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Descend from heaven

von

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Sekunden

Kapitel 3: Sekunden
 

"Siehst du die junge Mutter dort drüben? Die Blondine mit dem Kinderwagen?"
 

Rei schob sich noch ein weiteres Stück an der Wand, an die er gepresst wurde, entlang. Stück für Stück, bis er an der Kante angekommen war und vorsichtig einen Blick um die Ecke werfen konnte. Eine Hand an seiner Schulter verhinderte, dass er sich zu weit vorbeugte und das Gleichgewicht verlor.
 

Sie befanden sich noch immer in dem Einkaufszentrum, nachdem sie sich dort ein Frühstück hatten besorgen wollen und Boris plötzlich Alarm gegeben hatte. Er war sich sicher gewesen, einige Hunter entdeckt zu haben. Innerhalb von Sekunden hatte sich daraufhin ihre kleine Gruppe aufgelöst und über den gesamten Komplex verstreut. In kleinen Gruppen war es leichter den scharfen Augen ihrer Verfolger zu entkommen. Zu Reis Verdruss hatte Kiki es jedoch in der Eile geschafft der strengen Bewachung seines Mentors zu entkommen und war mit einigen Serce verschwunden.
 

"Ich sehe sie. Aber kümmert sie sich nicht gerade um ihr Baby?", antwortete Rei flüsternd und wollte sich schon wieder zurückziehen. Kai hielt ihn jedoch weiterhin fest und verengte dann die Augen zu Schlitzen. "Welches Baby? Ich bin mir sicher, dass der Kinderwagen leer ist. Schau dir doch nur mal an, wie sie sich um ihr angebliches Kind kümmert! Sie ist eine von ihnen."
 

Der Schwarzhaarige runzelte die Stirn, bemerkte dann aber wie die Blicke der Mutter immer wieder in ihre Richtung glitten. Sollte es wirklich eine Hunter sein, musste sie sie schon entdeckt haben und das konnte für sie nur eines bedeuten: "Wir müssen sofort hier weg!"
 

Kai nickte grimmig und zog dann Rei wieder mit sich in den Gang, aus dem sie gekommen waren. Sie unterdrückten jedoch den Reflex panisch wegzurennen und zwangen sich stattdessen langsam Richtung Ausgang zu schlendern. Sie wollten keinesfalls noch mehr Aufmerksamkeit erregen, da sie schon jetzt von einigen Seiten schiefe Blicke zugeworfen bekamen.
 

Sie waren schon an dem großen Eingangsportal angekommen, als Kai in einer Schaufensterscheibe die Reflexion der Mutter entdeckte, die ihnen scheinbar unauffällig folgen wollte. Ihren Kinderwagen vor sich herschiebend, war sie bis auf wenige Meter an sie herangekommen. Und das Klappern ihrer Absätze wurde immer schneller. Die beiden Engel brauchten kein Signal, um im gleichen Moment loszurennen.

Die Jagd hatte begonnen.
 

Nur Sekunden später hörte Rei ein ärgerliches Fluchen und einen lauten Knall hinter sich. Es klang so, als hätte ihre Verfolgerin endlich ihre Maskerade abgelegt und den Kinderwagen aus dem Weg geräumt. Tatsächlich verrieten ihre Schritte, dass sie die Verfolgung aufgenommen hatte.
 

Der Weg bis zu der Tür schien für Rei doppelt so lang, als noch zuvor. Obwohl er versucht hatte die Gedanken an die Hunter aus seinem Bewusstsein zu verbannen, konnte er nicht verhindern, dass Bilder von ehemaligen Gefangenen vor seinem inneren Auge vorbeizogen. Er war zwar mit der Gefahr aufgewachsen, doch hatte er es nie ganz geschafft die Angst zu unterdrücken. Das würde wahrscheinlich keiner von ihnen je schaffen.
 

Kai, der neben ihm lief, sah immer wieder prüfend zu ihm, um sich zu versichern, dass er noch immer an seiner Seite war. Doch auch er konnte nicht mehr verbergen, dass er sich Sorgen machte. Aus einem einzelnen Hunter konnten leicht mehrere werden und an einem so bevölkerten Ort waren sie ihnen schutzlos ausgeliefert. Hoffentlich hatten die Anderen mehr Glück.
 

Ein entsetztes Schreien hallte wider. Im Vorbeirennen hatte Rei ein junges Mädchen gestreift und dabei unabsichtlich zu Boden gestoßen. Aber auch wenn jetzt keine Zeit für Entschuldigungen war und die Panik langsam Besitz von ihm ergriff, fühlte der Schwarzhaarige einen kurzen Moment der Reue.
 

Jedes Zögern wurde jedoch sofort beiseite geschoben, als er die große Drehtür, die noch nicht einmal mehr drei Meter von ihm entfernt war, vor sich sah. Kai hatte sich bereits etwas zurückfallen lassen, damit Rei genug Platz hatte, um sich an den im Weg stehenden Passanten vorbei zu drängeln. "Vorsicht!"
 

Eine Gruppe Jugendlicher, die im falschen Augenblick das Einkaufszentrum verlassen wollten, wurden von ihm gewaltsam beiseite gedrängt. Beschwerden wurden laut und wüste Beschimpfungen verfolgten die beiden Engel, als sie sich gegen das Glas der Tür stemmten. Die Wucht, mit der sie dabei dagegen prallten, reichte schon aus, um den Drehmechanismus in Gang zu setzen. Ein kurzes Luftholen und sie befanden sich wieder außerhalb des Gebäudes.
 

Kai griff nach der Hand seines Freundes und zog ihn grob in Richtung Straße. Auf dem großen Vorplatz waren sie leichte Beute für ihre Verfolgerin und nach deren Rufe und Schreie, die von allen Seiten zu kommen schienen, hatten sie es nicht mehr nur mit einer einzigen Jägerin zu tun. Sie rannten sprichwörtlich um ihr Leben.
 

Noch wusste Rei nicht, wie der Graublauhaarige ihre Verfolger abschütteln wollte, aber er kannte ihn inzwischen gut genug um zu wissen, dass dieser bestimmt schon einen Plan hatte. Nicht umsonst hatte Kai das Leben als Serce gewählt. Das Kämpfen war für ihn ein Lebensinhalt geworden.
 

Die mehrspurige Straße, auf die sie zusteuerten, war noch immer Opfer der Rush Hour. Autos kamen nur langsam oder überhaupt nicht voran und noch schien die Blechlawine kein Ende nehmen zu wollen. Was jedoch für die Betroffenen nervenaufreibende Routine war, sollte für Kai und Rei ein Glücksfall werden.
 

Anstatt in einer Kamikazeaktion über die Straße zu rennen, konnten sie so die Autoschlangen nutzen, um immer wieder aus dem Blickfeld ihrer Verfolger abzutauchen. Doch als sie endlich auf der anderen Straßenseite ankamen, musste Rei mit Entsetzen feststellen, dass ihre Manöver zwar für einige Verwirrung gesorgt hatten, man sie aber schnell wieder entdeckt hatte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, sie hätten sich ebenfalls getrennt...
 

"DA!", schrie Kai und deutete zu einem Zeitungsstand, der sich an der Ecke zu einer etwas ruhigeren Nebenstraße befand. Ein etwas älterer Mann war gerade dabei mühevoll einen unscheinbaren Pappkarton dorthin zu tragen und fuhr sich dabei immer wieder, nachdem er seine schwere Last abgestellt hatte, mit einer Hand über die Stirn. Interessanter war jedoch, dass der kleine Lieferwagen des Mannes unbeaufsichtigt und mit laufendem Motor am Straßenrand stand.
 

Rei machte eine kurze, verstehende Geste und wollte dann schon wieder losrennen, als ein stechender Schmerz ihn taumeln ließ. Noch während er seine Hände gegen seine Brust drückte, gaben seine Beine plötzlich nach und ließen ihn auf die Knie gehen. Sein Begleiter, der voraus gelaufen war, drehte sich überrascht um, als er das erstickte Keuchen hörte. Kai schrie erschrocken Reis Namen und war kurz darauf wieder an dessen Seite. "Was ist los?"
 

Fast panisch suchten seine Augen nach einer Verletzung, nach einem Grund für Reis Schmerzen. Als er jedoch keine offensichtliche Wunde fand, sah er in das verzweifelte Gesicht des Anderen. "Wir müssen weiter!" Der Chinese war sich ihrer Situation vollkommen bewusst, doch jeder Versuch Aufzustehen scheiterte sofort. Das Brennen in seinen Lungen wollte nicht aufhören. Warum musste sich sein Körper gerade jetzt gegen ihn stellen?
 

Schließlich kniete sich Kai vor den Anderen und legte dessen Arme um seinen Hals. Die Schreie der Hunter kamen immer näher. Rei verstand sofort und schlang seine Beine ebenfalls um Kais Taille. Indem er den Schwarzhaarigen auf dem Rücken trug, waren sie zwar sehr langsam und beide angreifbar, doch der Russe würde Rei niemals allein zurücklassen. Diese Erfahrung hatte er schon einmal gemacht.
 

In ihrer jetzigen Situation hatten sie nur noch eine geringe Chance, wenn sie es rechtzeitig zu entkommen, wenn sie es rechtzeitig zu dem Lieferwagen schaffen würden. Schritt für Schritt quälte sich Kai voran. Reis Gewicht zog ihn immer mehr nach unten und er war noch erschöpft von der vorherigen Verfolgungsjagd. Würden sie es trotzdem noch rechtzeitig schaffen?
 

Je mehr die Meter, die sie von ihrem Ziel trennten, schrumpften, umso kürzer wurde auch der Abstand zu ihren Verfolgern. Inzwischen hatten es einige schon über die Straße geschafft, da ihre Schritte, die Rei unter den Motorengeräuschen noch immer hervorhörte, wieder schneller wurden. Sie riefen sich untereinander Anweisungen zu. Einer sollte von links kommen, zwei von rechts um ihnen den Weg abzuschneiden. Klangen sie nicht sogar schon siegessicher?
 

Kais Tempo beschleunigte sich, so gut es ging, noch ein bisschen. Sein Atem wurde schneller, abgehackter und seine Hände, die Reis Kniekehlen festhielten, rutschten langsam ab. Seine Schultern, in die der Schwarzhaarige seine Finger gekrallt hatte, hoben und senkten sich unregelmäßig. Fast konnte er sogar den Herzschlag des Anderen spüren.
 

Heute Morgen erst waren sie sich auch so nahe gewesen, nur unter anderen Umständen. Würden sie je wieder die Gelegenheit dazu haben? Rei konnte die hoffnungslosen Gedanken nicht mehr vertreiben. Was würde mit ihnen passieren, sobald man sie erst einmal gefangen nahm? Würde man sie gleich umbringen? Oder würden sie erst als Laborratten für die widerlichen Experimente der Hunter dienen müssen? Sie waren bisher immer entkommen, ihr ganzes Leben lang waren sie entkommen. War das jetzt das Ende?
 

Dann kamen sie am Lieferwagen an. Kai riss die Fahrertür auf und stieß Rei unsanft in das Wageninnere. Mit letzter Kraft konnte dieser auf den Beifahrersitz krabbeln, während der Graublauhaarige schon hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte und auf das Gas drückte. Mit quietschenden Reifen fuhr daraufhin das Fahrzeug los, eine kleine Gruppe fluchender Hunter hinter sich lassend.
 

Auch ohne eine ärztliche Meinung wusste Rei, dass er das letzte Stadium erreicht hatte. Zwei Anfälle innerhalb eines Tages und auch noch in diesem Ausmaß, das konnte doch nur eines bedeuten: sein Körper gab auf. Indem sich die Symptome häuften, wurde nur offensichtlich, was er schon längst wusste.
 

Seine größte Angst war es immer gewesen, dass er durch seine Probleme einmal andere Menschen in Gefahr brachte. Und er hatte Kai durch seine Leichtsinnigkeit schließlich in Lebensgefahr gebracht. Er hatte das doch nicht gewollt! Alles, ihre fast gescheiterte Flucht vor den Hunter und aus der Stadt, war nur seine Schuld! Eine einfache Entschuldigung würde wohl kaum ausreichen.
 

Umso schmerzlicher war es für Rei, wie fürsorglich sein Freund ihn behandelte, kaum dass sie in einem Serce-Versteck angekommen waren. Das hatte er ganz sicher nicht verdient. Aber noch hielten ihn Kais und seine eigenen Sorgen um ihre Freunde davon ab, Kai die Wahrheit zu gestehen. Noch reagierte er auf die besorgten Fragen mit einem unwirschen Kopfschütteln und beteuerte immer wieder, dass es ihm doch gut gehen würde.
 

Im Laufe der letzten Stunden des Tages trafen dann aber wieder Engel aus Kais Team ein. Zuerst Yuriy und Boris, die sich glücklich schätzen konnten nicht entdeckt worden zu sein. Ihr einziges Problem war nur ein fehlendes Transportmittel gewesen, doch als Serce waren ihnen die Worte ,Diebstahl' und ,Beschädigung öffentlichen Eigentums' fremd. Nur kurze Zeit später tauchte auch Garland wieder auf, der stolz von einigen überwältigten Huntern berichtete. Wahrscheinlich konnten Kai und Rei ihm danken, dass sie es nicht mit noch mehr Verfolgern zu tun gehabt hatten.
 

Zuletzt schlugen sich Takao und Kiki zu ihnen durch, um Stunden verspätet, aber immer noch mit einigen Krümeln im Mundwinkel. Hätte der Graublauhaarige nicht andere Dinge zu klären gehabt, hätte der Black wohl mit einer weniger angenehmen Strafpredigt rechnen müssen. So aber seufzte dieser erst einmal erleichtert auf, als alle wieder unbeschadet versammelt waren und trug dann nach und nach die Informationen über den Hinterhalt zusammen. Wie viele Hunter sie gesehen hatten (nach Kais Zählung mussten es mehr als ein Dutzend gewesen sein), wie sie organisiert waren, usw. Jedes Detail war wichtig, um das nächste Mal besser vorbereitet zu sein.
 

Ihr Versteck, eine kleine Wohnung in einem, etwas heruntergekommenen, mehrstöckigen Wohnhaus, bot gerade genug Platz für sieben Personen. Als Kai und Rei eingetroffen waren, hatte sie verlassen ausgesehen. Die wenigen Möbel, die man da gelassen hatte, waren von weißen Tüchern bedeckt, doch überraschenderweise gingen sowohl Strom als auch Wasser. Irgendjemand musste also dafür sorgen, dass die Wohnung als Versteck erhalten blieb.
 

Ein altes Sofa, so wie ein ziemlich ramponiert aussehender Sessel und einige Sitzkissen, die Rei in einem Wandschrank gefunden hatte, waren nun von den erschöpften Engeln beschlagnahmt worden. Glücklicherweise hatte Takao soviel Anstand besessen, dass er seinen hungrigen Freunden etwas Essbares mitgebracht hatte - während ihrer Flucht hatte kaum jemand von ihnen Zeit gehabt sich um seinen Hunger zu kümmern. Dementsprechend hungrig fielen sie auch über die kalten Speisen her und hörten Kais Vortrag eher abwesend zu. Jedoch nur, bis er Reis Anfall ansprach.
 

Der Schwarzhaarige hatte geahnt, dass sein Freund diese Tatsache nicht unerwähnt lassen würde. Wenn er schon von ihm keine Antworten bekam, während sie alleine waren, dann würde sich Rei doch nicht vor den Fragen der ganzen Gruppe drücken können. Zwar hatten sie beide, Serce und Níre, zwangsläufig Geheimnisse voreinander, doch sobald es etwas außerhalb des Konflikts der Beiden betraf, war diese Entschuldigung hinfällig. Das wusste Rei.
 

Zwar war er auf die fragenden, überraschten und vor allem auch besorgten Blicke der Anderen vorbereitet gewesen, hatte sich sogar schon eine passende Lüge zurecht gelegt (so sehr ihm dies auch widerstrebte), doch hatte er nicht mit der Reaktion seines Schützlings gerechnet. Dieser riss erst entsetzt den Mund auf und fragte dann in seiner naiven Art: "Schon wieder?" Gegen diese Frage hatte Reis Lügengeflecht keine Chance.
 

Kiki hatte garantiert nicht einen Moment lang daran gedacht, was er mit seiner Frage den Anderen offenbarte. Er machte sich nur Sorgen um ihn. Nach der ganzen Zeit, die sie jetzt schon miteinander verbracht hatten, war es nur verständlich, dass der Kleine irgendwann von den Anfällen seines Mentors erfuhr. Und so sehr sie sich auch manchmal stritten, Rei bedeutete für ihn mehr, als er es jemals zugeben würde. Er war so etwas wie ein Stück Familie für den jungen Anwärter. Deshalb war er auch umso geschockter gewesen, als er von Reis ,Krankheit' erfahren hatte. Auch wenn er inzwischen einiges darüber wusste, so kannte aber noch nicht einmal er die ganze Wahrheit.

Und so hatte es eigentlich auch noch bleiben sollen.
 

Rei stöhnte, vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Ein Rückzieher war kaum mehr möglich, denn jede weitere Lüge würde wahrscheinlich sofort durchschaut werden. Aber wie sollte er es den anderen Engeln erklären? Waren sie denn schon alles zu erfahren?
 

"Beende endlich dieses Spielchen, Rei! Ich habe keine Ahnung, was mit dir los ist und das macht mich langsam wahnsinnig! Wie soll ich denn sonst reagieren, wenn mein Freund plötzlich vor Schmerzen fast umkippt? Ich respektiere deine Geheimnisse, aber das geht eindeutig zu weit! Was zum Teufel ist mit dir los? Warum willst du es MIR nicht sagen?" Kai, der bisher gestanden hatte, drehte sich bei diesen Worten zu dem Schwarzhaarigen um und baute sich vor ihm auf. Die Hände vor ohnmächtiger Wut geballt, schrie er Rei zwar nicht an, doch die Verzweiflung, die aus seiner Stimme herauszuhören war, traf seinen Freund mitten ins Herz. Noch nie hatte Rei ihn so emotional erlebt.
 

Unweigerlich versuchte er den Blick von Kai abzuwenden, doch egal wohin er sah, begegnete er nur den ernsten Augen seiner Kumpanen. Yuriy, der nur den Kopf schüttelte. Boris, der ihn fast abfällig ansah und damit seine Feigheit verurteilte. Garland, der sich eigentlich aus dem sehr persönlichen Streit heraushalten wollte, und Takao neben ihm, der ihn verwirrt ansah.
 

Reis Blick schweifte durch die Runde, bis er an Kikis unschuldigem Gesicht hängen blieb. Scheinbar hatte er seinen Fehler erkannt, doch von Reue keine Spur. Während er seinen Kopf schief legte, flüsterte er für alle hörbar: "Kai ist nicht der Einzige, der sich Sorgen macht. Ständig erzählst du mir, dass Black und White sich zu sehr unterscheiden, als dass sie den Anderen jemals verstehen könnten. Und dann noch diese seltsame Krankheit, die dir manchmal so zu Kopf steigt, dass du alles um dich herum vergisst - das hängt doch irgendwie alles zusammen. Es liegt doch etwas in der Luft! Also, was ist das, über das alle reden? Dieses ,Aivenum'?"
 

Der Schwarzhaarige sog scharf die Luft ein. Woher kannte der Kleine dieses Wort? Doch als er die unbeeindruckten Gesichter der Serce sah, wurde ihm langsam klar, warum sie Kiki bei sich aufgenommen hatten: "Es war kein Zufall, dass wir euch über den Weg gelaufen sind." Und mit einer Bitterkeit in der Stimme fuhr er fort: "Wer hat euch davon erzählt? Die anderen Serce? Dann war es also wirklich nur eine Frage der Zeit, bis ihr von der Sache Wind bekommt."
 

Ein angedeutetes Nicken Kais beantworte seine Frage. "Es wird erzählt, dass einige White an etwas arbeiten, das sich ,Aivenum' nennt. Keiner konnte uns sagen, was das genau ist, noch zu welchem Zweck es dienen sollte. Nur ein paar Namen konnten wir in Erfahrung bringen." Die blutroten Augen verengten sich zu Schlitzen. "Doktor Mizuhara, ein ehemaliger Schützling Taos." Rei hob ruckartig seinen Kopf. "Der Mann, den du deinen ,Meister' nennst." Der Schwarzhaarige zuckte bei den letzten Worten zusammen. Die abfällige Art, in der Kai über Tao sprach, war für ihn nichts Neues, im Gegensatz zu dem Hass, der sich nun auch noch dazugesellt hatte.
 

"Nein! Ihn trifft keine Schuld!" Rei stand nun ebenfalls auf, so dass er fast auf gleicher Augenhöhe wie der Black war. "Du hast kein Recht, so über ihn zu reden!" Kai knirschte mit den Zähnen, unterdrückte jedoch den Drang, darauf zu antworten. Stattdessen ging er einige Schritte zurück, um sich mit verschränkten Armen gegen eine der nackten Wände zu lehnen.
 

Wesentlich ruhiger, als Kai es vorhin getan hatte, ergriff nun Rei das Wort und fuhr sich aus reiner Gewohnheit erst kurz durch die langen Fransen, die ihm ins Gesicht hingen. "Also gut, ihr habt euch den Richtigen ausgesucht. Ich weiß wirklich, was das Aivenum ist und ich werde es euch auch erzählen. Es war aber nicht gerade fair, wie ihr eine Antwort erzwingen wolltet. Mich zu fragen ist eine Sache, aber Kiki vorzuschicken ist nicht in Ordnung!" Kikis entrüstetes Schnauben quittierte Rei mit einem warnenden Blick. Er würde seinem Schützling wohl noch erklären, wem seine Loyalität zu gelten hatte.
 

"Und damit ich eins klarstelle: es ist mir verboten worden über das Aivenum zu reden. Es gibt tausend Gründe, warum ihr noch nichts davon erfahren solltet und vielleicht nur einen Einzigen, warum ich es euch hier erzähle. Geheimnisse gibt es aus gutem Grund und wer weiß, was ich jetzt damit anrichte." Rei hielt einen kurzen Moment inne und schloss die Augen. "Deine Schlussfolgerung, dass meine Anfälle etwas mit diesem Stoff zu tun haben, war richtig, Kiki. Aber ich bin nicht der Einzige." Damit öffnete er seine Augen wieder und begann unter den entsetzten Blicken der anderen Engel mit seiner Geschichte.
 

"Wir haben alle daran geglaubt. Die Risiken waren uns vollkommen egal. Wir wollten normal sein, wenn auch nur für kurze Zeit. Das Aivenum hat uns das ermöglicht ..."
 

Anmerkung:

Ja, ich gebe zu, dass das Kapitel eigentlich schon länger fertig ist, ich mich bisher aber nicht dazu entschließen konnte, es hochzuladen. Einerseits lag das daran, dass ich sehr lange gebraucht habe, um es zu schreiben - vor allem der Anfang ist eigentlich eine Kompromisslösung aus verschiedensten Ansätzen. Irgendwie habe ich wohl vergessen, den roten Faden am Anfang einzubauen und jetzt tue ich mich schwer, die Geschichte richtig beginnen zu lassen.

Dieses Kapitel ist verwirrend, wirft viele Fragen auf und könnte teilweise widersprüchlich sein, aber wie ich meiner Beta schon gesagt habe: so sind meine Geschichten nun mal. Viele Dinge, die ich jetzt schon erwähne, und seien es nur Kleinigkeiten, könnten später einmal wichtig werden. ^^

Noch einmal Entschuldigung wegen der langen Wartezeit und vielen Dank für eure lieben Kommentare und eure Unterstützung!

Das Kapitel ist all denen gewidmet, die bis jetzt durchgehalten haben. ^-^



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-09-12T21:02:15+00:00 12.09.2007 23:02
Das Kapitel wirft echt viele Fragen auf!

Aber das macht ja deine Storys so geil! *schwärm*

ich bin echt gespannt wie es weiter geht und hoffe das du mir auch hier eine ENS schreibst, wenn das nächste Kapi on gestellt wurde! *grins*

Besonders gefiel mir die Verfolgungsjagt! *smile*

Mach bitte schnell weiter!

Freu mich schon darauf!

by by

Mimi
Von: abgemeldet
2007-03-05T17:26:50+00:00 05.03.2007 18:26
Hi du.
also ich muss sagen, dass mir kaum eine deiner FFs bis jetzt so gut gefallen hat, wie die hier (OK, das war jetzt ein bisschen gelogen: eigentlich sind die alle echt super) ;)
ich find deine ideen klasse und dein stil die geschichten aufzubauen und zu schreiben find ich klasse.
aber die idee hier ist doch mal echt genial.
also ein riesen lob von mir und ich hoffe, es geht irgendwann noch weiter
cada :)
Von: abgemeldet
2006-04-17T21:04:58+00:00 17.04.2006 23:04
Das war wieder einmal eines dieser Kapitel, die förmlich nach mehr schreien!! Mal abgesehen davon, dass ich eh schon ein recht neugieriges Wesen bin, hat meine Neugier auf die weiteren Ereignisse dieser Story wohl zurzeit ihren Höhepunkt. Was zum Geier ist mit Ray los und was bitte schön bedeutet / ist das "Aivenum"??? Ich hoffe mal, du klärst das recht schnell auf, ansonsten kriege ich ´ne Krise!! Insgesamt gesehen war es ein schönes Kapi und es gibt (mal wieder) nix zu meckern oder beanstanden!
Viele liebe Grüße
Dat Andi
Von:  Vergangenheit
2006-03-20T13:59:15+00:00 20.03.2006 14:59
Hupsala, ich hatte hier ja noch gar keinen Kommentar hinterlassen. Sorrü!

Die Geschichte ist großartig. Wie bei einer deiner Geschichten, auch nicht anders zu erwarten.

Ich finde das Thema sehr spannend und die Geschichte ist bisher sehr verwirrend. Ich habe das Gefühl, wir befinden uns noch immer in der Einführungsphase, neue Charaktere, neue Fragen und so weiter.

Ich bin sehr gespannt, was dieses Aivenum ist. Wie es scheint, kann es die Engel für eine bestimmte Zeit zu normalen Menschen machen. Aber es hat, so wie es im Moment aussieht, ziemliche Nebenwirkungen. Wie eine Droge. Und was meinte Rei damit, dass er im Endstadium ist? Zu was? Zum Mensch werden? Zum Sterben?

Was hat Meister Tao damit zu tun? Warum verachtet Kai ihn so?

A propos Kai, was meinte er damit er hätte schon mal jemanden zurücklassen müssen? Bezog sich das auf Rei oder gab es da mal jemand anderen?

Oh, noch eine Frage, ich habe beim Lesen irgendwie das Gefühl bekommen, dass diese Engel älter werden, als normale Menschen. Liege ich damit richtig?

Und auch, die von dir erwähnten Fähigkeiten, haben mich neugierig gemacht. Denn entweder habe ich es nur überlesen oder bisher hat keiner diese Fähigkeiten eingesetzt. Dabei bin ich so neugierig darauf, was es mit diesen Fähigkeiten auf sich hat.

Also ich bin jetzt sehr gespannt auf dass, was Rei zu sagen hat. Mal sehen, wie lange du uns auf die Folter spannst.

ByeBye
BlackSilverLady
Von: abgemeldet
2006-03-19T01:14:21+00:00 19.03.2006 02:14
oh oh hört sich echt sehr spannend an... Kann es sein, das jetzt so einiges ans Licht kommt, das evtl. noch hätte unausgesprochen bleiben müssen?
Na ja, bin ma gespannt auf's nächste Kappi

LG *knuddl*
dat Dreamy
Von:  _Kyuubi_
2006-03-18T19:35:35+00:00 18.03.2006 20:35
das kapieis keil
freu mich schon auf nexste kapi
mach bitte gans schnell weiter
Von:  salud01
2006-03-18T18:38:32+00:00 18.03.2006 19:38
oh mein gott das ist ja soooo spannend!!!!!!
wenigstens wurde ein bisschen was aufgeklärt,....
ich sehs schon kommen,....diese aivenum ist gaaaaanz schlecht für ray´s körper ne????
bitte schreib gaaaaaanz schnell weiter ich liebe diese ff total!!!!
sagst du mir dann boiiiitte bescheid?!^^
*knuddel*


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