a chrismas night
Ein pastellblaues Band zog sich über den Himmel und liebliche, wattige Wolken
schlichen hinterher und Hinterließen rauchige Spuren. Die Bäume waren alle
kahl und mit leichten Schneehäubchen bedeckt, während auf dem großen Platz
hinter der Kaserne Schneeschichten regelrecht gestapelt wurden. Das
Thermometer war auf eisige Minusgrade gesunken und der Frühreif hinterließ
frostige Streifen an den Scheiben der Geländewagen. Um diese Uhrzeit schlief
die ganze Kaserne und ihre Einwohner. Alle, bis auf eine. Ein Schwarzhaariges
Mädchen von zarten 12 Jahren war mit der Sonne aufgestanden und hatte, in
einen dicken Wintermantel gehüllt, begonnen Schneemänner zu bauen. Schon seit
Wochen hatte sich Rip auf den ersten Schnee gefreut und als Anfang Dezember
die fröhlichen Flocken vom Himmel regneten, war Rip vor Begeisterung in die
Luft gesprungen und hatte die teure Dekolampe zerstörte, die sich leider
Gottes zu nah in ihrem Umfeld befunden hatte.
Die 12 Jährige rollte eine besonders breite Kugel (welche ihr inzwischen schon
über den Kopf gewachsen war), über den Hof und sang dazu einige
Weihnachtslieder wie "Morgen kommt die Kavallerie" oder "Bald schon ist
Kriegszeit". Diese Lieder hatte Rip selbst zusammen gedichtet und fast jedes
enthielt eine dicke, kriegsgeile Hauptperson mit blonden Haaren, welche sich
selbst als Major beschimpfte. Die Kugel war nun eindeutig zu schwer geworden
und die kleine Rip weigerte sich strickt diese auch noch einen Millimeter
weiter fortzubewegen und ließ sie einfach in der Mitte des Platzes stehen.
Danach bückte sie sich und begann eine zweite Kugel zu formen. Das war kein
schwieriges Verfahren, dieses kam erst, als die beiden Kugeln friedlich
nebeneinander lagen und nicht die geringsten Anstalten machten sich freiwillig
aufeinander zu setzen. Rip sah sich um. Weit und breit war niemand zusehen,
außer, DER BAGGER. Es war sicher nicht schwer das Gerät kurz zu schließen und
einige Minuten später thronte die 12 Jährige auf dem grün gefärbten Gefährt
und probiert die verschiedensten Knöpfe aus. Ein besonders schön geformter
Hebel viel ihr ins Auge und sie zog mit einem Ruck daran. Der Hebel bewegte
sich nicht um einen Zentimeter. Rip packte ihn mit beiden Händen, stemmte die
Füße gegen beide Seiten und lehnte sich mit der ganzen Kraft ihres Körpers
gegen die Technik auf. Es gab ein seltsames Geräusch und der Bagger schoss mit
60 Sachen los. Halb aus der Büste hängend versuchte die Schwarzhaarige das
Steuer rum zureißen, doch mit ohrenbetäubendem Knall durchbrachen Rip und
Bagger die Absperrung und hinterließen ein großes Loch im Zaun. Die 12 Jährige
hatte es nun geschafft sich hinter das Steuer zu klemmen und jagte nun die
Straße hinunter. Gerade als sie es geschafft hatte die Maschine einigermaßen
unter ihre Fittiche zu bekommen, bog eine große und schwarz lackierte
Limousine um die Ecke, am Steuer, ein blonder Hauptmann mit dem Namen Hans
Günsche. Rip stockte der Atem, denn sie sah schon ihre nächsten Wochen im
Arrest flöten zu gehen. Mit einem letzten Schlenker versuchte die
Schwarzhaarige die Situation am Rande der Zerstörung vorbei zuführen, jedoch
schnitt sie mit der Baggerschaufel einen großen Riss in die Heckseite der
Limousine, welche Augenblicklich ins Schlingern geriet und mit lautem
Quietschen zum stehen kam. Die 12 Jährige samt Bagger fuhren in spe gegen eine
Tanne und das Mädchen viel aus der Fahrerkabine, nicht ohne mit dem Kopf
kräftig gegen den Baum zu schlagen. Während ihr von dem Dröhnen des
verreckenden Baggers und den unwahrscheinlich lauten Pochen des Schmerzes
gegen ihre Schädelwand die Tränen in die Augen schossen und sich ein taumliges
Gefühl in ihrem Körper breit machte, stieg der blonde Hauptmann aus dem Auto
und bäumte sich, mit in die Seiten gestemmten Armen, vor dem jungen Mädchen
auf. "RIP VAN WINKLE!!!! " Die Angesprochene wusste was jetzt kam und ohne
Widerrede und dröhnendem Kopfschmerz hörte sie sich die ellenlange Standpauke
an. Dann wurde sie am Kragen ihres Wintermantels gepackt und unsanft auf den
Beifahrersitz der Limousine gesetzt. Die Fahrt durch sprach keiner ein Wort
und auch in der Kaserne stieg der Hauptmann ohne Worte aus und hielt dem
Major, der im hinteren Teil der Limousine gesessen und nicht viel mitbekommen
hatte, die Tür auf. Es dauerte einige Minuten bis der korpulente Mann bemerkte
was seinem Auto angetan wurde. Man konnte sehen wie er erst grün im Gesicht
wurde, dann zu fahlweiß und schließlich zu puterrot wechselte. Der Major
wandte sich zum Hauptmann und versuchte einen ordentlichen Satz zusammen
zusetzten: "In mein Büro... um 8!" Dann Schritt er davon, wahrscheinlich um den
ADAC anzurufen und wieder einmal gnadenlos mit der Versicherung zu
diskutieren, welche in den letzten 2 Jahren schon so oft für Schaden aufkommen
musste, das jeder Soldat im Millennium sogar schon seine Zahnbürste versichert
bekam.
Der Hauptmann war so weiß im Gesicht wie der Schnee auf dem Platz und als er
die Wagentür öffnete schloss Rip die Augen und betete wieder mal zu Gott, dass
ihr Kopf auch dieses Mal ganz blieb. "So geht das nicht weiter Rip!", meinte
der Hauptmann, wobei seine Stimme arg zitterte, er bemühte sich, möglichst
ruhig zu bleiben. Doch die Angesprochene nahm die Stimme nicht wahr, in ihrem
Kopf drehte es sich und kleine Sterne flitzten an ihrem geistigen Auge vorbei.
Sie schwankte kurz und kippte dann bewusstlos zur Seite. "RIP?" Der Hauptmann
kniete sich sofort hinunter, sicher, wie konnte er denken das sie den Sturz
aus der Fahrkabine unbeschadet überstanden hätte. "Mach jetzt keinen Mist",
meinte er und hob das Mädchen hoch.
Die Diagnose des Arztes ergab eine leichte Gehirnerschütterung, doch Rip
nutzte die Situation gnadenlos aus. Nicht nur das sie diesmal keine Strafe
bekam, sie machte einen auf wahnsinnig krank und täuschte bei jedem Anflug
eines Anfalls vom Hauptmann schreckliche Migräne vor. Weihnachten rückte immer
näher und sie hatte das Privileg ab und zu auch Kekse aus der Küche zu
stehlen. Die Versicherung hatte den Schaden zurück erstattet und das Ereignis
mit dem Bagger verblieb einfach wie Rips Kopfschmerzen, plötzlich wie
weggeblasen. Am 3. Advent schaffte sie es sogar schon wieder die Tischdecke in
Brandt zu stecken und wurde darauf hin mit Keksen gesteinigt, was ihr
natürlich nur recht war, denn wann bekam man schon mal etwas nachgeworfen. Die
Schwarzhaarige war nun von früh bis spät draußen, was dem Hauptmann sehr zu
gute kam, so konnte sie wenigstens nichts mehr anstellen. Das einzige
Trümmerfeld was Rip hinterließ, waren Schneemänner mit Kugeln im Bauch, die
stark an den Major erinnerten, dieser hatte sie nämlich nach allen Regeln der
Kunst zusammengestaucht, als sie ihm seine teuren Donuts vor den Augen
weggefuttert hatte. Weihnachten brach an und das ganze Gelände erinnerte jetzt
eher an ein fein geschmücktes Anwesen. Es roch nach Lebkuchen und Plätzchen,
jedem Abend becherten sich die Soldaten eins hinter und wenn Rip ganz lieb
war, bekam sie sogar einige Schlucke Glühwein (wohl vorgesorgt ohne Alkohol)
und tat darauf einen auf Besoffene, welches die Soldaten sehr amüsierte. Am
24. Dezember bekam Rip eine Risikolebensversicherung geschenkt, was sie für
wirklich überflüssig hielt und einen nagelneuen Teddybären (und auf Nachfrage
den Engel vom Weihnachtsbaum).
Doch wer jetzt dachte, die schlimmste Zeit wäre überstanden, der irre sich.
Denn Silvester bedeutete nicht nur Jahreswechsel, sondern auch wahnsinnig
laute Böller und Raketen. Pyrotechnik und Rip waren zwei Sachen die zusammen
passten wie Funke und Lunte. Man fand in den nächsten Tagen oft gesprengte
Kleinigkeiten. Da die Schuhe, da der versenkte Helm, hier und dort eine
verbruzzelte Lampe und Nachbars Lumpi. Der Hauptmann dachte endlich Schlösser
gefunden zu haben, die die 12 Jährige nicht aufbekam, doch als er am nächsten
Tag sein Kopfkissen aufgerissen, schwarz gefärbt und Federn spuckend vorfand,
wusste er, dass seine Schlösser nicht einmal annährend die Wirkung erzielten,
die sie haben sollten. "Von wegen nicht mal durch Bomben zu öffnen.", fluchte
er und stopfte das Kissen in die überquellenden Mülleimer hinterm Haus. Doch
Rip hatte eben in diesem Moment die ultimative Verschmelzung erfunden. Sie
steckte eine Rakete in ihre Muskete und feuerte sie ab. Mit einem Heulen erhob
sich der Feuerwerkskörper und sauste auf den Hauptmann zu, welcher gerade noch
seine Mütze retten, aber dafür eine halbe Augenbraue und ein Stück seines
Ponnys einbüßen musste, während die Funken sprühende Rakete geradewegs auf die
Garage zuhielt.
Den Nachmittag verbrachte die 12 Jährige damit, vor dem Hauptmann wegzurennen
welcher versuchte, sie mit einem Schneeball nach dem anderen zu treffen, doch
gelang es diesem nicht, da Rip nicht nur flink sondern auch geschickt war.
Gegen Abend entdeckte die Schwarzhaarige die Vorteile des Schneeballkrockets,
welches sich wunderbar mit der Muskete vollführen lies. Sie schoss einen Ball
nach dem anderen gegen die Fenster, wobei sie einen neugierigen Soldaten hart
im Gesicht erwischte. Nachdem man Rip er unfreiwillig in die warme Badewanne
gesteckt und ihr einen flauschigen Frottebademantel übergestreift hatte, saß
diese mit einem heißen Kakao vor dem Fernseher und beobachtete die
Nachrichten. Vor ihr lag ein Zettel, auf dem fein säuberlich Wörter
geschrieben waren. Die Schwarzhaarige sog die Wörter aus der Werbung und
dichtete Texte. Gerade war sie bei:" Oh Tannebaum, oh Tannebaum. Der Major
hängt verbrannt im Raum. Die Bilanz die wir nun ziehn, er hatte zu viel
Koffein. Auch ist er sonst sehr akkurat... " Rips Texte hatten selten Sinn, ihr
gefiel es nur so viele Fremdwörter wie möglich einzubauen, damit es
einigermaßen erwachsen klang, als der Hauptmann hereinkam. Auf seiner
Nasenspitze war Schnee und seine Wangen waren von der Kälte gerötet. "Hallo
Weihnachtsmann!", meinte Rip mit einem kurzen Blick zu dem Blonden. "Haha wie
witzig. Sag mir lieber was du mit der Schneeschippe gemacht hast?" Die
Schwarzhaarige grübelte. Hatte sie den Mixerrotor in die Schneeschaufel oder
dem Kühler vom Geländewagen eingebaut. Ein Blick aus dem schneebedeckten
Fenster sagte ihr das es die Schneeschaufel war. Der Hof sah aus wie ein
Trümmerfeld, der Schnee lag wie zerschnetzelt da und einige Nadelbäume hatte
es zerrissen. "Ups", machte Rip und vergrub sich in der Couch. "Das räumst du
mir Morgen auf." ~ "Aber Morgen ist doch...." ~ "Kein aber.", damit verließ der
Hauptmann das Zimmer wieder.
Am nächsten Morgen scheffelte Rip alles fein vom Platz und wurde sogar das
erste Mal in ihrem Leben vom Major gelobt. Sie grinste über beide Backen und
verschlang zum Mittag sogar das Doppelte. Es war ein kalter Nachmittag und Rip
verbrachte die Zeit damit, mit einer lachenden Uhr, die sie geschenkt bekommen
hatte und einen kleinen Sonnenschirm, den Atomkrieg von Hiroshima
nachzuspielen. Drei Barbies (wo kommen die denn her?) mussten dran glauben und
die Köpfe rollten über den Boden. Am Abend wurde die Silvesterparty
eingeleitet. Der Raum in dem gefeiert wurde war mit Luftschlangen in allen
Farben geschmückt und es war ein Buffet aufgebaut worden, auf das sich Rip
gleich stürzte. Die Uhr tickte und 1 Minute vor 12 gingen alle nach draußen um
pünktlich um Mitternacht die Raketen gen Himmel fliegen zu lassen (zumindest
die, die Rip noch übrig gelassen hatte.). Die Schwarzhaarige beobachtete eine
Rakete nach der anderen, wie sie sich langsam in der Dunkelheit verlor und
schlief schließlich ein.
~+++Ende+++~