängigsten Tinkturen und Kräuter enthalten sind. Auch Mohnpulver ist darunter, denn es wird nicht nur als Beruhigungsmittel, sondern auch als Schmerzmittel eingesetzt. Die Apotheke sind zwei Koffer. Ich nahm Becher, die mir Fürst Hikari zur Verfügung gestellt hatte und goss Wasser aus der Karaffe hinein, die dort steht. Dann nahm ich aus der einen Apotheke das Gefäß mit dem Pulver und den dazugehörigen Messlöffel."

"Diesen Messlöffel gab dir Neigi?"

"Ja, Lord Sesshoumaru. Damit die Dosierung stets gleich ist. Ich schüttete das Pulver jeweils in die Becher und rührte mit einem Bambusstäbchen um. Danach stellte ich die Becher auf ein Tablett, da sowohl der Prinz als auch Nigari-san den Wunsch geäußert hatten, ich solle es ihnen persönlich vorbeibringen." Sakura starrte auf den sandigen Boden des Hofes. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten: "Verzeiht, Lord Sesshoumaru", bat sie hastig: "Ich...ich beruhige mich gleich wieder." Nicht, das er ihr einen Grund geben würde, wirklich zu weinen.

Der Dämonenprinz konnte ihre Tränen riechen: "Hast du dann die Apotheke wieder geschlossen?" Menschen. Sie hatte jetzt Angst, obwohl noch knapp zwei Stunden nichts geschehen würde.

Sie schüttelte den Kopf, bemühte sich, ihre Fassung wieder zu erlangen. "Da kam eine Dame herein. Sie bat mich, ihr noch einmal ein Mittel zu geben, das...nun, es ging um ein Frauenleiden. Ich hatte im anderen Koffer das Passende dabei und so gab ich ihr wieder die Kräuter, riet ihr, sie in ihr Bad zu streuen. Sie bedankte sich sehr freundlich und ging. Dann räumte ich alles auf und trug das Tablett zu den beiden Herren."

"Sagte der Prinz etwas zu dir?"

Sie wurde ein wenig rot: "Er...er machte einen Scherz, ich solle bei ihm bleiben, aber natürlich lehnte ich ab. Ich stellte den Becher neben ihn und ging wieder. Auch bei Nigari-san tat ich dies. Dann kehrte ich in mein Zimmer zurück und legte mich schlafen. Ich wurde erst von den beiden Samurai geweckt, die mich zu Fürst Hikari schleppten. Da erfuhr ich, was geschehen war."

"Wer war die Dame, die zu dir kam?"

"Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, dass das die Gemahlin von Nigari-san war. Zumindest habe ich sie einmal gesehen, wie sie sich unterhielten."

"Mariko?"

Sie war so überrascht, dass sie den Kopf hob: "Ich glaube, ja, so heißt sie." Schleunigst blickte sie wieder zu Boden.

"Hat der Prinz schon öfter solche Angebote dir gegenüber gemacht?"

Sakura schwieg. Sie wusste, dass sie ihn nicht anlügen konnte, er würde es wittern. Sagte sie aber ja, was den Tatsachen entsprach, so hatte sie ein wunderbares Motiv gehabt, den Sohn des Hauses zu töten.

"Sakura."

"Verzeiht, Lord Sesshoumaru. Ihr wisst es ja." Sie bemerkte, dass er einen Schritt näher kam. Wollte er sie bestrafen? "Vornehme junge Herren der Menschen machen manchmal solche Scherze mit Dienerinnen." Sie hatte extra betont, dass nur menschliche Prinzen so etwas tun würden. Das Letzte, was sie wollte, wäre, dass er ihr unterstellte sie hätte mit Absicht die beiden vergiftet. Inu no Taishou würde gewiss seinem Sohn mehr Glauben schenken als einem Menschenmädchen. Und sie wagte nicht, sich vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, würde er seine Krallen langsam durch sie ziehen.

"Hat Nigari auch so etwas gesagt?"

"Ja, Lord Sesshoumaru..." flüsterte sie fast unhörbar. Er hatte ein Motiv gefunden.

"Schon öfter oder da zum ersten Mal?"

"Zum ersten Mal."

"Mir wurde gesagt, dass du in Menschenaugen ein hübsches Mädchen bist."

Sakura wurde ein wenig rot. Das klang so, als ob sie es in seinen Augen nicht wäre. Nun gut, er hielt Menschen ja nicht gerade für ebenbürtige Lebewesen. Aber was sollte sie darauf antworten? "Danke..."

"Hat in unserem Schloss auch schon ein Mensch dir solche Angebote gemacht?"

"Nein, Lord Sesshoumaru." Schließlich nahmen die meisten an, dass er selbst die Hand auf ihr hatte, ein Irrtum, den aufzuklären sie sich schon längst nicht mehr bemühte. Keiner glaubte ihr. So oder so wussten sie alle, dass sie mit ihm schon tagelang im gleichen Zimmer gewesen war, das nicht nur überlebt hatte, sondern sogar ohne Verletzungen davongekommen war. Da zogen die Menschen einen einfachen Schluss. Aber das konnte sie ihm doch unmöglich sagen. Im schlimmsten Fall würde das einen Massenmord ergeben.

Er betrachtete ihren gesenkten Kopf. Sie war aufgeregt, nervös. Sie hatte Mittel, Gelegenheit und Motiv gehabt. Eigentlich konnte man ihr unterstellen, dass sie vorsätzlich den Prinzen vergiftet hatte. Aber warum dann Nigari? Sie hatte ihn nicht angelogen, als sie gesagt hatte, er habe ihr zum ersten Mal solch ein Angebot gemacht. Sakura war zu klug, um ihn anzulügen. Sie wusste sicher, dass er jede Veränderung bemerken würde. Und ein Versehen? Wie? Wenn sie Neigis Messlöffel benutzt hatte? Oder hatte sie den falschen Messlöffel zur Hand genommen? Er drehte leicht den Kopf: "Dai?"

Der Haushofmeister eilte herbei: "Lord Sesshoumaru?"

"Zeig mir das Zimmer, in dem Sakura arbeitet."

"Sehr wohl. Wenn Ihr mir folgen würdet..."

Sakura blickte unwillkürlich auf, um ihm nachzusehen. Er suchte tatsächlich weiter. Irgendwie erleichterte sie das. Dann glaubte er ihr, dass sie nicht bewusst einen Menschen oder gar zwei getötet hatte. Vielleicht konnte er aufklären, was geschehen war. Selbst, wenn sie tatsächlich einen Fehler gemacht hätte und den mit dem Leben bezahlen musste, so hätte sie doch gern gewusst, welchen.
 

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Die Ermittlungsmethoden Seiner Lordschaft sind wirklich dazu geeeignet, auch die nüchternsten Zeugen in Angst zu versetzen...

Das nächste Kapitel heisst: noch 90 Minuten. So langsam wird die Zeit eng. Also sind weitere Befragungen und Beobachtungen angesagt.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, dem schicke ich auch eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet worden ist.
 

bye
 

hotep

Noch 90 Minuten

Die Zeit vergeht ziemlich schnell, wenn man weiß, dass man sterben soll. Arme Sakura.
 

4. Noch 90 Minuten
 

Fürst Hikari sah zu seinem Gast: "Euer Sohn hat mit ihr sehr wenig gesprochen."

"Nun, er wird alles erfahren haben, was er im Augenblick wissen wollte. Und es ist erst die Hälfte der Zeit um." Der Herr der Hunde hatte durchaus bemerkt, wie hoffnungsvoll Sakura Sesshoumaru hinterher gesehen hatte. Ganz offenkundig war sie sich keiner Schuld bewusst - und vertraute seinem Sohn. Vorsatz war also anscheinend auszuschließen. Gut. Er gab zu, dass er sich nicht sonderlich darauf gefreut hätte, dieses Menschenmädchen langsam umzubringen. Waren die Toten ihrer Fahrlässigkeit zuzuschreiben, könnte er es schnell machen. Sie würde tot sein, ehe ihr recht bewusst geworden wäre, dass sie nun sterben müsste.

"Ja, die Hälfte der Zeit ist bereits um." Der menschliche Fürst beobachtete, wie sein Haushofmeister mit dem Gast im Seitenflügel verschwand: "Darf ich Euch etwas fragen, Inu no Taishou?"

"Ich muss ja nicht antworten."

"Euer Sohn ist wohl recht jung, wenn man nach dem Äußeren gehen darf. Warum vertraut Ihr ihm eine solche Aufgabe an?"

"Ich gebe jedem die Aufgabe, für die er geeignet ist. Gleich, welcher Art er ist oder wie alt er ist." Vielleicht hätte er es selbst übernehmen sollen, damit Fürst Hikari beruhigter wäre, aber Sesshoumaru hatte schon unter Beweis gestellt, dass er ermitteln konnte.

"Verzeiht. Ich wollte nicht an Eurem Sohn zweifeln."

"Schon gut."

"Ich möchte Euch noch um etwas bitten. Ihr habt gesagt, wenn diese Heilerin meinen Sohn und meinen Gast mit Absicht vergiftet hat, würdet Ihr sie...äh...in Streifen schneiden, da sie Euer Vertrauen missbraucht hat. Wenn sie aber aus Versehen gehandelt hat... Nun, in diesem Fall würde ich Euch bitten, dass wir sie bestrafen dürfen, als Mensch unter Menschen."

Der Hundefürst musterte ihn. Ihm war bewusst, dass das womöglich grausamer wäre, als das, was er in diesem Fall mit ihr getan hätte. So erkundigte er sich: "Und wie wäre das?"

"Wir würden sie verbrennen."

Also war es grausamer. "Für ein Versehen?"

"Ein tödliches Versehen. Und es soll ja auch immer abschreckend wirken." Fürst Hikari unterließ es freilich, zu erwähnen, dass dies auch die Strafe für Menschen war, die sich mit Dämonen eingelassen hatten. Das war ihm dann doch zu riskant. "Aber wenn Ihr wünscht, lasse ich sie zuvor durch einen Trank betäuben."

"Gut. In diesem Fall bin ich damit einverstanden." Inu no Taishou mochte es nicht, sich zu sehr in zwischenmenschliche Belange einzumischen. "Erzählt ein wenig. Gibt es in den Bergen noch immer so viele Räuber?"

Das Gespräch wandte sich wieder fürstlichen Themen zu.
 

Der Haushofmeister führte den Dämonenprinzen in ein Zimmer. Sesshoumaru sah sich um. Rechts neben der Tür stand ein aufklappbarer Koffer, ein zweiter hinten an der Wand neben den Matten. Das war wohl die Reiseapotheke. Seitwärts waren Becher akkurat aufgereiht. Davor lag eine Bambusmatte, Stäbchen. Alles wirkte sehr ordentlich. Er hob ein wenig prüfend die Nase. Sakuras Duft lag in der Luft, aber auch Gerüche nach anderen Menschen. Natürlich waren die Leute auch zu ihr gekommen. Sie hatte gesagt, in dem Koffer neben der Tür befände sich das Mohnpulver. Er trat näher. Sakuras Witterung war an dem Koffer, aber auch eine andere, die er erkannte. Akari hatte diesen Griff berührt, allerdings hatte verschwand dies fast unter Sakuras. Sie hatte danach mehrmals den Koffer geöffnet.

"Dai?"

"Lord Sesshoumaru?"

"Öffne dort den Koffer."

"Aber..." Der Haushofmeister unterbrach sich. Natürlich würde ein Prinz sich nicht bücken, um den Koffer selbst zu öffnen, zumal wenn er daneben stand. So gehorchte er.

Sesshoumaru betrachtete die Fächereinteilung. In Neigis feiner Schrift standen die einzelnen Pulvernamen darauf. Sich im Pulver zu irren war fast unmöglich. Überdies war in den Bechern ja Schlafmohn gewesen. Drei verschiedene Messlöffel waren ordentlich aufgereiht darin. Auch da war davon auszugehen, dass sich selbst ein Mensch nicht irren konnte. Und soweit er wusste, gehörte Sakura nicht zu den törichtsten. "Schließe den Koffer und öffne den anderen dort hinten."

Dai tat das Verlangte, ohne zu verstehen. Warum wollte der Hundeprinz sich das denn angucken? Was hatte das damit zu tun, ob die Heilerin mit Absicht oder Versehen zwei Menschen getötet hatte?

Sesshoumaru betrachtete den Inhalt der zweiten Apotheke. Hier war kein einziges Pulver, aber getrocknete Pflanzen und Wurzeln. Auch da hatte Neigi alles ordentlich beschriftet, sei es, um seinem Lehrling zu helfen, sei es, um sich selbst einfacher zurechtzufinden. Und auch hier befand sich eine leise Duftspur vom Heiler des Fürsten Hikari. Er musste sich die Apotheken angesehen haben. Nur angesehen? War Sakura dabei gewesen?

"Du kannst den Koffer schließen. Und ich habe einige Fragen an dich."

"Ja, Lord Sesshoumaru?"

"War Nimie auch einmal hier?"

"Ich denke nicht. Aber natürlich habe ich Eure Heilerin nicht überwacht. Jeder, der ein Bedürfnis hat, kann hier zu einem Heiler gehen." Dai zögerte ein wenig. Aber er war zu gut geschult, um ungefragt weiter zu sprechen.

"Ja?"

"Ich bin mir im Klaren darüber, dass Nimie bei Euch keinen guten Eindruck hinterlassen hat, Lord Sesshoumaru. Ihr Benehmen war unmöglich und ihre Behauptung schuld am Tode des jungen Herrn gewesen zu sein..." Der Haushofmeister seufzte ein wenig: "Aber ich denke, sie wäre nicht in der Lage, solch einen Trank zu mischen oder so. Sie ist ...wie soll ich es nennen, einfach ein wenig zu dumm, denke ich."

"Du denkst." Nun, dass diese Nimie dumm war, hatte auch er mitbekommen. Jeder normale Mensch mit gesundem Selbsterhaltungstrieb vermied es, einen Dämon auch nur zu berühren, geschweige denn, zu schlagen. Anderseits: vielleicht hatte sie etwas in den Trank ihres Herrn gemixt, um Sakura zu schaden. Ganz offenkundig war sie auf sie wütend gewesen, eifersüchtig. Da sie sich nicht auskannte, wäre das womöglich tödlich gewesen. Das würde auch ihr Schuldbekenntnis erklären. Aber was war mit Nigari in diesem Fall? Vielleicht Zufall? Vielleicht auch, um Sakura zu schaden? Welcher Dämon könnte schon sagen, wie menschliche Wesen aus Gefühlen handeln konnten. Er musste wohl weitersuchen. "Wie ist die Meinung der Dienstboten über Sakura?"

"Meint Ihr vor oder nach den Morden, Lord Sesshoumaru?"

"Beides." Wenn das ein Unterschied war.

"Nun, zunächst hielten wir sie alle für ein nettes, sehr höfliches Mädchen. Eigentlich dachten wir, sie sei ein guter Mensch."

"Ein guter Mensch?"

"Äh.." Wie erklärte man so etwas einem Dämon: "Hilfsbereit, nett, jemand, der nichts Unrechtes tun würde."

"Dann sind sich alle sicher, dass sie schuld ist an den beiden Toten?"

"Ja, wer sollte es denn sonst gewesen sein? Uns ärgerte vor allem der Tod des jungen Herrn. Er war so nett und freundlich immer zu uns allen. Und natürlich hat sein Tod Fürst Hikari das Herz gebrochen. Wir dachten schon, er würde auch sterben. Der arme Fürst hat doch jetzt überhaupt keinen Erben mehr. Am liebsten hätten wir diese Heilerin ja sofort umgebracht, aber der ehrenwerte Fürst verbot es, da er wissen wollte, ob sie jemand dazu angestiftet hatte." Dai dachte flüchtig daran, dass der Fürst seinen Samurai befohlen hatte, die Heilerin zu schützen. Die wutentbrannten Dienstboten hatten sie in Stücke reißen wollen. Aber es wäre wohl unklug, das dem Besitzer der Heilerin zu erzählen.

"Nigari?"

"Vergebt, Lord Sesshoumaru. Ich verstehe Eure Frage nicht."

Wenn man mit so jemandem zusammen ermitteln musste, lernte man Leute wie Sakura schätzen: "Trauern die Dienstboten auch ihm hinterher?"

"Nicht unbedingt. Er war ein Gefolgsmann des Fürsten, aber er war sehr...hochfahrend. Meines Wissens hatte jeder, der ihm zu Diensten war, irgendwann Schwierigkeiten mit ihm."

"Schwierigkeiten."

"Nun, Lord Sesshoumaru, auch Ihr straft gewiss Eure Diener wenn sie einen Fehler begehen."

"Gewöhnlich sind sie dann tot."

Das war nicht unbedingt der Satz, der Dai sehr beruhigte: "Nigari-san war.....jähzornig, sehr aufbrausend."

"Ich möchte mit Mariko sprechen."

"Ich bitte untertänigst um Vergebung, Lord Sesshoumaru...aber das...das ist unmöglich."

"Ist es das?"

"Es schickt sich doch nicht...."

Menschen! Nichtsnutzig und erbärmlich wie eh und je. Er entspannte seine rechte Hand. Das war nicht der Haushofmeister seines Vaters. "Was hat Fürst Hikari dir befohlen?"

"Ich werde sie holen." Dai seufzte still. Natürlich hatte der Fürst wohl nicht angenommen, der Dämonenprinz würde sich mit der Witwe treffen wollen. Solch ein unmoralischer Gedanke...Aber andererseits: für Dämonen galten die Sittlichkeitsregeln doch nicht.

"Geh." Bevor ich dich umbringe, ergänzte Sesshoumaru in Gedanken. Ob diese Menschen seine Zurückhaltung zu schätzen wussten?

"Ja, Lord Sesshoumaru." Dai machte, dass er davon kam.
 

So kniete die Witwe von Nigari-san zehn Minuten später in Sakuras Zimmer. Der Dämonenprinz hatte sich nachlässig an der Wand niedergelassen.

"Du heißt Mariko?"

"Ja, Lord Sesshoumaru." Sie sah ängstlich zu Boden.

"Du hast den Brief an Neigi geschrieben?"

"Ja, Lord Sesshoumaru."

"Warum?"

"Sakura-san hat mir in den Tagen, in denen sie hier war, des Öfteren einige sehr gute Arzneien gegeben. Und sie war sehr freundlich zu mir. Ich...ich konnte nicht mit ansehen, wie sie da an diesem schrecklichen Pfosten hing. Und ich hoffte, ihr Lehrer könnte ihr irgendwie helfen."

Er konnte wittern, dass sie die Wahrheit sagte. Mitleid und Angst mischten sich bei ihr. "Dai sagte zu mir, Nigari sei jähzornig gewesen?"

Ein erneuter Angstschwall: "Ja, Lord Sesshoumaru."

"So hatte er gewiss Feinde?"

"Ja, Lord Sesshoumaru."

Das wurde mühsam: "Antworte ein wenig ausführlicher! Hat er auch Diener hier im Schloss geschlagen?"

"Ja, nicht nur einmal." Mariko blickte noch immer zu Boden.

"Gibt es Menschen, die froh sind, dass er tot ist?"

"Ja, Lord Sesshoumaru. Und ehe Ihr fragt: ich auch."

Sie sagte die Wahrheit. In ihrer Stimme hatte ein harter Klang gelegen.

"Er hat dich auch geschlagen?"

Mariko zögerte einen Moment. "Ja, Lord Sesshoumaru."

Der Dämonenprinz nickte: "Du kannst gehen." Ihre Erleichterung war nur zu offensichtlich, als sie sich erhob, fast unhöflich fluchtartig das Zimmer verließ. Sesshoumaru erhob sich ebenfalls. Zwei Stunden waren vorüber. Und ihm wurde langsam klar, was geschehen war.

Er würde noch einmal mit den Menschen reden müssen.

"Dai?"

Der Haushofmeister kam hereingeeilt, verneigte sich tief: "Lord Sesshoumaru?"

"Ich möchte noch einmal mit dem Heiler sprechen."

"Mit Akari-san?" Eine hochgezogene Braue ließ ihn hastig hinzufügen: "Selbstverständlich. Folgt mir bitte." Diener in einem Dämonenschloss zu sein musste eine Art Vorhölle sein. Er hatte durchaus bemerkt, dass sich der Hundeprinz einige Male zurückgenommen hatte, um ihn nicht zu verletzen oder gar zu töten.
 

Auch der alte Heiler war nicht sonderlich beglückt, dass der Dämonenprinz erneut zu ihm kam, aber er verneigte sich ehrerbietig. "Wünscht Ihr noch Auskünfte?"

"Sonst wäre ich kaum hier, nicht wahr? - Als du dir die Reiseapotheke unseres Heilers angesehen hast..." Akari hob ruckartig den Kopf, hätte fast unhöflicherweise in das Gesicht des Prinzen geblickt. Dieser fuhr ruhig fort: "War Sakura dabei anwesend?"

Der Heiler hatte keine Ahnung, woher Lord Sesshoumaru davon wissen konnte. Aber er bezweifelte nicht, dass sich dieser sicher war, dass er sie angesehen hatte: "Nein, Lord Sesshoumaru", gab er ehrlich zu, nicht gewillt, sich Ärger einzuhandeln. "Aber ehe Ihr fragt: ich habe nichts daran verändert, nur aufgemacht und angesehen. Ich...nun, Euer Heiler Neigi ist ein Dämon und mich interessierte, wie er solch eine Apotheke zusammengestellt hat. Es war reine Neugier."

"Du hast mich durchaus verstanden." Das klang fast anerkennend: "Du hast nichts hinzugefügt und nichts herausgenommen, ja, denn das hätte ich ebenso gewittert."

Hundedämon, dachte Akari. Er konnte tatsächlich Geschehnisse noch nach Tagen am Geruch erkennen. Kein Wunder, dass sein Vater ihn beauftragt hatte, den Vorfall zu untersuchen.

"War Mariko, die Ehefrau von Nigari auch einmal bei dir?"

"Nein, warum?"

"Sie sagte, sie hätte von Sakura des Öfteren heilsame Medizin bekommen. Also war sie nicht ständig krank?"

"Vielleicht, Lord Sesshoumaru. Frauen sind da oft eigen, manche mögen keine männlichen Heiler. Ich weiß, dass viele Frauen aus dem Schloss lieber hinunter zum Tempel gehen, um sich von der Priesterin beraten zu lassen. Zumal, wenn es um Sachen von Geburten oder so geht. Möglicherweise war Mariko oder auch andere Frauen sehr froh, einmal eine Heilerin im Schloss zu haben."

Sesshoumaru dachte kurz nach. War es wirklich nötig, dass er sich mit den Marotten von Menschenfrauen beschäftigte? "Also ist nichts auffällig daran, dass sie nicht zu dir kam sondern zu Sakura ging."

"Ich verstehe Euch nicht, Lord Sesshoumaru. Wieso sollte das auffällig sein?" Akari starrte ihn verwirrt an, bemerkte dann seine Unhöflichkeit und senkte rasch wieder den Kopf.

Der Hundeprinz schwieg, drehte sich nur um und ging. Dai folgte ihm hastig, nicht, ohne Akari einen irritierten Blick zugeworfen zu haben. Was auch immer dieser junge Dämon plante oder dachte - offenkundig war das für Menschen nicht einsichtig.
 

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Das nächste und letzte Kapitel heisst: "Die Frist läuft ab".
 

Wisst Ihr, wer wen umgebracht hat oder wie wer warum starb?
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen und mitzuraten, dem schicke ich eine ENS, wenn ich sehe, dass das nächste Kapitel freigeschaltet wurde.
 

bye
 

hotep

Die Frist läuft ab

Freut mich, dass ihr die Geschichte kniffelig fandet.

Hier kommt also das letzte Kapitel.
 

Seine Lordschaft hält eine Rede.
 

5. Die Frist läuft ab
 

Sakura sah zu Boden, weniger aus Höflichkeit gegenüber den beiden Fürsten, die ein Stück von ihr entfernt im Schatten saßen, als aus Verzweiflung. Sie wusste nur zu gut, dass ihre Zeit ablief. Und sie konnte sich immer noch nicht erklären, welchen Fehler sie begangen haben könnte. Aber schlussendlich war das gleich. Sie würde bald sterben müssen und das Einzige, was sie noch interessieren sollte, wäre das wie. Sie hatte schon einmal sterben sollen, im Takaeda-Schloss, aber davor hatte sie Lord Sesshoumaru ja bewahrt. Er hatte ihr da das Leben gerettet und sie musste einfach das vergangene Jahr als geschenkte Zeit betrachten. Und es war sicher das schönste ihres ganzen Lebens gewesen. Sie spürte wieder das Brennen in den Augen, fühlte, wie Tränen über ihre Wangen liefen.

"Sakura."

Hastig schluckte sie, wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Sie hatte nicht bemerkt, dass er zu ihr gekommen war. So antwortete sie höflich: "Lord Sesshoumaru?" Sie konnte kaum sprechen.

"Warum kam Mariko zu dir?"

"Oh...es...es war eine Frauensache. Ich darf doch darüber nicht reden."

"Es ist dein Leben."

Sie hätte ihn fast überrascht angestarrt, stoppte aber gerade noch rechtzeitig. Durch den Tränenschleier vor ihren Augen konnte sie die Schleife um seine Taille erkennen. "Sie...sie hatte Prellungen, auch andere Verletzungen. Im Bad und mit den Kräutern würden sie rasch schmerzlos werden."

"Und das ist eine Frauensache?" Er hatte an etwas anderes gedacht, gab sich aber zu, sich mit Frauen, vor allem Menschenfrauen, nicht auszukennen. Nun, es brauchte ihn ja auch nicht zu interessieren.

"Viele Männer schlagen ihre Frauen, Lord Sesshoumaru."

"Und darum gehen sie auch nicht zu einem männlichen Heiler?" Immerhin war das nun geklärt.

"Ja."

"Du hast Schlafmohn in das Wasser getan. Die gewöhnliche Dosis?"

"Ich dachte es, ja." Ihre Stimme zitterte wieder.

"Die doppelte Menge wäre tödlich? Für einen Menschen?"

"Nein, Lord Sesshoumaru. - Darf ich detailliert sprechen?"

"Ja." Sie würde ihm nur die Tatsachen schildern, ihm nicht mit überflüssigen Bemerkungen auf die Nerven gehen. Eigentlich war sie recht brauchbar.

"Die gewöhnliche Dosis hilft beim Einschlafen. Sie beruhigt, lindert auch leichte Kopfschmerzen. Die doppelte Dosis lässt einen Menschen in sehr tiefen Schlaf fallen und lindert stärkere Schmerzen. Aber erst ab der dreifachen Menge könnte es gefährlich werden, wenn derjenige, der das Pulver zu sich nimmt, gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe ist. Vor allem, wenn er ein angegriffenes Herz hat, durch zuviel Alkohol oder ähnliches." Sakura hätte ihm zu gern ins Gesicht gesehen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass diese Fragen nicht umsonst gestellt wurden. Aber was sollte das? Freilich, sein Auftrag lautete ja, er solle alles herausfinden, was geschehen sei. Vermutlich versuchte er gerade genau dies zu tun.

Ohne ein Wort noch zu ihr zu sagen, drehte er sich um: "Dai, hole Mariko her. Es mag gut sein, dass ihre Anwesenheit erwünscht ist."

"Ja, Lord Sesshoumaru." Der Haushofmeister eilte davon, auch, wenn er keine Ahnung hatte, was dieser Dämonenprinz mit seinen ganzen Aktionen und Fragen bezweckte. Aber Fürst Hikari hatte ihm befohlen, alles zu tun, was dieser furchterregende Gast wünsche und so tat er es, obwohl es mehr als unhöflich war, eine trauernde Witwe so kurz nach dem Tod ihres Gatten in die Öffentlichkeit zu zerren.
 

Sesshoumaru ging langsam zu den beiden Fürsten. Seine Verneigung, ehe er sich niederließ galt allerdings nur seinem Vater.

Inu no Taishou blickte ihn an: "Die drei Stunden sind fast vorüber."

Und Fürst Hikari ergänzte: "Habt Ihr herausfinden können, ob diese Heilerin die Tränke vorsätzlich oder versehentlich vergiftet hat? Wie soll sie sterben?"

"Ich habe herausgefunden, was geschehen ist, ja." Sesshoumaru betrachtete den menschlichen Fürsten, nicht im Zweifel lassend, dass er diesen nicht für ganz voll nahm: "Die Frage ist nur, ob Ihr an der Wahrheit interessiert seid."

"Was....Oh, wollt Ihr etwa die Schuld jemand anderem zuschieben? Damit Eure Heilerin aus der Sache draußen ist?"

"Gleich, was Ihr denkt, sie ist nichts weiter als eine Gehilfin unseres Heilers. Und Diener, die Fehler begehen, sterben."

"Dann sind wir uns einig." Fürst Hikari holte tief Luft: "Also schön, was ist geschehen?" Er wusste, dass Dämonen so hohen Ranges niemals lügen würden.
 

Sesshoumaru sah kurz zu seinem Vater, wartete dessen Nicken ab, ehe er begann: "Es ist ein sehr interessanter Fall. Zwei Tote, zwei scheinbar gleiche Fälle, jedes Mal der scheinbar gleiche Mörder. So einfach und so offensichtlich war es, dass niemand genauer hingesehen hatte."

Er richtete sich etwas auf. "Auch Ihr wisst bereits, dass in beiden Zimmern die Wasserbecher mit dem Schlafmohnpulver gefunden wurden. Sakura gibt an, und es besteht keinen Grund daran zu zweifeln, dass sie beide Male die gleiche Dosierung hineingetan hatte. Dennoch enthielt der Becher des Prinzen mehr Schlafmittel als der Nigaris. Bei der Betrachtung der Leichen fiel mir der unterschiedliche Zustand auf. Während der Prinz ruhig eingeschlafen war und wohl nie wieder erwachte, war Nigari ebenso eindeutig erdrosselt worden. Der Gürtel, mit dem das geschehen war, liegt noch immer neben seinem Bett. Es waren also zwei unterschiedliche Todesarten gewesen. Durch den Schlaftrunk betäubt hatte sich Nigari nicht gegen das Erdrosseln wehren können. Dass er Mohnsaft trinken wollte, hatte er ebenso wie der Prinz beim Essen laut gesagt, so dass es sehr viele wussten. Sakura berichtete, sie hatte gerade die Getränke fertig gestellt, als Mariko hereinkam, die Ehefrau Nigaris. Diese bat sie um bestimmte Kräuter, schon zum wiederholten Mal. Mariko wusste daher, wo Sakura diese Kräuter aufbewahrte, nämlich in dem anderen Arzneikoffer. Um die Pflanzenextrakte zu holen, musste Sakura ihr den Rücken zuwenden. Ich denke, es besteht kein Zweifel, dass Mariko einen Messlöffel Schlafmittel zusätzlich in das Wasser gab. Und da sie nicht wissen konnte, welchen der beiden Becher ihr Ehemann erhalten würde, mischte sie es in beide."

Sesshoumaru hörte hinter sich, wie Sakura tief Atem holte, fuhr aber ruhig fort: "Es liegt auf der Hand, dass sie nicht wusste, wie hoch die Dosierungen sein dürfen. Aber sie wollte Nigari auch nicht auf diese Art töten, sondern lediglich so betäuben, dass er sich nicht wehren konnte, würde sie ihn strangulieren. Sie ging in sein Zimmer, als er tief eingeschlafen war und legte den Gürtel um seinen Hals. Der Streifen um seine Kehle beweist, dass er heftig gewürgt wurde. Nach Sakuras Angaben hatte sich Mariko von ihr Medizin besorgt, da ihr Mann sie geschlagen hat. Nigari war jähzornig, und in Anbetracht der Tatsache, dass selbst Eure Diener davon etwas abbekamen, Fürst Hikari, muss es für seine Frau ärger gewesen sein. Sie sah dabei wohl eine Möglichkeit, ihn loszuwerden. Als sie dann begriff, dass auch der Prinz gestorben war, nahm sie wohl an, dass das Mohnpulver zuviel gewesen war. Und da sie Sakura nicht unschuldig bestraft wissen wollte, schickte sie einen Brief an unseren Heiler, um zumindest eine Verteidigung für sie zu sichern."

Fürst Hikari nickte leicht: "Nun, das klingt sehr logisch, und ich erinnere mich auch, dass mir Nigaris Gesicht so anders vorkam. Aber was war mit meinem Sohn? Ihr sagtet gerade, die doppelte Menge würde nur betäuben?"

"Ihn traf es unschuldig, Fürst Hikari. Wie gesagt, Mariko tat die doppelte Menge in beide Becher. Was sie nicht wissen konnte: euer Sohn hatte von Eurem eigenen Heiler Akari-san bereits Tüten mit Schlafpulver erhalten, das er jeden Abend trank. Wir werden nie erfahren, ob er gedankenlos auch an diesem Abend seinen Schlaftrunk selbst anrühren wollte oder ob er durch die doppelte Dosis besser schlafen wollte. Er konnte nicht wissen, dass bereits eine zweimalige Ration in dem Wasser war. Und für seinen angegriffenen Gesundheitszustand war die dreifache Dosis zuviel."

"Er hat recht", sagte eine leise Stimme hinter dem Prinzen. Mariko hatte geahnt, warum sie kommen sollte.

Fürst Hikari starrte sie an: "Aber..."

"Ich wollte nicht, dass der Prinz stirbt. Und ich wollte auch nicht, dass Sakura-san dafür büssen sollte. Ich hoffte, der Heiler, bei dem sie lernt, würde kommen, und erklären, dass alles ein Unfall war."

"Es war kein Unfall, dass du deinen Mann erwürgt hast."

Mariko senkte den Kopf: "Ich wollte mich eigentlich selbst töten. Aber er lachte nur, als ich das sagte und meinte, dann würde er eben meine jüngere Schwester heiraten. Ich musste sie schützen."

"Schützen?" wiederholte der menschliche Fürst verwirrt.

Sesshoumaru erhob sich: "Ich zeige es Euch, Fürst Hikari." Ohne weiteres fasste er an den Kragen des Kimonos, zerrte ihn etwas weg. Soweit man sehen konnte, zeigten sich blaue Flecken, schmale Narben, alte Brandverletzungen: "Ich nehme an, dass du überall so aussiehst?" fragte er Mariko, die sich nicht bewegt hatte. Er gab sie frei.

"Ja."

"Aber deswegen hat sie doch noch lange nicht das Recht, ihren Gebieter zu töten!" Fürst Hikari schüttelte den Kopf: "Frauen gehören eben ihren Männern. Nun gut, die Heilerin war es offenkundig nicht, also kann sie mit Euch gehen. Und du Mariko, wirst für deinen Mord büssen."

Ein seltsames, müdes Lächeln glitt um den Mund der jungen Frau: "Nicht durch Euch."

Da Fürst Hikari nicht verstand, meinte Inu no Taishou: "Ich kann wittern, dass sie ebenfalls Mohnsaft trank. Zuviel, nehme ich an."

"Ja." Mariko warf einen Blick hinter sich: "Ich war gerade in Eurem Zimmer, Sakura-san. Ich nahm alles Mohnpulver, das noch da war."

Sakura schlug erschreckt die Hand vor den Mund: "Ihr seid..." Sie hätte sagen wollen, verrückt, aber sie konnte sie verstehen. Immerhin hatte Fürst Hikari die Mörderin seines Sohnes verbrennen wollen.

Der Hundefürst sah zu ihr: "Wie lange, Sakura?"

Diese schüttelte den Kopf. Mit dieser Dosis im Körper müsste Mariko eigentlich schon umgefallen sein. Aber anscheinend hatte sie sich noch zusammengerissen, um sie zu schützen. Denn nun erkannte sie, wie Mariko die Augen verdrehte, zu zittern begann, ehe sie in sich zusammensank und zu Boden stürzte.

"Schade", meinte Fürst Hikari: "Das ging zu schnell.- Ist sie tot, Heilerin?"

Sakura erhob sich und kam hinüber, beugte sich über die Regungslose, fühlte nach der Halsschlagader: "Ja, Fürst."

"Dann gehen wir." Der Inu no Taishou sah zu ihr: "Hole deine Sachen, Sakura."

"Ja, Herr." Sie verneigte sich höflich gegen die beiden Fürsten und den Prinzen, ehe sie loslief.

Die anderen Menschen machten ihr Platz. Noch immer herrschte auf dem Schlossplatz tiefe Stille. Sie alle waren sich sicher gewesen, dass nur die Heilerin die Tode verursacht haben konnte. Dass sie nun unschuldig war, berührte manch einen seltsam. Immerhin hätten sie ohne den Befehl Fürst Hikaris sie gelyncht, ohne diesen Hundedämonenprinzen wäre sie heute Abend gestorben.

Auch dem Fürsten selbst war es ein wenig unangenehm. So sagte er: "Ich muss mich bei Euch bedanken, Lord Sesshoumaru. Eure Schlussfolgerungen in dieser kurzen Zeit haben mich davor bewahrt, auf meine Art einen Mord zu begehen."

Der Prinz reagierte nicht darauf. Sein Vater seufzte in Gedanken, meinte aber: "Nun, man versucht natürlich immer, die eigenen Haushaltsmitglieder nicht ungerecht zu behandeln, Fürst Hikari. Wir gehen nun. Hoffentlich sehen wir uns unter angenehmeren Umständen einmal wieder."

"Das wäre wünschenswert."

Die beiden Fürsten erhoben sich, da Sakura aus dem Schloss kam. Sie hatte eine große Tasche auf dem Rücken, die beiden Reiseapotheken in der Hand. Sie kam heran, verneigte sich kurz. Da sich die Hundedämonen sofort umwandten und gingen, folgte sie ihnen.
 

Im Schloss des Westens brachte sie die Sachen zu ihrem Lehrer, der sie erleichtert begrüßte. Sie berichtete, soweit sie wusste, was vorgefallen war und schloss: "Arme Mariko. Sie sah keinen Ausweg mehr als den Tod ihres Mannes. Und dabei wollte sie mir keinen Schaden zufügen."

"Ja. Du hast Glück gehabt. Mörder sind gewöhnlich nicht so ehrenhaft." Neigi sah erstaunt auf, als die Tür zu seinem Zimmer geöffnet wurde, neigte sich sofort weiter vor: "Lord Sesshoumaru! Sakura erzählte mir soeben von Euren Ermittlungsergebnissen."

"Ist das so? - Sakura, komm mit."

Sie warf einen raschen Blick auf ihren Lehrer, stand aber sofort auf. Was wollte der Prinz denn noch von ihr? Sie folgte ihm in den Garten, abseits, so dass selbst Dämonen nicht zuhören konnten. Höflich kniete sie nieder, als er stehen blieb.

"Sakura, du hast dort im Schloss Angst gehabt, sterben zu müssen."

"Ja, Lord Sesshoumaru." Was sollte das denn werden?

"Du hast auch schon bei mir Todesangst gehabt."

"Ich hatte Fehler begangen und fürchtete Eure Strafe", sagte sie ehrlich, wenn auch völlig verwirrt.

Sesshoumaru nickte unmerklich. Genau das hatte er gemeint: "Du fürchtest meine Strafe - aber nicht mich. Warum?" Sie musste der einzige Mensch sein, den er je kennen gelernt hatte, der da unterschied.

Sie hob ein wenig den Kopf. Irgendwie spürte sie, dass diese Frage sie auf dünnes Eis führte. Aber ihr war klar, dass er auf einer Antwort bestehen würde - und dass diese Antwort richtig ausfallen musste. "Ich habe auch schon Angst vor Euch gehabt. Als ich Euch im Takaeda-Schloss als Dienerin zugeteilt wurde, wurde mir gesagt, dass ich vermutlich keine zwanzig Minuten überleben würde. Aber Ihr ward sehr freundlich zu mir, habt mich sogar in Eurem Bett schlafen lassen. Und Ihr habt nichts anderes von mir verlangt, als es auch ein menschlicher Prinz getan hätte. Als Fürst Takaeda mich töten wollte, habt Ihr es nicht zugelassen. Ihr habt mir dieses Leben hier im Schloss geschenkt, als Heilerin, wie ich es mir immer erträumt hatte." Sie sah zu Boden: "Lord Sesshoumaru, Ihr wart zu mir so großzügig. Und Ihr habt mich stets nur bestraft, wenn ich einen Fehler begangen habe." Sie hatte ehrlich geantwortet und hoffte nun, dass ihn diese Auskunft befriedigt hatte.

"Ich verstehe. - Du kannst gehen." Er sah ihr nach, als sie zurück zu Neigi lief. Anscheinend gab es ab und an Menschen, die ihm den gebührenden Respekt erwiesen, loyal waren, ohne in diese vollkommen absurde Panik zu verfallen, nur weil er vor ihnen stand. Wenn er je noch einmal so ein Menschenmädchen treffen würde, würde er sie wieder um sich haben wollen.
 

********************************
 

Ach ja....
 

Der nächste Krimi heisst: "Die Rechnung ohne den Dämon" und ich werde ihn hochladen, sobald ich ihn fertiggeschrieben habe. Dauert aber ein bisschen..

Sakura kommt natürlich auch wieder vor.
 

Wer so nett ist, mir einen Kommentar zu hinterlassen, dem schicke ich eine ENS, wenn es soweit ist.
 

bye
 

hotep



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Von:  Kerstin-san
2020-03-22T16:09:59+00:00 22.03.2020 17:09
Hallo,
 
ah, verdammt! Ich dachte an Mariko, weil ihr Mann sie schlug, aber sie hat das so offen zugegeben und ja auch den Brief an Neigi geschickt, dass ich sie sofort außen vor gelassen habe. Ein Fehler, wie man sieht, aber klar, sie wollte nicht, dass Sakura unschuldig sterben musste und rechnete nicht damit, dass man ihr im Gegenzug auf die Schliche kommen würde.
Mensch, die arme tut mir echt leid :/
 
Ich bin ehrlich gesagt froh, dass sie dem qualvollen Tod durch die Fürstenhand entgehen konnte. Das Leben unter ihrem Mann muss schrecklich gewesen sein, dazu dann noch die Sorge, dass es ihrer Schwester auch so ergehen würde und tja, das mit dem Prinz war einfach ein blöder, unglücklicher Zufall... (klar, sein Vater würde das anders sehen, aber trotzdem).
 
Versucht Sesshoumaru da etwa Sakura etwas besser verstehen zu lernen? Es geschehen noch Zeichen und Wunder! :)
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-22T16:01:49+00:00 22.03.2020 17:01
Hallo,
 
okaaay, Sesshoumaru hat schon seine Schlussfolgerungen gezogen, aber ich nicht so richtig. Wenn die Leichenflecken um Nigaris Hals vlt. Würgemale waren, könnte man davon ausgehen, dass er mit seinem Gürtel ermordet wurde (vlt. hatte die erste Dosis Mohnsaft ihn schon einschlafen lassen, dann könnte es leicht eine Frau gewesen sein - eventuell eine, die er hier belästigt hatte) und der Tod des Prinzen könnte dann unter Umständen gar nichts damit zu tun haben und ei blöder Zufall und Unfall gewesen sein (wenn die Theorie mit der ungewollten doppelten Dosis stimmt).
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-22T15:53:50+00:00 22.03.2020 16:53
Hallo,
 
nun eine Überdosis scheint es ja wohl zu sein. Nehmen wir mal an Skaura hat den Schlaftrunk gemischt und irgendjemand hätte noch ein Päckchen des Prinzen zusätzlich reingeschüttet ohne dass der das merkt? Aber das würde nicht erklären, warum es zwei Tote gibt...
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-22T15:48:20+00:00 22.03.2020 16:48
Hallo,
 
ich mag Dai sehr gern. Der ist ruhig, kompetent und höflich. Kein Wunder, dass selbst der gestrenge Sesshoumaru da keinen Grund zum tadeln findet.
 
Ich frage mich unwillkürlich, ob der junge Prinz neben Nimie noch andere Geliebte hatte und eine der Damen vielleicht Rache üben wollte, weil sie fallen gelassen wurde?
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Kerstin-san
2020-03-22T15:42:37+00:00 22.03.2020 16:42
Hallo,
 
oh weia, da ist Sakura aber in einer richtig brenzligen Lage, aber ich bin sicher, dass der Taishou und seine Lordschaft aufklären werden, was vorgefallen ist. Immerhin gut, dass Sesshoumaru in Begleitung seines Vaters anreist, ich nehme an noch mehr Tote würden den Fürsten nicht gerade zugänglicher stimmen.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Flecki49
2012-08-07T12:29:47+00:00 07.08.2012 14:29
So, Nummer drei schaff ich auch noch heut^^
Ich muss zugeben, ich verstehe Mariko. Voll und ganz, und kann ihr noch nicht einmal böse sein.
Gut dass Sesshomaru da war, um Sakura zu retten, dem Himmel sei Dank. Oh, und nebenbei: "Wenn jemand zuhause eine solche Attacke gewagt hätte, hätte er sich in allen vier Ecken des Raumes gleichzeitig wiedergefunden." <-- Ich liebe diese Aussage, steht irgendwo im zweiten kapitel. Absolut genial! xD Also natürlich brutal ohne Ende, aber gerechtfertigt.
Und nein, ich bin nicht auf den Mörder gekommen, wohl aber darauf, dass Nigari erwürgt wurde, wegen des Seidenschals. Echt Pech, der Arme Kerl... Also der Prinz. Aber naja, er ist friedlich eingeschlafen und regieren wollt er ja sowieso nicht...
Übrigens: Wenn ich hätte verbrannt werden sollen, betäubt oder nicht, ich hätte mich lieber vom Inu no Taisho oder seinem Herrn Sohn tranchieren lassen. Ganz ehrlich.
*Nusskuchen dalass* (Ich fütter dich heute rund und dick, verzeih, aber der Nusskuchen schmeckt auch morgen noch gut xD)
LG, Flecki^^

Von:  00schnepel8
2010-06-14T19:19:13+00:00 14.06.2010 21:19
na das nächste menschenmädchen das so ist, ist dann ja wohl rinn*smilie*
auf diesen ausgang wäre ich nicht gekommen.
deine ideen sind wirklich sehr orginell, abwechslungsreich und schön.

Von:  00schnepel8
2010-06-14T18:31:57+00:00 14.06.2010 20:31
Er wandte sich Nigari zu. Bei diesem waren die Spuren des Todes deutlicher zu erkennen, denn sein Gesicht war aufgedunsen und verzerrt. Zudem besaß der Tote mehr von den typischen, schwärzlichblauen Leichenverfärbungen bei Menschen, insbesondere im Halsbereich, soweit man bei der Kleidung etwas erkennen konnte

irgendwie habe ich das gefühl das diese stelle dort am hals durch den gürtel in seinem zimmer entstand.

und ich glaube das dieser prinz in sakura verliebt war.
Von:  00schnepel8
2010-06-14T18:20:28+00:00 14.06.2010 20:20
ganz sicher war es nicht sakura, das ist klar.
dieser fürst, dessen sohn starb, gefällt mir nicht.er sollte seine trauer, falls diese vorhanden sein sollte, nicht mit gewalt unterdrücken undd ausgleichen.
Von:  Tigerin
2008-08-14T09:30:03+00:00 14.08.2008 11:30
So, auch hier der letzte Kommi.
Saku-chan kann einem Leid tun. Ein Glück, dass Sess alles aufklären wird. Irgendwelche Überlegungen wer der Täter ist, nützen hier ja auch nichts, da ich ihn ja schon kenne^^
Der Heiler ist eindeutig etwas sehr dumm. Und außerdem mag ich ihn nicht sonderlich. Weshalb auch immer. Allerdings fand ich diese Stelle toll.. *g*
"Er litt darunter, der einzige Sohn zu sein, fühlte sich überfordert, wie Ihr gewiss versteht, Lord Sesshoumaru."
"Du solltest darauf verzichten, mich analysieren zu wollen." Das klang fast sanft, war aber nichtsdestotrotz eine Drohung.
Tja.. man sollte sich überlegen, was man in Sess Gegenwart sagt. Da gab es ja noch mehrere Stellen, wo er etwas in Bedrängnis kam.. *fg*
Hm.. und Saku-chan tat mir richtig leid. Sie sollte Sess einfach vertrauen, der schafft das schon. Ich hätte schon gern mal die Reaktion von Sess ‚gesehen’ wenn er erfahren würde, warum kein Mann bei ihm im Schloss Saku-chan sowas fragt..

So, bye Tigerin


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