Time is on our side
17. Zorro Time is on our side
Warum hat mir Robin nur dieses Buch geliehen? Am Anfang fand ich es ja ziemlich spannend wie dieser Ritter gegen seine Feinde kämpft, seine Entschlossenheit und seinen Mut, aber gegen Ende wurde die Sache doch ziemlich kitschig. Immer wenn dieser Kerl von einer seiner Schlachten nach Hause kommt, sucht er seine beste Freundin auf, um bei ihr zu essen und über seinen Kampf zu sprechen. So weit, so gut. Aber kaum ist das Gespräch beendet, fängt er an sie anzugraben, um sie ins Bett zu kriegen. Danach haut er ab und läßt sie heulend allein zurück. Bescheuert, vor allem da sich die Prozedur permanent wiederholt. Am Ende wird er verletzt, schleppt sich, wie könnte es auch anders sein, zu seiner Freundin, doch die weist ihn ab, was ich auch verstehen kann. Nur dann stirbt dieser Holzkopf vor ihrer Tür, anstatt sich um seine Verletzung zu kümmern. Wer erliegt schon einer einfachen Bauchwunde? Weichei. Aber natürlich ist er nicht gestorben, ohne vorher noch über sein Schicksal zu fachsimpeln, daß er sich seiner Freundin gegenüber schuldig gemacht hat, bla bla. Kein Wunder, daß er gestorben ist, hat er sich doch selbst zu Tode gequatscht.
"Na, fertig?" Ich blicke auf zu dem Schatten, der sich auf mein Gesicht gelegt hat. Robin steht vor mir mit dem Rücken zur Sonne und einer Tasse Tee in der Hand. Auch sie hat ein Buch dabei, wie immer wenn sie Zeit findet sich aufs Deck zum Lesen zu legen. "Ja," antworte ich schließlich und halte ihr das Buch entgegen. Doch anstatt es anzunehmen, läßt sie sich neben mir nieder. "Wie hat es dir gefallen?" "Die anderen waren besser." "Warum?" Sie nimmt einen Schluck aus ihrer Tasse, dann sieht sie mich wieder an, wartet wohl auf meine Antwort. "Es ist andauernd das gleiche passiert, zumindest im Prinzip. Zwar waren seine Gegner immer andere, die Kämpfe sehr verschieden, aber dennoch wußte man vorher, wie es weitergeht." "Dies ist ein wichtiger Aspekt. So gesehen handeln wir jeden Tag gleich, gehen auf in unserem Alltag ohne wirklich darüber nachzudenken." "Hat deshalb keiner der Personen einen Namen in diesem Buch, weil jeder es sein kann?" "Genau so ist es."
Wieder trinkt sie von dem Tee, langsam und bedächtig, als wäre es etwas besonderes. "Verhalte ich mich wie dieser Ritter?" "Ja, schon. Dein Alltag ist ein anderer, aber Parallelen sind nicht zu übersehen." "Inwiefern?" "Sag du es mir." "Wir kämpfen beide mit einem Schwert und -" "Versuch es anders. Dinge und Handlungen sind hier wie Symbole, die du durch deine eigenen ersetzen mußt. Ihr kämpft beide mit dem Schwert, aber du ziehst nicht jeden Tag in den Kampf. Du trainiertst zwar fast immer, aber das ist nicht deine primäre Aufgabe." "Diego. Seine Erziehung, das ist meine Aufgabe." "Genau." "Ganz schön kompliziert." "Ach was, du bist auf dem richtigen Weg. Hättest du das Buch falsch verstanden, hättest du gesagt, daß es eine alberne Liebesgeschichte sei, die nur Frauen gefallen würde." "Nein, eine Liebesgeschichte ist es nicht, zumindest nicht richtig. Aber dann wieder doch...."
Sie wird doch nicht.... "Trifft das etwa auch auf mich zu?" "Was würdest du denn sagen?" Oh, wie ich das hasse! Kann sie nicht gleich ja sagen? Zu gern hätte ich ihr jetzt in die Augen geblickt, um ihren Plan oder Gedankengang besser durchschauen zu können, aber sie starrt nur in ihre Tasse. "Aber ich habe gar keine Beziehung." "Würdest du sagen, daß er und diese Frau eine solche haben?" "Nein, das ist nur ihr Trieb." Klingt das blöd. Trotzdem entspricht es meiner Meinung. "Und wie du eben schon sagtest, hast du auch keine Beziehung, oder?" "Auch wieder wahr. Aber ich werde nicht an so einer albernen Bauchverletzung sterben!" Jetzt grinst sie auch noch. "Sag nicht, daß seine Wunde und sein Tod auch nur Symbole sind?" "Doch." "Na toll. Am besten fange ich noch mal ganz von vorne an. Ich habe einen Sohn, dessen Erziehung meine Aufgabe ist, pflege dabei eine Nicht-Beziehung, um irgendeins meiner Bedürfnisse zu befriedigen und mich dabei selbst zugrunde zu richten. Kommt das in etwa hin?" "Ja." "Hättest du das nicht etwas weniger überzeugt sagen können?" "Nein, wieso?" "Spiel nicht die Dumme, das kauft dir eh keiner ab." "Ich konnte ja nicht ahnen, daß du mich schon so sehr durchschaut hast."
Sie steht wieder auf und geht zu ihrem Liegestuhl, läßt mich allein zurück mit diesem komischen Buch. Natürlich weiß ich, daß sie möchte, daß ich mich noch etwas mit der Handlung und ihrer Bedeutung auseinandersetze, aber könnte sie mir nicht einen kleinen Tip geben, um mir ein wenig auf die Sprünge zu helfen? Aber benötige ich dazu wirklich ihre Hilfe? Weiß ich nicht bereits, daß sie die Rolle dieser Frau in meinem Leben spielt? Daß sie diejenige ist, mit der ich eine falsche Beziehung führe? Sanji hat das ja auch schon zu mir gesagt, daß wir beinahe wie ein Ehepaar wären, wenn ich sie nicht immer auf Abstand halten würde. Aber welches Bedürfnis habe ich, das ich mir von ihr erfüllen lasse und sie im gleichen Atemzug aber traurig werden läßt? Ob ich sie darauf ansprechen sollte? Oder ist es genau das, daß ich sie zu oft um ihre Meinung bitte? Aber sagt sie nicht immer, ich soll sie fragen, wenn ich etwas wissen möchte und keine Scheu davor haben bräuchte, daß ich sie belästige, denn dem wäre nicht so? Aber was ist es dann? Eine körperliche Beziehung haben wir nicht, sonst läge die Lösung wohl klar auf der Hand.
Wann ist Robin traurig und ich bin daran schuld? Na ja, das letzte mal war dies der Fall, nachdem wir uns geküßt haben und sie mir dabei etwas zu nahe gekommen ist, woraufhin ich nicht gerade sehr nett zu ihr war. Aber viel entscheidender sind doch eher die Situationen von denen ich nicht weiß, daß sie dadurch unglücklich wird. Das bringt mich jetzt aber auch nicht weiter. Die Frage lautet also, was ist der Grund, weshalb wir keine echte Beziehung führen? Antwort: Meine Zurückgezogenheit. Aber das ist doch kein Bedürfnis! Wenn Robin nicht mehr bei uns an Bord wäre, welche Konsequenz hätte das für mich? Keine Frage, ich würde sie schrecklich vermissen, schließlich liebe ich sie von ganzem Herzen und das weiß sie genauso gut wie ich, obwohl ich ihr das so nie gesagt habe.... Autsch! Ob das unser Problem ist? Will ich sie nur in meiner Nähe haben, um mir ihrer Liebe sicher zu sein, ihr aber meine Liebe weiterhin zu verweigern? Ich stehe auf und eile zu ihr, muß ich sie doch dringend etwas fragen.
Ich stelle mich vor sie, blicke kurz auf das Buch in ihren Händen, erkenne aber nur eine offenbar alte Schrift, mit der ich beim besten Willen nichts anfangen kann. "Was ist?" fragt sie mich schließlich, ohne dabei den Blick zu heben. "Warum weint die Frau?" Nichts, keine Reaktion. Ich knie mich vor sie und nehme ihr das Buch aus der Hand. "Noch mal. Warum weint die Frau?" "Gib mir mein Buch." "Erst, wenn du mir geantwortet hast." "Na ja, sie..." Robin dreht den Kopf zur Seite, senkt dabei aber auch ihren Blick. "Was?" Schweigen. "Die Frau in dem Buch, sie weiß doch genau, daß er sie nur benutzt, dennoch läßt sie sich immer wieder mit ihm ein. Weshalb?" "Weißt du das denn nicht...?" Heiser klingt ihre Stimme, als wäre sie den Tränen nah. "Weil sie ihn...liebt?" antworte ich, wird mir doch erst jetzt richtig bewußt, wie sehr diese Geschichte unser eigenes Verhalten widerspiegelt. "Ja...aber er, er spielt nur mit ihr, bis das Schicksal ihn dafür bestraft." "So sehe ich das nicht. Er liebt sie ebenso sehr, sonst wäre er nicht am Ende vor ihrer Tür an seinem gebrochenen Herzen gestorben. Er hat sie zu lange im Unklaren gelassen, bis sie den Schlußstrich gezogen hat, aber da war es schon zu spät, um noch etwas retten zu können. Er ist gestorben, weil er es versäumt hat seine Chance zu nutzen." "Aber was spielt das für eine Rolle, denn am Ende ist sie genauso einsam wie am Anfang." Ich lege meine Hand an ihr Kinn und drehe ihren Kopf in meine Richtung, daß sie mich ansieht. "Und was lernen wir daraus? Niemals aufgeben." Ein süßes kleines Lächeln schleicht sich auf ihre zarten Lippen, das mich ansteckt. Ein wenig neigen wir uns vor, daß wir Stirn an Stirn uns ansehen können. Gott, was hat das Leben nur aus uns gemacht, daß wir so gehemmt sind?