Noch 180 Minuten
Ja, drei Stunden sind keine lange Zeit, da habt ihr recht. Es sind alles in allem auch nur fünf Kapitel.
Ich habe die handelnden Personen und ihren Status wieder aufgelistet, damit ihr nachgucken könnt, wer was ist.Ich habe mich wieder bemüht, euch die Indizien im gleichen Moment zu geben, in dem Seine Lordschaft sie findet.
Jetzt fangen wir mit den Ermittlungen einmal an:
2. Noch 180 Minuten
Kuro Dai war ein zu wohl geschulter Haushofmeister um den Dämonenprinzen an seiner Seite anzustarren. Aber unwillkürlich war er überrascht, dass dieser vollkommen lautlos gehen konnte. Und er hatte natürlich Gerüchte gehört, über Dämonen im Allgemeinen und den mächtigen Hundedämon, der die westlichen Länder schützte, im Besonderen. Das hier war also der Kronprinz? Er sah so jung aus, vielleicht wie sechzehn, aber wer kannte sich schon mit Dämonen aus.
Er blieb stehen, neigte höflich den Kopf: "Was wünscht Ihr zuerst zu sehen, Hoheit?"
"Sag Lord Sesshoumaru." Der Prinz war durchaus nicht unangenehm berührt über solche Höflichkeit - diese Anrede stand einem Fürstensohn nicht zu. "Die Zimmer der beiden Toten. Wurde dort etwas verändert?"
"Nein, Lord Sesshoumaru. Fürst Hikari.." Dai brach ab. Mehr war nicht gefragt gewesen. Aber da der Prinz eine Augenbraue hob fuhr er fort: "Der Fürst befahl, alles so zu lassen, bis sein Sohn begraben sei."
"Gut."
"Wenn Ihr mir folgen würdet..."
"Dai war dein Name?"
"Ja, Lord Sesshoumaru." Er führte den jungen Dämon durch das Schloss.
"Der Prinz war der einzige Sohn des Fürsten?"
"Ja, Lord Sesshoumaru."
"War er beliebt?"
"Oh ja, Lord Sesshoumaru. Ich...Soll ich es Euch erzählen?"
"Ja."
"Der Fürst war schon zweimal verheiratet, aber leider hatten ihn die Götter nicht gesegnet. Erst von seiner dritten Frau bekam er den Prinzen. Dieser war nun neunzehn Jahre alt, ein sehr netter junger Herr. Sehr ruhig, sehr wohlerzogen. Er sollte nächstes Jahr heiraten. Wer hätte gedacht, dass er solch ein tragisches Ende finden würde...." Dai brach ab: "Hier ist das Zimmer des jungen Herrn, Lord Sesshoumaru." Er schob die Tür beiseite und erstarrte: "Nimie, was tust du denn hier?"
Eine junge Dienerin saß dort, tränenüberströmt. Sie sah auf. Als sie den Haushofmeister und einen Unbekannten entdeckte, sprang sie hastig auf, drängte sich an Dai vorbei, berührte noch fast Sesshoumaru, ehe sie den Gang hinunterlief.
Dai schüttelte den Kopf, wandte sich aber an seinen Begleiter: "Verzeiht. Nimie war die persönliche Dienerin des jungen Herrn. Sie ist wohl noch ein wenig durcheinander. - Bitte, tretet ein."
Der Dämonenprinz folgte der Aufforderung, blickte sich rasch im Zimmer um. Eine Truhe für Kleidung, Matten als Lager, eine hölzerne Kopfstütze. Ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Boden, mit Liebesgedichten. Neben dem Lager befand sich ein leerer Becher. "Öffne die Truhe!"
Dai antwortete nicht, sondern tat das Gewünschte. Er war zu lange Haushofmeister, um seine Verwunderung zu zeigen.
Sesshoumaru trat hinzu. Kleidung, wie er erwartet hatte. Aber diese Witterung? Er bückte sich, griff hinein. Unter dem obersten Kimono lagen drei kleine verschlossene Tütchen aus Papier. Er nahm eines. Der Geruch bestätigte sich. Pulver aus Schlafmohn. Er drehte sich wieder um, ging zu dem Becher am Kopfende, hob ihn auf. Die Witterung war eindeutig. Wasser, in dem Mohn aufgelöst worden war. Ein winziger Hauch von Sakuras Fingern war noch zu erkennen.
"Wer hatte Dienst beim Prinzen an dem Abend?"
"Kyo. Soll ich ihn holen?" Dai wartete das Nicken gar nicht ab, sondern eilte schon davon.
Kurz darauf kniete ein Mann höflich vor dem Hundeprinzen nieder.
"Du hattest Dienst? Sakura brachte den Becher?"
"Ja, Herr."
"Lord Sesshoumaru", zischte der Haushofmeister eilig.
"Ja, Lord Sesshoumaru", korrigierte der Diener sofort in die ehrfurchtsvollere Höflichkeitsanrede.
"Hatte sie da den zweiten Becher auch schon in der Hand?"
"Nein, Lord Sesshoumaru. Das wäre kaum gegangen. Sie hatte ja beide auf einem Tablett."
Sesshoumaru unterdrückte ein Seufzen. Für gewöhnlich hätte er diesem erbärmlichen Idioten seine Giftklaue irgendwohin gedrückt. Aber das war ja nicht sein Diener: "Erzähle ausführlich und genau."
"Ja, wie Ihr wünscht. Also, als diese Mörderin..." Kyo blickte irritiert auf, als etwas wie ein Knurren zu vernehmen war, begegnete plötzlich roten Augen. Zu Tode erschreckt brachte er hervor, was offenkundig zu Hören gewünscht wurde: "Als diese Heilerin kam, setzte sie das Tablett neben mir ab und ließ mich fragen, ob sie eintreten dürfe." Da kein Knurren mehr zu hören war, die Augen wieder bernsteinfarben waren, fuhr er fort: "Der Prinz bejahte. So nahm sie einen Becher und ging hinein. Ich hörte dann noch, wie der Prinz etwas sagte, sie etwas sagte, und dann schnell den Raum verließ. Sie fragte mich außerdem nach dem Weg, dann nahm sie das Tablett auf und ging." Er hoffte, dass das alles war, was dieser Dämon hören wollte. Er kannte Dämonen nur als unheimliche Wesen in den Wäldern, die ahnungslose Menschen zerrissen und hatte keine Ahnung, wie man mit welchen umgehen sollte, die so menschenähnlich wirkten, es aber wohl nicht waren. Aber ganz offensichtlich war dies ein sehr vornehmer Herr und er reagierte aus antrainierten Instinkten. "Ich bitte Euch um weitere Fragen, Lord Sesshoumaru."
"Der zweite Becher blieb neben dir stehen? Hast du ihn berührt? Davon getrunken?"
"Nein, natürlich nicht, Lord Sesshoumaru."
"Du kannst gehen." Erleichtert machte sich der Diener davon. Der Dämonenprinz atmete ebenfalls auf. Solche Musterexemplare von Menschen zerrten an seinen Nerven. Zumal, wenn er ihnen nicht zeigen durfte, wie sehr sie irrten. "Gut, Dai. Wo ist das Zimmer des anderen Toten? Wie hieß er?"
"Nigari-san, Lord Sesshoumaru. Er war ein Gefolgsmann des Fürsten und im Augenblick hier zu Gast. Wenn Ihr die Güte hättet, mir zu folgen?"
Der Hundeprinz hatte die Güte. Drei Stunden waren schließlich keine lange Zeit, um etwas herauszufinden.
Das Gästezimmer sah fast aus wie das des toten Fürstensohnes. Auch hier stand der Becher, in dem Sakura das Schlafmittel gebracht hatte, noch neben dem Kopfende. Daneben lag ein einfacher, schmaler Seidengürtel. Der Nase nach war dieser Gürtel eng mit dem Besitzer des Zimmers in Berührung gekommen, gehörte wohl ihm. Eine kleine Truhe, vermutlich eine Reisetruhe, befand sich an der linken Wand. Dies war ja nur ein Gast gewesen, hatte nur wenig Garderobe mitgebracht. Auf der Truhe lag ein Kimono, nachlässig hingeworfen, in viele Falten geknittert. Auch dieser gehörte dem Verstorbenen. Darauf befand sich eine schwere Goldkette, wie sie ehrenhalber verliehen wurde.
Sesshoumaru nahm den Becher, witterte. Hier war ebenfalls der Geruch des Schlafpulvers zu erkennen, schien aber etwas schwächer zu sein, als in dem Trank des Prinzen. Und der Hauch Sakura haftete immer noch an dem Gefäß. Er stellte den Becher ab, drehte sich um: "Wo sind die beiden Toten?"
"Im Keller. Dort ist es kühl und Fürst Hikari wollte beide gemeinsam beerdigen, eine große Ehre für Nigari-san..."
"Ich will sie sehen."
"Äh." Dai hätte fast geschluckt. Aber vielleicht galt das unter Dämonen nicht als unschicklich. Jedenfalls hatte er den Befehl bekommen, alles zu zeigen, was dieser Dämonenprinz sehen wollte. Überdies: wer wusste schon, wie ein verärgerter Dämon reagieren würde. So sagte er hastig: "Kommt bitte, Lord Sesshoumaru."
Während dieser dem Haushofmeister folgte, dachte er nach. Pulver aus Schlafmohn war ein unter Menschen übliches Mittel, um künstlich einschlafen zu können. Diese erbärmlichen Wesen benötigten ja Schlaf. So gesehen war nichts ungewöhnlich. Sakura hatte sich jedenfalls nicht in der Art der Medizin vergriffen. Konnte man Schlafmohn überdosieren oder gar vergiften? Hatte jemand anderer sich an ihren Arzneien zu schaffen gemacht? Dieser müsste sich dann aber gut auskennen.
Im Keller steckte der Haushofmeister sich eine Fackel an, ehe er weiterging. Er hatte eine gesunde Abneigung in einen dunklen Kellerraum mit zwei Leichen zu gehen, aber dann sagte er sich, dass nichts, was ihn dort erwartete, ärger sein könnte als sein derzeitiger Begleiter. Er hatte unauffällig, wie er hoffte, diesen immer wieder betrachtet. Das war zwar unhöflich, aber wann sah man schon einmal einen Dämon aus dieser Nähe und musste nicht um sein Leben fürchten? Und so menschlich dieser auf den ersten Blick wirkte - die Hände waren Klauen und Dai verspürte keine Lust auszuprobieren, wie sie sich anfühlen würden.
Er öffnete die Klappe, stieg vorsichtig die Leiter hinab, entzündete unten noch eine Fackel. Im flackernden Licht wirkten die beiden Toten lebendig und er schluckte etwas, zuckte dann aber zusammen, als der Dämonenprinz neben ihm landete. Er hatte darauf verzichtet, die Leiter zu benutzen, sondern war gesprungen.
Sesshoumaru ignorierte den Haushofmeister und trat zu den Leichen. Anhand der Kleidung war unschwer zu erkennen, wer wer war. Das Gesicht des Prinzen war völlig friedlich und entspannt. Wäre nicht der unverkennbare Geruch des Todes gewesen, hätte man annehmen können, der Mohnsaft wirke noch immer. Auch seine Körperhaltung sah eher wie im Schlaf aus.
Er wandte sich Nigari zu. Bei diesem waren die Spuren des Todes deutlicher zu erkennen, denn sein Gesicht war aufgedunsen und verzerrt. Zudem besaß der Tote mehr von den typischen, schwärzlichblauen Leichenverfärbungen bei Menschen, insbesondere im Halsbereich, soweit man bei der Kleidung etwas erkennen konnte.
"Ich möchte den bisherigen Heiler sprechen. Lebt er noch im Schloss?"
"Ja, Lord Sesshoumaru." Der Haushofmeister löschte hastig das Licht und eilte die Leiter empor, weniger aus promptem Gehorsam, eher froh, den unheimlichen Gestalten unten zu entkommen. Er war kaum oben, als auch der Hundeprinz empor gesprungen kam. So leicht und elegant wie das aussah, konnte ein Sprung über drei Meter für einen Dämon nicht das geringste Problem darstellen. "Würdet Ihr mir bitte folgen?" Dai schloss die Klappe und führte seinen dämonischen Begleiter weiter durch das Schloss.
Sesshoumaru bemerkte eine Bewegung neben sich. Er hätte der Attacke leicht ausweichen können, aber er war zu neugierig, was das werden sollte. Diese Dienerin, diese Nimie, rannte auf ihn zu, schlug mit beiden Fäusten wild auf seine Rüstung ein. Das war einfach zu albern, als dass er das für einen echten Angriff gehalten hätte. Aber natürlich war das kein Benehmen. Er schlug dosiert zu. Immerhin war das nicht sein Personal. Wenn jemand zuhause eine solche Attacke gewagt hätte, hätte er sich in allen vier Ecken des Raumes gleichzeitig wiedergefunden. Das Mädchen flog gegen die nächste Wand, blieb dort liegen.
"Nimie!" brachte der Haushofmeister entgeistert hervor: "Bist du jetzt völlig übergeschnappt?"
"Er will diese Mörderin retten!" schluchzte sie: "Sakura soll doch sterben! Sie muss sterben!"
"Bitte, verzeiht, Lord Sesshoumaru", wandte sich Dai höflich an seinen Gast: "Sie muss den Verstand verloren haben." Er trat zu dem Mädchen, flüsterte ihr zu: "Bitte den Prinzen um Verzeihung und bedank dich, dass du noch lebst! Er ist nicht nur einfach ein Prinz sondern auch ein Dämon. Und sein Vater, der mächtige Inu no Taishou ist im Hof. Du bringst uns alle in Gefahr mit deiner Verrücktheit!"
Nimie schluchzte wieder: "Das ist doch alles nur meine Schuld, dass der junge Herr tot ist!"
Der Dämonenprinz machte einen Schritt näher: "Was?"
Dai schluckte: "Was redest du da? Nimie?" Hoffentlich war das nicht die Wahrheit, sonst würde Fürst Hikari ja sein Gesicht vor den Dämonen verlieren.
"Ich...ich muss einen Fehler gemacht haben..."
"Wieso soll es deine Schuld sein, dass der Prinz gestorben ist?" Der Haushofmeister überlegte kurz, ob sie wirklich irrsinnig geworden war.
"Er...er wollte mich nicht mehr. Ich muss einen Fehler gemacht haben..." Das Mädchen sah zögernd zu Dai: "Ihr wisst es doch, Dai-san...er hat mich immer gern gemocht, aber seit diese Sakura da war, hat er mich überhaupt nicht mehr beachtet. Ich muss einen Fehler gemacht haben. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte er nie nach dieser Heilerin geschickt, hätte er nie den Trank zu sich genommen. Ich habe was falsch gemacht und nur darum musste er sterben!" Sie schlug die Hände vors Gesicht.
"Das ist Unsinn", befahl Dai streng: "Und dein Benehmen ist mehr als unziemlich. Bedank dich jetzt bei Lord Sesshoumaru, dass er so gnädig war, dich nicht zu töten und dann geh und beruhige dich. Du bist ja eine Schande für unser Haus."
Nimie nahm sich mühsam zusammen. Aber ihr war klar, dass der Haushofmeister Recht hatte. Sie hatte sich mehr als anstößig benommen, ohne nachzudenken sogar auf einen Dämon eingeschlagen. Eigentlich war es wirklich verwunderlich, dass sie noch lebte. Vorsichtig blickte sie auf. Er sah so jung aus, und im Grunde wie ein Mensch. "Ich...ich..." Wie sollte sie das sagen? "Danke...." murmelte sie dann einfach, ehe sie aufstand und weglief. Hoffentlich hatte sie nicht zuviel gesagt.
"Ich bitte um Verzeihung, Lord Sesshoumaru", meinte Dai hastig: "Unser Personal ist für gewöhnlich nicht so unhöflich. Sie muss noch immer geistig verwirrt sein, durch den Tod des jungen Herrn."
"Ich will zu dem Heiler."
"Natürlich. Bitte, folgt mir. Ich bedauere diesen Zwischenfall zutiefst, Lord Sesshoumaru. Und ich danke für die Nachsicht, die Ihr mit Nimie hattet." Dai ging weiter. "Akari-san lebt dort in diesem Flügel."
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Hat euch die Tatortbesichtigung oder die Leichenbeschau weitergeholfen? Immerhin ist schon einiges von der Zeit um.
Tipps und Kommentare werden wie immer gern entgegengenommen.Ich schicke euch dann wieder eine ENS, wenn ich sehe, dass das neue Kapitel freigeschaltet wurde.
bye
hotep