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5000 years ago - Wie alles begann

Meine eígene Interpretation der Rückblenden aus der Serie
von

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Die fremde Frau

So, das hier kommt dabei heraus, wenn Klein Hillary zuviel Yu-Gi-Oh guckt und sich überlegt, dass sie ja auch eine ff drüber schreiben könnte. Bisher habe ich es mit Beybladestorys versucht, als bewerft mich bitte nicht mit faulem Obst, wenn die Story ein wenig daneben geraten ist. Ich würde mich trotzdem über jede Menge Kommis freuen. Viel Vergnügen beim Lesen ( hoffe ich doch!)
 

Kapitel 1: Die fremde Frau
 

Die blonde Frau stolperte und fiel beinahe in die sandige Erde. Doch im letzten Moment konnte sie sich noch fangen. Außer Atem rannte sie weiter. Sie wollte auf gar keinen Fall wieder an diesen furchtbaren Ort zurück, an dem sie die vorigen Wochen verbracht hatte. Hastig stolpernd lief sie immer weiter. Der heiße Wüstensand brannte an ihren nackten Sohlen, doch darum kümmerte sie sich im Moment nicht. Jetzt galt es nur noch ihren Peinigern zu entfliehen. Dem Mann, der sie so lange gequält hatte. Dies war die Chance! wahrscheinlich auch ihre einzige Chance, allein deswegen durfte sie nichts unversucht lassen, um dieses unselige Land endlich zu verlassen. Ihre Augen tränten und brannten ein wenig, von dem Sand, den der unbarmherzige Wüstensand ihr ins Gesicht schleuderte. Doch nichts und niemand hätte sie jetzt noch aufhalten können. Schützend hielt sie sich einen Arm vor das Gesicht und leckte über ihre trockenen Lippen. Sie wusste nicht mehr, wie viele Stunden sie mittlerweile gelaufen war oder wie viel Kilometer sie bereits zurückgelegt hatte. Es war ihr auch gleich. Sie wusste nur eines: Wenn sie nicht bald auf Zivilisation treffen würde, so wäre die ganze Flucht vergebens gewesen.
 

"Mein Pharao, Ihr müsst euch beeilen! Die Zeremonie beginnt gleich."

Eine junge Frau eilte in den großen Raum hinein.

"Ich bin jeden Augenblick soweit.", ertönte die ruhige Antwort.

Der Pharao erhob sich von seinem Thron und blickte auf die Dienerin herab, die sich zu seinen Füßen niedergekniet hatte.

"Ihr könnt aufstehen, Isis.", erklärte Atemu.

"Jawohl, mein Pharao."

Die junge Frau in dem langen Gewand, das bis zum Boden reichte, stand leichtfüßig auf. Ihre schwarzen langen Haare fielen ihr weich um die Schultern. Die goldene Kette um ihren Hals zierte ihre dunkle Haut.

"Mein Pharao, was ist mit Eurer Gemahlin?", erkundigte sich Isis.

Atemu winkte ab und gab zurück:

"Sie hat sich in ihren Gemächern zur Ruhe gelegt. Augenscheinlich fühlt sie sich nicht sehr gut."

Atemu nahm sein Zepter und ging die Stufen runter, welche den Thron vom Rest des Raumes abhoben. Seine magentafarbenen Haare mit den blonden Strähnen, welche wie Blitze in der Dunkelheit wirkten, unterstrichen das intensive violett seiner Augen. Sein Umhang wehte leicht, als er schließlich vor Isis anhielt.

"Wir können gehen.", sagte Atemu.

Isis nickte und folgte ihrem Pharao in kurzem Abstand, als sie den Thronsaal verließen. Sie gingen durch einen langen Gang, der an den Seiten auf mächtige Säulen gestützt war. Die großen Steine waren mit diversen Schriften und Bildern versehen, meist Inschriften, welche die Geschichte Ägyptens erzählten. Auf dem Gang standen viele Wachen, die sich verbeugten, als der Pharao an ihnen vorbei schritt. Atemu schenkte jedem ein Nicken und auch Isis grüßte kurz. Obwohl es noch hell war, brannten in den eisernen Schalen bereits kleine Feuer, die sich bis zum Abend noch vergrößern und als einzige Lichtquellen dienen würden. Der Gang endete an einem großen Torbogen, welcher mit unzähligen Treppen nach unten führte. Atemu und Isis schritten langsam über die unzähligen Stufen. Unten auf dem Hof hatten sich bereits einige Bedienstete versammelt. Sie erwarteten die Ankunft des Pharao und standen in einer Reihe auf beiden Seiten des Hofes. Atemu musste lächeln, als er seine treuen Untertanen erblickte, doch dann zog etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich. Gerade kamen zwei Reiter durch das Tor geritten und sie führten ein weiteres Pferd mit sich, auf dem eine andere Person saß.

"Sind das nicht Eure Leibwachen Jono und Tethys?", fragte Isis.

"Ihr habt Recht, Isis, das sind sie in der Tat.", antwortete der Pharao.

Sie waren schon bald am Ende der Treppen angekommen. Die beiden Männer zügelten ihre Pferde kurz vor der Treppe und stiegen geschwind ab.

"Mein Pharao.", sagten sie gemeinsam und knieten sich hin.

"Heerführer Jono, Hauptmann Tethys, bringt Ihr mir neue Nachrichten?"

Die Angesprochen erhoben sich und schüttelten die Köpfe. Der Mann mit den blonden Haaren, welche unter seinem Helm hervorragten, gab dem Pharao Antwort.

"Wir haben leider keine Nachrichten für Euch, mein Pharao. Dafür bringen wir eine Gefangene."

"Eine Gefangene?", fragte der Pharao erstaunt.

Erst jetzt fiel sein Blick auf das dritte Pferd, welches die beiden mit sich geführt hatten. Oben im Sattel saß eine junge Frau, deren blonde lockige Haare bis auf die Taille fielen. Ihre Kleidung war zerlumpt und sie trug noch nicht einmal Schuhe.

"Was wird ihr vorgeworfen?", mischte sich Isis ein.

"Wir erwischten sie, als sie versuchte eines unserer Pferde zu stehlen." antwortete Tethys.

Er nahm seinen Helm ab, so dass seine braune Frisur zum Vorschein kam. Seine Haare liefen vorne zu einer Spitze zusammen und wirkten beinahe so, als bräuchte er gar keinen Helm.

"Sie versuchte zu fliehen, aber wir haben sie noch erwischt", berichtete Jono weiter, der ebenfalls seinen Helm abgenommen hatte, "auf unsere Frage hin, wer sie sei und was sie wolle, gab sie uns keine Antwort."

"So, so, du hast also versucht, eines meiner Pferde zu entwenden.", sagte Atemu.

Er machte eine Kopfbewegung und Jono drehte sich um.

"Steig ab und erweise dem Pharao die Ehre, die ihm zusteht.", befahl er.

Die junge Frau zögerte einen Moment lang und blickte dem Pharao trotzig entgegen. Jono ging zu ihr und zog sie aus dem Sattel. Ihre Hände waren gefesselt, damit sie nicht fliehen konnte. Jono nahm sie am Arm und führte sie

zum Pharao. Dort ließ er ihren Arm los und trat einen Schritt zur Seite.

"Du musst dich vor dem Pharao verbeugen.", sagte nun auch Isis.

Doch Atemu hob nur die Hand und erstickte damit jedes weitere Wort im Keim. Er ging einen Schritt auf sie zu, doch die junge Frau zog sich sofort merklich zurück. Jono wollte sie bereits festhalten, doch Atemu schüttelte den Kopf. Der Pharao setzte ein Lächeln auf und sagte beruhigend:

"Nur keine Angst, ich werde dir bestimmt nichts tun. Komm einen Schritt näher!"

Seine Worte waren freundlich und doch bestimmt. Die Frau konnte gar nicht anders, auch wenn die Umstehenden ihr die Unsicherheit ansehen konnten. Zögerlich trat sie einen Schritt vor und ging dann auf die Knie. Nach einem kurzen Moment verneigte sie den Kopf und ließ ihn zum Boden gewandt.

"Du kannst wieder aufstehen.", ertönte die Stimme über ihrem Kopf.

Unsicher blickte die Blondine auf, doch der Pharao nickte ihr lächelnd zu. Langsam erhob sie sich.

"Nehmt Ihr die Fesseln ab, Tethys!", befahl Atemu.

Tethys trat vor und durchtrennte die Seile mit einem Dolch, den er aus einer Scheide an seinem Gürtel zog. Die junge Frau verschränkte die Arme augenblicklich vor ihrem Körper, so als wolle sie verhindern, dass sie abermals gefesselt wurde.

"Willst du mir nun erzählen, warum du versucht hast, eines der Pferde zu stehlen?", fragte der Pharao.

Die junge Frau sah ihm in die Augen und schüttelte dann langsam den Kopf. Die Umstehenden waren verwundert. Sie wagte es, dem Pharao eine Antwort zu verwehren? Das war ungeheuerlich.

"Sag etwas, Kind, andernfalls kannst du im Kerker landen!", zischte eine alte Frau.

Doch die Frau blieb stumm und presste die Lippen aufeinander.

"Vielleicht kann sie gar nicht sprechen.", raunte Tethys Jono zu.

"Das oder sie ist unglaublich dumm.", stimmte Jonos Nachbarin zu.

"Ich glaube nicht, dass sie dumm ist.", widersprach Jono.

"Du kennst sie doch gar nicht.", wisperte Tethys erneut.

Jono zuckte nur mit den Schultern und wartete die Reaktion des Pharao ab.

"Du musst dem Pharao eine Antwort geben.", schaltete sich wieder Isis ein.

Doch die Frau tat so, als hätte sie Isis' mahnende Worte überhört.

"Man könnte dich für deine Unhöflichkeit in den Kerker werfen.", fuhr sie fort.

Sie hoffte immer noch, die junge Frau umstimmen zu können. Niemand war bisher bestraft worden, weil er versucht hatte, ein Pferd zu entwenden, doch sich den Anordnungen des Pharao zu widersetzen, war eine Straftat, die schwere Konsequenzen hatte. Niemanden durfte sich dem Pharao widersetzen oder gegen ihn aufbegehren. Immerhin war er der alleinige Herrscher.

"Lasst es gut sein, Isis, ich dachte Euch für Eure Mühe.", sagte plötzlich Atemu.

Er richtete sein Augenmerk wieder auf die blonde Frau vor ihm. Sie sah zwar hübsch, aber furchtbar mitgenommen aus. Nur noch ansatzweise ließ sich erkennen, dass ihr Gewand einmal lang gewesen sein musste. Nun bestand es nur noch aus einem knielangen zerrissenen Rock und einem Oberteil, dessen Arme vollkommen abgerissen war. Ihre Füße waren nackt und ihre Haare waren zersaust. Die Haut wies nicht nur kleine Risse auf, sondern zeigte auch diverse Kratzer. Der Pharao hatte Mitleid mit ihr.

"Es sieht so aus, als hättest du eine anstrengende Reise hinter dir. Jono wird dich in den Palast begleiten. Dort wird man sich um dich kümmern und deine Wunden verarzten."

"Ihr wollt sie gar nicht einsperren, mein Pharao?", fragte Tethys.

"Nein, Hauptmann Tethys, ich kann niemanden einsperren, den ich nicht einmal kenne.", erwiderte Atemu ruhig.

"Mein Pharao, ich will Euch nicht belästigen, aber die Zeit drängt.", bemerkte die schwarzhaarige Frau.

Mit einer Hand fasste sie kurz an die Kette, als wolle sie überprüfen, dass sie unversehrt war.

"Natürlich, Priesterin Isis, wir werden uns unverzüglich auf den Weg machen. Heerführer Jono, ich verlasse mich darauf, dass Ihr sie in den Palast geleitet und dort den Bediensteten übergebt. Eventuell kann sich Eure Schwester Sapheri um sie kümmern."

"Wie Ihr wünscht, mein Pharao.", erwiderte Jono.

Der Pharao warf den Umstehenden und der Frau noch einen letzten Blick zu, dann drehte er sich um. Mit wehendem Umhang und der glitzernden Pyramide um den Hals ging er davon. Die meisten folgten dem Pharao, da sie ebenfalls an der Zeremonie teilnehmen wollten.

"Was machen wir jetzt?", fragte Tethys.

"Du hast den Pharao gehört. Ich bringe sie jetzt zu Sapheri. Du kannst ja in der Zwischenzeit die Pferde versorgen. Es dauert nicht lange. Ich bin gleich wieder da."

Jono warf Tethys seinen Helm zu und wandte sich dann der jungen Frau zu.

"Komm mit, oben wird man sich um dich kümmern.", sagte er und deutete zum Palast.

Der Blick der Frau ging nach oben. Sie schaute über die schier endlosen Stufen, welche es zu bewältigen galt, bevor man den eigentlichen Palast betreten konnte.

"Geh voraus!", sagte Jono und winkte ihr.

Als sie ihn mit ihren violetten Augen ansah, meinte er, darin unendlichen Schmerz lesen zu können. Doch dann unterbrach sie die Verbindung, indem sie den Blick abwandte und voranging. Langsam schritt sie die Treppen hoch und Jono folgte ihr. Dabei ließ er sie nicht aus den Augen und achtete auf jede ihrer Bewegungen. Sie konnte nicht älter sein als er. Doch selbst wenn er sie fragte, so würde er wahrscheinlich doch keine Antwort erhalten. Also grübelte er weiter. Woher mochte sie wohl kommen? War sie hier aus Kairo? Doch warum sollte sie dann so mitgenommen aussehen? Ihre Kleidung war zerfetzt und sie sah aus, als liefe sie vor etwas davon. Als er über all diese Fragen nachdachte, fiel ihm auf, dass er nicht mal ihren Namen kannte. Wie sie wohl heißen mochte? Jono merkte, dass seine Gedanken abschweiften, während er ihr auf den Rücken sah. Etwas sprang ihm sofort ins Auge, doch er traute sich nicht, nachzusehen. Unter ihrem Oberteil leuchtete etwas. Jedoch war es nicht golden oder silbern, sondern rötlich. Ob sie sich verletzt hatte? Urplötzlich stockte die junge Frau und fiel auf die Knie. Jono eilte zu ihr.

"Hey, was ist denn?", fragte er.

Die Frau gab ihm jedoch keine Antwort. Sie stützte sich mit ihren Händen auf der Treppe auf. Erst jetzt bemerkte Jono die roten Schwielen an ihren nackten Füßen. Wer weiß, wie lange sie darauf bereits gelaufen war. Offensichtlich hatte sie Schmerzen, auch wenn kein Laut über ihre Lippen drang.

"Kannst du aufstehen? Es ist nicht mehr weit.", sagte Jono.

Er war sich nicht sicher, ob das nicht doch nur ein Manöver war, um ihm abzulenken, damit sie ihn überrumpeln und fliehen konnte. Doch als er nun sah, dass ihr Körper heftig zitterte, war er überzeugt, dass sie nicht simulierte. Er überlegte nicht lange, sondern legte ihren linken Arm um seine Schulter. Sie öffnete den Mund, als wolle sie protestieren, sagte jedoch nichts. Jono fasste sie am Rücken und in den Kniekehlen an. Mit einem einzigen Ruck hatte er ihren Körper von den Steinstufen gezogen. Er war überrascht, wie leicht sie war. Er blickte hinunter und sah, dass sie ihn aus angstvollen Augen ansah.

"Keine Sorge, ich werde dir nichts tun. Ich bin kein Unmensch. Ich bringe dich jetzt zu Sapheri. Sie wird sich sicherlich um dich kümmern."

Jono begann den Aufstieg mit der fremden Blondine in seinen Armen, die sich nur allmählich lockerte. Leicht verkrampft hielt sie sich fest, damit sie nicht von seinem Arm fiel. Jono schritt durch den langen Gang, ging jedoch nicht zum Thronsaal, sondern nahm eine Abzweigung nach rechts. Abermals verbeugten sich die an den Seiten stehenden Wachen kurz. Jono nickte nur, denn mit der jungen Frau auf seinem Arm war eine Verbeugung unmöglich. Es dauerte nicht lange und dann stand er vor einer großen Tür.

"Sapheri!", rief er laut und deutlich.

"Ja bitte?", kam es augenblicklich zurück.

"Ich bin es. Jono."

Die Tür wurde geöffnet und ein junges, lächelndes Gesicht erschien. Ihre olivfarbenen Augen und die braunen Haare harmonierten gut mit dem sandfarbenen Gewand, das sie trug.

"Hallo Bruder, ich hatte mich bereits gefragt, wann du..."

Als sie die Frau in seinen Armen entdeckte, stockte sie und ihre Augen weiteten sich.

"Was ist denn mit ihr passiert?", fragte sie sorgenvoll.

"Ich weiß es nicht. Tethys und ich haben sie vor der Stadt gefunden, aber sie hat kein Wort mit uns gesprochen. Der Pharao wünscht, dass du dich um sie kümmerst."

"Beim mächtigen Ra, sie sieht ja vollkommen mitgenommen aus!", entfuhr es Sapheri.

Die junge Frau in Jonos Armen hatte den Blick nicht auf Sapheri gerichtet, sondern starrte auf ihre Beine.

"Bring sie herein. Ich werde mich um sie kümmern!", sagte Sapheri.

Sie trat einen Schritt zur Seite, um Jono Einlass zu gewähren. Er betrat das Zimmer, achtete jedoch sorgsam darauf, dass er die Beine der fremden Frau nicht gegen den Türrahmen stieß. Er selbst hatte bereits unangenehme Erfahrungen mit aufgeschürften Beinen gemacht. Mit leichten Schritten trug er sie über den Steinboden und Sapheri schloss die Tür hinter ihrem Bruder.

"Wo kann ich sie... sie.... loslassen?", fragte Jono.

"Setz sie auf das Bett dort. Dort liegen bereits frische Tücher.", erklärte Sapheri.

Jono nickte der brünetten Frau zu und schritt durch den Raum. Die Decke war sehr hoch und die Steinwände ebenso reich verziert wie die mächtigen Säulen, welche die langen Gänge stützten. Über dem Bett waren einige Tücher gespannt, welche die Moskitos verhalten sollten. In der Mitte des Raumes war ein runder Teppich platziert. Links und rechts neben dem Bett standen große eiserne Gerüste, auf denen Schalen platziert waren, in denen Feuer loderte. Es erfüllte das Zimmer mit Licht und Wärme. Jono trat genau vor das Bett und ließ die junge Blondine langsam auf dem Laken nieder. Sie verschränkte augenblicklich wieder die Arme vor ihrem Körper. So gut sie konnte zog sie die Beine an ihren Körper und wandte den Blick auf den Boden.

"Kann ich noch etwas tun?", fragte Jono.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund empfand er Mitleid mit dem armen Geschöpf, das vor ihm auf dem Bett kauerte. Sie sah aus, als hätte sie eine ganze Menge hinter sich.

"Nein, ich muss dich nun bitten zu gehen. Ich glaube nicht, dass es ihr recht wäre, wenn du hier bleibst."

Sapheri kam gerade mit einer Schale aus der anderen Ecke des Zimmers. In der Schale schwappte eine milchige Flüssigkeit. Sapheri stellte die Schale direkt am Fuß des Bettes ab.

"In Ordnung. Ich werde später noch einmal vorbeischauen. Wenn etwas sein sollte, dann weißt du ja, wo du mich finden kannst, Schwester!"

Sapheri nickte und tauchte ein weiches Tuch in die Flüssigkeit am Boden.

"Bis gleich.", sagte Jono.

Er warf noch einen letzten Blick auf die fremde Frau, in der Hoffnung aus ihren Augen irgendeine Emotion entnehmen zu können, doch sie sah ihn nicht an. Wie in Trance starrte sie auf den Steinboden. Jono wandte sich zum Gehen. Als er an der Tür war, blickte er noch kurz zurück und sah, wie Sapheri das Tuch auswrang. Die milchige Flüssigkeit tropfte zurück in die Schale auf den Boden. Die Fremde saß immer noch in derselben abwehrenden Haltung auf dem großen Himmelbett. Beinahe schien es, als erwarte sie Schläge, denn ihre Hände zitterten. Jono stockte kurz, fing dann jedoch einen warnenden Blick von seiner Schwester auf. Lächelnd nickte er ihr zu, bevor er die Tür öffnete und sie hinter sich wieder schloss. Als er wieder auf dem Flur stand, umfing ihn die Kälte, die von draußen hereinwehte. Jono fröstelte es kurz, doch dann fiel ihm Tethys ein. Sein Gefährte wartete sicher unten schon auf ihn und brannte darauf, dass Jono ihm Bericht erstattete. Jono machte sich auf den Weg.
 

Das war Kapitel 1. Biiiittttee schreibt mir einen Kommi, damit ich weiß, ob ich weitermachen soll!

Bye,

Hillary

Mari

Anscheinend kommt die Story ja doch ganz gut an. Deswegen kommt hier schon Teil 2. Vielleicht lesen es ja noch ein paar mehr Leute.
 

Kapitel 2: Mari
 

"Als erstes müssen wir dich deiner Kleider entledigen.", sagte Sapheri.

Seit Jono das Zimmer verlassen hatte, hatte sie noch kein Wort zu der fremden Frau gesagt.

"Das kann so nicht bleiben. Sie sind ja völlig zerfetzt. Ich werde dir eines meiner Gewänder leihen. Die Größe müsste ungefähr stimmen."

Sapheri erhob sich und legte das Tuch zuvor auf dem Rand der Schale ab, so dass es nicht wieder nass werden konnte. Dann trat sie einen Schritt vor.

"Kannst du dich alleine ausziehen oder soll ich dir helfen?", fragte sie.

Die Blondine nahm den Blick vom Boden und sah sie aus leeren Augen an.

"Ich verstehe schon. Hab keine Angst. Niemand wird dir hier etwas tun. Ich will dir helfen, ebenso wie Jono und der Pharao. Und außerdem..."

Sapheri zwinkerte ihr kurz zu.

"... außerdem hast du nichts, was ich nicht auch habe."

Sapheri war so, als hätte sie den Anflug eines Lächelns auf ihrem schmutzigen Gesicht gesehen. Doch im Bruchteil einer Sekunde war die Regung bereits wieder vorüber.

"Ich kann dir helfen. Allerdings musst du dich dazu hinstellen.", erklärte Sapheri.

Die Fremde zögerte kurz, bevor sie die Beine ein Stück vorschob. Sie löste die Arme, die sie bisher um ihren Oberkörper geschlungen hatte, und stieß sich vom Bett ab. Leicht wackelig stand sie schließlich vor Sapheri.

"So ist es gut. Wenn du dich deiner Kleidung entledigt hast, kannst du erst mal ein Bad nehmen."

Sapheri trat hinter die Fremde und legte ihr die Hände an ihr Oberteil, das keinen Saum mehr besaß, sondern vollkommen ausgefranst war.

"Nicht erschrecken. Ich ziehe dir das Oberteil aus.", warnte Sapheri.

Als sie den Stoff weggezogen hatte, stieß sie einen erstaunten Laut aus und hielt sich die rechte Hand vor den Mund. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck.

"Aber... aber... wieso...?", stammelte sie.

Völlig fassungslos wanderte ihr Blick über die langen roten Striemen auf dem Rücken der Fremden.

"Beim mächtigen Ra, das sieht ja furchtbar aus! Wer hat dir das angetan?"

Die Fremde antwortete ihr nicht, sondern schaute weiterhin geradeaus.

"War das dein Mann? Oder dein Vater?", fragte Sapheri weiter.

Die junge Frau schüttelte wortlos den Kopf. Sapheri beschloss, jetzt nicht weiter nachzuhaken. Das Wichtigste war, dass die Fremde ein Bad nehmen konnte.

"Den Rock kannst du dir sicherlich alleine ausziehen. Ich werde schon mal nach dem Wasser sehen."

Sapheri legte das zerfetzte Oberteil auf das Bett. Als sie an der jungen Frau vorbeiging, sah sie, dass sie ihre Arme schützend über ihre Brust gelegt hatte. Auch vorne wies ihre Haut einige Striemen und Kratzer auf.

"Beeil dich, sonst wird es vielleicht kalt!", ermunterte Sapheri sie.

Sie suchte Blickkontakt mit der Fremden, um zu sehen, ob sie ihr auch zugehört hatte. Als ihre Augen sich begegneten, nickte die junge Frau ihr zu. Sapheri durchquerte den Raum und ging zu einer großen eisernen Wanne, aus der Dampf stieg. Eigentlich hatte sie das Wasser für sich selbst eingegossen, aber nun war es wichtiger, dass die Fremde ihren geschundenen Körper behandeln konnte. Während sie einen Finger in das Wasser tauchte, hörte sie leise tapsende Schritte hinter sich. Gleich darauf stand die Fremde neben ihr.

"Es müsste kühl genug sein. Du kannst es ja testen, ob es angenehm ist.", schlug Sapheri vor.

Doch die junge Frau stieg sofort in die Wanne hinein und ließ sich tief auf den Boden sinken, damit ihr gesamter Körper unter Wasser tauchte. Leicht beschämt bedeckte sie immer noch mit den Händen ihren Oberkörper.

"Ich werde jetzt mit der Flüssigkeit deine Wunden behandeln.", erklärte Sapheri.

Sie nahm die Schale mit der milchigen Flüssigkeit, die sie bereits mitgenommen hatte, vom Boden.

"Du musst dich ein wenig vorlehnen.", erklärte Sapheri und die Fremde gehorchte.

Mit aufgerichtetem Oberkörper saß sie nun in der Wanne und verdeckte immer noch das Notwendigste. Sapheri fuhr mit dem Tuch sanft an ihrem Rücken entlang. An einigen Stellen zuckte die Blondine leicht zusammen. Sapheri tauchte das Tuch hin und wieder in die Flüssigkeit und ließ es über die Haut der Fremden gleiten.

"Ich kann verstehen, warum du nicht reden willst, aber kannst du mir wenigstens deinen Namen nennen, damit ich weiß, wie ich dich anreden kann?"

Sapheri tauchte das Tuch erneut in das Schälchen und strich über die Schultern der jungen Frau.

"Mari.", kam es plötzlich ganz leise von der Fremden.

Sapheri hielt kurz inne, bevor sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.

"Mari? Das ist ein sehr schöner Name.", stellte sie fest.

Sie fuhr fort, Maris Körper zu behandeln. Schweigsam saßen sie nun nebeneinander und nach einigen Minuten stellte Sapheri die Schale zur Seite.

"Ich bin fertig. Am besten kommst du jetzt raus, Mari."

Sapheri richtete sich auf und nahm ein großes Tuch vom Boden. Sie hielt es Mari hin und diese nahm es langsam. Als sie aufstand, legte sie sich das Tuch um den Körper. Ein wenig unschlüssig stand sie in der Wanne, aus der es mittlerweile nicht mehr dampfte, da das Wasser sich abgekühlt hatte.

"Komm raus. Ich muss doch noch Medizin auf die Wunden auftragen.", sagte Sapheri.

Leicht wackelig stieg Mari aus der Wanne und folgte Sapheri wieder zum Bett.

"Zuerst musst du dich abtrocknen und ich werde in der Zwischenzeit Medizin holen."

Sapheri wandte sich ab und ging durch den Raum. Neben dem großen Fenster, das schräg gegenüber dem Bett war, stand ein Tisch aus Holz. Auf ihm waren diverse Flaschen und Schälchen angeordnet. Zielstrebig griff Sapheri nach einer Flasche, die eine pyramidenartige Form hatte. In ihr schwappte eine leicht rötliche Flüssigkeit. Als nächstes griff sie nach einer weißen Rolle, die vor den Flaschen lag. Mit dem Gefäß und der Rolle n ihren Händen ging sie zurück zu Mari. Diese hatte immer noch das Tuch um den Körper gewickelt.

"Du musst das Tuch ein wenig runterziehen, sonst komme ich nicht an die Striemen auf deinem Rücken."

Mari ließ das Tuch so runterrutschen, dass es ihre Rückseite vollkommen entblößte. Vorne presste sie es noch gegen ihren Körper. Sapheri öffnete den Verschluss der Flasche und träufelte etwas von der Flüssigkeit auf das Tuch, mit dem sie Maris Rücken gewaschen hatte. Mit vorsichtigen Bewegungen tupfte sie die Medizin auf die verwundeten Stellen. Anschließend schloss sie die Flasche wieder.

"Ich werde dir jetzt einen Verband um den Oberkörper machen, Mari, dazu musst du das Tuch wegnehmen."

Ganz zögerlich tat Mari, was ihr befohlen war. Sapheri setzte den Verband im Rücken an und wickelte ihn sachte um Maris Oberkörper. Sorgfältig achtete sie darauf, dass er weder zu eng noch zu weit war. Es dauerte nicht lange und dann knotete Sapheri die Enden im Rücken zusammen.

"Jetzt fehlt nur noch die Creme.", erklärte Sapheri.

Mari, die das Tuch um die Hüfte gewickelt hatte, ließ alles mit sich geschehen. Geduldig saß sie auf dem Bett, während Sapheri ihre Arme und Beine mit einer dicken Flüssigkeit bestrich.

"Nun kannst du dich anziehen.", erklärte sie nach einiger Zeit.

Sapheri stand wieder auf, da sie sich vorher hingehockt hatte, um Maris Beine einzucremen. Sie trat einen Schritt vor und zog ein Gewand vom Bett, welches sie zuvor dort hingelegt hatte.

"Es müsste dir eigentlich passen.", erklärte sie.

Mari nahm es ihr zögerlich aus der Hand und sah sie dann an.

"Nur keine Scheu", ermunterte Sapheri sie, "zieh es ruhig an!"

Mari nickte und ließ das Tuch zu Boden fallen. Dann streifte sie das Gewand über den Kopf. Sie steckte ihre Arme durch die Schlaufen, welche das Gewand auf der Schulter festigten. Sapheri trat einen Schritt zurück.

"Es passt dir wie angegossen.", stellte sie fest.

Bewundernd sah Mari an sich herunter. Augenscheinlich war es lange her, dass sie ein vernünftiges Kleid getragen hatte. Sie strich leicht ehrfürchtig über den sandfarbenen Stoff. Sapheri musste lächeln, doch dann hörte sie von draußen plötzlich ein durchdringendes Läuten.

"Die Zeremonie ist vorbei.", sagte sie über den Lärm.

Mari ließ von ihrem Kleid ab und sah Sapheri abwartend an.

"Bei dieser Zeremonie huldigen wir dem großen Ra und danken ihm für die Ernte.", erklärte Sapheri.

Mari nickte, denn anscheinend war sie mit den Ritualen vertraut.

"Der Pharao wird sicher gleich kommen. Dann musst du besonders hübsch aussehen."

Mari zog erstaunt die Augenbrauen hoch und öffnete ein kleines Stück den Mund, als wolle sie eine Frage stellen, doch dann ließ sie es bleiben und nickte nur.

"Du brauchst keine Sorge zu haben. Der Pharao hat eine Frau. Sie liegt in ihren Gemächern, weil sie sich nicht wohl fühlt. Ich muss auch gleich noch nach ihr sehen. Ich bin nämlich ihre persönliche Bedienstete."

Sapheri war wieder zu dem Tisch neben dem Fenster gegangen. Zuerst stellte sie die Flasche mit der Medizin wieder an ihren Platz und dann öffnete sie ein großes Kästchen. Mari ließ sie bei dem, was sie tat, nicht aus den Augen und folgte ihr mit dem Blick. Doch Sapheri stand so, dass Mari den Inhalt des Kästchens nicht erfassen konnte. Umso erstaunter war sie, als Sapheri sich umdrehte und mit etwas Goldenem in ihrer hand auf sie zukam. Sie stellte sich vor sie und sagte:

"Streck deinen rechten Arm aus. Ich habe hier etwas Schönes."

Als Mari ihrem Befehl Folge leistete, streifte Sapheri ihr einen goldenen Armreif über die Hand.

"Der steht dir ausgezeichnet.", sagte Sapheri lächelnd.

Mari hob ihren Arm und starrte immer noch ungläubig auf den goldenen Gegenstand, der an ihrem Handgelenk glitzerte. Sapheri konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

"Du siehst aus, als hättest du noch nie einen Armreif getragen.", meinte sie.

Dann nahm sie eine Bürste, die auf dem Bett lag.

"Setz dich hin. Ich werde dir die Haare bürsten. Sie sind noch ganz unordentlich."

Mari ließ sich langsam auf der Bettkante nieder, beinahe so, als habe sie Angst etwas kaputt zu machen. Sapheri kniete sich hinter der jungen Blondine auf das Bett und strich mit der Bürste immer wieder durch die blonden Locken, welche sich bis zur Hüfte kräuselten. Eine ganze Weile lang saßen sie schweigend auf dem Laken. Sapheri freute es zu sehen, dass Mari nicht mehr so verkrampft war wie zu Anfang, als Jono sie hergebracht hatte. Das Läuten draußen hatte mittlerweile aufgehört und Sapheri konnte die Leute hören, die von der Zeremonie wieder in den Palast strömten, um ihren Aufgaben nachzugehen.

"Du hast wirklich wunderschöne Haare, Mari, ich beneide dich um diese Locken.", sagte Sapheri.

Immer wieder fuhr sie mit der Bürste durch die langen Haare, bis sie auf keinen Widerstand mehr stieß. Erst dann legte sie die Bürste beiseite und stand auf. Als sie Mari von vorne musterte, sagte sie anerkennend:

"Du siehst fabelhaft aus, Mari. So können wir nachher zum Abendmahl gehen."

Maris Kopf fuhr hoch und sie riss den Mund erschrocken auf.

"A... A... Abend..... Mahl?", stammelte sie.

Sapheri war überrascht, wie schockiert sie über diese Nachricht war. Doch dann lächelte sie, trat vor und legte Mari beruhigend die Hände auf die Schultern.

"Keine Sorge, Mari, es ist nur ein einfaches Essen, das in großem Kreis eingenommen wird. Die meisten Leute werden dich wahrscheinlich gar nicht bemerken, weil sie zu sehr mit ihren eigenen Dingen beschäftigt sind."

Mari schien immer noch nicht ganz überzeugt zu sein, doch sie nickte zögerlich.

"Sehr schön. Außerdem glaube ich, dass du etwas zu essen sehr gut gebrauchen kannst."

Sapheri musste lächeln, als Mari leicht verlegen mit einem Kopfnicken zustimmte.

"Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Wachen kommen und zum Essen rufen. Ich muss jedoch vorher noch nach Ihrer Hoheit sehen.", erklärte Sapheri.

Sie holte aus dem steinernen Schrank neben der Tür ein paar Sandalen hervor.

"Diese hier kannst du nehmen. Du sollst schließlich nicht barfuss beim Abendessen auftauchen."

Mari schlüpfte in die Sandalen und verzog nur kurz das Gesicht, als die Schwielen an ihren Füßen wehtaten. Sapheri füllte eine Schale mit einer duftenden Flüssigkeit und drückte sie Mari in die Hand.

"Wir werden jetzt zu Ihrer Hoheit gehen, der Gemahlin des Pharao."

Sapheri trat noch ein letztes Mal an den Tisch und nahm sich zwei Fläschchen. Dann hielt sie kurz inne und entnahm dem Kästchen einen weiteren goldenen Gegenstand.

"Zieh die hier an", sagte sie und trat zu Mari, "sie wird dir Glück bringen."

Sie legte Mari eine goldene Kette um den Hals, an der ein dunkelblauer ovaler Stein hing.

"Jono hat sie mir geschenkt, damit sie mich beschützt. Aber ich denke, dass du sie im Moment nötiger brauchst als ich.", erklärte Sapheri mit einem warmen Lächeln.

"Danke.", flüsterte Mari tonlos.

"Wir sollten losgehen. Wir wollen die Gemahlin des Pharao doch nicht warten lassen."

Die beiden Frauen verließen das Zimmer.
 

"Du hast sie allen Ernstes bis oben getragen?"

Diese Frage stellte Tethys jetzt bereits schon zum dritten Mal. Jono rollte kurz mit den Augen.

"Ja, habe ich. Was sollte ich denn sonst tun? Sollte ich sie etwa auf der Treppe sitzen lassen?"

"Du hättest sie zwingen können zu gehen!"

Tethys streichelte sein Pferd ein letztes Mal, bevor er dessen Verschlag zu machte. Jono wandte sich ebenfalls von seinem Schimmel ab und schloss die Tür.

"Ich konnte sie nicht zwingen. Sie war vollkommen erschöpft und konnte nicht mehr laufen."

"Es hätte ebenso gut ein Ablenkungsmanöver sein können.", widersprach Tethys.

"Diesen Verdacht hatte ich ja zuerst auch", gab Jono zurück, "aber dafür erschien sie mir einfach zu schwach. Außerdem ist sie eine Frau. Wie hätte sie mich, den Heerführer Atemus, überwältigen wollen?"

Jono klemmte seinen Helm unter den linken Arm und trat zuerst aus dem Stall. Tethys folgte ihm und zog mit der rechten Hand geschwind die Tür des Stalles ins Schloss. Dann eilte er seinem Kameraden hinterher, der weitergegangen war. Als er aufgeschlossen hatte, sagte er:

"Na gut, sie ist eine Frau, aber die sind mit allen Wassern gewaschen. Neulich hat doch so ein altes Weib versucht, mich auf dem Markt auszutricksen. Sie hat...."

Tethys ließ sich nun lautstark über eine der Händlerinnen aus, doch Jono hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Seine Gedanken waren wieder zu der Fremden gewandert. Er fragte sich, ob Sapheri mittlerweile fertig geworden war. Am Stand der Sonne konnte Jono erkennen, dass der Abend bald hereinbrechen würde. Sie hatte genug Zeit gehabt. Gemeinsam mit Tethys hatte er den Hof überquert und stand am Fuß der Treppen, die in den Palast führten. Sie hatten gerade ihren Aufstieg begonnen, als Jono aus seinen Gedanken gerissen wurde.

"Jono! Hörst du mir zu? Jono!"

"Ja, was ist, Tethys?", fragte Jono überrascht.

"Kannst du mir mal erklären, weshalb du so vor dich hinstarrst?", fragte Tethys.

"Es ist nichts.", winkte Jono ab, doch er wusste, dass er ein schlechter Lügner war.

"Irre ich mich jetzt oder sind deine Gedanken immer noch bei der Fremden?"

Tethys zog eine Augenbraue hoch und sah Jono von der Seite an.

"Du irrst dich nicht. Ich musste in der Tat gerade an sie denken. Einer solchen Frau bin ich noch nie begegnet."

"Wie meinst du das?", wollte Tethys wissen.

"Na ja, nicht nur, dass sie dem Pharao eine Antwort verweigert hat, was normalerweise schon Grund genug ist, um sie einzusperren. Sie hat kein einziges Wort mit mir geredet. Oder auch mit Sapheri, als ich noch im Raum war. Sie saß einfach schweigsam und zusammen gekauert auf dem Bett."

Jono sah grübelnd zum Palast hinauf. Sie hatten die Treppen beinahe hinter sich gebracht.

"Wenn du mich fragst, dann ist diese Frau nicht ganz normal.", erwiderte Tethys.

"Das mag sein, aber wir wissen ja auch nicht, was ihr widerfahren ist.", wandte Jono ein.

"Wenn sie nicht reden will.", antwortete Tethys.

Jono schwieg, denn er wusste, dass Tethys in gewisser Weise Recht hatte. Doch Jonos Meinung nach war es zu voreilig, die Frau als seltsam abzustempeln, da keiner von ihnen wusste, welche Erfahrungen sie gemacht hatte. Vielleicht hatte seine Schwester ja mittlerweile mehr herausgefunden.

"Wir können ja nach ihr sehen.", schlug Tethys vor, der merkte, dass es Jono keine Ruhe ließ.

"Das ist eine gute Idee. Eventuell ist es Sapheri ja gelungen mehr über die Fremde herauszufinden. Es wäre ja möglich, dass sie sich nur einer anderen Frau anvertrauen wollte."

Tethys wog den Kopf hin und her. Mittlerweile waren sie oben angekommen. Als sie durch die Gänge schritten, warfen ihre Gestalten lange Schatten auf den Steinboden, da die letzten Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Säulen suchten. Die Wachen an den Seiten standen stramm und verbeugten sich, als die beiden Leibwächter an ihnen vorbei schritten. Jono und Tethys nickten flüchtig zurück und nahmen wieder die rechte Abzweigung, welche neben Sapheris Zimmer auch zu zahlreichen anderen Bedienstetenzimmern führte. Die Feuer an den Seiten des Gangs erhellten die hohen Steinwände und knisterten in der Stille des Abends. Jono und Tethys hielten vor einer großen Tür. Jono trat vor und klopfte. Das Geräusch hallte durch den schweigsamen Gang.
 

Hat's gefallen? Ich freue mich auf bittebittebitte gaaaaanz viele Kommis! Sonst schreib ich nicht weiter.... war ein Scherz!

CU
 

Hillary

Der erste Abend

Aufgrund der vielen lieben Kommis kommt hier auch schon das nächste Kapitel. Ein ganz dickes Dankeschön an
 

lene33, Catan, TeaGardnerChan, sweety_nami251, Tamari und animegirl-jea
 

Viel Spaß beim lesen!
 

Kapitel 3: Der erste Abend
 

"Am besten lässt du mich mit Ihrer Hoheit reden. Ich glaube nicht, dass ihr bereits jemand von dir berichtet hat. Wenn sie dich etwas fragt, solltest du ihr eventuell mit einem Nicken oder Kopfschütteln antworten."

Mari, die noch immer die Schale mit der duftenden Flüssigkeit auf ihren Armen trug, ging neben Sapheri her. Diese hatte die beiden Flaschen an ihren Körper gepresst. Es schien so, als wolle sie verhindern, dass sie ihr irgendjemand wegnehmen könne.

"Ok?", fragte Sapheri und sah sich zu Mari um.

Mari nickte, um zu zeigen, dass sie es verstanden hatte. Sapheri richtete den Blick wieder geradeaus. Sie bogen um eine Ecke nach links und standen vor einer riesigen Tür. Davor hatten sich zwei Wachen postiert. Als die beiden Frauen näher traten, rückten die Wachen zusammen und kreuzten die Speere.

"Halt! Nennt uns eure Namen und euer Verlangen!"

Sapheri beugte kurz den Kopf gen Boden und sprach dabei:

"Ich bin die persönliche Bedienstete Ihrer Hoheit. Mein Name ist Sapheri und das ist meine Gehilfin Mari. Wir bitten um Einlass in die königlichen Gemächer, um Ihre Hoheit für das Mahl zu rufen."

"Der Einlass wird gewährt.", gab der Wachmann zurück.

Sie traten jeder einen Schritt zur Seite und stießen die Tür einen Spalt auf. Mari sah ehrfürchtig zu, wie sich die beiden Flügel öffneten. Sapheri schritt voran und Mari folgte ihr eilig. Als die Frauen eingetreten waren, schloss sich die Tür wieder hinter ihnen. Mari sah sich um. Sie stand in einem Raum, in dem man bequem drei Dutzend Schafe hätte unterbringen können, um sie weiden zu lassen. In der Mitte war eine Erhöhung, auf der ein großes Bett stand. Es war vollkommen mit dunkelblauen Tüchern umhüllt, so dass man keinen Blick auf das Innere erhaschen konnte. Links von ihnen ragte ein gewaltiger Steinschrank aus der Wand hervor. Rechts lag eine große Öffnung, die anscheinend den Weg auf den Balkon darstellte. Sapheri ging leise auf das große Bett in der Mitte zu. Mari folgte ihr und meinte nun, eine Gestalt innerhalb der Decken sehen zu können.

"Euer Hoheit, seid Ihr wach?", fragte Sapheri.

Als sie keine Antwort erhielt, ging sie näher heran und zog eines der Tücher zur Seite, welches von der Decke herab hing. Dann kniete sie auf der Stufe nieder und wiederholte ihre Frage.

"Euer Hoheit, seid Ihr wach?"

Erst jetzt regte sich etwas in dem Bett. Eine Frau schlug die Decke zurück und setzte sich aufrecht hin.

"Sapheri, bist du das?", fragte sie.

Ihre Stimme klang herzlich aber müde. Sapheri zog nun ein weiteres Tuch zur Seite und verbeugte sich kurz.

"Ich bin es, Euer Hoheit. Ich wollte euch mitteilen, dass es langsam Zeit für das Abendmahl ist. Euer Gemahl und die anderen sind vor kurzer Zeit von der Zeremonie zurückgekehrt."

"Ich danke dir, dass du mir diese Nachricht überbringst.", antwortete die Frau.

Erst jetzt schien sie die Gestalt außerhalb der Vorhänge bemerkt zu haben, die eine Schale trug.

"Darf ich fragen, Sapheri, wer das ist?"

"Euer Hoheit, das ist Mari.", erklärte Sapheri.

Dabei winkte sie Mari zu sich heran. Mari tapste herbei und stellte die Schale auf den Boden, um gleich dahinter niederzuknien und sich tief zu verbeugen.

"Die Leibwächter Eures Gemahls fanden sie vor der Stadt. Ihr Zustand war furchtbar. Euer Gemahl gab mir den Befehl, mich um sie zu kümmern."

"In furchtbarem Zustand sagst du?", fragte die Frau mit den schulterlangen braunen Haaren.

"Ja, Euer Hoheit. Ihre Kleidung war zerrissen, ihr Körper weist viele Misshandlungen auf und es fällt ihr sehr schwer zu sprechen. Wundert Euch also nicht, wenn sie nicht in der Lage ist, Euch eine Antwort zu geben."

"Ich verstehe", sagte die Frau und wandte den Blick Mari zu, "nun gut, Mari, du weißt ja sicherlich, wer ich bin. Ich bin Teana, die Gemahlin von Pharao Atemu, und ich heiße dich in unserem Palast willkommen."

Mari sah kurz auf und verbeugte sich dann abermals.

"Ich bin mir sicher, dass du uns noch die Gründe für die eingetretene Situation erläutern wirst.", sagte Teana.

Mari nickte und kniete genauso wie Sapheri immer noch auf dem Steinboden.

"Nun denn, ihr könnt aufstehen. Augenscheinlich sollte ich mich jetzt ankleiden, damit ich das Mahl nicht verpasse.", sagte Teana.

Mari und Sapheri erhoben sich und traten einen Schritt zurück, während Teana die Decke zurückschlug. Als sie aus dem Bett rutschte, sah Mari ganz deutlich die Wölbung an ihrem Bauch. Sapheri half Teana beim Aufstehen.

"Ich danke dir, Sapheri. Vor kurzer Zeit brauchte ich für solche Kleinigkeiten noch keine Hilfe."

"Es dauert auch nicht mehr lange, Euer Hoheit, bis wir den neuen Thronfolger begrüßen dürfen. Ihr werdet sehen, dass es nicht mehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird, bis Ägypten seinem künftigen Herrscher entgegen jubeln wird.", erklärte Sapheri, während sie Teana in ihr Gewand half.

Mari stand mit der Schale daneben und kam sich ein wenig überflüssig vor.

"Mari, komm her und hilf mir mit dem Kleid.", sagte Sapheri.

Mari, die sehr froh darüber war, dass sie sich nützlich machen konnte, stellte die Schale wieder auf den Boden und eilte herbei. Sapheri drückte ihr eine Schnur in die Hand. Das Kleid Teanas musste am Rücken verschnürt werden. Dabei achtete Mari jedoch darauf, dass sie es nicht zu fest schnürte. Schließlich musste sie an das Baby denken. Mit geschickten Händen zog sie die Schnüre durch die dafür vorgesehenen Schlaufen. Teana stand mit leicht abgewinkelten Armen ganz still da und ließ es mit sich geschehen.

"Sapheri?", fragte sie in die Stille des Raumes.

"Ja, Euer Hoheit?"

"Ich wünsche, dass ihr beide heute mit an unserem Tisch speist. Außerdem bin ich mir sicher, dass mein Gemahl gerne ein paar Worte mit Mari wechseln würde."

Mari hielt mitten in der Bewegung inne und starrte auf Teanas Rücken. Sapheri, die gerade damit beschäftigt war, Teana ihren Armschmuck anzulegen, warf ihr einen kurzen Blick zu.

"Stimmt etwas nicht?", fragte Teana und drehte den Kopf leicht, so dass sie Mari aus den Augenwinkeln sah.

Mari schüttelte hastig den Kopf und arbeitete weiter. Es dauerte nicht lange und dann hatte sie die Verschnürung beendet. Sapheri legte Teana gerade eine Kette um den Hals und sagte:

"Euer Hoheit, das soll jetzt keine Unverschämtheit sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob es ratsam ist, Mari heute schon mit Fragen zu überfallen. Sie hat bisher nur zwei Worte gesagt. Ich glaube, dass sie noch sehr unter Schock steht. Vielleicht empfiehlt es sich, eine Nacht abzuwarten. Eventuell ist sie morgen bereit, uns etwas über sich zu erzählen."

Sapheri warf Teana einen unsicheren Blick zu. Teana überlegte kurz und lächelte Sapheri dann an.

"Du hast Recht, Sapheri, für heute lassen wir es gut sein. Wir wissen immerhin schon ihren Namen."

Teana warf einen Blick über die Schulter, um zu sehen, wie Mari diese Nachricht aufgefasst hatte.

"Heute Nacht kannst du bei Sapheri übernachten, wenn es ihr Recht ist. Morgen werden wir dann weitersehen und entscheiden, was wir mit dir machen."

Maris Blick begegnete kurz dem von Teana und sie nickte der Gemahlin des Pharao zu.

"Wunderbar, nun wo das geklärt wäre, können wir ja zum Abendmahl."

Teana setzte sich ihr Diadem auf den Kopf und Sapheri warf ihr einen Umhang um die Schultern.

"Lasst uns gehen. Mein Gemahl wartet sicher bereits auf uns.", erklärte Teana.

Sie ging voran und die anderen beiden Frauen folgten ihr in kurzem Abstand. Als sie den Gang betraten, verbeugten sich die Wachen, die vor dem königlichen Gemach gestanden hatten.

"Euer Hoheit.", sagten sie und neigten die Oberkörper zum Boden.

Mari hatte die Hände nervös zu Fäusten geballt und hielt sie dicht an ihren Oberkörper.

"Hab keine Angst", flüsterte Sapheri, "es ist doch nur ein Essen."

Mari nickte ihr zu, entspannte sich jedoch kein bisschen.
 

"Sapheri? Bist du da?", wiederholte Jono.

Aus dem Raum drang kein Geräusch.

"Vielleicht ist sie schon zum Abendmahl gegangen.", vermutete Tethys.

Er lehnte neben der Tür an der Wand und hatte die Hände lässig hinter dem Kopf verschränkt.

"Aber das Essen beginnt doch erst in einigen Minuten.", widersprach Jono.

"Na und? Es wäre doch denkbar, dass sie heute mal ein wenig früher losgegangen ist."

Tethys zuckte mit den Schultern. Jono klopfte abermals laut gegen die Türe und rief:

"Sapheri, schläfst du?"

"Verzeihung, Heerführer Jono.", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihnen.

Jono und Tethys wandten die Köpfe um. Vor ihnen stand ein Wachmann, dessen Aufgabe es war, in verschiedenen Gängen zu patrouillieren.

"Verzeiht, aber ich habe gerade gehört, dass Ihr nach Eurer Schwester verlangtet."

"Kannst du uns sagen, ob sie in ihrem Zimmer ist.", fragte Tethys.

"Sie ist nicht mehr hier, Hauptmann Tethys. Sie hat das Zimmer vor einiger Zeit verlassen."

"War sie allein?", fragte Jono.

"Nein, Herr. Sie hatte eine blonde Frau bei sich."

"Aha, weißt du zufällig, wo sie hingegangen sind?", erkundigte Jono sich.

"Ich vermute, dass sie Ihre Hoheit zum Abendmahl abholen wollten.", erwiderte der Wachmann.

"Ich danke dir.", sagte Jono.

Er und Tethys ließen den Wachmann vor der Tür zurück und machten sich auf den Weg in den großen Saal, welcher direkt neben dem Thronsaal lag.

"Ich habe dir doch gesagt, dass sie schon zum Essen gegangen ist.", meinte Tethys.

"Ja, ja.", gab Jono leicht genervt zurück.

Tethys hatte manchmal die schlechte Angewohnheit, alles besser wissen zu wollen.

"Hoffentlich kommen wir noch rechtzeitig.", überlegte Jono.

"Wenn nicht, kann ich die Schuld auf dich schieben. Immerhin warst du derjenige, der 50 Mal an ihre Tür geklopft hat.", sagte Tethys mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

Jonos Antwort war ein leichtes Grummeln. Als die beiden zurück auf den Hauptgang kamen, fanden sie viele Menschen vor, die über die Steinplatten wuselten. Viele von ihnen trugen Teller auf den Händen und balancierten sie vor sich her.

"Augenscheinlich decken sie noch.", bemerkte Tethys.

"Dann sollten wir zusehen, dass wir schnell zu unseren Plätzen kommen.", erwiderte Jono.

Die beiden jungen Männer drängten sich an den zahlreichen Bediensteten vorbei und betraten den großen Saal. In einem Hufeisen waren lange Tische angeordnet. Auf einer Erhöhung direkt gegenüber der Tür stand ebenfalls ein Tisch, allerdings ließen die Stühle dahinter erkennen, dass er für die Herrscherfamilie reserviert war. Doch auch Jono und Tethys saßen, als Leibwache des Pharao, an diesem Tisch. Sie gingen an der Wand entlang, bis sie den Raum halb umrundet hatten und am Pharaonentisch angekommen waren. Atemu saß mit seiner Gemahlin Teana bereits auf den Sesseln und lächelte, als er Jono und Tethys entdeckte.

"Heerführer Jono, Hauptmann Tethys, ich fragte mich schon, wann ihr eintreffen würdet."

"Es wäre schneller gegangen, mein Pharao", sagte Tethys nach einer Verbeugung, "wenn Jono nicht vergebens 50 Mal an die Tür seiner Schwester geklopft hätte."

Diese Tatsache ließ Jono erröten und veranlasste den Pharao zu einem herzlichen Lachen.

"Das tut mir Leid, aber Eure Schwester ist mit meiner Gemahlin hergekommen. Und das schon vor einer ganzen Weile. Sieht so aus, als hättet Ihr sie verpasst."

"Wir haben es ja noch rechtzeitig geschafft, mein Pharao.", sagte Jono und nickte ihm zu.

"Setzt euch doch. Das Mahl wird jeden Moment eröffnet.", sagte Atemu.

Jono und Tethys ließen sich zur Rechten des Pharao nieder. Jono lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um einen Blick auf Sapheri werfen zu können, die zur Linken Teanas saß. Sie unterhielt sich gerade mit der Gemahlin des Pharao und lachte. Dann traf ihr Blick den von Jono und sie winkte ihm. Jono erwiderte den Gruß und hörte plötzlich Tethys' Stimme an seinem Ohr.

"Deine Schwester wird auch jeden Tag hübscher."

"Ich warne dich, Tethys, Sapheri ist in der Tat meine Schwester und wenn du..."

"Keine Sorge, ich sage ja schon gar nichts mehr.", erwiderte Tethys belustigt.

"Ich warne dich Tethys, versuch nicht...."

In diesem Moment vergaß Jono, was Tethys nicht versuchen wollte. Der Mund blieb ihm offen stehen und ihm fehlten die Worte. Tethys, der sich auf eine dreistündige Standpauke gefasst gemacht hatte, stutzte kurz. Er lehnte sich ebenfalls ein Stück weiter zurück und sah zur anderen Seite hinüber.

"Hey, Jono, was ist los? Hast du einen Geist gesehen?", fragte er belustigt.

"Nein... nein...", stammelte Jono mit immer noch offenem Mund.

Neben Sapheri saß die fremde Frau. Doch wie verändert sah sie jetzt aus! Sie trug nicht mehr die Lumpen, sondern ein sandfarbenes langes Kleid, das an den Schultern von Schlaufen zusammen gehalten wurde. Ihre Haut war vollkommen sauber und wirkte selbst auf die Entfernung unendlich weich. Ihre blonden Locken fielen bis auf die Hüfte und wippten hin und her, wenn sie den Kopf drehte. Als sie den Arm ausstreckte, um eine Schüssel mit Obst an Sapheri zu reichen, sah Jono den goldenen Armreif am rechten Handgelenk. Dann wandte sie sich Sapheri zu und sofort fiel Jonos Blick auf die Kette um ihren Hals. Selbst wenn sie am anderen Ende des Tisches saß, so konnte Jono doch genau erkennen, dass es sich um die Kette handelte, die er Sapheri vor einigen Jahren als Talisman geschenkt hatte. Allerdings stand sie der Fremden ausgezeichnet, wenn nicht sogar besser als Sapheri. Jono konnte den Blick nicht von ihr nehmen.

"Das ist sie?", fragte eine ungläubige Stimme neben ihm.

Tethys fielen beinahe die Augen aus dem Kopf.

"Das ist doch nicht möglich. Sie sieht ja richtig... richtig... edel aus.", bemerkte er.

"Hm.", stimmte Jono ihm zu.

Mari hörte gerade Sapheri zu, die etwas zu ihr sagte. Dann lächelte sie und Jono fand, dass sie ein bezauberndes Lächeln hatte. Überhaupt sah sie einfach hübsch aus.

"Hey, mein Freund, komm mal wieder zurück auf die Erde. Der Pharao eröffnet das Mahl!"

Tethys stupste seinen Kameraden an und holte ihn damit unsanft wieder in die Realität. Atemu hatte sich von seinem Stuhl erhoben und augenblicklich verstummte das allgemeine Gemurmel im Saal.

"Meine lieben Freunde, ich möchte gar nicht lange um das Thema herum reden, da ich sicher bin, dass einige von euch ebenso wie ich großen Appetit verspüren. Ich wollte nur nochmals erwähnen, dass es eine gelungene Zeremonie war, die ich sehr genossen habe. Und nun erkläre ist das Mahl für eröffnet."

Kurzer Applaus folgte, während dem sich der Pharao wieder auf seinem Sessel niederließ. Dann ertönte wieder das geschäftige Gemurmel im Saal, während Atemus Gefolgsleute das Essen auf die Teller luden. Jono warf während des Essens immer wieder Blicke zum anderen Ende des Tisches. Sapheri redete mit der hübschen Fremden und sie nickte oder schüttelte den Kopf. Jono sah nicht, dass sie auch nur ein einziges Mal geantwortet hatte. Anscheinend redete sie immer noch nicht.

"So wie es aussieht, scheint sie sich gut mit deiner Schwester zu verstehen.", bemerkte Tethys.

Auch er beobachtete die andere Seite des Tisches ganz genau, doch im Gegensatz zu Jono richtete er sein Augenmerk hauptsächlich auf Sapheri.

"Es scheint so.", antwortete Jono.

Schweigsam aßen die beiden jungen Männer weiter. Der Pharao unterhielt sich mit seiner Gemahlin, die ab und zu das Wort an Sapheri richtete.

"Was meinst du dazu, Sapheri?", fragte Teana.

"Ich weiß nicht, Euer Hoheit, ich bin eine einfache Bedienstete im Palast und keine Gelehrte. Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr diesbezüglich jemand anderen fragen würdet."

Sapheri sah zur Seite, um einen Blick auf Mari zu werfen. Sie saß vor ihrem Teller, der so sauber aussah, als ob sie ihn gar nicht benutzt hätte. Doch Sapheri wusste, dass Mari ein wenig Brot und Obst gegessen hatte. Trotzdem war das effektiv zu wenig gewesen, doch Sapheri hatte nichts gesagt. Nun sah sie, dass Mari sich rasch eine Hand vor den Mund hielt, als ihr ein Gähnen entfuhr.

"Bist du müde?", fragte Sapheri.

Mari wandte ihr den Kopf zu und nickte verlegen.

"Dann sollten wir uns jetzt zurückziehen. Du wirst bei mir schlafen."

Sapheri erhob sich und machte eine Verbeugung vor Atemu und Teana.

"Verzeiht, mein Pharao und Ihre Hoheit, aber wir ziehen uns nun zurück. Es war ein langer und anstrengender Tag für uns. Wenn Ihr uns nun entschuldigen würdet."

"Natürlich. Ruht euch nur aus.", antwortete Atemu.

Mari verbeugte sich auch noch kurz, bevor sie gemeinsam mit Sapheri den Saal verließ. Da sie dem Herrschertisch den Rücken zugewandt hatte, bemerkte sie auch nicht den jungen Mann, der ihr nachsah.
 

Hat's gefallen? Warte wie immer auf zahlreiche Kommis. Bis denne,

hab euch lieb
 

Hillary

Fragen über Fragen

Hier nun das nächste Kapitel. Will gar nicht lange rumlabern, sondern euch in aller Ruhe lesen lassen. Also, v. V.
 

Kapitel 4: Fragen über Fragen
 

Atemu sah den jungen Frauen hinterher und lehnte sich dann zu seiner Gemahlin.

"Was sagst du zu ihr?", wollte er wissen.

"Ich weiß es nicht genau, Liebster. Sie scheint nicht dumm zu sein, denn sie versteht alles, was wir sie fragen. Vielleicht ist es wirklich so, wie Sapheri vermutet hat. Mari steht einfach unter Schock."

"Ihr Name lautet Mari?", fragte Atemu.

"Ja, aber das war auch das Einzige, das sie Sapheri verraten hat.", erwiderte Teana.

Der Pharao stützte nachdenklich den Kopf auf seine Hand.

"Aber eines würde mich doch interessieren.", sagte Teana.

"Und was wäre das?", fragte Atemu und wandte ihr das Gesicht zu.

"Warum hast du sie in den Palast eingeladen? Wie ich hörte, hat sie dir eine Antwort verwehrt."

"Meine Liebste", sagte Atemu mit einem Lächeln, "man kann doch niemanden in den Kerker werfen, bloß weil er unfähig ist zu sprechen, oder etwa doch?"

Teana hatte nun ebenfalls ein Lächeln auf den Lippen und drückte mit der Rechten die Hand ihres Gemahls.

"Du bist ein weiser Pharao und ein wundervoller Mann.", erklärte sie.

Atemu strich ihr mit einer Hand lächelnd über den dicken Bauch.

"Und bald schon werde ich ein stolzer Vater sein. Ich kann es kaum mehr erwarten.", sagte er leise.

"Hab Geduld", flüsterte Teana, "die Zeit wird kommen, da Ägypten seinen neuen Herrscher sehen wird."
 

"Du hattest sicherlich eine anstrengende Reise hinter dir. Da ist es nicht verwunderlich, dass du müde bist."

Sapheri schritt mit Mari durch die Gänge. Mittlerweile war die Sonne schon längst am Horizont versunken und es sah aus, als habe jemand ein großes dunkles Tuch über dem Himmel gespannt, das mit leuchtenden Punkten übersät war. Es war eine sternenklare Nacht in Ägypten. Die beiden Frauen standen vor der Tür, die zu Sapheris Gemach führte und Sapheri öffnete sie.

"Das Bett ist groß genug für zwei Personen. Morgen werden wir ja sehen, welche Pläne der Pharao für dich hat."

Mari schloss die Tür hinter ihnen und ließ ihren Blick über den Raum schweifen. Die Feuer neben dem Bett warfen gespenstische Schatten auf die hohen Steinwände und erzählten ihre eigene Geschichte.

"Stört es dich, wenn ich noch ein wenig schreibe?", fragte Sapheri.

Mari schüttelte den Kopf und ging dann zum Bett. Sapheri rückte einen Stuhl an den Tisch, auf dem sie ihre unzähligen Fläschchen und Schalen stehen hatte. Sie nahm zwei Kerzen aus einem Leuchter und trat an die eisernen Schalen mit dem Feuer heran. Innerhalb weniger Sekunden brannten auch die Kerzen und Sapheri ging zurück zum Tisch. Mari saß unterdessen auf dem Bett und streifte sich den Armreif vom Handgelenk. Ihre Hände gingen zu der Kette, die um ihren Hals lag, doch sie zögerte. Sie überlegte kurz und nahm die Kette doch nicht ab. Stattdessen krempelte sie das sandfarbene Gewand hoch und zog es sich über den Kopf. Sachte legte sie es auf die andere Seite des Bettes und strich es glatt. Sie trug nun lediglich noch den Verband um den gesamten Oberkörper und die kurze Hose, welche als Unterrock gedient hatte. Mari drehte den Kopf zu Sapheri um, die auf dem Stuhl vor dem Tisch saß. Das Feuer und der Kerzenschein malten dunkle und helle Schatten auf ihr Gewand. Sie hielt eine Feder in der rechten Hand und tauchte sie hin und wieder in ein kleines Gefäß, das vor ihr stand und augenscheinlich Tinte enthielt. Mari schlüpfte unter die leichte Decke und lehnte sich zurück. Sie kuschelte den Kopf in das mit Federn gefüllte Kissen und zog die Decke so hoch, dass lediglich noch ihr Kopf zu sehen war. Kurze Zeit herrschte Stille. Nur das leise Kratzen der Feder auf dem Papyrus war zu hören.

"Gute Nacht, Sapheri."

Sapheri hörte auf zu schreiben und wandte den Kopf der Gestalt unter der Decke zu.

"Gute Nacht, Mari.", antwortete sie lächelnd.

Dann drehte sie sich um und widmete sich wieder dem Papyrus, auf dem sie die Ereignisse des Tages notierte.
 

Jono konnte nicht über die Tänzer lachen, die gerade etwas im großen Saal zur Belustigung der Leute vorführten. Er saß gelangweilt auf seinem Platz und hatte tausend Dinge im Kopf, doch keines davon hatte mit dem zu tun, was ihnen gerade geboten wurde.

"Ihr seht so betrübt aus, Jono."

Die Stimme des Pharao ließ Jono aufschrecken.

"Betrübt? Aber nein, mein Pharao, ich war lediglich in Gedanken.", erwiderte er schnell.

Atemu legte den Kopf schief und beugte sich näher zu ihm.

"Mir scheint so, als wären Eure Gedanken bei unserem neuen Gast."

Jono spürte, dass er leicht verlegen wurde und nickte zustimmend.

"Mir geht es nicht anders", fuhr der Pharao fort, "auch ich mache mir Gedanken über sie. Es ist sehr bedauerlich, dass wir sie heute noch nichts fragen konnten, doch offensichtlich war sie nicht in der Lage, uns zu antworten."

"Wenn... wenn sich ihr Verhalten morgen nicht verändert hat....", begann Jono zögernd.

"Ja?", fragte Atemu.

"Was gedenkt Ihr dann mit ihr zu tun, mein Pharao?"

Jono sah den Pharao unsicher und abwartend an. Der kreuzte die Finger und stützte das Kinn darauf.

"Das ist eine gute Frage, Jono. Bisher habe ich noch keine Antwort darauf gefunden."

"Glaubt Ihr vielleicht, dass sie eine Spionin ist?"

Diese Frage brannte Jono schon während des ganzen Essens auf der Zunge.

"Ich schließe es nicht aus, obwohl mir diese Möglichkeit eher unwahrscheinlich vorkommt.", lautete die Antwort.

Jono nickte gedankenverloren und steckte sich eine Traube in den Mund.

"Was ist Eure Meinung, Jono?"

"Meine Meinung?", fragte Jono ungläubig.

"Ja, was denkt Ihr sollte ich tun?"

Atemu sah seinen Heerführer abwartend an. Jono kratzte sich kurz am Kopf und begann dann zögerlich:

"Nun ja, mein Pharao, ich halte es für ausgeschlossen, dass sie eine Spionin ist."

"Wie könnt Ihr euch da so sicher sein?", hakte der Pharao nach.

"Ich kann Euch das auch nicht erklären, ich habe es einfach im Gefühl. Sie ist eine Frau und... ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Eure Feinde eine Frau schicken würden."

"Vielleicht ist gerade das der Trick", wandte Atemu ein, "wer würde schon eine Frau als Spionin schicken?"

Daraufhin schwieg Jono wieder. Wenn sich der Pharao seiner Sache doch so sicher war, wieso fragte er ihn dann überhaupt nach seiner Meinung?

"Seid beruhigt, Jono, ich halte sie auch für unschuldig.", sagte Atemu plötzlich.

"Tatsächlich?", fragte Jono erleichtert.

Der Pharao nickte ihm zu und lehnte sich dann wieder in seinen Sessel zurück.

"Warten wir den morgigen Tag ab. Ich bin mir sicher, dass wir dann die Antworten erhalten."

"Dessen bin ich mir gewiss, mein Pharao.", sagte Jono.

Tethys neben ihm hatte sich die ganze Zeit mit der Priesterin Isis unterhalten. Die schwarzhaarige Frau hatte ihm von der Zeremonie berichtet, die Tethys ja verpasst hatte, da er sich um die Pferde hatte kümmern müssen.

"Beim nächsten Mal wird Jono sich um die Tiere kümmern.", hörte Jono seinen Kameraden sagen.

Isis lachte kurz auf und erwiderte dann:

"Wie oft soll ich es Euch denn noch sagen? Wir haben im Namen des gesamten Volkes gedankt. Von daher war Eure Nichtanwesenheit nicht so tragisch."

Jono erhob sich von seinem Stuhl und machte eine kurze Verbeugung vor dem Pharao.

"Entschuldigt mich, mein Pharao, aber ich werde noch kurz meine Schwester aufsuchen und sehen, ob alles nach dem rechten geht."

"Gute Nacht, Jono.", sagte Teana und Atemu nickte.

Jono ging am Tisch entlang an Tethys und Isis vorbei.

"Jono, mein Freund, gehst du schon?", fragte Tethys.

"Ich bin müde, Tethys, und lege mich hin, sobald ich bei Sapheri war. Bis morgen."

Jono nickte seinem Kameraden zu und entfernte sich dann schnellstens aus dem Saal. Tethys schüttelte nur kurz den Kopf und murmelte so leise, dass niemand es hören konnte:

"Mach keine Dummheiten, Jono."

Jono verließ den großen Saal und wandte sich nach links. Es dauerte nicht lange, bis er den Hauptgang hinter sich gelassen hatte und über den steinernen Boden des Seitengangs schritt. Eiligen Schrittes erreichte er das Zimmer seiner Schwester. Leise klopfte er mehrmals an. Schließlich wusste er nicht, ob sie nicht doch schon schlief. Doch nach dem dritten Klopfen hörte er leise Schritte, die durch das Zimmer auf ihn zukamen.

"Wer ist da?", ertönte gleich darauf die Stimme seiner Schwester hinter der Tür.

"Jono.", gab er zurück.

Sofort öffnete sich die Tür und Sapheris Gesicht lugte durch den Türspalt.

"Jono? Was tust du denn hier? ich dachte du bist beim Pharao."

"War ich auch, aber ich bin früher gegangen. Wir hatten schließlich nicht mehr die Möglichkeit miteinander zu sprechen.", erklärte Jono.

Sapheri sah sich kurz um und sagte dann:

"Komm herein, aber sei leise! Sie schläft schon."

Jono nahm die Einladung an und folgte ihr in den warmen Raum. Sapheri schloss die Tür hinter ihm. Jonos Blick fiel sofort auf die reglose Gestalt in dem breiten Bett.

"Darf ich?", fragte er und sah seine Schwester an.

Sie nickte und ging wieder zu ihrem Tisch, auf dem Jono Kerzen, eine Feder und ein Blatt Papyrus entdeckte. Noch während er den Raum durchquerte, fragte er:

"Hast du die ganze Zeit geschrieben?"

"Ja, ich halte die Ereignisse des heutigen Tages fest.", erklärte Sapheri, als sie sich wieder setzte.

Jono stand mittlerweile vor dem Bett und blickte hinab. Die Fremde lag in die Decke gekuschelt. Ihr Kopf war auf dem Kissen platziert und die blonden Locken fielen weich um ihr Gesicht, das im Schlaf vollkommen entspannt wirkte. Jono kniete sich hin und musterte die Schlafende eingehend.

"Anscheinend war sie sehr müde.", stellte er leise fest.

"Ja, sie hat sich sofort schlafen gelegt, als wir vorhin hier ankamen. Ich kann mir vorstellen, dass sie einen langen Fußmarsch hinter sich hat. Das sagen zumindest die Schwielen an ihren Füßen."

Jono ließ den Blick über den Körper der Fremden gleiten, welcher sich in allen Einzelheiten unter der Decke abzeichnete. Als er seine Augen wieder von unten nach oben bewegte, blieben sie an ihrem Hals hängen.

"Sie trägt die Kette, die ich dir geschenkt habe.", bemerkte er.

Sapheri drehte sich auf dem Stuhl um.

"Ich weiß. Ich habe sie ihr geliehen. Du hast sie mir damals gegeben und gesagt sie würde mich immer beschützen. Doch ich glaube, dass Mari im Moment mehr Schutz braucht als ich."

"Mari?", fragte Jono verwirrt.

Sapheri nickte. Sie legte die Feder auf dem Papyrus nieder und erhob sich von ihrem Stuhl. Mit leisen Schritten kam sie zu ihrem Bruder, der wieder aufgestanden war, und stellte sich neben ihn.

"Das ist ihr Name."

"Sie hat mit dir geredet?", fragte Jono erstaunt, doch Sapheri winkte ab.

"Sie hat mir lediglich ihren Namen verraten und ein kurzes "Danke" für das Bad und das Kleid folgen lassen."

"Das sind doch immerhin schon zwei Worte.", sagte Jono lächelnd.

Sapheri nickte gedankenverloren und rückte die Decke über Maris Beinen zurecht.

"Vorhin hat sie mir Gute Nacht gesagt und mich sogar mit meinem Namen angesprochen."

Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie daran dachte.

"Und ansonsten hat sie dir nichts erzählt? Woher sie kommt? Oder warum sie hier ist?"

Sapheri schüttelte den Kopf und enttäuschte Jono damit.

"Leider nicht, Jono, das war alles, was sie gesagt hat. Aber ich bin mir sicher, dass sie, wo immer sie auch herkommen mag, dort misshandelt worden ist."

"Wie meinst du das?", fragte Jono unsicher.

"Als sie gebadet hat, da..."

Sapheri stockte kurz, als sie an den Anblick von Maris Rücken dachte.

"Was?", fragte Jono.

"Sie hat fürchterliche Striemen auf dem Rücken. Ich musste ihr einen Verband um den gesamten Oberkörper anlegen, Jono. Mit diesen Wunden ist nicht zu spaßen. Ich sage dir, dass es keine gewöhnlichen Verletzungen sind! Sie stammen von einer... einer..."

"Ja?"

"... von einer Peitsche.", vollendete Sapheri den Satz.

"Was?", rief Jono leise aus.

"Sch!", zischte Sapheri und legte den Finger an die Lippen.

Jono hielt sich blitzschnell die Hand vor den Mund, doch Mari regte sich nicht. Anscheinend schlief sie tief und fest. Jono nahm die Hände wieder vom Gesicht und fragte ungläubig:

"Von einer Peitsche? Bist du dir sicher?"

Sapheri nickte und zog eine Strähne ihres braunen Haares durch die Finger.

"Aber wer sollte eine junge Frau denn mit einer Peitsche schlagen?", fragte Jono.

Mit einem Mal kam in ihm unbändige Wut auf denjenigen auf, der Mari misshandelt hatte.

"Ich kann es mir auch nicht erklären. Hierzulande ist mir so etwas noch nie zu Ohren gekommen.", sagte Sapheri.

"Vielleicht ist sie ja morgen bereit, uns ein paar Antworten zu geben.", überlegte Jono.

Noch einmal ließ er den Blick über die Schlafende gleiten. Sapheri beobachtete ihn von der Seite und musste unwillkürlich lächeln.

"Das letzte Mal hattest du diesen träumerischen Blick, als der Pharao dir eröffnet hat, dass er dich zu seinem Heerführer auserkoren hat.", bemerkte sie.

"Träumerisch?", fragte Jono möglichst unbeteiligt.

"Du brauchst dich nicht zu verstellen, Bruder. Ich sehe doch, dass sie dir gefällt."

"So ein Unsinn", wehrte Jono ab, "natürlich ist sie eine hübsche Frau, aber wir kennen sie noch nicht einmal richtig. Wir sollten vorsichtig sein."

"Wie meinst du das?", fragte Sapheri in dem gleichen Ton, wie Jono Atemu gefragt hatte.

"Der Pharao hatte die Vermutung, dass sie eine Spionin unserer Feinde sein könnte."

"So ein Unsinn", ereiferte sich Sapheri, "wieso sollte Mari denn...?"

"Beruhige dich, Schwester", beschwichtigte Jono sie, "der Pharao hat mir versichert, dass er nicht an diese Möglichkeit glaubt. Er erhofft sich, morgen Antworten zu bekommen. Immerhin muss er über ihr Schicksal entscheiden. Und er möchte die richtige Entscheidung treffen."

"Du hast Recht, Jono.", stimmte Sapheri ihrem Bruder zu.

Jono musterte das Gesicht der Schlafenden.

"Ich würde gerne wissen, wie alt sie ist.", sagte er leise.

"Sie wird nicht älter sein als du.", erwiderte Sapheri.

Jono nickte gedankenverloren. Er wusste nicht wieso, aber er verspürte plötzlich das Verlangen danach, ihr eine der blonden Locken aus dem Gesicht zu streichen. Doch er widerstand der Versuchung und sagte sich selbst, dass er an andere Dinge zu denken hatte. Wenn man den Gerüchten glauben durfte, so hatten sich in der Nähe von Sues einige Rebellenstämme zusammen getan und stellten eine Gefahr für den Pharao dar, da sie die Absicht hatten, ihn zu stürzen.

"Bleib nicht mehr so lange auf, Schwester", sagte Jono an Sapheri gewandt, "der Tag war doch lang genug."

Sapheri nickte ihm lächelnd zu.

"Mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht mehr das kleine Kind, auf das du ständig aufpassen musst."

"Das vielleicht nicht, aber du wirst immer meine Schwester bleiben.", gab Jono zurück.

"Ich werde es nicht vergessen.", erwiderte Sapheri.

Jono wandte der Blondine, die vor ihm friedlich im Bett lag, noch ein letztes Mal den Blick zu.

"Schlaf gut, Mari. Hoffentlich kannst du uns morgen ein paar Antworten geben.", murmelte er.

Sapheri legte ihm eine Hand auf die Schulter und begleitete ihn zur Tür.

"Mach dir nicht so viele Gedanken. Ich bin zuversichtlich, dass sich morgen alles aufklären wird. Du wirst schon sehen! Alles, was sie braucht, wird ein wenig Zeit sein!"

"Wahrscheinlich hast du Recht. Es war eine gute Idee, dass du ihr die Kette gegeben hast. Sie steht ihr übrigens ausgezeichnet. Richte ihr das bitte aus."

"Das werde ich nicht tun", entgegnete Sapheri lächelnd, als sie die Tür hinter Jono schloss, "das kannst du ihr morgen selber sagen, Bruder!"
 

Hat's gefallen? Warte sehnsüchtig auf Kommis. Bis denne,
 

Hab euch lieb Hillary

Endlich Antworten?

Weiter im Text bzw. mit dem nächsten Kapitel. Vielen, vielen Dank für die lieben Kommis an:
 

Catan

Elbe-Kaze

Heavenangel

Hohepriesterin-jea

Kurin

lene33

Mad Hatter-sama

nami110

Sakura-Kira

Stoffkueken

sweety_nami251

Tamari

TeaGarnderChan
 

(Schlagt mich, wenn ich jemanden vergessen habe)
 

Kapitel 5: Endlich Antworten?
 

Als Mari am nächsten Morgen erwachte, war sie zuerst sehr verwirrt. Noch verschlafen setzte sie sich auf und blickte sich um. Der Raum, in dem sie sich befand, war groß und reich verziert. Maris Blick glitt zum Fenster, durch welches das Sonnenlicht fiel. Plötzlich fiel ihr wieder ein, dass sie sich im Palast des Pharao aufhielt. Sie zog die Decke vom Körper und betastete mit den Händen den Verband, der um ihren zierlichen Oberkörper geschlungen war. Augenscheinlich hatte sie den gestrigen Tag doch nicht geträumt! Mit leisen Bewegungen rutschte sie aus dem Bett und stellte erst jetzt fest, dass der Platz neben ihr leer war. Wo konnte Sapheri denn sein? Ob sie bei der Gemahlin des Pharao war? Mari tapste mit lautlosen Schritten über den Steinboden zum Fenster und stützte die Hände auf den Sims. Der frische Morgenwind sorgte dafür, dass sich die feinen Härchen auf ihrem Arm aufstellten. Mari blinzelte in die Sonne und wandte den Blick dann weiter nach unten. Von hier oben hatte sie eine ausgezeichnete Sicht auf den Innenhof des Palastes. Dort unten marschierte gerade eine Gruppe von Soldaten vorbei. Mari kniff kurz die Augen zusammen. Der Mann an der Spitze kam ihr bekannt vor. Doch sie wurde aus ihren Beobachtungen gerissen, denn plötzlich hörte sie ein Geräusch hinter sich.

"Guten Morgen, Mari.", grüßte eine Frauenstimme.

Als Mari den Kopf drehte, sah sie Sapheri hinter sich stehen. Sie trat lächelnd neben Mari ans Fenster. Mari sah wieder nach unten in den Hof. Die Soldaten beschrieben einen großen Kreis. Sapheri schüttelte kurz den Kopf und meinte dann grinsend:

"Ich finde diese Patrouillen lustig. Manche Dinge, wie dieses morgendliche Ritual sind wirklich lächerlich."

Mari fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und beobachtete weiterhin die Männer auf dem Hof.

"Ganz vorne an der Spitze ist mein Bruder Jono.", sagte Sapheri plötzlich.

Mari verengte die Augen ein wenig, um besser sehen zu können.

"Er war derjenige, der dich gestern zu mir gebracht hat. Vielleicht erinnerst du dich noch.", fügte Sapheri hinzu.

Mari nickte und sprach dann zum ersten Mal.

"Der blonde Mann?"

Sapheri trat einen Schritt zur Seite und nickte.

"Ja, der braunhaarige Mann ist sein Kamerad Tethys."

"Ich weiß.", erwiderte Mari kurz und rieb sich die Handgelenke, an denen die Fesseln gewesen waren.

"Ich hörte, dass sie dich gefesselt haben. Das darfst du nicht persönlich nehmen. Das ist eine notwendige Bedingung, wenn man Gefangene in den Palast bringt."

Mari nickte und löste den Blick von der Gruppe, die ihrem Anführer durch den Hof folgte.

"Du solltest dich vielleicht anziehen, damit wir frühstücken können.", schlug Sapheri vor.

Mari trat von der Fensterbank zurück und ging zum Bett, an dessen Ende das Gewand lag, welches sie am Vortag getragen hatte. Sie zog es über den Kopf und strich es glatt.

"Hier kannst du dein Gesicht waschen.", erklärte Sapheri und zeigte auf eine Schale.

Mari ging zu der Schale, die neben der Wanne auf einem Tisch stand. Sie tauchte die Hände in das Wasser und ließ es über ihr Gesicht laufen. Anschließend tupfte sie es mit einem Tuch ab, das daneben lag.

"Heute wird der Pharao über dein Schicksal entscheiden."

Mari drehte den Kopf zu Sapheri und senkte den Blick auf den Boden.

"Ich weiß.", flüsterte sie.

"Ich will dich nicht zu etwas zwingen, Mari, aber es wäre ratsam, wenn du dem Pharao erzählst, was er wissen möchte.", antwortete Sapheri.

Die brünette Frau ging auf Mari zu und hielt ihr den Armreif hin, den sie am Vortag getragen hatte.

"Der Pharao ist kein Unmensch! Er ist ein sehr weiser Herrscher und ein guter Mann."

Mari zog sich schweigsam den Armreif über das Handgelenk.

"Ich bin mir sicher, dass er dir erlauben würde, hier im Palast zu bleiben. Vielleicht kann ich dich lehren, wie man eine Bedienstete Ihrer Hoheit wird."

Sapheri schien von dieser Idee sehr begeistert zu sein und Mari musste lächeln.

"Danke, Sapheri.", sagte sie.

Die junge Frau nahm die Bürste zur Hand und fuhr Mari damit durch die langen Haare.

"Du hast so schöne Haare, Mari. Ich möchte auch gerne Locken haben. Und manchmal bin ich neidisch auf Jono, weil er die blonden Haare unserer Mutter geerbt hat und nicht ich."

"Wo ist sie?", fragte Mari.

"Sie ist gestorben, als wir noch sehr klein waren. Mein Vater fiel auf dem Schlachtfeld. Jono hat sich um mich gekümmert und dank der Großzügigkeit des Pharao bekam ich diese Arbeit hier."

Eine Weile bürstete Sapheri schweigsam weiter, doch dann sagte sie:

"Jono war gestern noch hier, als du schon geschlafen hast. Er wollte wissen, wie es dir geht."

Als Mari ihr darauf keine Antwort gab, fuhr Sapheri fort.

"Eigentlich wollte ich es dir ja nicht sagen, aber Jono bat mich darum dir auszurichten, dass dir die Kette ausgezeichnet stehen würde."

Sie hörte ein leises Kichern von Mari und setzte hinzu:

"Augenscheinlich mag mein Bruder dich."

"Er war nett zu mir.", sagte Mari plötzlich.

"Ich bin mir sicher, dass es ihn auch freuen würde, wenn du hier bleibst!"

Sapheri legte die Bürste beiseite und Mari schlüpfte in die Sandalen, welche Sapheri ihr gegeben hatte.

"Und jetzt sollten wir essen gehen.", sagte die Brünette.
 

"Ok, das reicht! Wegtreten!"

Jonos Stimme schallte über den gesamten Innenhof. Seine Soldaten standen stramm und verneigten sich vor ihrem Anführer, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehten und den Hof verließen. Jono zog seinen Helm vom Kopf und klemmte ihn unter den linken Arm. Sein Blick wanderte zu dem Fenster, welches zu Sapheris Zimmer gehörte. An ihm hatte vor kurzem noch die blonde Frau gestanden. Jetzt aber lag das Fenster leer hoch über Jonos Kopf. Er seufzte kurz auf und hörte im selben Moment eine Stimme hinter sich.

"Suchst du nach einem göttlichen Omen im Himmel?"

"Nein, Tethys", erwiderte Jono, "ich war gerade in Gedanken."

"Doch nicht zufälligerweise wieder über die fremde Blondine, oder?"

Tethys stemmte die Hände in die Hüfte und sah seinen Kameraden abwartend an.

"Ich habe Sapheri gestern noch besucht.", erzählte Jono.

"Hast du mit ihr geredet?"

"Natürlich habe ich mit meiner Schwester geredet.", gab Jono zurück.

"Ich rede nicht von ihr, sondern von der Blondine.", korrigierte ihn Tethys.

"Nein, sie hat bereits geschlafen. Und nur zur Information, Tethys, ihr Name lautet Mari."

"Nun gut, du hast also nicht mit Mari geredet. Hat Sapheri denn ein wenig mehr über sie herausfinden können?"

"Nein, das einzige, was sie von sich preisgegeben hat, war ihr Name.", erwiderte Jono.

"Schade, ich hatte eigentlich gehofft den Grund dafür zu erfahren, warum sie ein Pferd entwenden wollte."

Tethys kratzte sich nachdenklich am Kinn.

"Du hast den Pharao ja gehört. Er wird heute darüber entscheiden, was mit ihr geschehen soll."

Jono war ein wenig unbehaglich, wenn er daran dachte.

"Vielleicht jagt er sie ja aus dem Palast fort.", überlegte Tethys.

"So ein Unsinn! Warum sollte er so etwas tun?", fragte Jono leicht erzürnt.

"Bleib ruhig, mein teurer Freund, es sollte eher ein Scherz sein!", beschwichtigte Tethys ihn.

"Über das Schicksal eines Menschen macht man keine Scherze, Tethys.", erwiderte Jono.

"Wir werden ja sehen, wie der Pharao mit ihr verbleibt.", meinte Tethys.

Jono nickte gedankenverloren und Tethys wies mit dem Finger auf den Palast.

"Komm, gehen wir zum großen Saal und essen etwas."
 

"Ich wünsche Euch einen guten Morgen, mein Pharao!"

Sapheri und Mari verbeugten sich vor Atemu, der ihnen auf dem Weg zum großen Saal entgegen kam.

"Ah, Sapheri. Wie ich sehe, habt Ihr meinem Wunsch entsprochen und Euch um Mari gekümmert."

Der Pharao ließ seinen lächelnden Blick zu Mari gleiten.

"Ich muss sagen, dass ich dich beinahe nicht wieder erkannt hätte, Mari. Dieses Gewand kleidet dich ausgezeichnet."

"Ich danke Euch.", erwiderte Mari leise.

"Sapheri, ich möchte, dass Ihr Mari gegen Mittag in den Thronsaal bringt. Dort werden wir uns dann anhören, was sie uns zu erzählen hat."

Sapheri nickte und ließ ein "Jawohl, mein Pharao." folgen. Dann schritt Atemu an ihnen vorbei Richtung königliche Gemächer. Mari und Sapheri erhoben sich vom Boden und setzten ihren Weg zum großen Saal fort.

"Ich bin zuversichtlich, dass er dir erlaubt zu bleiben.", meinte Sapheri.

Sie hatten den großen Saal erreicht und traten durch die geöffnete Tür. Mari meinte, noch nie so viele Leute gesehen zu haben. Überrascht blickte sie sich um, denn nicht nur die Tische sondern auch die Saalmitte war voller Menschen, die sich entweder unterhielten oder aßen.

"So viele?", fragte sie ungläubig.

"Ja, das sind alles Bedienstete im Palast. Wir treffen uns hier jeden Morgen zum Frühstück. Abends isst nur der Hofstab mit dem Pharao. Dazu gehören seine Leibwachen, Gelehrten und Priester. Die einfachen Diener essen in der Küche.", erklärte Sapheri.

Mari nickte und suchte sich mit Sapheri einen freien Platz an einem der Tische. Die beiden Frauen füllten ihre Teller, wobei Mari immer noch ein wenig zurückhaltend war und begannen zu essen.

"Hey, könnt Ihr mir mal das Obst reichen?"

Mari wurde plötzlich von der Seite angestupst. Neben ihr lehnte ein junger Mann und lächelte sie an. Mari nickte und reichte ihm die Schale mit dem Obst.

"Danke.", sagte er und zwinkerte ihr zu.

Mari wandte sich wieder ihrem Teller zu, als sie erneut angestupst wurde.

"Seid Ihr neu hier? Ich habe Euch noch nie gesehen!"

Mari nickte und hoffte, dass er sich endlich abwenden würde, doch anscheinend war die Neugier des Mannes jetzt erst richtig geweckt. Er rückte näher an sie heran und meinte:

"Wenn Ihr wollt, kann ich euch nachher gerne den Palast zeigen. Wir haben hier wunderschöne Orte. Manche sind zuweilen auch ein wenig abgelegen, wenn Ihr versteht, was ich meine."

Mari rückte ein Stück von ihm weg und überlegte gerade, wie sie ihn abwimmeln konnte, als jemand sagte:

"Ich denke nicht, dass sie sich von Euch die abgelegenen Ecken des Palastes zeigen lassen möchte!"

"Heerführer Jono.", stieß der Mann hervor.

Der blonde Mann hinter ihm sah streng auf ihn herab und fügte hinzu:

"Überlegt es Euch demnächst, ob Ihr eine junge Frau belästigen wollt."

Der Mann stand auf und war nach einer kurzen Verbeugung verschwunden. Jono wandte sich an Mari.

"Ist alles in Ordnung mit dir?", erkundigte er sich lächelnd.

Mari nickte und bemühte sich, sein Lächeln zu erwidern.

"Darf ich mich zu dir setzen?", fragte er und ein erneutes Nicken war die Antwort.

Jono ließ sich neben der jungen Frau nieder und griff in die Schale mit dem Obst. Erst jetzt schien Sapheri ihren Bruder bemerkt zu haben.

"Jono, wie lange sitzt du schon hier?", wollte sie wissen.

"Gerade erst. Ich musste allerdings erst einen Soldaten vertreiben, der Mari die abgelegenen Eckes des Palastes zeigen wollte.", berichtete Jono.

"Was? Beim mächtigen Ra, das habe ich gar nicht gehört. Hat er dich belästigt, Mari?"

Mari schüttelte den Kopf und sagte dann leise:

"Dein Bruder hat mir geholfen."

Jono, der jetzt zum ersten Mal ihre Stimme hörte, war sehr geschmeichelt.

"Eine meiner leichtesten Übungen.", gab er zurück.

Ein wenig schweigsam saßen sie nebeneinander, bis Jono die Stille zwischen ihnen brach.

"Wann müsst ihr heute zum Pharao?"

"Gegen Mittag.", antwortete Sapheri.

Jono merkte, dass in ihrer Stimme leichte Unsicherheit schwang.

"Seid unbesorgt, ihr beiden! Ich denke, dass der Pharao die richtige Entscheidung treffen wird."

Er unterhielt sich noch weiter mit Sapheri, doch Mari sprach kein einziges Wort mehr, sondern hörte nur aufmerksam zu. Jono fand das bedauerlich, da er zu gerne noch mal ihre Stimme gehört hätte.

"Wir müssen jetzt los. Ich muss noch nach Ihrer Hoheit sehen.", sagte Sapheri.

Sie und Mari erhoben sich von den Stühlen. Auch Jono stand auf und meinte:

"Ich muss mal wieder zu Tethys. Er und die Mannschaft erwarten mich unten."

Sapheri nickte ihm zu und drehte sich zum Gehen um. Jonos Augen blickten in die von Mari. Sie hielt seinem Blick jedoch nicht lange stand, sondern verbeugte sich kurz und murmelte:

"Auf Wiedersehen, Herr!"

Dann tapste sie geschwind hinter Sapheri her und ließ einen verwirrt drein schauenden Jono zurück.
 

Viel schneller als gedacht verstrich die Zeit und der Mittag war schon bald gekommen. Sapheri betrachtete den Stand der Sonne und sagte:

"Es ist Zeit, Mari. Der Pharao erwartet uns."

Mari, die die ganze Zeit über auf dem Bett gesessen hatte, nickte nervös und stand auf. Der Augenblick, in dem sie dem Pharao Rede und Antwort stehen musste, war gekommen. Sapheri öffnete die Türe und ließ Mari vorgehen. Diese blieb auf dem Gang stehen und sah sich nach ihrer Freundin um.

"Hab keine Angst, Mari.", sagte Sapheri beruhigend.

Sie schloss die Tür und nahm Mari an der Hand. In dieser Haltung durchquerten die beiden Frauen die Gänge. An den Seiten standen die Wachmänner in einigen Metern Abstand voneinander. Der Thronsaal rückte unaufhaltsam näher und Sapheri merkte, wie Maris Hand sich zusehends mehr verkrampfte. Als sie schließlich vor der großen Flügeltür standen, hatte Mari ihre Finger in Sapheris Handrücken gekrallt. Sapheri tätschelte sie beruhigend und trat dann vor. Die Wachen zu beiden Seiten des Eingangs stießen die Tür auf, so dass sie ohne Probleme eintreten konnten. Mari fühlte sich sogleich ganz klein. Der Saal war noch größer als der, in dem sie das Essen zu sich genommen hatten. Der Pharao saß bereits auf seinem Thron, welcher durch einige Stufen vom Rest des Raumes abgehoben war. Zu seiner Linken stand seine Gemahlin Teana und gleich dahinter Jono und Tethys. Auf der anderen Seite standen zwei Personen, von denen Mari nur eine bekannt vorkam, doch sie konnte sich an den Namen der Frau nicht mehr erinnern.

"Tretet näher!", befahl der Pharao.

Die Tür schloss sich hinter den jungen Frauen und Mari hatte augenblicklich das Gefühl, sie befände sich in einem großen Käfig, aus dem es kein Entrinnen gab. Leise traten sie vor den Thron und knieten sich auf die kalten Steine. Mari hielt das Gesicht zu Boden gewandt und zwang sich, ruhig zu atmen.

"Nun gut, jetzt sind wir ja alle versammelt. Ihr könnt aufstehen, Sapheri."

Sapheri erhob sich neben der Blondine, die immer noch auf die Steine blickte.

"Wir sind hier zusammen gekommen, um darüber zu entscheiden, was mit dieser jungen Frau zu meinen Füßen geschehen soll.", vernahm Mari die Stimme Atemus.

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Sapheri sich zu ihrem Bruder und dessen Kamerad gestellt hatte.

"Sieh mir in die Augen und nenn mir deinen Namen!"

Mari tat, was der Herrscher von ihr verlangte und hob den Kopf. Seine violetten Augen blickten sie freundlich an.

"Mein Name ist Mari, mein Pharao.", sagte sie.

Alle Anwesenden waren erstaunt, wie laut und flüssig die Fremde sprechen konnte.

"Nun gut, Mari. Du wurdest aufgegriffen, als du versucht hast, eines meiner Pferde zu stehlen. Ich frage dich nun nach dem Grund für deine Tat."

"Ich wollte fliehen, mein Pharao.", entgegnete Mari.

Ein leises Gemurmel entstand, doch Atemu hob die Hand und alles war wieder still.

"Fliehen? Vor mir?", fragte er.

"Nein, mein Pharao, von einem Ort, der weit entfernt liegt."

"Nenn mir den Namen dieses Ortes!"

"Die Oase Siwu, mein Pharao.", sagte Mari.

"Ist das der Ort, von dem du stammst?", fragte Atemu, doch Mari schüttelte den Kopf.

"Nein, mein Pharao. Ich habe nur die letzten Wochen in Siwu verbracht."

"Wie kommt es dann, dass du von Siwu aus den langen Weg bis nach Kairo auf dich genommen hast. Noch dazu ohne Reittier oder Begleitung?"

"Ich flüchtete aus Siwu, mein Pharao.", erwiderte Mari.

"Vor wem oder was bist du geflohen?"

"Vor einem Mann, dessen Namen ich nicht kenne."

"Als was hast du in Siwu gearbeitet?"

Eine kurze Zeit lang herrschte Stille und die Anwesenden fragten sich schon, ob Mari die Antwort verweigerte, doch dann hörten sie ihre Stimme, die leise und gequält sagte:

"Als Sklavin, mein Pharao."

Sapheri hielt sich den Mund zu und fühlte, wie Jono im gleichen Augenblick eine Hand auf ihre Schulter legte.

"Du warst eine Sklavin in Siwu?", wiederholte der Pharao.

Mari nickte nur und Sapheri sah deutlich, dass ihre Augen zu glitzern begannen, da sie sich mit Tränen füllten.

"Wieso bist du geflohen?", fragte Atemu.

"Ich hielt es nicht mehr aus, mein Pharao. Der Mann, der mich gekauft hatte, behandelte uns alle schlecht."

"Er schlug dich?", fragte Atemu.

"Ja, mein Pharao."

"Was war mit den anderen Sklaven?", wollte Atemu wissen.

"Sie begehrten nicht gegen ihn auf. Eines Nachts nutzte ich die Chance zur Flucht und schlich mich aus dem... aus der Oase fort. Ich lief vier Tage und beinahe die ganzen Nächte durch."

Jono war fassungslos und konnte kaum glauben, was er gerade gehört hatte.

"Was musstest du in der Oase genau tun?", fragte Atemu.

Er lehnte sich in seinem Thron ein Stück vor. Mari, die immer noch auf den Steinen kniete, machte mehrmals den Mund auf und zu, es drang jedoch kein Laut über ihre Lippen.

"Was musstest du genau tun?", wiederholte Atemu seine Frage.

Doch plötzlich wurde er von seiner Gemahlin unterbrochen.

"Ich glaube nicht, dass das eine wichtige Rolle spielt, Liebster", warf sie ein, "wir kennen doch nun ihre Beweggründe und ihre Geschichte."

Der Pharao lehnte sich zurück und nickte nachdenklich.

"Ihr habt Recht, meine Liebste, für den Augenblick wissen wir genug, um eine Entscheidung zu treffen."

Mari hockte leicht zitternd auf dem Boden. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten sie vollkommen überrumpelt. Sie erinnerte sich wieder an jede Einzelheit und wollte ihren Kopf so schnell es ging von diesen Geschehnissen befreien.

"Was gedenkt ihr zu tun, mein Pharao?", fragte die schwarzhaarige Frau zu seiner Rechten.

"Habt Geduld, Isis, meine Entscheidung wird einiger Zeit bedürfen. Bis dahin schicke ich dich zurück auf dein Zimmer, Mari!"

"Wie Ihr befiehlt, mein Pharao.", presste Mari hervor.

Sie verbeugte sich und erhob sich dann vom Boden. Hastig drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ im Laufschritt den Thronsaal.

"Mari! Warte!", rief Sapheri laut, doch Mari hörte nicht.

"Ich halte es für das Beste, wenn du ihr folgst!", wandte sich Teana an ihre Bedienstete.

Sapheri nickte und verbeugte sich kurz, bevor sie ihr Gewand festhielt und Mari hinterher eilte. Kurze Zeit lang herrschte Schweigen im Thronsaal. Dann fragte Atemu:

"Nun, meine treuen Freunde? Was ist eure Meinung?"

"Ich bin mir sicher, dass sie die Wahrheit gesagt hat, mein Pharao.", schaltete Jono sich ein.

Atemu sah ihn an und nickte zustimmend.

"Das glaube ich auch, Jono. Es wirkte nicht gespielt. Ihre Geschichte klingt glaubwürdig."

"Ihr werdet sie doch nicht wieder zurückschicken, oder, mein Pharao?", fragte Jono unsicher.

"Nein, das habe ich nicht vor. Ich weiß nur nicht, welche Aufgabe ich ihr zuteilen soll!"

"Mein Pharao", meldete sich der junge Mann mit den beigen Haaren zu Wort, der neben Isis stand, "ich habe einen Vorschlag für Euch."

"Ich höre, Marik.", entgegnete Atemu.

"Warum weist Sapheri die Fremde nicht in das Handwerk der Bediensteten ein? Sie könnte eine weitere Dienerin Ihrer Hoheit werden!"

Atemu sah seine Gemahlin an, die zustimmend nickte.

"Das ist eine gute Idee, Marik. Sapheri wird diese Aufgabe sicher gerne übernehmen."

Atemu wandte den Blick Jono und Tethys zu, die ihn abwartend ansahen. Dann nickte er und sagte:

"Nun gut, es ist beschlossen. Mari wird von nun an ein Mitglied dieses Palastes sein. Vielleicht werden wir im Laufe der Zeit sehen, ob sie noch andere Talente vorzuzeigen hat. Heerführer Jono?"

"Ja, mein Pharao?", fragte Jono und trat vor.

"Ich würde es begrüßen, wenn Ihr Eure Schwester und Mari aufsuchen würdet, um ihnen meine Entscheidung mitzuteilen, die ich hier in Anwesenheit dieser Zeugen getroffen habe."

"Jawohl, mein Pharao, ich werde mich sofort darum kümmern.", erwiderte Jono.

Jono verbeugte sich noch kurz und drehte sich dann um. Teana legte Atemu die Hand auf die Schulter.

"Das war die richtige Entscheidung, mein Liebster.", sagte sie leise und Atemu nickte.

Jono hatte den Thronsaal verlassen und war auf dem Weg zu Sapheris Gemach. Innerlich hatte er jubeln können vor Freude. Mari würde im Palast bleiben. Diese Tatsache stimmte ihn fröhlicher als er vermutet hatte, allerdings konnte er sich die Gründe dafür selber nicht erklären. Eiligen Schrittes ging er voran.
 

Hat's gefallen? Schreibt mir eure Meinung. Bis dahin, bye, bye

Hillary

Ein neues Leben

Salve! Da bin ich wieder. Heil aus den Feiertagen zurückgekehrt War gar nicht feiern, weil ich nämlich krank war. Egal, das wird später kräftig nachgeholt. Nun bekommt ihr aber erst mal das allerneueste Kapitel serviert. Guten Appetit!
 

Kapitel 6: Ein neues Leben
 

"Mari?"

Sapheri steckte den Kopf durch die Tür und ließ den Blick über das Innere ihres Gemaches gleiten.

"Komm herein.", antwortete eine leise Stimme.

Sapheri trat ein und schloss die Tür hinter sich. Dann wandte sie den Kopf wieder um. Die junge Blondine stand am Fenster. Ihre Hände ruhten auf dem Sims. Wie eine unbewegliche Statue blickte sie hinaus auf das geschäftige Treiben, welches im Innenhof herrschte.

"Kann ich dir irgendwie helfen?", erkundigte sich Sapheri.

Doch Mari schüttelte nur den Kopf und starrte weiterhin in das gleißende Licht. Sapheri schritt durch den Raum und stellte sich neben ihre neue Freundin an das Fenster.

"Der Pharao hatte sicherlich nicht die Absicht dich zu kränken.", sagte Sapheri.

"Ich weiß.", erwiderte Mari mit seltsam belegter Stimme.

Ihre Augen wirkten immer noch leicht glasig von den Tränen, welche sie bis vor kurzem noch gefüllt hatten. Hastig fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Wange, als sie fühlte, dass ein Tropfen hinunter lief.

"Es tut mir so Leid, Mari, ich hatte ja keine Ahnung.", begann Sapheri.

Mari jedoch schüttelte den Kopf und hatte plötzlich ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht.

"Schon gut, es wusste ja niemand."

Sie schlang die Arme wieder um ihren Oberkörper. Da war sie wieder. Die Schutzhaltung, welche sie auch in Siwu immer eingenommen hatte.

"Kann ich dir wirklich nicht helfen?", fragte Sapheri.

"Nein, du hast mir bereits geholfen.", entgegnete Mari.

Die beiden Frauen sahen aus dem Fenster. Im Innenhof spielten einige kleine Kinder fangen und verstecken. Mari beobachtete sie mit einem wehmütigen Lächeln.

"Nun liegt alles in den Händen des Schicksals.", hörte Sapheri sie flüstern.

Als hätten die Götter ihre Worte ernst genommen, klopfte es plötzlich laut an der Tür.

"Sapheri? Bist du da?"

Die Köpfe der beiden Frauen fuhren herum, als sie Jonos Stimme vor der Tür vernahmen.

"Hab keine Angst", sagte Sapheri leise an die Blondine gewandt, "es wird alles gut werden!"

Dann durchquerte sie den Raum und Mari folgte ihr kurz mit dem Blick. Dann jedoch entschied sie sich dafür, wieder aus dem Fenster zu sehen. Sie seufzte, als sie den Kindern zusah. Sie waren sorglos und unschuldig. Diese Kinder führten ein behütetes Leben, welches sie sich gar nicht mehr vorstellen konnte. Sie hatte sich bereits innerlich darauf vorbereitet, zurück nach Siwu gehen zu müssen. Was konnte der Pharao denn auch schon mit einer Sklavin wie ihr anfangen?
 

"Sag mir, dass du gute Neuigkeiten bringst!", flehte Sapheri.

Sie hatte die Tür hinter sich geschlossen und stand nun ihrem Bruder auf dem Gang gegenüber.

"Ist sie bei dir?", fragte Jono und deutete auf die Tür.

"Sie sitzt am Fenster. Also, hast du Neuigkeiten vom Pharao?"

"Ja, er hat in unserer Anwesenheit vorhin eine Entscheidung getroffen."

"Und? ....wie lautet sie?"

Sapheri knetete nervös die Hände ineinander und sah Jono unsicher an.

"Sie darf bleiben!"

"Was?? Aber das ist ja großartig!!", rief Sapheri.

Vor lauter Freude fiel sie ihrem Bruder um den Hals und erdrückte ihn beinahe.

"Ganz ruhig, Sapheri, du nimmst mir die Luft!", sagte Jono lachend.

Sapheri ließ ihn daraufhin verlegen los und hüpfte auf der Stelle.

"Es tut mir Leid, Bruder, aber ich freue mich so über diese wunderbare Nachricht!"

"Ihre Hoheit hat den Vorschlag gemacht, dass du sie in die Fertigkeiten einer Bediensteten einweist.", erzählte Jono mit einem Lächeln.

"Mari soll eine Dienerin Ihrer Hoheit werden? Das ist toll! Das ist..."

"Meinst du nicht, dass du jetzt wieder reingehen solltest, um Mari die Neuigkeit zu erzählen?", unterbrach Jono sie hastig.

"Oh ja, natürlich, das hatte ich vollkommen vergessen. Ich war überwältigt vor Freude!"

Eilig drehte Sapheri sich zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Sie wandte den Kopf noch ein letztes Mal zu ihrem Bruder um und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen:

"Sie war übrigens sehr geschmeichelt, als ich ihr ausrichtete, was du mir gesagt hast."

"Was? Aber ich dachte, dass... du sagtest doch..."

Jono war ein wenig verlegen geworden, doch Sapheri kicherte kurz.

"Ich erinnere mich, dass ich dir sagte, ich würde es nicht weiterleiten. Ich habe meine Meinung geändert. Trotzdem glaube ich, dass Mari sich sehr freuen würde, wenn du es ihr noch mal persönlich sagen würdest."

"Aber sie redet ja nicht mal mit mir!", wandte Jono ein.

Sapheri legte eine Hand an den Mund und flüsterte:

"Sie ist nur schüchtern, glaub mir. Sie mag dich auch. Versuch es einfach weiter!"

"Wie du meinst. Du bist die Frau der Familie.", erwiderte Jono grinsend.

Sapheri nickte ihm zu und verschwand dann in ihrem Gemach. Jono drehte sich um und schlenderte davon.
 

"Mari, du wirst es nicht glauben!", fing Sapheri an.

Mari wandte ihr den Kopf zu und sah sie aus großen Augen an.

"Der Pharao hat entschieden, dass du bleiben darfst! Du wirst eine Bedienstete werden wie ich!"

Sapheri Augen strahlten vor Freude und das Lächeln wich nicht mehr von ihrem Gesicht. Sie kam zu der jungen Blondine und blickte sie abwartend an.

"Ist das nicht großartig?", fragte sie freudig.

Erst jetzt schienen die Worte wirklich zu Maris Bewusstsein vorzudringen, denn sie legte eine Hand auf den Mund, der ihr offen stand und sah Sapheri aus großen Augen an.

"W... w... wirklich?", fragte sie ungläubig.

"Ja, wenn ich es dir doch sage. Du wirst bleiben und Ihrer Hoheit dienen. Ebenso wie ich!"

Sapheri hatte Maris linke Hand ergriffen, welche in ihrem Schoß geruht hatte.

"Was sagst du dazu?", wollte die Brünette wissen.

"Das ist... un ... unglaublich.", stammelte sie.

"Oh, ich freue mich ja so für dich. Jetzt, da sicher ist, dass du hier bleiben wirst, wird es Zeit, dass du ein paar eigene Gewänder und Kleider bekommst. Ich werde Ihre Hoheit gleich darauf ansprechen. Vielleicht können wir gleich auf den Markt gehen. Dort werden wir sicherlich etwas für dich finden."

Mari wusste gar nicht so recht, wie sie mit dieser Neuigkeit umgehen sollte. Im einen Moment dachte sie noch, dass ihr altes Leben sie wieder einholen würde, und im nächsten eröffnete Sapheri ihr, dass sie von nun an ein Mitglied des Palastes sei.

"Was sitzt du da noch herum?", fragte Sapheri lachend und eilte durch das Zimmer.

Sie winkte Mari, die wie in Trance aufstand und ihr folgte.

"Na los, gehen wir Ihre Hoheit fragen!", sagte Sapheri.

Sie zog die blonde Frau lachend hinter sich her aus der Tür.
 

"Mein Pharao, die Lage ist ernst."

Die schwarzhaarige Frau stand neben Atemu und hatte ein besorgtes Gesicht aufgesetzt.

"Wie meint Ihr das, Priesterin Isis?", fragte Atemu.

"Nun ja, mein Pharao, wenn man den Gerüchten glauben darf", schaltete sich Tethys ein, "haben sich in der Nähe von Sues einige Rebellenstämme versammelt."

"Sollten wir uns deswegen Sorgen machen?", wollte Atemu wissen.

"Es ist so, mein Pharao", antwortete der Mann neben Isis, "dass sich auch Ryou unter ihnen befindet."

"Ryou? Der Grabräuber?", fragte Atemu.

"Wie könnt Ihr Euch da so sicher sein, Marik?", entgegnete Tethys.

"Meine Milleniumskette gestattete mir einen Blick in den Osten. Ich sah die Rebellen ganz deutlich vor mir. Ryou befindet sich in ihrer Gesellschaft.", erklärte Isis ruhig.

"Das lässt die ganze Sache natürlich in einem anderen Licht erscheinen.", murmelte Atemu.

"Mein Pharao", sagte Tethys, "unsere Armee müsste mit diesen Rebellen fertig werden."

"Nein, Tethys, diesmal ist es nicht so einfach.", erwiderte Atemu.

"Wieso nicht?", wollte Tethys wissen.

"Ryou ist kein einfacher Grabräuber", erklärte Marik, "er hat ungewöhnliche Kräfte. Das rührt daher, dass er im Besitz eines Milleniumsgegenstandes ist."

"Er besitzt einen Milleniumsgegenstand?", fragte Tethys.

"Ja", erwiderte Isis, "und mit diesem verfügt er über ebenso große Macht, wie die meisten Priester hier am Hof."

"Aber wie ist das möglich?", fragte Tethys.

"Jeder der heiligen Gegenstände", schaltete sich nun Atemu ein, "hat eine außergewöhnliche Kraft. Unsere Vorfahren wussten damals schon, dass eine solche Macht nicht in die falschen Hände geraten durfte. Aus diesem Grund versteckten sie die Artefakte in verschiedenen Teilen des Reiches. Der Legende nach heißt es, dass derjenige, der alle sieben Artefakte vereinigt, eine unvorstellbare Macht erlangen wird. Groß genug, um ein ganzes Volk zu unterjochen. Doch das darf niemals wieder geschehen."

"Mein Pharao, Ihr sagtet soeben "wieder"? Gab es eine solche Herrschaft bereits?"

Der Pharao nickte kaum merklich.

"Es ist überliefert", berichtete Marik weiter, "dass vor drei Generationen ein einzelner Mann auf der Suche nach den Artefakten war. Er schaffte es tatsächlich alle sieben Gegenstände um sich zu versammeln. Das Puzzle, die Kette, den Stab, die Waage, den Schlüssel, das Auge und den Ring. Bei der Vereinigung der Artefakte wurde eine ungeheure Macht freigesetzt, die beinahe unmöglich zu beherrschen war."

"Doch diesem Mann gelang es", fuhr Isis fort, "da er sich der schwarzen Magie bediente. Er ernannte sich selbst zum Herrscher von Ägypten, da sich ihm niemand in den Weg stellen konnte. Er hatte den verbotenen Schatz der Herrscher in seiner Gewalt, wie man diese Macht auch nannte."

"Was geschah mit diesem Mann?", erkundigte sich Tethys.

"Er wurde gestürzt", sagte Atemu, "von einer Gruppe junger Männer, denen auch mein Großvater Simon Muran angehörte. Viele der Männer ließen in dem Kampf gegen den Herrscher ihr Leben. Doch schließlich gelang es meinem Großvater im letzten Moment doch noch, einen Sieg zu erzielen. Er benutzte seine eigene Art der Magie. Die Magie des Lichtes, um den Tyrannen in einer Steintafel einzuschließen."

"Wie bitte? Er hat ihn in einen Fels eingesperrt?", fragte Tethys ungläubig.

"So ist es, mein teurer Freund. Er versiegelte die Seele des Mannes in einem Stein. Dieser wurde in den unendlichen Weiten der Wüste tief unter dem Sand in einem Tempel versteckt, dessen genaue Lage nur sehr wenige Menschen kennen. Ich bin einer davon."

"Glaubt Ihr, dass die Rebellen alte Anhänger dieses Tyrannen sind und ihren Meister befreien wollen?"

"Es ist nicht auszuschließen", gab Marik zurück, "auch wenn seine Herrschaft zerschlagen und seine Diener verbannt wurden, so gibt es doch immer noch Menschen, die ein Leben unter seiner Herrschaft besser finden würde als das, unter dem jetzigen Pharao."

"Wir können also davon ausgehen, dass sie Euch eventuell den Ort des Tempels entlocken wollen."

Tethys kratzte sich kurz am Kopf und sah Atemu an.

"Entweder das oder es ist ihnen einfach ein Dorn im Auge, dass ich auf dem Thron sitze."

"Mein Pharao", bemerkte Isis plötzlich, "woher sollten diese Männer denn von dem Versteck wissen?"

"Ja, immerhin wussten nur wenige Menschen, dass die Seele des Tyrannen in einer Steintafel versiegelt wurde."

Marik wog nachdenklich den Kopf hin und her, wobei der goldene Gegenstand um seinen Hals wippte.

"Klärt mich auf. Wer wusste davon?", fragte Tethys.

"Nachdem der Thron wieder frei war, verlangte das Volk nach einem neuen Herrscher.", sagte Isis.

"So kam es dann, dass mein Großvater Simon Muran Ägyptens neuer Herrscher wurde.", ergänzte Atemu.

"Die Geschichte mit der Steintafel war nur denen bekannt, die es selbst mit angesehen hatten, also die Menschen, die über den Tyrannen triumphiert hatten.", fuhr Marik fort.

"Eurem Großvater Simon Muran.", erwiderte Tethys und Atemu nickte.

"Doch er war nicht der Einzige. Unsere Großeltern hatten ebenfalls bei seiner Vernichtung geholfen.", sagte Isis.

"So kam es dann auch, dass unsere Familie zur rechten Hand des Pharao wurde. Wir wurden seine Grabwächter und Priester. Unsere Familie bewahrte seine Geheimnisse und hütete sie wie eine Schatz."

"Ich verstehe. Dann seid ihr mit unserem Pharao also die einzigen Menschen, die das Geheimnis kennen."

Für Tethys ergab das Ganze langsam Sinn.

"Allen anderen Menschen wurde erzählt, dass der Tyrann tot war. Das stimmte natürlich in dem Sinne, dass sich sein Körper nicht mehr unter den Lebenden befand, seine Seele jedoch lebt in der Steintafel weiter."

"Also gibt es keine Möglichkeit, dass das einfache Volk etwas von der wahren Geschichte erfahren hat.", murmelte Tethys leise vor sich hin.

"So ist es. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass man die Bedrohung durch die Rebellen nicht ganz so ernst sehen sollte.", sagte Atemu.

"Aber mein Pharao, was ist mir Ryou?", schaltete sich Marik ein.

"Er ist ein Grabräuber. Und was läge einem Grabräuber wohl näher, als dort zu plündern, wo er sich den meisten Gewinn erhofft?"

"Die Schatzkammern des Palastes.", sagte Isis.

"Ihr habt es erfasst, Isis. Ryou verspricht sich wahrscheinlich einen Teil des Schatzes zu bekommen, wenn er sich den Rebellen anschließt."

"Sollten wir denn nicht zur Sicherheit eine Truppe entsenden, welche den Widerstand schnell ersticken könnte?"

Tethys sah Atemu fragend an, doch dieser schüttelte den Kopf.

"Nein, Tethys, bisher kursiert nur das Gerücht über diese Rebellen. Wir werden nicht unnötig einen Krieg ausbrechen lassen. Solange die Rebellen sich ruhig verhalten, werden auch wir das tun. Wir wissen schließlich, welches Ziel sie verfolgen. Sollten sie angreifen, so haben wir immer noch genügend Zeit zum handeln."

Atemu schwenkte seinen Blick zu Isis und fragte:

"Kann ich mich darauf verlassen, dass Ihr uns vorwarnt, wenn Ihr eine Vision habt?"

"Selbstverständlich, mein Pharao. Sobald sich im Osten etwas regen sollte, wird meine Kette uns warnen."

"Für den unwahrscheinlichen Fall, dass wider Erwarten der Palast angegriffen werden sollte, sind Eure Priester da, um Euch zu schützen.", setzte Marik hinzu.

"Hier geht es nicht um mich, sondern um mein Volk, das unter einem Angriff viel mehr zu leiden hätte."

Atemu stand von seinem Thron auf und sah in die Runde.

"Ich werde jetzt nach meiner Gemahlin sehen. Offensichtlich macht ihr die zusätzliche Bürde sehr zu schaffen. Wenn etwas sein sollte, findet ihr mich in meinen Gemächern."

Die Umstehenden verbeugten sich, als Atemu an ihnen vorbei schritt und den Thronsaal verließ. Seine Berater sahen ihm schweigend hinterher. Die Stille, welche sich über den Raum gesenkt hatte, schien beinahe bedrohlich und erdrückend zu sein. Doch dann sprach Isis plötzlich:

"Wir können kämpfen, aber wir können gegen eine ganze Armee keinen Krieg gewinnen."

"Wir haben nicht genug Priester, die mit der Macht vertraut sind.", ergänzte Marik.

"Seid unbesorgt", antwortete Tethys, "unsere Soldaten werden schon dafür sorgen, dass es niemals zu einer solchen Situation kommen wird."

"Ich glaube Ihr habt den Pharao missverstanden, Tethys.", sagte Isis.

Die schwarzhaarige Frau wandte sich an den Hauptmann und sah ihn aus ihren blauen Augen ernst an.

"Mit einem Gegner wie Ryou ist nicht zu spaßen. Er hat Macht. Dunkle Macht, die er aus seinem Milleniumsgegenstand bezieht. Eure Soldaten mögen gut sein und mit Monstern umgehen können, doch einer Macht wie der von Ryou standen sie noch nie gegenüber."

Tethys zwang sich zu einem Lächeln und gab zurück:

"Vielleicht seht Ihr das alles ein wenig zu dramatisch, Isis."

"Ich wünschte dem wäre so, ich wünschte es wirklich.", sagte Isis seufzend.

Dann wandte sie sich an Marik, der neben ihr stand und ebenso ernst aussah.

"Komm mit, Bruder, wir sollten in die Gewölbe gehen und beten."

"Ja, Schwester, das sieht mir jetzt auch nach der einzigen Lösung aus.", stimmte Marik ihr zu.

Die beiden verließen den Saal und Tethys blieb mit einem unguten Gefühl im Magen zurück. Ob sie die Wahrheit gesagt hatten und das Leben des Volkes wirklich auf dem Spiel stand? Es blieb abzuwarten.
 

Kommis, Kommis, bewerft mich damit!! (Muss ich mehr sagen?!)

Ein kleiner Marktbummel

Und schon geht es weiter. Bevor ihr das hier lest allerdings noch eine kleine Anmerkung. Die Sprache, in der Mari hier redet, habe ich mir selbst ausgedacht. Also, keine Panik, wenn ihr das nicht versteht. Ist schließlich selbstkreiertes Kauderwelsch. Trotzdem viel Vergnügen beim Lesen!!
 

Kapitel 7: Ein kleiner Marktbummel
 

Sapheri hatte von Ihrer Hoheit die Erlaubnis erhalten, mit Mari auf den Markt zu gehen und Kleidung für Mari zu kaufen. Dafür hatte Teana ihr extra noch ein wenig Geld mitgegeben. Nun gab Sapheri ihrer Freundin gerade einen Umhang, damit sie ihren Kopf bedecken konnte.

"Wir gehen immer verhüllt auf die Straße", erklärte Sapheri, "und versuchen uns unauffällig unter das Volk zu mischen. Die Leute sind nicht böse, aber zuweilen können sie lästig werden, wenn sie dich den ganzen Mittag über verfolgen."

Mari wickelte sich das lange Leinentuch um den Körper und raffte es vorne zusammen. Sapheri steckte sich das Geld in einen Beutel, den sie an ihren Rock band. Dann klemmte sie sich einen Weidenkorb unter den Arm.

"Bist du fertig? Können wir gehen?", fragte sie.

"Ja.", erwiderte Mari und folgte Sapheri hinaus auf den Flur.

Mari fühlte sich trotz allem ein wenig unwohl, als sie an den unbeweglichen Wachen vorbei schritten, welche zwischen den Säulen standen. Doch da sie jetzt ein Mitglied des Palastes war, würde sie sich daran gewöhnen müssen. Sapheri ging voraus und Mari folgten ihr durch die hohen Gänge. Als ihr Blick auf die mächtigen Säulen an den Seiten fiel, musste sie unwillkürlich daran denken, was wohl geschehen mochte, wenn diese einmal zum Einsturz gelangen würden. Rasch wischte sie diesen Gedanken fort und ging einen Schritt schneller. Sapheri war bereits am Ende des Gangs angekommen und trat nach draußen in das Sonnenlicht.

"Was für ein herrlicher Tag.", sagte sie und reckte kurz die Arme in die Höhe.

"Ja.", stimmte Mari ihr zu und legte eine Hand über die Augen.

Ihre Pupillen mussten sich erst an das gleißend weiße Licht gewöhnen, bevor sie die Hand wegnehmen konnte.

"Lass uns weitergehen! Ich kann es kaum mehr erwarten!", sagte Sapheri munter.

Mari musste unwillkürlich lächeln, als die Brünette die Stufen runter hüpfte.

"Man könnte meinen, dass du neue Kleidung bekommst."

Sapheri drehte sich zu der Blondine um, die die Stufen ein wenig langsamer hinab schritt.

"Nein, ich habe erst letzten Monat ein neues Kleid bekommen. Heute geht es nur um dich!"

Pfeifend drehte Sapheri sich wieder nach vorne und nahm zwei Stufen auf einmal. Mari musste über diese beinahe kindliche Freude lachen und folgte ihr. Unten angekommen gingen die beiden über den großen Innenhof direkt auf das Haupttor zu. An seinen Seiten standen jeweils zwei Wachmänner. Zwei traten aus dem Schatten hervor, um an einer Kurbel zu drehen, welche den großen Balken hoch hob, der das Tor versperrte.

"Wir werden zurück sein, bevor die Sonne untergeht.", wandte Sapheri sich an einen der Männer.

"Auf wen dürfen wir warten?", entgegnete er.

"Auf Sapheri, die Bedienstete Ihrer Hoheit."

Der Mann nickte und öffnete eine Tür, die in dem großen Tor eingelassen war.

"Ich wünsche Ihnen viel Spaß.", sagte er noch.

Mari und Sapheri nickten kurz, bevor sie durch die Holztür schritten, welche augenblicklich hinter ihnen geschlossen wurde. Sie hörten, dass der Balken wieder runtergelassen wurde.
 

"Ich wette mit dir, dass sie zum Markt gehen."

Tethys gesellte sich neben seinen Kameraden Jono. Die beiden standen genau schräg gegenüber vom Haupttor auf einer Plattform, die in der Mitte eine große Öffnung hatte. Durch diese konnte ins Innere des Gebäudes Heu und Stroh geworfen werden. Es war also eine Art Scheune. Breite Holzleitern führten an allen vier Seiten der Scheune auf das flache Steindach hinauf.

"Das glaube ich auch.", gab der junge Blonde zurück.

Sie sahen gerade, wie die beiden Frauen bei den Wachmännern standen und Sapheri mit einem von ihnen redete. Mari stand hinter ihr. Tethys blickte wie gebannt zu ihnen.

"Sie sieht umwerfend aus.", bemerkte er.

"Hm.", stimmte Jono ihm zu, wobei er gar nicht richtig hinhörte.

Sein Blick galt der zierlichen Gestalt unter dem langen Tuch. An einer Seite lugte eine blonde Haarsträhne unter ihrem Umhang hervor.

"Zu schade, dass sie dieses Tuch trägt. Sie hat so wunderbare braune Haare.", fuhr Tethys fort.

"Hm.", sagte Jono, stutzte dann jedoch.

Er drehte den Kopf zu Tethys und zog eine Augenbraue erstaunt hoch.

"Braun? Bist du blind, guter Freund? Mari hat blonde Haare."

Nun war es an Tethys, ein erstauntes Gesicht zu machen.

"Wer sagt denn, dass ich von Mari rede?", fragte er.

"Aber du... ich dachte.... TETHYS!"

Jonos Stimme hatte plötzlich einen warnenden Ton angenommen und Tethys hob sofort abwehrend die Hände.

"Schon gut, mein Freund. Es war nicht so gemeint."

"Wie oft muss ich es dir denn noch sagen, Tethys? Lass die Finger von meiner Schwester!"

"Und wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass du nicht an Mari denken sollst?"

Darauf wusste Jono nichts mehr zu sagen. Tethys grinste ihn daraufhin an.

"Ich mache dir einen Vorschlag", sagte er und legte kameradschaftlich seinen Arm um Jonos Schulter, "du lässt mich mit Sapheri ausgehen und ich helfe dir dafür mit Mari. Was hältst du davon?"

"Nicht sehr viel.", erwiderte Jono und machte sich von ihm los.

"Zu schade. Ich dachte, dass ich es endlich geschafft hätte, dich zu überreden.", seufzte Tethys.
 

Mari hielt sich die ganze Zeit dicht bei Sapheri. Die Straße war voller Menschen und Ständen. Von allen Seiten riefen die Leute durcheinander und priesen ihre Waren an. Oft genug kam es vor, dass Mari angesprochen wurde, ob sie nicht eine Kette oder einen Ring oder sonstiges kaufen wolle. Sapheri zog sie immer schnell weiter.

"Lass dich niemals auf diese Händler ein. Die feilschen und ziehen dir dabei das letzte Goldstück aus der Tasche."

"Es ist ziemlich lange her, dass ich auf einem Markt war.", gab Mari zu.

"Halte dich dicht bei mir.", erwiderte Sapheri.

Sie und Mari verließen nun die Straße, die am Palast vorbeiführte und wenn Mari glaubte, dass diese schon eng und voller Menschen gewesen war, so wurde sie nun eines Besseren belehrt. Vor ihnen erstreckte sich der eigentliche Marktplatz. Die Händler hatten ihre Stände kreuz und quer aufgebaut. Als Mari sich umsah, wurden ihre Augen immer größer. Anscheinend gab es hier nichts, was man nicht kaufen konnte. Direkt neben ihr stand ein wackeliger Tisch mit Käfigen, in denen sich Hühner, Gänse und anderes Federvieh drängte. Am Nachbartisch drängten sich die Leute um Gemüse, das von der Besitzerin angepriesen und lautstark verkauft wurde. Gegenüber schrie ein Händler, der selbst über und über mit Schmuck behängt war. Offensichtlich, um den Leuten zu zeigen, wie gut der Schmuck aussah. Mari wollte alles in sich aufnehmen und die Eindrücke verarbeiten, doch Sapheri zog sie weiter.

"Komm mit, Mari, das Geschäft ist noch ein Stück weiter.", sagte sie.

Mari folgte ihr ein wenig widerwillig. Zu gerne hätte sie sich in aller Ruhe umgesehen. Sie hatte schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr das machen dürfen, was sie wollte. Während sie sich hinter Sapheri durch die engen Gänge und Menschenmassen zwängte, ließ sie den Blick immer wieder über die Stände an den Seiten schweifen. Ein paar Kinder kamen lautstark schreiend an ihr vorbei und verfolgten sich gegenseitig mit Holzschwertern in den Händen. Ein kleines Mädchen lief laut rufend hinter ihnen her und drückte eine Stoffpuppe an sich. Doch plötzlich stolperte sie über einen kleinen Stein und fiel auf die Knie. Weinend blieb sie mitten in der Menge sitzen und presste die Stoffpuppe gegen ihre Brust. Mari hatte Mitleid mit ihr und kniete sich vor ihr hin.

"Magi, Magi.", jammerte das kleine Mädchen.

"Na pluris pa, Peti!", sagte Mari leise.

Sapheri war nicht entgangen, dass Mari plötzlich nicht mehr hinter ihr war. Also blieb sie stehen und sah sich um. Sie erblickte Mari auf dem Boden kniend, wie sie gerade einem fremden Mädchen sanft über den Kopf strich. Das Mädchen blickte aus großen Augen zu dem Gesicht auf, dass ihr unter dem Umhang freundlich entgegenblickte. Ihre Tränen versiegten und plötzlich hatte sie ein Lächeln auf dem Gesicht.

"As tus bless?", erkundigte sich Mari, doch die Kleine schüttelte den Kopf.

Dann stellte sie sich hin und schaute Mari an, die der Kleinen noch kurz über die Haare strich.

"Bene, vas derri tes copis!"

"Marci, Anglis!", sagte die Kleine plötzlich lächelnd.

Sie lief los und winkte Mari noch kurz zu. Dann war sie in der Menge verschwunden. Mari blickte ihr lächelnd hinterher, bevor sie aufstand und Sapheri bemerkte, die wenige Meter vor ihr stand.

"Verzeihung.", sagte sie und lief zu Sapheri.

Doch diese lächelte sie nur an und winkte ab.

"Das war sehr freundlich von dir, die Kleine zu... na ja, ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was du getan hast. Ich habe nämlich kein Wort verstanden.", gab Sapheri zu.

"Das wundert mich auch nicht.", erwiderte Mari.

Sapheri ging vor und Mari folgte ihr.

"Diese Sprache war mir vollkommen fremd.", sagte Sapheri über die Schulter nach hinten.

"Sie kommt auch nicht von hier.", erwiderte Mari knapp.

Sapheri fühlte, dass Mari nicht weiter darüber reden wollte, und fragte nicht weiter nach. Schweigsam wühlten sie sich durch die vielen Menschen, die ihnen entgegen kamen.

"Hier entlang.", sagte Sapheri plötzlich.

Sie verließen den belebten Marktplatz und bogen in eine der kleineren Seitenstraßen ein. Schon nach einem Fußmarsch von wenigen Metern blieb Sapheri stehen.

"Wir sind da.", sagte sie.

Mari blickte auf das steinerne Haus, das nicht anders aussah als die anderen auch. Es hatte eine Tür und das einzige Fenster war mit den alten Holzläden verschlossen.

"Hier hole ich immer meine Kleidung.", erklärte Sapheri.

Mari sah reichlich erstaunt aus. In diesem herunter gekommenen Haus ging eine Bedienstete des Palastes einkaufen? Sapheri bemerkte ihren verwirrten Blick und fügte hinzu:

"Es ist mehr, als es auf den ersten Blick aussieht."

"Das habe ich mir fast gedacht.", erwiderte Mari.

Sapheri trat vor und klopfte dreimal an die hölzerne Tür. Gleich darauf kamen Schritte näher.

"Wer ist da?", fragte eine hohe Stimme.

"Sapheri. Ihre Hoheit schickt mich.", antwortete die Brünette.

Augenblicklich ging die Tür auf und eine Frau mit gekräuselten schwarzen Haaren trat vor sie.

"Sapheri, meine Gute, was kann ich für dich tun?", fragte sie.

"Hallo Dana, ich habe eine Freundin dabei, die neue Kleider braucht."

Erst jetzt schien Dana die Frau zu bemerken, die neben Sapheri stand und ebenfalls einen Umhang trug.

"Aha, Kleider für deine Freundin. Nun, dann kommt herein. Nur herein!"

Die Schwarzhaarige trat zur Seite und die beiden jungen Frauen stiegen über die Schwelle. Sobald sie eingetreten waren, schloss sich die Tür hinter ihnen. Sie nahmen die Kapuzen ab und Mari blickte sich um.

Das Haus sah hier genauso alt aus wie von außen. Risse zogen sich durch das Mauerwerk, von denen einige offenbar schon mehrmals geflickt worden waren. Die Decke war niedrig und bestand aus dicken Holzbalken, die quer übereinander lagen. Der Raum wurde lediglich durch einige Kerzen erleuchtet, die gleichzeitig eine angenehme Wärme verbreiteten. Ein Tisch mit vier morschen Stühlen stand zu Maris rechter Seite.

"Kommt mit hinten durch!", sagte die Frau.

Sie ging vor und die beiden jungen Frauen folgten ihr. Als sie eine Tür öffnete, die im hinteren Teil des Raumes lag, staunte Mari abermals. Dieser Raum war vollkommen anders als der vorige. Er war nicht dunkel, sondern hell und freundlich. Die hintere Front war offen und ein leichter Lufthauch durchwehte das Zimmer. Was Mari allerdings erstaunen ließ, waren die ganzen Kleider und Gewänder, die auf Bügeln und Ständern quer im gesamten Raum hingen. Mit offenem Mund drehte Mari sich einmal um die eigene Achse.

"Ich sehe, dass es deiner Freundin gefällt.", bemerkte Dana lächelnd.

"Es ist wunderschön.", gab Mari verzückt zurück.

"Dann wollen wir doch mal zusehen, dass wir etwas Passendes für dich finden."

Dana wandte sich zu Sapheri um und fragte:

"Soll es etwas Bestimmtes sein?"

"Nein, ich lasse dir freie Hand, solange es nicht das Geld übersteigt, das Ihre Hoheit mir mitgegeben hat."

"Na gut, wie ist eigentlich dein Name, Kind?", erkundigte sich Dana.

"Mari.", erwiderte die junge Blondine.

"Na schön, Mari, dann komm mal mit. Wir werden dir etwas Schönes aussuchen."

Sapheri nickte ihrer Freundin zu und setzte sich auf einen Stuhl, der im Raum stand. Dana zog Mari hinter sich her zu einem Vorhang und schob ihn beiseite. Er gab den Blick auf eine große Nische frei, die in die Wand eingelassen war. Dana bugsierte Mari hinein mit den Worten:

"Hier kannst du dich umziehen, Schätzchen."

Mari war reichlich erstaunt, als Dana sie Schätzchen nannte, doch sie sagte nichts.

"Zieh mal den Umhang aus, Schätzchen, damit ich sehen kann, welche Größe du brauchst!"

Mari tat, was Dana ihr befohlen hatte und nahm das Stück Stoff vom Körper. Dana musterte sie und wandte sich dann um. Kurz grübelnd lief sie durch den Raum, bevor sie sich einige Gewänder schnappte und etliche andere aus diversen Ecken hervorzauberte. Voll beladen ging sie zurück zu Mari.

"Das müsste dir eigentlich passen. Es ist das Schmalste, was ich habe."

Mari war überrascht, als Dana ihr die ganzen Gewänder hinhielt. Zögerlich nahm sie Dana die Sachen aus der Hand. Dana kicherte kurz und sagte dann:

"Keine falsche Bescheidenheit, Schätzchen, zieh dich um!"

Mit diesen Worten zog sie den Vorhang wieder zu und ließ Mari allein in der Nische zurück. Mari stand erst mit den ganzen Kleidungsstücken im Arm da, bis sie aufzuwachen schien. Sie legte den Berg Stoff hinter sich auf einer kleinen Holzbank ab und begann sich auszuziehen. Ihr Blick ging an dem Verband herunter, den sie heute Abend wohl abnehmen musste, da er reichlich verrutscht war.

Dana ging unterdessen zu Sapheri und setzte sich neben sie.

"Wer ist diese Frau?", fragte sie leise.

"Sie ist erst seit gestern bei uns. Sie ist neue Bedienstete Ihrer Hoheit."

"Sie kommt mir ein wenig seltsam vor.", murmelte Dana und warf einen schnellen Blick Richtung Vorhang.

"Das erscheint dir nur so, glaub mir, Dana. Sie ist eigentlich sehr intelligent und nett."

"Und hübsch.", fügte Dana hinzu.

"Ja, das stimmt. Sie ist wirklich sehr hübsch. Ich beneide sie um ihre Locken.", seufzte Sapheri.

"Du wolltest schon immer blonde Haare haben.", erwiderte Dana lachend.

"Ja", sagte Sapheri und zog eine Haarsträhne durch die Finger, "aber die blonden Haare hat Jono bekommen."

"Apropos Jono, wie geht es deinem Bruder? Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen.", fiel Dana ein.

"Es geht ihm gut und ich glaube...."

An dieser Stelle senkte Sapheri verschwörerisch die Stimme und lehnte sich näher zu Dana.

"... ich glaube er hat Gefallen an Mari gefunden."

"Warum auch nicht? Dein Bruder ist nicht verheiratet und sie ist es anscheinend auch nicht, oder?"

"Jaaaa, schooon....", sagte Sapheri gedehnt.

"Würdest du es ihm nicht gönnen?", fragte Dana mit hochgezogenen Brauen.

"Doch, ich müsste mich dann nur mit dem Gedanken anfreunden, dass ich Jono mit einer anderen Frau teilen müsste.", erklärte Sapheri ein wenig verlegen.

"Ich habe zu Anfang auch gedacht, dass mein Sohn mich völlig allein lassen würde, wenn er verheiratet ist. Doch sieh mich jetzt an! Ich habe zwei wundervolle kleine Enkel und der dritte ist auf dem Weg."

Dana zwinkerte Sapheri zu, die sie freudig anblickte.

"Sie ist wirklich wieder schwanger?"

"Ja, die Götter meinen es gut mit uns. In einigen Wochen wird es soweit sein, schätze ich."

"Sapheri?", ertönte eine zögerliche Stimme hinter ihnen.

Die beiden Frauen wandten die Köpfe in die Richtung, aus welcher die Stimme erklungen war.

"Mari! Wie schön du aussiehst!", bemerkte Sapheri und sprang auf.

Die junge Blondine stand vor dem Vorhang und hatte leichtes, hellblaues Kleid an, welches die Schultern nicht bedeckte. An der Taille wurde es mit einer Kordel enger geschnürt, was Maris Hüfte gut zur Geltung brachte. Es hörte kurz über dem Boden auf und kleidete Mari ausgezeichnet. Dana nickte anerkennend.

"In der Tat, Schätzchen, du siehst umwerfend aus. Du könntest Ihrer Hoheit Konkurrenz machen!"

Daraufhin lief Mari ein wenig rot im Gesicht an und erwiderte:

"Ich danke Euch für dieses Kompliment."

"Dreh dich mal ein wenig, damit ich dich bewundern kann!", bat Sapheri.

Mari kreiselte auf der Stelle und blieb dann stehen. Sapheris Augen leuchteten, als sie Mari ansah.

"Es ist wirklich wunderbar. Schlicht, aber doch sehr wirkungsvoll.", mischte sich Dana ein.

"Na los, weiter", sagte Sapheri vergnügt, "du hast noch mehr anzuziehen!"

Eine ganze Weile später faltete Dana gerade das letzte Gewand zusammen und legte es in den Korb, den Sapheri die ganze Zeit mit sich getragen hatte.

"Was schulde ich dir, Dana?", fragte Sapheri.

"Zwei Goldstücke.", erwiderte Dana.

Sapheri kramte aus dem Beutel an ihrem Rock zwei Goldstücke hervor und reichte sie der Schwarzhaarigen.

"So, dann wünsche ich euch beiden viel Vergnügen. Kommt mich mal wieder besuchen!"

"Du willst doch nur, dass wir wieder etwas kaufen.", sagte Sapheri lachend.

"Das auch, aber ich habe gerne Gesellschaft. Du kennst mich doch! Außerdem bin ich immer froh darüber, wenn man mir sagt, was die neueste Mode ist, damit ich sie nachschneidern kann."

Dana überreichte Sapheri lächelnd den Korb mit der Kleidung. Dann begleitete sie die jungen Frauen, die sich mittlerweile wieder ihre Umhänge übergezogen hatten, zur Tür.

"Bis bald, Dana.", sagte Sapheri und nickte ihr zu.

"Danke für die Kleidung.", fügte Mari hinzu.

"Das ist mein Beruf, Schätzchen. Ich nähe und ihr kauft es. Bis dann."

Ein letztes Lächeln noch und dann hatte sich die alte Holztür wieder vor ihren Augen geschlossen. Sapheri schob den Korb unter ihren Umhang und sagte:

"Ich möchte nicht riskieren, dass etwas gestohlen wird."

Mari nickte ihr wohlweißlich zu und zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Die beiden Frauen kehrten von der Seitenstraße zurück auf den überfüllten Marktplatz, auf dem immer noch lautstark gehandelt wurde. Sapheri und Mari drängten gegen den Strom durch die Menge um wieder zu der Straße zu gelangen, welche am Palast vorbeiführte. Mari konnte nach einem Blick in den Himmel feststellen, dass der Sonnenuntergang nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Von den Seiten drangen ihr nicht nur die Schreie der Menschen in die Ohren, sondern auch die Laute der Kühe, Schweine, Hühner und anderen Tiere, welche sich dicht an dicht drängten. Mari versuchte sich taub zu stellen, da ihr der Lärm mittlerweile unerträglich vorkam. Sie hatte tagelang in der Stille der Wüste zugebracht. Das hier war der reinste Tod für ihre Ohren. Hastig ging sie weiter, als sie plötzlich hinter sich eine bekannte Stimme rufen hörte.

"Anglis? Anglis? Artes, Anglis!"

Mari wandte den Kopf zuerst nicht um, sondern lief weiter hinter Sapheri her.

"Anglis! Artes!", ertönte es wieder hinter ihr.

Mari wandte den Kopf und blickte sich suchend um. Da fiel ihr Blick auf ein kleines Kind, das sich durch die Menge drängelte und ihr freudig mit einer Stoffpuppe zuwinkte.

"Sapheri, warte kurz!", rief Mari.

Sapheri sah sich verwundert um und blieb stehen. Dann erblickte auch sie das kleine Mädchen, welches genau auf Mari zuhielt. Mari musste lächeln und kniete sich hin, als die Kleine genau vor ihr Halt machte.

"Anglis, ju volis tes don an cado!"

"An cado?", fragte Mari verblüfft.

"Si, off tes mans!"

Mari hielt ihr die Hand hin und die Kleine legte ein Band hinein, an dem ein lila Stein baumelte.

"Lil comme tes yas!"

Mari streichelte der Kleinen kurz sanft über die Wange und erwiderte:

"Marci, Peti!"

Die Kleine kicherte noch kurz auf. Dann drehte sie sich um und verschwand winkend in der Menge. Mari erhob sich wieder und sah der Kleinen kurz hinterher. Dann ging sie zu Sapheri, die sie neugierig erwartete und sofort wissen wollte, was das Mädchen Mari gegeben hatte. Als sie ihr den Stein zeigte, sagte Sapheri:

"Oh, wie schön. Er hat die gleiche Farbe wie deine Augen!"

"Das hat die Kleine auch gesagt.", erwiderte Mari und umschloss den Stein fest mit der Hand.

Die beiden Frauen zwängten sich weiter durch die unzähligen Menschen und atmeten erleichtert auf, als sie den Marktplatz hinter sich gelassen hatten. Die Palaststraße war zwar immer noch belebt, aber längst nicht so überfüllt wie der Platz. So dauerte es nicht lange, bis die jungen Frauen den Palast erreicht hatten. Sapheri klopfte an und rief dabei:

"Wir bitten um Einlass in den Palast. Hier ist die persönliche Bedienstete Ihrer Hoheit. Sapheri."

In der Tür wurde eine kleine Luke geöffnet und ein Paar dunkler Augen erschien. Dann wurde die Luke wieder geschlossen und gleich darauf ging die Tür auf. Sapheri und Mari traten ein und der Wachmann sagte:

"Ich hoffe Ihr hattet einen angenehmen Nachmittag."

Die Frauen gingen nickend an ihm vorbei Richtung Treppe. Sie hörten, wie die Tür knarrend hinter ihnen ins Schloss fiel und schlenderten über den Hof. Mari betrachtete lächelnd den Stein in ihrer Hand.

"Eines würde mich schon interessieren", sagte Sapheri plötzlich, "wie hat die Kleine dich noch gleich angeredet?"

"Sie hat Anglis gesagt.", antwortete Mari.

"Und was heißt das?", fragte Sapheri neugierig.

"Es bedeutet Engel in eurer Sprache.", klärte Mari sie auf.

"Sie hat dich einen Engel genannt? Sehr fantasievoll! Aber irgendwie hat sie Recht! Du bist irgendwie auch einer!"

Mari konnte daraufhin nicht anders, als zu lächeln und Sapheris Hand zu nehmen. Sie war eine wahre Freundin!
 

Wie war es? Bitte um Rückmeldungen!!!

Die neue Mari

Hallöle, vielen vielen Dank für die lieben Kommis. Es freut mich, dass euch das letzte Kapitel so gut gefallen hat und das kleine Mädchen auch. Ich kann euch allerdings gleich sagen, dass es NICHT Maris Tochter ist. Eigentlich hat sie mit der Geschichte nichts weiter mehr zu tun. Ich habe sie nur erfunden, weil ich die fremde Sprache ja irgendwie einbringen musste. Jetzt aber viel Spaß beim Lesen!!
 

Kapitel 8: Die neue Mari
 

"Was meinst du? Ob sie schon zurück sind?"

Jono warf seinem Kameraden einen strengen Blick zu, doch dieser erwiderte ganz lässig:

"Hey, ich frage in deinem Interesse, mein Freund!"

"Von wegen. Du willst doch bloß wieder hinter meiner Schwester herschleichen!"

Jono schnaubte leicht durch die Nase, als er dies sagte.

"Ich erinnere dich lieber nicht daran, wem du heute hinterher gestarrt hast.", sagte Tethys spitz.

"Das ist etwas anderes", wehrte Jono ab, "ich habe Mitleid mit ihr. Wenn ich mir vorstelle, dass Sapheri eine Sklavin gewesen wäre...."

Jono führte den Gedanken nicht zu Ende.

"Nenn es meinetwegen Mitleid", sagte Tethys schulterzuckend, "für mich ist es das gleiche, wie wenn ich deiner Schwester hinterher sehe. Ich kann gar nicht anders. Meine Blicke werden einfach magisch angezogen von ihrem..."

"Sag es mir lieber nicht!", unterbrach Jono ihn.

Es war ihm irgendwie unangenehm, dass Tethys so freizügig darüber redete. Immerhin ging es hier um Sapheri!

"... ihrem wundervollen Aussehen!", beendete Tethys den Satz grinsend.

Jono atmete erleichtert auf. Er hatte schon befürchtet, er müsse seinem Kameraden klar machen, dass er so nicht über seine Schwester reden konnte. Doch dieser hatte sich geschickt aus der Affäre gezogen.

"Was hast du gedacht, mein Freund? Dass ich dir jetzt in allen Einzelheiten erzähle, was ich an ihr mag?"

"Bei dir kann man ja nie wissen.", brummte Jono.

Sie standen beide immer noch auf dem flachen Dach der Scheune. Bei Sonnenuntergang würde die Wachablösung kommen und bis dahin dauerte es nicht mehr lange.

"Beim mächtigen Ra, wenn man gerade von ihr spricht."

Tethys' Blick hatte sich starr auf den Haupteingang gerichtet, durch den gerade zwei zierliche Gestalten schritten.

"Da sind sie ja.", bemerkte er.

Jono, der augenblicklich neben ihn trat, musterte die Frauen schnell. Kein Zweifel! Es waren Mari und Sapheri.

"Bitte nimm die Kapuze ab und zeig mir deine wunderschönen Haare!", hörte Jono Tethys murmeln.

Er wollte gerade etwas darauf sagen, doch dann sah er Maris bezauberndes Lächeln und hatte es vergessen. Sie hatte die ganze Zeit auf etwas in ihrer ausgestreckten Handfläche geblickt. Jono konnte nicht genau sagen, was es war. Vielleicht Geld? Oder etwas Essbares? Doch dann glitzerte es unvermutet im Sonnenlicht und Jono konnte mit Sicherheit sagen, dass es sich um einen Stein handelte, der das Licht reflektierte. Gleich darauf sah er, wie Mari die Hand seiner Schwester ergriff und sich mit ihr an den Aufstieg der Treppen machte.

"Zu schade, dass sie die Umhänge angelassen haben.", sagte Tethys.

"Wirklich bedauerlich.", stimmte Jono ihm zu.

Tethys spähte nach unten an den Fuß des Gebäudes und bemerkte:

"Ah, sieh mal, Jono. Da kommt endlich unsere Ablösung!"

"Vorzüglich! Ich kann auch keine Sekunde mehr länger stehen!", antwortete Jono.

Die beiden Männer begannen eine der breiten Holzleitern runterzuklettern. Unten angekommen verneigten sich die anderen Wachmänner kurz vor ihnen und begannen mit dem Aufstieg auf das Gebäude.

"Und was machen wir jetzt?", fragte Tethys, als er sich wohlig streckte.

"Ich kann mir schon denken, was du jetzt machen willst", antwortete Jono grinsend, "doch, mein Freund, ich sage dir, dass du diesen Gedanken gleich verwerfen kannst!"

"Sei nicht so hartherzig, Jono! Nur für kurze Zeit!"

"Nein, wir gehen jetzt auf unser Zimmer! Ich könnte jetzt ein Bad vertragen.", sagte Jono.

"Wenn du ein Bad brauchst, wieso muss ich dann ebenfalls auf unser Zimmer gehen?"

Tethys schien leicht irritiert zu sein.

"Ganz einfach, so habe ich dich am besten im Blick.", erwiderte Jono.

"Du bist schlimmer als eine Horde Aasgeier, wenn es um deine Schwester geht.", bemerkte Tethys verärgert.

"Du erwartest doch nicht etwa, dass ich Sapheri einfach so irgendwelchen Männern überlasse, oder?"

"Nicht mal deinem besten Kameraden?", fragte Tethys.

"Dem erst recht nicht!", antwortete Jono.

"Du bist grausam. Ob Freund oder Feind, du kennst keinen Unterschied."

Tethys ließ den Kopf sinken, doch Jono klopfte ihm auf den Rücken.

"Mach dir nichts draus, mein Freund", sagte er, "es gibt noch viele andere junge Frauen, die dich sicherlich gerne nehmen würden!"

"Ich will aber keine andere junge Frau!", gab Tethys leicht gereizt zurück.

"Das ist natürlich ein Problem.", sagte Jono und legte die Hand grübelnd an sein Kinn.

Tethys neben ihm verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

"Nun ja, mein Freund, es gibt wohl keine andere Möglichkeit für dich, als Sapheri bis zum Ende deines Lebens hinterher zu starren.", meinte Jono spöttisch.

"Das könnte dir so passen. Eines Tages, wenn du nicht dabei bist, werde ich mit ihr durchbrennen. darauf kannst du dich verlassen!"

"Wenn dem so sein sollte, dann kannst du dich darauf verlassen, dass ich dir bis ans Ende der Welt folgen würde, um dir einen Tritt in den Hintern zu geben!"

"Dann überlege ich es mir doch noch mal.", erwiderte Tethys grinsend.
 

"Beim Essen heute Abend musst du das hier unbedingt tragen!", sagte Sapheri.

Mit diesen Worten hielt sie Mari das hellblaue Kleid vor den Körper, welches sie bei Dana zuerst anprobiert hatte.

"Wenn du meinst.", erwiderte Mari.

Sie nahm Sapheri den Stoff aus der Hand und ging zum Bett. Dort zog sie ihr sandfarbenes Gewand aus, so dass sie nur noch mit ihrer Unterhose und dem Verband dastand.

"Ich sehe gerade, dass ich dir den Verband neu wickeln muss.", bemerkte Sapheri.

Mari sah an sich herunter und erwiderte:

"Ich wollte dich auch selbst darauf ansprechen."

Sapheri stellte sich hinter ihre Freundin und löste den Knoten an ihrem Rücken. Mari winkelte die Arme ab, damit Sapheri den Verband problemlos rundherum aufwickeln konnte. Anschließend bedeckte Mari ihren Oberkörper mit den Handflächen, während Sapheri zum Tisch ging, um die Flasche mit der rötlichen Medizin zu holen. Als sie die Striemen an Maris Rücken damit einrieb, sagte sie:

"Es sieht schon besser aus. In einer Woche wird man kaum noch etwas davon sehen, schätze ich."

Mari nickte nur und hielt weiterhin ganz still. Als Sapheri die Striemen mit einem Tuch bedeckt hatte und dabei war, den Verband um Maris Körper zu wickeln, schenkte sie ihr plötzlich ein Lächeln.

"Ich danke dir, dass du so nett zu mir bist, Sapheri."

"Das mache ich doch gerne, Mari. Es ist schon lange her, dass ich eine beste Freundin hatte."

"Inwiefern?", wollte Mari wissen.

"Na ja, weißt du. Jono ist wirklich ein toller Bruder und ich bin mehr als froh, ihn um mich haben zu können, aber manchmal habe ich mir doch eine beste Freundin gewünscht. Das ist etwas anderes, als einen Bruder zu haben. Es gibt Dinge, die ich meinem Bruder niemals erzählen würde, weil er sie nicht versteht."

"Ich weiß, was du meinst.", stimmte Mari ihr zu.

Sapheri verknotete den Verband in Maris Rücken.

"Hast du auch Geschwister?", fragte sie neugierig.

"Ja, ich hatte welche.", erwiderte Mari knapp.

Sapheri erkannte am Ton ihrer Stimme, dass sie nicht weiter darüber reden wollte. Fast schien es, als habe sie schon viel zu viel von sich preisgegeben.

"Welche Dinge denn?", fragte Mari, als sie sich umdrehte.

"Ich habe meinem Bruder nie erzählt, in wen ich verliebt war.", sagte Sapheri kichernd.

"Magst du es mir erzählen?", fragte Mari und trat zum Bett.

Mit leichten Bewegungen hatte sie sich das hellblaue Kleid über den Kopf gestreift. Sapheri half ihr, ihre Haare aus dem Ausschnitt zu ziehen und sprach dabei:

"Aber nur, wenn du mir schwörst, dass du es Jono nicht verrätst!"

"Warum sollte ich mit deinem Bruder darüber reden?", entgegnete Mari überrascht.

"Nun ja, es hat den Anschein, dass... ach, nicht weiter wichtig. Nun kommen wir mal wieder zum Thema zurück. Es gibt einen Jungen, besser gesagt einen Mann, den ich sehr gerne mag. Er ist wirklich sehr nett und höflich."

"Hast du ihm das gesagt?"

"Nein! Natürlich nicht!", entgegnete Sapheri hastig.

"Hat er sich um dich bemüht?", fragte Mari, während sie ein paar Falten glatt strich.

"Na ja, er schenkt mir hin und wieder etwas, allerdings weiß Jono nichts davon."

"Lass mich raten: Jono kennt diesen geheimnisvollen Verehrer und wenn er wüsste, dass du dich mit ihm triffst, würde er diesem Typen das Leben schwer machen wollen. Ist es so?"

Sapheri nickte und nahm die Bürste zur Hand.

"Ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll, Mari. Ich will meinem Bruder ja nicht wehtun, aber ich bin langsam alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen, meinst du nicht?"

Mari wog nachdenklich den Kopf hin und her, während Sapheri ihr mit der Bürste durch die langen Strähnen fuhr.

"Natürlich bist du das.", lenkte Mari ein.

"Aber?", fragte Sapheri.

"Ich glaube nicht, dass ich dir in dieser Angelegenheit große Ratschläge geben kann.", gab Mari zurück.

"Warum denn nicht?", fragte Sapheri.

Doch dann verstand die Brünette, was Mari meinte und senkte beschämt den Kopf.

"Verzeih mir, ich wollte dir jetzt nicht zu nahe treten.", sagte sie entschuldigend.

"Mach dir keine Sorgen. Ist der junge Mann heute Abend auch anwesend?"

"Natürlich, er kommt immer dann, wenn Jono kommt und..."

Im gleichen Moment hielt Sapheri sich die Hand vor den Mund und Mari grinste.

"Aha, dann weiß ich jetzt auch, von welchem Verehrer du redest.", sagte sie wohlweißlich.

"Ups, jetzt habe ich mich wirklich verraten, nicht wahr?"

Verlegen lächelnd sah sie Mari an, doch diese winkte ab und erwiderte:

"Ach was, Tethys ist wirklich... nett. Und er sieht gut aus. Sieh zu, dass du ihn nicht verlierst!"

"Ich werde mich bemühen.", gab Sapheri zurück.

Sie holte wieder die Kette mit dem blauen Stein aus dem Kästchen, welches auf dem Tisch stand, und reichte sie an Mari weiter. Diese wollte zwar schon ablehnen, doch Sapheri sagte:

"Keine Widerworte! Die Kette passt hervorragend zu deinem neuen Kleid!"

Mari zuckte nur mit den Schultern und legte den gereichten Gegenstand um ihren Hals.

"Dann bitte ich dich, tu mir den Gefallen und binde mir die andere Kette um das Handgelenk!"

Sapheri brauchte nicht lange und schon baumelte das Geschenk des kleinen Mädchens an Maris rechtem Handgelenk. Diese betrachtete es mit einem Lächeln auf den Lippen und folgte Sapheri aus dem Zimmer.

"Wir müssen Ihre Hoheit noch abholen. Dann kannst du gleich unter Beweis stellen, welch gute Bedienstete du bist!", verkündete Sapheri fröhlich.

Mari schritt hinter ihr her, obwohl sie auch ebenso gut hätte vorausgehen können, denn sie hatte sich den Weg zu den königlichen Gemächern genau eingeprägt. Die Wachen standen auch jetzt vor der Tür, als sie eintrafen.

"Wir wollen Ihre Hoheit zum Abendmahl abholen.", erklärte Sapheri mit einer Verbeugung.

Die Wachmänner verneigten sich ebenfalls und stießen dann die Türflügel auf. Sapheri und Mari betraten den Raum und sahen sich um. Teana stand am Fenster und sah in den dämmrigen Himmel hinauf.

"Tretet ruhig näher!", drang ihre warme Stimme durch den Raum.

Sapheri und Mari kamen auf sie zu und knieten sich kurz vor ihr auf den Boden. Teana wandte den Blick von draußen ab und ließ ihn über die beiden Frauen schweifen, die am Boden knieten.

"Steht auf, ihr beiden.", sagte sie.

Sapheri und Mari erhoben sich und blickten Teana abwartend an.

"Mari, meine Liebe, wie verändert du aussiehst! Dieses Kleid steht dir wirklich sehr gut!"

"Ich danke Euch, Eure Hoheit.", gab Mari zurück.

"Eine wirklich gute Wahl. Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr bei Dana etwas Passendes gefunden habt?"

"Ja, Euer Hoheit. Drei Kleider, einen Umhang, zwei Oberteile und sogar eine Hose."

"Eine Hose?", fragte Teana verwundert und Mari antwortete ihr:

"Ich trage sie, wenn ich schlafe."

"Mir würde es auch nichts ausmachen, wenn du sie in der Öffentlichkeit trägst. Allerdings sollte man nicht vergessen, zu welchen Anlässen ein Kleid schicklicher ist."

"Bestimmt nicht, Euer Hoheit.", gab Mari zurück.

"Nun denn, mein Gemahl hat sich vor wenigen Minuten auf den Weg gemacht. Wir wollen ihn nicht so lange warten lassen."

Teana ging zu ihrem Bett, auf dem bereits das Gewand lag, das sie tragen wollte. Sapheri half ihr aus dem Kleid, das sie den ganzen Mittag über getragen hatte, als sie sich zur Ruhe gelegt hatte. Mari stand daneben und hielt das Abendgewand fest. Schließlich legten sie Teana das Gewand gemeinsam mit Sapheri an. Das alles nahm nicht viel Zeit in Anspruch. Mari kämmte Teana schließlich noch die Haare.

"Ich bin erfreut zu sehen, dass du deine Aufgabe angenommen hast, Mari.", sagte Teana plötzlich.

"Es war sehr großzügig von Eurem Gemahl, mir diese Arbeit zu geben.", erwiderte Mari.

"Niemand sollte nach seiner Herkunft beurteilt werden", gab Teana zurück und lächelte Mari an, "sondern nach dem, was er in der Lage ist zu leisten."

Mari nickte nur gedankenverloren, während sie weiter mit der Bürste durch die braunen Haare fuhr.

"Wie geht es dem Baby, Euer Hoheit?", erkundigte sich Sapheri.

"Es bewegt sich bereits und tritt mich ab und an.", gab Teana zurück.

Sie legte die rechte Hand lächelnd auf ihren Bauch. Mit leiserer Stimme fuhr sie fort:

"Es ist ein ungewohntes aber keineswegs unangenehmes Gefühl. Für mich ist es ein Wunder. Und für Ägypten wird es ebenfalls ein Wunder sein."

"Irgendwann werde ich auch wissen, wie sich das anfühlt.", sagte Sapheri.

"Dessen bin ich mir gewiss, Sapheri", sagte Teana, "doch entscheide weise, wem du dein Leben und deine Liebe schenken wirst!"

"Wie habt Ihr damals gewusst, dass es für Euch die richtige Entscheidung war?", wollte Sapheri wissen.

Mari setzte die Bürste ab und lauschte gespannt auf die Worte der schwangeren Frau.

"Das weiß man nicht, Sapheri, so etwas fühlt man tief in seinem Herzen. Wenn du den richtigen Mann getroffen hast, ist es wie ein Vorhang, der sich vor deinen Augen hebt. Er öffnet dir die Tür zu einer Welt, die du bisher nie wahrgenommen hast, denn es ist eine Welt, die man nur zu zweit betreten kann."

Lächelnd fuhr sie über ihren Bauch und fragte dann:

"Möchtet ihr es mal fühlen?"

Sapheri nickte und legte zaghaft eine Hand an Teanas Bauch. Bald schon machte sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht breit und sie flüsterte:

"Ich habe es gefühlt. Es hat getreten!"

"Was ist mit dir, Mari?", fragte Teana und drehte den Kopf zur Seite, so dass sie Mari sehen konnte.

Doch die Blondine schüttelte den Kopf und gab zurück:

"Ich danke Euch für das Angebot, Euer Hoheit, doch ich bin erst seit zwei Tagen hier. Mich ehrt es, dass Ihr Euch so für mich eingesetzt habt und ich bin sehr erfreut, dass Ihr mir so viel Vertrauen entgegen bringt, doch ich kann es nicht annehmen. Seht Ihr, das ist alles ein wenig viel für mich und ich bin..."

".... verwirrt?", beendete Teana lächelnd den Satz.

Mari nickte und Teana wandte den Kopf wieder nach vorne.

"Das kann ich sehr gut verstehen. Es braucht seine Zeit, um sich in einer fremden Stadt einzuleben. Vielleicht sogar in einer fremden Welt. Wenn etwas sein sollte, so kannst du dich jederzeit an mich oder meinen Gemahl wenden. Du weiß ja, wo du uns finden kannst."

"Ich danke Euch, Euer Hoheit.", sagte Mari und bemühte sich, ihre Stimme ruhig zu halten.

Auf einmal waren alle so nett zu ihr. Das war eine vollkommen neue Situation für Mari, die es gewohnt war, dass man ihr mit Missachtung, Ignoranz und Arroganz begegnete.

"Und jetzt sollten wir zum Essen gehen.", bestimmte Teana.

Sie war mittlerweile fertig angekleidet und ihre Dienerinnen folgten ihr, als sie den Raum durchquerte. Die Wachen vor der Tür verneigten sich, als Teana auf den Gang trat und murmelten eine Begrüßung. Teana schenkte ihnen ein Lächeln, bevor sie Sapheri und Mari hinter sich herwinkte. Gemeinsam gingen sie zum großen Saal, in dem das Abendmahl eingenommen werden sollte. Als Teana eintrat, erstarben die Gespräche an den Tischen und alle verneigten sich vor ihr.

"Ich begrüße euch und nun fahrt fort mit euren Unterhaltungen!", sagte sie laut und deutlich.

Beinahe im gleichen Augenblick erklang das vielstimmige Gemurmel wieder, das sich wie ein aufziehender Bienenschwarm anhörte. Die drei Frauen gingen an den langen Tischen entlang und erreichten schließlich den Herrschertisch, an dem bisher nur Atemu mit Isis und Marik saß.

"Meine Liebste", sagte er, als Teana auf ihn zukam, "wie geht es Euch?"

"Bestens, mein Gemahl. Ich habe großartige Hilfe bei allem, was ich tue."

Atemu stand lächelnd auf und rückte ihr den Stuhl zurecht. Langsam ließ Teana sich auf das Kissen gleiten, welches seit kurzem ihren Sessel zierte. Als sie sich gesetzt hatte, keuchte sie ganz kurz auf, so dass Atemu sie besorgt ansah und sich zu ihr beugte.

"Und es ist wirklich alles bestens?", fragte er leise.

"Wenn ich es dir doch sage, Liebster.", entgegnete Teana mit einem Lächeln.

"Du siehst blass aus.", stellte Atemu fest und strich ihr sanft über die Wange.

"Ich schlafe nicht mehr so gut.", gab Teana zu.

"Vielleicht sollten wir einen Arzt kommen lassen.", überlegte Atemu, doch Teana sagte schnell:

"Das wird nicht nötig sein. Ich bin schließlich nicht krank!"

Doch Atemu sah aus, als dulde er keine Widerworte. Er blickte sie streng an, doch Teana lächelte nur.

"Mein Liebster, ich weiß es zu schätzen, dass du dir solche Gedanken um mich und das Baby machst."

"Ich bin dein Gemahl. Es ist doch normal, dass ich dich und das Baby bei guter Gesundheit wissen will."

Atemu saß mittlerweile wieder neben Teana in seinem Sessel und hatte sich über die Lehne gebeugt, so dass sie leise miteinander sprechen konnten.

"Ich versichere dir, dass es nicht nötig ist, einen Arzt zu... ah...ah..."

"Was ist?", fragte Atemu leicht panisch.

Es verwunderte ihn sehr, als Teana nun zu kichern begann. Gleich darauf ergriff sie seine linke Hand und legte sie auf ihren Bauch. Atemu fühlte plötzlich etwas und seine Miene erhellte sich.

"Es tritt? Es tritt! Ich fühle es an meiner Handfläche.", sagte er und es klang begeistert.

"Siehst du, das ist der Grund, warum ich nicht schlafen kann.", sagte Teana.

Atemu löste den Blick von seiner Hand, die auf Teanas Bauch lag und die Bewegungen des ungeborenen Kindes wahrnahmen. Er sah ihr ins Gesicht und setzte ein warmes Lächeln auf.

"Es ist wunderbar, Liebste, diese Bewegungen zu fühlen."

Er ließ die Hand zu ihrer Wange gleiten und berührte sie sanft. Mari und Sapheri, die sich zur Linken Ihrer Hoheit niedergelassen hatten, beobachteten diese stumme Geste der Zuneigung. Sapheri wandte den Kopf zu der Blondine um und wisperte:

"Sind die beiden nicht süß? Sie sind so liebevoll, wenn sie miteinander umgehen!"

Mari nickte nur und ein leicht wehmütiges Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht, das sie aber sofort wieder ablegte. Sapheri sah sie überrascht an und fragte:

"Warum weinst du denn, Mari?"

"Ich weine doch gar nicht.", entgegnete Mari, fühlte jedoch im selben Augenblick, etwas Kühles an ihrer Wange.

Sapheri rückte vor und strich ihr die Träne mit dem Daumen weg.

"Es tut mir Leid, Sapheri, aber ich gehe jetzt wieder auf unser Zimmer. Ich habe keinen Hunger und fühle mich nicht gut."

Mari stand auf und machte eine Verbeugung Richtung Atemu und Teana. Dann drehte sie sich um und verließ hastigen Schrittes den großen Saal.

"Was hat sie denn?", wollte Teana wissen.

"Sie sagte sie fühle sich nicht gut, Euer Hoheit.", erwiderte Sapheri.

Sie machte sich Sorgen um Mari, das konnte Teana an ihrem Gesicht ablesen.

"Sei unbesorgt, Sapheri", sagte sie lächelnd, "es bedarf einiger Zeit, bis man sich in einem neuen Leben zurecht gefunden hat. Du wirst sehen, in ein paar Tagen sieht die Welt ganz anders aus."

Sapheri nickte und starrte immer noch Richtung Ausgang, durch den Mari gerade fluchtartig gelaufen war.

"Und was ist, wenn...", begann sie leise.

"Wenn?", hakte Teana nach.

"... wenn sie gar nicht bleiben möchte?", beendete Sapheri den Satz.

"Wir können sie zu nichts zwingen, meine Liebe. Wir können ihr nur die Tür zu einem neuen Leben aufhalten. Durchgehen muss sie alleine."

"Ihr meint also, alles was wir tun können, ist ihr ein wenig Zeit zu geben?", fragte die Brünette.

"Genau. Die Zeit heilt viele Wunden. Und Freunde heilen die tiefsten Risse im Herzen."

Sapheri nickte Teana zu und war wieder einmal froh, im Palast leben zu dürfen. Teana war eine gute Herrscherin und sprach mit einer Weisheit, die eigentlich weit jenseits ihrer Jahre lag. Schon ein wenig beruhigt wandte Sapheri sich ihrem Tischnachbarn Marik zu und begann ein Gespräch mit ihm.
 

Mari war hastig an den Leuten vorbeigestolpert, die sich vor dem Eingang gedrängt hatten.

"He, habt Ihr keine Augen im Kopf?", fragte eine alte Frau ärgerlich, als Mari sie anrempelte.

"Verzeihung!", gab Mari zurück.

Sie quetschte sich an den anderen Menschen vorbei, durch eine enge Gasse und erreichte den Hauptkorridor. Die Wachen an den Seiten standen starr und folgten den jungen Frau, die an ihnen vorbeilief, nur mit den Blicken. Die Feuer zu beiden Seiten warfen tanzende Schatten auf den Steinboden. Maris Schritte, welche man vorhin nicht gehört hatte, da es zu laut gewesen war, hallten auf dem Boden. Mari fühlte, dass ihr immer neue Tränen in die Augen stiegen, doch sie konnte nicht erklären, warum dieser Schmerz sie ausgerechnet jetzt übermannte. Halb blind vor Tränen stolperte sie weiter und erreichte das Ende des Gangs. Erst dort hielt sie an und atmete tief ein. Die Stufen fielen steil vor ihr ab und sie wollte nicht riskieren, bis unten zu fallen. Aus diesem Grund begann sie den Abstieg im etwas langsameren Tempo, nahm dabei aber trotzdem noch zwei Stufen auf einmal. Schneller als sie vermutet hatte, war sie am Fuß der Treppe angelangt und hüpfte mit einem letzten Schritt auf den Steinboden. Sie wollte jetzt niemanden sehen. Am liebsten wäre sie durch das große Tor gelaufen, hätte dem Palast den Rücken gedreht und wäre nie wieder gekommen. Doch sie wusste ja nicht, wo sie überhaupt hingehen sollte. Diese Stadt war ihr fremd und die Leute ebenfalls. Außerdem wusste sie genau, dass sie es nicht tun konnte. Der Pharao und seine Gemahlin waren mehr als großzügig zu ihr gewesen. Sie hatten ihr neue Kleidung gekauft. Das letzte Mal war jemand so großzügig zu ihr gewesen, als...

"Na pesen pa at ce sitos.", murmelte sie vor sich hin.

Sie wollte diese Erinnerungen endgültig aus ihrem Kopf verbannen. Doch ihr war klar, dass dies nicht dadurch geschehen würde, wenn sie sich ein Pferd schnappte und einfach davon ritt. Sie atmete nochmals tief durch und sah sich dann im Innenhof um, der durch das Mondlicht erleuchtet wurde. An vielen Punkten brannten große Feuer in eisernen Schalen. Maris Blick schwenkte über die fremde Landschaft aus Steinen. Dann meinte sie, zu ihrer Linken ein vertrautes Geräusch zu hören.

"Chavel.", murmelte sie leise vor sich hin.

Sie setzte sich in Bewegung und hielt auf das Gebäude zu, welches schräg neben der Treppe lag. Je näher sie kam, desto lauter wurden die Geräusche. Sie ging an der Mauer entlang, bis sie den Eingang gefunden hatte. Vorsichtig und so lautlos wie möglich schob sie das Holztor einen Spalt auf und sah hinein. Sie hatte recht gehabt mit ihrer Vermutung. Dieses Gebäude diente als Stall. Sie sah sich um, ob sich jemand hier drinnen aufhielt und erst als sie sich sicher war, allein zu sein, schlüpfte sie durch die Tür. Auf leisen Sohlen tapste sie im Schein des Feuers, das an beiden Seiten brannte, durch den Gang. Über die verschiedenen Verschläge schoben sich nun neugierige Pferdeköpfe. Mari hielt vor einem schwarzen Pferd an und trat näher.

"Hallo, bist du nicht das Pferd, das mich hergebracht hat vor zwei Tagen?"

Das Pferd schnaubte kurz und streckte dann die Nase weiter vor. Augenscheinlich erwartete es, eine Belohung zu bekommen, doch Mari schüttelte nur den Kopf.

"Ich habe leider nichts dabei, aber ich verspreche dir, dass ich dir beim nächsten Mal etwas mitbringe."

Sie streichelte den schwarzen Kopf des Tieres und ließ die Augen über seinen Körper schweifen.

"Wer Seid Ihr und was tut Ihr da?"

Eine scharfe Stimme ließ Mari zusammenzucken und herumfahren.

"Tut mir nichts, ich habe nichts Unrechtes getan! Mi Dio adi me!"

Schützend legte Mari die Arme um ihren Körper und sah zu der Gestalt, die sich vom Eingang löste und zu ihr kam. Dann trat sie ins Licht und gleich darauf hörte Mari ein erstauntes:

"Mari? Was tust du denn hier?"

Mari wandte den Blick zu dem Wachmann um und sah plötzlich, dass es Jono war.

"Warum bist du nicht beim Abendmahl? Was tust du hier ganz alleine?", wollte er wissen.

"Ich hatte Lust auf einen Spaziergang, Herr.", erwiderte Mari, die sich wieder beruhigt hatte.

"Eigentlich solltest du zu so später Stunde nicht mehr alleine hier rumlaufen, Mari. Was wäre, wenn ein anderer Wachmann dich gefunden und für einen Dieb gehalten hätte?"

"Verzeiht mir, Herr!", murmelte Mari schuldbewusst.

"Komm mit, ich begleite dich zurück in den Palast. Ich sähe es nicht gerne, wenn du alleine hier herumläufst."

Mari nickte und streichelte das schwarze Pferd noch ein letztes Mal mit den Worten "As tobene.". Dann ging sie zu Jono, der geduldig auf sie wartete und verließ mit ihm gemeinsam den Stall. Sie gingen über den Hof und Mari warf hin und wieder einen Blick auf Jono, der mit ernstem Gesicht neben ihr ging.

"Verzeiht mir, Herr.", sagte sie leise.

Jono wandte ihr erstaunt den Kopf zu, doch als er Maris zerknirschten Ausdruck sah, musste er lächeln.

"Du hast nichts Böses angestellt, Mari. Es ist nur nicht üblich, dass eine Frau zu später Stunde alleine über den Hof streunt."

"Ich verstehe, Herr.", sagte Mari.

"Versteh mich nicht falsch. Es ist nicht verboten, aber es gibt doch einige Wachmänner, die ihre Pflicht nicht... nun ja, nicht ernst genug nehmen und gerne mal... eine Pause machen, um... nun ja, du kannst dir ja denken, was sie machen."

"Sie stellen Frauen hinterher.", antwortete Mari.

"Genauso ist es. Ich möchte vermeiden, dass dir so etwas passiert, Mari."

Die beiden waren mittlerweile an der Treppe angekommen und Mari ging etwas langsamer. Hatte Jono das gerade ernst gemeint? Wollte er sie wirklich beschützen? Oder wollte er sich nur ihr Vertrauen erschleichen?

"Stimmt etwas nicht?", fragte Jono und sah zu Mari, die stehen geblieben war.

"Nein, es ist alles in Ordnung, Herr.", erwiderte sie hastig und ging weiter.

"Sind es deine Füße?", fragte Jono.

"Wie meint Ihr das, Herr?", entgegnete Mari überrascht.

"Du hattest doch Probleme beim laufen. Soll ich dich wieder tragen? Oder schaffst du es alleine?"

"Es geht schon, Herr.", sagte Mari und fühlte sich ein wenig verlegen.

"Mir würde es nichts ausmachen. Wirklich! Du bist ja nicht schwer. Um genau zu sein, bist du die leichteste Frau, die ich je getragen habe."

Jono schenkte ihr ein Lächeln und Mari schüttelte den Kopf.

"Ich schaffe das wirklich alleine, Herr, aber trotzdem danke ich Euch für das Angebot."

"Kein Problem. Es gilt auch noch ein wenig länger."

Mittlerweile hatten sie das Ende der Treppe erreicht und durchschritten den Hauptkorridor. Jono wollte am Ende schon in Richtung des großen Saales gehen, doch Mari sagte:

"Ich wollte eigentlich auf Sapheris Zimmer."

"Oh ja, natürlich.", erwiderte Jono und wandte sich nach rechts.

Schweigend gingen die beiden weiter und Jono warf ab und zu einen Blick zur Seite. Mari war vielleicht einen halben Kopf kleiner als er. Ihre blonden Locken fielen sanft über ihren Rücken. Jono musste sich eingestehen, dass er schon wieder das Bedürfnis verspürte, sie durch seine Finger zu ziehen. Als er Maris kurzen Blick bemerkte, wandte er die Augen schnell wieder nach vorne. Mari faltete die Hände vor ihrem Körper und musste sich ein Lächeln verkneifen. Sie war es gewohnt, dass sie von Männern gemustert wurde, doch das hier war irgendwie anders. In Siwu waren die Leute anders gewesen. Respektlos und.... ja, lüstern. Mari schluckte kurz, als sie an die verlangenden Blicke der Männer dachte. Ein Blick, mit dem man auch ein Stück Vieh auf dem Markt musterte, welches man zu schlachten gedenkt. Unwillkürlich fuhr ihr ein Schauer über den Körper. Jono war es nicht entgangen und er fragte sich, was wohl der Grund dafür gewesen war.

< Ist es ihr unangenehm, dass ich sie angesehen habe? Ich weiß ja, dass es sich eigentlich auch nicht gehört.>

Jono räusperte sich kurz und erntete einen fragenden Blick von Mari.

"Ist alles in Ordnung, Herr?", fragte sie.

"Ja, alles bestens.", gab er zurück.

Verstohlen musterte er sie erneut. Sie war wirklich hübsch. Ihr schmales Gesicht wurde von ihren Haaren umrahmt wie ein Wasserfall. Das hellblaue Kleid, das sie trug, ließ ihre Schultern frei und gab so den Blick auf ihre weiche Haut frei. Außerdem betonte es sehr vorteilhaft ihren Oberkörper und ihre schmale Hüfte. Mari nahm seine Blicke aus den Augenwinkeln wahr und musste gestehen, dass es ihr keineswegs unangenehm war. Es war keiner von den Blicken, bei denen sie sich wie ein Stück Vieh auf dem Markt fühlte, das zum Verkauf angeboten war. Es war ein schüchterner, beinahe scheuer Blick, mit dem Jono sie heimlich musterte. Es war schon lange her, dass jemand sie so angesehen hatte. Mittlerweile standen sie vor Sapheris Gemach.

"Tja...", begann Jono.

Dabei trat er unbehaglich von einem Bein auf das andere.

"Ich danke Euch, dass Ihr mich begleitet habt.", sagte Mari.

"Das war doch selbstverständlich. Und wenn du das nächste Mal Lust auf einen Spaziergang hast, dann melde dich einfach bei mir oder Tethys oder Sapheri."

Mari nickte und Jono fügte mit einem Lächeln hinzu:

"Ich verspreche dir auch, die abgelegenen Ecken des Palastes auszulassen."

Daraufhin musste Mari kurz lachen und Jono fand, dass es sich sehr schön anhörte.

"Darf ich wieder in den Stall kommen?", fragte Mari.

"Natürlich darfst du das. Vielleicht kannst du mir ja auch etwas behilflich sein."

"Oh, gerne, Herr, das würde ich sehr gerne tun.", sagte Mari begeistert.

Doch gleich darauf verstummte sie wieder, als habe sie zu viel gesagt.

"Also dann, gute Nacht, Herr.", murmelte sie und drehte sich um.

"Ja, gute Nacht.", erwiderte Jono.

Als Mari die Tür öffnete und hinein gehen wollte, sagte Jono schnell:

"Mari!"

"Ja?"

Die Blondine drehte sich fragend wieder zurück.

"Die Kette, die du trägst..."

"Eure Schwester hat sie mir nur geliehen.", sagte Mari hastig.

"Ich weiß", sagte Jono lächelnd, "ich wollte dir auch nur sagen, dass sie dir ausgezeichnet steht. Sie bringt deine Augen noch besser zur Geltung."

Mari war im ersten Moment verblüfft, doch dann verzog sich ihr Gesicht zu einem Lächeln.

"Vielen Dank, Herr. Ich fühle mich geschmeichelt.", antwortete sie.

"Das hatte ich auch gehofft.", sagte Jono.

Mari stand ein wenig unschlüssig in der Tür und wusste nicht, was sie jetzt tun sollte. Diese Situation war so vollkommen neu für sie. Plötzlich war da jemand, der sich um sie sorgte und sich um sie bemühte. Und damit meinte sie nicht nur Jono, sondern auch Sapheri und alle anderen, die freundlich zu ihr waren. Das war einfach zu viel für zwei Tage. Ihr ganzes Leben hatte sich vollkommen auf den Kopf gestellt und sie wusste einfach nicht, ob sie dieses große Geschenk einfach so annehmen durfte.

"Ist alles in Ordnung?", unterbrach Jono ihre Gedanken.

"Natürlich, Herr, ich bin ein wenig müde.", erklärte Mari.

"Dann solltest du dich schlafen legen.", schlug Jono vor.

"Das werde ich jetzt auch tun. Vielleicht könntet Ihr Eurer Schwester ausrichten, dass es mir wieder besser geht, sobald Ihr sie seht."

"Das werde ich tun, Mari. Gute Nacht."

Mari nickte und hörte plötzlich, wie Jono noch sagte:

"Du solltest öfter lächeln. Das steht dir unheimlich gut, Mari."

Dann nickte er ihr zu, drehte sich um und ging davon. Mari sah ihm durch den Türspalt hinterher. Hatte er das gerade ernst gemeint? Mari musste unwillkürlich lächeln und schloss die Tür. Er hatte es ernst gemeint! Und diese Tatsache führte dazu, dass sie nun ganz und gar nicht schlafen konnte!
 

War mal ein wenig länger. Aber ich denke, dass ihr jetzt übers Wochenende mal ein bisschen mehr Lesestoff ganz willkommen findet.

Bye, Hillary

Erste Begegnung

Hola! Da bin ich wieder. Alle Seto/Seth Fans aufgepasst... er wird in diesem Kapitel seinen ersten (und nicht den letzten) Auftritt haben. Also, viel Vergnügen beim Lesen.
 

Kapitel 9: Erste Begegnung
 

Vierzehn Tage und Nächte waren vergangen und Mari war von Sapheri in die Pflichten einer Bediensteten eingewiesen worden. Teana lobte sie, denn Mari lernte schnell. Innerhalb kürzester Zeit konnte sie handwerkliche Aufgaben ebenso schnell erfüllen wie Sapheri.

"Manchmal habe ich das Gefühl, als wenn nicht ich dir alles beigebracht hätte sondern anders herum.", pflegte Sapheri zusagen, wenn Mari wieder mal schneller gewesen war als sie.

"Unsinn, ich lerne einfach gerne von dir.", entgegnete Mari.

Die jungen Frauen standen gerade im Hinterhof und trugen Körbe mit Wäsche unter den Armen. Mari nahm ein Kleid und hängte es zum Trocknen über eine lange Leine, die zwischen zwei Schatten spendenden Bäumen gespannt war. Sapheri richtete sich auf und stemmte die Hände in die Hüfte.

"Du lernst gerne? Mittlerweile kannst du alles genauso gut wenn nicht sogar besser als ich!"

"Siehst du? Du bist eine gute Lehrerin!", erwiderte Mari.

"Oder du bist eine gute Schülerin!", sagte Sapheri.

Schweigend warf Mari ein weiteres Kleid über die Leine. Seit sie hier war, waren alle Leute freundlich zu ihr gewesen, doch sie brachte es trotzdem nicht fertig, ihnen Antworten auf die Fragen nach Maris Vergangenheit zu geben. Sie konnte einfach nicht über ihren Schatten springen.

"Mari!"

"Ja, Herr?", rief Mari zurück.

Jono stand ein paar Meter von den jungen Frauen entfernt und winkte ihnen.

"Magst du in den Stall kommen? Ich könnte ein wenig Hilfe gebrauchen.", erklärte der Blonde.

"Habt noch einen Moment Geduld, Herr, ich komme, sobald ich hier fertig bin.", erwiderte Mari.

"Gut, ich gehe vor. Du weißt ja, wo du mich findest."

Mari nickte dem Blonden zu. Mit einem Lächeln drehte Jono sich um und stapfte Richtung Stall. Sapheri, die gerade etwas auf die Leine gehangen hatte, ließ den Blick zwischen Mari und Jono hin- und her gleiten.

"Was ist denn?", fragte Mari.

"Es ist mir einfach unerklärlich.", gab Sapheri zurück.

Mari schüttelte ein Oberteil aus, so dass das Wasser heraus tropfte.

"Was ist unerklärlich?", wollte sie wissen.

"Du bist nun schon mehr als vierzehn Tage hier. Jono hat dich zu Anfang bis in den Palast getragen. Er hat dir schon mehrmals geholfen und du kümmerst dich um sein Pferd."

"Und?", fragte Mari, während sie das Oberteil über die Leine warf.

"Warum, beim mächtigen Ra, nennst du Jono immer noch "Herr"?"

"Warum sollte ich nicht?", stellte Mari die Gegenfrage.

"Jono ist mein Bruder und er duzt dich auch. Warum nennst du ihn nicht auch endlich beim Vornamen? Er hätte sicherlich nichts dagegen!"

"Ich bin so erzogen worden", entgegnete Mari, "dass man alle Menschen, die einen höheren Stand haben als man selber, mit Herr oder Gebieter anredet."

"Einen höheren Stand? Ich bitte dich, Mari, Jono ist ein Soldat und kein Priester. Es würde ihm sicherlich nichts ausmachen, wenn du ihn duzt."

Mari hatte ihren Korb mittlerweile leer und sagte:

"Ich gehe jetzt in den Stall, um deinem Bruder zu helfen."

Als sie gerade losgegangen war, hörte sie Sapheri sagen:

"Wie heißt das? Wem gehst du helfen?"

"Jono.", erklärte Mari mit einem kurzen Augenrollen.

"Gut, ich wollte nur sicher sein, dass du seinen Namen noch kennst."

"Wie könnte ich ihn vergessen? Nach allem, was er und auch du für mich getan habt?"

"Gut.", sagte Sapheri und drehte sich zu ihr um.

Sie zwinkerte Mari zu und meinte:

"Dann kannst du dich sicherlich mal bei ihm dafür revanchieren."

"Inwiefern?", wollte Mari verblüfft wissen.

"Nun ja, vielleicht kannst du mal mit meinem Bruder ausgehen!"

"Und warum, bei den Göttern, sollte ich das tun?", fragte Mari verlegen.

"Weil du ihn magst! Ich sehe es dir an. Du musst dich nicht verstellen!"

"Natürlich mag ich deinen Br... Jono. Was sollte denn daran so ungewöhnlich sein?"

Mari hoffte, sich so schnell wie möglich aus der Situation retten zu können.

"Du magst ihn sogar sehr. Ich habe dich beobachtet, Mari. In der letzten Zeit versuchst du ständig ihm aus dem Weg zu gehen, wenn wir uns beim Essen sehen. Aber du kannst mir nichts vormachen."

"Ach was.", winkte Mari ab und trat unbehaglich hin und her.

"Du brauchst es nicht zu leugnen. Ihm geht es doch ebenso. Ich habe die Blicke gesehen, die er dir zuwirft. Und glaub mir, ich kenne meinen Bruder. Auf diese Weise hat er noch nie zuvor ein Mädchen angesehen."

"Ich bezweifle auch, dass ihm bisher ein Mädchen begegnet ist, dass so seltsam ist wie ich es bin!"

"Oder so hübsch!"

Mari fühlte sofort, wie ihr eine leichte Röte ins Gesicht stieg und sie verzweifelt nach einer Antwort suchte.

"Nun geh schon. Seinen Liebsten sollte man nicht warten lassen!"

"SAPHERI!", sagte Mari mit einem bedrohlichen Unterton, doch diese erwiderte nur lachend:

"Na los! Geh schon und kümmere dich um die Tiere!"

Mari schüttelte Augen rollend den Kopf und wandte sich zum Stall um. Sapheri sah ihr hinterher, wie sie schnellen Schrittes in Richtung des großen Gebäudes ging.

"Und du magst ihn doch!", murmelte sie lächelnd, bevor sie weitere Kleidungsstücke aufhängte.
 

"Ihr habt nach mir gerufen, Herr?", fragte Mari.

Langsam ging sie durch den Stall. Jono stand neben einem Schimmel, der an seinem Verschlag angebunden war. Als er Maris Stimme hörte, richtete Jono sich auf.

"Ja, gut, dass du gekommen bist, Mari."

"Gibt es ein Problem, Herr?", fragte die Blondine.

"Das gibt es in der Tat. Es geht um dieses Pferd hier."

Jono klopfte dem Schimmel den Hals und das Pferd schnaubte leise.

"Er lahmt, aber ich habe keine Verletzung an seinem Bein finden können."

Mari trat auf den Schimmel zu und legte eine Hand auf sein Maul. Dieser prustete ihr gegen die Handfläche und Mari blickte in die dunklen vertrauensvollen Augen des Tieres.

"As tus bless?", fragte sie leise.

Jono stand daneben und sagte nichts. In letzter Zeit hatte er oft gehört, wie Mari mit den Tieren in einer ihm unbekannten Sprache redete. Doch er hatte sie nie darauf angesprochen.

"Dit me c'ai pasi!"

Der Schimmel schüttelte seine lange Mähne und Mari fuhr mit den Händen sanft über seinen Hals.

"Er lahmt auf dem linken Vorderbein.", erzählte Jono leise.

Er wollte nicht zu laut sprechen, weil er sonst das Gefühl hatte, sie in ihrer Kommunikation mit den Tieren zu stören. Also hielt er sich lieber im Hintergrund. Er sah zu, wie Mari mit ihren schmalen, zarten Händen über die Seite des Schimmels fuhr. In immer kleiner werdenden Kreisen näherte sie sich seiner Schulter. Jono sah, wie der Schimmel leicht die Augen schloss, um sich die Berührungen gefallen zu lassen. Mari ließ die Hände weiter nach unten gleiten und redete unablässig in der fremden Sprache mit dem Pferd. Dann drückte sie an einigen Stellen ein wenig fester in die Haut und beobachtete die Reaktion des Schimmels. Als sie schließlich an einer

Stelle kurz unterhalb des Gelenks angekommen war, zuckten die Muskeln des Schimmels plötzlich zusammen. Er spielte kurz mit den Ohren nach hinten und schnaubte.

"Bene, ju sasi ce tus as!", bemerkte Mari.

Danach drehte sie sich zu Jono um und sagte:

"Es ist das Gelenk. Ich vermute, dass er es sich verstaucht hat. Vielleicht hat er zu schwer getragen."

"Er wurde kürzlich eingesetzt, um eine Ladung aus der Stadt in den Palast zu ziehen.", sagte Jono.

Nachdenklich legte er den Kopf schief und beobachtete, wie Mari dem Schimmel den Hals tätschelte.

< Ein Pferd müsste man sein.>, schoss es ihm augenblicklich durch den Kopf, als er sah, wie sehr das Pferd die Berührungen von Maris zarten Händen genoss.

"Stimmt etwas nicht, Herr?", riss ihn Maris Stimme aus seinen Gedanken.

"Nein, nein, es ist alles in Ordnung.", wehrte Jono hastig gestikulierend ab.

"Wir sollten ihn schnell behandeln.", sagte Maris.

"Natürlich, allerdings gibt es da ein Problem. Die entsprechende Medizin ist leider leer. Wir müssten erst eine neue Flasche von der alten Frau auf dem Markt besorgen.", überlegte Jono.

"Das wird kein Problem sein", gab Mari zurück, "ich rede mit Sapheri und gehe eben auf den Markt."

"Eine gute Idee. Worauf warten wir noch?", fragte Jono.

"Wollt Ihr etwa mitkommen, Herr?", erwiderte Mari erstaunt.

Jono hielt augenblicklich inne. Nichts wäre ihm lieber gewesen, als mit Mari zum Markt zu gehen. Vielleicht hätte er dann endlich die Möglichkeit gefunden, ein ernstes Gespräch mit ihr zu führen. In letzter Zeit war sie ihm auffällig oft aus dem Weg gegangen. Doch ihm fiel ein, dass er ja gleich mit Tethys zu den Feldern vor der Stadt reiten musste, um dort nach dem Rechten zu sehen.

"Ich würde dich gerne begleiten, Mari, aber muss mit Tethys vor die Stadt reiten.", sagte Jono.

"Das ist kein Problem, Herr, den Weg finde ich auch noch alleine. Wirklich. Ihr müsst an Eure Pflichten denken!"

Mari klopfte dem Schimmel noch kurz den Hals und wisperte:

"Ju t'adi. Ju t'attort di mercucide. As tobene."

Dann wandte sie sich wieder Jono zu und verneigte kurz den Kopf vor ihm.

"Ich werde mich jetzt auf den Weg machen, Herr. Bis bald."

Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ leichten Schrittes den Stall. Jono sah ihr hinterher und als sie aus der Tür war, seufzte er tief auf. Er lehnte sich an den Schimmel und sagte:

"Ich werde noch mal verrückt."

Der Schimmel schnaubte und sah ihn mit schief gelegtem Kopf fragend an.

"Jetzt tu nicht so unschuldig, du Verräter!", mahnte Jono ihn.

Doch der Schimmel schüttelte nur den Kopf, so dass er Jono mit seiner langen Mähne durchs Gesicht wischte.

"Frauen.", schnaubte Jono leise, worauf der Schimmel nickte.

Der Blonde kratzte sich nachdenklich am Kopf und lehnte sich näher zu dem Pferd.

"Gib es zu! Du hast simuliert, damit sie dich streichelt! Ein Pferd müsste man sein!"

"Ja, vielleicht hättest du auch größere Chancen, wenn du dir einen Sattel umbindest!"

"Tethys! Was tust du hier?", fragte Jono vollkommen überrumpelt.

Tethys löste sich von der Hintertür und kam auf seinen Kameraden zu.

"Ich habe euch beobachtet und wenn du es ihr nicht bald sagst, mein Freund, dann tue ich es!"

"Was soll ich ihr sagen?", stellte Jono sich dumm.

"Du sollst ihr endlich sagen, dass du sie sehr magst.", half Tethys seinem Gedächtnis auf die Sprünge.

Jono schnaubte kurz durch die Nase, worauf Tethys lachen musste.

"Wunderbar! Jetzt klingst du wirklich wie ein Pferd! Versuch es doch mal mit Wiehern! Vielleicht findet sie das attraktiv!"

"TETHYS!", donnerte Jono und Tethys sah zu, dass er die Beine in die Hand nahm, um vor dem erzürnten Blonden zu flüchten.
 

"Ich werde nicht lange brauchen, Sapheri.", erklärte Mari.

Sie legte sich gerade den Umhang um den Körper und zog die Kapuze über den Kopf, so dass ihre blonde Lockenpracht davon verdeckt wurde.

"Willst du nicht doch jemanden mitnehmen? Wie wäre es mit Jono?", fragte Sapheri.

Mari versetzte der Brünetten einen strafenden Blick.

"Denk nicht einmal daran, Sapheri! Außerdem muss er mit Tethys einen Kontrollritt vor der Stadt machen."

Sie steckte einige Münzen in einen Beutel, den sie gut an ihrem Kleid befestigte. Dann klemmte sie sich den Henkel eines kleinen Weidenkorbs in die Armbeuge.

"Und du bist dir sicher, dass...", begann Sapheri, brach jedoch ab, als sie Maris Gesicht sah.

Sie hob die Hand und winkte ihr.

"Wir sehen uns dann später."

Mari nickte und verließ das Zimmer. Sie schritt durch die Gänge, welche im Sonnenlicht leicht golden glitzerten. Am Ende des Korridors angekommen trat sie nach draußen in das gleißende Sonnenlicht und machte sich an den Abstieg der Treppen. Unten überquerte sie mit schnellen Schritten den sauberen Innenhof und machte vor dem großen Tor Halt. Ein Wachmann trat vor und fragte:

"Was ist Euer Begehren?"

"Ich muss auf den Markt, um einen Botengang für Heerführer Jono zu erledigen."

"Wann dürfen wir mit Eurer Rückkehr rechnen?"

"Noch vor Sonnenuntergang. Wartet auf Mari.", erklärte die Blondine.

Der Wachmann nickte und öffnete die Tür, so dass Mari auf die Straße treten konnte. Mari sah kurz zurück und sah, wie das alte Holz wieder auf sie zukam. Dann war die Öffnung auch schon wieder geschlossen. Mari hörte deutlich, wie der Balken wieder vor die Tür gelegt wurde. Nun war sie auf sich allein gestellt. Zwar war sie seit dem Tag, als sie ihre eigenen Kleider erhalten hatte, noch mehrmals mit Sapheri auf dem Markt gewesen, doch jetzt war es das erste Mal, dass sie ganz alleine war. Doch Mari machte sich im Gegensatz zu Sapheri nicht solche Sorgen. Sie kannte sich in der Stadt aus und wusste genau, welche Wege sie zu nehmen hatte. Sie ging durch die volle Palaststraße und presste den Korb fest an ihren Körper. Sie mochte diese Menschenaufläufe nicht! So viele Leute auf einem Platz kamen ihr immer erdrückend vor. Und es erinnerte sie stark an ihre Zeit in Siwu und auch die Zeit davor. So schnell es ihr möglich war, ließ sie die Straße hinter sich und erreichte den Marktplatz. Ihre Hoffnung, dass es dort ein wenig leerer war, wurde jedoch enttäuscht. Im Gegenteil, denn es hatte den Anschein, als drängten sich an diesem Tage besonders Menschen auf einem Fleck. Mari ging zielstrebig einen Weg, der außerhalb an den Ständen vorbeiführte. Die alte Medizinfrau hatte ihren Tisch am anderen Ende des Marktes, wo meist nicht so viel Andrang war. Mari brauchte trotzdem eine gewisse Zeit, bis sie sich zu diesem Platz durchgeschlagen hatte. Froh, endlich das Schlimmste hinter sich gelassen zu haben, trat sie in den Schatten, in welchem die alte Dame ihren Stand aufgebaut hatte.

"Ah, jola Anglis!", ertönte plötzlich eine leicht krächzende Stimme.

"Bona jura, Magi, ju node di mercucide por an Chavel. It as an folle at its jabe."

"Ah, turli, ju pulis t'adi. Eh, pon it! It adis. It as di lavande, di menthe e di sauge."

"Qua cost?"

"Quize Piates."

Mari gab der alten Dame den gewünschten Betrag und nahm die Flasche mit der Flüssigkeit entgegen.

"Marci, Magi.", sagte sie.

"Bona jura, jola Anglis!", erwiderte die alte Frau mit einem Lächeln.

Dabei bewegten sich alle Falten in ihrem runzeligen Gesicht. Mari nickte ihr mit einem "As tobene." zu und machte sich dann auf den Rückweg. Das Fläschchen mit der Medizin steckte sie in den Weidenkorb, den sie ein wenig unter den Umhang schon. Sie zog sich die Kapuze ein wenig tiefer ins Gesicht und begann damit, sich durch den Strom der vielen Menschen zu wühlen. Den Korb presste sie eng an ihren Körper. Als sie nach einer halben Ewigkeit den Marktplatz hinter sich gelassen hatte und an der Hauptstraße ankam, atmete sie erleichtert auf. Sie lockerte den Griff ein wenig, mit dem sie den Korb gefasst hatte.

"Jola Fila! Jola!"

Mari ging weiter, ohne auf die Rufe zu achten. Doch gleich darauf fühlte sie eine Hand an ihrem Umhang.

"Jola Fila, tu volis promis vaci mi?"

Mari senkte den Kopf und ihr Blick streifte ein kleines braunes Gesicht eines Jungen, der nicht älter als 14 sein konnte. Er sah sie aus seinen dunklen Augen an.

"As tus nis a pe peti?", gab Mari mit einem Lächeln zurück.

Er lächelte und enthüllte eine Reihe weißer Zähne. Doch gleich darauf fühlte Mari etwas an ihrer anderen Seite. Als sie den Kopf blitzartig drehte, sah sie gerade noch eine kleine Gestalt davon flitzen. Und kurz darauf stürzte ihm auch der Junge hinterher, der sie angesprochen hatte. Mari bemerkte sofort, dass der Beutel an ihrem Rock fehlte. Sie lief ihnen nach und rief laut:

"Artes, vos peti larros! Artes!"
 

"Meister, meint Ihr nicht, dass es zurzeit zu gefährlich ist in Kairo?"

"Was wollt Ihr mir damit sagen, Rashid?"

Ein paar Geschäfte weiter trat aus einer kleinen Gasse gerade ein hoch gewachsener Mann hervor. Sein langer lila Umhang reichte beinahe bis auf den Boden. Seine dunkle Kleidung bildete einen scharfen Kontrast zu dem hellen Turban, den er trug. Über seiner Stirn ragte eine goldene Schlange unter dem Stoff hervor, die offensichtlich zu einer Kopfbedeckung gehörte, welche er durch den Turban verborgen hatte.

"Nun ja, Meister, der Palast ist in Aufruhr. Ihnen ist die drohende Gefahr durch die Rebellen nicht entgangen."

"Verlasst Euch darauf, Rashid, das sollte nicht unsere Sorge sein."

Der andere Mann trug ebenfalls einen Umhang, allerdings sah seine Kleidung längst nicht so gut aus, wie die des großen Mannes. Er fuhr sich immer wieder nervös mit einer Hand über die Stirn, um den Schweiß fortzuwischen, welcher sich gebildet hatte. Wachsam warf er einige Blicke umher.

"Ich halte es trotzdem für riskant, dass Ihr euch so nahe dem Pharao aufhaltet."

Der große Mann lachte kurz auf und klopfte dem anderen auf die Schulter, worauf dieser ihn verwundert ansah.

"Eines solltet Ihr nicht vergessen, Rashid. Ich bin ein Fremder in dieser Stadt. Niemand, nicht einmal der Pharao kennt mich. Eure Sorge ist vollkommen unbegründet."

"Mir ist trotz allem nicht wohl bei dem Gedanken, dass man uns jederzeit entdecken könnte.", murmelte der Schwarzhaarige mit Namen Rashid.

Der große Mann zog sich seinen Umhang zurecht und gab in kühlem Ton zurück:

"So, so, Ihr habt also Angst vor dem Pharao, Rashid?"

"Das mag Euch lächerlich erscheinen Meister, aber Ihr seid ein mächtiger Mann. Was kann ein einfacher Händler wie ich einer bin gegen eine solche Macht wie die des Pharao tun?"

"Mein guter Freund", erwiderte der Mann mit einem zynischen Lächeln, "jede Macht hat ihre Grenzen und besonders die des Pharao!"

Er drehte sich zur Straße um und trat aus dem Schatten des Gebäudes hervor.

"Ich werde nun unseren Freunden vor der Stadt einen Besuch abstatten. Ihr bleibt hier, Rashid, und wartet auf weitere Befehle."

"Ja, Meister.", erwiderte der Schwarzhaarige und trat in den Schatten der Gasse zurück.

Der Mann mit dem langen Umhang hatte sich gerade umgewandt, als er hektische Rufe hinter sich hörte.

"Artes! Vos larros! Adi! Adi!"

Als der Mann den Kopf drehte, sah er zwei kleine Jungen, die sich durch die Menge wuselten und gleich dahinter eine aufgeregt gestikulierende Frau.

"Diebe! Haltet sie!", rief sie laut.

Der große Mann überlegte nicht lange, sondern steckte die Hand an seinen Gürtel. Er zog einen zepterähnlichen Stab hervor und richtete ihn auf die Jungs, die nun kurz vor ihm waren. Als der Stab zu glühen begann, blieben die beiden Jungen plötzlich unbeweglich auf der Stelle stehen. Die junge Frau hastete heran und war überrascht, die Diebe auf einmal so starr und unbeweglich wie Salzsäulen auf der Stelle stehen zu sehen. Sie ging sofort auf den einen zu, der sie aus großen Augen ansah und noch gar nicht begreifen konnte, was gerade mit ihm passiert war. Die Frau öffnete seine linke Hand und entnahm ihr einen kleinen Beutel. Den großen Mann schien sie noch gar nicht richtig bemerkt zu haben, der nun seinen Stab sinken ließ. Sofort fiel die Starre von den beiden Jungs ab und sie blickten sich angstvoll um.

"Magis, it etas magis.", murmelte einer von ihnen verstört.

"So, vos larros! Vos etes mecant gamis! Ju volis an ecscuse! E proto!"

Der Schwall von Schimpfen, der nun auf die Jungen nieder hagelte, ließ sie beide einen Kopf kleiner werden, während die junge Frau immer mehr in Fahrt kam. Der Mann sah ihr amüsiert zu. Die Jungen blickten schuldbewusst zu Boden und dann murmelte einer von ihnen etwas. Daraufhin verstummte die Frau sofort und verzog ihr Gesicht zu einem Lächeln, soweit der junge Mann das beurteilen konnte. Er konnte ihr Gesicht nicht genau sehen, doch die Kapuze war ihr während des Laufens halbwegs vom Kopf gerutscht und enthüllte blonde lockige Haare. Die Frau öffnete den Beutel und griff hinein. Dann drückte sie jedem der Jungen eine Münze in der Hand. Diese blickten ganz verblüfft auf den Gegenstand in ihrer Hand, sahen dann erst einander und schließlich die blonde Frau an.

"Bene, vas at masi. E ne larris pa encere, gamis!"

Die Jungen machten große Augen, doch dann bildete sich ein Lächeln auf ihren schmutzigen Gesichtern und ihre weißen Zähne blitzten, als sie eifrig nickten.

"Marci, jola Fila!", sagte einer und der andere fügte strahlend hinzu:

"Tu es an Anglis, Jola!"

"Ju sasi. Vas! Vas! E etes getil!"

Die Jungs nickten noch einmal emsig, bevor sie sich umdrehten und freudig hüpfend davon machten. Die blonde Frau schnürte den Beutel wieder zu und behielt ihn diesmal in der Hand. Der hoch gewachsene Mann sah sie immer noch an und erst als sie jetzt den Kopf umwandte, fiel ihr Blick auf den Mann, der hinter ihr stand und sie beobachtete. Ihre Kapuze fiel auf ihre Schultern und entblößte ihre blonde Lockenpracht.

"Ich glaube ich muss mich bei Euch bedanken, werter Herr. Ihr seid es gewesen, der sie aufgehalten hat, nicht wahr?"

Der Mann starrte auf ihr Gesicht, als sie es ihm mit einem Lächeln zuwandte und erwiderte:

"Da habt Ihr Recht, meine Teure. Es freut mich zu sehen, dass ihr Euer Habe wieder in Euren Händen haltet."

"Oh ja, das freut mich auch. Ich danke Euch für Eure Hilfe. Wenn Ihr nicht gewesen wärt, hätte ich mich sicherlich ohne den Beutel auf den Weg zu....nach Hause machen dürfen."

Es verwunderte ihn doch, dass sie bei den letzten Worten gezögert hatte. Doch er dachte gar nicht näher darüber nach. Er war viel zu fasziniert von ihrem schönen Gesicht. Die blonden Locken fielen um ihre schmalen Wangen und ihre Augen leuchteten in einem strahlenden Violett.

"Wohin müsst Ihr denn?", wollte er wissen.

"Es ist nicht mehr weit. Nur noch die Straße runter.", entgegnete die blonde Frau.

"Kann ich Euch eventuell begleiten", hörte er sich fragen, "nur zur Sicherheit."

"Nun ja, ich weiß wirklich nicht, ob das nötig ist.", gab sie leicht unsicher zurück.

"Ich bitte Euch. Jetzt habt Ihr mich nun einmal an Eurer Seite. Ich würde heute Nacht nicht gut schlafen können, wenn ich Euch nicht wohl zu Hause angekommen wüsste."

"Wenn es Euch nichts ausmacht.", erwiderte sie.

Als wäre ihr plötzlich etwas eingefallen, zog sie die Kapuze wieder über den Kopf, so dass ihre Haare nicht mehr zu sehen waren.

"Ich muss nur eben noch mein Pferd holen.", sagte er.

Sie nickte und folgte ihm ein paar Meter weiter, wo er ein braunes Pferd von einer Stange losband. Dann setzten sie sich schon in Bewegung. Mari ging rechts und der große Mann zur linken Seite des Pferdes. So arbeiteten sie sich über die Hauptstraße und je näher sie dem Palast kamen, desto überfüllter wurde es.

"Diese ganzen Händler. Sie versuchen auch wirklich, jeden Plunder zu verkaufen."

Mari warf dem Mann einen Blick zu. Seine Kleidung wirkte edel, aber nicht übertrieben. Vielleicht war er auch ein Händler? Doch warum sollte er dann so abfällig über seinesgleichen reden? Nein, unmöglich, dass er ein Händler war. Vielleicht ein Gelehrter? Er machte einen gebildeten Eindruck, doch irgendetwas störte Mari an dem Bild, das er bot. Er war wie ein perfekter Nobelmann gekleidet, doch... sein Gesicht. Es war hart und die Züge waren steif. Seine Mundwinkel zeigten leicht nach unten. Ein Hinweis darauf, dass er wahrscheinlich nicht viel lachte. Überhaupt machte er den Eindruck, als ob er ein Mensch sei, der im Leben nicht viel Freude hatte.

< Ach was, ich sehe Gespenster!>, schalt Mari sich in Gedanken.

"Verzeiht mir, wenn ich unhöflich erscheine, doch darf ich Euch nach Eurem Namen fragen?"

Mari schreckte aus ihren Gedanken auf und begegnete seinen Augen. Sie waren himmelblau und irgendwie...

"Mein Name ist Mari.", erwiderte sie.

.... irgendwie kalt. Trotz des Lächelns, das er aufgesetzt hatte, wirkten sie kalt.

"Mari? Ein sehr schöner Name. Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals gehört zu haben."

Grübelnd ließ der Mann den Blick gen Himmel wandern.

"Zumindest nicht hier in Kairo."

"Ich wurde hier nicht geboren, wenn Ihr das meint. Aber wo wir gerade davon sprechen. Bin ich unverschämt, wenn ich Euch nach Eurem Namen frage?"

"Aber keineswegs", gab er lächelnd zurück, "ich bin Seth."

"Seth? Ein ebenfalls seltener Name. Ich habe ihn noch nie gehört. Zumindest nicht in Kairo."

Mari warf dem jungen Mann einen schnellen Seitenblick zu und registrierte, dass sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben gekräuselt hatten.

"Das ist dann wohl eine Retourkutsche.", bemerkte er.

"Habt Ihr erwartet, dass eine Frau nicht mit Worten umzugehen weiß?", fragte sie grinsend.

"Das habe ich nie behauptet.", erwiderte er.

Als er ihr den Blick zuwandte und ihr in die Augen sah, konnte sie dem nicht lange standhalten. Leicht beschämt wandte sie die Augen wieder nach vorne, denn ganz unbewusst hatte sie ihn gerade gemustert.

"Verzeiht mir, wenn ich gerade zu aufdringlich gewesen sein sollte.", sagte Seth plötzlich.

"Aber nein, keineswegs! Macht Euch keine Vorwürfe!", antwortete Mari schnell.

Daraufhin schenkte er ihr ein dankbares Lächeln. Mari dachte unwillkürlich daran, was er wohl unter seinem Turban tragen mochte. Ob er keine Haare mehr hatte? Gleich darauf verwischte sie diesen albernen Gedanken wieder. Er konnte nicht viel älter sein als sie! Natürlich hatte er noch Haare. Doch sofort drängte sich ihr die Frage auf, wieso er seinen Kopf verschleierte. Und was hatte es mit dieser goldenen Schlange an seiner Stirn auf sich?

"Wie lange müssen wir noch laufen?", meldete sich eine Stimme neben ihr.

Mari schreckte auf und sah sich um. Der Palast lag unmittelbar zu ihrer Rechten.

"Hier ist es.", entgegnete Mari und deutete auf das große Tor.

"Ihr arbeitet im Palast?", fragte Seth leicht erstaunt.

"Ja, noch nicht sehr lange. Ich danke Euch, dass Ihr mich begleitet habt, Herr."

"Seth.", korrigierte der Mann sie.

"Ich danke Euch... Seth. Außerdem wünsche ich Euch einen angenehmen Aufenthalt in Kairo."

"Das wünsche ich Euch ebenfalls, Mari. Vielleicht kreuzen sich unsere Wege ja noch einmal."

"Das ist möglich, Seth. Die Welt ist nicht sehr groß. Also dann."

Mari verneigte sich vor ihm und schenkte ihm noch ein letztes Lächeln, bevor sie sich umwandte. Mit leichten Schritten erreichte sie das Tor. Seth sah, wie sie anklopfte und nachdem der Wachmann sich davon überzeugt hatte, dass sie ein Mitglied des Palastes war, öffnete er die Tür. Mari ging hinein, ohne sich noch einmal umzublicken. Seth verfolgte nachdenklich, wie die Holztür sich wieder schloss und jeden weiteren Blick abhielt. Leichtfüßig federte Seth auf der Stelle und schwang sich dann auf den Rücken seines Pferdes. Er trieb das Tier vorwärts und suchte sich seinen Weg durch die vielen Leute. Als er die Hauptstraße hinter sich gelassen hatte und das Tier in einen Trab verfiel, waren seine Gedanken immer noch bei der blonden Frau. Eines wusste er mit Sicherheit. Er musste sie wieder sehen. Seth hielt es nicht für einen Zufall, dass ihre Wege sich ausgerechnet an diesem Ort und zu dieser Zeit gekreuzt hatten. Es war ein göttliches Zeichen, welches er nur noch richtig deuten musste. Mittlerweile war er am Stadtrand und spornte sein Pferd zu einem Galopp an. Im Moment hatte er Wichtigeres zu tun, doch sobald das erledigt war, würde er sich der blonden Schönheit widmen. Das war gewiss!
 

So, das war's mal wieder. Hoffe ihr konntet einigermaßen was von der selbst kreierten Sprache verstehen. Weiß auch nicht, ob ich Seth so wirklich getroffen habe, aber na ja. Bin halt eher so der Mari/Jono Fan. Also, gomen und seid nachsichtig mit mir. Ich kann dazu lernen! Ach ja, Kommis sind wie immer stark willkommen. Bis dann,

Hillary

Die Begegnung im Stall

Hab im Moment einen richtigen Schreibfluss. Verspreche auch, dass es in absehbarer Zeit noch ein wenig romantischer zugehen wird zwischen Mari und Jono. Freut mich, dass euch das Kapitel mit Seth zugesagt hat.
 

Kapitel 10: Die Begegnung im Stall
 

Die blonde Gestalt überquerte den Innenhof und hielt ohne Umschweife auf den Stall zu. Die Sonne stand nicht mehr so hoch am Himmel wie noch vor kurzer Zeit, sondern bereitete sich langsam darauf vor unterzugehen, um am nächsten Morgen wieder in einem gleißenden Licht zu erstrahlen.

"Achtung, passt auf das Feuer auf!"

Mari hob den Kopf und sah zum Dach der Scheune. Oben standen mehrere Personen, die gerade dabei waren, in den vier Schalen Feuer zu entfachen, welche an den vier Ecken des Daches platziert waren.

"Passt bloß auf, dass euch die Fackel nicht aus der Hand fällt!", brüllte einer.

Mari musste sich ein Lächeln verkneifen, denn dieser Mann erinnerte sie stark an Jono. Sapheris Bruder war auch so verantwortungsbewusst. Das hatte sie in den letzten Tagen bereits gemerkt. Doch der Mann dort oben auf dem Scheunendach hatte ansonsten nicht die geringste Ähnlichkeit mit Jono. Der Blonde war ein ganz besonderer Mann. Er war so....

< Ruhe! Ruhe! Daran darf ich nicht denken!>, schalt Mari sich in Gedanken.

Er war und blieb ein Mann. Doch vielleicht war ja gerade eben diese Tatsache das Problem. Mari hatte den Stall mittlerweile erreicht und schob die Holztür ein Stück auf. Schnell hatte sie sich an den Brettern vorbeigeschmiegt und stand im Inneren des Stalls. Eine angenehme Wärme, die von den Pferdeleibern ausging, schlug ihr entgegen. Mari atmete einmal ganz tief ein und aus, bevor sie wieder einen Fuß vor den anderen setzte. Sie sah sich kurz um und hatte schnell die Box des Schimmels ausfindig gemacht, dessen Bein verletzt war.

"Hey, ic ju si."

Als sie an seinen Verschlag trat, hob das Pferd den Kopf und blickte ihr entgegen. Mari nahm die Kapuze vom Kopf und lächelte den Schimmel an. Dieser erkannte sie offensichtlich sofort wieder und mit einem fröhlichen Schnauben trat er auf sie zu. Schnobernd senkte er die Nüstern in Maris ausgestreckte Handfläche.

"Ju t'apport di meducine."

Mari öffnete die Holtüre, welche mit einem leichten Knarren zur Seite schwang und trat mit ihren Sandalen in die Box. Der Schimmel ging ein wenig zurück und sah sie abwartend an. Mari stellte den Korb ab und entnahm ihm die Flasche mit der Medizin. Dann hielt sie das Fläschchen so, dass das Pferd es sehen konnte. Neugierig spitzte er die Ohren nach vorne und beobachtete, wie Mari den Korken entfernte.

"It var t'adi.", sagte sie leise, bevor sie auf die Knie ging.

Behutsam träufelte sie sich etwas von der sirupartigen roten Flüssigkeit auf die Handfläche. Dann stellte sie die Flasche ab und näherte sich dem Bein des Schimmels. Er stand vollkommen still und rührte sich auch dann nicht, als Mari sein Gelenk mit der Flüssigkeit einrieb. Minutenlang hockte sie im Stroh und massierte die Masse sanft in sein Fell ein. Der Schimmel hatte den Hals leicht gesenkt und die Augen geschlossen. Er konzentrierte sich auf Berührungen an seinem Bein, welche seine Schmerzen offensichtlich linderten.

"A sufi.", murmelte Mari schließlich.

Sie ließ von dem Schimmel ab und rückte ein Stück zurück. Mit dem Rücken lehnte sie sich an das Holz, welches den Verschlag des Schimmels von dem des nächsten Pferdes trennte. Erleichtert durch die Gewissheit, dass sie dem Tier geholfen hatte, zog Mari die Knie enger an ihren Körper, umschlang sie mit ihren Armen und stützte den Kopf darauf. Der Tag war lang und anstrengend gewesen. Und dann war da ja noch dieser seltsame Mann vom Markt... Seth. Wer war dieser Mann eigentlich? Mari hatte nicht die geringste Ahnung. Er war kein Händler, doch was war er dann? Ein Gelehrter? Ein Soldat? Nein, dafür war seine Kleidung zu edel gewesen. Er musste ein recht gebildeter Mann gewesen sein. Während Mari sich so darüber Gedanken machte, entfuhr ihrem Mund plötzlich ein Gähnen und sie schloss die Augen. Sie wollte nur ein paar Minuten ausruhen. Nur ein paar Minuten..
 

"Es sieht so aus, als würde die Arbeit gut voranschreiten.", bemerkte Tethys.

Er saß im Sattel eines Braunen und folgte seinem Kameraden Jono gerade durch die Straßen. Allmählich wurden sie leerer, da der Abend näher rückte.

"Ja, das würde ich auch sagen. Es gab keine Anzeichen für irgendwelche räuberischen Truppen oder dergleichen. Es ist sehr ruhig gewesen. Beinahe zu ruhig, wenn du mich fragst."

Jono manövrierte seinen Fuchs an einer alten Dame vorbei.

"Wie meinst du das?", fragte Tethys hinter ihm.

"Na ja, ich muss sagen, dass sich die Überfälle erstaunlich vermindert haben. Noch vor wenigen Wochen schien es, als würden wir einen Teil der Ernte verlieren, doch nun sind alle Diebe und Plünderer verschwunden."

Die beiden standen nun vor dem großen Holztor und Tethys rief:

"Im Namen von Jono und Tethys befehle ich euch, das Tor zu öffnen."

Augenblicklich hörten die beiden jungen Männer, wie sich der große Balken, der das Tor sicherte, bewegte und die Kurbel betätigt wurde. Wenige Sekunden später wurde das schwere Holztor quietschend nach oben gezogen.

"Anstatt dir darüber solche Gedanken zu machen, solltest du dich lieber freuen!"

Tethys trieb seinen Braunen an und das Pferd schritt über die Schwelle in den Innenhof hinein.

"Ja, das sollte ich! Aber irgendwie traue ich dem Frieden nicht so recht.", gab Jono zurück.

Der Fuchs folgte seinem Stallgefährten in den Palast, während die Wachen am Tor sich verbeugten.

"Seid gegrüßt.", sagte einer von ihnen.

Die beiden Männer in den Pferdesätteln nickten nur und ritten weiter. Hinter ihnen wurde das große Tor wieder herunter gelassen. Sie konnten das Quietschen der schweren Eisenketten deutlich hören.

"Du traust dem Frieden nicht? Sei lieber froh, dass momentan Frieden herrscht!"

Tethys sprang von seinem Pferd ab und nahm die Zügel. Jono schwang sich ebenfalls auf den Boden. Er streifte

dem Fuchs die Zügel über den Kopf und führte ihn mit sich.

"Ja, ich weiß, Tethys, aber ich kann diese Gedanken einfach nicht aus meinem Kopf verbannen."

"Genauso wenig, wie du Mari aus deinem Kopf verbannen kannst?", fragte Tethys über die Schulter.

"Das ist etwas anderes!", wehrte Jono augenblicklich ab.

"Natürlich, mein Freund.", gab Tethys grinsend zurück.

Er hatte den Stall erreicht und schob die Holztür beiseite. Dann führten sie ihre Pferde hinein. Auf dem Gang standen Laternen, in denen kleine Feuer loderten. Zielstrebig gingen die Männer mit den Pferden zu ihren Boxen und sattelten sie dort ab.

"Gib es zu, du traust der Ruhe doch auch nicht über den Weg!", begann Jono.

Zwei Boxen weiter ertönte ein genervtes Stöhnen und dann Tethys' Stimme.

"Ja, ich gebe es zu! Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die ganzen Erntediebe plötzlich verschwunden sind. Es sei denn natürlich sie planen etwas ganz großes!"

"Genau denselben Gedanken habe ich auch schon gehabt.", erwiderte Jono.

Er trat aus dem Verschlag des Fuchses und legte dessen Sattel über einen Holzbock, der daneben stand.

"Trotzdem glaube ich nicht, dass wir uns allzu große Sorgen machen müssen.", meinte Tethys.

Direkt nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, musste er jedoch an das Gespräch mit dem Pharao denken, welches er vor einiger Zeit mit ihm geführt hatte. Vielleicht durfte man diese Rebellen doch nicht auf die leichte Schulter nehmen, vor allem wenn Ryou unter ihnen war.

"Wie dem auch sei", fuhr er fort, "ich gehe jetzt auf mein Zimmer. Meine Glieder sind verspannt und ich könnte dringend ein heißes Bad gebrauchen."

Jono nickte seinem Kameraden zu, der nun die Boxentür seines Pferdes schloss.

"Wir sehen uns dann beim Essen, Jono!"

Der Blonde nickte ihm zu und Tethys wandte sich zum Gehen. Als er aus dem Stall verschwunden war, blieb Jono noch kurz bei dem Fuchs, bis ihm plötzlich der verletzte Schimmel einfiel. Ob Mari die Medizin schon geholt hatte? Zielstrebig schritt er zu dem Verschlag des Schimmels. Als er vor der Holztür stand, hob das Pferd den Kopf und sah ihn leicht verwundert an.

"Na, du Simulant! Wie geht es dir?", fragte Jono.

Der Schimmel kaute weiter auf seinem Heu und machte keine Anstalten zu Jono zu kommen.

"Was ist denn? Willst du nicht kommen?", fragte Jono.

Doch der Schimmel senkte nur wieder den Kopf und ging einen Schritt nach vorne. Jono schüttelte den Kopf und öffnete die Tür. Als er eintrat, brummelte der Schimmel sofort und schnaubte ihn an.

"Na, na, warum so giftig?", fragte Jono, doch dann sah er den Grund.

Eingekauert, keinen Meter neben dem Kopf des Schimmels, saß eine Person an der Wand, die Jono nur allzu gut kannte. Sie hatte die Beine an den Körper gezogen und ihr Kopf ruhte auf ihren Knien.

"Mari...", murmelte Jono erstaunt.

Er trat langsam auf die junge Frau zu und der Schimmel beobachtete ihn sorgsam dabei.

"Keine Panik, ich werde ihr nichts tun!", sagte Jono zu ihm.

Dann kniete er sich genau vor die schlafende Frau und musterte sie. Ihr Kopf lag seitlich und sie hatte die Knie mit den Armen umschlungen. Jono strich ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht, damit er sie besser ansehen konnte. Dabei verweilten seine Finger kurz an ihrer Wange. Ihr Gesicht war ganz weich und im Schlaf vollkommen entspannt. Ihre blonden Locken kräuselten sich und fielen bis ins Stroh hinab. Ihr Brustkorb hob und senkte sich ganz regelmäßig. Augenscheinlich schlief sie wirklich tief und fest.

"Das war wohl ein anstrengender Tag für dich.", murmelte Jono.

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Schlafende betrachtete. Sie wirkte so unschuldig und bisweilen sogar zerbrechlich. Wie ein kleines Kind, das man beschützen musste. Wer hätte schon vernutet, dass hinter diesem Gesicht, das so entspannt wirkte, eine Frau steckte, der im Leben nichts Gutes widerfahren war? Jono strich mit den Fingern ganz sanft über ihre Wange. Dann nahm er die Hand weg und presste seine Lippen an seinen Zeigefinger. Nach kurzem Zögern legte er den Finger an Maris Lippen.

"Ich hoffe, dass ich dich irgendwann verstehen kann.", flüsterte er.

Jono fiel es schwer, den Finger wieder von ihren Lippen zu nehmen. Sie waren weich und er hatte das Bedürfnis, sie erneut zu berühren, aber er wusste, dass es unfair war. Sie schlief doch ganz friedlich. Außerdem hatte sie bereits genügend schlechte Erfahrungen gemacht. Die sollten nun endlich ein Ende finden.

"Magi...."

Jono zuckte kurz zusammen. Mari hatte im Schlaf geredet, allerdings wieder in der Sprache, die Jono nicht verstand. Oder war es nur ein Name gewesen? Und wenn ja, wer war dann dieser Magi?

"Mari? Mari, wach auf!", flüsterte Jono.

Ganz sanft rüttelte er an der Schulter der schlafenden Blondine. Daraufhin verzog sie das Gesicht ein wenig.

"Magi, a pe mitune...", murmelte sie.

"Mari, du musst aufwachen! Es gibt gleich Essen!", sagte Jono ein wenig lauter.

Als er sie erneut rüttelte, öffnete die Blondine langsam die Augen. Ihr erster Blick fiel auf das Stroh und vier weiße Beine. Leicht benommen klimperte sie ein paar Mal mit den Augenlidern.

< Wo bin ich hier?>, fragte sie sich in Gedanken.

"Hey, du bist eingeschlafen."

Die sanfte Stimme ertönte direkt vor ihr.

"Jono?", fragte sie und drehte den Kopf.

Als die den blonden lächelnden Mann vor ihr im Stroh hocken sah, huschte ihr ein Lächeln über die Lippen. Doch gleich darauf hielt sie sich erschrocken die Hand vor den Mund. Sie hatte ihn mit seinem Namen angesprochen.

"Oh, Herr, verzeiht mir. Ich war gerade noch ein wenig schläfrig.", sagte sie hastig.

"Warum so aufgeregt, Mari?", fragte Jono.

"Es ist nur, weil ich... weil ich...", begann sie.

"Weil du mich mit meinem Namen angesprochen hast? Ich bitte dich, Mari, du bist nun schon seit mehr als vierzehn Tagen hier und nennst mich immer noch "Herr". Ich bin aber nicht dein Herr, ich bin dein Freund. Und Freunde reden sich gegenseitig mit ihrem Namen an."

Mari sah ihn aus ihren violetten Augen verlegen an.

"Also, was ist Mari? Nimmst du meine Bitte an?"

Mari überlegte kurz und sah ins Stroh. Jono hockte immer noch vor ihr und beobachtete ihr Gesicht.

"Ich danke Euch und ich werde Eurer Bitte nachkommen,... Jono."

"Wunderbar. Na komm, lass uns gehen. Das Abendmahl ist sicherlich bald angerichtet und bis dahin müsste ich gebadet haben. Außerdem..."

Jono zog Mari einen langen Strohhalm aus den Locken.

".. außerdem glaube ich, dass du dich auch noch frisch machen willst."

Mari nickte und Jono stand auf. Er hielt ihr die Hand hin und lächelte sie an. Mari zögerte kurz, doch dann ergriff sie seine Hand und ließ sich von ihm aufhelfen. Ehe sie es sich versah, stand sie schon auf den Beinen.

"Alles ok?", fragte Jono.

"Ja, natürlich.", erwiderte Mari leicht verwirrt, doch Jono lachte kurz auf.

"Ich meinte eigentlich den Schimmel.", gab er zurück.

"Oh.", entfuhr es Mari und ihre Wangen nahmen eine etwas dunklere Farbe an.

"Hast du die Medizin bekommen?", wollte Jono wissen.

"Ja, ich habe ihn bereits damit eingerieben. In wenigen Tagen müsste die Verletzung ausgeheilt sein."

"Nun gut, dann sollten wir jetzt gehen."

Mari nickte und ging aus der Box hinaus. Jono folgte ihr und schob den Riegel wieder vor. Über diese Tatsache schien der Schimmel nicht sehr erfreut zu sein, denn er brummelte und schob den Kopf über das Holz. Er reckte den Hals und schnoberte an Mari herum. Diese streichelte seinen Kopf mit einem Lächeln auf dem Gesicht und Jono sah dem Schauspiel ebenso lächelnd zu.

"As tobene.", flüsterte Mari und ließ von dem Schimmel ab.

Dieser schnaubte noch eben und zog sich dann in seinen Verschlag zurück. Mari und Jono wandten sich ab. An der Tür angekommen hielt Jono sie für Mari auf und die Blondine schlüpfte hindurch. Dann erst ging Jono weiter und zog die Tür hinter sich zu. Draußen war es kühler als im Stall und Mari überlief ein Schauer.

"Ist dir kalt?", fragte Jono, der nun neben sie trat.

"Es geht schon. Es ist nur ein wenig ungewohnt, wenn man im Stall gesessen hat, wo die Pferdekörper eine angenehme Wärme verbreiten.", gab Mari zurück.

"Darf ich dir mal eine Frage stellen, Mari?"

Mari sah erstaunt zu dem jungen Blonden, der den Blick geradeaus gerichtet hatte.

"Natürlich dürft Ihr mir eine Frage stellen,... Jono.", erwiderte sie.

"Diese fremde Sprache, in welcher du gerade zu dem Pferd gesprochen hast..."

"Ja?", fragte Mari und ihr wurde ein wenig unwohl, denn sie wusste ja nicht, was er wissen wollte.

"Was hast du dem Pferd gerade eigentlich gesagt? As ti... to, ach, ich habe keine Ahnung, was es heißt!"

Jono grinste sie schief an und Mari musste kurz laut lachen.

"Ich sagte "As tobene". Das bedeutet auf Eurer Sprache "Bis bald"."

"Und woher kannst du diese Sprache?", wollte Jono wissen.

Als er jedoch sah, wie verschlossen Maris Gesicht wurde, merkte er, dass er die falsche Frage gestellt hatte.

"Darüber... möchte ich nicht sprechen.", gab sie zurück.

"Natürlich, kein Problem. Das verstehe ich. Du musst es mir nicht erzählen."

"Es tut mir Leid, Jono, aber das ist eines der Dinge, die ich nicht erzählen kann und will."

"Das ist schon in Ordnung, Mari, ich werde dich zu nichts zwingen.", erwiderte Jono.

Schweigsam stiegen sie nun nebeneinander die Treppen hoch. Jono warf hin und wieder ein paar heimliche Blicke zu der Blondine, die mit immer noch verschlossenem Gesicht neben ihr ging.

"Mari?"

"Ja?", fragte sie und wandte ihm kurz den Blick zu.

"Es tut mir Leid, wenn ich dich in irgendeiner Weise gekränkt haben sollte."

"Nein", winkte sie ab, "es ist schon in Ordnung."

"Weißt du, ich kann das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Und es ist wirklich ok, wenn du es mir nicht erzählen magst. Aber wenn du ein Problem haben solltest, dann weißt du, dass du jederzeit zu Sapheri oder zu mir kommen kannst. Auch der Pharao und seine Gemahlin werden dir einen Rat sicherlich nicht verwehren!"

"Ja, ich weiß es."

Erneut kehrte Stille zwischen ihnen ein und mittlerweile waren sie am Ende der Treppen angekommen. Als sie durch den großen Torbogen schritten, leuchteten ihnen bereits die großen Feuer entgegen. Ein paar Wachmänner standen beieinander, doch als sie Jono erblickten, huschten sie schnell wieder auf ihre Plätze. Dann verbeugten sie sich vor ihrem Heerführer und Jono schenkte ihnen ein Nicken. Mari schloss sich ihm an. Doch irgendetwas war heute Abend anders. Der Blick, mit dem die Wachen sie musterten, irritierte sie und veranlasste sie dazu, dass sie unwillkürlich einen Schritt schneller ging. Jono bemerkte das und beschleunigte sein Tempo ebenfalls.

"Stimmt etwas nicht?", fragte er leise.

"Ich hatte nur gerade ein seltsames Gefühl und dachte..., ach, nicht so wichtig."

Jono hätte zu gerne gewusst, welches seltsame Gefühl sie meinte.

"Ihr braucht mich nicht zu begleiten, Jono, den Rest des Weges finde ich auch alleine.", sagte Mari.

"Wie du meinst.", erwiderte der Blonde.

Mari nickte ihm zu und drehte sich dann um. Jono sah ihr hinterher, wie sie den rechten Gang nahm. Zu gerne hätte er gewusst, was gerade in diesem Moment in ihrem Kopf vorging. Ihre zierliche Gestalt verschwand in der Dunkelheit des Gangs und plötzlich hatte Jono ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Doch er schluckte es hinunter und machte sich dann auf den Weg in sein eigenes Zimmer.
 

Ihr wisst ja Bescheid. Kommis erwünscht.

Bye, Hillary

Darf ich bitten?

Und jetzt geht's auch wieder zackig weiter. Und um euch zu beruhigen, der Schluss des letzten Kapitels soll keineswegs darauf hinweisen, dass etwas schreckliches passiert (obwohl etwas schreckliches noch passiert....ups!*sich die Hand vor den Mund hält*)

Mari war einfach bloß unbehaglich, weil die Wachen sie so angestarrt haben. So, jetzt will ich aber gar nicht weiter stören.
 

Kapitel 11: Darf ich bitten?
 

"Ich bin wieder da."

"Mari? Beim mächtigen Ra, wo warst du? Ich habe mir fürchterliche Sorgen gemacht!"

Die brünette Frau eilte auf Mari zu, die gerade die Türe hinter sich geschlossen hatte.

"Ich war im Stall und habe ein verletztes Pferd behandelt.", erwiderte die Gefragte.

"Bist du erst so spät vom Markt zurückgekommen?", wollte Sapheri wissen.

"Es tut mir Leid, wenn du dir Gedanken um mich gemacht hast. Aber ich war nicht alleine dort. Jono war bei mir."

"Jono war... ah, ich verstehe.", meinte Sapheri grinsend.

"Es ist nicht so gewesen, wie du es dir denkst.", antwortete Mari.

Sie ging zu dem Holztisch neben dem Fenster und nahm die Bürste von der Ablage. Damit fuhr sie durch ihre langen Locken und zog sich hin und wieder ein paar Strohhalme aus den Haaren. Sapheri nahm eine Schüssel mit einer Flüssigkeit und wandte sich an Mari.

"Ich muss noch zu Ihrer Hoheit. Ich sehe dich dann nachher beim Essen."

Die Brünette verließ das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Mari saß noch eine Weile vor dem Tisch und fuhr gedankenverloren mit der Bürste durch ihre Haare. Dann erst fiel ihr auf, dass das Abendmahl sicherlich schon begonnen hatte. Hastig stand sie auf und lief aus dem Zimmer. Das Stimmengewirr, welches ihr auf dem Gang entgegenschlug, sagte ihr, dass sie Recht hatte. Eiligst wühlte sie sich durch die vielen Menschen, die sich auf dem Gang versammelt hatten, hindurch und betrat den großen Saal. Sie sah den Pharao und Teana bereits auf ihren Plätzen sitzen. Direkt neben Teana saß Sapheri, die ihr zuwinkte, als sie Mari entdeckte. Und zur Rechten des Pharao erblickte Mari wie gewohnt Jono und Tethys. Der Blonde schien sie gar nicht bemerkt zu haben, denn er war in ein Gespräch mit Isis und Marik vertieft. Mari drückte sich an den Leuten vorbei und gelangte schließlich zu ihrem Platz neben Sapheri. Schnell ließ sie sich auf ihrem Stuhl nieder.

"Bin ich zu spät?", fragte sie, doch Sapheri schüttelte den Kopf.

In diesem Moment erhob sich Atemu und eröffnete das Essen. Während sie sich miteinander unterhielten und nebenbei aßen, ließ Mari den Blick hin und wieder zum anderen Ende des Tisches wandern. Jono redete immer noch mit Isis. Diese hatte mit Tethys den Platz getauscht, damit sie sich leichter mit Jono unterhalten konnte. Mari sah, wie sie hin und wieder die schwarzen Haare zurückstrich, welche ihr über die Schulter fielen. Jonos Gesicht konnte sie nicht sehen, da er mit dem Rücken zu ihr saß.

"Hey, träumst du?", fragte Sapheri.

Mari schreckte auf und sah ihre brünette Freundin verwirrt an.

"Was hast du gesagt?"

Sapheri wandte den Kopf in die Richtung, in die Mari sah.

"Wen starrst du dort an?"

"Niemanden.", gab Mari zurück und konzentrierte sich wieder auf ihren Teller.

"Du bist eine schlechte Lügnerin, Mari.", erwiderte Sapheri grinsend.

Plötzlich erhob sich Atemu wieder und augenblicklich verstummten alle Anwesenden.

"Ich will euch gar nicht lange stören, meine Freunde. Ich möchte nun die Musiker herein bitten, auf dass sie uns mit ihren Fähigkeiten erfreuen mögen."

Atemu klatschte zweimal in die Hände und augenblicklich erschienen am Eingang mehrere Gestalten. Fünf in blaue Umhänge gehüllte Männer betraten den großen Saal. Bei sich trugen sie verschiedene Instrumente. Die herum sitzenden Leute unterbrachen ihre Gespräche und sahen den Musikern zu, wie sie sich in der Mitte des Saals aufstellten. Einer trug eine Trommel bei sich, zwei andere hatten ein Zupfinstrument in der Hand und die beiden letzten hatten Flöten bei sich. Atemu setzte sich wieder hin und winkte ihnen zu.

"Ihr könnt anfangen!", sagte er laut.

Die Musiker brachten ihre Instrumente in die richtige Position und begannen eine muntere Melodie zu spielen. Mari knabberte an einem Stück Brot herum und lauschte den Klängen der Musik mit einem Ohr. Sie stützte den Kopf so in die Hände, dass sie das andere Ende des Tisches genau im Blick hatte. Isis hatte augenscheinlich etwas Lustiges erzählt, denn nicht nur Jono, sondern auch Tethys lachte plötzlich.

"Du beobachtest ihn schon wieder."

Mari zuckte kurz zusammen, als sie die Stimme so dicht neben sich hörte, und erwachte aus ihrer Trance.

"Wen?", fragte sie verwirrt.

"Jono.", gab Sapheri grinsend zurück.

"Das ist doch lächerlich.", murmelte Mari und drehte den Kopf weg.

"Na, na, sieh mich an! Ich wette du bist gerade rot geworden!", sagte Sapheri.

"Bin ich nicht.", entgegnete Mari, doch an der Art wie das Blut in ihrem Kopf pulsierte konnte sie merken, dass Sapheri Recht hatte.

"Es ist doch nicht schlimm, wenn du ihn ansiehst.", meinte die Brünette nun.

"Wer sagt denn eigentlich, dass ich deinen Bruder angesehen habe? Ich könnte doch auch Tethys oder Isis oder diesen anderen jungen Mann dort angesehen haben!"

"Marik? Also ich weiß nicht.", sagte Sapheri.

Ein wenig zweifelnd glitt ihr Blick zwischen Marik und Mari hin und her.

"Ich finde er passt nicht zu dir."

Mari verschluckte sich beinahe an der Traube, die sie gerade aß, und hustete fürchterlich.

"Sapheri! Nach solchen Dingen habe ich überhaupt kein Bedürfnis!", erwiderte sie.

"Natürlich nicht.", antwortete die Brünette ironisch.

Mari warf ihr einen bösen Blick zu, wandte ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder nach vorne zu den Musikern. Diese hatten gerade ein anderes Lied angestimmt und die Mitte des Saals füllte sich mit Leuten.

"Was tun die da?", fragte Mari erstaunt.

"Sie tanzen.", antwortete Sapheri.

Wie auf Kommando sah Mari aus den Augenwinkeln zwei Personen auf die freie Fläche schreiten. Es war Jono, der Isis mit sich führte. Dann stellten sie sich, wie alle anderen auch, voreinander und begannen zu tanzen.

"Wer hätte gedacht, dass mein Bruder mit Isis tanzt.", entfuhr es Sapheri.

"Warum denn nicht? Sie ist doch hübsch.", entgegnete Mari.

Gedankenverloren zog sie eine blonde Locke durch ihre Finger. Im selben Moment fiel ihr Blick auf Isis' lange, schwarze Haare. Sie bewegte sich sehr elegant und sah wirklich umwerfend aus. Mari sah, dass ihr viele Männer mit den Blicken folgten, als sie mit Jono durch den Saal wirbelte.

"Natürlich ist sie hübsch, aber sie...."

"Sapheri? Darf ich dich um diesen Tanz bitten?"

Mari und auch Sapheri sahen auf und erblickten Tethys, der leicht verlegen neben Sapheris Stuhl stand.

"Ja, gerne.", erwiderte die Brünette und stand auf.

Während sie mit Tethys an der Hand auf die Fläche schritt, die sich mittlerweile gefüllt hatte, drehte sie den Kopf zu Mari und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Mari wurde von ihrer guten Laune angesteckt und verzog ebenfalls den Mund zu einem Lächeln. Dann sah sie den beiden zu, wie sie sich neben den anderen aufstellten und zu tanzen anfingen. Ihre Bewegungen waren aufeinander abgestimmt und es schien beinahe so, als hätten sie in ihrem Leben noch nie etwas anderes gemacht als zu tanzen.

"Was ist mit dir, Mari?"

Mari wandte Teana den Kopf zu und erwiderte:

"Ich kann nicht tanzen, Euer Hoheit."

"Aber das ist doch kein Hindernis. So etwas lernt man schnell.", sagte Teana.

"Was ist mit Euch, Euer Hoheit?", wollte Mari wissen.

"Ich würde ja gerne, aber im Moment fühle ich mich dazu nicht in der Lage.", gab Teana zurück.

Mit der rechten Hand fuhr sie sich über ihren Bauch und legte den Kopf schief.

"Oh ja, natürlich. Das ist eine zu große Anstrengung.", sagte Mari und schalt sich für diese dumme Frage.

"Ich finde es nicht gut, wenn du hier alleine sitzt", mischte sich nun auch Atemu ein, "ich bin mir sicher, dass wir dieses kleine Problem aus der Welt schaffen können. Marik?"

"Ja, mein Pharao?", fragte der junge Mann am anderen Tischende.

"Seid doch bitte so gut und bringt Mari das Tanzen bei.", sagte der Pharao.

Marik machte kurz große Augen und sein Blick wanderte zu der Blondine neben Teana. Dann meinte er:

"Wie Ihr wünscht, mein Pharao."

Sofort stand er auf und ging zu Mari, die leicht unbehaglich auf ihrem Stuhl herum rutschte. So hatte sie sich das eigentlich nicht vorgestellt! Doch dann stand Marik bereits vor ihr und hielt ihr seine Hand hin.

"Darf ich bitten?"

"Natürlich, Herr.", entgegnete Mari leicht rot im Gesicht und reichte ihm die Hand.

Mit einer galanten Bewegung ließ sie sich von Marik zur Tanzfläche führen. Er stellte sich mit ihr jedoch ein wenig abseits des großen Gedränges hin.

"Ihr müsst das wirklich nicht tun.", begann Mari, doch Marik lächelte nur.

"Eine schöne junge Frau sollte an solch einem Abend nicht alleine auf ihrem Platz sitzen."

Mari merkte, dass ihr Gesicht noch einen Ton dunkler wurde als es ohnehin schon war.

"Also.. also... was... äh... was muss ich jetzt machen?", stammelte sie verlegen.

"Es ist wirklich ganz leicht. Macht mir einfach alles nach. Dies ist ein sehr simpler Tanz."

Marik setzte langsam einen Fuß vor den anderen und Mari imitierte seine Schritte.

"Das klappt doch schon sehr gut.", meinte Marik aufmunternd.

Maris Blick begegnete seinen violetten Augen und sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

"Offensichtlich gibt es Dinge, von denen Ihr gar nicht wusstet, dass Ihr sie beherrscht.", setzte Marik hinzu.

"Ja, ich bin auch überrascht.", antwortete Mari.

Im gleichen Moment hatte sie den Takt verloren und war Marik auf den Fuß getreten.

"Oh, verzeiht mir, das tut mir Leid, Herr!"

"Marik, nennt mich Marik! Und so schlimm war es nicht. Wenn Isis mir auf die Füße tritt, ist das ein weitaus schlimmeres Gefühl."

"Aber so schwer kann Eure Schwester doch gar nicht sein!", erwiderte Mari.

"Das nicht", entgegnete Marik und lachte herzhaft, "aber wenn sie mich tritt, dann aus purer Absicht und mit jeder Menge Schwung!"

Mari stimmte in das Gelächter mit ein. Und während sie sich weiter mit Marik unterhielt, merkte sie, dass ihr das Tanzen viel leichter fiel. Bald schon kannte sie die Schritte auswendig.

"Ich muss Euch loben, Mari, Ihr habt ein sehr gutes Taktgefühl.", meinte Marik unvermittelt.

"Ich danke Euch, Marik, aber Ihr seid auch ein ausgezeichneter Tänzer."

Mari lächelte ihren Tanzlehrer an und sah gleich darauf hinter ihm Isis mit Jono. Sie ließ den Blick über Mariks Schulter schweifen und beobachtete die beiden. Marik merkte alsbald, dass sie mit ihren Gedanken woanders war und folgte ihrem Blick mit den Augen.

"Eure Schwester ist wirklich hübsch. Und sie ist eine elegante Tänzerin."

"Das ist sie in der Tat.", erwiderte Marik.

Isis drehte sich einmal um die eigene Achse, bevor sie Jono wieder die Hand reichte. Auf ihrem Gesicht stand ein Lächeln und das Blau ihrer Augen wurde durch das Diadem, das sie trug, noch stärker betont.

"Allerdings gibt es durchaus auch noch andere hübsche Frauen.", fuhr Marik fort.

"Ich sehe jedoch keine andere, der die Männer so hinterher sehen wie Eurer Schwester.", sagte Mari.

"Auch das ist wahr, aber das hat andere Gründe.", antwortete Marik.

"Das verstehe ich nicht.", meinte Mari verwirrt.

Marik drehte ihr den Kopf zu und lächelte sie an bevor er sprach.

"Seht Ihr, Mari, meine Schwester ist Priesterin. Und als solche ist es nur verständlich, dass sie einen Reiz für Männer darstellt."

"Das müsst Ihr mir erklären.", erwiderte Mari und drehte sich kurz.

"Es gab schon viele Männer, die sich um sie bemüht haben. Einige darunter wollten Isis sogar zu ihrer Frau nehmen. Allerdings hat sie jeden bisherigen Versuchen sofort abgeblockt, da ihr Herz nur einem einzigen Mann gehört und das ist der Pharao."

"Der Pharao?", fragte Mari total perplex.

"Die Aufgabe eines Priesters und auch Grabwächters ist es, dem Pharao zu dienen. Die einzige Bedingung dafür ist, dass man allem anderen entsagt. Isis und auch ich haben unser Leben der Bewachung der Geheimnisse des Pharao verschrieben und dafür alles andere aufgegeben."

Mari sah den jungen Mann vor ihr mit großen Augen an. Sie hatten ihr eigenes Leben aufgegeben, um dem Pharao zu dienen?

"Das ist eine wahrhaft große Tat.", bemerkte Mari.

"Ja, das ist es. Aber wir haben den richtigen Weg gewählt, wie ihn schon unsere Vorfahren gingen."

Die letzten Takte des Liedes waren verklungen und die beiden hielten an. Plötzlich trat Jono neben Marik.

"Darf ich Euch ablösen, Marik? Eure Schwester würde sicher gerne mit Euch tanzen."

"Natürlich, Jono", erwiderte Marik und hauchte Mari einen Kuss auf den Handrücken, "es war mir ein Vergnügen, mit Euch zu tanzen Mari. Das können wir gerne wiederholen."

"Danke.", sagte Mari und war sich sicher, mittlerweile die Gesichtsfarbe einer Tomate zu haben.

Zunächst standen Jono und Mari ein wenig unentschlossen voreinander, doch dann setzte die Musik wieder ein.

"Darf ich bitten?"

Mari sah in die warmen Augen des Blonden und musste lächeln. Dann nickte sie und ergriff seine Hand.

"Aber gerne doch.", erwiderte sie.

Als sie nun zu tanzen begannen, sah Mari zuerst noch leicht beschämt zu Boden. Mit Marik zu tanzen, war etwas vollkommen anderes gewesen. Er war Priester und ihm war es, wie er bereits gesagt hatte, nicht gestattet, sich mit einer Frau einzulassen. Im gleichen Moment schalt Mari sich in Gedanken einen fürchterlichen Angsthasen. Was war das denn vorhin für ein Gefühl gewesen, als sie Jono so dicht bei Isis gesehen hatte? Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie über die Aufgaben und Pflichten einer Priesterin nichts gewusst. Wenn sie jetzt so daran dachte, musste sie sich eingestehen, dass es ihr einen winzigen Stich versetzte hatte, zu sehen wie gut die beiden sich verstanden hatten. Warum konnte sie das nicht auch einfach? Lag es an ihr?

"So schweigsam?", riss sie Jonos Stimme aus ihren Gedanken.

"Ich konzentriere mich.", gab sie zurück.

Das war schlichtweg gelogen gewesen. Sie hatte sich die ganze Zeit über andere Dinge den Kopf zerbrochen, bloß nicht über die Tanzschritte.

"Du weißt ja, mit wem du reden kannst, wenn etwas sein sollte."

Mari nickte und richtete ihren Blick auf Isis und Marik. Von außen hätte man niemals vermuten können, dass diese beiden wirklich Geschwister waren. Sie glichen sich in keiner Weise.

"Magst du ihn?"

"Natürlich mag ich ihn."

Jono hatte den Kopf ebenfalls zu dem Geschwisterpaar umgewandt. Mari fragte sich, ob er überhaupt schon bemerkt hatte, dass Sapheri mit Tethys tanzte.

"Ihr mögt Isis doch auch.", setzte Mari nun ein wenig lauter als beabsichtigt hinzu.

"Ja, ich mag Isis. Sie ist eine nette Frau und eine hervorragende Priesterin.", antwortete Jono.

"Marik ist ein ausgezeichneter Tänzer.", fuhr Mari fort.

Eine kurze Zeit lang schwiegen sie sich an, bis Jono sagte:

"Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen, warum du ihn magst."

"Das tue ich auch nicht. Außerdem habt Ihr doch damit angefangen."

Mari trat einen Schritt zurück und drehte sich, bevor Jono sie wieder an der Hand nahm und zu sich zog.

"Mag sein, dass ich angefangen habe, aber dass du Marik magst, war lediglich eine simple Feststellung."

"Das gleiche gilt für das, was ich über Euch und Isis gesagt habe.", antwortete Mari.

Immer noch vermied sie es, dem Blonden in die Augen zu sehen.

"Isis ist Priesterin.", meinte Jono unvermittelt.

"Und Marik ist Priester.", erwiderte die Blondine.

"Ihre Aufgabe besteht darin, dem Pharao zu dienen und Visionen zu deuten."

"Das gleiche gilt für Marik."

Jono schwieg kurz und setzte dann ein wenig leiser hinzu:

"Priestern ist es verboten zu lieben."

"Das weiß ich bereits, Jono. Marik erklärte es mir."

Der Blonde wechselte die Hand und wirbelte Mari kurz im Kreis.

"Dann verstehe ich nicht, warum du so wortkarg und bissig bist."

"Ich bin nicht bissig, Jono. Ich versuche mich lediglich zu konzentrieren, damit ich Euch nicht auf die Füße trete."

Mari streckte den linken Arm zur Seite und ließ ihn durch die Luft gleiten.

"Außerdem wart Ihr derjenige, der angefangen hat.", murmelte sie.

"Das habe ich gehört.", kam es ebenso leise zurück.

< Was tue ich hier eigentlich? Warum provoziere ich ihn? Ich könnte einfach den Mund halten und tanzen!>

Mari verstand sich selbst nicht. Jono sah auf das ausdruckslose Gesicht der Blondine hinab. Sie lächelte nicht. Sie stand einfach vor ihm, tanzte und starrte dabei an ihm vorbei.

< Was habe ich ihr nur getan? Ist sie böse auf mich? Und wen schaut sie eigentlich die ganze Zeit an? Ist es Marik? Ich habe ihr doch gesagt, dass er Priester ist. Offensichtlich scheint er jedoch Gefallen an ihr gefunden zu haben. Aber das ist doch verboten!>

Jono biss sich kurz auf die Lippe und ließ den Blick zu Marik und Isis wandern. Marik war ein winziges Stück größer als Isis, so dass sie sich gerade mal problemlos unter seinem Arm durchdrehen konnte. Jono musste zugeben, dass Marik ein durchaus netter Mann war. Er war stets höflich und zuvorkommend und, soweit Jono das als Mann beurteilen konnte, auch attraktiv. Warum sollte es dann nicht so sein, dass Mari sich zu ihm hingezogen fühlte? Mari folgte seinem Blick unauffällig. Wo er hinsah, tanzten Isis und Marik.

< Eigentlich könnte es mir ja egal sein, aber muss er sie denn so auffällig anstarren? Tanzt er nicht gerade mit mir? Er hat doch selbst gesagt, dass sie Priesterin ist! Macht er sich Hoffnung?>

Mari musterte Isis von oben bis unten und stellte fest, dass sie wirklich bildhübsch war. Ihre schwarzen Haare wirkten weich wie Seide, dagegen konnte sie mit ihren buschigen Locken nicht viel ausrichten. Und ihre meerblauen Augen wirkten genauso tief wie der Ozean selbst.

< Sieh dich an! Jetzt vergleichst du dich schon mit anderen Frauen. Vergiss es, Mari, es gibt Leute, denen wirst du nie das Wasser reichen können, egal, wie sehr du dich auch anstrengst!>

"Du denkst, dass ich an Isis interessiert bin, nicht wahr?"

"Ich wüsste nicht, warum ich auf solch einen Gedanken kommen sollte, Jono. Sie ist Priesterin."

"Und genau aus diesem Grund würde ich diese Gefühle auch gar nicht in Erwägung ziehen, zumal Isis auch nicht mein Typ ist."

"Was Ihr nicht sagt.", bemerkte Mari spitz.

"Und wie steht es mit Marik?", fragte Jono ebenso kühl.

"Wenn Ihr andeuten wollt, dass mir etwas an ihm läge, so muss ich Euch enttäuschen. Er ist doch Priester."

"Wunderbar! Wo das jetzt endlich geklärt ist, macht es dir doch sicherlich nichts aus, mich anzusehen, oder?"

Mari merkte, dass ihr warm wurde. Sie war genau in seine Falle getappt.

"Natürlich macht es mir nichts aus.", erwiderte sie.

Sie ließ die Augen zu seinem Gesicht schweifen und in dem Moment, wo sich ihre Blicke trafen, durchzuckte sie ein seltsames Gefühl. Seine schokobraunen Augen waren voller Wärme und blitzten lustig. Einige Meter weiter verließen gerade Tethys und Sapheri die Tanzfläche Hand in Hand.

"Es tut mir Leid, Tethys, aber ich bin wirklich erschöpft. Ich muss mich kurz hinsetzen."

"Das ist doch kein Problem.", erwiderte der Braunhaarige.

Er zog den Stuhl so zur Seite, dass Sapheri sich hinsetzen konnte und ließ sich dann auf Maris Platz nieder.

"Wo ist eigentlich Mari? Und Jono habe ich auch nicht gesehen.", überlegte Tethys.

"Dort sind sie.", sagte Sapheri und deutete auf einen bestimmten Fleck.

"Beim mächtigen Ra, das ist ja.... ja...", brachte Tethys raus und stockte dann.

Mari und Jono tanzten immer noch genau wie alle anderen. Eines jedoch unterschied sie von den anderen Pärchen und ließ sie aus der Masse herausstechen wie zwei funkelnde Edelsteine. Es war die Art, wie sie sich ansahen und umeinander herum bewegten. Maris rechte Hand ruhte in Jonos linker Hand. Jono hob den Arm, damit Mari sich drehte und gleich nachdem sie in der Ausgangsposition angekommen war, sah sie ihn wieder an. Beinahe schien es, als seien ihre Blicke magnetisch miteinander verbunden.

"Irre ich mich oder ist das jetzt das erste Mal, dass ich Jono so gut tanzen sehe?", fragte Tethys.

Sapheri neben ihm hatte den Kopf auf die Handflächen gestützt und sagte leise seufzend:

"Das ist der wunderbarste Tanz, den ich je gesehen habe."

Tethys musste ihr im Stillen Recht geben. Und auch den anderen Leuten schien es so zu gehen. Viele von ihnen hatten aufgehört zu tanzen und beobachteten die beiden jungen Leute, welche völlig in einer eigenen Welt gefangen zu sein schienen. Die Musik war mittlerweile langsamer geworden. Mari und Jono sahen sich immer noch an, während das Geräusch ihrer Schritte von dem Steinboden verschluckt wurde. Auch Atemu und Teana beobachteten das Schauspiel lächelnd. Teana ergriff Atemus Hand und flüsterte:

"Noch nie zuvor habe ich etwas Schöneres gesehen, mein Liebster."

Auf Atemus Gesicht bildete sich ein Lächeln. Die Musik wurde noch leiser und kündigte das Ende des Liedes an. Während der letzten Takte gingen Jono und Mari im Kreis umeinander herum, jeweils die rechte Hand an die Wange ihres Partners gelegt. Tief in den Augen des anderen versunken umkreisten sie einander und blieben schließlich stehen als die Musik verstummte. Schweigend verharrten sie voreinander. Bewegungslos und wie vollkommen in Trance. Dann bewegte Jono seinen Kopf auf den von Mari zu.
 

Und Schnitt! Jawohl, ich weiß, ich bin ein fieses Kind, aber nur so bleibt es spannend! Also, vergebt mir. Kommis wie immer erwünscht (ist ja ganz was neues *grins*)

Bye, eure Hillary

Finstere Pläne

Hier geht es weiter. Weil die Stelle so gemein war... hihi...
 

Kapitel 12: Finstere Pläne
 

"Jono, was....", flüsterte Mari tonlos, während Jono sie unverwandt ansah und näher kam.

Plötzlich zuckten beide zusammen, da um sie herum lauter Lärm aufzog. Als sie den Kopf drehten, nahmen sie erst in diesem Moment die vielen Leute wahr, deren Blicke auf das blonde Pärchen gerichtet waren. Die meisten klatschten begeistert in die Hände und Mari sah sich verwirrt um.

"Gilt das uns?", fragte sie erstaunt.

"Anscheinend ja.", erwiderte Jono.

Er winkte kurz in die Runde und hatte ein Lächeln aufgesetzt. Mari verneigte einige Male den Kopf und merkte, dass ihre Wangen wieder Farbe bekamen. Der Applaus wurde nicht leiser. Als Mari sich umsah, begegnete sie Mariks Blick, der genauso lächelte wie alle anderen auch. Er zeigte ihr einen Daumen, um ihr mitzuteilen, dass er tief beeindruckt war. Mari freute sich und hatte ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Jono sah es aus den Augenwinkeln und wieder einmal durchzuckte ihn der Gedanke, dass diese Frau umwerfend hübsch war.

"Kommst du?"

Mari blickte auf die Hand, welche Jono ihr hinhielt. Sie nickte und ergriff sie. Schweigsam gingen beide zurück zum Tisch, wo Sapheri und Tethys bereits auf sie warteten.

"Jono, mein Freund, das war eine ausgezeichnete Vorstellung!", lobte Tethys.

Er stand auf, damit Mari sich auf ihren Platz setzen konnte.

"Danke Tethys, aber das Lob gilt nicht nur mir alleine.", antwortete Jono.

Dabei sah er die Blondine lächelnd an.

"Ich hatte eine wunderbare Partnerin.", setzte er etwas leiser hinzu.

"Mari, du hast toll getanzt!", fiel nun Sapheri ein.

"Danke, aber Marik hat es mir auch sehr gut beigebracht.", erwiderte Mari.

Jono war ein wenig gekränkt. Was war denn mit ihm? Doch dann sagte Mari:

"Und dein Bruder kann hervorragend führen. Es war ganz einfach. Alleine hätte ich das nicht gekonnt!"

Jono kratzte sich kurz verlegen am Kopf und gab dann zurück:

"Na ja, so gut kann ich nun doch nicht tanzen."

"Warum so bescheiden, guter Freund?"

Alle wandten die Köpfe dem Pharao zu. Dieser hatte sich schmunzelnd nach vorne gebeugt und den Blick auf Jono gerichtet. Dieser antwortete:

"Aber es ist so, mein Pharao. Alleine kann ich nicht gut tanzen."

"Dann freut Euch, dass Ihr eine solch wunderbare Partnerin hattet. Es war ein Fest für die Augen, euch beiden zusehen zu dürfen. Ihr werdet uns doch sicherlich noch einmal mit euren Fähigkeiten erfreuen, oder?"

Teana legte den Kopf schief und sah die beiden Blonden abwartend an.

"Natürlich, Euer Hoheit, wenn Ihr es wünscht.", erwiderte Mari.

Ihre Augen suchten die von Jono und als sie sich trafen, hatte sie erneut ein merkwürdiges Gefühl im Bauch. Doch auch Jono erging es nicht anders. Der Anblick Maris, wie sie dort vor ihm am Tisch saß und ein Bild der Schönheit bot, fesselte seine Augen.

"Es wäre mir eine große Freude und Ehre.", sagte Jono ohne den Blick von der Blondine zu nehmen.

Mari versuchte ihre Augen in eine andere Richtung zu lenken, doch sie schaffte es nicht. Ein unsichtbares Band schien ihren Blick an den von Jono gebunden zu haben, so dass es ihr nicht gelang, sich von seinen Augen zu lösen. Sapheri beobachtete die beiden und räusperte sich dann vernehmlich.

"Ja, was ist?", fragte Mari und wandte ihr hastig den Kopf zu.

"Wie geht es eigentlich dem Pferd?", wollte Sapheri wissen.

"Ich habe sein Bein vorhin behandelt. Es müsste bald wieder in Ordnung sein."

Als Mari an die Begegnung mit Jono im Stall dachte, merkte sie, dass ihr Kopf wieder warm wurde. Sapheri verfolgte mit Erstaunen, dass Maris Gesicht rot wurde und fragte sich nach dem Grund dafür.

"Mir ist warm. Ich muss ein wenig an die frische Luft.", sagte Mari.

Sie erhob sich von ihrem Stuhl und verließ eiligen Schrittes den großen Saal.

"Was hat sie denn?", fragte Tethys, der Maris Feststellung nicht gehört hatte.

"Sie sagte, ihr sei warm geworden und deswegen müsse sie an die frische Luft."

Sapheri zuckte mit den Schultern, als sie Tethys dies mitteilte. Dieser sah sich kurz nach Jono um, der allerdings in ein Gespräch mit dem Pharao vertieft war. Sicherlich redeten sie über die Rebellen bei Sues.

"Wann können wir uns noch mal sehen?", fragte Tethys leise.

"Wir sehen uns doch jeden Tag im Palast.", antwortete Sapheri.

"Du weißt genau, was ich meine, Sapheri.", erwiderte Tethys.

Er war einen Stuhl weiter auf den Platz von Mari gerutscht.

"Wann können wir endlich mal wieder etwas zusammen unternehmen?"

Tethys sah ihr forschend in die olivgrünen Augen. Sapheri blickte kurz zu ihrem Bruder und senkte die Stimme.

"Du weißt doch genau, dass mein Bruder das nicht gerne sieht."

"Und was ist mit dir? Möchtest du es nicht?", fragte Tethys leicht bedrückt.

"Doch, Tethys! Es ist nicht so wie du vermutest. Ich mag es einfach nicht, etwas zu tun, was Jono missfällt."

"Also benimmst du dich nur ihm zuliebe so abweisend?"

Auf Tethys' Gesicht stand ein kleiner Hoffnungsschimmer geschrieben.

"Ja, glaub mir, es hat nichts mit dir zu tun.", erklärte Sapheri.

"Du hast mir gerade den Abend gerettet, Sapheri.", bemerkte Tethys mit einem strahlenden Lächeln.
 

Währenddessen draußen vor der Stadt....
 

Ein dunkler Reiter überquerte die staubige Erde. Sein Pferd lief schnell und wirbelte kleine Wolken von Staub auf, als seine Hufe die tote Erde berührten.

"Schneller, komm schon!"

Der Reiter gab seinem Pferd noch mehr Schenkeldruck und das Tier streckte sich willig. Der Umhang des Reiters flatterte im Wind wie eine Fahne hinter ihm her. Seinen Kopf zierte ein großer Turban. Der Mond stand hoch am Himmel und warf ein schwaches Licht auf Kairo. Der Reiter blickte kurz zurück. Die äußeren Stadtmauern wurden vom Licht getroffen und leuchteten hell, alles was sich dahinter verbarg, erschien nur noch schemenhaft. Einzig und allein der Palast erhob sich majestätisch und von kleinen Feuern erleuchtet aus der Steinmasse.

"Los, wir müssen uns beeilen!"

Erneut spornte der Reiter sein Pferd an. Das Tier galoppierte so schnell es konnte und sah in dem schwachen Licht aus wie ein Geist, der über den Sand fegte. Sie passierten einzelne Hütten, bis sich vor ihnen schließlich eine weite Ebene erstreckte. Die Wüste Lybiens. Der Reiter beschattete seine Augen mit einer Hand und spähte angestrengt nach vorne. Auf einem der Sandhügel meinte er, etwas zu erkennen.

"Er ist schon da. Schneller!"

Das Tier griff noch weiter aus und fegte durch den Sand, welcher sich im Laufe des Abends abgekühlt hatte. Schließlich erklomm der Braune den Hügel und erreichte mit letzter Anstrengung den Gipfel. Oben blieb das Pferd schnaubend und prustend stehen. Sein Reiter sprang ab. Ihm gegenüber stand eine andere Person. Ebenfalls in einen langen Mantel gehüllt.

"Ihr kommt spät, Seth.", sagte er mit dunkler Stimme.

"Ihr könnt froh sein, dass ich überhaupt gekommen bin.", erwiderte der Reiter.

Als er nun vortrat, leuchtete die goldene Schlange an seiner Stirn und reflektierte das Mondlicht.

"Wie dem auch sei, habt Ihr neue Nachrichten?"

Seth klopfte ein wenig Sand von seinem Umhang. Abwartend sah er sein Gegenüber an.

"Viel Neues gibt es nicht zu berichten, Seth. Die Rebellen halten sich bei Sues versteckt. Abseits von der Stadt in einem Lager."

"Wie viele sind es mittlerweile?", wollte der Blauäugige wissen.

"Ich weiß es nicht genau.", gab der andere zurück.

"Dann streng deinen Kopf an und versuch dich zu erinnern.", erwiderte Seth leicht ungeduldig.

Auf dem Gesicht der anderen Person erschien ein diabolisches Lächeln.

"Warum so ungehalten, großer Meister? Hattet Ihr einen schlechten Tag?"

"Nein, Ryou, ganz im Gegenteil."

Seth dachte an die Begegnung mit der blonden Schönheit auf dem Markt und musste unwillkürlich lächeln.

"Der Tag hätte gar nicht besser sein können.", antwortete er.

Dann richtete er den Blick wieder auf den Mann, der vor ihm stand.

"Also, was ist nun? Wie viele sind es?"

"Ich schätze 100 Männer. Wahrscheinlich sogar ein wenig mehr. Sie sind Eurem Ruf aus allen Teilen des Landes gefolgt."

Der Mann stemmte die Hände in Hüfte. Sein Ring, den er an einer Kette um den Hals trug, leuchtete im Mondlicht und seine weißen Haare, die ihm wild zu Berge standen, wirkten noch heller als gewöhnlich.

"Wer hat derzeit das Kommando?", wollte Seth wissen.

"Sie unterstehen einem Mann mit Namen Raphael."

"Kann man ihm trauen?", fragte Setz.

Seine blauen Augen fixierten den jungen Mann vor ihm.

"Warum wollt Ihr das ausgerechnet von mir wissen?", erwiderte Ryou.

Auf seinem Gesicht lagen dunkle Schatten und seine braunen Augen wirkten tiefschwarz in der Dunkelheit.

"Nun, Ihr seid ein Grabräuber, Ryou. Eigentlich müsstet Ihr doch am besten wissen, wem man trauen kann."

"Ich habe gelernt, dass man niemandem vertrauen kann. Schon gar nicht dem, für den man arbeitet."

"Das gleiche gilt für mich.", antwortete Seth.

Ein leichter Windstoß fuhr über die Düne und trug Sand mit sich. Eine beinahe erdrückende Stille hatte sich über die Wüste gelegt. Es schien so, als verschlucke der Sand jedes Geräusch und jeden Schrei.

"Ihr solltet nicht vergessen, mit wem Ihr es zu tun habt.", sagte Seth.

Seine Stimme hatte einen leicht bedrohlichen Unterton.

"Das werde ich gewiss nicht, allerdings solltet Ihr das Ganze auch nicht so auf die leichte Schulter nehmen."

Seine dunklen Augen waren immer noch starr auf den Mann mit dem Umhang gerichtet.

"Ihr glaubt mir etwas vorschreiben zu können?", fragte Seth scharf.

"Das war kein Befehl, sondern lediglich ein Rat. Der Palast ist nicht blind. Sie wissen längst, dass sich die Rebellen versammelt haben. Erst neulich entdeckten wir einen ihrer Spione in unseren Reihen."

"Und warum weiß ich davon nichts?", fragte Seth gereizt.

"Sagen wir es so.... das Problem hat sich erledigt", erwiderte Ryou.

Dabei verengten sich seine Augen zu Schlitzen und ein teuflisches Lächeln umspielte seinen Mund.

"Erledigt? Habt Ihr etwa...", begann Seth und stockte dann.

"Die Schatten waren hungrig, großer Meister.", gab Ryou lässig zur Antwort.

Als er dies sagte, blitzte der Ring um seinen Hals einmal kurz auf und erlosch dann wieder.

"Ich verstehe. Ich hatte vergessen, dass Ihr ebenfalls mit der Schattenmagie umgehen könnt."

Seth ließ seinen Blick kurz über die Wüste schweifen, bevor er sich wieder an Ryou wandte.

"Wann werden sie einsatzbereit sein?"

"Ich denke, wenn wir noch ein paar Tage warten, werden noch andere Anhänger zu uns stoßen."

Ryou wandte das Gesicht der schwach erleuchteten Stadt zu. Seth folgte ihm und kniff kurz die Augen zusammen. Er überlegte, wie viel Zeit er wohl noch benötigen würde.

"Reitet zurück und sagt den Männern, dass sie sich bereithalten sollen. Ich werde mich noch mit euch in Verbindung setzen. Doch zuerst habe ich hier noch ein paar Dinge, denen ich nachgehen muss."

"Dinge?", fragte Ryou und wurde hellhörig.

"Das geht Euch nichts an!", erwiderte Seth scharf.

"Verstehe, es ist eine private Angelegenheit.", sagte Ryou mit einem Grinsen.

"Ihr habt es erfasst. Ich lasse Euch fünf Tage Zeit. Wenn die Sonne am fünften Tag untergeht, und Ihr bis dahin noch nichts von mir gehört habt, so versammelt die Männer um Euch. Reitet schnell und leise, wie der Wüstenwind selbst. Sollte Euch das gelingen, so ist das Überraschungsmoment auf Eurer Seite."

"Was werdet Ihr tun?"

Ryou sah ihn abwartend an. Das Mondlicht spiegelte sich in seinen Augen. Sein langer schwarzer Umhang bewegte sich sachte im Wind.

"Ich werde das tun, was mir nun schon seit Jahren auf der Seele brennt."

"Der Pharao.", murmelte Ryou.

Seth nickte und wandte sich um. Er stieg auf sein Pferd, das sich mittlerweile wieder einigermaßen erholt hatte.

"Was ist, wenn die Männer mir nicht folgen werden?"

Seth blickte auf die schlanke Gestalt vor ihm.

"Vertraut mir, sie werden Euch folgen."

"Was ist mit Raphael?", fragte Ryou.

"Was sollte mit ihm sein? Er wird die Männer führen und Ihr werdet ihn im Auge behalten. Sollte er sich nicht an den Plan halten und seine eigenen Ziele verfolgen...."

Ryou sah in die eiskalten blauen Augen auf.

"... dann schafft ihn aus dem Weg!"

Dieser Ton duldete keine Widerworte. Ryous Mund verzog sich zu einem satanischen Grinsen.

"Mit dem größten Vergnügen.", erwiderte er.

Sein Ring erstrahlte kurz und Ryou brach in hämisches Gekicher aus.

"Ich verlasse mich auf Euch. Ich lege das Gelingen unseres Vorhabens in Eure Hände.", sagte Seth.

Der Weißhaarige vor ihm nickte. Dann zog Seth an den Zügel seines Pferdes. Der Braune warf den Kopf herum und stellte sich kurz auf die Hinterhand.

"In sechs Tagen will ich Euch hier sehen, wenn ihr nichts mehr von mir hört."

Dann gab er seinem Pferd die Sporen. Der Braune fiel in Galopp und sprengte den Hügel hinunter. Hinter sich ließ er eine tiefe Spur im Sand zurück. Ryou stand noch immer unverwandt auf dem Hügel und sah dem Reiter hinterher. Er entfernte sich rasch und bewegte sich auf die schlafende Stadt zu.

"Wenn du denkst, dass du mich für dumm verkaufen kannst, dann bist du schief gewickelt."

Abermals entfuhr dem Weißhaarigen ein hämisches Kichern. Ein starker Windstoß fegte plötzlich über die Düne und verwischte die Spur, welche das Pferd im Sand zurück gelassen hatte.

"Versuche nicht, mit mir zu spielen. Wir hatten eine Abmachung und wenn ich nicht bekomme, was ich verlange, dann wirst du auch bei den Göttern keine Gnade finden."

Sein Lächeln entblößte seine Zähne. Die dunklen Schatten in seinem Gesicht verschwanden, als er den Kopf hob und zum Mond blickte. Die helle Scheibe leuchtete hoch über der Stadt. Beinahe schien es, als wache sie dort über die Einwohner. Ryou lenkte den Blick auf die Stadt, deren Umrisse nur schemenhaft zu erkennen waren.

"Erfreut euch an eurem Leben, solange ihr noch könnt. Denn schon bald werdet ihr aufwachen und euch in einem Albtraum wieder finden. In meinem Albtraum."

Ryou wandte sich um und ging langsam über den Sand. Seine Fußspuren wurden augenblicklich durch den kühlen Wind verwischt. Hinter der Düne wartete der Braune, mit dem er durch die Wüste geritten war. Das Tier hob den Kopf, als es seinen Reiter kommen sah und scharrte mit den Hufen.

< Ein einfältiges Wesen, aber ein treues einfältiges Wesen.>, fuhr es ihm durch den Kopf.

Als er den Braunen erreichte, streckte dieser ihm den Kopf hin. Ryou legte seine Hand auf die Nüstern des Pferdes und sah dem Tier in die Augen.

"Wenigstens einer von uns beiden ist loyal.", murmelte er.

Dann warf er dem Pferd die Zügel über den Kopf und trat an seine Seite. Mit einem einzigen Sprung saß er im Sattel des Tieres und nahm die Zügel auf.

"Rasch, rasch, wir müssen uns beeilen.", drängte er.

Er presste die Schenkel an den Leib des Tieres und dieses kam dem Befehl sofort nach. Es fiel augenblicklich in Galopp und fegte durch den tiefen Wüstensand. Als es den nächsten Hügel erklommen hatte, zügelte Ryou sein Pferd und ließ es anhalten. Er sah zurück auf Kairo. Die Stadt wirkte um diese Zeit wie verlassen. Nachts war niemand mehr auf den Straßen und der einzig erleuchtete Ort war der Palast.

"Schlaf schön, Pharao, und genieße die letzten Tage deiner Herrschaft. Allerdings weißt du nichts davon, dass es deine letzten sein werden!"

Mit einem triumphierenden Lächeln gab Ryou seinem Braunen wieder die Sporen. Das Tier streckte sich und fegte den Hügel hinunter. Immer weiter ließ er Kairo hinter sich zurück. Als er sich nach einiger Zeit umsah, war die Stadt schon kaum noch zu erkennen.

< Mich würde schon interessieren, was Seth für dringende Dinge erledigen muss. Ob es mit unserer Abmachung zu tun hat? Er sollte mich besser nicht hintergehen, das könnte ihm schlecht bekommen. Aber so töricht wird er schon nicht sein. Und wenn ja, kann er schon mal sein letztes Gebet sprechen!>
 

Ja, endlich ist auch mal Ryou vorgekommen. Ich weiß, ich weiß, ihr habt lange genug auf ihn warten müssen. Aber ich verspreche, dass er noch weiterhin eine Rolle spielen wird. Diese Story ist noch nicht vorbei!!!
 

Bye, Hillary

Ritt durch die Nacht

Hallo, da bin ich wieder.

Um noch eine Frage zu beantworten, die gestellt wurde: Nein, Raphael ist nicht DER Raphael aus Doom. Ich hab den Namen einfach gewählt, weil ich ich ganz schön fand. So das war's mal wieder. Es geht los!
 

Kapitel 13: Ritt durch die Nacht
 

< Die Luft ist frisch und beruhigend.>

Mari schritt über den kühlen Steinboden durch den Hauptkorridor. Die Feuer an den Seiten brannten hell und leuchteten. Mari blickte auf den Boden und sah ihren eigenen Schatten. Er folgte ihr still und unauffällig. Die Wachen an den Seiten standen starr und unbeweglich. Mari hatte den Blick geradeaus gerichtet. Nur hin und wieder nahm sie aus den Augenwinkeln wahr, wie einer der Wachen den Kopf nach ihr umdrehte, als sie vorbei ging. Schließlich hatte sie den großen Torbogen erreicht und stoppte. Der Hof lag ausladend unter ihr. Am Ende der Stufen erblickte Mari zwei Männer, die auf und ab gingen. Augenscheinlich hielten sie am Eingang Wache. Mari hob den Kopf und blickte in den Himmel. Er war sternenklar und dunkel. Es schien beinahe so, als hätten zwei unsichtbare Hände ein riesiges Tuch über den Himmel gespannt. Die Sterne funkelten wie tausende von kleinen Diamanten. Der Mond erhob sich wie eine majestätische Scheibe über dem Palast und warf sein kühles Licht auf die Erde. Mari seufzte kurz auf, als sie den Mond sah. Auf ihrer Flucht waren Mond und Sonne die einzigen Begleiter gewesen, welche sie gehabt hatte. Die Blondine wandte den Kopf nach rechts und erblickte eine Götterstatute aus Stein. Wie ein Beschützer stand sie an der Seite der Treppe. Ihre Augen waren auf den Hof fixiert, beinahe so, als wache sie über die Geschehnisse. Mari ging darauf zu und zog sich auf den Sockel hinauf. Dort blieb sie zuerst stehen und hielt sich an einem Bein der Statue fest. Als sie den Stein betrachtete, fiel ihr auf, dass es sich um den Sonnengott Re handelte. Sein Falkengesicht war dem Innenhof zugewandt und mit einer Hand hielt er einen langen Stab. Mari streckte den Kopf noch ein wenig mehr und sah das Funkeln in den Augen der Statue. Sicher waren sie aus Edelsteinen, deswegen glitzerten sie auch so. Mari ließ sich mit einem Seufzer direkt zu Füßen der Statue nieder. Sie legte die Arme um ihre Knie und lehnte sich mit dem Rücken an die massiven Beine Res an. Dann wandte sie den Kopf wieder gen Himmel und sah in den Mond. Sein Licht war kühl und nicht so gleißend und warm wie das der Sonne. Trotzdem fühlte Mari sich nachts immer wohler als tagsüber. Nachts waren die Menschen fort. Sie ruhten in ihren Betten, während tagsüber ein heilloses Durcheinander und Gedränge herrschte.

< Ich bin an Einsamkeit gewöhnt. Ich bin bisher damit zu Recht gekommen und daran wird sich nie etwas ändern. Ich bin alleine und werde es bleiben. Und so ist es auch gut.>

Mari hatte ein wehmütiges Lächeln auf dem Gesicht. Erste Tränen liefen ihre Wangen hinunter.
 

"Wo ist Mari denn hin?"

Jono sah sich verwirrt um. Er hatte gerade eben erst bemerkt, dass die Blondine nicht mehr am Tisch saß und auch sonst nirgendwo zu finden war.

"Sie ist gegangen.", erklärte Sapheri.

"Wohin? Das Fest ist doch noch nicht vorbei.", sagte Jono.

"Nach draußen. Sie sagte sie wolle frische Luft schnappen.", mischte sich Tethys ein.

"Sie kam mir ein wenig seltsam vor.", bemerkte Sapheri nachdenklich.

"Seltsam? Inwiefern?", fragte Jono hellhörig.

"Ich weiß auch nicht. Sie war so... verwirrt. Und traurig."

Jono warf einen Blick Richtung Ausgang und erhob sich von seinem Stuhl.

"Ich werde sie suchen gehen und mit ihr reden.", klärte er die anderen auf.

Dann schritt er aus dem Saal.

"Er macht sich Sorgen.", bemerkte Tethys.

"Natürlich macht er sich Sorgen. Mari hatte eine schwere Vergangenheit.", gab Sapheri zurück.

"Hat sie dir immer noch nichts Genaues erzählt?"

Sapheri schüttelte den Kopf und ihre olivfarbenen Augen blickten besorgt Richtung Ausgang.

"Sie redet nicht darüber. Mit keinem Wort. Weder über sich, noch über ihre Familie, noch über ihre Vergangenheit."

"Vielleicht kann Jono ja ein wenig mehr herausfinden.", überlegte Tethys.
 

Jono lief durch den Korridor. Er hatte keine konkrete Ahnung, wo Mari hingegangen sein konnte, aber er hatte eine Vermutung. Beim letzten Mal hatte er sie im Stall gefunden, wo sie sich mit einem der Pferde beschäftigt hatte. Vielleicht war sie jetzt bei dem verletzten Schimmel. Es gab natürlich auch die Möglichkeit, dass sie auf ihr Zimmer gelaufen war, doch Jono vermutete, dass sie die Nähe der Pferde gesucht hatte. Die Wachen an den Seiten standen stramm, als Jono vorüberhastete. Schließlich hatte er den großen Torbogen erreicht und blieb stehen. Der Mond schien hell auf den Palast und erleuchtete die Steine in einem matten Blau. Einen scharfen Kontrast zu der Kühle bildeten die warmen, hell lodernden Feuer in den Eisenschalen. Jonos Blick ging zum Stall. Mari war bestimmt dort! Eine plötzliche Bewegung im Schatten ließ ihn anhalten. Jono wandte den Kopf um. Dort stand der Sonnengott Re. Die steinerne Statue wachte schützend über den Palast, doch Jono merkte sofort, dass es nicht der Stein war, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Es war eine Gestalt, die zu Füßen Res hockte. Auf dem Sockel im Schatten saß eine Gestalt in einem langen Gewand. Jono wusste sofort, wen er vor sich hatte. Selbst mit geschlossenen Augen hätte er es gewusst.

"Mari?"

Langsam trat er auf die Statue zu. Die Gestalt blieb jedoch regungslos und zeigte nicht die geringste Reaktion.

"Mari?", wiederholte Jono ein wenig lauter.

"Jono?"

Die Gestalt wandte den Kopf in seine Richtung und erwachte aus ihrer bewegungslosen Haltung.

"Was tust du hier draußen so alleine?", wollte Jono wissen.

"Ich genieße die Stille.", lautete die Antwort.

Jono trat an den Sockel heran und legte eine Hand auf das kühle Gestein.

"Die Stille?", wiederholte er.

"Ja, bei Nacht ist alles so friedlich, findet Ihr nicht auch? Ganz anders als am Tag. Wenn die Sonne brennt, so erwacht alles Leben. Es ist laut und eng. Man findet keine Ruhe. Ist rastlos und nie alleine."

Die Blondine starrte nachdenklich in den Himmel. Jono konnte deutlich das Mondlicht sehen, welches sich in ihren violetten Augen widerspiegelte.

"Aber mit Einbruch der Nacht", fuhr Mari fort, "ist alles wie ausgestorben. Die Menschen ziehen sich in ihre Häuser zurück, um Ruhe zu finden. Sich von den Strapazen des Alltags zu erholen. Ich mag diese Zeit, wenn alles um einen herum in sich zusammen fällt und schläft. Es ist so still und friedlich."

Mari hatte ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht. Jono sah sie unverwandt an.

"Die Nacht ist kühl.", bemerkte er.

"Und der Tag ist heiß.", erwiderte Mari.

Immer noch starrte sie nachdenklich auf das dunkle Firmament.

"Willst du nicht wieder reingehen? Du könntest dich erkälten.", sagte Jono.

Doch Mari schüttelte den Kopf und antwortete:

"Macht Euch keine Gedanken, Jono, ich bin Kälte gewohnt."

Jono meinte, einen Hauch Bitterkeit aus ihrer Stimme heraushören zu können.

"Darf ich dir Gesellschaft leisten?", fragte er.

"Wenn Ihr es möchtet."

"Wenn du es möchtest.", gab Jono zurück.

Mari nickte gedankenverloren und Jono schwang sich auf den Sockel. Dann rutschte er neben Mari, hielt jedoch ein wenig Abstand zu ihr. Aus den Augenwinkeln beobachtete er ihren verträumten Blick, den sie immer noch auf die Sterne gerichtet hatte.

"Glaubst du an Schicksal?", fragte er in die Stille.

"Schicksal? Wie meint Ihr das?", ertönte ihre leise Stimme.

"An Vorherbestimmung. Oder glaubst du, dass alles, was in deinem Leben passiert, vom Zufall abhängt?"

Mari nahm den Blick vom Himmel und richtete ihn auf Jono.

"Ich weiß nicht genau.", sagte sie leise.

Der Blonde fixierte sie mit seinem Blick und musterte ihr Gesicht. Mittlerweile kannte er jede einzelne Kleinigkeit.

"Warum seht Ihr mich so an?", wollte Mari wissen.

Jono antwortete nicht. Stattdessen hob er den Arm und streckte die rechte Hand aus. Ganz sachte legte er seine Finger an Maris Wange und strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr.

"Ich glaube an Schicksal.", meinte er leise.

Langsam fuhr er mit den Fingern über ihre weiche Haut. Mari saß vollkommen regungslos vor ihm und sah ihn an. Wieder einmal war es ihr nicht möglich, sich von seinen Augen loszureißen.

"Was machst du wirklich hier draußen?", wollte Jono wissen.

"Warum wollt Ihr das wissen?"

"Ich kann dich nicht mehr traurig sehen, Mari."

Diese Worte kamen sehr leise über die Lippen des Blonden. Mari weitete erstaunt die Augen.

"Ich habe eine Idee.", sagte Jono plötzlich und sprang vom Sockel.

Nun stand er vor der Statue und lächelte Mari an.

"Was hältst du von einem kleinen Ausritt?"

"Jetzt?", fragte Mari vollkommen perplex.

"Natürlich jetzt. Komm mit! Das wird dich auf andere Gedanken bringen! Was sagst du dazu?"

Jono streckte den Arm aus und hielt ihr die Hand hin. Mari wollte ihm gerade ihre Hand geben, als sie zögerte.

"Komm schon, ich passe auf dich auf! Dir wird nichts geschehen!", versicherte Jono ihr.

Mari nickte und nahm seine Hand. Dann schwang sie sich von dem Sockel hinunter. Neben Jono schritt sie die Treppen hinab. Unten angekommen verbeugten sich die Wachen und die beiden Blonden nickten ihnen zu. Der Stall lag in völliger Stille da. Die einzigen Geräusche kamen von den Pferden, welche sich hin und wieder im Stroh bewegten. Jono öffnete die Holztür und hielt sie für Mari auf. Die Blondine schlüpfte hindurch und Jono folgte ihr. Sobald die beiden eingetreten waren, schoben sich mehrere Pferdeköpfe über die Holzverschläge und dunkle Augen sahen den Blonden neugierig entgegen.

"Soll ich dir helfen?", wollte Jono wissen.

"Nein, danke für Euer Angebot, aber das schaffe ich alleine."

Mari war zielstrebig zu dem Rappen gegangen, auf dem sie am Tag ihrer Ankunft hergebracht worden war.

"Bona nuda, ma garce.", sagte Mari leise.

Der Rappe streckte ihr den Kopf entgegen und blähte die Nüstern. Mari hob die Hand und legte sie auf die weichen Nüstern des Tieres. Das Pferd sah sie aus seinen braunen Augen an und schnaubte.

"Du erinnerst dich an mich?", fragte Mari leise, doch Jono hatte es anscheinend gehört, denn er sagte:

"Wie könnte man dich vergessen, Mari?"

Mari wandte ihm den Kopf zu. Er lehnte an der Box eines Fuchses und hatte gerade dessen Sattelzeug geholt.

"Na komm schon, lass uns nicht so viel Zeit verschenken.", setzte er hinzu.

Mari nickte und ging zu ihrem Pferd in die Box. Es dauerte nicht lange, bis beide den Tieren das Geschirr angelegt hatten. Langsam führten sie die Tiere schließlich vom Stall auf den Hof.

"Dürfen wir das denn jetzt überhaupt noch?", fragte Mari, doch Jono lachte nur.

"Natürlich dürfen wir das. Anscheinend vergisst du, dass ich der Heerführer des Pharao bin. Die Männer müssen tun, was ich ihnen befehle."

Mari nickte und schwang sich dann geschickt in den Sattel des Rappen. Sie setzte sich zurecht und nahm die Zügel auf. Dann wandte sie Jono den Blick zu. Dieser stand noch immer neben seinem Fuchs.

"Können wir?", wollte Mari wissen und gab dem Rappen die Schenkel.

Dieser setzte sich in Bewegung und trabte über den Hof zum Tor. Jono sah der Blondine hinterher und stieg dann selber in den Sattel. Offensichtlich brauchte er sich um Mari keine Sorgen zu machen, denn wie es schien konnte sie gut reiten. Er hatte sie schnell eingeholt und gemeinsam bewegten sie sich auf das Haupttor zu.

"Was führt Euch so spät noch nach hier draußen?", wollte eine tiefe Stimme wissen.

"Wir machen einen Kontrollritt zu den Feldern, Wachmann.", erklärte Jono.

Der Wachposten hatte Jono anscheinend jetzt erst bemerkt, denn sofort verneigte er sich und gab zurück:

"Natürlich, Heerführer Jono, wir werden auf Eure Rückkehr warten."

Er gab seinen Partnern ein Zeichen, so dass diese schnell den Balken hochschoben, welcher das Tor sicherte. So geschwind sie konnten drehten sie an der hölzernen Kurbel und der Balken wurde von den Ketten nach oben gezogen. Dann öffneten sich die großen Flügel des Tores und gaben den Blick nach draußen frei. Jono trieb seinen Fuchs an und Mari folgte ihm auf ihrem Rappen. Sobald sie über die Schwelle geritten waren, hörten sie, wie sich die schweren Flügel hinter ihnen wieder schlossen.

"Und wohin nun?", erkundigte sich Mari.

Der Blonde vor ihr drehte sich im Sattel um und lächelte sie an.

"Ich weiß es nicht genau. Reiten wir einfach los."

Mari war im ersten Moment verblüfft, doch dann nickte sie. Gemeinsam trabten sie nun durch die leeren Straßen. Rings um sie herum herrschte Stille. Nichts rührte sich mehr. Jedes Haus lag in Dunkelheit. Nur hin und wieder sah man einen vereinzelten schwachen Lichtschein durch einen der Fensterläden dringen. Es dauerte nicht lange und dann hatten die beiden Reiter die Stadt hinter sich gelassen. Vor ihnen lag ein langer staubiger Weg, der sich über die Erde wand wie eine Schlange. Die beiden trieben ihre Pferde an und sie fegten im Galopp über die Erde. Hinter sich ließen sie kleine Wölkchen aus Staub. Eine ganze Weile ritten sie so. Mari hielt sich immer dicht bei Jono, da sie die Gegend nicht sehr gut kannte. Ihr Blick war auf den Blonden vor ihr gerichtet. Sein Oberkörper wippte gleichmäßig im Takt des Pferdes. Mari ertappte sich dabei, wie ihre Gedanken abschweiften, als Jono plötzlich die Hand hob und ihr zuwinkte. Das riss Mari aus ihrer Träumerei und sie folgte ihm einen Hügel hinauf. Oben angekommen hielt Jono seinen Fuchs an und sprang dann aus dem Sattel.

"Warum halten wir?", fragte Mari in die Stille der Nacht.

"Ich dachte, dass es dich vielleicht interessieren würde.", gab Jono zurück.

Mari lenkte den Rappen neben Jonos Pferd. Jono ergriff die Trense des Rappen und hielt ihn fest, während Mari aus dem Sattel glitt.

"Was sollte mich interessieren?", fragte sie.

Jono nickte mit dem Kopf nach vorne und Mari trat einige Schritte vor. Unten am Fuß des Hügels stand eine alte, herunter gekommene Hütte.

"Was ist das?", wollte Mari wissen.

"Das war der Ort, an dem ich mit meiner Schwester gewohnt habe bevor unsere Eltern starben."

Jono war neben sie getreten und starrte auf die kaputten Steine, welche einst sein Zuhause gewesen waren.

"Sapheri erzählte mir bereits, dass Ihr keine Eltern mehr habt.", bemerkte Mari leise.

"Ja, Mutter starb kurz nach Sapheris Geburt. Sie war eine gute Frau, doch offensichtlich war es alles ein wenig zu viel für sie gewesen. Sie wurde krank und überlebte nicht."

Jonos Blick ruhte immer noch auf der Hütte. In seinen Erinnerungen blühte die Gegend plötzlich wieder auf und erwachte zu neuem Leben. Mari beobachtete ihn, wie er mit leerem Blick den Hügel hinunter starrte. Einer seiner Mundwinkel war zu einem wehmütigen Lächeln nach oben gekräuselt. Augenscheinlich durchlebte er gerade noch einmal seine Vergangenheit.

"Vater ließ sein Leben auf dem Schlachtfeld. Zumindest vermuten wir das. Eines Tages wurde er in die Armee beordert. Wir sahen ihn das letzte Mal, als er genau hier oben auf dem Hügel stand. Auf seiner Schulter trug er einen Leinenbeutel mit seinem Hab und Gut. Sapheri und ich standen genau dort unten an dem Zaun."

Jono deutete mit dem Finger auf ein paar Balken, die teilweise mit Sand bedeckt waren. Mari folgte seinem Finger mit dem Blick und nickte.

"Ich weiß es noch, als wäre es erst gestern gewesen. Ich habe Sapheri auf den Zaun gehoben und sie festgehalten, damit sie nicht runter fiel. Immerhin ist sie doch noch ein kleines Kind gewesen. Mein Vater hatte mir die Anweisung gegeben, gut aus sie zu achten, schließlich war Mutter nicht mehr da. In der kindlichen Leichtfertigkeit, habe ich ihm mein Wort gegeben, doch damit hatte er sich nicht zufrieden gegeben. Ich habe es ihm schwören müssen, bei allem was mir heilig war."

Mari wandte den Blick von der Ruine zu ihren Füßen ab und sah dem Blonden ins Gesicht. Immer noch starrte er auf die zerstörte Hütte, beinahe so, als sähe er sich selbst dort unten stehen, wie er seinem Vater winkte.

"Ich glaube er wusste damals schon, dass er nicht zurückkehren würde.", fügte er leise hinzu.

Die Pferde hinter ihnen scharrten mit den Hufen im Boden und schnaubten leise. Eine gespenstische Ruhe hing über dem Hügel und legte sich wie eine bedrückende Last auf die Zuschauer. Mari kniff die Augenbrauen zusammen, als sie in Jonos Gesicht sah. Es wirkte traurig, während er all die Erinnerungen nochmals durchlebte.

"Jono....", flüsterte Mari, doch der Blonde reagierte gar nicht.

Er sah den Hügel hinab und schien Mari neben sich vollkommen vergessen zu haben. Mari trat einen Schritt näher an ihn heran. Langsam hob sie die Hand, zögerte dann jedoch kurz. Doch als sie in seine Augen blickte, die voller Traurigkeit waren, da überwand sie ihre Zweifel und berührte seinen Arm. Dies weckte Jono aus seinen

Erinnerungen und ließ ihn den Kopf wenden. Er sah auf die Blondine hinab, die neben ihm stand. In ihren Augen spiegelte sich das blasse Mondlicht und sie schaute ihn teilnahmsvoll und mitleidig an.

"Es tut mir Leid, ich wollte dich damit nicht langweilen.", sagte Jono.

Er wollte ein Lächeln aufsetzen, doch es gelang ihm einfach nicht. Zu nahe waren ihm diese Erinnerungen jetzt gegangen. Mari schüttelte nur den Kopf und lächelte.

"Ihr langweilt mich nicht, Jono. Erzählt ruhig weiter. Es ist gut, wenn Ihr darüber sprecht."

"Es tut weh.", antwortete Jono leise.

"Die Vergangenheit kann oft grausam sein", erwiderte Mari, "doch man ist ein Teil von ihr, ob man nun will oder nicht. Unsere Vergangenheit macht uns zu denen, die wir heute sind."

Jono nickte. Ihre Hand an seinem Arm zu spüren, war sehr tröstlich für ihn. Er konnte es nicht genau beschreiben, doch er hatte das Gefühl, dass diese Frau ihn verstand. Jono fühlte, dass sich ein seltsamer Druck in seiner Nase aufbaute und gleich darauf begann das Bild vor seinen Augen zu verschwimmen. Mari, die immer noch direkt neben ihm stand, bemerkte, dass er glasige Augen bekam. Offensichtlich machten ihm seine Erinnerungen doch mehr zu schaffen als er zugeben wollte.

"Mari, ich....", begann Jono, doch dann stockte er.

Er schluckte kurz und Mari merkte deutlich, dass er kämpfte, um nicht die Fassung zu verlieren. Dann tat sie etwas, womit Jono nicht gerechnet hatte. Ihre Hand wanderte von seinem Arm zu seinem Gesicht und berührte sanft seine linke Wange. Als Jono ihr nun das Gesicht zuwandte, sah Mari, wie sich eine einzelne Träne den Weg über seine Wange bahnte. Sachte strich sie diese mit dem Daumen fort und fuhr dann weiter mit den Fingerspitzen über seine Haut. Seine Augen blickten sie wie gebannt an. Immer noch war darin Trauer und Schmerz zu lesen. Mari hatte Mitleid mit ihm. Großes Mitleid.

< Ich wusste nicht, dass du ebenso leidest wie ich.>, dachte sie.

"Ihr seid nicht allein.", flüsterte sie.

Jono sah sie immer noch unverwandt an. Kein Laut drang über seine Lippen. Stattdessen füllten sich seine Augen erneut mit Tränen. Offensichtlich hatten ihn die Worte der Blondine gerührt. Mari ging noch einen Schritt auf ihn zu und legte die Arme um seinen Oberkörper. Ihren Kopf legte sie an seine Brust und lauschte dem Pochen seines Herzens. Dann fühlte sie, wie in Jonos Körper neues Leben kehrte, denn er hob die Arme aus ihrer starren Position neben seinem Körper und legte sie um Mari. Zuerst noch zögerlich, doch dann fiel jede Scheu von ihm ab und er drückte die Blondine an sich. Mari hörte sein Herz an ihrem Ohr klopfen. Mit den Händen strich sie sachte über seinen Rücken, um ihm zu zeigen, dass sie für ihn da war. Gleich darauf fühlte sie, dass er mit einer Hand durch ihr Haar fuhr. Sein Kopf lehnte an ihrem Kopf und Mari fühlte seinen warmen Atem. Ihr Blick ruhte auf den starken Armen, in denen sie lag, und der angenehme Duft seiner Kleidung stieg ihr in die Nase. Obwohl die Nacht kühl war, spürte sie die Kälte nicht. Der Körper vor ihr war warm und vermittelte ein Gefühl der Geborgenheit. Minutenlang standen sie so da und rührten sich nicht. Dann jedoch hob Mari den Kopf und fühlte sofort, dass der Druck an ihrem Rücken schwächer wurde.

"Seid Ihr in Ordnung?", wollte sie leise wissen.

"Ja, es geht schon wieder.", erwiderte Jono und rieb sich kurz die Augen.

"Wir sollten zum Palast zurück reiten.", schlug Mari vor und wartete auf ein Nicken des Blonden.

Er stimmte ihr zu und so schwangen sie sich auf ihre geduldig wartenden Pferde. Sie wendeten die Tiere und kehrten in schnellem Tempo zurück zum Palast. Mari erschien es so, als wolle Jono so schnell wie möglich seine Vergangenheit hinter sich lassen, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Am Palast angekommen, öffneten die Wachen ihnen bereitwillig das Tor und ließen sie ein. Kurz vor dem Stall sprangen sie aus den Sätteln der Pferde und brachten diese zurück in ihre Boxen. Schweigsam nahmen sie ihnen das Geschirr ab und rieben sie noch ein wenig trocken. Mari schloss den Verschlag und streichelte den Rappen noch ein letztes Mal.

"As tobene.", hörte sie plötzlich ganz leise von rechts.

Jono hatte sich von seinem Fuchs verabschiedet. Und zwar in der Sprache, die eigentlich nur Mari beherrschte.

Der Blonde ging mit ihr zur Holztür. Wie immer hielt er sie erst für Mari auf, um dann anschließend ebenfalls durchzugehen und sie hinter sich zu schließen. Leise überquerten die beiden den Hof und erreichten die Treppen, welche in den Palast führten. Still und schweigsam liefen sie nebeneinander die Stufen hinauf. Mari warf Jono hin und wieder einen Blick zu. Doch offensichtlich war mit ihm alles in Ordnung, denn seine Augen waren nicht mehr glasig, sondern vollkommen klar und wachsam. Sie kamen am großen Torbogen an und schritten durch den Korridor. Selbst um diese Zeit standen die Wachen noch neben den großen Feuern. Unwillkürlich ging Mari näher bei Jono, als sie die starren Blicke der Männer wahrnahm. Dieser merkte ihre Unsicherheit und griff nach ihrer Hand. Mari war zwar erstaunt, aber keineswegs abgeneigt, als sie seine warme Hand plötzlich an ihrer fühlte. Dankbar schlang sie ihre Finger um seine und atmete tief ein. Jono sah ihr die Erleichterung aus den Augenwinkeln an und musste sich ein Lächeln verkneifen. Auch wenn sie immer so stark tat, so war sie eigentlich doch eine sehr sensible Frau. Sie gingen durch die Gänge und der Steinboden verschluckte das Geräusch ihrer Schritte. So erreichten sie schließlich Sapheris Zimmer. Mari löste ihre Hand aus der des Blonden und strich sich kurz durch die Haare.

"Danke für den Ausritt, Jono.", sagte sie.

"Ich habe zu danken. Ich bin sehr froh, dass du mitgekommen bist.", erwiderte er.

"Es war wirklich eine gute Idee. Allerdings hättet Ihr das nicht auf Euch nehmen müssen."

"Ich habe schon so lange nicht mehr mit jemandem darüber gesprochen. Und ich bin sehr dankbar, dass du bei mir warst. Du hast mir wirklich sehr geholfen, Mari. Deine Gegenwart war tröstlich."

"Wenn Ihr ein Problem habt, so dürft Ihr es mir gerne erzählen. Ich werde Euch zuhören und tun, was ich kann."

Jono nickte und trat dann einen Schritt vor. Er nahm Maris Hand und gab ihr einen Kuss auf den Handrücken.

"Gute Nacht, Mari.", sagte er, bevor Mari sich umdrehte und mit einem letzten Lächeln im Zimmer verschwand.
 

Na, war das in eurem Sinne? Für die Romantiker unter euch: Ich kann euch beruhigen, es wir noch schöner. Sagen wir, im übernächsten Kapitel. Also, bis denne, freu mich auf zahlreiche Kommis
 

Bye, Hillary

Unerwarteter Besuch

Jo, da bin ich wieder. Have fun...
 

Kapitel 14: Unerwarteter Besuch
 

Drei Tage und Nächte verstrichen. Mari und Jono hatten nicht mehr über den Vorfall gesprochen, der sich während des Ausrittes ereignet hatte. In stillem Einverständnis hatten sie sich dazu entschieden, darüber zu schweigen. Und trotzdem hatte ihre Freundschaft sich verändert. Mari sah Jono nun mit anderen Augen. Er war nicht länger nur irgendein Mann, der ihr helfen wollte. Mari erkannte, dass er auch Probleme hatte, die wie dunkle Schatten über ihm hingen und ihn quälten.

Am Mittag des vierten Tages wurde sie von Sapheri angesprochen, als die beiden gerade im Hof standen und Wäsche zum trocknen aufhängten.

"Sag mal, ist etwas zwischen dir und Jono passiert?"

Mari sah ihre brünette Freundin verwundert an und zog die Augenbrauen hoch.

"Wie kommst du auf diese Frage?", wollte sie wissen.

"Na ja, ihr benehmt euch irgendwie anders.", bemerkte Sapheri.

"Inwiefern anders?", stellte die Blondine die Gegenfrage.

"Na ja, ich kann dir das auch nicht genau beschreiben. Es ist einfach die Art, wie ihr euch anseht."

"Wie sehen wir uns denn an?", fragte Mari neugierig.

"Wie ein altes Ehepaar! Ihr habt in den letzten Tagen kaum miteinander gesprochen. Dafür werft ihr euch andauernd Blicke zu, die mehr als Worte sagen. Und außerdem bist du ständig in seiner Nähe, wenn du nicht mit mir arbeitest. Da darf ich doch wohl fragen, ob etwas passiert ist, oder?"

Sapheri stemmte die Arme in die Hüfte und legte abwartend den Kopf schief.

"Es ist gar nichts passiert, Sapheri. Keine Sorge."

"Keine Sorge? Wer sagt denn, dass ich mir Sorgen mache?", entgegnete die Brünette.

"Tust du nicht?"

Mari schlug einen Rock aus und warf ihn über die lange Leine. Es war ein warmer Tag und die Bäume im Palast erstrahlten in ihrem schönsten Grün.

"Nein, ich bin sogar sehr froh darüber.", antwortete Sapheri.

Sie hängte ein paar Socken über die Leine und sah Mari dann wieder an.

"Mein Bruder hat schon lange nicht mehr so oft gelächelt.", fügte sie hinzu.

"Ich auch nicht, Sapheri. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier sein darf.", erwiderte Mari.

"Hast du mal darüber nachgedacht?"

"Worüber?", entgegnete Mari.

"Mit Jono auszugehen.", half Sapheri ihrem Gedächtnis auf die Sprünge.

"Nein", antwortete Mari, "aber ich glaube auch nicht, dass es erlaubt ist."

"Wie meinst du das? Jono kann doch selber entscheiden, wen er treffen will.", sagte Sapheri verblüfft.

"Hör zu, Sapheri, ich finde es rührend, dass du dir solche Gedanken um mich machst, aber glaub mir. Ich bin zufrieden mit der jetzigen Situation."

Sie schenkte der Brünette ein Lächeln und diese erwiderte es.

"Wenn du es sagst.", meinte sie.

Schweigsam fuhren sie mit ihrer Arbeit fort.
 

Genau zur gleichen Zeit traf ein paar Straßen weiter ein Reiter in einer dunklen Gasse ein.

"Meister."

Der schwarzhaarige Mann verbeugte sich und sah hinauf.

"Rashid, habt Ihr Ryou meine Nachricht überbracht?"

"Ja, Meister. Ich traf ihn vorgestern und übermittelte ihm Eure Botschaft."

"Gut. Ich habe ebenfalls alle Vorbereitungen getroffen.", erwiderte der Braunhaarige.

Sein langer Mantel hing über dem Rücken des Pferdes. Der Braune trat unruhig auf der Stelle umher.

"Also ist nun alles vorbereitet?", fragte Rashid.

"Ja, mir bleibt nun nur noch eines zu tun."

"Und was ist das, Meister?", wollte Rashid wissen.

Der braunhaarige Mann wandte sich im Sattel um und richtete den Blick auf das Gebäude, welches in der Mitte der Stadt stand und alle anderen dominierte.

"Ich werde dem Palast einen kleinen Besuch abstatten.", sagte er.

Ein triumphierendes Lächeln umspielte seine Lippen. Rashid wurde ein wenig blass im Gesicht.

"Aber... aber Meister, warum wollt Ihr das denn tun?"

"Das geht Euch gar nichts an, Rashid!", entgegnete der hoch gewachsene Mann barsch.

"Verzeiht mir meine Neugier, Meister.", erwiderte Rashid hastig.

"Sorgt Ihr nur dafür, dass man unsere Pläne nicht entdeckt und haltete Euch bedeckt. Alles andere könnt Ihr getrost mir überlassen."

"Ja, Meister. Ich werde auf Eure Rückkehr warten."

Der Schwarzhaarige zog sich in den Schatten der Gasse zurück. Der Braunhaarige zog an den Zügeln und wendete sein Pferd. Das Tier drehte sich um und schritt aus der Gasse hinaus. Sofort fanden sie sich auf einer belebten Straße wieder. Händler schrieen von allen Seiten auf den Mann ein und versuchten, ihm ihre Waren anzudrehen. Das ließ ihn jedoch vollkommen kalt. Geschickt lenkte er sein Pferd zwischen den Menschen hindurch. Doch sie sprangen bereits von selbst aus dem Weg. Beinahe so, als habe der Mann einen unsichtbaren Schutzschild um sich herum, mit dem er die Entgegenkommenden zur Seite schob.
 

"Jono? Jono!!!!"

"Ja?"

Der Blonde zuckte zusammen und erwachte aus seiner Tagträumerei.

"Beim mächtigen Ra, was ist denn los mit dir? Ich habe dir jetzt schon mehrmals eine Frage gestellt."

Tethys blickte seinen Kameraden abwartend an.

"Es ist gar nichts.", winkte dieser ab, doch Tethys ließ nicht locker.

"Dafür dass nichts ist, benimmst du dich verdammt seltsam."

"So ein Unsinn. Ich verhalte mich doch wie immer.", wehrte Jono ab.
 

Das Pferd hielt genau vor den Türen des Palastes an. Der braunhaarige Mann stieg ab und klopfte geräuschvoll an das dicke Holz. Gleich darauf wurde eine kleine Klappe in einer Tür zur Seite geschoben und ein Paar dunkler Augen erschien.

"Nennt Euren Namen und Euer Verlangen!", sagte eine tiefe Stimme.

"Ich bin hier, um Mari zu besuchen. Sie arbeitet für den Pharao."

"Wen darf ich melden?"

Die Augen fixierten den Fremden, auf dessen Gesicht sich ein leichtes Lächeln bildete.

"Sagt Ihr, dass Ihr Bruder Seth hier ist, um sie zu sehen."

"In Ordnung.", erwiderte der Wachmann und klappte das Sichtloch wieder zu.

Seth drehte sich zu seinem Pferd um und tätschelte seine Nüstern.

< Nun werde ich sie wieder sehen. Ich kann es kaum mehr erwarten.>
 

"Seid Ihr Mari?"

Die Blondine wandte sich vom Wäschekorb ab. Vor ihr stand ein Wachmann und musterte sie von oben bis unten.

"Ja, was kann ich für Euch tun?"

"Ihr habt Besuch.", erklärte der Mann.

"Besuch?"

Sapheri hielt mitten in der Bewegung inne und sah den Wachmann verblüfft an.

"Wer ist es denn?", wollte sie wissen.

"Er sagte, er wäre Ihr Bruder."

"Mein... mein... Bruder?", stammelte Mari und ihre Augen weiteten sich.

"Nannte er Euch seinen Namen?", fragte Sapheri schnell, die sofort bemerkt hatte, dass Mari kurz davor war, die Fassung zu verlieren.

"Sein Name ist Seth."

Maris Gesicht war voller Erstaunen und Sapheri trat neben sie. Sachte zupfte sie die Blondine am Arm.

"Kennst du diesen Mann?", wollte sie wissen.

Mari nickte wie in Trance und ließ alles stehen und liegen.

"Wo ist er?", erkundigte sie sich wieder einigermaßen gefasst.

"Am Tor. Er wartet darauf, dass wir ihm Einlass gewähren."

"Ich komme mit Euch.", erklärte Mari.

Ohne noch ein weiteres Wort an Sapheri zu richten, folgte sie dem Wachmann. Die Brünette sah ihr verwundert hinterher und kratzte sich nachdenklich am Kopf.

< Ihr Bruder? Wie sollte er sie gefunden haben? Oder ist es gar nicht ihr Bruder? Hat sie nicht erzählt, dass sie mal Geschwister hatte? Sind sie tot? Das ist alles so verwirrend. Vielleicht gibt sie mir ja nachher eine Erklärung.>

Und so machte sie sich weiter daran, Wäsche über die Leine zu hängen.
 

< Wie lange dauert das denn?>

Seth ging ein wenig ungeduldig auf und ab. Sein Pferd schnaubte und scharrte mit den Hufen. Dann jedoch hörte er ein Geräusch hinter dem Tor. Er blieb stehen und blickte abwartend auf das dicke Holz. Als hätte die Tür genau auf diesen Moment gewartet, schwang sie zur Seite.

"Mari?", fragte Seth, als er die blonde Person sah.

"Seth? Was wollt....?"

"Schwester, wie wunderbar dich zu sehen!", sagte Seth.

Er ging auf sie zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. Dann zog er sie zu sich und wisperte:

"Spielt einfach mit, Mari, ich bitte Euch!"

Mari war zuerst wie gelähmt, doch dann hob sie den Kopf und sagte:

"Ich freue mich ebenfalls, Bruder."

Dann trat sie zurück und nickte dem Wachmann zu. Dieser gab den Weg frei, so dass Mari mit Seth und dessen Pferd wieder in den Palast konnte. Kaum dass sie eingetreten waren, schlossen die Wachmänner auch schon die Türe hinter ihnen. Seths Blick glitt wachsam umher und nahm jede Kleinigkeit auf.

< Wer hätte gedacht, dass ich dem Pharao jetzt schon so nahe sein würde? Wenn er wüsste, wen er da gerade in seine Mauern gelassen hat....>

Seth hatte ein spöttisches Lächeln auf dem Gesicht, während er mit Mari über den Hof schritt. Als sie außer Hörweite der Wachen waren, fragte Mari:

"Warum habt Ihr Euch als mein Bruder ausgegeben?"

"Nun ja, ich war mir nicht sicher, ob man mich einlassen würde, wenn ich gesagt hätte, dass ich Euch einfach sehen wollte, weil ich Euch nicht vergessen konnte.", erwiderte Seth lächelnd.
 

Die beiden jungen Männer standen schweigend nebeneinander. Tethys warf seinem Kameraden hin und wieder einen heimlichen Blick zu. Der Blonde starrte einfach in die Luft. Dabei sollten sie doch Wache halten. Schließlich konnte Tethys es sich nicht mehr verkneifen und fragte wie zufällig:

"Hat Mari dir einen Korb gegeben?"

Daraufhin zog Jono erstaunt eine Augenbraue hoch und entgegnete:

"Warum sollte sie mir einen Korb gegeben haben? Wie kommst du auf diese Frage?"

"Dann hast du es ihr immer noch nicht gesagt?"

"Natürlich nicht.", gab Jono zurück.

Tethys Gesicht verzog sich zu einer Grimasse bevor er sagte:

"Tja, dann hast du wohl Pech gehabt."

"Warum das?", wollte Jono verblüfft wissen.

"Da ist dir jemand zuvorgekommen.", lautete die Antwort.

"Was bitte??", fragte Jono vollkommen perplex.

Tethys deutete mit dem Finger nach unten auf den Hof.

"Sieh doch selbst.", meinte er.

Jono trat an den Rand der Scheune und spähte hinunter. Auf dem Hof gingen zwei Personen. Eine davon war Mari und die andere war...

"Wer ist das denn?", hörte Jono sich böse fragen.

"Es hat den Anschein, dass er ebenfalls an ihr interessiert ist."

"Wie kommst du darauf?", fragte Jono.

"Würde er sie sonst im Arm halten?", entgegnete Tethys.

Als Jono genauer hinsah, bemerkte er, dass Tethys vollkommen Recht hatte. Der Fremde hatte den linken Arm um Maris Hüfte gelegt, während er mit der rechten die Zügel seines Pferdes hielt.

"Offensichtlich kennen sie sich gut.", bemerkte Tethys.

Dann warf er den Blick auf Jono. Dieser hatte eine Hand zur Faust geballt und sich auf die Lippe gebissen.

"Sollen wir ihnen mal einen kleinen Besuch abstatten?", fragte Tethys.

Er grinste seinen Kameraden an.

"Ich weiß nicht genau.", erwiderte der Blonde zweifelnd.

"Ach, komm schon. Wir gehen einfach ein wenig durch die Gegend und sehen nach dem Rechten.", schlug Tethys vor und sah Jono abwartend an.

"Na schön, von mir aus.", antwortete dieser.
 

"Und Ihr seid wirklich nur meinetwegen gekommen?", fragte Mari.

"Wenn ich es Euch doch sage, Mari. Ich konnte Euer Gesicht einfach nicht vergessen."

Mari war ein wenig geschmeichelt und wandte den Blick von ihm ab. Er hatte den Arm immer noch um sie gelegt, damit es wirklich so aussah, als seien sie Geschwister.

"Kann ich mein Pferd irgendwo anbinden?", wollte Seth wissen.

"Da vorne an der Tränke.", erwiderte Mari.

Sie gingen auf das steinerne Becken zu. Direkt daneben stand ein Baum, der Schatten spendete. Seth band den Braunen an einem Balken fest, so dass er trinken und auch ein wenig von dem Gras fressen konnte, das vereinzelt am Boden wuchs.

"Und was nun?", fragte Mari.

"Wie wäre es, wenn wir uns irgendwo hinsetzen, um in Ruhe reden zu können? Am besten ein wenig abseits, damit die Wachen uns nicht ständig beobachten."

Seth sah sich kurz um und bemerkte die beiden Wachmänner, die sich von der Scheune aus langsam näherten.

"Gehen wir doch in den königlichen Garten.", schlug Mari vor.

"Das ist eine gute Idee.", erwiderte Seth.

Also gingen die beiden links an der großen Steintreppe vorbei. Schon nach wenigen Metern betraten sie den königlichen Garten, der gesäumt von niedrigen Hecken war. In seiner Mitte plätscherte ein Springbrunnen aus glänzendem Stein. Das Becken war reich an Verzierungen und Ornamenten und viele Vögel benutzten es dankbar als Badewanne.

"Es ist sehr schön hier.", bemerkte Seth.

"Ja, es ist eine Oase der Ruhe und Entspannung.", stimmte Mari ihm zu.

Die beiden gingen weiter in den Garten hinein. Es hielten sich noch andere Leute zwischen den Hecken auf, allerdings schenkten sie ihnen keine Beachtung. Seth ließ den Blick umherschweifen.

< Das hier ist also das luxuriöse Leben des Pharao. Er kann sich warm anziehen! Während ich mich Tag für Tag gequält habe, hat er hier in seinem Reich grenzenlosen Wohlstand genossen. Das bleibt nicht ungestraft!>

"Seth?"

"Ja?", fragte der Braunhaarige und wandte den Kopf um.

"Ihr seid doch noch aus einem anderen Grund hier, hab ich nicht Recht?"

Die Blondine sah zu ihm auf und blickte ihm forschend in die Augen.

"Euch kann man wirklich nichts verheimlichen.", erwiderte Seth lächelnd.

Er sah in ihr schmales Gesicht und versuchte sich jede Kleinigkeit genau einzuprägen. Diese Frau hatte etwas Unwiderstehliches an sich, das ihn fast um den Verstand brachte. Nicht nur dass sie hübsch war! Da war noch etwas anderes, das Seth sich nicht erklären konnte. Eine Stimme sagte ihm, dass sie sich nicht zufällig begegnet waren. Er war dazu auserkoren, diese Frau zu gewinnen. Das wusste er ganz genau.

"Hat es mit mir zu tun?", riss ihn die Stimme der Blondine aus seinen Gedanken.

"Das hat es in der Tat.", entgegnete Seth.

Gleich darauf bemerkte er, dass Mari einen Schritt von ihm wegging und ihn angstvoll ansah.

< Oh nein, ob er geschickt wurde, um mich zurück nach Siwu zu bringen? Ich will dort nicht wieder hin! Ich will nie, nie wieder an diesen schrecklichen Ort zurück!>

"Was habt Ihr denn?", wollte Seth wissen.

"Hat man Euch geschickt, um mich zu holen?", wollte die Blondine wissen.

Seth stellte voller Erstaunen fest, dass ihre Stimme zitterte.

"In wessen Auftrag sollte ich denn kommen? Ich diene niemandem.", antwortete Seth.

Mari sah ihn zweifelnd an, doch Seth wiederholte:

"Ich diene niemandem. Ich bin hergekommen, weil ich Euch sehen wollte."

"Verzeiht mir, bitte.", entgegnete Mari.

Sie ließ sich auf einer Bank zu ihrer Rechten nieder und schlug die Hände vor das Gesicht.

"Es tut mir Leid, ich wollte Euch nicht beleidigen. Es ist nur.... oh Gott..."

Zusammengekauert saß sie auf dem glatten Holz und ihr zierlicher Körper zitterte. Seth konnte sich den Grund dafür zwar nicht erklären, aber er setzte sich augenblicklich neben sie. Behutsam legte er seine linke Hand auf ihre Schulter.

"Ich wollte Euch keine Angst machen.", sagte er leise, doch Mari schüttelte den Kopf.

"Schon gut, es hat nichts mit Euch zu tun. Ich habe mich nur an Dinge erinnert, die ich für immer vergessen wollte.", erwiderte die Blondine.

Seth rutschte noch näher an sie heran und legte die Arme um sie. Mit leichtem Druck zog er sie zu sich und wog sie in den Armen wie ein kleines Kind.

"Weint ruhig, Mari, hinterher werdet ihr Euch besser fühlen.", wisperte er.

Sein Blick schweifte über die Umgebung und er bemerkte die beiden Wachmänner, die am Brunnen standen.
 

"Das ist doch wohl die Höhe!"

Jono fluchte leise und verhalten. Tethys neben ihm ließ die Hand im Wasser hin und her gleiten. Das leise Plätschern dämpfte die Geräusche ringsherum und verschluckte Jonos leise ausgestoßene Flüche.

"Was tut er da überhaupt?"

"Vielleicht hat er ihr ja gerade die Nachricht überbracht, dass jemand gestorben ist.", überlegte Tethys.

Jono grummelte kurz und bohrte seine Fußspitze in das frische geschnittene Gras.

"Ganz ruhig, mein Freund, sicherlich wird er gleich gehen.", meinte Tethys.

"Hoffentlich.", murmelte Jono.

"Nur weil du es immer noch nicht fertig gebracht hast mit ihr zu reden, heißt es doch nicht, dass kein anderer es darf, oder?"

"Hier geht es doch nicht um mich, Tethys! Mari hat schlechte Erfahrungen gemacht und ich will nicht, dass dieser Kerl dort ihr vielleicht noch mehr wehtun könnte."

"Du bist nicht ihr Vater, Jono, und auch nicht ihr Freund!", gab Tethys zurück.

Jono biss sich kurz auf die Lippe und seufzte dann.

"Du hast Recht, Tethys. Ich bin nicht ihr Freund.", sagte er leise.
 

"Seid Ihr wieder in Ordnung?"

Mari blickte auf und begegnete seinen blauen Augen.

"Ja, es geht schon.", antwortete sie und löste sich aus seiner Umarmung.

Leicht verlegen rückte sie ein Stück zurück und wischte sich die Tränen von den Wangen.

"Herrje, ich muss furchtbar aussehen.", sagte sie, um die Stille zu unterbrechen.

"Nein, Ihr seht wunderbar aus, Mari. Selbst ein paar Tränen können Euer Gesicht nicht entstellen!"

Seth strich ihr lächelnd eine Haarsträhne hinter das Ohr.

"Warum seid Ihr hergekommen?"

"Ich wollte Euch einen Vorschlag machen.", entgegnete Seth.

"Einen Vorschlag?", fragte Mari mit großen Augen.

"Ja, was haltet Ihr davon, mit mir zu kommen?"

"Wie meint Ihr das?", fragte Mari verblüfft.

"Der Palast ist kein sicherer Ort für Euch. Habt ihr nicht von der drohenden Gefahr gehört?"

Ahnungslos schüttelte Mari den Kopf.

"Man munkelt, dass sich im Osten einige Rebellenstämme zusammen getan haben. Es werden von Tag zu Tag mehr und sie haben sicherlich die Absicht, den Pharao zu stürzen."

"Aber... aber warum sollten sie den Pharao stürzen wollen? Er ist ein guter Herrscher."

Seth musste sich zurück halten, um nicht eine abfällige Bemerkung loszulassen. Mari wusste ja gar nicht die Wahrheit über den Pharao.

"Wenn es einen Angriff geben wird, so seid Ihr hier nicht sicher. Kommt mit mir, Mari!"

"Ich... ich kann nicht.", sagte Mari und stand auf.

Doch mit der Schnelligkeit eines Raubtieres hatte Seth ihr Handgelenk gepackt und hielt es fest.

"Überlegt es Euch, Mari. Ich kann nicht zulassen, dass Ihr Euch hier in der Stadt aufhaltet, wenn sie kommen."

"Seth, ihr versteht das nicht", begann Mari und befreite sich aus seinem Griff, "ich kann nicht einfach so gehen. Ich habe Freunde hier."

"Ihr könntet neue Freunde finden. Mari, bitte..."

Seth trat nun direkt vor Mari und die Blondine musste den Kopf recken, um ihm in die Augen sehen zu können.

"Ich bitte Euch inständig: Kommt mit mir! Ich werde Euch in Sicherheit bringen. Ich könnte es mir niemals verzeihen, wenn Euch etwas zustoßen würde."

Dabei hatte er seine Hände auf ihre Schultern gelegt. Mari fühlte sich plötzlich ganz seltsam. Sie konnte den Blick nicht von seinen blauen Augen nehmen. Sie waren genau auf ihre fixiert und schienen ihren Kopf zu durchbohren. Ganz langsam fühlte sie, dass Seth sich näher zu ihr beugte. In diesem Moment stieg eine altbekannte Panik in ihr auf, die sie erzittern ließ und dazu veranlasste, den Kopf weiter nach hinten zu lehnen.

"Bitte nicht....bitte....", murmelte sie mit bebender Stimme.

"Hey, lasst sie sofort los!"

Es ging alles sehr schnell. Ehe Mari es sich versah, stand Jono vor ihr und hatte Seth zurückgestoßen.

"Was geht Euch das alles an?", entgegnete Seth barsch.

"Eine ganze Menge. Diese Frau gehört zu meinen Freunden und wenn Ihr noch mal Hand an sie legt, dann versichere ich Euch, dass ihr Euch hier nie wieder blicken lassen werdet!"

Jonos Stimme war voller Zorn und er hatte drohend die Arme in die Hüfte gestützt.

"Jono, es war wirklich nicht schlimm...", schaltete sich Mari ein.

"Ach nein? Und warum hast du dann gezittert?", wollte er leise wissen.

Mari senkte leicht beschämt den Blick. Jono hatte es gesehen? Wieso hatte sie bloß das Gefühl, dass er sie besser kannte als sie sich selbst?

"Es ist wohl besser, wenn Ihr jetzt geht, Seth!", mischte sich Tethys ein, der direkt neben Jono stand.

"Das glaube ich auch.", erwiderte dieser kalt und drehte sich um.

"Seth, wartet! Ich bringe Euch noch zum Tor!", rief Mari und lief an Jono vorbei.

"Aber Mari...", wandte dieser ein.

"Kein aber, Jono. Ich brauche nicht lange.", sagte sie in einem Ton, der keine Widerworte duldete.

Dann war sie auch schon bei Seth angelangt und ging neben ihm her. Gemeinsam verließen sie den Garten Richtung Haupttor und waren schon bald aus dem Blickfeld verschwunden.

"Das war aber ein höchst eigenartiger Vorfall.", bemerkte Tethys.

"Du sagst es.", stimmte Jono ihm zu.

Tethys merkte, dass in Jono das Verlangen loderte, den beiden nachzulaufen, deswegen sagte er:

"Wir sollten tun, worum sie gebeten hat und warten."

"Ja, ich weiß, aber ich habe ein ungutes Gefühl bei diesem Kerl.", gab Jono zurück.
 

"Es tut mir wirklich Leid."

"Nein, es war nicht Eure Schuld, Mari. Ihr könnt nichts dafür. Eigentlich müsste ich mich entschuldigen."

Mari sah den Braunhaarigen erstaunt an, als er sein Pferd losband.

"Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle, verzeiht mir!"

Doch Mari winkte ab und setzte ein Lächeln auf.

"Schon in Ordnung, jeder darf hin und wieder mal die Kontrolle verlieren."

Seth schenkte ihr ein dankbares Lächeln. Trotzdem wurde Mari das Gefühl nicht los, dass seine Augen niemals lächelten. Sie waren blau wie das Meer und auch gleichzeitig ebenso kalt.

"Ihr könnt es Euch ja noch überlegen.", unterbrach Seth ihre Gedanken.

Mari nickte und ging neben ihm her, während er sein Pferd über den Hof führte.

"Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mein Angebot annehmen würdet."

"Ich werde darüber nachdenken.", gab Mari zurück.

"Wir werden uns wieder sehen, Mari.", meinte Seth.

Die Blondine nickte und sah Seth ein letztes Mal in die Augen.

"Auf Wiedersehen.", sagte sie.

Nun war es an Seth, ihr zuzunicken und dann gab er seinem Pferd Schenkeldruck. Der Braune setzte sich in Bewegung und überquerte in einem leichten Trab den steinernen Hof. Mari stand noch immer an der gleichen Stelle und sah Pferd und Reiter hinterher. Seth war mittlerweile am Haupttor angekommen und redete kurz mit den Wachmännern. Mari sah, dass einer seinen Kameraden ein Zeichen gab, damit sie an der Kurbel drehten und den Balken hochzogen. Dann stieß er die Tür auf. Seth drehte sich noch einmal im Sattel um und hob die Hand zum Abschied. Mari erwiderte diese Geste und beobachtete, wie Seth langsam durch das Tor verschwand. Dann fiel die Tür hinter ihm zu und mit einem leisen Quietschen rutschte der Holzbalken wieder an seinen Platz. Mit einem leisen Seufzer drehte Mari sich um. Augenblicklich fiel ihr Blick auf die beiden Wachmänner, die am Eingang zum königlichen Garten gestanden hatten. Es waren Jono und Tethys. Der Blonde sah sie abwartend an, als wolle er eine Erklärung für das haben, was gerade vorgefallen war, doch Mari war jetzt nicht in der Stimmung dafür. Was Seth ihr gerade gesagt hatte, hatte alles grundlegend verändert. Wenn die Gerüchte stimmten und sich wirklich Rebellen zusammen getan hatten, um den Pharao zu stürzen, dann bedeutete dies doch auch, dass jeder in Gefahr war, der im Palast arbeitete. Ob der Pharao das auch schon wusste?

< Bestimmt weiß er es schon. Aber wohl ist mir bei der Sache nicht. Am besten werde ich mit Sapheri darüber reden. Und das so schnell wie möglich.>

Mari setzte sich in Bewegung und eilte die lange Steintreppe in den Palast hinauf.

"Wieso geht sie denn jetzt einfach?", fragte Tethys verwirrt.

"Ich würde zu gerne wissen, was dieser Typ ihr gesagt hat, dass sie es plötzlich so eilig hat.", meinte Jono.

"Du kannst sie ja heute Abend beim Mahl darauf ansprechen. Jetzt sollten wir allerdings erst mal auf unseren Posten zurückkehren. Komm schon!

Leicht widerwillig folgte der Blonde seinem Kameraden über den Hof. Trotzdem konnte er den Gedanken an Maris ängstliches Gesicht nicht verdrängen, als der Fremde sie hatte küssen wollen.
 

Immer her mit euren Meinungen!!

Bye, Hillary

Der Talisman

So, damit eure Wartezeit ein wenig verkürzt wird, geht es hier weiter. Und eines garantiere ich euch: Romantiker werden in diesem Kapitel auf ihre Kosten kommen, denn... nein, das müsst ihr schon lesen...*smile*
 

Kapitel 15: Der Talisman
 

"Sapheri?"

Die Blondine öffnete die Tür zu Sapheris Gemach, das seit ein paar Wochen auch ihres war.

"Mari? Da bist du! Du bist vorhin so überstürzt verschwunden, dass ich mich schon fragte, ob etwas Schlimmes passiert ist."

"Nein, es ist alles in Ordnung. Hör mal, Sapheri, weißt du, ob der Pharao von den Rebellen weiß, die sich gegen ihn verschworen haben?"

Die Blondine trat an den Schreibtisch heran und Sapheri legte erstaunt die Feder auf dem Papyrus nieder.

"Wie kommst du denn jetzt darauf?", wollte sie wissen.

"Glaubst du der Pharao weiß davon?", wiederholte Mari ihre Frage.

"Natürlich weiß er davon. Isis kann mit Hilfe ihrer Milleniumskette in die Zukunft sehen. Ich bin mir sicher, dass sie den Pharao längst gewarnt hat."

"Wenn du es sagst.", meinte Mari und war gleichzeitig erleichtert.

"Magst du mir nun erklären, wer derjenige war, der dich besucht hat."

Die Blondine überlegte kurz, ob sie Sapheri die Wahrheit sagen oder sie anlügen sollte. Schließlich entschied sie sich dafür, gar nichts zu sagen und meinte:

"Tut mir Leid, Sapheri, aber darüber möchte ich nicht sprechen."

"Schon in Ordnung. Vielleicht sollten wir mal nach Ihrer Hoheit sehen."

Mari nickte und verließ gemeinsam mit Sapheri das Gemach. Schnell machten sie sich auf den Weg zu den königlichen Gemächern und als sie ankamen, standen wie immer zwei Wachmänner vor der großen Tür.

"Wir wollen nach Ihrer Hoheit sehen.", sagte Sapheri und verneigte sich.

Der Wachmann nickte und stieß dann einen Türflügel ein Stück auf. Sapheri und Mari schlüpften hindurch und sahen sofort, dass Teana nicht im Raum war.

"Euer Hoheit, wo seid Ihr?", fragte Sapheri laut.

"Auf dem Balkon.", ertönte die Antwort.

Mari und Sapheri schritten durch den Raum und standen schließlich an der Öffnung zum Balkon. Die Sonne schien warm und freundlich in das Innere. Teana stand am Geländer und hatte sich mit den Händen dort aufgestützt. Als sie die Schritte hinter sich hörte, wandte sie den Kopf um und sagte:

"Schenkt euch die Verbeugung. Kommt zu mir und leistet mir Gesellschaft."

Die beiden Frauen waren zuerst leicht überrascht und sahen sich schnell an, doch Teana lächelte.

"Kommt her!", sagte sie und klopfte auf das Geländer.

Sapheri und Mari kamen näher und stellten sich rechts und links neben Teana an den Rand.

"Wie geht es Euch?", erkundigte sich Mari.

"Ich kann mich nicht beklagen.", erwiderte Teana.

"Ihr seht müde aus, Euer Hoheit.", fügte Sapheri hinzu.

"Ich schlafe in letzter Zeit nicht mehr so gut.", gab Teana zurück.

"Ist es wegen dem Baby?"

Teana nickte und lenkte den Blick nachdenklich auf den königlichen Garten, der direkt unter ihrem Fenster lag.

"Mein Gefühl sagt mir, dass es nicht mehr sehr lange dauern wird. Es tritt mich ständig und ist dauernd in Bewegung.", erklärte Teana.

"Und Ihr meint nicht, dass es besser wäre, einen Arzt rufen zu lassen?", fragte Mari.

"Nein, Mari, ich habe ja keine Beschwerden. Allerdings..."

"Ja?"

Teana atmete kurz tief ein ehe sie weiter sprach:

"...allerdings habe ich Angst."

"Wovor denn, Euer Hoheit?", wollte Sapheri wissen.

"Na ja, ich weiß nicht, ob alles gut gehen wird. Was ist denn, wenn es Komplikationen gibt? Was ist, wenn...?"

"Macht Euch keine Sorgen, Euer Hoheit", unterbrach Mari Teana, "ich bin mir absolut sicher, dass es keine Schwierigkeiten geben wird. Ihr werdet schon sehen."

"Ich danke euch für euren Beistand.", sagte Teana.

"Ich gehe schon mal hinein und lasse ein Bad ein.", sagte Mari.

Dann verschwand sie wieder im Inneren des Raums. Teana sah ihr nach und sobald sie sicher war, dass Mari außer Hörweite war, wandte sie sich an Sapheri.

"Weißt du mittlerweile mehr über sie?"

Doch Sapheri schüttelte den Kopf und antwortete:

"Sie spricht mit keinem Wort darüber. Weder über sich noch über ihre Familie oder sonstiges."

"Es ist bedauerlich, dass sie nach so langer Zeit immer noch kein Vertrauen zu uns gefasst hat."

Teana warf einen kurzen Blick nach innen und ihre Augen wurden mitleidig.

"Ihr muss wirklich Schreckliches widerfahren sein.", setzte sie hinzu.

"Nun ja, man kann nicht sagen, dass sie zu niemandem von uns Vertrauen gefasst hat.", antwortete Sapheri.

Teana sah sie daraufhin abwartend an.

"Jono versteht sich sehr gut mit ihr.", sagte Sapheri.

Daraufhin musste Teana lächeln und gab zurück:

"Es ist mir nicht entgangen, dass die beiden auffallend oft beieinander sind."

"Mari versicherte mir jedoch, dass zwischen ihnen nichts passiert wäre. Offensichtlich hat sie Angst, dass man sie

bestrafen könnte."

"Warum denn das? Nur weil zwei junge Menschen zueinander gefunden haben, sollen sie bestraft werden?"

Teana zog verwundert die Augenbrauen hoch und sah Sapheri stirnrunzelnd an. Diese zuckte mit den Schultern.

"Ich war auch sehr verwirrt und sagte ihr, dass es Jonos Entscheidung ist, ob und mit welcher Frau er sich trifft."

"Vielleicht sollten wir in diesen Zusammenhang noch einmal mit ihr reden. Am besten dann, wenn es sich zufällig ergibt.", schlug Teana vor.

"Das Bad ist fertig.", tönte es plötzlich von drinnen.

"Wir kommen.", rief Sapheri und gemeinsam gingen die beiden Frauen nach drinnen.
 

Einige Stunden später saßen wieder alle im großen Saal. Atemu hatte vor wenigen Minuten das Mahl eröffnet. Mari unterhielt sich angeregt mit Sapheri, während Jono auf der anderen Seite eine scheinbare Konversation mit Tethys führte.

"Hat sie schon rüber gesehen?"

"Nein!", gab Tethys arg genervt zurück.

Jono hatte ihm dieselbe Frage schon vor einer Minute gestellt.

"Dann hat sie sich offensichtlich wieder beruhigt.", stellte der Blonde fest.

Diese Tatsache ließ ihn erleichtert aufatmen.

"Bei den Göttern, geh doch zu ihr hin und frag sie!"

"Aber sie wollte mir doch heute Mittag schon keine Erklärung geben.", wandte Jono ein.

"Du hast sie doch gar nicht gefragt.", erwiderte Tethys.

"Natürlich nicht. Sie sah doch so aus, als wollte sie nicht darüber reden.", gab Jono zurück.

"Und genau da liegt dein Problem, mein Freund! Du fragst nicht, du vermutest nur! Woher willst du wissen, dass sie nicht darüber reden wollte? Geh endlich hin und frag sie, was los war!"

"Du hast Recht. Das werde ich jetzt tun."

Jono erhob sich von seinem Stuhl und ging zur anderen Seite des Tisches. Es verwirrte ihn, als er nun sah, dass Maris Platz leer war. Er blickte sich um, ob er sie irgendwo auf der Tanzfläche entdecken konnte, doch dem war nicht so. Aus diesem Grund beugte er sich zu seiner Schwester.

"Sapheri."

"Ja?", fragte sie und drehte sich.

"Äh... na ja...äh, weißt du wo... wo Mari ist?"

"Sie ist gerade erst gegangen.", informierte ihn seine Schwester.

"Auf ihr Zimmer?", hakte Jono nach.

"Warum willst du das wissen? Willst du mit ihr tanzen?"

"Ich muss dringend mit ihr reden.", erklärte Jono.

"Ah, wenn das so ist, dann ist sie zum Stall gegangen, um das verletzte Pferd zu versorgen."

"Ich danke dir.", sagte Jono und machte sich eilig auf den Weg Richtung Ausgang.

Sapheri wandte Teana den Kopf zu. Diese zwinkerte der Brünetten zu und lächelte wohl wissend.
 

"Jetzt geht es dir wieder besser nicht wahr?"

Mari klopfte dem Schimmel den Hals und verschloss die Flasche mit der Medizin wieder mit dem Korken. Dann verließ sie die Box und schloss die Holztür wieder. Sie stützte sich mit den Ellbogen auf das Holz und beobachtete den Schimmel, während dieser Heu fraß. Sein Bein fühlte sich bereits besser an. Nur noch wenige Tage und dann würde er kuriert sein. Mari musste lächeln, als ein plötzliches Geräusch sie zusammen zucken ließ. Die Tür war mit einem lauten Ruck aufgerissen worden. Der Grund dafür, so sah Mari nun, war einer der Wachmänner gewesen. Offensichtlich hatte er sich ein wenig verschätzt. Mari kümmerte sich nicht weiter darum, sondern wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Schimmel zu.

"Wo is denn der vadammte Gaul?"

Mari versuchte die laute Stimme zu ignorieren.

"Ey, du!"

Mari wandte den Kopf um. Der Wachmann stand an einer Box nicht weit von ihr entfernt und sah sie an.

"Kannsu mir sagn, wo mein Gaul is?"

Die Blondine schüttelte den Kopf und antwortete:

"Ich vermute, dass er irgendwo hier steht."

Sie dachte schon, dass es damit erledigt wäre, doch dann hörte sie näher kommende Schritte und gleich darauf seine leicht lallende Stimme genau neben ihrem linken Ohr.

"Kennen wir unsss nich von irendwo h... her?"

"Ich denke nicht.", gab Mari zurück.

"Doch, doch, ich bin mir ganz sischa. Ham wir uns nich mal beim Früh... Frühstück gesehn?"

"Daran würde ich mich erinnern.", antwortete Mari und nahm die Flasche mit der Medizin vom Boden.

"Ich erinner mich daran. Du wars doch diese süße Suckerschnuuuute, die nich reden wollte, oda?"

Als Mari sich den Mann genau ansah, fiel ihr auf, dass es derselbe war, der sie damals darum gebeten hatte, ihr das Obst anzureichen.

"Ich werde jetzt gehen.", sagte sie.

"Halt, warum so eilich? Willsu nich n bischen mit mir reden?"

"Ihr solltet vielleicht wieder in den Palast zurückgehen. Ihr habt eine Fahne.", sagte Mari ruhig.

"Fahne? Wer hat hier ne Fa- ha- hahne? Zier dich nich so. Du kanns ruhig sagen, dass dir reden zu kindisch is."

"Ich muss jetzt wirklich gehen.", wiederholte Mari mit leichtem Beben in der Stimme.

"Kein Abschiedskuss?", fragte der Mann mit einem Grinsen.

"Ich gehe jetzt."

Mari war gerade an ihm vorbeigegangen, als sie von zwei kräftigen Händen gepackt und gegen die nächste Box gedrückt wurde.

"Was soll das? Lasst mich los!", rief sie und strampelte.

Doch der Alkohol schien den Wachmann völlig um den Verstand gebracht zu haben, denn er grinste wie ein Irrer.

"Ich wollte dich damals schon so haben. Wehrlos und direkt vor mir. Oder doch unter mir?"

"Tut das nicht oder ich werde schreien!", drohte Mari.

"Es kann uns keina hörn. Sie sind alle beim Essn."

Mari wusste, dass er Recht hatte und diese Tatsache ließ Panik in ihr aufsteigen. Dem Wachmann schien das nicht entgangen zu sein und er grinste.

"Diesmal gehörs du mir ganz allein."

"Nein! Hilfe! Hilfe! Hört mich denn keiner?"

In diesem Moment schnitt er ihr das Wort ab, indem er seine linke Hand über ihren Mund legte. Mit seinem Körper presste er ihren gegen den Holzverschlag dahinter.

"Dann wolln wir ma schaun.", sagte er leise.

Mari fühlte, dass seine rechte Hand unter ihr Kleid griff und sich an ihrer Unterhose zu schaffen machte. Eine Panik, die ihr die Luft abzuschnüren drohte, hatte von ihr Besitz ergriffen und trieb ihr die Tränen in die Augen.

"Hey!"

Der Wachmann drehte den Kopf und im gleichen Augenblick hörte man einen gewaltigen Knall. Mari fühlte, dass der Druck von ihrem Körper abließ und sank schluchzend in sich zusammen.

"Mari, alles in Ordnung?"

Doch Mari antwortete nicht. Sie hatte die Arme um ihre Knie geschlungen und weinte bitterlich.

< Wieso ich? Warum bin ich nicht stark genug um solche Dinge zu verhindern?>, dachte sie.

"Komm schon, Mari, du musst aufstehen!"

Nur weit entfernt hörte die Blondine Jonos Stimme an ihr Ohr dringen. Als sie den Kopf hob, dauerte es einige Sekunden bis sie wieder ein klares Bild vor Augen hatte. Dann sah sie, dass es wirklich Jono war, der vor ihr hockte und sie besorgt musterte.

"Was ist passiert?", fragte sie leise.

"Der Typ schläft jetzt erst mal ein Weilchen.", erklärte Jono.

Maris Blick glitt zu der reglosen Gestalt hinter Jono. Offensichtlich hatte der Blonde den Wachmann bewusstlos geschlagen. Er legte Mari eine Hand auf den Arm, was die Blondine jedoch nicht zusammen zucken ließ.

"Geht es wieder?"

Mari nickte wortlos und wischte sich die Tränen aus den Augen.

"Komm, ich helfe dir. Du musst aufstehen!"

Mari reichte Jono ihre Hand und ehe sie sich's versah, stand sie schon auf den Beinen.

"Am besten gehen wir erst mal raus.", schlug Jono vor und legte den Arm um Maris Schulter.

Die Blondine nickte zustimmend und so verließen sie den Stall. Draußen rief Jono einen der Wachmänner zu sich. Er kam sofort angelaufen und fragte:

"Was kann ich für Euch tun, Heerführer Jono?"

"Im Stall liegt ein bewusstloser Wachmann. Nehmt Euch einen Kameraden und bringt ihn in den Palast auf sein Zimmer. Dort soll er seinen Rausch ausschlafen und auf mich warten. Ich habe noch ein Wörtchen mit ihm zu reden."

Dabei machte Jono ein so grimmiges Gesicht, dass der Wachmann ihn erschrocken ansah. Als sein Blick jedoch auf die zitternde Frau in Jonos Armen fiel, konnte er sich denken, was sein Kamerad im Alkoholrausch verbrochen hatte. Er nickte und winkte dann einem der anderen Wachmänner zu, ihm zu helfen.

"Komm, wir gehen irgendwo hin, wo du dich beruhigen kannst."

Er ging mit Mari im Arm über den steinernen Innenhof, welcher mittlerweile durch Feuer erleuchtet wurde.

"Sollen wir in den Garten gehen?", fragte Jono.

"Ja.", erwiderte Mari.

Also schlugen sie den Weg in den Garten ein. Als sie dort ankamen, lag alles in völliger Stille da. Auch wenn es mittlerweile dunkel geworden war, so wirkte es doch noch sehr einladend. Jono führte Mari zu einer Bank und ließ sich dann neben ihr nieder. Maris Körper wurde immer noch hin und wieder von Schluchzern heimgesucht.

"Danke, dass Ihr mir geholfen habt."

"Du hattest Glück, dass ich dir nachgegangen bin. Jetzt hast du ja erlebt, was ich damals zu dir gesagt habe."

Mari nickte und schlang die Arme um ihren Oberkörper.

"Hat er dich...?", begann Jono, doch Mari schüttelte den Kopf.

"Soweit ist er nicht gekommen.", gab die Blondine zurück.

Jono nickte gedankenverloren. Er wusste, warum er Alkohol verabscheute. Er ließ jeden vollkommen die Kontrolle über seinen Körper verlieren.

"Es ist so furchtbar. Warum passiert mir das immer? Warum kann ich mich nicht wehren?"

Maris Stimme klang ein wenig erstickt.

"Du darfst dir nicht die Schuld daran geben, Mari. Es ist doch nur passiert, weil dieser Kerl ein Glas zuviel getrunken hat. Dich trifft keine Schuld."

Die Blondine sah ihn gequält an und jetzt erst fiel Jono auf, was sie gerade gesagt hatte.

"Was meinst du mit ,immer'?", wollte er wissen.

Mari wandte beschämt den Kopf zur Seite, doch Jono drehte ihn zurück.

"Was meintest du damit? War das nicht das erste Mal?"

Mari schüttelte den Kopf und sagte leise:

"In Siwu... da.... ging es beinahe täglich so."

"Aber.. du sagtest doch, du wärst eine Sklavin gewesen.", wandte Jono ein.

"Ja", erwiderte Mari und lachte bitter auf, "um die Bedürfnisse der Männer zu befriedigen."

"Nein, sag mir nicht, dass du..."

"Doch, so war es! Ich musste meinen Körper anbieten."

Jono glaubte sein Atem müsse aussetzen. Jetzt verstand er auch, warum sie die ganze Zeit über so verschlossen gewesen war und mit niemandem hatte reden wollen, schon gar nicht mit Männern. Jono konnte gar nicht glauben, dass man ihr das angetan hatte.

"Aber sie haben es nicht geschafft.", flüsterte die Blondine.

"Was?", fragte Jono.

"Männer sind sehr einfach abzulenken. Vor allem solch einfältige Männer. Gib ihnen genug Alkohol, um ihre Zunge zu lockern. Dann erzählen sie dir jede Menge Geschichten und sind am Ende so erschöpft darüber, dass sie einschlafen. Am nächsten Tag musst du ihnen nur weismachen, du hättest mit ihnen die wundervollste Nacht deines Lebens verbracht."

"Das hat funktioniert?", fragte Jono verblüfft.

"Jedes Mal. Bis ich eines Tages aufgeflogen bin. Mein Herr war so erzürnt darüber, dass ich ihn die ganze Zeit getäuscht hatte, dass er mich auspeitschen ließ."

"Daher also auch die Striemen auf deinem Rücken.", warf Jono ein und Mari nickte.

"In dieser Nacht gelang mir die Flucht und seither lebe ich in ständiger Furcht, dass sie mich finden und wieder zurückbringen könnten."

"Niemand wird dich von hier fortbringen, Mari, dafür werde ich schon sorgen. Und der Pharao steht ebenfalls hinter dir. Wenn etwas sein sollte, so wird er für dich einstehen."

Mari nickte und vergrub die Finger in ihrem Kleid. Jono zögerte kurz, doch dann ergriff er ihre Hand. Die Blondine hob den Kopf und sah ihm in seine braunen Augen.

"Vertrau mir, Mari, du wirst hier bleiben. Niemand bringt dich fort."

"Ich danke dir, Jono."

Im gleichen Moment machte sie große Augen, da sie ihn einfach so geduzt hatte. Doch Jono lächelte nur.

"Ich hatte mich schon gefragt, wann du mich nicht mehr so förmlich anreden würdest."

Mari legte den Kopf schief und erwiderte:

"Du hast mich jetzt schon so oft gerettet, dass es mir lächerlich vorkommt, wenn ich dich weiterhin sieze."

"Ich habe etwas für dich, Mari. Eigentlich wollte ich es dir heute Mittag schon geben, aber dann war da dieser Typ und ich dachte... na ja, ist ja auch egal. Hier."

Jono zog etwas aus seiner Jackentasche und legte es in Maris Handfläche. Als sie es ansah, stellte sie fest, dass es ein dünnes Lederband war, an dem ein Anhänger baumelte. Der Anhänger war aus lila Kristall, wahrscheinlich Amethyst. Er war in einer Säulenform geschliffen und glitzerte auch in der Dunkelheit noch.

"Oh, Jono, das ist... das... ist wunderschön.", stammelte Mari verzückt.

"Ich habe ihn gesehen und musste sofort an dich denken. Ich finde, dass er wunderbar zu deinen Augen passt."

Jono nahm ihr die Kette aus der Hand und legte sie ihr um den Hals.

"Jetzt hast du deinen eigenen Talisman und musst nicht mehr den von Sapheri tragen."

Mari saß ganz still, während Jono den Verschluss in ihrem Nacken zumachte. Die Berührung seiner Finger jagte ihr einen Schauer über den Körper und sorgte dafür, dass ihre Nackenhaare sich aufstellten.

"Ist dir kalt?", fragte Jono, der ihre Gänsehaut bemerkt hatte.

Da Mari nicht wusste, ob sie ihm den wahren Grund verraten konnte, nickte sie nur.

"Dann sollten wir vielleicht reingehen.", schlug Jono vor.

Die beiden erhoben sich und gingen zurück zum Ausgang, als Jono auf halbem Weg plötzlich stehen blieb.

"Sind das nicht Tethys und Sapheri? Na warte, dem werde ich was erzählen!"

Jono wollte gerade wutschnaubend davon stiefeln, als ihn eine zarte Hand zurück hielt.

"Lass die beiden doch. Du kannst auch nichts daran ändern, wenn sie sich zueinander hingezogen fühlen!"

"Ja, aber...", wandte Jono ein.

"Kein aber! Komm jetzt!"

Mit Bestimmtheit zog die Blondine ihn hinter sich her. Jono grummelte zwar noch kurz, ließ sich dann aber selbstverständlich hinterher ziehen. Mari hatte seine Hand ergriffen und es sah nicht so aus, als hätte sie die Absicht, ihn so schnell wieder loszulassen. Gemeinsam stiegen sie die Treppen zum Palast hinauf. Oben angekommen gingen sie sofort zu Sapheris und Maris Zimmer. Dort ließen sie sich los und Mari öffnete die Tür.

"Danke Jono. Ich weiß nicht, wie oft du mir jetzt schon geholfen hast."

"Dafür sind Freunde doch da, oder?", fragte er.

"Ja, es ist nur schwer das zu verstehen, wenn man lange keine Freunde mehr hatte.", erwiderte Mari.

Jono wusste nicht, was er darauf sagen sollte.

"Danke für den Talisman. Er gefällt mir ausgezeichnet."

Jono dachte schon, dass sie sich jetzt umdrehen und im Zimmer verschwinden würde, doch stattdessen tat sie etwas vollkommen anderes. Sie trat einen Schritt vor und sah ihm in die Augen. Jono wusste, was sie beabsichtigte und beugte den Kopf vor. Umso erstaunter war er, als er ihre Lippen nicht, wie vermutet, auf seiner Wange sondern auf seinem Mund fühlte. Zuerst war er vollkommen unbeweglich, doch dann handelte er augenblicklich. Er legte die Arme um ihren schmalen Körper und erwiderte den Kuss. Das hier war alles, was er sich gewünscht hatte, seit er Mari das erste Mal gesehen hatte. Und nun war es Wirklichkeit geworden!
 

Na? Nach euren Wünschen gewesen? Immer her mit euren Meinungen!
 

Bye, Hillary

Unerfreuliche Nachrichten

Ja, anscheinend hat euch das letzte Kapitel ja ganz gut gefallen. Dankeschön für die aufbauenden Kommis.
 

Kapitel 16: Unerfreuliche Nachrichten
 

"Mari? Hey, Mari! Wach auf!"

Die Blondine öffnete verschlafen die Augen.

"Guten Morgen.", trällerte Sapheri fröhlich.

"Sapheri? Was ist denn mit dir passiert?", fragte Mari.

"Warum fragst du?"

Mari streckte sich ausgiebig und musste dann grinsen.

"Ich kann mir schon denken, warum du so gute Laune hast. Hat es zufällig damit zu tun, dass du gestern Abend mit Tethys im Garten spazieren warst?"

Sapheri drehte sich zu ihr um und machte ein erschrockenes Gesicht.

"Du hast uns gesehen?", wollte sie wissen.

"Ja, habe ich. Und Jono ebenfalls."

"Jono hat...? Oh, bei den Göttern..."

Sapheri schlug sich erschrocken eine Hand vor den Mund.

"Keine Sorge. Ich konnte ihn dazu überreden, Tethys nicht den Kopf abzuschlagen.", sagte Mari lachend.
 

"Das wird Euer Ende sein, Pharao!"

"Nein!!!"

"Nein!!!!", schrie die schwarzhaarige Frau und schreckte aus ihrem Bett hoch.

"Schwester, was hast du? Was ist los?"

Immer noch atmete sie heftig. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen und sie starrte erschrocken auf ihre Bettdecke. Sie zitterte am ganzen Leib und wunderte sich, als sie die Stimme neben sich hörte.

"Isis, was ist los?"

Als Isis sich umschaute, erblickte sie Marik, der neben ihr saß und sie besorgt ansah.

"Ich hatte gerade eine Vision.", gab sie atemlos zurück.

"Eine Vision? Was hast du gesehen?", fragte Marik.

"Ich sah die Rebellen. Sie sind auf dem Weg hierher, Marik. Morgen früh werden sie hier sein. Ich sah..."

"Ja?", hakte Marik nach.

"Ich sah den Pharao. Er bestritt ein Duell gegen einen unbekannten Gegner."

"War es hier?", wollte Marik wissen.

"Ja, im Thronsaal. Der Fremde besiegte den Pharao und..."

Isis war unfähig weiter zu sprechen. Marik überlegte nicht lange sondern erhob sich von seinem Bett.

"Zieh dich an, Schwester. Wir müssen dem Pharao sofort Bericht erstatten!"
 

"Jono?!?!"

"Ja?"

Wieder einmal wurde der Blonde abrupt aus seinen Tagträumen gerissen.

"Ok, alles klar. Was ist los?"

"Gar nichts ist los. Außer dass ich dir am liebsten den Hals umdrehen würde."

"Was habe ich verbrochen?", fragte Tethys.

"Gestern. Garten. Mit Sapheri. Noch mehr Hinweise?"

Jono versuchte ein bitterböses Gesicht aufzusetzen, was ihm jedoch nicht so recht gelingen wollte. Der vorige Abend hatte ihn beflügelt und er konnte es kaum erwarten, seine Mari wieder zu sehen. Seine Mari? Ja, Mari war seine Freundin und es war von nun an seine Aufgabe, sie zu beschützen. Jono lächelte zufrieden.

"Es tut mir wirklich Leid, mein Freund, aber ich konnte einfach nicht anders, als sie mich fragte, ob ich Lust auf einen Spaziergang hätte."

Tethys legte den Kopf schief und sah Jono entschuldigend an.

"Vergiss es einfach, Tethys, besser du bekommst sie, als irgend so ein daher gelaufener Kerl."

Tethys sah seinen Kameraden verwundert an.

"Vor ein paar Tagen hast du noch ganz anders geklungen.", bemerkte der Braunhaarige.

"Ich habe meine Meinung eben geändert.", gab er leichtfertig zurück.

"Was hat dich denn dazu bewogen?", wollte Tethys wissen.

"Sagen wir es so: Ein Engel hat es mir zugeflüstert.", erwiderte Jono grinsend.

Das verwirrte seinen Kameraden nun vollends und er kratzte sich nachdenklich am Kopf.
 

"Na? Magst du mir erzählen, was passiert ist?"

Mari hatte gerade ihre Corsage angezogen und Sapheri band sie ihr im Rücken zu.

"Es war nichts weiter. Wir sind spazieren gegangen und haben uns unterhalten."

"Und weiter?", fragte Mari.

"Was weiter?", entgegnete Sapheri.

"Hat er dich geküsst?"

"Geküsst? Du lieber Himmel, nein!", entfuhr es Sapheri.

Daraufhin musste Mari kurz auflachen und Sapheri merkte, dass sie leicht rot anlief.

"Ich benehme mich sehr kindisch, oder?", fragte sie leise.

"Aber nein, Sapheri. Ich finde es gut, dass du lieber abwartest. Es ist sehr wichtig, dass man vorher überlegt, wem man vertrauen kann und wem nicht. Aber ich glaube darüber musst du dir bei Tethys doch keine Sorgen machen, oder?"

"Seinetwegen habe ich auch nicht gezögert. Hätte er mich gefragt, so hätte ich sofort ja gesagt."

"Aber?", fragte Mari.

Sapheri zog die Bänder gerade durch die letzten Schlaufen.

"Es war wegen Jono. Ich wusste ja nicht, was er dazu sagen würde."

"Er ist nur dein Bruder, Sapheri! Er kann nicht über dein Liebesleben bestimmen. Das musst ganz alleine du entscheiden.", erklärte Mari.

Ihre Gedanken wanderten zum vorigen Abend und sie hatte ein Lächeln auf dem Gesicht. Jonos Lippen waren warm und weich gewesen. Ganz so, wie sie es sich immer vorgestellt hatte.

"Apropos Jono. Was ist eigentlich mit ihm und dir?"

"Was sollte sein?", fragte Mari.

"Hat er dich gestern noch erwischt? Er ist dir in den Stall gefolgt, weil er mit dir reden wollte."

Sapheri machte eine letzte Schleife und trat dann vor Mari. Diese zögerte kurz mit ihrer Antwort.

"Ja, er hat mich gefunden.", sagte sie und schauderte, als sie an den betrunkenen Wachmann dachte.

"Worüber wollte er denn mit dir reden? Hey, was ist das denn?"

Sapheri deutete erstaunt auf die Kette um Maris Hals.

"Mein eigener Talisman.", erwiderte Mari.

"Der ist aber schön.", sagte Sapheri und berührte den Kristall mit einem Finger.

"Jono hat ihn mir gestern Abend geschenkt. Augenscheinlich wollte er darüber mit mir reden."

"Habt ihr gar nicht miteinander geredet?", fragte Sapheri erstaunt.

"Doch, allerdings nur über belanglose Dinge", winkte Mari ab und hatte ein schlechtes Gewissen, Sapheri anzulügen, "und dann gab er mir die Kette, damit ich einen eigenen Talisman habe und nicht immer gezwungen bin, deinen auszuleihen."

"Mein Bruder muss dich wirklich sehr mögen.", sagte Sapheri.

"Schon möglich.", erwiderte Mari und musste ein Kichern unterdrücken.
 

"Schnell, schnell, lasst uns eintreten!"

Isis rief schon, als sie gerade um die Ecke gebogen waren. Die Wachmänner an beiden Seiten der Tür erkannten den Ernst der Lage sofort und öffneten geschwind einen Türflügel. Schnell schlüpften Isis und Marik hindurch und die Tür wurde leise wieder hinter ihnen geschlossen.

"Mein Pharao."

Die Schwarzhaarige und ihr Bruder knieten sich vor das Bett.

"Mein Pharao, seid Ihr wach?", wiederholte Isis.

Erst jetzt regte sich in dem Bett etwas und eine Gestalt setzte sich auf.

"Isis, Marik, seid ihr das?", erklang eine verschlafene Stimme.

"Ja, mein Pharao.", erwiderte Marik.

Atemu schlug die Bettdecke zurück, achtete jedoch sorgsam darauf, dass Teana weiterhin zugedeckt blieb. Dann rutschte er zum Rand des großen Bettes und stand auf. Leise wühlte er sich durch die dunkelblauen Vorhänge.

"Ihr könnt aufstehen.", sagte er.

Sofort erhoben sich seine Priester vom Boden.

"Es ist dringend, mein Pharao.", sagte Marik.

"Gehen wir auf den Balkon, ich will Teana nicht wecken.", antwortete Atemu.

Er nahm sich im Vorübergehen seinen Morgenmantel von einem Stuhl und ging voran auf den Balkon. Isis und Marik folgten ihm. Draußen zog Atemu die Schlaufen seines Mantels fest und sah seine Priester an.

"Was ist so dringend?", wollte er wissen.

"Isis hatte gerade eine Vision, mein Pharao.", klärte Marik ihn auf.

"Eine Vision? Was habt Ihr gesehen, Isis?", fragte Atemu hellhörig.

"Ich sah die Rebellen, mein Pharao. Bei Sonnenaufgang des nächsten Morgens werden sie hier eintreffen, um den Palast zu stürmen."

"Wir müssen handeln, mein Pharao.", warf Marik ein.

"Außerdem sah ich einen Unbekannten, der sich mit Euch hier im Palast duellierte. Er besiegte euch und..."

Erneut stockte Isis an dieser Stelle.

"Was passierte dann?", fragte Atemu.

"Ich fürchte ich habe keine Ahnung, mein Pharao. An dieser Stelle wurde alles um mich herum schwarz und ich wachte auf.", erklärte Isis.

Atemu drehte seinen Priestern kurz den Rücken zu und stützte sich auf das steinerne Geländer. Offensichtlich brauchte er einen Augenblick, um die Neuigkeiten zu verarbeiten. Isis und Marik sahen sich abwartend an.

"Mein Pharao", schaltete Marik sich ein, "ist alles in Ordnung?"

"Ja, ihr könnt gehen. Ich danke euch, dass ihr so schnell zu mir gekommen seid. Sorgt bitte dafür, dass sich der Hofstab gegen Mittag im Thronsaal versammelt."

Isis und Marik nickten, bevor sie sich kurz verneigten und das Zimmer mit leisen Schritten verließen. Atemu blieb alleine auf dem Balkon zurück und hatte grübelnd das Kinn auf die Hände gestützt. Er blickte gedankenverloren auf den Garten, der zu dieser Stunde noch völlig ausgestorben dalag. Er war so in Gedanken versunken, dass er erschrocken zusammen zuckte, als er eine Stimme hinter sich vernahm.

"Nun wird es doch ernst, nicht wahr?"

Er wandte den Kopf um und sah Teana an der großen Öffnung stehen. Sie trug ebenfalls ihren Morgenmantel.

"Du hast alles gehört?", wollte Atemu erstaunt wissen.

"Jedes Wort, Atemu.", sagte sie.

Atemu drehte sich ihr zu und Teana bemerkte sein sorgenvolles Gesicht.

"Du machst dir Gedanken. Ist es nicht so?"

"Du hast Recht. Ich hätte nicht gedacht, dass es schon so bald geschehen würde. Ich muss heute eine Entscheidung treffen. Doch..."

Atemu sah ihr zweifelnd in die braunen Augen.

"Diese Warnung kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt."

"Ist ein Vorzeichen für einen Krieg nicht zu jeder Zeit unerwünscht?"

"Aber ausgerechnet jetzt. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich mich erst in einigen Wochen damit hätte befassen müssen.", gab Atemu zurück.

"Nur, weil ich schwanger bin?", fragte Teana, die sofort wusste, worauf Atemu anspielte.

"Mir gefällt der Gedanke nicht, dass ich dich ausgerechnet jetzt einer solchen Gefahr aussetzen muss."

Teana ging lächelnd auf ihn zu und lehnte sich neben ihn an das Geländer.

"Ach Liebster", sagte sie, "das hat sich niemand von uns ausgesucht. Außerdem komme ich auch eine Zeit lang alleine aus."

"Alleine? Aber ich...", begann Atemu, wurde jedoch unterbrochen.

"Als Pharao ist es deine Pflicht, deine Truppen zu begleiten. Das ist mir sehr wohl bekannt. Und ich wünsche es auch gar nicht anders. Du bist derjenige, der ihnen Kraft gibt. Du bist ihr Führer!"

Auf Atemus Gesicht bildete sich ein warmes Lächeln.

"Ich kann mich unglaublich glücklich schätzen, eine Frau wie dich zur Seite zu haben. Du bist immer so verständnisvoll.", sagte er.

Doch sofort änderte sich seine Tonlage wieder und wurde ernst.

"Trotzdem halte ich es für besser, wenn die Truppen dieses Mal ohne mich losziehen. Ich werde hier bleiben."

"Nein! Das wirst du nicht!"

Die Schärfe, mit der Teana diese Worte aussprach, ließen Atemu zusammen zucken.

"Ich komme wirklich gut alleine zurecht. Der Kampf gegen die Rebellen hat oberste Priorität und ist wichtiger als ich es bin. Aus diesem Grund kann ich nicht zulassen, dass du meinetwegen bleibst."

"Aber Teana...", wandte Atemu ein.

"Kein aber, Atemu, ich will nicht, dass du im Palast bleibst und deine Truppen alleine losziehen lässt. Und aus diesem Grund fordere ich dich auf, mit ihnen zu reiten!"

Atemu sah seiner Gemahlin forschend ins Gesicht, doch das gütige Lächeln daraus war verschwunden. Stattdessen blickte sie ihn mit ernster Miene an. Atemu sah ein, dass sie es nicht als Scherz gemeint hatte.

"Und du bist dir...", begann Atemu.

"Geh, Atemu! Geh, versammle deine Gefolgsleute um dich und triff eine Entscheidung. Nimm dabei keine Rücksicht auf mich! Geh jetzt!"

Atemu schluckte kurz und nickte dann. Er wandte sich zum gehen und zögerte noch kurz, als hoffe er, Teana umstimmen zu können. Doch diese schüttelte nur den Kopf.

"Geh jetzt, Atemu!", wiederholte sie.

Atemu sah ihr ein letztes Mal in die Augen. Dann drehte er sich um und ging davon. Teana sah ihm hinterher und der ernste Ausdruck fiel von ihrem Gesicht ab.

"Es tut mir Leid, mein Liebster", flüsterte sie, "ich wollte dich nicht verletzen. Aber einer von uns beiden muss doch stark sein."

Erst als sie nach kurzer Zeit die große Tür ins Schloss fallen hörte, drehte sie sich um, verbarg den Kopf zwischen den Armen und begann leise zu weinen.
 

"Guten Morgen!"

Mari und Sapheri ließen sich gerade am Herrschertisch nieder und begrüßten Marik und Isis, die ebenfalls bereits auf ihren Plätzen saßen. Mari entging nicht, dass beide ein sorgenvolles Gesicht machten.

"Guten Morgen.", entgegneten die beiden und Marik schenkte Mari ein Lächeln.

Die Brünette sah sich suchend um und Mari entging dieser Blick nicht.

"Anscheinend liegt dein strahlender Held noch im Bett.", bemerkte sie.

"Strahlender Held?", fragte Sapheri und zog die Augenbraue hoch.

Dies entlockte Mari ein Grinsen und sie wandte sich wieder ihrem Brot zu. Doch auch sie ließ die Tür nicht aus den Augen, in der Hoffnung, dass Jono bald auftauchen würde.

"Glaubst du er liegt wirklich noch im Bett?", fragte Sapheri leise.

"Das weiß ich nicht. Es kommt darauf an, wie spät es bei euch war, als ihr zu Bett gegangen seid."

"Soweit ich mich erinnern kann haben die Schakale bereits geheult.", überlegte Sapheri.

"Dann war es reichlich spät.", stellte Mari schmunzelnd fest.

Genau in diesem Augenblick wurde sie von Sapheri angestupst und ihr Blick wanderte zur Tür. Gerade kamen Jono und Tethys herein. Letzterer sah reichlich verschlafen aus. Mari konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

"Es sieht nicht so aus, als ob Jono ihn zurechtgestutzt hätte.", bemerkte Mari nebenbei.

Die beiden jungen Männer machten sich auf den Weg zum Herrschertisch und kamen genau auf die Frauen zu.

"Guten Morgen!", grüßte Tethys.

Sapheris Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln und sie nickte.

"Guten Morgen, Tethys, du siehst müde aus.", sagte Mari.

"Ja, diese lästigen Schakale. Die ganze Nacht lang haben sie geheult und mich um meinen Schlaf gebracht."

Nun wandte die Blondine Jono den Blick zu.

"Guten Morgen, Mari.", grüßte er.

"Guten Morgen Jono. Ihr seht wesentlich besser aus als Euer Kamerad.", erwiderte Mari.

"Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich die Schakale nicht gehört habe.", gab er zurück.

Dabei sah er der Blondine unverwandt in die Augen, als wolle er eine Bestätigung dafür haben, dass er sich den vorigen Abend nicht bloß erträumt hatte.

"Komm schon, Jono, ich habe Hunger.", sagte Tethys und zog ihn mit sich.

Mari sah ihm noch kurz hinterher, wandte ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder ihrem Frühstück zu. Es dauerte nicht lange, bis sie fertig war. Dann erhob sie sich mit den Worten:

"Ich werde schon mal auf unser Zimmer gehen und alles vorbereiten, damit wir gleich sofort zu Ihrer Hoheit gehen können."

Ihr Blick wanderte zu Jono, der sie ununterbrochen ansah. Mari schenkte ihm ein leichtes Lächeln und verließ dann den großen Saal. Jono kaute noch etwas auf seinem Brot herum und überlegte.

"Eins muss man ihr lassen. Sie hat sich gemacht, seit sie hier ist.", bemerkte Tethys.

In diesem Moment sprang Jono von seinem Platz auf.

"Hey, wo brennt's denn?", fragte Tethys überrascht.

"Ich glaube... äh... oh ja, die Tür.... ich glaube ich habe die Tür aufgelassen. Ich sehe mal schnell nach!"

Mit diesen Worten flitzte Jono aus dem großen Saal. Sapheri sah ihrem Bruder verwirrt hinterher und wandte den Blick dann Tethys zu. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Er konnte sich auch nicht erklären, was plötzlich in seinen Kameraden gefahren war.
 

Direkt nachdem Jono den großen Saal verlassen hatte, wandte er sich nach links, um zu Sapheris Gemach zu gelangen. Er beschleunigte seine Schritte ein wenig und stand alsbald schon vor der richtigen Tür. Leise klopfte er an. Von drinnen hörte er Schritte und gleich darauf Maris Stimme.

"Wer ist da?"

"Rate mal.", erwiderte Jono.

"Tut mir Leid. Diesen Namen kenne ich nicht.", bekam er als Antwort zu hören.

Doch gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Mari sah ihn an und musste grinsen.

"Entschuldige, aber das konnte ich mir nicht verkneifen."

Allein von der Tatsache her, dass sie ihn geduzt hatte, konnte Jono ableiten, dass der vorige Abend real gewesen war. Er sah sie eingehend an und sagte dann:

"Als ich heute Morgen aufgewacht bin, hab ich schon befürchtet, ich hätte mir den gestrigen Abend eingebildet."

"Komm rein! Du musst nicht auf dem Flur stehen.", sagte Mari und trat beiseite.

Jono nahm das Angebot nur zu gerne an und kam herein. Nachdem Mari die Tür geschlossen hatte, ging sie zu Sapheris Schreibtisch und nahm die Bürste von der Ablage.

"Was machst du heute?", wollte sie wissen.

"Der Pharao hat für heute Mittag eine Versammlung einberufen. Aus diesem Grund waren wir vorhin auch so spät. Und was danach ist, weiß ich nicht. Nachher muss ich mit Tethys runter zu den Feldern reiten."

Mari nickte gedankenverloren und fuhr sich weiter mit der Bürste durch die Haare. Jono konnte den Blick nicht von der Blondine lassen. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und trat zu ihr. Er nahm ihr die Bürste aus der Hand, woraufhin Mari ihn erstaunt ansah.

"Was tust du?", wollte sie wissen.

"Das, was ich schon beim Frühstück tun wollte.", erwiderte er.

Dann legte er seine Lippen auf ihre und schlang die Arme um ihren Körper. Als sie sich nach kurzer Zeit voneinander lösten, sagte Mari:

"Deine Schwester könnte jeden Augenblick hier hereinkommen."

"Das ist mir egal.", erwiderte Jono.

Mari musste daraufhin lächeln und drückte Jono noch einen Kuss auf die Lippen.

"Wir werden heute Abend sicherlich noch ein wenig Zeit für uns haben.", sagte sie und Jono ließ sie los.

Der Blonde nickte und Mari füllte eine dampfende Flüssigkeit in eine Schale.

"Na los, geh schon zurück zum Frühstück! Du kannst mir nicht weismachen, dass du innerhalb einer solch kurzen Zeit etwas gegessen hast."

"Du hast Recht. Ich habe alles stehen und liegen lassen, weil ich dich sehen wollte."

Mari setzte die Karaffe mit dem heißen Wasser ab und streute Blütenblätter in die Schale.

"Das ehrt mich.", sagte sie.

"Das war meine Absicht.", gab Jono zurück.

Mari lächelte ihn an und deutete zur Tür.

"Los! Geh zurück zum großen Saal. Ich möchte nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn du nachher vor lauter Hunger nicht arbeiten kannst."

"Ich kann sowieso nicht arbeiten, weil ich die ganze Zeit an dich denken muss.", sagte Jono grinsend.

Mari ging auf ihn zu und schob ihn sanft jedoch bestimmt zur Tür.

"Wir sehen uns später.", sagte sie.

Nach einem letzten Kuss schloss sie die Tür und Jono machte sich gutgelaunt wieder auf den Weg zum großen Saal. Als Sapheri später eintraf machten sich die beiden jungen Frauen sofort auf en Weg zu ihrer Hoheit. Sie fanden Teana auf dem Balkon vor. Sie starrte mit leeren Augen auf den Garten.

"Fühlt Ihr Euch nicht gut, Euer Hoheit?", fragte Sapheri besorgt.

"Es ist alles in Ordnung, meine Liebe.", erwiderte Teana, doch ihre Augen sagten das Gegenteil.

Sie waren rot und geschwollen.

"Sollen wir ein wenig im Garten spazieren gehen?", schlug Mari vor.

Teana nickte und so geschah es dann auch. Die drei Frauen gingen in den Garten und durchwanderten ihn von einem Ende bis zum anderen. Zwischendurch legten sie einige Pausen ein, damit Teana sich nicht überanstrengte. Die Frauen hielten sich einige Stunden in der grünen Idylle auf und Teanas Stimmung besserte sich zusehends. Doch trotzdem erzählte sie ihren beiden Bediensteten nicht, was ihr so schwer auf der Seele lastete. Mari und Sapheri beschlossen, nicht weiter nachzuhaken.
 

"Und aus diesem Grund werden wir heute Nacht noch aufbrechen.", schloss Atemu seine Rede.

Sein Hofstab war schweigsam vor ihm versammelt. Jono und Tethys warfen sich einen raschen Blick zu. Jeder von ihnen wusste, was dem anderen gerade durch den Kopf ging.

"Es tut mir Leid, dass ich euch allen diese Nachricht so kurzfristig überbringe, aber wenn wir nicht sofort handeln, werden die Rebellen morgen früh bereits hier sein."

Immer noch herrschte betretenes Schweigen. Atemu sah in die Runde und fragte laut und deutlich:

"Kann ich mit eurer Unterstützung rechnen?"

"Wir werden Euch folgen, mein Pharao.", meldete Tethys sich zu Wort.

"Gut. Wenn heute Nacht der erste Schakal heult, möchte ich, dass ihr euch auf dem Hof versammelt und bereit zum Aufbruch seid. Und jetzt nutzt die Stunden, die euch bis dahin noch bleiben!"

Atemu erhob sich von seinem Thron und verließ den Saal. Zurück blieb eine breite Masse stummer Männer, die einander lediglich ansahen. Keiner sprach ein Wort, bis der Pharao die Tür geschlossen hatte.

"Sieht so aus, als würden wir nun doch in die Schlacht ziehen müssen.", bemerkte Tethys leise.

Jono nickte nur geistesabwesend. Seine Gedanken kreisten um Mari und Sapheri. Wie sollte er ihnen das nur beibringen?
 

Einige Stunden später fanden sich alle im großen Saal ein. Mari hatte den ganzen Mittag über nach Jono Ausschau gehalten, ihn aber nirgends entdecken können. Auch ihre Suche im Stall und im Garten war vergeblich gewesen. Sapheri ging es ähnlich mit Tethys. Bei genauerem Hinsehen fiel den beiden Frauen jedoch auf, dass ihre Pferde nicht im Stall gestanden hatten.

"Sicherlich machen sie einen Ausritt und sind zum Abendessen wieder da.", hatte Sapheri vermutet.

Als die beiden jedoch jetzt am Herrschertisch saßen und sich umsahen, war von den jungen Männern nichts zu entdecken. Sapheri blickte sich um und fragte grübelnd:

"Wo können sie denn stecken? Es ist doch sonst nicht ihre Art, das Essen zu verpassen."

"Bestimmt müssen sie bloß noch ihre Pferde versorgen.", gab Mari zurück.

Teana und Atemu saßen bereits auf ihren Plätzen. Ebenso Isis und Marik. Als Mari sich umsah, bemerkte sie, dass auch an den anderen Tischen einige Stühle unbesetzt geblieben waren. Auch Sapheri war nicht entgangen, dass sich weniger Leute als sonst versammelt hatten.

"Es ist so leer hier.", wisperte sie Mari zu.

"Ist mir auch schon aufgefallen.", erwiderte diese.

"Mich würde interessieren, welchen Grund das hat.", murmelte Sapheri.

Genau in diesem Moment erhob sich Atemu von seinem Stuhl. Augenblicklich erstarben die Gespräche ringsherum und alle Augen wandten sich dem Pharao zu.

"Meine lieben Freunde", begann er, "für diejenigen unter euch, die es noch nicht wissen, werde ich es jetzt erklären."

Sapheri warf Mari einen fragenden Blick zu, doch die Blondine hatte auch keine Ahnung, was Atemu wohl ansprechen mochte.

"Die Gerüchte sind wahr. Die Rebellen haben sich bei Sues versammelt. Sie sind zahlreich und unter ihnen befindet sich auch der Grabräuber Ryou."

Bei der Erwähnung von Ryous Namen erklang leises Gemurmel von allen Seiten. Mari war der Name ebenfalls nicht unbekannt. Sie hatte bereits von ihm gehört.

"Genau heute Morgen hatte Isis eine Vision. Die Rebellen sind auf dem Weg hierher nach Kairo, um den Palast zu stürmen."

Das allgemeine Gemurmel wurde lauter, erstarb jedoch, als Atemu die Hände hob.

"Aus diesem Grund", fuhr er mit ernster Stimme fort, "habe ich mich gemeinsam mit meinen Beratern dazu entschlossen, dass wir handeln müssen. Wir werden aufbrechen, um ihnen entgegen zu reiten und sie davon abzuhalten, bis nach Kairo vorzudringen. Heute Nacht geht es los."

Beim letzten Satz saßen all diejenigen, die noch nichts davon gewusst hatten, wie vom Donner gerührt auf ihren Plätzen. Sapheri blieb der Mund offen stehen und sie fragte:

"Heute Nacht schon?"

"Ja.", sagte Atemu und setzte sich wieder.

Teana ergriff seine Hand und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Auf Atemus Gesicht erschien ein gequältes Lächeln. Es hatte ihn einiges gekostet, solch eine Entscheidung zu treffen.

"Hast du das gehört?", wandte sich Sapheri an Mari.

"Ja.", erwiderte diese knapp.

Ihre Gedanken arbeiteten wie wild.

< Heute Nacht schon? Das heißt ja, dass... dass Jono bald schon fort sein wird. Weit weg von hier.>

"Komm mit!", sagte Sapheri und zog die Blondine auf die Beine.

Dann schleifte sie Mari hinter sich her aus dem Saal in Richtung von Jonos und Tethys' Zimmer.
 


 

Puh *den Schweiß von der Stirn wischt* das war jetzt wirklich mal ein langes Kapitel. Immer nur her mit euren Meinungen.
 

Bye, Hillary

Der letzte gemeinsame Abend

Ja, ja, es wird warm. Und wärmer. Und noch wärmer.... ach, lest einfach. Dann werdet ihr schon rausfinden, was ich meine.
 

Kapitel 17: Der letzte gemeinsame Abend
 

"Glaubst du wirklich, dass sie dort sind?"

"Natürlich sind sie das. Schließlich müssen sie noch ihre Sachen packen.", entgegnete die Brünette.

Sapheri zog Mari so energisch hinter sich her, dass es der Blondine fast das Handgelenk abriss.

"Du bist nicht zufällig irgendwie sauer?", fragte diese vorsichtig.

"Sauer? Nein, kochend vor Wut ist die passendere Beschreibung.", erwiderte Sapheri.

Schließlich waren sie im richtigen Gang und standen vor der gewünschten Tür.

"Ich warte draußen.", sagte Mari und stellte sich ein Stück abseits in den Schatten.

Die Brünette nickte und klopfte dann laut gegen die Tür.

"Ich bin es! Mach auf, Jono!", rief sie.

Es dauerte nicht lange und dann öffnete sich die Tür.

"Sapheri? Was machst du denn hier? Das Essen ist doch noch nicht vorbei."

Jonos Stimme zu hören war eine Beruhigung für Mari. Wenn sie jedoch daran dachte, dass er heute Nacht abreisen und vielleicht nicht wieder zurückkehren....

< Halt! An so etwas darf ich gar nicht denken!>, schalt sie sich.

Dann fiel die Tür ins Schloss. Mari hockte eine ganze Weile lang in der Dunkelheit und starrte in eines der Feuer an der Seite. Heute standen keine Wachen auf den Gängen. Offensichtlich wurden alle verfügbaren Männer gebraucht, um sich den Rebellen entgegenzustellen. Maris Blick war zwar auf die Lichtquelle gerichtet, doch eigentlich sah sie das Feuer gar nicht. Sie war so mit ihren Gedanken beschäftigt, dass sie alles um sich herum einfach vergaß. Das änderte sich, als sie plötzlich eine laute Stimme vernahm. Bei genauerem hinhören stellte sie fest, dass es sich um Sapheris Stimme handelte. Sie klang aufgeregt und erzürnt. Mari konnte jedoch keine einzelnen Worte verstehen. Doch plötzlich wurde die Tür zu Jonos Zimmer mit einem lauten Ruck aufgerissen und Sapheri kam herausgestürmt.

"Sapheri, bitte...", hörte Mari Jonos Stimme aus dem Zimmer.

"Nein, lass es!", gab Sapheri zurück.

Am Ton ihrer Stimme erkannte Mari, dass die Brünette zu weinen begonnen hatte.

"Sapheri, was ist los?", fragte Mari und stand auf.

Doch Sapheri hörte sie gar nicht, sondern klopfte an der Tür von Tethys an. Diese wurde auch sofort geöffnet und Sapheri stürmte hinein. Mari stand leicht unentschlossen auf dem Korridor. Dann jedoch ging sie auf die Tür von Jonos Zimmer zu. Sapheri hatte zuvor vergessen, sie ordentlich zu schließen und so stand sie jetzt noch einen Spalt offen. Mari öffnete sie geräuschlos und sah in das Zimmer hinein. Jono stand an seinem Schreibtisch und war anscheinend gerade über ein Blatt Papyrus gebeugt. Auf seinem Bett stand ein Leinensack und daneben verstreut lagen diverse Utensilien, die er wohl mitnehmen wollte. Mari trat leise ein und zog die Tür hinter sich zu. Als sie das Holz ins Schloss fallen ließ, sagte Jono ohne aufzublicken:

"Sapheri, ich habe dir doch gerade schon gesagt, dass ich darüber nicht noch mal mit dir reden werde."

"Vielleicht aber mit mir?"

Jono fuhr überrascht herum und sah Mari an der Tür stehen.

"Mari, wie kommst du denn hier rein ohne zu klopfen?"

"Die Tür stand offen.", entgegnete die Blondine.

Jono nickte und beobachtete Mari. Ihr Blick ruhte auf dem Leinensack, der auf dem Bett stand.

"Du gehst fort?"

"Ja, es muss sein. Der Pharao hat..."

"Ich weiß es bereits.", unterbrach ihn die junge Frau.

"Von wem?", wollte Jono wissen.

"Vom Pharao. Er hat es soeben beim Essen verkündet. Zuerst konnte ich es gar nicht glauben. Es war ein ziemlicher Schock für uns alle."

"Ich wollte es dir ja sagen, aber ich wusste nicht wie.", entschuldigte sich Jono.

"Meinst du etwa aus deinem Mund hätte es weniger wehgetan?", fragte Mari.

Jono schwieg kurz betroffen.

"Ich möchte ja eigentlich auch nicht gehen.", sagte er leise.

"Du bist Heerführer des Pharao. Du hast gar keine andere Wahl.", erwiderte Mari.

Die Blondine stand noch immer an der Tür und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Jono sah ihr an, dass es ihr gar nicht so leicht fiel, wie sie ihm weiszumachen versuchte. Aus diesem Grund winkte er sie zu sich. Mari kam zu ihm und Jono nahm sie sanft in den Arm.

"In ein paar Tagen bin ich wieder da.", sagte er leise.

Mari nickte und löste sich aus seiner Umarmung. Dann wandte sie sich zur Tür um. Jono folgte ihr mit den Augen.

"Mari? Gehst du schon?", fragte er verwirrt.

Doch die Blondine gab ihm keine Antwort, sondern ging einfach weiter zur Tür.

"Gehst du, Mari?", wiederholte er seine Frage.

Mari stand mittlerweile vor der Tür. Jono vermutete schon, dass sie ihn jetzt einfach stehen ließ, weil sie beleidigt war, doch sie tat etwas anderes. Sie schob den Riegel vor die Tür und sah sich dann um.

"Wohin führt diese da?", fragte sie und deutete auf eine andere Tür.

"Zu Tethys rüber.", entgegnete Jono.

Mari ging hinüber und legte auch dort den Riegel vor. Jono war ziemlich verwirrt über das, was sie gerade getan hatte. Als sie sich ihm nun zuwandte, fragte er:

"Warum hast du das getan?"

"Ich kann dich nicht einfach so gehen lassen.", antwortete Mari.

"Was soll das denn heißen?"

"Ich wünschte ich hätte etwas, dass ich dir mit auf den Weg geben kann, doch leider besitze ich nichts."

Mari kam auf den Blonden zu, der immer noch vor dem Schreibtisch stand.

"Trotzdem sollst du nicht mit leeren Händen gehen", fuhr sie fort, "das einzige, das ich dir geben kann, ist mein Körper und genau das tue ich hiermit."

"Wie bitte?"

Jono bekam große Augen und glaubte sich verhört zu haben.

"Du hast mich schon richtig verstanden. Ich schenke dir meinen Körper für diese Nacht. Nimmst du es an?"

"Also, ich weiß nicht..."

Jono merkte, dass er leicht nervös wurde. Er konnte doch nicht einfach...? Oder etwa doch?

"Nimmst du es an?", wiederholte Mari.

"Na ja, ich fühle mich zwar geehrt, Mari, aber..."

Jono kratzte sich verlegen am Kopf.

"... aber hast du dir das auch gut überlegt? Ich möchte nicht, dass du etwas tust, das du hinterher bereust."

"Keine Sorge. Dazu wird es nicht kommen. Also, wie lautet deine Antwort?"

Mari sah ihn abwartend an. Jono versuchte zu erkennen, ob Furcht in ihren Augen zu lesen war, doch nichts dergleichen war zu sehen.

"Bist du dir sicher?", fragte er.

"Ja.", entgegnete Mari mit ernster Miene.

Jono lächelte und schloss sie in den Arm.

"Wenn dem so ist, dann soll es mir eine große Ehre sein.", sagte er ihr leise ins Ohr.

Dann fühlte er, dass Maris schmale Hände über seinen Brustkorb fuhren. Diese sanfte Berührung löste bei ihm eine Gänsehaut aus und ließ ihn erschauern. Aber auch Jono blieb nicht untätig. Behutsam strich er am Rücken der Blondine auf und ab. Maris Augen waren zuerst noch auf Jonos Oberkörper gerichtet. Anscheinend beobachtete sie ihre eigenen Hände dabei, wie sie die Konturen seines Brustkorbs nachfuhren. Dann aber hob sie den Blick ein Stück nach oben und begegnete Jonos dunklen Augen. Kurze Zeit lang sahen sie sich einfach an, dann beugte der Blonde sich vor und legte seine Lippen auf die ihren. Während die beiden in einem innigen Kuss versanken, strichen seine Hände hinauf zu ihren Schultern. Ganz vorsichtig schob er ihr die Träger über die Schulter, so dass das Kleid von ihrem Körper fiel. Darunter trug sie noch ihre Corsage. Die beiden unterbrachen den Kuss, damit Jono sich sein Oberteil über den Kopf streifen konnte. Doch gleich darauf trafen ihre Lippen wieder aufeinander. Mit langsamen Bewegungen schob Jono die Blondine zum Bett und drückte sie mit dem Rücken auf das Laken. Dann bearbeitete er mit den Lippen ihren Hals und biss an einigen Stellen wie ein Vampir ganz leicht zu. Das entlockte ihrer Kehle einige Seufzer und sagte Jono, dass er auf dem richtigen Weg war. Er hörte einen Moment lang auf und betrachtete die Blondine, wie sie so vor ihm lag.

"Was ist denn?", wollte diese neugierig wissen.

Jono hatte plötzlich ein Lächeln auf dem Gesicht.

"Ach, mir fiel nur gerade wieder auf, dass du unglaublich hübsch bist.", sagte er.

Auf Maris Gesicht bildete sich ebenfalls ein Lächeln und sie legte eine Hand in Jonos Nacken. Dann zog sie ihn sanft zu sich herunter und küsste ihn erneut.

Es dauerte nicht lange und man konnte ein leises Stöhnen aus dem Zimmer hören, wenn man sich ganz still verhielt und vor der Tür stand....
 

"Teana?"

Atemu betrat das Gemach, welches ihm und Teana gehörte. Er sah sich um, doch er konnte Teana nicht im Raum entdecken. Wahrscheinlich stand sie auf dem Balkon. Atemu durchquerte den Raum und hielt vor einem Tisch, der direkt neben dem Himmelbett war. Er nahm das Diadem von der Stirn und legte es auf den Tisch. Sein Zepter platzierte er gleich daneben. Dann wandte er sich zur Balkonöffnung um. Als er sich ihr näherte, spürte er ganz deutlich, dass Teana dort draußen war. Und seine Vermutung fand sich bestätigt, als er um die Ecke sah. Die Brünette stand am Geländer. Sie trug ein langes dunkelblaues Gewand, das im Abendwind leicht wehte.

"Teana?", fragte Atemu leise.

Doch seine Gemahlin gab ihm keine Antwort. Stattdessen winkte sie mit einer Hand über die Schulter. Atemu deutete dies als Zeichen, dass er zu ihr kommen sollte. Er setzte sich in Bewegung und trat neben Teana.

"Wie geht es dir?", fragte er leise.

"Meinst du nicht, dass diese Frage überflüssig ist?", erwiderte sie.

"Ich möchte nicht im Streit mit dir auseinander gehen.", sagte Atemu.

"Ich habe nicht vor, mich mit dir zu streiten.", gab Teana zur Antwort.

Atemu schwieg kurz betroffen und sagte dann leise:

"Ich weiß, dass es eine dumme Frage von mir war. Wie solltest du dich auch schon fühlen?"

Teana sah in sein bedrücktes Gesicht. Er machte sich Sorgen und Vorwürfe. Die Braunhaarige rückte zu ihm und legte eine Hand auf die seinen, welche auf dem kalten Steingeländer ruhten.

"Du hattest keine andere Wahl.", sagte sie.

"Als Pharao habe ich die Wahl.", gab Atemu zurück, doch Teana schüttelte den Kopf.

"Nein, gerade als Pharao hast du eben nicht diese Freiheit. Du musst dem Kodex folgen."

"Ich weiß.", sagte Atemu betrübt.

Er umfasste Teanas Hand und führte diese an seine Lippen. Dann hauchte er ihr einen zärtlichen Kuss auf die Haut. Danach blickte er ihr tief in die Augen.

"Verzeih mir, dass es soweit gekommen ist.", murmelte er.

"Dich trifft keine Schuld."

Teana rückte näher zu ihm und Atemu sah sie gedankenverloren an.

"Was auch immer geschehen mag, ich werde stets an deiner Seite sein. Das weißt du! Ich bin bei dir!"

Teana lehnte ihren Kopf an Atemus Schulter.

"Wir kennen uns jetzt schon so lange, Atemu. Und wir werden jede Schwierigkeit gemeinsam meistern. Weißt du noch, was wir uns damals als Kinder geschworen haben?"

Atemu nickte kurz gedankenverloren, bevor er die Stimme erhob.

"Immer füreinander da zu sein."

Nun war es Teana, die nickte. Atemu drehte sich zu ihr um und nahm seine Liebste sanft in den Arm.

"In guten wie in schlechten Zeiten, bis der Tod uns scheidet.", flüsterte Teana.

Atemu strich ihr mit einer Hand über den Rücken und die andere spielte ein wenig mit den braunen Haaren.

"Ja, bis dass der Tod uns scheidet.", murmelte er.

Noch eine ganze Weile standen sie so auf dem Balkon. Keiner von beiden redete ein Wort. Sie brauchten auch gar keine Worte, um sich zu verständigen. Eine einfache Geste, ein Blick oder ein Lächeln, das alles reichte bereits. Zwischen ihnen war in all den Jahren eine Verbindung entstanden, wie man sie schwerlich ein zweites Mal finden konnte.

"Gehen wir rein, es wird langsam kühl hier draußen.", durchbrach Atemu die Stille.

Immer noch Arm in Arm machte sich das Herrscherpärchen auf den Weg ins Innere.
 

"Das hätte ich dir auch gleich sagen können."

Tethys stopfte gerade einige Sachen in den Leinensack auf seinem Bett.

"Aber warum ist er nur so stur?"

Sapheri saß auf einem Stuhl genau vor Tethys' Schreibtisch und sah ihn abwartend an.

"Jono ist Soldat, Sapheri. Was du ihm da vorgeschlagen hast, war absolut undenkbar."

"Aber warum denn?", wollte Sapheri hartnäckig wissen.

"Kein Soldat lässt seine Kameraden in einer Schlacht im Stich. Das ist eine Art Ehrenkodex und der ist uns sehr wichtig.", gab Tethys zur Antwort.

"Wichtiger als euer Leben?", fragte Sapheri leicht gequält.

Tethys ließ von dem Leinensack ab und sah der Brünetten ins Gesicht.

"Nein, natürlich nicht", beruhigte er sie, "aber das sind wie unseren Kameraden schuldig."

Sapheri nickte gedankenverloren und sah Tethys dann an.

"Und was ist mit dir?", fragte sie beinahe ängstlich.

"Ich teile die Meinung deines Bruders.", entgegnete er.

"Also wirst du auch mit dem Pharao reiten.", stellte die Brünette fest.

"Ja", sagte Tethys und fuhr mit dem Packen fort, "ich gab dem Pharao mein Wort und ich halte es auch!"

Sapheri seufzte kurz und erhob sich dann von ihrem Stuhl. Sie trat zu Tethys und nahm sich eines seiner Kleidungsstücke vom Bett.

"Wenn ich dich schon nicht umstimmen kann, dann möchte ich dir wenigstens ein wenig helfen."

Tethys sah sie dankbar von der Seite an. Als Sapheri einen Blick in den Leinensack warf, konnte sie sich ein Kichern nicht verkneifen.

"Was ist?", wollte Tethys wissen.

"Und du glaubst ernsthaft, dass du alles hereinbekommst, wenn du so unordentlich packst?"

Tethys blickte auf das Chaos und kratzte sich verlegen am Kopf.

"Na los, setz dich hin. Ich mache das schon.", meinte Sapheri und schubste ihn zu dem Stuhl, auf dem sie zuvor gesessen hatte. Tethys setzte sich hin und sagte:

"Danke Sapheri. Wenn ich dich nicht hätte."

Die Brünette lächelte ihn fröhlich an und wandte sich dann wieder dem Leinensack auf dem Bett zu. Tethys beobachtete sie dabei, wie sie alles wieder herausholte und dann fein säuberlich geordnet wieder hineinlegte. Ihre langen braunen Haare wippten leicht, als sie sich hin und wieder nach etwas umsah. Mehrmals hielt sie inne und stemmte die Hände in die Hüfte, beinahe so, als überlege sie, ob es wirklich vorteilhaft genug gepackt war.

< Sie ist wahrlich eine gute Seele. Es tut mir in der Brust weh, wenn ich daran denke, dass ich sie nachher verlassen muss. Und hoffentlich redet sie noch mal mit Jono. Ich möchte wirklich nicht, dass sie im Streit auseinander gehen. Wer weiß, was in dieser Schlacht noch alles passieren kann.>

"Du siehst so nachdenklich aus.", stellte Sapheri plötzlich fest.

"Wirklich? Na, das ist ja etwas ganz Neues. Jono meinte immer, dass er gar nicht glauben könnte, dass ich zum denken fähig bin.", erwiderte Tethys.

"Solch gemeine Dinge sagt mein Bruder?", fragte Sapheri überrascht.

"Ja, allerdings nur wenn er mich gerade aufziehen möchte", entgegnete Tethys und grinste, "dafür kann ich ihn hervorragend auf die Palme bringen, wenn ich über Mari rede."

Sapheri nickte lächelnd und gab zurück:

"Ich bin mir sicher, dass er sich in sie verliebt hat. Und er mag es gar nicht, wenn man schlecht über sie redet."

"Ich mag es auch nicht, wenn man schlecht über dich redet.", antwortete Tethys leicht verlegen.

Sapheri hielt beim Packen inne und drehte sich zu dem Braunhaarigen um. Mit großen Augen sah sie ihn an.

"Wirklich, Tethys?", fragte sie und es klang beinahe schüchtern.

Der Angesprochene nickte und Sapheri schenkte ihm das strahlendste Lächeln, das sie hatte.
 

Oh nein, sniff, sniff, bald sind sie weg...

Abschied nehmen

Tja, tut mir ja leid, Leute, aber wie der Titel bereits sagt, geht es in diesem Kapitel um einen Abschied. Ihr wisst ja, es ist Krieg. Aber ich wil gar nicht lange drum herum reden. Genießt einfach das folgende Chap!
 

Kapitel 18: Abschied nehmen
 

"Mari?"

"Hm?"

"Tat es sehr weh?", fragte eine leise Stimme.

Daraufhin musste die Blondine kurz lächeln.

"Nur ein wenig.", antwortete sie wahrheitsgemäß.

Jono lag genau hinter ihr. Sie fühlte seinen warmen Körper an ihrem Rücken. Seine linke Hand strich sanft über ihre Hüfte und dann nahm sie eine kurze Berührung seiner Lippen auf ihrer Schulter wahr.

"Dann bin ich erleichtert.", gab er zurück.

Mari drehte sich mit dem Rücken auf das Laken und sah dem Blonden direkt in das Gesicht.

"Und du bereust es wirklich nicht?", wollte er wissen.

"Nein, Jono", sagte sie kopfschüttelnd, "es war wirklich schön und um nichts in der Welt möchte ich diese Erfahrung wieder abgeben."

Der Blonde musterte sie mit warmem Blick. Es war ein Blick voller Liebe und Mari bekam beinahe eine Gänsehaut, so nahe ging ihr der Ausdruck in Jonos Gesicht.

"Ich glaube ich muss gleich mal nach Sapheri sehen", bemerkte Jono, "ich wette, dass sie bei Tethys ist."

"Dann lass sie auch dort! Versuch dir vorzustellen, dass wir jetzt nicht beieinander sein dürften. Wie würdest du dich fühlen?"

"Ganz miserabel.", antwortete der Blonde ohne zu Zögern.

"Genauso geht es ihr, wenn sie Tethys nicht sehen kann. Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass du auch nichts daran ändern kannst, wenn sie sich zueinander hingezogen fühlen."

Mari strich mit einer Hand über Jonos Brust. Die linke Hand des Blonden glitt zu Maris Gesicht und fuhr über ihre Wange. Er strich ihr eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. Dann beugte er den Kopf hinunter und küsste sie. Maris Lippen waren weich wie Seide und er konnte gar nicht genug von ihnen bekommen. Nach kurzer Zeit allerdings löste sie sich von ihm, indem sie ihn sanft zur Seite drückte.

"Es wird Zeit.", sagte sie.

"Du hast Recht.", antwortete Jono.

Er rutschte zum Bettrand und schnappte sich seine Hose und sein T-Shirt vom Boden. Während er sich wieder anzog, war auch Mari schnell wieder in ihre Unterhose und die Corsage geschlüpft.

"Kannst du mir helfen?", fragte sie und präsentierte ihm die unverschnürte Corsage.

Jono nickte und kam zu ihr. Anfangs noch leicht ungeschickt zog er die Bänder durch die Schlaufen. Mari hielt vollkommen still und schloss die Augen. Das ließ ihr die Berührungen an ihrem Rücken noch intensiver vorkommen. Bald schon hatte Jono seine Arbeit beendet.

"Danke.", sagte Mari, drehte sich um und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.

Dann tapste sie weiter und schlüpfte in ihr Kleid, das die ganze Zeit über am Boden gelegen hatte. Sie band es im Rücken fest, damit es nicht runterfallen konnte. Jono hatte sich mittlerweile wieder seinem Leinensack gewidmet. Offensichtlich war er in Gedanken durchgegangen, ob er auch wirklich nichts mehr vergessen hatte. Dann schloss er den Bund und schnürte ihn fest.

"Jetzt dauert es nicht mehr lange.", murmelte er mehr für sich selbst.

Mari saß auf dem Bett und starrte in das Feuer, das in einer Schale daneben brannte. Dann jedoch stand sie auf und kam zu Jono herüber.

"Ich möchte dir etwas geben.", sagte sie.

Jono drehte sich zu ihr um und sah sie neugierig an.

"Öffne deine Hand.", befahl Mari.

Jono tat es und die Blondine legte etwas hinein. Als Jono es ansah, sagte er sofort:

"Das kann ich nicht annehmen, Mari."

Es war die Kette mit dem lila Anhänger.

"Ich schenke sie dir auch nicht, ich leihe sie dir nur.", erklärte Mari.

"Du leihst sie mir?", fragte er nach.

"Ja, ich möchte sie natürlich wiederhaben. Aber dafür musst du zurückkehren."

Jono verstand langsam, worauf sie hinaus wollte.

"Ich weiß, dass du mir nicht versprechen kannst, dass du zurückkommst. Aber wenn du dein Wort halten und mir die Kette wiedergeben willst, wirst du wohl heimkommen müssen."

"Ich werde mein möglichstes tun, damit die Kette wieder in deinen Besitz kommt.", versprach Jono.

Er verstaute den Talisman gut in seiner Jackentasche und verschloss diese. Genau in diesem Moment drang von außen ein Geräusch ins Zimmer. Es war ein durchdringendes Heulen. Das Heulen eines Schakals.

"Nun ist es also soweit.", bemerkte Mari.

Jono nickte und sah sich um, ob er etwas vergessen hatte.

"Kommst du mit?"

"Ich glaube nicht", erwiderte Mari, "ich möchte nicht noch mal Abschied nehmen."

Sie zog sich ihre Sandalen an und ging zur Tür. Diese musste zuerst noch entriegelt werden.

"Auf Wiedersehen, Jono.", sagte sie und verschwand nach einem letzten Blick aus dem Zimmer.

Jono sah ihr stumm hinterher. Auch ihm fiel der Abschied schwer und am liebsten hätte er ihn soweit wie möglich hinaus gezögert. Doch das war sehr kurz und knapp gewesen. Er hatte sich ihren Abschied ein wenig anders vorgestellt. Mit einem Seufzer nahm er den Leinensack und löschte das Feuer neben dem Bett.
 

"Es ist Zeit."

Atemu erhob sich vom Bett, auf dem er mit Teana gesessen hatte, und ging zu dem Tisch hinüber, auf dem er seine Sachen abgelegt hatte. Er nahm das Diadem und setzte es sich wieder auf die Stirn. Dann wanderte seine Hand zu seinem Zepter.

"Du wirst es schon schaffen.", meinte Teana zuversichtlich.

Unter einiger Anstrengung stand sie vom Bett auf.

"Ist alles in Ordnung?", fragte Atemu sofort besorgt.

"Ja.", erwiderte sie mit einem Lächeln.

Atemu schwang sich einen Umhang über die Schultern. Das Zepter steckte er in eine Schlaufe an seinem Gürtel.

"Wir werden sehr schnell und mit wenig Gepäck reisen.", sagte er beiläufig.

Er wusste zwar, dass Teana dies nicht interessierte, aber er suchte einen Grund, um mit ihr zu reden. Teana jedoch bemerkte die Tatsache, dass es ihm immer noch unangenehm war, sie allein zu lassen.

"Warum sagst du mir nicht einfach, was du auf der Seele hast?", wollte sie wissen.

Atemu ließ die Schultern sinken und drehte sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu ihr um.

"Vor dir kann ich aber auch wirklich nichts verbergen.", stellte er fest.

"Nein, dafür kennen wir uns einfach schon viel zu lange.", gab die Brünette zurück.

"Mir ist einfach nicht wohl bei dem Gedanken, dich hier zurück zu lassen. Und du kannst mir noch hundert Mal versichern, dass es dir ausgezeichnet gehen wird. Ich werde trotzdem an dich denken müssen."

Teana kam lächelnd auf ihn zu und zupfte ein wenig an seinem Umhang.

"Ich werde auch an dich denken und für dich beten. Mögen die Götter über dich wachen."

Dann küsste sie ihren Gemahl sanft auf den Mund. Atemu legte die Arme um Teanas Körper und zog sie an sich, immer jedoch auf ihren Bauch achtend. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, ließ Atemu die rechte Hand nach unten zu Teanas Bauch wandern. Mit einer zärtlichen Bewegung strich er ihr über die Rundung.

"Und du benimmst dich artig und kommst erst, wenn ich wieder da bin.", wies er das Ungeborene an.

Teana entlockte dies ein Lachen und sie meinte:

"Ich werde nicht vergessen, es daran zu erinnern."

Dann nahm sie Atemu bei der Hand. Gemeinsam verließen sie das königliche Gemach Richtung Innenhof.
 

"Ich muss jetzt auch mal los.", bemerkte Tethys.

Sapheri erhob sich vom Bett und nickte. Auch sie hatte das Heulen des Schakals vernommen.

"Ich werde dich begleiten.", sagte die Brünette entschieden.

"Hältst du das für eine gute Idee?", fragte Tethys.

"Ich werde dich bestimmt nicht einfach so gehen lassen.", sagte Sapheri.

"Das finde ich sehr nett von dir."

"Wir sind Freunde, Tethys, schon so lange ich denken kann. Und ich werde natürlich an deiner Seite sein, wenn so ein wichtiges Ereignis ansteht.", erklärte Sapheri.

"Und ich weiß das sehr zu schätzen, dass du dir nicht nur um Jono, sondern auch um mich Gedanken machst."

"Lass uns gehen. Sonst kommen wir noch zu spät.", stellte die Brünette fest.

Die beiden verließen Tethys' Zimmer. Draußen auf dem Flur waren sie nicht erstaunt, Jono vorzufinden. Der Blonde trug den Leinensack über der Schulter und sah sie an.

"Kann es losgehen?", fragte Tethys.

Jono nickte und schloss die Tür hinter sich. Die Tatsache, dass Sapheri die ganze Zeit bei seinem Kameraden verbracht hatte, schien ihm egal zu sein. Sapheri wunderte sich schon, denn sie und auch Tethys hatten sich auf eine lange Standpauke gefasst gemacht.

"Wo ist denn Mari?", wollte die Brünette wissen.

"Na ja, ich hatte gehofft, ihr hättet sie getroffen.", erwiderte Jono.

"Dann war sie gar nicht bei dir?", fragte Tethys verblüfft.

"Doch, aber sie ist vorhin wieder gegangen. Und sie sagte, sie würde nachher nicht kommen."

"Warum das denn nicht?", wollte Sapheri wissen.

"Sie meinte sie hasse Abschiede.", erklärte Jono.

"Bestimmt kommt sie doch noch. Sie muss sich doch auch noch von Tethys verabschieden. Und dich lässt sich bestimmt auch nicht einfach so gehen.", vermutete Sapheri.

Jono musste sich verkneifen zu sagen, dass er sein Abschiedsgeschenk bereits erhalten hatte. Also nickte er nur und ging hinter seinen Freunden den Korridor entlang. Als sie durch den großen Torbogen ins Freie traten, hatten sich bereits einige andere auf dem Innenhof versammelt. Jeder von ihnen trug eine Fackel in der Hand und die meisten saßen bereits auf ihren Pferden. Von hier oben aus sah man nur die unzähligen kleinen leuchtenden Punkte. Die drei Freunde begannen den Abstieg und waren alsbald bei den anderen angekommen. Jono und Tethys holten ihre fertig gesattelten Pferde aus dem Stall und gesellten sich draußen auf dem Hof wieder zu den anderen Wartenden. Sapheri stand neben Tethys und hielt sein Pferd fest. Es schien so, als brauche sie etwas zu tun. Untätig herumzustehen missfiel der Brünetten offensichtlich.

"Und du hast auch alles gepackt?", wandte sie sich an ihren Bruder.

Dieser verdrehte die Augen und erwiderte:

"Ja, das habe ich. Ich habe es extra zweimal überprüft."

"Ich wollte ja auch nur sichergehen, dass du nichts vergessen hast."

"Du benimmst dich wie seine Mutter.", stellte Tethys schmunzeln fest.

"Das sagt derjenige, dessen Leinensack ich vorhin gepackt habe.", schoss Sapheri zurück.

Jono blickte den Braunhaarigen daraufhin erstaunt an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.

"Sonst wäre ich vielleicht gar nicht mehr gekommen.", sagte er grinsend.

In diesem Moment kam der Pharao bei ihnen vorbei geritten.

"Geht es euch gut?", erkundigte er sich.

"Bestens.", gab Tethys zurück.

"Dann bin ich beruhigt. Es wird wohl nur noch kurze Zeit dauern, bis sich auch die restlichen Männer hier eingefunden haben.", bemerkte der Pharao.

Seine beiden Leibwachen nickten ihm zu. Dann gab der Pharao dem Pferd die Schenkel und entfernte sich.

"Langsam könnte Mari wirklich mal hier auftauchen.", stellte Sapheri fest.

Jono hielt den Fuchs am langen Zügel und blickte sich ebenfalls um. Auch in ihm war noch die Hoffnung, dass die Blondine noch auftauchen würde, um sich von ihnen zu verabschieden. Seine Hand fühlte nach der Kette in seiner Jackentasche. Er war beruhigt, als er sie an ihrem Platz vorfand. Dann glitt sein Blick zu Sapheri und Tethys. Seine Schwester stand dicht bei dem Braunhaarigen und sprach mit ihm. Hin und wieder nickte er oder antwortete. Jono betrachtete die beiden eine Weile.

< Eigentlich geben sie ein schönes Paar ab. Und wir kennen uns jetzt auch alle schon so lange. Eigentlich sollte ich froh darüber sein, dass Sapheri sich Tethys ausgesucht hat. Er ist mir lieber, als jeder andere der Männer hier im Palast. Allerdings ist es schon ein etwas ungewohntes Gefühl, die beiden so nahe beieinander zu sehen.>

Jono ließ den Blick weiter umher schweifen. Bei vielen Männern hatten sich ebenfalls Frauen und auch Kinder versammelt. Es waren Familien, die sich von ihren Ehemännern und Vätern verabschiedeten. Jonos Blick blieb an einer Gruppe ganz in seiner Nähe hängen. Ein Soldat hielt gerade seine kleine Tochter auf dem Arm und versuchte ihr zu erklären, warum er in den nächsten Tagen nicht mehr mit ihr spielen konnte. Jono wünschte sich in diesem Moment nichts mehr, als dass Mari neben ihm stehen und ihn ebenfalls umarmen würde.

"Ich glaube der Pharao macht sich zum Aufbruch bereit.", bemerkte Tethys plötzlich.

Jono erwachte aus seinen Gedanken. Atemu ritt durch die Reihen und bat die Männer darum aufzusteigen.

"Pass auf dich auf, Tethys!", sagte Sapheri.

"Keine Sorge! Mir wird schon nichts passieren.", gab dieser zuversichtlich zurück.

"Und achte auch ein wenig auf meinen Bruder.", bat Sapheri.

"Ich werde ihm nicht von der Seite weichen.", erklärte er augenzwinkernd.

"Du wirst mir fehlen.", sagte Sapheri und umarmte Tethys.

"Keine Sorge", meinte er und senkte die Stimme ein wenig, "in wenigen Tagen bin ich wieder da. Vielleicht sogar schon morgen, wenn wir die Rebellen heute besiegen."

Jono sah den beiden zu, wie sie sich voneinander verabschiedeten. Mari hatte Recht gehabt. Er konnte auch nichts daran ändern, dass die beiden einander sehr mochten.

< Ach Mari, wo bist du nur?>, dachte er und sah sich suchend um.

"Komm schnell wieder, Bruder.", bat Sapheri.

"Ich werde mein Bestes tun.", gab er zurück.

Dann schloss er seine Schwester fest in seine Arme. Sapheri zitterte ein wenig. Ein Zeichen dafür, dass sich darum bemühte, ihre Tränen zurückzuhalten.

"Du musst nicht weinen, Sapheri", sagte Jono, "uns wird nichts passieren."

Sapheri schluckte ihre Tränen hinunter und lächelte.

"Komm Jono, wir müssen mit an die Spitze.", warf Tethys ein.

Jono nickte und drehte sich zu seinem Fuchs um. Genau in dem Moment, als er einen Fuß in den Steigbügel gesetzt hatte, hörte er Rufe hinter sich.

"Jono! Warte! Jono!"

Er setzte den Fuß wieder auf den Boden und sah sich irritiert um. Er kannte die Stimme.

"Jono? Jono! Warte!"

Dann sah er, wer ihn gerufen hatte. Eine aufgeregte Blondine wühlte sich durch die Leute.

"Mari!", rief er erstaunt.

Schon war sie bei ihm und warf sich in seine Arme. Jono erwiderte diese Geste nur zu gerne und schlang die Arme ganz fest um die leicht keuchende Blondine.

"Du sagtest doch, dass du nicht kommen wolltest.", bemerkte er.

"Ich weiß, aber ich konnte nicht anders. Der Gedanke, dass du fort gehst...."

Sie führte den Satz nicht zu Ende, sondern schmiegte ihren Kopf an den Oberkörper des Blonden. Jono strich ihr liebevoll durch die Haare.

"Pass auf dich auf, Jono! Sei bitte vorsichtig. Ich möchte, dass du heil zurückkommst.", sagte Mari.

"Das werde ich.", antwortete der Blonde.

Mari löste ihren Kopf von seinem Oberkörper und strich ihm mit einer Hand sanft über die Wange. Ihre Augen waren auf die seinen fixiert. Sie sahen sich zuerst einfach nur an, doch dann beugte der Blonde sich vor und küsste seine Freundin. Ganz zärtlich legte er seine Lippen auf ihre. Doch schließlich wurde sein Kuss ein wenig fordernder und Mari kam der Bitte nach. Sie öffnete die Lippen und ließ sich die Liebkosung seiner Zunge gefallen. Dann nahm er den Kopf zurück.

"Ich denke an das Versprechen.", sagte er und strich ihr über die Wange.

"Ich werde hier auf dich warten.", entgegnete Mari.

"Es ist Zeit.", bemerkte Tethys.

Mari ließ von Jono ab, damit er aufsteigen konnte. Als er sich zu Recht gesetzt hatte, wendete er den Fuchs. Er warf den beiden Frauen einen letzten Blick zu. Tethys tat es ihm gleich. Dann ritten beide an die Spitze der Armee. Auf Befehl des Pharao hin verließ die Truppe den Innenhof. Zurück blieben die vielen Frauen und Kinder, welche die nächste Zeit wohl in Sorge um ihre Lieben verbringen würden.
 

Tur mir nichts, Gnade, Gnade! Was soll ich tun? Das sind eben Soldaten. Die müssen in den Krieg ziehen.'

Im nächsten Kapitel erfahrt ihr übrigens, was jetzt eigentlich in Maris Vergangenheit so passiert ist und dann wird euch vielleicht einiges klarer. Also, bis demnächst,
 

Hillary

Die Vergangenheit tut weh

So, hier geht es jetzt weiter im Text. In diesem Chap erfahrt ihr endgültig, wie es denn so in Maris Vergangenheit aussieht. Also, viel Vergnügen beim Lesen.
 

Kapitel 19: Die Vergangenheit tut weh
 

Das Tor fiel wieder zu und hinterließ eine breite Masse schweigender Leute.

"Nun sind sie fort.", bemerkte Mari leise.

"Ja, das sind sie.", pflichtete Sapheri ihr bei.

Dann sah sie die Blondine von der Seite an. Mari, der dieser Blick nicht entgangen war, schloss kurz lächelnd die Augen und fragte dann:

"Was ist?"

"Ach nichts.", entgegnete Sapheri immer noch grinsend

"Sag schon etwas. Du willst doch etwas sagen.", hakte Mari nach.

Eine kurze Zeit herrschte Schweigen, doch dann meinte die Brünette:

"Ihr habt es also endlich geschafft."

"Haben wir das?", fragte Mari.

"Wenn das gerade kein Kuss zwischen zwei schwer Verliebten war, dann bin ich ein Mann!"

"Du hast Recht. Ich liebe deinen Bruder."

"Das ist doch wunderbar", freute sich Sapheri, "ladet ihr mich zur Hochzeit ein?"

Auf diese Frage hin musste Mari so fürchterlich lachen, dass einige Leute sich erstaunt zu ihr umdrehten.

"Verzeihung.", murmelte Mari verlegen.

Dann packte sie sich die Brünette und gemeinsam gingen sie zurück in den Palast.

"Was ist so lustig an dieser Frage?", wollte Sapheri wissen.

"Ich bin gerade einen tag mit deinem Bruder zusammen und schon fragst du mich nach einer Hochzeit."

Sie bogen vom Hauptkorridor nach links ab, da sie bei Teana vorbei schauen wollten.

"Ich finde den Gedanken gar nicht so abwegig.", erklärte Sapheri.

Schon standen sie vor dem königlichen Gemach. Es stand nur noch ein Wachmann an der Tür. Er ließ sie allerdings sofort ein, ohne dass sie ihren Namen und den Grund des Kommens verraten mussten.

"Euer Hoheit?"

Die beiden jungen Frauen standen wartend im Raum, als die Tür wieder geschlossen wurde.

"Ich bin hier.", sagte Teana und kam aus einer kleinen Nische in der Wand.

Sie ging auf den Tisch neben dem Bett zu und legte ein Armband dort ab.

"Die Truppen haben den Hof verlassen, nicht wahr?", fragte sie.

"Ja, Euer Hoheit.", erwiderte Mari.

"Dann wollen wir ein paar Kerzen anzünden und für sie beten."

Sie entzündete die Kerzen auf dem Nachttisch, während Sapheri einige Kerzen entflammte und diese dann an die Öffnung des Balkons stellte. Dann versuchte Teana sich hinzuknien, was ihr alleine allerdings nicht gelang. Sapheri stützte sie.

"Danke Sapheri.", sagte Teana leise.

Dann ließen sich die Brünette und die Blondine direkt hinter ihr auf dem kühlen Boden nieder. Alle drei falteten die Hände und hielten nun eine stumme Zwiesprache mit den Göttern, in der sie um Schutz für ihre Lieben baten.
 

Die Reitergruppe bewegte sich schnell vorwärts. Atemu hielt die Spitze. Gleich dahinter folgten Jono und Tethys.

"Glaubst du die Rebellen ahnen etwas?", fragte Tethys.

"Ich weiß es nicht genau. Hoffen wir das Gegenteil!", gab Jono zurück.

"Wenn wir diesen Kurs beibehalten, werden wir ihnen direkt in die Arme reiten."

"Genau das ist unser Plan.", gab Atemu über die Schulter zurück.

Er hatte das Gespräch von Anfang an mitgehört.

"Habt ihr eine Vorstellung, wann genau wir auf sie treffen werden?", fragte Jono.

"Wenn wir in diesem Tempo weiter reiten, dann noch vor Sonnenaufgang.", gab der Pharao zurück.

Und so bewegte sich Gruppe weiterhin stetig vorwärts.
 

"Ich werde mich ein wenig hinlegen.", informierte Teana ihre Bediensteten.

"Tut das nur, Euer Hoheit, Mari und ich werden hier bleiben und auf Euch aufpassen."

Teana saß auf ihrem Himmelbett und lehnte sich in ihr Kopfkissen zurück.

"Wenn ihr euch ebenfalls müde fühlt, so tut euch keinen Zwang an und legt euch ruhig zu mir ins Bett. Es ist groß genug für uns alle.", erklärte sie.

Ihre beiden Bediensteten nickten ihr zu. Dann zog Teana sich die weiche Decke über den Körper und kuschelte sich darin ein. Sapheri und Mari gingen hinaus auf den Balkon, damit Teana in aller Ruhe einschlafen konnte. Gerade jetzt im Moment brauchte sie jede Menge Ruhe. So wie es aussah, würde das Baby nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Draußen setzte Mari sich auf das steinerne Geländer. Offensichtlich schien es ihr nichts auszumachen, dass es etwa zehn Meter bis zum Boden waren. Sapheri war nicht so mutig. Sie lehnte sich lieber gegen die Steine. Mari baumelte ein wenig mit den Beinen umher.

"Es muss sehr schwer für sie gewesen sein.", bemerkte sie plötzlich.

"Was?", wollte Sapheri wissen.

"Zu wissen, dass ihr Mann sie gerade in solch einer Zeit verlassen muss, um in die Schlacht zu ziehen."

"Ihm ist es bestimmt auch nicht leicht gefallen", antwortete Sapheri, "er liebt Teana über alles. Ich kann mir vorstellen, dass er auch lieber bei ihr und dem Baby geblieben wäre, aber der Kodex verlangt es nun mal so."

"Eigentlich grausam, eine Familie auseinander zu reißen.", stellte Mari fest.

Ihr Gesichtsausdruck hatte wieder etwas Wehmütiges.

"Darf ich dir eine Frage stellen, Mari?", wollte Sapheri wissen.

Mari nickte und sah sie abwartend an.

"Was ist mit deiner Familie passiert?"

Die Blondine wandte den Kopf wieder ab. Zuerst dachte Sapheri, dass sie gar nicht antworten wollte, doch dann vernahm sie einige leise Worte.

"Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen. Das letzte Mal vielleicht vor einem Jahr."

"So lange schon nicht?", fragte Sapheri bestürzt.

"Ich glaube auch nicht, dass ich sie jemals wieder sehe.", antwortete Mari.

"Aber warum nicht? Du kannst sie doch besuchen!", gab Sapheri zurück.

"Im Jenseits?", fragte die Blondine bitter.

Daraufhin sah Sapheri sie bestürzt an und stammelte:

"Oh... ich dachte... entschuldige, ich wollte wirklich nicht..."

Doch Mari winkte ab und antwortete:

"Mach dir keine Vorwürfe. Du hast mir eine Frage gestellt und sollst auch eine Antwort erhalten. Eigentlich fing damals alles ganz harmlos an. Das Dorf, in dem wir wohnten, war arm und eigentlich kein interessanter Ort. Doch eines Tages wurden wir von Räubern überfallen. Wir hatten nichts mehr. Keine Kleidung, kein Essen und erst recht kein Geld mehr."

Mari fuhr sich kurz durch die blonden Locken ehe sie fortfuhr.

"Aber wir hatten, wie wir damals glaubten, Glück im Unglück. Ein reicher Mann war bereit, uns zu verpflegen und mit Kleidung auszustatten, wenn wir ihm im Gegenzug dafür unsere Dienste anboten. Natürlich sagten die meisten von uns in Anbetracht der Notlage zu. Das war der Anfang vom Ende."

Mari ballte eine Hand zur Faust und ihre Miene verfinsterte sich.

"Der Mann war ein fürchterlicher Tyrann. Selbst wir Kinder mussten uns beinahe zu Tode schuften. Meine Eltern taten ihr Möglichstes, um mich und meine beiden Geschwister zu schützen und großzuziehen. Meine Mutter musste auf den Feldern arbeiten. Sie hatte ohnehin schon Probleme mit dem Rücken, aber diese ständige Feldarbeit gab ihr den Rest. Sie wurde unheilbar krank und konnte nur noch leichte Arbeiten verrichten. Trotzdem plagte sie sich weiter, aus Angst, dass man uns etwas antun könne. Ich war zu dem Zeitpunkt vielleicht sechzehn. Ich tat mein Möglichstes, um ihr zu helfen, ihr gewisse Dinge abzunehmen."

"Wie alt waren deine Geschwister?", wollte Sapheri wissen.

"Meine Schwester war vier Jahre jünger und mein Bruder zwei Jahre. Meine Schwester war noch zu jung zum arbeiten, aber meinen Bruder hat man auch zur Arbeit gezwungen. Er arbeitete mit meinem Vater in einer Mine ganz in der Nähe."

An dieser Stelle hielt Mari kurz inne, als überlege sie, was sie als nächstes erzählen sollte.

"Alles lief ganz gut, solange jeder vernünftig seiner Arbeit nachging. Allerdings durfte man sich nicht einfallen lassen, krank zu spielen, denn das konnte unangenehme Folgen haben. Es war ein ganz normaler Tag. Vater und mein Bruder waren wie immer zur Arbeit gegangen. Ich war mit meiner Schwester im Haus geblieben, um meiner Mutter zur Hand zu gehen. Dann hörten wir von draußen plötzlich ein ohrenbetäubendes Knallen. Wir rannten sofort hinaus, um dem auf den Grund zu gehen. Ich werde nie vergessen, wie meine Mutter mich und meine Schwester bei der Hand nahm. In einer Richtung stiegen lange Schwaden in den Himmel und es rauchte. Von allen Teilen des Lagers kamen die Leute zusammen gelaufen. Und dann erfuhren wir den Grund."

An dieser Stelle stockte Mari plötzlich und Tränen traten in ihre violetten Augen.

"Es... es war die Mine. Sie war eingestürzt. Einfach so. Und da keiner es gewusst hatte, waren die Männer nicht gewarnt worden. Sie waren alle noch da drin. Mein Vater, mein Bruder, Freunde und Bekannte von mir. Alle waren sie noch in der Mine gewesen."

Maris Stimme zitterte und sie schlug sich die Hände vor das Gesicht.

"Es war so furchtbar. Wir standen alle vor der Mine. Wir hofften, dass sie doch noch unter den Steinen hervorkommen würden. Beteten, dass sie einen Fluchtweg finden würden, aber... aber....."

An dieser Stelle schluchzte sie laut auf.

"Es kam niemand... wir warteten.... bis die Nacht hineinbrach. Ich hätte die ganze Nacht gewartet, wenn meine Mutter mich nicht mit zum Haus geschleift hätte. Ich konnte nicht schlafen. Wollte nicht begreifen, dass dort unten, weit unter der Erde mein Vater und mein Bruder waren."

Sapheri legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.

"Nach zwei Tagen hatten wir die Hoffnung aufgegeben. Das Leben ging weiter, allerdings nicht für diejenigen, die ihr Leben in der Mine gelassen hatten. Und es dauerte nicht lange, bis meine Mutter schließlich so krank wurde, dass sie gar nicht mehr laufen konnte. Sie lag nur noch im Bett. Nur war es an mir, mich um meine Familie zu kümmern. Ich musste drei Leute ernähren."

Mari fuhr sich kurz mit dem Handrücken über die Augen, um eine Träne fortzuwischen.

"Beinahe zwei Jahre lang blieb meine Mutter in diesem Zustand. Bis auch sie schließlich starb. Wenigstens wusste ich, dass es ihr im Jenseits besser ging und sie wieder mit meinem Vater und meinem Bruder vereint war. Trotz allem war da immer noch die Verantwortung für meine jüngere Schwester. Sie war erst vierzehn."

Sapheri nickte. Schließlich wusste auch sie, wie es war, ohne Mutter aufzuwachsen.

"Ich bemühte mich darum, dass wir so oft wie möglich zusammen waren. Schließlich gab es nur noch uns beide. Wir hatten sonst niemanden mehr. Und wo hätte sie alleine hingesollt?"

Sapheri nickte gedankenverloren und versuchte sich auszumalen, was sie wohl ohne Jono gemacht hätte.

"Doch leider war die Gunst der Götter nicht auf unserer Seite. Nur kurze Zeit später wurden wir auseinander gerissen. Dem Mann war ein guter Preis für mich geboten worden, dem er nicht widerstehen konnte. Er gab mich

ab. Ich flehte meinen neuen Herrn an, er möge meine Schwester ebenfalls kaufen, aber er sagte, er sei nur an jungen Frauen interessiert und nicht an kleinen Kindern. Ich werde niemals den Tag vergessen, an dem ich das Lager verlassen musste. Die Wagen standen bereit und ich musste mich von meiner Schwester verabschieden. Als ich auf den Pferdwagen aufsteigen musste und wir losfuhren, da lief sie noch ein ganzes Stück neben mir her.

"Verlass mich nicht, Mari!", schrie sie immerzu. Doch ich konnte es nicht ertragen. Ich hielt mir die Ohren zu und versuchte meinen Blick in eine andere Richtung zu lenken. Erst später habe ich mich getraut, einen Blick nach hinten zu werfen. Dieses Bild brannte sich in mein Gedächtnis ein. Ich sah meine Schwester inmitten der ganzen kleinen Steinhäuser und Tiere stehen. Sie starrte mich unverwandt an und winkte die ganze Zeit. Doch ich winkte ihr nicht. Das Herz war mir so schwer. Ich konnte es nicht."

Mari hielt kurz inne, um die Erinnerungen auf sich wirken zu lassen.

"Heute weiß ich, dass ich es hätte tun sollen. Ich habe sie danach nie wieder gesehen, Sapheri, nie wieder. Ich habe keine Ahnung, was mit ihr passiert ist. Ob sie immer noch in diesem Lager lebt oder auch verkauft wurde. Oder ob sie vielleicht gar nicht mehr unter den Lebenden ist."

Dann herrschte Schweigen. Mari hing immer noch ihren Erinnerungen hinterher, während Sapheri erst mal verarbeiten musste, was sie gerade gehört hatte.

"Das ist... wirklich... furchtbar.", sagte die Brünette schließlich.

"Es ist furchtbar, aber es ist passiert und ich kann nichts mehr daran ändern."

Sapheri rückte näher zu der Blondine und tätschelte ihr den Rücken.

"Das habe ich ja alles nicht gewusst, Mari, es tut mir so Leid."

"Worte können das auch nicht mehr rückgängig machen. Es ist passiert und ich habe mich allmählich damit abgefunden.", erwiderte sie Blondine.

"Von nun an wirst du nicht mehr allein sein, Mari, du hast eine neue Familie gefunden. Jono und ich, wir werden deine neue Familie sein. Sieh mich einfach als kleine Schwester an."

Mari hatte plötzlich ein Lächeln auf dem Gesicht. Dann lehnte sie ihren Kopf an Sapheris Schulter.

"Ich danke dir, Sapheri. Und ich glaube ich hätte keine bessere Familie finden können."

"Vielleicht sollten wir jetzt auch reingehen und uns ein wenig ausruhen. Der Tag war anstrengend."

Mari nickte zustimmend und die beiden jungen Frauen verließen den Balkon. Drinnen im Raum hatte sich durch die Kerzen, die sie zum beten aufgestellt hatten, eine angenehme Wärme ausgebreitet.

"Ich schaue noch mal, ob Ihre Hoheit wirklich schläft.", sagte Sapheri.

Sie ging um das Bett herum und beugte sich über Teana. Doch diese hatte die Augen fest geschlossen und atmete ganz gleichmäßig und ruhig.

"Sie schläft tief und fest", sagte Sapheri, "wir sollten ihrem Beispiel folgen."

Sie umrundete das Himmelbett wieder und kam zu Mari. Sie stupste die Blondine bestimmt auf die Matratze.

"Na los, Ihre Hoheit hat gesagt, dass wir uns zu ihr legen können. Ich glaube keiner von uns dreien möchte heute Nacht gerne alleine sein."

Mari legte sich hin und Sapheri schlüpfte gleich neben ihr unter die Decke. Sie kuschelte sich gemütlich hinein und seufzte einmal zufrieden auf.

"Das erinnert mich an die Zeit, als ich mir noch ein Bett mit Jono geteilt habe. Aber das Vergnügen wirst du ja dann demnächst haben.", bemerkte Sapheri.

Mari musste sich zurückhalten, um nicht eine Bemerkung über die Tatsache fallen zu lassen, dass sie sich das Bett bereits mit Jono geteilt hatte. Wahrscheinlich nur in etwas anderem Sinne.

"Es ist sicherlich warm und geborgen.", mutmaßte sie.

"Oh ja, das ist es", antwortete Sapheri, "du fühlst dich einfach sicher in seinen Armen."

"Das kann ich gut nachempfinden.", stimmte Mari ihr zu.

"Du musst es ja wissen. Gute Nacht, Schwester."

Mari lächelte und strich Sapheri, die mit dem Rücken zu ihr lag, einmal kurz über die Haare.

"Gute Nacht, Schwester.", entgegnete sie ebenso leise.

Dann kuschelte sie sich in das weiche Kopfkissen und atmete tief ein.

< Sapheri hat Recht. Die Vergangenheit kann wirklich wehtun, aber ich werde darüber hinwegkommen. Auch wenn ich meine alte Familie verloren habe, so habe ich jetzt doch eine neue Familie gefunden.>

Glücklich, dass sie sich endlich jemandem mitgeteilt hatte, schlief die Blondine ein.
 

"Schneller! Schneller!"

Der Reiter spornte sein Pferd an. Das Tier streckte sich noch mehr. Es flog über den Sand. Die Nacht war still. Kein Laut drang durch die Dünen, während Pferd und Reiter sich über den Sand arbeiteten.

"Vorwärts!"

Der Mond stand hoch am Himmel und warf sein eher kühles Licht auf die Erde. Die Dünen warfen lange Schatten auf den Boden. Das Pferd sauste durch den tiefen Sand. Die Abdrücke, die es hinterließ, blieben jedoch nicht lange bestehen, denn der kühle Wüstenwind wehte sie kontinuierlich wieder zu.

"Schnell, schnell, Seth wartet auf uns!", drängte der Reiter.

Er gab dem Tier noch mehr Schenkeldruck. Obwohl es bereits heftig atmete, strengte es sich seinem Reiter zuliebe noch mehr an. Dessen Umhang flatterte im Wind. Seine weißen Haare glänzten leicht silbrig im Mondlicht. Er ritt die Dünen auf und ab, ohne eine Pause einzulegen.

"Nicht mehr lange und ich werde am Ziel eintreffen.", murmelte er.

Dabei erschien ein diabolisches Grinsen auf seinem Gesicht.

"Diese Narren wissen wahrscheinlich gar nicht, was wir wirklich vorhaben. Die werden Augen machen, wenn wir nachher vor ihrer Tür stehen und sie überraschen."
 

Tja, das war's auch schon wieder. Ich weiß ja, ich bin gemein. Aber ihr könnt euch ja sicherlich schon denken, wer der geheimnisvolle Reiter ist, oder? Bis zum nächsten Chap wird es nicht so lange dauern, das verspreche ich. Ich werde versuchen, es noch am Wochenende reinzustellen. Bis dahin müsste ich es schaffen. Also, wir lesen uns,
 

Hillary

Hinterhalt

Hallo, hier ist wie versprochen das nächste Kapitel. Und ein dickes Dankeschön an alle fleißigen Kommischreiber an dieser Stelle.
 

Kapitel 20: Hinterhalt
 

Es war noch leicht dunkel, als Mari erschrocken hochfuhr. Sie atmete heftig und einige Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. Ihr Blick fiel sofort auf Teana und Sapheri, die beide neben ihr lagen. Offensichtlich hatten die beiden sich von ihr nicht stören lassen.

"Es war nur ein Traum.", murmelte Mari erleichtert.

So leise wie möglich rutschte sie unter der Bettdecke hervor und kletterte zum Fußende. Dann stellte sie sich auf den Steinboden, der zu dieser Stunde noch kein bisschen Wärme aufgenommen hatte. Mit leisen Schritten tapste sie hinüber zum Balkon. Draußen war es noch relativ kalt und die Blondine fröstelte, als sie einen Fuß nach draußen setzte. Doch sie wollte die Gedanken aus ihrem Kopf verbannen.

< Es war nur ein Traum. Jono ist nichts passiert. Ihm und auch den anderen geht es gut.>, redete sie sich ein.

Sie wollte nicht mehr an diese furchtbaren Bilder denken, welche ihr gerade im Kopf herum gespukt waren. Die vielen Männer, welche im Wüstensand gelegen hatten. Geschlagen. Verletzt. Hilflos. Und über all ihnen hatte Ryou gethront. Mari schüttelte erneut den Kopf. Das war nicht die Realität und das wusste sie auch. Trotzdem konnte sie jetzt keine Ruhe und erst recht keinen Schlaf mehr finden. Also ging sie so leise wie möglich zur Tür. Als sie hindurchschlüpfte, war sie erstaunt, draußen keinen Wachmann mehr vorzufinden. Augenscheinlich hatte dieser sich auch ein Weilchen zur Ruhe gelegt. Mari tapste mit schnellen Schritten über den Gang, bis sie den Hauptkorridor erreichte. Er lag völlig ausgestorben vor ihr.

"Wo sind bloß die Wachmänner?", fragte sie sich.

Irgendwie kam es ihr seltsam vor, dass niemand mehr hier stand. Dabei war sie sich sicher, dass der Pharao einige Leute zurück gelassen hatte, damit sie den Palast bewachten. Offensichtlich nahmen sie ihre Pflicht im Moment nicht mehr so ernst, jetzt wo der Herrscher nicht mehr im Hause war. Mari ging voran, genau auf den Torbogen zu und trat ins Freie. Die Luft war kühl und klar zu so früher Stunde. Mari lehnte sich an den Sockel von Re an und atmete tief ein.
 

"Was glaubst du? Wann werden sie wieder zurückkehren?"

Der andere Wachmann am Tor zuckte mit den Schultern.

"Ich habe nicht die geringste Ahnung. Vielleicht schon in ein paar Tagen oder erst einer Woche?"

Der eine stützte sich nachdenklich auf seinen Speer.

"Es kommt natürlich darauf an, wie groß das Heer der Rebellen ist.", gab er zu Bedenken.

"In der Stadt erzählt man sich von 500 Mann."

"So viele? Ich hatte vernommen es seien 300 Männer."

"Wie dem auch sei", winkte der andere ab, "gegen die Macht des Pharao haben sie keine Chance."

"Auch Ryou nicht?", wollte der eine wissen.

"Selbst der nicht. Auch wenn er ein gewitzter Grabräuber ist. Bei der Macht des Pharao sieht er blass aus. Da kann er sich anstrengen, solange er lustig ist."

In diesem Moment klopfte es am Tor. Die beiden Wachmänner hielten inne. Der eine nickte dem anderen zu und dieser öffnete die Luke im Tor.

"Was...?", begann er, verstummte jedoch plötzlich.

Sein Kamerad, dem er den Rücken zugewandt hatte, sah ihn an und gab ihm einen kleinen Schubs.

"Was ist denn los?", wollte er wissen.

In diesem Moment kippte sein Kamerad hintenüber und fiel auf den Boden. Dort blieb er mit aufgerissenem Mund liegen. Seine Augen blickten starr nach vorne.

"Hey, was ist denn mit dir?", fragte der andere besorgt und kniete sich hin.

Er überprüfte sofort, ob der Puls noch da war und war beruhigt, als er feststellte, dass sein Kamerad noch lebte. Doch augenscheinlich war er in eine Art tiefe Bewusstlosigkeit gefallen, denn er reagierte auf nichts mehr. Der Wachmann überlegte gerade, was er nun tun sollte, als er ein Geräusch hinter sich wahrnahm. Es kam vom Tor. Sofort stand er auf und hielt seinen Speer bereit. Die Holztür in dem großen Tor zitterte und erbebte. Der Wachmann schluckte seine Angst hinunter und ging einen Schritt weiter darauf zu. Die Tür knarrte gefährlich in den Angeln und drohte, jeden Moment zu zerbersten. Der Wachmann betete, dass irgendjemand diese unheimlichen Geräusche gehört hatte und ihm zu Hilfe eilte, doch es kam niemand. Schließlich war es soweit, dass das Holz dem Druck nachgab, der sich von der anderen Seite aufgebaut hatte. Als sie krachend auf den Hof fiel, blieb der Wachmann mit dem Speer im Anschlag stehen.

"Zeigt Euch! Ihr werdet hier nicht weiterkommen!", schrie er laut.

Zuerst war es still, doch dann kam eine Gestalt durch das Tor.

"So, so, vor dir sollte ich also Angst haben?", bemerkte er mit dunkler Stimme.

"Ich bin nicht alleine!", gab der Wachmann tapfer zurück.

"Lüg mich nicht an", zischte die Gestalt, "du bist alleine. Niemand kann dich hören."

Der Wachmann merkte, dass er es mit der Angst zu tun bekam. Als die Gestalt nun aus dem Schatten des Tores hinaustrat, da entfuhr dem Wachmann ein überraschter Schrei.

"Ich kenne Euch! Was habt Ihr hier verloren?", fragte er.

Seine weißen Haare glitzerten in der Dunkelheit und sein dunkler Umhang wehte leicht.

"Liegt das nicht auf der Hand?", fragte er grinsend.

"Das... das ist eine Falle.... eine Falle...", stammelte der Wachmann, dem plötzlich alles klar wurde.

"Kluges Kerlchen.", bemerkte sein Gegenüber.

"Achtung! Das ist ein Hinterhalt!"

Der Wachmann drehte sich auf dem Absatz um und lief schreiend über den Hof.

"Ein Hinterhalt! Sie sind hier! Im Palast!", schrie er so laut er konnte.

"Bring ihn zum Schweigen.", zischte die Gestalt.

In diesem Moment hechtete etwas an ihm vorbei. Es war ein dunkler Schatten, der genau auf den Wachmann zuhielt. Er flitzte behände über den Boden und als er den Wachmann erreicht hatte, setzte er zum Sprung an.

"Nein!!!", schrie der Mann, als der Schatten ihn zu Boden drückte und unter sich begrub.

Von irgendwoher ertönte ein heller Aufschrei. Die dunkle Gestalt und auch der Schatten sahen sofort auf. Dann entdeckte der Weißhaarige die blonde Frau ganz oben am Torbogen.

"Wir haben noch mehr Gäste.", bemerkte er grinsend.
 

Mari sah, wie der Schatten von dem Wachmann abließ und inne hielt. Eigentlich hatte sie ja nicht schreien wollen, aber dieses Bild war einfach zu grausam. Jetzt nützte es auch nichts mehr, dass sie sich die Hand vor den Mund hielt. Der Schatten hatte sie entdeckt. Er blickte lauernd in ihre Richtung. Mari überlegte nicht mehr lange, sondern drehte sich fluchtartig auf dem Absatz um. Wie vom Teufel gejagt hastete sie zurück durch den Korridor.

"Hilfe! Kann mich jemand hören? Wir werden angegriffen!", schrie sie verzweifelt.

Doch niemand antwortete ihr. Da sie nicht wusste, wo die Wachmänner sich befanden, tat sie das einzig Richtige. Sie lief zurück zu den königlichen Gemächern.

"Hilfe! Wir werden angegriffen!", schrie sie, während sie durch den Seitengang hetzte.

Irgendwo hinter ein paar Türen regte sich etwas. Schließlich stand Mari vor der großen Flügeltür. Von einem Wachmann war weit und breit immer noch nichts zu sehen. Die Blondine riss die Tür mit aller Kraft auf und stürzte außer Atem in das Zimmer hinein.

"Wir werden angegriffen!", schrie sie.

Die laute Stimme ließ Teana und Sapheri aus dem Bett fahren.

"Was ist los?", fragte Sapheri verschlafen.

"Wir werden angegriffen!", wiederholte Mari.

Teana überlegte nicht lange, sondern schlug die Bettdecke beiseite.

"Sind es viele?", wollte sie wissen, als sie zur Bettkante rutschte.

"Es ist nur ein Mann, aber er hat ein seltsames.... Wesen bei sich. Es sieht aus wie ein Schatten.", berichtete Mari atemlos.

Teana hatte sich vom Bett abgestoßen und stand nun auf dem kühlen Steinboden.

"Ein Schattenwesen? Das ist gar nicht gut.", bemerkte sie.

"Reden wir hier von Ryou?", wollte Sapheri wissen.

Teana nickte zur Bestätigung und eilte durch den Raum.

"Aber wie kann er denn hier sein? Ich dachte er wäre bei den anderen Rebellen!", sagte Sapheri.

"Ich kann es mir auch nicht erklären.", erwiderte Sapheri.

Teana schlüpfte in ihre Sandalen und winkte ihren Bediensteten.

"Kommt schnell! Hier entlang!"

Mit diesen Worten drückte sie auf einen Stein in der Wand, auf den ein kleines Auge eingeritzt war.

"Dasselbe Zeichen hat der Pharao doch auf seiner Pyramide, die er um den Hals trägt.", meinte Sapheri.

Plötzlich schwangen einige Steine in der Wand beiseite und gaben den Blick auf einen dunklen Tunnel frei.

"Wohin führt der?", wollte Mari wissen.

"Geradewegs in den Thronsaal.", gab Teana zur Antwort.

Sie nahm eine Fackel aus einer Halterung an der Wand und entzündete diese mit Hilfe einer Kerze.

"Schnell, folgt mir! Wir haben nicht viel Zeit. Sie sind wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher."

Teana hielt die Fackel und betrat als erste den dunklen Tunnel. Sapheri ging direkt hinter ihr und Mari bildete das Schlusslicht. Sie wandte ihren Blick der Öffnung zu. Als sie sprach, schallte es von den Wänden.

"Was ist mit dem Eingang, Euer Hoheit?", wollte sie wissen.

"Das haben wir gleich.", gab Teana zurück.

Sie leuchtete kurz umher, bis sie gefunden hatte, wonach sie Ausschau gehalten hatte. Es war ein Stein in dem Gemäuer, welcher das gleiche Zeichen trug wie jener im königlichen Gemach. Als sie ihn eindrückte, schleifte es hinter den Köpfen der drei Frauen. Es hörte sich an wie eine Kurbel, um die sich eine schwere Kette aus Metall wickelte. Dann schwang die Steintür knarrend wieder zu. Mari befürchtete schon, dass man ihnen aufgrund des Geräusches auf die Schliche kommen konnte. Dementsprechend erleichtert war sie, als die Tür schließlich zu war. Damit war ihnen jedoch gleichzeitig nur die Fackel als einzige Lichtquelle geblieben.

"Seid leise", wies Teana die beiden Frauen an, "kein Wort. Auch wenn die Wände aus dickem Stein sind, so kann uns doch schon der kleinste unachtsame Laut verraten. Also, kein Wort!"

Sapheri und Mari nickten. Die Brünette zitterte leicht, denn dies war das erste Mal, dass eine Schlacht sich so nahe dem Palast abspielte, ohne dass ihr Bruder oder Tethys da gewesen wären, um sie zu beschützen.

"Keine Angst.", flüsterte Mari aufmunternd, aber auch sie hatte ein flaues Gefühl im Magen.

"Folgt mir!", sagte Teana leise.

Sie richtete den Schein der Fackel nach vorne. Mit langsamen Schritten ging sie über den Steinboden. Es roch muffig in dem Tunnel und es schien so, als wäre er für lange Zeit unbenutzt geblieben. Sapheri tapste hinter Teana her und achtete darauf, dass sie an genau den gleichen Stellen den Boden berührte. Mari nahm sich hin und wieder die Zeit, die Wände zu betrachten, welche im Fackellicht leicht gelblich erstrahlten. Darauf waren unzählige Ornamente und Meißelungen zu sehen. Viele von ihnen zeigten seltsame Kreaturen.

"Was sind das?", wollte sie leise wissen.

Sie war einfach stehen geblieben, um eine der Zeichnungen genauer zu betrachten. Teana wandte ihr den Kopf zu. Mari stand vor dem Bild eines Furcht einflößenden Drachen.

"Das sind Monster.", erklärte Teana.

"Monster?"

"Ja, diese Kreaturen gibt es schon sehr lange. Sie wurden von Menschen gebändigt und in Steine eingeschlossen, um sie nutzbar zu machen."

"Nutzbar?", fragte Mari.

"Wir setzen sie in Schlachten ein", erklärte Teana weiter, "um unsere Feinde einzuschüchtern."

"Im Palast gibt es solche Monster?", wollte Mari mit großen Augen wissen.

"Im Moment nicht mehr sehr viele. Die Soldaten haben sie mitgenommen zum Kampffeld. Normalerweise ruhen diese Steintafeln unten in den Kellern des Palastes, aber in Krisenzeiten wie diesen, werden sie gebraucht, um in der Schlacht für uns zu kämpfen."

"Ich erinnere mich", fiel Sapheri ein, "Jono hat einmal von etwas derartigem erzählt."

"Also kämpfen sie gar nicht Mann gegen Mann?", fragte Mari.

"Nein, es heißt Monster gegen Monster.", gab Teana zurück.

In diesem Moment war Mari irgendwie erleichtert. Zu wissen, dass Jono doch nicht sein Leben riskierte, war für sie eine Beruhigung.

"Dann ist das Leben der Männer ja außer Gefahr.", bemerkte die Blondine.

"Das ist es leider nicht.", widersprach Teana.

"Warum nicht? Statt ihnen kämpfen doch diese Kreaturen für sie.", warf Sapheri ein.

"Das ist richtig, aber auch diese Monster sind nicht allmächtig. Ihre Kräfte sind begrenzt. Aus diesem Grund können sie von stärkeren Monstern geschlagen werden. Und wenn dies geschieht, so sind ihre Beschwörer auch nicht mehr sicher, sondern schutzlos dem Angriff eines der gegnerischen Monster ausgeliefert."

Teana hatte die Fackel ein wenig gehoben und tastete die Wand mit den Augen ab.

"Ist solch ein Angriff gefährlich?", wollte Sapheri wissen.

"Es gab schon Todesfälle.", gab Teana zurück.

"Oh nein!", entfuhr es der Brünetten.

Mari legte ihr daraufhin die Hand über den Mund. Alle drei Frauen standen ganz still und warteten darauf, ob sie von draußen Stimmen hören konnten, doch es blieb alles still.

"Ich hoffe die anderen Männer konnten sich in Sicherheit bringen.", sagte Mari leise.

"Wir müssen weiter! Es ist nicht mehr sehr weit!", sagte Teana.

Sie richtete die Fackel wieder nach vorne und ging weiter. Sapheri folgte ihr in kurzem Abstand. Mari warf noch einen kurzen Blick auf den großen Drachen, der ihr von den Steinen aus entgegenblickte. Dann setzte auch sie sich wieder in Bewegung.
 

"Was für ein Chaos!"

Der hoch gewachsene Mann sah sich im Innenhof um. Überall lagen Wachmänner herum, die sich offensichtlich in tiefer Bewusstlosigkeit befanden. Nur ein einziger Mann stand noch. Dieser trug einen langen Umhang, welcher sich in der Morgenluft leicht hin und her bewegte.

"Ging das nicht ein wenig diskreter?", fragte der Braunhaarige.

Der andere drehte sich zu ihm um. Seine weißen Haare leuchteten in der Dämmerung.

"Euch kann man es wirklich niemals recht machen, nicht wahr, Seth?"

Seth zog kurz verächtlich eine Augenbraue hoch und ließ den Blick über den Hof schweifen. Nichts regte sich mehr. Alles erschien wie ausgestorben. Er trat über einen der Wachmänner hinweg, der genau vor ihm auf dem Boden lag.

"Und Ihr habt immer noch eine Vorliebe für dramatische Auftritte, oder, Ryou?"

"Ich habe einen Ruf, an den ich denken muss.", gab der Angesprochene zurück.

"Haben wir den nicht alle?", entgegnete Seth.

"Ich schätze, dass wir im Palast noch einige Leute finden werden.", mutmaßte Ryou.

"Das denke ich auch.", erwiderte Seth.

"Gerade ist mir leider jemand entwischt.", gab Ryou zu.

"Wer war es?", wollte Seth eher uninteressiert wissen.

"Eine blonde Frau. Sie hat mich beobachtet, wie ich meinen Schatten auf einen der Wachmänner losließ."

"Eine blonde Frau sagt Ihr?", fragte Seth plötzlich hellhörig.

Ryou nickte nur und sah ihn von der Seite an. Seth legte nachdenklich eine Hand an sein Kinn.

< Es könnte sich um Mari handeln.>, überlegte er sofort.

"Wo ist sie hin?", wollte er wissen.

"Zurück in den Palast.", erklärte Ryou und deutete die Treppen hoch.

"Dann gehen wir den Wartenden dort oben doch mal einen Besuch abstatten.", erwiderte Seth.

Er ging voran. Ryou sah ihm kurz hinterher, dann pfiff er einmal laut. Aus einer Ecke des Palastes kam wieder der Schatten angeflitzt. Wie ein treues Haustier gesellte er sich wieder an die Seite seines Herrn.

"Nur Geduld", murmelte Ryou, "dort oben warten jede Menge Seelen auf uns."

Er war nun hinter Seth am Fuß der Treppe angekommen und stieg neben dem Braunhaarigen die Stufen hinauf.

"Damit wir uns klar verstehen", sagte Seth plötzlich, "die Gemahlin des Pharao und auch die blonde Frau werden von Euch nicht angerührt, habt Ihr mich verstanden?"

Ryou sah ihn kurz überrascht an, doch dann bildete sich ein teuflisches Grinsen auf seinem Gesicht.

"Ihr wollt sie wohl als Trophäen behalten.", vermutete er.

"Ja, so ähnlich.", entgegnete Seth grinsend und sie gingen weiter.
 

Und das war's auch schon wieder. Bis zum nächsten Update kann es eine Weile dauern, weil ich diese Woche erst mal Abiturklausuren habe. Bis denne,
 

Hillary

Angriff auf den Palast

Hallo, Leute!

Heute ist das Ende aller Tage... ach, halt, falscher Text... hä,hä, noch mal von vorne. *Räusper* Herzlichen Willkommen in der Grillstube Saloniki... ach, auch wieder falsch. Wisst ihr was, lest einfach und beachtet mein Gelaber kann nicht weiter!
 

Kapitel 21: Angriff auf den Palast
 

"Wie weit ist es noch?", fragte Sapheri.

"Wir sind gleich da.", erhielt sie die Antwort von vorne.

In dem Gang war es durch die Fackel mittlerweile warm geworden. Die muffige Luft drückte auf die Lungen und erschwerte das Atmen.

"Ich sehe ein Licht.", bemerkte Sapheri plötzlich.

Nur noch wenige Schritte und sie standen in einem kleinen rechteckigen Raum.

"Wo sind wir?", wollte Mari wissen.

"Wir befinden uns an der Rückseite des Thronsaals, keine zwei Meter über dem Boden.", erklärte Teana.

"Deswegen hatte ich auch das Gefühl, dass es aufwärts gegangen ist.", warf Sapheri ein.

Ein leichter Lichtstrahl trat durch die Steine und sagte, dass die Sonne aufgegangen war. Mari stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte durch die Löcher in den Steinen. Teana hatte Recht gehabt. Nicht weit unter ihnen konnte Mari den Thron des Pharao sehen. Sie ließ den Blick ein wenig umherschweifen, konnte jedoch niemanden im Thronsaal entdecken. Er lag wie ausgestorben unter ihnen. Sie beugte sich wieder zurück.

"Dort unten ist niemand, den wir warnen oder um Hilfe bitten könnten.", sagte sie.

Teana, die immer noch die Fackel hielt, keuchte plötzlich auf und krümmte sich zusammen.

"Ist alles in Ordnung, Euer Hoheit?", wollte Sapheri leicht panisch wissen.

"Es geht schon.", erwiderte diese und fächerte sich Luft zu.

"Ihr müsst so schnell wie möglich raus hier. Das ist alles ein bisschen zu viel für euch und das Baby.", stellte Mari fest und nahm ihr die Fackel aus der Hand.

"Wo sollen wir denn hin?", fragte Sapheri.

Mari überlegte kurz und fragte dann:

"Sind die Priester nicht immer noch hier?"

Teana und Sapheri nickten der Blondine zu.

"Wir müssen ihnen Bescheid geben, wenn sie von dem Angriff noch nichts wissen. Wo können wir sie finden?"

"In den Kellergewölben.", entgegnete Teana nach Luft ringend.

"Wir müssen Euch dorthin bringen. Dort seid Ihr erst mal sicherer als hier oben.", bestimmte Mari.

Sapheri half Teana beim aufstehen und die Braunhaarige fächerte sich immer noch Luft zu.

"Wie lautet der Weg?", fragte Sapheri.

"Ich werde... euch Anweisungen geben.", sagte Teana stockend.

Mari übernahm nun die Spitze und hielt die Fackel so, dass alle sehen konnten, wo sie hintraten. Direkt gegenüber den Gucklöchern in den Steinen befand sich eine steinerne Treppe, die relativ steil nach unten führte.

"Schafft Ihr das?", wollte Sapheri von Teana wissen.

"Mit ein wenig Hilfe wird es gehen.", erwiderte diese.

Ganz langsam machten die Frauen sich Stufe um Stufe an den Abstieg. Nach einigen Metern konnte sie ihre Füße wieder auf ebenen Boden aufsetzen und waren erleichtert darüber. Mari hob die Fackel und sah sich suchend um. Sie standen wieder in einem rechteckigen Raum, von dem einige Öffnungen abgingen.

"Wohin jetzt?", fragte Sapheri, als sie die fünf Gänge betrachtete.

"Jeder der Gänge muss einen bestimmten Schutzpatron haben", erklärte Teana, während sie sich auf Sapheri stützte, "wir müssen den Gang des Re nehmen. Er führt uns zu den Gewölben."

"Der Gang des Re?", fragte Sapheri.

Mari leuchtete mit der Fackel in die Gänge hinein, ob jemand dort vielleicht eine Zeichnung, Inschrift oder sonstiges hinterlassen hatte, doch die Gänge wiesen nichts Derartiges auf. Sie waren ganz sauber ausgemeißelt.

"Es gibt überhaupt keine Hinweise.", informierte sie die anderen.

"Und was machen wir nun? Wer weiß, wohin die anderen Gänge führen.", gab Sapheri zu Bedenken.

Mari sah sich kurz um. Sie überlegte fieberhaft und dann kam ihr eine Idee.

"Wartet mal, mit Gang des Re muss nicht unbedingt gemeint sein, dass dieser Gang sein Zeichen tragen muss. Wenn ich jetzt nur wüsste, wo...."

Die Blondine legte grübelnd den Finger an das Kinn. Dann sah sie einige Male zur Decke auf und ließ den Blick hin und herschweifen. Offensichtlich versuchte sie herauszubekommen, aus welcher Richtung sie gekommen waren. Dann schnipste sie kurz mit dem Finger.

"Ich weiß jetzt, wo wir lang müssen", sagte sie und ging zielstrebig auf den Gang zu, der ganz links neben der Treppe lag, "kommt mit!"

"Woher willst du wissen, dass dies der richtige Gang ist?", wandte Sapheri ein.

"Ich vertraue ihr", schaltete sich Teana ein, "lass uns gehen."

Die drei Frauen betraten nun den Gang und Mari hielt die Fackel hoch, damit alle genug sehen konnten.

"Der Gang des Re muss nicht unbedingt ein Zeichen von ihm tragen. Es ist doch klar, dass niemand einfach einen Hinweis dorthin malt, damit Außenstehende ihn finden können.", erklärte Mari.

"Und wie bist du jetzt auf die Lösung gekommen?", fragte Sapheri.

"Eigentlich war es ganz einfach. Der Gang muss den Namen ja aus einem bestimmten Grund bekommen haben. Er trägt nicht sein Zeichen, aber er führt zu ihm."

"Er führt zu ihm?", fragte Sapheri überrascht.

"Die Steinstatue am großen Torbogen.", fiel Teana plötzlich ein und Mari nickte.

"Ihr habt es erfasst. Wenn ich Recht habe, müsste dieser Gang in diese Richtung laufen."

Die drei Frauen bewegten sich weiter fort durch den niedrigen Gang, in dem sie stellenweise die Köpfe einziehen

mussten. Die Fackel war bereits deutlich heruntergebrannt und Mari fragte sich, wie lange sie wohl noch reichen mochte. Hoffentlich war der Gang zu Ende, bevor die Fackel ausgebrannt war und sie im Dunkeln sitzen würden.
 

"Niemand hier?", fragte Ryou überrascht.

Er und Seth waren gerade am Thronsaal angekommen und hatten die Türen aufgestoßen.

"Natürlich nicht", bemerkte Seth und klang verärgert, "Ihr wart ja auch laut wie eine ganze Armee."

Ryou warf ihm einen drohenden Blick zu, doch Seth ließ das ziemlich kalt.

"Wir sollten auch die umliegenden Räume absuchen.", forderte er.

Ryou grummelte zwar kurz, doch der warnende Blick Seths ließ ihn sofort gehorchen.

"Wenn Ihr meint.", erwiderte er.

Die beiden Männer verließen den Thronsaal und standen nun auf dem Korridor.

"Ihr nehmt diesen Gang!", befahl Seth.

Er selbst wandte sich in die andere Richtung. Ryou sah ihm noch kurz hinterher, dann setzte er sich in Bewegung. Sein Schattenwesen hielt sich dicht neben ihm und glitt lautlos über den Boden.

"Such! Sieh nach, ob sich hier noch jemand aufhält!", zischte Ryou.

Der Schatten tat, was sein Herr ihm aufgetragen hatte. Er streifte an den Steinwänden entlang und hielt nur wenige Male inne. Doch offensichtlich konnte er keine Präsenz einer Seele auf dem Gang wahrnehmen. Dann jedoch blieb er wie vom Donner gerührt stehen und bewegte sich nicht mehr vom Fleck.

"Hast du etwas gefunden?", fragte der Weißhaarige.

Der Schatten verharrte immer noch vor der Tür und blitzte diese mit seinen leicht rötlichen Augen an. Ryou legte die Hand auf den Türknauf und machte sich bereit. Dann riss er sie mit einem Ruck auf.

"MIiiiiaaauuuuu!", schallte es ihm wütend entgegen.

Überrascht fiel Ryou auf den Boden. Er konnte gerade noch den Blick auf ein wütendes Paar bernsteinfarbener Augen erhaschen, dann war das Wesen schon an ihm vorbeigehastet. Ryou sah ihm hinterher, stellte sich dann wieder hin und klopfte sich den Umhang ab.

"Du blöder Idiot", wetterte er, "das war doch bloß eine Katze! Du nichtsnutziger Trottel!"

Der Schatten machte sich plötzlich ganz klein und sah zu ihm auf.

"Komm weiter!", zischte Ryou ärgerlich.

Seth hatte im anderen Gang nicht mehr Glück. Auch hier lag alles wie ausgestorben vor ihm. Offensichtlich waren die Palastbewohner rechtzeitig gewarnt worden.

< Ich wusste es doch. Wenn man will, dass etwas richtig gemacht wird, muss man es am besten selbst machen!>

Während er so weiterging, stand er plötzlich vor einer großen Flügeltür, welche das königliche Auge auf dem Holz trug. Seth wusste sofort, welchen Raum er da vor sich hatte.

"Das königliche Schlafgemach.", murmelte er.

Er zog seinen Milleniumsstab aus dem Gürtel und hielt ihn bereit. Dann stieß er einen Flügel auf und ging mit vorsichtigen Schritten hinein. Doch der Raum war leer. Kein Laut drang ihm entgegen. Seth schloss die Tür wieder hinter sich und sah sich wachsam um. Das Bett wirkte aufgewühlt und wie fluchtartig verlassen.

"Natürlich, sie wurden gewarnt.", zischte er leise.

Ein Blick auf den Tisch sagte ihm, dass die Gemahlin des Pharao alles hatte liegen lassen. Auf dem Nachttisch standen noch einige halb abgebrannte Kerzen und daneben lag der Schmuck, den sie immer trug. Seth sah sich weiter um. Alles stand noch an seinem Platz. Dann hörte er hinter sich ein Geräusch. Als er sich umblickte, sah er, wie sich ein Flügel der Türe langsam öffnete. Sofort hob er seinen Stab angriffsbereit. Doch es war nur Ryou, der das Zimmer betrat.

"Habt Ihr etwas gefunden?", wollte Seth wissen.

"Außer einer Katze niemanden.", lautete die Antwort.

"Verdammt, diese feigen Ratten müssen sich irgendwo verkrochen haben.", sagte Seth ärgerlich.

"Es ist meine Schuld", gab Ryou zu, "ich hätte diese blonde Frau nicht entkommen lassen dürfen. Ich bin sicher, dass das hier ihr Werk ist."

Seth sah ihn forschend an und merkte, dass Ryou wahrscheinlich Recht hatte.

"Wir werden sie schon finden.", meinte Seth zuversichtlich.

Dann ging er auf die Tür zu.

"Wir sollten unsere Suche ausdehnen.", schlug er vor.
 

"Was war das?", fragte Sapheri.

"Psst!", zischte Mari und legte den Finger an die Lippen.

Einige Meter vor ihnen hatte sie gerade ein Pfeifen vernommen. Sie tastete sich vorsichtig weiter heran. Dabei hielt sie die Fackel so weit wie möglich von sich weg, um erspähen zu können, was vor ihr lag.

"Was ist denn da?", flüsterte Sapheri von hinten, doch Mari winkte ab.

Vorsichtig tastete sie sich voran und spürte plötzlich einen leichten Luftzug. Sie mussten ganz nah am Ausgang sein, denn die Fackel loderte durch die frische Sauerstoffzufuhr wieder auf.

"Wir sind da.", informierte Mari die ihr folgenden Frauen.

Behutsam steckte sie den Kopf nach vorne und leuchtete mit der Fackel umher. Sie hatte Recht gehabt. Sie waren am Ende des Gangs angekommen und standen in einem hohen Gewölbe.

"Die Keller des Palastes.", stellte Teana fest.

Dann plötzlich hörten sie ganz in ihrer Nähe Stimmen, die sich leise unterhielten.

"Wer ist das?", fragte Sapheri ängstlich.

"Ich weiß es nicht.", erwiderte Mari und pirschte sich näher heran.

Sie atmete flach und drückte ihren Körper gegen die Steine. Langsam rutschte sie an der Wand entlang auf den Ort zu, von dem die Stimmen kamen. Beim Näher kommen konnte sie eine helle und eine dunkle Stimme ausmachen, die sich mit leisen Worten unterhielten. Mari rutschte noch weiter vor und steckte den Kopf um eine Ecke. Dort war ein anderer Raum. In ihm brannten einige Kerzen und dort saßen zwei Gestalten. Eine von ihnen stand plötzlich auf und trat näher an das Kerzenlicht heran.

"Marik?"

Der Angesprochene sah sich erstaunt um. Seine Augen mussten sich offensichtlich erst wieder an die Dunkelheit gewöhnen. Dann sah er eine Gestalt an der Tür stehen.

"Mari? Seid Ihr das?", fragte er.

In diesem Moment stürzte Mari in den Raum hinein auf den Beigehaarigen zu.

"Oh Marik, ich bin so froh, Euch hier zu sehen!", rief sie aus.

Sie sprang ihm genau in die Arme. Zuerst wusste dieser gar nicht, wie ihm geschah, doch dann legte er die Arme um die aufgelöste Frau vor ihm.

"Beruhigt Euch, was ist denn passiert?", fragte er sanft.

Mari löste sich von ihm und sah ihn aus großen Augen an.

"Der Palast wurde angegriffen.", erzählte sie.

"Der Palast?"

Die schwarzhaarige Frau neben Marik hatte sich von ihrem Platz erhoben. Mari nickte und dann fiel ihr etwas ein.

"Sapheri, komm herein!", rief sie laut.

Sofort erschien Sapheri mit ihrer Hoheit im Arm an der Tür.

"Euer Hoheit!", rief Isis aus und eilte auf Teana zu.

"Sie muss sich ganz dringend ausruhen.", sagte Sapheri.

Isis stützte Teana von der anderen Seite und meinte:

"Ihr könnt Euch in mein Bett legen, Euer Hoheit."

Teana nickte nur, um sich die Luft zu sparen. Die drei Frauen verließen das Zimmer kurz und gleich darauf kehrte Isis zurück zu den beiden Wartenden.

"Was genau ist passiert?", wollte Marik wissen.

"Alles fing heute Morgen mit diesem weißhaarigen Mann an", berichtete Mari, "er verschaffte sich Zugang zum Hof und überlistete die Wachmänner. Dann ließ er eine Art Schatten auf sie los."

Marik und Isis sahen sich kurz bedeutsam an.

"Eine Kreatur aus dem Reich der Schatten.", bemerkte Marik.

"Was war weiter?", erkundigte sich Isis.

"Ich habe nicht die geringste Ahnung. Ich rannte zurück zu Sapheri und ihrer Hoheit. Wir nahmen sofort einen Geheimgang vom königlichen Gemach aus und landeten schließlich hier. Wir haben niemanden gesehen."

"Sicherlich verstecken sich die Bediensteten alle oder sie haben den Palast längst verlassen.", überlegte Marik.

"Was sollen wir denn tun?", fragte Mari.

"Ihr könnt gar nichts tun", erwiderte Isis, "das müsst Ihr schon uns überlassen. Ihr solltet hier bleiben und auf die Gemahlin des Pharao aufpassen. Wenn er nicht hier ist, untersteht die Bewachung des Palastes uns beiden."

Marik nickte ihr zu und die beiden zogen sich ihre Umhänge über die Schultern. Isis' Milleniumskette und Mariks Milleniumsschlüssel glitzerten im Kerzenschein.

"Wir werden Ryou aufhalten. In uns wird er würdige Gegner finden.", sagte Marik.

Mari nickte und sah die beiden dann besorgt an.

"Werdet ihr das schaffen?", wollte sie wissen.

"Macht Euch keine Sorgen", entgegnete Isis, "wir werden ihn aus dem Palast jagen."

Dann zog sie sich eine Kapuze über den Kopf. Sie drehte sich um und ging zum Ausgang.

"Falls ich nicht zurückkehre, wollte ich Euch nur wissen lassen, dass ich gerne noch einmal mit Euch getanzt hätte, Mari.", ließ sich der junge Mann vernehmen.

Mari trat vor und drückte Marik einen Kuss auf die Wange. Dieser sah sie zwar überrascht, jedoch keineswegs abgeneigt an. Mari nahm kurz seine Hand in die ihre und drückte sie.

"Ihr werdet wiederkommen. Das weiß ich."

Dann ließ sie den Priester los und sah zu, wie er hinter seiner Schwester herging. Mari verließ den Raum und ging in das Zimmer, in dem Sapheri und Teana verschwunden waren. Teana lag in einem hellen Bett. Auf dem Nachttisch brannten mehrere Kerzen. Teana sah erschöpft aus und auf ihrer Stirn standen Schweißtropfen. Sapheri wischte diese ständig fort und legte der Braunhaarigen feuchte Tücher auf die Stirn.

"Es geht ihr nicht sehr gut. Die Flucht war sehr anstrengend für sie.", erzählte die Brünette.

Mari ließ sich mit einem Seufzer auf einem Stuhl nieder und legte die Hände an den Kopf.

"Sie braucht Ruhe, damit sie sich wieder erholt.", gab die Blondine zurück.

Sapheri wandte den Blick von Teana ab und lächelte Mari an.

"Ich muss mich bei dir entschuldigen. Du hast den richtigen Gang gewählt und uns damit gerettet."

Mari nickte nur gedankenverloren

"Glaubst du Isis und Marik schaffen es?", fragte die Brünette leise.

"Ich weiß es nicht.", erwiderte Mari.

Sapheri seufzte auf und befeuchtete das Tuch auf Teanas Stirn erneut.

"Ich wünschte nur, Jono und Tethys wären jetzt hier.", bemerkte sie.

Mari sah zu ihr hinüber und musste zugeben, dass sie Recht hatte.

< Ja, wenn Jono jetzt hier wäre, würde mir alles nicht mehr so unheimlich und bedrohlich vorkommen. Ach, wenn er doch nur hier wäre. Ich will ihn noch einmal umarmen.>, dachte sie.
 

Ich hoffe dieses Update hat euch jetzt nicht zu lange gedauert, aber ab jetzt habe ich ja gaaaaaanz viel Zeit. Jep, meine Klausuren sind vorbei, nur noch die mündliche steht im Mai an. Bis dahin ist aber noch ein wenig Zeit.
 

Bye, Hillary

Die Konfrontation

Hallo, hier kommt schon das nächste Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch ebenso gut wie sein Vorgänger. Schreibt mir eure Meinungen.
 

Kapitel 22: Die Konfrontation
 

"Weiter!"

Die beiden vermummten Gestalten tapsten leise die Treppen hoch. Marik war vorne und Isis hielt sich knapp hinter ihm. Hin und wieder warf sie einen wachsamen Blick nach hinten, ob von irgendwoher Gefahr drohte.

"Zum Thronsaal?", fragte Marik und Isis nickte.

Geschwind und katzengleich huschten die beiden hinaus auf den Hof. Dort blieben sie stehen, um den Eindruck in sich aufzunehmen. Isis kniete sich schnell neben einen Wachmann, der ganz in ihrer Nähe lag.

"Was ist mit ihm?", wollte Marik wissen, während er den Hof im Auge behielt.

"Die Schatten haben ihn geholt.", bemerkte Isis betrübt.

Dann stand sie wieder auf und ließ den Blick über den Hof schweifen.

"Es muss sehr schnell gegangen sein. Bei den Göttern, wer hätte gedacht, dass so etwas passieren würde."

"Gib dir nicht die Schuld daran", sagte Marik tröstend, "komm weiter!"

Die beiden stiegen die Treppen hinauf, immer wachsam die Gegend im Auge behaltend. Schließlich waren sie oben angekommen und pirschten sich voran. Weit und breit war nichts zu sehen geschweige denn zu hören.

"Wo ist er?", flüsterte Isis.

Marik zuckte mit den Schultern und schaute sich um. Irgendwo hier musste Ryou sich ja aufhalten.
 

"Es ist ganz schön warm hier.", bemerkte Sapheri.

Mari war mittlerweile aufgestanden und lief rastlos auf der Stelle auf und ab.

"Es gefällt mir nicht, hier nur herumzusitzen.", sagte sie.

"Was willst du denn auch tun? Du hast Isis und Marik doch gehört. Sie schaffen das auch alleine."

Sapheri tauchte das Tuch in frisches Wasser und legte es auf Teanas Stirn.

"Außerdem kommen wir gegen die Macht von Ryou sowieso nicht an.", fügte sie hinzu.

"Und was ist, wenn wir eines von diesen Monstern hätten?", fragte sie.

"Wo willst du das denn herzaubern?", entgegnete die Brünette.

Mari sah ein, dass Sapheri Recht hatte. Es gab einfach gar nichts, was sie jetzt tun konnte. Aus diesem Grund ließ sie sich resigniert wieder auf den Stuhl fallen und starrte mit leerem Blick in das Feuer der Kerzen.
 

"Da vorne.", wisperte Isis.

Die beiden standen rechts und links am Ende des Hauptkorridors hinter einer Säule versteckt. Isis deutete mit dem Finger nach vorne. Direkt vor ihnen lag der Thronsaal und von dort hatten die beiden Priester Stimmen wahrgenommen. Marik nickte ihr zu. Er umrundete die Säule langsam und spähte Richtung Thronsaal. Die beiden schweren Flügel der Türe standen weit und einladend offen.

"Eine Falle?", fragte Isis im Flüsterton.

"Wir müssen es riskieren.", entgegnete Marik.

Isis nickte ihm zu und verschwand dann hinter der Säule. Marik tat es ihr gleich. Lautlos pirschte er sich um den kalten Stein herum. Doch dann hörte er plötzlich ein entsetztes Geschrei, das von seiner Schwester kam.

"Isis!", rief er und hechtete aus seinem Versteck hervor.

Überhaupt nicht mehr auf seine Deckung achtend rannte er auf die andere Seite hinüber. Dort lag seine Schwester am Boden. Die Kapuze war ihr vom Kopf gefallen und auf ihr hockte....

"Geh weg von ihr!", brüllte Marik wütend und ließ seinen Milleniumsschlüssel erstrahlen.

Der Schatten wandte ihm seine tückisch blitzenden roten Augen zu. Dann sprang er ein paar Meter weiter weg und Marik eilte zu der Schwarzhaarigen.

"Ist dir etwas passiert?", fragte er besorgt.

Isis schüttelte den Kopf und setzte sich auf. Sie behielt den Schatten im Auge.

"Dieser Bastard hat mich vollkommen überrascht.", sagte sie und ließ sich von Marik aufhelfen.

"Ja, kein angenehmes Gefühl, so beobachtet zu werden, nicht wahr?", ertönte plötzlich eine finstere Stimme.

"Komm raus, Ryou, wir wissen längst, dass du hier bist!", rief Marik laut.

Einer der Flügel zum Thronsaal schwang wie von Geisterhand zu. Die beiden Priester sahen plötzlich Ryou an der Wand lehnen. Der goldene Gegenstand um seinen Hals blitzte kurz auf. Der Schatten flitzte sofort zu seinem Herrn und strich ihm um die Beine.

"Sieht so aus, als wärst du zu langsam gewesen.", bemerkte Marik.

"Was machst du hier?", wollte Isis wissen.

Ryou rollte gelangweilt mit den Augen und seufzte theatralisch auf.

"Immer wieder dieselbe dumme Frage, aber da ihr es seid, werde ich es euch wohl erklären. Eigentlich bin ich nämlich ein sehr netter Kerl."

"Spar dir dein Gerede", unterbrach ihn Marik, "welche Absicht verfolgst du?"

"Ich beabsichtige, dem Pharao in den königlichen Allerwertesten zu treten.", gab Ryou grinsend zurück.

"Warum bist du nicht bei deinen rebellischen Freunden?", wollte Isis wissen.

"Nun, ich denke, dass sie mit so einer lächerlichen Armee wie der des Pharao auch alleine fertig werden können. Dazu brauchen sie meine Hilfe nicht."

Der Schatten hatte lauernd zur Rechten Ryous Platz genommen. Seine roten Augen waren immer noch auf die beiden Priester fixiert.

"Also war das mit den Rebellen lediglich ein Ablenkungsmanöver, um den Pharao aus dem Palast zu locken.", stellte Marik fest.

Ryou klatschte daraufhin in die Hände und ein diabolisches Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht.

"Du bist ja doch ein ganz kluges Kerlchen.", bemerkte er spöttisch.

"Das ist ein ganz schön raffinierter Plan", gab Isis zu, "aber ich kann nicht glauben, dass er von dir stammen soll."

"Warum denn nicht?", fragte Ryou.

"Ganz einfach", erwiderte Isis, "er ist zu strategisch und durchdacht. Höchst untypisch für jemanden wie dich."

"Wenn das jetzt eine Beleidigung sein sollte, dann hat sie ihre Wirkung verfehlt.", sagte Ryou.

Dann setzte er jedoch ein ernstes Gesicht auf und fügte hinzu:

"Aber ihr habt Recht. Es war in der Tat nicht mein Plan. Auch ich handele für jemanden."

"Wer ist dein Gebieter?", wollte Marik wissen.

"Ich!", ertönte eine kalte Stimme.

Genau in diesem Augenblick erschien in der offenen Hälfte der Tür eine große Gestalt. Er trug ein langes Gewand und darüber einen dunkelblauen Umhang.

"Wer seid Ihr?", fragte Marik.

"Derjenige, der euren Pharao stürzen wird.", sagte er teuflisch grinsend.

"Falls es Euch noch nicht aufgefallen sein sollte", schaltete sich Isis ein, "ist der Pharao gar nicht hier. Warum verschwindet Ihr nicht und kommt in einer Woche noch mal wieder?"

Seth lachte kurz auf und erwiderte:

"Eure Art von Humor ist wirklich sehr belustigend, Isis."

"Das war kein Scherz sondern eine Drohung.", erwiderte diese.

Seths Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.

"Ihr maßt Euch tatsächlich an, mir drohen zu wollen?", zischte er und seine Stimme klang frostig.

Marik stellte sich daraufhin schützend vor seine Schwester.

"Und für wen haltet Ihr Euch, dass Ihr Euch anmaßt, den Pharao stürzen zu wollen?", fragte er.

Seth zog seinen Milleniumsstab aus seinem Gürtel hervor und richtete ihn auf Marik.

"Wagt es nie wieder, mich oder meine Herkunft in Frage zu stellen!", sagte er kalt.

Dann glühte der Stab plötzlich auf. Marik fühlte, dass ihn eine unsichtbare Hand an der Kehle packte. Seine Hände schnellten zu dem Angreifer und versuchten, den Griff um seinen Hals zu lockern. Doch schon merkte er, wie er ein Stück vom Boden gehoben wurde.

"Marik!", rief Isis angstvoll aus und sah zu, wie ihr Bruder in die Luft gehoben wurde.
 

"Ich halte es nicht mehr aus!", sagte Mari und stand auf.

Sapheri sah erstaunt zu ihr auf.

"Was hast du vor?", wollte die Brünette wissen.

"Ich kann hier nicht länger untätig herumsitzen", gab die Blondine zurück, "ich muss jetzt wissen, was da oben vor sich geht."

"Du willst doch nicht etwa da rauf, oder?", fragte Sapheri mit großen Augen.

"Doch, Geduld war nie eine meiner Tugenden.", erwiderte Mari.

Sie stand auf und verließ den Raum. Dann hörte sie hinter sich hektische Schritte und fühlte gleich darauf Sapheris warme Hände an ihrem Arm.

"Aber Isis und Marik haben uns doch befohlen..."

"Ja, ich weiß", unterbrach Mari sie genervt, "aber ich werde jetzt trotzdem da rauf gehen. Ob es dir nun passt oder nicht. Du bleibst hier."

"Warum?", fragte Sapheri.

"Einer von uns muss auf ihre Hoheit aufpassen.", sagte Mari.

Die Blondine schnappte sich eine frische Fackel, die an der Wand hing. Dann zündete sie diese an einer der Kerzen an, welche auf dem Tisch stand.

"Keine Sorge, mir passiert nichts.", beruhigte Mari die Brünette.

"Wenn du meinst. Sei aber bitte wirklich vorsichtig.", mahnte Sapheri sie.

"Natürlich bin ich vorsichtig. Darauf kannst du dich verlassen.", entgegnete Mari.

Dann nahm sie sich die Fackel und verließ das Zimmer. Sapheri kehrte in den Raum zurück, in dem Teana lag. Die Braunhaarige schwitzte immer noch leicht und Sapheri befeuchtete das Tuch neu.

"Hoffentlich ist sie auch wirklich vorsichtig.", murmelte sie leise vor sich hin.
 

"Marik!", rief Isis erneut.

Marik hing bereits einen Meter über dem Boden und röchelte leicht. Die unsichtbare Hand drückte ihm offensichtlich die Luft ab.

"Hört auf, ich bitte Euch, hört auf!", flehte Isis.

"Du bettelst um sein Leben?", fragte Seth amüsiert.

"Lasst ihn bitte runter!", flehte Isis erneut.

"Mir gefällt er dort oben ganz gut.", erwiderte Seth lässig.

Er ließ Marik noch ein wenig höher schweben. Dieser atmete stoßweise durch den Mund und kämpfte immer noch mit der Kraft, die ihn festhielt.

"Lauf..., Isis, ....du musst ....weglaufen!", stammelte er.

"Nein, ich gehe hier nicht ohne dich weg, Bruder!", erwiderte Isis fest entschlossen.

"Na holla, was höre ich denn da", sagte Seth amüsiert, "Geschwisterliebe ist doch etwas Schönes."

"Du Bastard!", zischte Marik und kniff die Augen zu.

"Anscheinend muss ich dir mal zeigen, wie man sich mir gegenüber benimmt.", bemerkte Seth grinsend.

Er ließ seinen Stab aufleuchten und Marik schrie auf vor Schmerz.

"Marik!", rief Isis.

"Haltet ein!", ertönte plötzlich eine laute Stimme.

Sofort wandten sich alle Köpfe dem Hauptkorridor zu.

"Das ist nicht möglich.", rief Isis aus.

Seth ließ seinen Milleniumsstab sinken. Marik fiel unsanft auf den Boden hinab und hustete erst einmal kräftig. Nachdem der Druck an seinem Hals verschwunden war, konnte er auch wieder normal atmen. Dann blickte er sich nach seinem Retter um und bekam große Augen.

"Mein... mein Pharao.", stammelte er.

Der Mann mit den magentafarbenen Haaren trat näher.
 

"Aua!"

Mari rieb sich über eine Stelle am Kopf, mit der sie gerade eben gegen eine der Steinwände geknallt war.

"Mist!", fluchte sie.

Dann hielt sie die Fackel ein wenig höher, um den Gang mehr auszuleuchten.

< Auf dem Hinweg kam er mir gar nicht so niedrig vor.>, dachte sie.

Die schmerzende Stelle an ihrem Kopf begann zu pochen. Der Schein der Fackel enthüllte nun deutlich, dass der Gang an manchen Stellen von Wurzeln durchzogen war. Offensichtlich hatten an dieser Stelle früher einmal Bäume gestanden, deren Wurzelwerk nach und nach vom Stein eingeschlossen worden war.

< Meine Güte, wann ist denn hier mal das Ende in Sicht? Ich laufe jetzt wirklich schon lange genug.>

Mari keuchte kurz auf. Die Luft wurde wieder muffig. Ein deutliches Zeichen dafür, dass sie sich dem rechteckigen unterirdischen Raum näherte, von dem aus die fünf Gänge in alle Himmelsrichtungen abzweigten.
 

"Sieh an, sieh an, der Pharao.", bemerkte Seth spöttisch.

"Was habt Ihr hier im Palast zu suchen?", wollte Atemu wissen.

"Ich kam bestimmt nicht her, um auf neugierige Fragen zu antworten.", gab der Befragte zurück.

Atemu stellte sich neben Isis und Marik. Die Schwarzhaarige hatte ihren Bruder gestützt.

"Seid Ihr in Ordnung, Marik?", wollte Atemu wissen.

"Es geht mir gut, mein Pharao.", gab er mit noch leicht krächzender Stimme zurück.

Atemu wandte den Blick wieder dem großen Mann vor ihm zu. Er selbst war nicht unbedingt klein, aber der Mann vor ihm überragte ihn noch um einen ganzen Kopf.

"Also, was wollt Ihr hier in meinem Palast?"

"Eurem Palast?", schnaubte Seth.

Dann hob er seinen Stab und deutete ringsherum.

"Eurem Palast?", wiederholte er zornig.

"Ich verstehe Eure Wut nicht.", sagte Atemu ruhig.

"Wie könntet Ihr auch? Ihr habt ja noch nicht einmal eine Ahnung, wen Ihr vor Euch habt."

"Sollte ich es denn wissen?", entgegnete Atemu.

"Ihr wart derjenige, der Schande über meine Familie gebracht hat.", sagte Seth zornig.

Atemu schwieg kurz und musterte den jungen Mann. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. Auf seiner Kopfbedeckung wand sich auf der Stirn eine goldene Schlange. Atemu versuchte sich daran zu erinnern, ob er dieses Zeichen schon mal irgendwo gesehen hatte, doch er konnte sich an nichts Derartiges erinnern. Seth beobachtete Atemu, wie er sich wahrscheinlich den Kopf über den Eindringling zerbrach. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht.

"Spart Euch die Mühe, Pharao. Ihr werdet Euch nicht an mich erinnern, weil wir uns noch nie begegnet sind."

"Und woher sollte er Euch dann kennen?", fragte Isis dazwischen.

"Er sollte nicht mich sondern meine Familie kennen. Denn Eure Familie hat die meine zerstört."

"Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.", gab Marik zu.

Seth schnaubte kurz und wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als von der Treppe her Schritte zu hören waren. Gleich darauf ertönten zwei männliche Stimmen.

"Wir haben alles abgesucht, mein Pharao, aber wir konnten niemanden mehr finden."

Die beiden jungen Männer näherten sich. Atemu blickte sich um und sagte:

"Das wundert mich auch nicht. Sollte sich noch jemand im Palast aufhalten, so wird derjenige sich gut versteckt haben. Im Moment müssen wir uns auch um wichtigere Dinge kümmern."

Die beiden jungen Männer nickten ihm zu und wandten den Blick zu den Eindringlingen. Dann stutzten sie plötzlich beide.

"Hey, ich kenne Euch!", sagte der Blonde und trat vor, wobei er auf Seth zeigte.

"Ihr!", zischte Seth und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
 

Mari arbeitete sich immer noch durch den schmalen Gang. Die Beule an ihrem Kopf hatte mittlerweile aufgehört zu pochen, meldete sich jedoch hin und wieder mit einem Ziepen.

"Endlich!", murmelte sie erleichtert.

Unweit vor ihr sah sie einen leichten Lichtschimmer. Der Ausgang. Erleichtert kletterte die Blondine aus dem Steinschlund hinaus und setzte die Sandalen in den Sand. Sie zögerte nicht lange, sondern wandte sich nach rechts. Geschwind kletterte sie die steile Treppe wieder hoch. Oben angekommen ging sie ohne Umschweife zu der Wand, die den Blick in den Thronsaal freigab. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und hinunterschaute, erlebte sie eine Überraschung, denn es standen einige ihr bekannte Leute im Thronsaal.
 

Ja, schon wieder so eine gemeine Stelle. Ich beeile mich mit dem nächsten Kapitel. Noch ist es nicht vorbei, der Kampf des Jahrhunderts steht ja noch aus.
 

Bye, Hillary

Die Wahrheit kommt ans Licht

So, hallo, da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel. Sorry, es hat ein wenig gedauert, aber es ist schon ein bissl chaotisch, wenn man mehreren Storys gleichzeitig schreibt. Also, habt Nachsicht mit mir. Bin ja auch schon älter, da ist die Denkleistung nicht mehr so rasant *gg*. Jetzt hab ich aber genug genervt. Enjoy!
 


 

Kapitel 23: Die Wahrheit kommt ans Licht
 

"Haltet durch, Euer Hoheit!", sagte Sapheri.

Sie tupfte der Braunhaarigen die Stirn ab. Teana warf sich hin und her. Offensichtlich plagte sie ein unruhiger Traum. Sie stöhnte kurz auf und Sapheri griff nach ihrer Hand.

"Seid ganz ruhig, Euer Hoheit. Ich bin mir sicher, dass der Pharao noch rechtzeitig zurückkehren wird."

Die Brünette tätschelte Teana den Handrücken und ganz allmählich beruhigte diese sich wieder. Sapheri fächerte sich mit einer Hand Luft zu.

< Wie können Isis und Marik das hier unten nur aushalten? Es ist doch immer dunkel und frische Luft kommt hier, wie es den Anschein hat, auch nur selten hin.>

Sapheri stand auf und ging ein wenig umher.

< Ich wollte ja schon immer mal wissen, wie das Leben eines Priesters so ist, aber wenn ich mir das hier so ansehe, möchte ich auf gar keinen Fall mit ihnen tauschen. Es ist so still und einsam hier unten.>

Sapheri nahm sich eine Kerze vom Tisch und leuchtete damit die Regale ab, die an den Seiten standen. Beinahe jedes Fach war voll mit Büchern und anderen Schriftstücken. Sapheri zog neugierig eine Schriftrolle aus der Reihe heraus und entfaltete sie auf dem Tisch. Sie zeigte Bilder von Göttern. Sapheri rollte sie wieder zusammen und ging das Regal weiter ab, in der Hoffnung, etwas Interessantes zu finden.
 

"Vielleicht sollten wir das Ganze nicht hier draußen auf dem Korridor besprechen.", schlug Atemu vor.

"Ich halte den Thronsaal auch für angemessener.", erwiderte der Blauäugige.

Als er sich umdrehte, surrte sein langer Umhang durch die Luft. Ryou, der sich bisher die ganze Zeit still verhalten hatten, folgte ihm in den großen Saal hinein.

"Ihr kennt diesen Mann?", wandte Atemu sich an den jungen Mann hinter ihm.

"Und ob ich ihn kenne", erwiderte dieser, "dieser Schmierlappen hat versucht, sich an Mari heranzumachen. Tethys und ich konnten ihn gerade noch davon abhalten, nicht wahr, Tethys?"

Der Braunhaarige neben ihm nickte.

"Er war schon einmal hier. Wir haben keine Ahnung, was er eigentlich wollte."

Atemu sah zum Thronsaal.

"Das werden wir ja jetzt erfahren.", sagte er und setzte sich in Bewegung.

Seine beiden Leibwachen und die beiden Priester folgten ihm. Drinnen wartete Seth bereits auf sie. Er hielt seinen Milleniumsstab immer noch in der Hand. Die fünf Eintretenden sahen ihn abwartend an, aber er machte keine Anstalten dafür, ihnen eine Erklärung zu liefern.

"Seid Ihr mir nun gewillt zu verraten, welches Verbrechens ich mich schuldig gemacht habe?", fragte Atemu.

"Ihr scheint ja von selbst nicht darauf zu kommen. Aber wie solltet Ihr auch? Es liegt ja schon soweit zurück und außerdem ward noch nicht mal Ihr derjenige, der sich die Hände schmutzig gemacht hat."

"Und warum hasst Ihr mich dann so?", wollte Atemu wissen.

"Weil Ihr den Thron zu Unrecht besitzt!", gab Seth zurück.

"Meine Familie sitzt schon seit drei Generationen auf dem Thron.", sagte Atemu ruhig.

"Ein bedauerlicher Fehler", erwiderte Seth, "den ich gerne korrigieren möchte."

"Und was habt Ihr vor? Wollt Ihr den Thron selbst in Anspruch nehmen?", fragte Atemu.

"Natürlich. Jeder bekommt das, was ihm zusteht."

"Wenn dem so wäre, dann würdet Ihr schon längst im Kerker schmoren!", rief Marik.

"Vorsicht, hütet Eure Zunge! Ihr solltet nicht das vergessen, was Ihr vorhin erlebt habt. Ich kann es jederzeit wieder machen, wenn Ihr noch mal Lust darauf habt."

Mariks Augen blitzten zornig und Isis musste ihren Bruder zurückhalten.

"Lass dich nicht provozieren, Marik!", mahnte sie ihn.

"Seid Ihr so schwach, dass Ihr es nötig habt, meinen Priestern zu drohen?", schaltete der Pharao sich wieder ein.

"Ihr irrt euch, Pharao. Ich bin ganz und gar nicht schwach. Anderen zu drohen ist lediglich ein kleiner Zeitvertreib, den ich mir angewöhnt habe.", sagte er.

"Der Kerl ist doch krank.", bemerkte Tethys und Jono nickte.

Dann wandte der Blonde sich zu Isis und Marik um.

"Wisst ihr etwas von der Gemahlin des Pharao?", wollte er leise wissen.

Marik nickte und warf einen wachsamen Blick auf Seth und Ryou, der sich hinter ihm aufgebaut hatte und interessiert das Streitgespräch verfolgte.

"Sie befindet sich in den Kellergewölben.", sagte er.

"Sie erreichte uns kurz nachdem der Palast angegriffen wurde durch den Geheimgang."

"Wie hat sie das alleine geschafft?", wunderte sich Tethys.

"Sie war nicht alleine", widersprach Marik, "Mari und Sapheri begleiteten sie."

"Mari und Sapheri sind bei ihr?", fragte Jono überrascht.

Isis nickte und zischte kurz warnend. Das veranlasste Jono augenblicklich dazu, seine Stimme zu senken.

"Und geht es den beiden gut?", wollte er wissen.

Marik nickte und erwiderte dann:

"Sapheri machte einen etwas aufgeregten Eindruck. Sie war in Sorge um ihre Hoheit. Sie fühlte sich wohl nicht sehr gut, denn nachdem sie bei uns angekommen war, musste sie sich zu Ruhe legen."

"Natürlich, das ist im Moment alles ein wenig viel für die Gute.", bemerkte Tethys.

"Ich bin erleichtert, dass es ihnen gut geht.", sagte Jono.

"Zu wissen, dass sie in Sicherheit sind, ist eine Erleichterung.", stimmte Tethys ihm zu.

Jono nickte und wandte die Aufmerksamkeit dann wieder nach vorne. Mit einer Hand fühlte er schnell noch einmal in seiner Jackentasche nach. Doch die Kette war noch da. Er hatte sorgsam darauf geachtet, dass sie ihm nicht abhanden kam.

< Bald werde ich mein Versprechen einlösen und sie dir zurückgeben, Mari.>, dachte er.

"Also, warum sollte ich auf den Thron verzichten?", wiederholte Atemu.

"Weil Ihr ihn nicht verdient.", sagte Seth.

"Aber Ihr?", stellte Atemu die Gegenfrage.

"Ganz bestimmt mehr als Ihr! Ihr habt Euch den Thron nur erschwindelt! Er gehört Euch nicht."

"Wer hat Euch das denn erzählt?", fragte Atemu erstaunt.

"Mein Vater.", sagte Seth.

"Dann muss Euer Vater falsch informiert gewesen sein. Mein Großvater wurde damals einstimmig zum Herrscher gewählt. Er hatte das Volk auf seiner Seite."

"Das Volk wusste ja auch nicht, dass die Hände Eures edlen Großvaters beschmutzt waren, sonst hätte es sicherlich einen anderen Herrscher gewählt."

Atemu fühlte, dass in ihm Zorn aufstieg.

"Mein Großvater war ein ehrenwerter Mann!", sagte er überdeutlich.

"War er nicht! Er war ein Schwindler!"

"Ihr wagt es, die Ehre meiner Familie in Frage zu stellen?", fragte Atemu drohend.

"Ihr könnt mich durch diesen Ton nicht beeindrucken, Pharao!", sagte Seth.

Er löste sich aus seiner starren Haltung und ging auf der Stelle auf und ab. Dabei ließ er den Pharao nicht aus den Augen. Wie ein lauerndes Raubtier fixierte er ihn mit seinem Blick.

"Ihr glaubt ja gar nicht, wie lange ich auf diesen Tag gewartet habe.", sagte er.
 

"Sapheri?"

"Ihr seid wach, Euer Hoheit?", fragte die Brünette und sah sich erstaunt um.

"Wo bin ich hier?", fragte Teana.

"Ihr seid in den Kellergewölben. Erinnert Ihr euch? Wir flüchteten durch einen geheimen Tunnel aus dem königlichen Gemach nach hier unten."

"Der Gang des Re.", dämmerte es Teana plötzlich.

"Genau. Dieser Gang brachte uns her. Wir trafen auf Isis und Marik."

"Richtig, ich erinnere mich. Bei den Göttern, das Bild vor meinen Augen ist nur so schummrig."

Sie fasste sich an die Stirn und Sapheri erhob sich von ihrem Platz am Tisch.

"Ihr solltet Euch besser wieder hinlegen und Euch ausruhen. Ihr seht blass aus."

"Ich könnte frische Luft gebrauchen.", sagte Teana.

"Tut mir Leid, aber Eure Priester baten uns ausdrücklich, hier zu bleiben und zu warten."

Teana nickte, doch dann fiel ihr etwas ein.

"Wo ist Mari?", wollte sie wissen.

Sapheri senkte den Blick.

"Sie ist gegangen, Euer Hoheit. Ich habe noch versucht, sie aufzuhalten, aber sie besitzt eine ebensolche Sturheit, wie ich sie von meinem Bruder kenne."

"Sie ist zurück in den Palast gegangen?", fragte Teana ungläubig.

"Ja, verzeiht mir, dass ich sie nicht aufhalten konnte, Euer Hoheit."

Doch Teana schüttelte den Kopf und ließ sich wieder in ihr Kissen zurücksinken.

"Sie hatte bestimmt ihre Gründe. Wir können nur hoffen, dass sie keinem von unseren Feinden in die Hände gefallen ist.", sagte die Braunhaarige leise.

Sapheri nickte und ließ sich in Sorge um die Blondine wieder neben dem Bett nieder.
 

"Heute ist der Tag der Rache gekommen."

Der Blauäugige hatte den Blick immer noch auf den Pharao fixiert.

"Der Rache? Wofür?", wollte Atemu wissen.

Er wusste immer noch nicht, welches Verbrechens seine Familie sich schuldig gemacht hatte.

"Ihr müsst mich schon aufklären.", bat er.

"Ihr werdet heute dafür bezahlen, dass Ihr den Thron so lange unrechtlich für Euch beansprucht habt."

"Vielleicht sollte der Kerl sich mal die Ohren waschen", bemerkte Tethys, "der Pharao hat ihm doch gerade erklärt, dass sein Großvater damals vom Volk als Herrscher gewählt wurde."

Seth waren diese Worte nicht entgangen. Er drehte sich zu Tethys um und zischte:

"Und was ist mit demjenigen, der den Thron vorher besessen hat?"

"Er war ein furchtbarer Tyrann. Er musste ausgeschaltet werden.", sagte Isis.

"Dieser bitterböse Bube, der den verbotenen Schatz gefunden hat?", fragte Tethys leise und Marik nickte.

"Ausgeschaltet? Er wurde verbannt!", erwiderte Seth aufgebracht.

"Woher wisst Ihr überhaupt davon?", mischte sich Marik ein.

"Ihr könnt gar nichts davon wissen. Niemand außer einigen auserwählten Personen weiß davon!", bekräftigte Isis.

Dann jedoch fiel es allen wie Schuppen von den Augen.

"Bei den Göttern, sagt nicht, dass Ihr...", begann Atemu.

"Doch so ist es! Vor euch steht der wahre Thronerbe! Mein Name ist Seth. Des einstigen Herrschers einziger Enkel und wahrer Pharao!"
 

Sagt nichts, ich weiß, dass es reichlich kurz war. Das kürzeste, was ich bisher geschrieben habe. Macht nichts. Die nächsten werden wieder länger. Promise! So, read and review (wie der Ami jetzt sagen würde.)

Ein dramatisches Ende

Tja, hier melde ich mich wieder zurück. Und dieses Kapitel ist wie versprochen länger als das vorige. Ein dickes Dankeschön an meine treuen Leser und Kommischreiber. Und jetzt zur Story:
 

Kapitel 24: Ein dramatisches Ende
 

Keiner sprach ein Wort. Alle standen immer noch wie vom Donner gerührt da und konnten noch immer gar nicht fassen, was sich ihnen da gerade enthüllt hatte.

"Moment, noch mal von vorne. Dieser Kerl dort ist der einzige Enkel des bitterbösen Tyrannen?"

Tethys zeigte auf Seth.

"Macht Euch nicht über mich lächerlich!", entgegnete Seth drohend.

"Ihr wollt also Rache für Euren Großvater.", stellte Atemu fest.

"So ist es. Während Eure Familie sich im Glanz sonnte, wurde meiner Familie ein Brandmal aufgestempelt. Sie zerfiel und meinte Eltern waren dazu gezwungen, sich fernab von Kairo zu verstecken.", bemerkte Seth bitter.

"Ihr wollt mich also dafür verantwortlich machen, dass mein Großvater das Volk befreit hat und Euch damit den Anspruch auf den Thron genommen hat?"

Atemu stand nun ebenfalls nicht mehr still. Auch er ging auf der Stelle auf und ab.

"Eure Familie hat mir nicht nur den Thron weggenommen. Nein, Pharao, meine ganze Existenz wurde mit dem Auftauchen Eures Großvaters zerstört. Ich durfte kein normales Leben führen."

"Ihr könnt doch nicht den Pharao dafür verantwortlich machen.", warf Isis ein.

"Seht ihr denn nicht, dass Euer Großvater geblendet war? Von seiner eigenen Machtgier.", setzte Marik hinzu.

"Er schreckte vor absolut nichts zurück. Jedes Mittel war ihm recht, um die Macht an sich zu reißen."

"Schweigt!", rief Seth.

Isis zuckte kurz zusammen, doch Marik ließ sich davon nicht beeindrucken.

"Er war ein Tyrann und er unterdrückte das Volk. Er hatte den Thron nicht verdient!"

Seth ballte eine Hand zur Faust und Atemu sah, dass seine Hand mit dem Milleniumsstab zitterte.

"Er musste gestürzt werden.", setzte Marik noch hinzu.

"Ruhe!", brüllte Seth.

Er richtete den Stab genau auf Marik und seine Schwester.

"Vorsicht!", rief Jono und stellte sich vor die beiden.

Im gleichen Moment fühlte er eine unbändige Kraft, die sich an seinem Hals zu schaffen machte und ihm die Luft raubte. Er würgte kurz und keuchte auf.

"Seth! Tut das nicht!", rief Atemu.

Doch es war zu spät. Seth war reichlich sauer und sah nun eine Möglichkeit, seiner Wut freien Lauf zu lassen.
 

"Nein!"

Mari krallte die Hände gegen das nackte und kalte Gestein vor ihr. Ihre Augen hingen panisch an den Gucklöchern und beobachteten das Geschehen mehrere Meter unter ihr.

"Jono!"

Der Blonde hing genau wie Marik zuvor einen Meter in der Luft und hatte die Hände krampfhaft um die unsichtbare Kraft geschlossen, welche ihn über dem Boden hielt. Er strampelte zwar, aber offensichtlich konnte er gegen die Macht des Milleniumsstabes nicht viel ausrichten.

"Oh bitte nicht, lasst ihn wieder runter!", flehte Mari leise.

Der Blonde sah aus, als würde er nur noch schwerlich Luft bekommen, wie er so hoch in der Luft baumelte.

"Lasst ihn runter, Seth!"

"Von Euch muss ich mir nichts sagen lassen, Pharao!", antwortete Seth.

"Ich bitte Euch, lasst ihn runter. Er hat euch nichts getan!", bat Atemu.

"Das ist so nicht ganz korrekt.", erwiderte Seth.

"Was könnte ein friedlicher Mann wie Jono Euch getan haben?", fragte Isis.

Seth lächelte grimmig. Jono kämpfte gegen die würgende Kraft an seinem Hals. Er kniff vor Anstrengung ein Auge zu. Langsam aber sicher fühlte er, wie die Luft aus seinen Lungen wich. Und so sehr er sich auch bemühte und den Mund aufriss, es strömte einfach keine neue Luft mehr nach.

< Soll das etwa mein Ende sein? Nein, ganz bestimmt nicht! Ich habe Mari ein Versprechen gegeben. Und ich stehe zu meinem Wort!>

Jono legte alle Finger an die unsichtbare Hand, die seinen Hals zudrückte.

"Tut mir ja Leid für Euch, Seth! Aber ich habe jemandem ein Versprechen gegeben und das werde ich auch halten!"

Mit aller Kraft zog er an der Geisterhand und fühlte, dass der Druck an seinem Hals geringer wurde. Seth beobachtete dies und sagte:

"Bemüht Euch nicht! Der Zauber ist zu stark für Euch! Ihr könnt ihn nicht brechen!"

"Wollen wir wetten?", entgegnete der Blonde.

Immer heftiger zog er an dem unsichtbaren Peiniger.

"Du schaffst es, Jono!", murmelte Mari.

Vor lauter Aufregung hatte sie die Fingernägel in ihre Arme gekrallt. Sie beobachtete, wie Jono immer mehr Gewalt über die unsichtbare Hand gewann. Seths Blick, der zuerst noch ernst und grimmig gewesen war, schlug nun in Erstaunen um.

"Ihr könnt es anscheinend nicht lassen.", bemerkte er.

"Ihr werdet merken, dass ich ein ziemlich harter Brocken bin."

"Komm schon, mein Freund!", feuerte Tethys ihn an.

Selbst Ryou sah dem Schauspiel gespannt zu.

"Nicht mehr viel und du hast es geschafft!", sagte Mari leise.

Sie traute sich nicht, laut zu rufen, da sie sonst fürchtete, sich zu verraten. Außerdem durften die Eindringlinge nicht wissen, dass sich noch mehr Leute im Palast aufhielten. Mit einer letzten gewaltigen Kraftanstrengung hatte Jono seinen unsichtbaren Widersacher bezwungen. Seths Milleniumsstab begann heftig zu zittern, als Jono sich dessen Macht vollkommen widersetzt hatte. Er fiel wieder auf dem Boden und blieb dort schwer atmend sitzen.

"Na, was.... sagt Ihr... nun?", wollte er wissen.

Seth starrte verblüfft auf seinen Milleniumsstab, doch dann wurde seine Miene wieder undurchsichtig und kalt.

"Kompliment, Junge. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr es schaffen würdet. Das gebe ich zu."

Seth wandte Jono den Blick zu.

"Aber bildet Euch ja nicht zu viel darauf ein!"

Mari atmete in ihrem Versteck erleichtert auf und sank an der Wand hinunter. Ihr Herz klopfte ihr heftig bis zum hals. Sie hatte fürchterliche Angst um Jono gehabt und ihr war, als fiele ihr nun ein Stein vom Herzen.

< Wie konnte Seth das nur tun?>, fragte sie sich.

Sie starrte betrübt auf den Steinboden unter ihr.

< Ich hätte es wissen müssen. Aber er kam mir ja nicht verdächtig vor. Er hat sich doch ganz normal benommen!>

Wenn sie jetzt so darüber nachdachte, stellte sie fest, dass er sich wirklich erschreckend normal benommen hatte. Wer hätte hinter einer solch charmanten und zuvorkommenden Fassade einen Menschen vermutet, der ohne mit der Wimper zu zucken, einem anderen Schmerzen zufügen konnte?

< Und ich habe ihn auch noch vor Jono verteidigt! Ich habe dir Unrecht getan, verzeih mir, Jono!>

Mari schlug sich die Hände gegen den Kopf und richtete den Blick auf die Decke. Die Fackel lag neben ihr und leuchtete längst nicht mehr so hell wie zuvor. Langsam aber sicher wurde es dunkel um Mari herum.
 

"Sapheri, kannst du mir helfen?"

"Was habt Ihr vor, Euer Hoheit?", wollte die Brünette wissen.

"Ich kann hier nicht einfach so liegen bleiben, während mein Volk leidet.", erklärte Teana.

"Das dürft Ihr nicht, Euer Hoheit", widersprach Sapheri sofort, "denkt an Euer Baby!"

"Im Moment gibt es wichtigere Dinge, an die ich denken muss!", gab die Braunhaarige zurück.

"Tut das nicht, Euer Hoheit, ich flehe Euch an! Bleibt liegen und schont Euch!"

Sapheri legte ihr die Hände auf die Schultern und wollte sie sanft wieder zurückdrücken, doch Teana widersetzte sich ihr mit einer Kraft, die Sapheri der Schwangeren nicht mehr zugetraut hatte.

"Ich kann nicht anders, Sapheri. Das da draußen sind auch mein Volk und mein Palast. Ich muss es verteidigen!"

"Und wie wollt Ihr das anstellen? Ihr habt keine Waffen oder einen Zauber, den ihr benutzen könnt!", wandte Sapheri ein.

Sie kniete sich vor ihr nieder und ergriff Teanas Hände.

"Ich habe Eure Entscheidungen immer respektiert, Euer Hoheit. Jeden Eurer Befehle führte ich aus."

"Und ich bin dir dankbar für deine Treue.", sagte Teana mit einem warmen Lächeln.

"Aber diese eine Mal kann ich Euch nicht zustimmen. Wir haben es hier mit einem gefährlichen Gegner zu tun, Euer Hoheit. Er befiehlt über schwarze Magie. Ihr habt doch selbst gesagt, dass er gefährlich ist."

"Dessen bin ich mir bewusst.", erwiderte Teana.

"Dann verstehe ich nicht, warum Ihr Euch einer solchen Gefahr aussetzen wollt! Ihr seid alleine!"

"Ich kann nicht einfach nur Isis und Marik die ganze Arbeit machen lassen.", entgegnete Teana.

"Ihr dürft nicht gehen, Euer Hoheit! Ich flehe Euch an! Bleibt! Ich möchte Euch nicht verlieren. Ich verlor meine Mutter schon einmal. Ich möchte nicht, dass Ihr mich auch noch verlasst!"

Sapheris Blick ging zu Boden und erste Tränen kullerten ihr aus den Augen. Teana war von diesem plötzlichen Geständnis überrascht und merkte, dass auch ihr Tränen der Rührung in die Augen stiegen.

"Es tut mir Leid, Sapheri, ich wollte deine Gefühle nicht verletzen!", gab sie zurück.

"Das habt Ihr nicht, Euer Hoheit. Der Gedanke daran, dass ich Euch verlieren könnte, schmerzt mich sehr. Ich habe keine Eltern mehr. Mein Bruder und mein bester Freund sind mit dem Pharao in die Schlacht gezogen und in mir sitzt die tiefe Furcht, dass ich die beiden niemals mehr wieder sehen werde. Versteht ihr? Alle geliebten Menschen um mich herum verschwinden plötzlich. Ihr seid die Einzige, die mir noch geblieben ist!"

Teana schwieg kurz betroffen und strich Sapheri sanft über das Haar.

"Was auch immer passieren wird, du wirst mir stets nahe stehen, Sapheri, aber dieses eine Mal kann ich deiner Bitte nicht Folge leisten. Dafür musst du Verständnis haben."

"Wenn dem so sein sollte und Ihr Eure Entscheidung getroffen habt", sagte Sapheri und hob den Kopf, "dann werde ich Euch begleiten. Ich werde immer an Eurer Seite sein!"

Teana nickte und rutschte zum Bettrand. Sapheri half ihr beim aufstehen und stützte sie.

"Dann wollen wir mal zusehen, dass wir aus diesem Gewölbe rauskommen.", stellte Teana fest.

Gemeinsam machten sich die Frauen auf den Weg zu der Treppe, die Marik und Isis zuvor genommen hatten.
 

"Und wie soll es nun weitergehen?", fragte Isis.

"Das ist doch ganz einfach", sagte Seth und lächelte, "ich fordere den Pharao zu einem Duell heraus!"

"Ihr tut was?", fragte Marik verblüfft.

"Ich fordere ihn heraus. Wenn der Pharao verliert, so muss er auf seinen Thron verzichten und allen Menschen erzählen, was in der Vergangenheit wirklich vorgefallen ist. Außerdem wird der Name meiner Familie dann endlich wieder rein gewaschen."

"Ihr werdet doch nicht auf sein absurdes Angebot eingehen, oder, mein Pharao?", fragte Tethys.

"Natürlich wird er das nicht", mischte sich Jono ein, "denn ich werde mich mit Seth duellieren."

"Ich halte mich nicht an kleinen Fischen auf.", erwiderte der Blauäugige.

"Kleine Fische? Wenn Ihr etwas vom Pharao wollt, müsst Ihr mich zuerst besiegen."

"Ihr stellt tatsächlich Euer Leben für solch einen Lügner aufs Spiel?", fragte Seth mit hochgezogenen Brauen.

"Der Pharao ist der ehrlichste und loyalste Mann, den ich kenne. Ihn des Lügens zu bezichtigen, ist schon eine Lüge selbst, die nicht ungestraft bleiben darf."

Jono baute sich Seth gegenüber auf.

"Außerdem habe ich mit Euch noch eine Rechnung offen.", fügte der Blonde hinzu.

Die Lippen des anderen kräuselten sich zu einem spöttischen Lächeln.

"Immer noch böse, weil ich Eure kleine Freundin angefasst habe?", fragte er.

"Passt gut auf, was Ihr über sie sagt!", warnte Jono.

"Ihr musstet Euch ja unbedingt einmischen.", sagte Seth.

"Es war doch wohl offensichtlich, dass sie sich in Eurer Gesellschaft nicht wohl gefühlt hat."

"Und in Eurer schon?", schoss Seth zurück.

"Ihr habt ja keine Ahnung.", meinte Jono.

"Genauso wenig wie Ihr", zischte Seth, "Ihr verdient eine solche Frau gar nicht! Es ist Eure Schuld, dass sie immer noch hier ist und nicht bei mir."

"Das mag durchaus stimmen", gab Jono zu, "aber sie hat mich gewählt und nicht Euch, sonst wäre sie damals mit Euch gegangen, oder bringe ich jetzt etwas durcheinander?"

Seth zischelte kurz und zog seinen Milleniumsstab wieder aus seinem Gürtel.

"Steckt endlich dieses dumme Zepter weg", sagte Jono, "damit könnt Ihr mich nicht mehr beeindrucken!"

Seth grummelte kurz. Sein Blick huschte durch den Raum. Isis und Marik hatten sich mittlerweile vor Ryou und seinem Schattenwesen aufgebaut, um ihn in Schach zu halten. Ryou konnte ihm nicht helfen. Tethys stand neben dem Pharao. Dieser war zu seinem Thron gegangen und hatte sich darauf nieder gelassen. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund.

< Er macht sich über mich lustig! Das wird er teuer bezahlen müssen! Und mit seinem bescheuerten Diener werde ich anfangen!>, dachte Seth grimmig.

"Was ist jetzt? Werdet Ihr Euch mit mir duellieren?", fragte Jono.

"Ts, Ihr glaubt doch nicht wirklich, eine Chance gegen mich zu haben, oder?", fragte Seth verächtlich.

"Und Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass Ihr so gut seid, oder?", entgegnete Jono.

"Genug der langen Worte", sagte Seth barsch, "meine Geduld ist langsam am Ende!"

"Wunderbar! Ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden, endlich anzufangen."

Jono zog aus seiner Jacke eine kleine Steintafel hervor und legte sie vor sich auf den Boden.

"Nun seid ihr dran!", sagte er.

Seth zog nun ebenfalls eine Steintafel unter seinem Umhang hervor und legte sie vor sich.

"Oh großer Geist, der du in der Tafel gefangen bist, ich rufe dich!"

Die Tafel zu Füßen des Blauäugigen begann zu glühen und erstrahlte plötzlich in weißem Licht. Heraus kam ein riesiges Stiermonster geschossen, welches in einer Hand eine Axt hielt.

"Ich bin doch mal gespannt, ob Ihr es mit meinem Minotaurus aufnehmen könnt.", bemerkte Seth.

Doch Jono lächelte nur zuversichtlich und breitete die Arme aus.

"Darf ich Euch meinen besten Freund vorstellen? Meinen schwarzen Rotaugen-Drachen!!"

Seine Tafel erleuchtete ebenfalls in hellem Licht und über ihr erschien plötzlich ein gewaltiger schwarzer Drache. Seine roten Augen blitzten und er brüllte durchdringend, nachdem Jono ihn gerufen hatte. Dann stürzte er sich auf den Stier vor ihm und zerschmetterte ihn mit einem mächtigen Schlag. Seth zuckte nur kurz zurück, dann stand er wieder auf seinem Platz. Die Steintafel rauchte und von dem Monster war keine Spur mehr zu sehen.

"Was sagt ihr dazu?", fragte Jono grinsend.

Doch Seth zog nur spöttisch die Mundwinkel nach oben und entgegnete:

"Wenn das alles war, dann bin ich nicht beeindruckt. Zu schade, dass dieses Duell jetzt gleich vorbei sein wird."

"Wie bitte?", fragte Jono.

"Ihr habt richtig gehört", sagte Seth und zückte zwei weitere Steintafeln, "und nun nehmt Euch in Acht vor der zerstörerischen Kraft meiner weißen Drachen mit eiskaltem Blick!!!!"

Seine Stimme hallte durch den Raum, als die beiden Steintafeln in gleißendem Licht erstrahlten. Alle Anwesenden mussten sich die Hände vor die Augen halten, so geblendet waren sie davon. Dann ertönte ein lautes Brüllen. Als die Zuschauer die Hände wieder wegnahmen, sahen sie zwei weiße Drachen mit blauen Augen über dem Boden schweben.

"Und nun, mein Drache, zerstöre sein Monster!", befahl Seth dem Linken.

Er brüllte auch sogleich auf und schoss einen Energiestrahl aus seinem Maul auf den schwarzen Rotaugen-Drachen. Dieser löste sich plötzlich in Rauch auf und Jono riss es fast von den Füßen.

"Nein! Das kann nicht sein!", rief er überrascht.

"Euer Drache war schwach. Jedes Eurer Monster sieht im Vergleich zu meinem schwach aus!"

Jono erkannte, dass er nun völlig schutzlos dastand und ihm ein sehr wütender Drache gegenüber war.

"Endlich ist es soweit! Weißer Drache mit eiskaltem Blick, attackiere ihn mit deiner Lichtblitzattacke! Und lass keine Gnade walten!"

Der Drache öffnete sein Maul und sammelte Energie darin. Jono war unfähig sich zu bewegen. Die Schreie seiner Freunde, er solle zur Seite springen, nahm er nur noch in Trance wahr. Doch da war eine Stimme, die ihn herumfahren ließ, genau in dem Moment, als der Drache sich zum Angriff bereit machte.

"Jono! Schnell, weg!", rief eine helle Frauenstimme.
 

So, hier ist auch wieder Ende.
 

Eine wichtige Sache noch: Das hier ist vorerst das letzte Update, da ich vom 16- 30.5 in Urlaub bin. Also gibt es das nächste Chap erst wieder Anfang Juni. Bis dahin hoffe ich auf viele Kommis.
 

Bye, Hillary

Für immer verloren?

Ja, hier melde ich mich braun gebrannt aus dem Urlaub wieder zurück! Ich bin so erholt und entspannt. Aber ihr seid natürlich angespannt, weil ihr jetzt zwei Wochen auf ein neues Kapitel warten musstet. Hiermit beende ich die Warterei und hoffe ihr bleibt der Story weiterhin treu. Here we go!
 

Kapitel 25: Für immer verloren?
 

< Mari.>

Dieser Gedanke durchzuckte Jono in dem Moment, als er die Stimme hörte. Und dann ging alles ganz schnell.

"Attacke!", schrie Seth.

Jonos Blick glitt wieder zu dem immensen Drachen vor ihm. Und dann sah er die Lichtkugel auf sich zurasen.

"Nein!!!!"

Plötzlich fühlte er einen Stoß an seinem Arm, der ihn taumeln ließ. Während er von der Wut des Schlages rückwärts zu Boden fiel, blieb sein Blick an der Person hängen, die ihn gerade gerettet hatte.

< Mari!>

Jonos Augen weiteten sich, als er denen von Mari begegnete. Ihr Gesicht zeigte Erleichterung, doch Jono begriff jetzt plötzlich den Ernst der Lage.

"Nein!!!", brüllte er, während er fiel.

Doch es war zu spät, er konnte nichts mehr tun. Als die Lichtkugel Mari erfasste, hörte er nur ihr furchtbares Schmerzensgeschrei, das in seinem Kopf widerhallte.

"Mari!!", schrie der Blonde entsetzt.

Dann schlug er hart auf dem Boden auf. Erneut war das Licht so hell und gleißend, dass die Zuschauer sich schützend die Hände vor die Augen halten mussten.

"Mari!!"

Seth stand wie vom Donner gerührt auf der Stelle. War das gerade wirklich die Blondine gewesen, die sich zwischen Jono und den Drachen geworfen hatte?

"Oh nein!", entfuhr es ihm und er betete, dass er sich versehen haben mochte.

Dann verzog sich der Rauch.

"Mari!"

So schnell wie möglich versuchte Jono sich wieder auf die Beine zu stellen. Gerade rechtzeitig kam er hoch, denn genau in diesem Moment gaben die Beine der Blondine nach und ihr Körper kippte nach hinten. Jono hechtete in einem großen Sprung nach vorne und konnte sie gerade noch auffangen.

"Oh nein, bitte nicht!"

Ihr Kleid war zerfetzt und ihre Haare an manchen Stellen versengt.

"Bitte sag etwas!", bat Jono.

Die Blondine in seinen Armen öffnete die Augen ein Stückchen.

"Jo.. Jo...no.. no?", stammelte sie.

"Ja, ich bin es. Hab keine Angst.", gab er zurück.

Ihr Blick wanderte nach oben und begegnete seinen braunen Augen.

"Du... da.....", stammelte sie.

"Ja, ich bin hier und jetzt wird alles gut werden.", erwiderte Jono und strich ihr über die Wange.

Doch Mari lächelte nur und sagte leise:

"Lügner."

"Doch, du wirst sehen, es wird alles wieder gut werden."

"Nein, wird es... nicht.", widersprach Mari.

"Ich bin extra zurückgekommen, Mari. Du erinnerst dich doch noch an unser Versprechen! Ich habe dir die Kette wieder gebracht."

"Behalt sie. Ich...ich brauche..."

An dieser Stelle zuckte Mari kurz zusammen und japste nach Luft.

"... sie nicht... nicht mehr."

"Nein! Red nicht so einen Unsinn", befahl Jono und merkte, dass seine Stimme laut wurde, "du wirst es schaffen, hörst du? Du schaffst es!"

Dabei rüttelte er die Blondine leicht durch.

"Es... es... tut mir... L... Leid!", flüsterte diese und ihr kamen Tränen.

"Nein, das braucht es nicht! Und red nicht so einen Unsinn! Du wirst doch wieder gesund. Du wirst sehen! Das wird wieder!", redete Jono auf sie ein, doch die Blondine schien ihm gar nicht richtig zuzuhören.

Sie verkrampfte sich plötzlich in seinen Armen und hustete. Während sie nach Luft japste, zuckte sie mehrmals zusammen. Dabei lief ihr ein dünnes Rinnsal Blut aus der Nase hinaus.

"Verdammt! Reiß dich zusammen! Hörst du! Reiß dich zusammen! Komm schon!"

Jono merkte, dass er den Tränen nahe war. Die violetten Augen sahen ihn liebevoll an.

"Ich... ich... l.....lie.....liebe....", stammelte die Blondine.

Dann verkrampfte sich ihr Körper ein letztes Mal. Ihre Augen nahmen einen glasigen Ausdruck an, bevor sie zufielen.

"Nein! Du darfst nicht sterben! Hörst du? Du darfst nicht sterben!", rief Jono und schüttelte die Blondine durch.

Doch deren Kopf war längst nach hinten gekippt. Ihr nun lebloser Körper hing schlaff in Jonos Armen.

"Komm schon! Wach auf, Mari! Das ist nur ein Scherz! Sag mir, dass das nur ein Scherz ist!"

Im Raum herrschte Stille. Jono rüttelte die Blondine an den Schultern.

"Wach auf, Mari, du musst aufwachen!"

"Jono!"

Tethys' warme Hand legte sich auf Jonos Schulter. Der Blonde drehte ihm den Kopf zu. Sein Gesicht war voller Tränen und auch Tethys hatte feuchte Augen.

"Sie ist tot, Jono. Sie ist tot."

Jono starrte ihn an, als hätte er gerade etwas ganz Unmögliches gesagt.

"Nein", schrie er dann, "sie ist nicht tot. hast du gehört? Sie ist nicht tot!"

"Doch, sie ist tot", widersprach Tethys, "sieh es ein, Jono."

Der Blonde wandte seiner Freundin wieder das Gesicht zu. Ihr schlaffer Körper hing immer noch in seinen Armen. Sie fühlte sich warm an.

"Du hast Recht.", gab er leise zu.

Dann presste er die Blondine an sich und schluchzte.

"Oh Gott, sie ist tot. Mari ist tot. Wieso musste das nur passieren?"

Hemmungslos weinend schlang er die Arme um ihren zierlichen Körper. Isis verbarg das Gesicht an der Brust ihres Bruders und auch der kämpfte mit den Tränen. Der Raum hallte von Jonos herzzerreißendem Geschluchze wider. Seth stand immer noch wie angewurzelt auf der Stelle.

"Ich habe sie getötet.", murmelte er leise.

Dann sank er auf die Knie. Diese Erkenntnis hatte ihn gerade wie ein Hammerschlag getroffen. Er hatte Mari getötet. Er hatte sie auf dem Gewissen. Es war ganz allein seine Schuld!

"Nein!", schrie er und schlug mit den Fäusten auf den Steinboden.

In diesem Moment erschienen zwei Gestalten am Eingang zum Thronsaal.

"Teana!", rief Atemu aus.

Dann eilte er zu seiner Gemahlin. Überglücklich schloss er sie in die Arme.

"Atemu, was ist passiert?", wollte die Braunhaarige wissen.

Atemu antwortete ihr nicht, sondern machte ein bedrücktes Gesicht. Dann erst sah Teana Jono, der auf dem Boden hockte und wenige Meter von ihm entfernt Seth in der gleichen Position.

"Was ist hier los?", ließ sich Sapheri nun vernehmen.

Sie ging auf Jono zu.

"Bruder? Was ist denn? Was ist....?"

Im selben Moment hielt sie inne. Sie hatte die Blondine in den Armen ihres Bruders entdeckt.

"Was ist mit ihr?", fragte sie ängstlich.

Keiner antwortete ihr und deswegen wiederholte sie:

"Was ist mit Mari?"

"Sie ist tot.", murmelte Jono.

"Was?"

"Sie ist tot!", rief er und es hallte von den Steinwänden wider.

"Nein!"

Jono hob den Kopf und sah sie mit tränenverschmiertem Gesicht an.

"Sie ist tot, Sapheri.", sagte er und es klang beinahe nüchtern.

"Nein, das ist nicht wahr! Du lügst! Mari ist nicht tot! Komm schon, steh auf, Mari, und sag es ihm!"

Tethys nahm die Brünette sanft in den Arm.

"Sie ist nicht tot! Sie steht wieder auf!"

"Sie wird nicht wieder aufstehen, Sapheri.", sagte Tethys.

Die Tatsache, dass Tethys damit Recht hatte, ließ Sapheri aufschluchzen und sie warf sich in seine Arme.

"Das ist nicht fair! Das ist nicht fair!", rief sie immer wieder und trommelte mit einer Hand auf dem Brustkorb des Braunhaarigen herum.

"Ich weiß, dass es nicht fair ist.", sagte dieser leise.

Die Brünette vergrub den Kopf in seiner Jacke. Tethys strich ihr schweigsam und tröstend über den Rücken. Er konnte gut verstehen, wie sie sich gerade fühlte. Jono hatte die Blondine immer noch an sich gepresst. Ganz langsam versiegten seine Schluchzer und er lockerte seinen Griff ein wenig. Er blickte die junge Frau in seinen Armen eingehend an. Ihr Gesicht wirkte entspannt und beinahe erleichtert. Eine einzelne Träne glitzerte an ihren Wimpern. Jono ließ ihren Körper vorsichtig auf dem Stein nieder und berührte mit seinen Lippen kurz die ihren. Dann stand er urplötzlich auf und fuhr mit geballten Fäusten herum.

"Ihr! Ihr seid das schuld! Ihr habt sie umgebracht!"

Mit einer irren Wut im Bauch stiefelte er zu Seth. Ungestüm packte er ihn am Kragen und riss ihn vom Boden hoch. Dabei schüttelte er ihn wild durch.

"Bastard!", zischte er eiskalt.

Seth blickte in die schmerzverzerrten braunen Augen vor ihm. Jonos Gesichtszüge waren nun nicht mehr freundlich. Aus ihnen sprach der pure Hass.

"Jono, tu das nicht!", wandte Tethys ein.

"Warum sollte ich nicht? Dieser Mistkerl hat es verdient!", entgegnete Jono wütend.

"Davon kommt Mari auch nicht zurück.", mischte sich Atemu ein.

Jono ließ von Seth ab und stieß ihn einen Meter zurück.

"Ihr habt Recht. Das macht sie auch nicht wieder lebendig."

Seth hustete kurz und rückte seinen Umhang zurecht. Sein Blick ruhte auf dem leblosen Körper der Blondine.

"Ich weiß eine Möglichkeit, wie Ihr sie wieder sehen könnt.", sagte er plötzlich.

"Sie wieder sehen?", fragte Sapheri mit erstickter Stimme.

Seth nickte und fuhr sich kurz über sein Gewand.

"Draußen vor der Stadt gibt es eine Ruine. Dort gehe ich zum beten hin. Es ist ein alter Ort mit mächtigen Kräften. Vielleicht kann ich die Götter beschwören, dass sie ihre Seele wieder freigeben."

"Und das ist garantiert keiner von Euren Tricks?", warf Marik ein.

"Glaubt mir eins", sagte Seth mit gequältem Gesicht, "ich wollte das gerade ebenso wenig wie Ihr!"

"Worauf warten wir dann noch?", fragte Tethys.

"Du wirst mich begleiten?", fragte Jono.

"Natürlich begleite ich dich. Außerdem muss doch jemand ein Auge auf diesen Kerl haben."

"Sapheri, du wirst hier bei ihrer Hoheit und dem Pharao bleiben.", legte Jono fest.

Sapheri wollte zuerst protestieren, doch Teana legte ihr die Hände auf die Schultern.

"In Ordnung, ich werde hier auf eure Rückkehr warten."

Jono nahm die schlaffe Blondine auf den Arm und nickte Seth zu.

"Na los, geht voran und zeigt uns den Weg!"

Tethys stand neben ihm und blickte den Braunhaarigen grimmig an. Dieser nickte und setzte sich dann in Bewegung. Als die drei Männer den Thronsaal verlassen hatten, drehte sich Sapheri zu Atemu um.

"Kann man ihm trauen?", fragte sie ängstlich.

"Sein schlechtes Gewissen ist groß.", bemerkte Isis.

"Einem Feind des Throns kann man nie trauen.", sagte Marik abschätzend.

"Hoffentlich geht alles gut.", meinte Sapheri.

"Mach dir keine Sorgen, Sapheri. Dein Bruder wird es schon schaffen.", antwortete Teana zuversichtlich.

"Ich hoffe Ihr behaltet Recht.", entgegnete Sapheri.
 

"Mari.... Mari.... wach auf!"

Ein heller Lichtstrahl blendete die Blondine.

< Wo bin ich hier?>

"Mari...."

Erneut ertönte über ihrem Kopf diese seltsam angenehme Singsangstimme.

"Wer bist du?"

"Mari...."

Die Blondine blinzelte einige Male. Doch das Bild vor ihren Augen wollte einfach nicht klar werden. Sie setzte sich auf und legte schützend eine Hand über die Augen.

"Warum ist es hier so hell?", fragte sie leise.

"Hier drüben, Mari..."

Die Blondine wandte den Kopf in die Richtung, aus der sie gerufen wurde.

"Ich bin hier....", sagte die warme Stimme zu ihr.

Mari erhob sich vom Boden oder von was auch immer, auf dem sie gerade eben gelegen hatte. Rings um sie herum war alles weiß. Sie streckte eine Hand nach vorne, um zu prüfen, ob sie auf Widerstand stoßen würde, doch nichts dergleichen geschah. Also tastete sie sich mit kleinen Schritten vorwärts. Langsam aber sicher hatten sich ihre Augen an die gleißende Helligkeit gewöhnt und sie musste nicht mehr ständig blinzeln.

"Mari...."

"Ich komme schon.", erwiderte die Blondine.
 

"Wie weit ist es noch?", wollte Tethys wissen.

Er lenkte den Wagen, auf dessen Lagefläche Jono mit Mari in seinen Armen saß. Seth ritt knapp vor ihnen und drehte sich im Sattel seines braunen Pferdes kurz nach hinten um.

"Es ist nicht mehr weit. Gleich da vorne hinter den Bergen.", gab der Blauäugige zurück.

Tethys nickte und schnalzte mit den Zügeln. Das Pferd vor der Kutsche legte noch einen Zahn zu. Dann wandte Tethys den Blick wieder nach hinten zur Ladefläche. Die leblose Blondine hing zwischen Jonos Beinen. Ihr Kopf ruhte auf seinem Oberkörper und der Blonde hatte seinen Kopf an ihren gelegt. Sein Blick war leer, während er mit einer Hand sanft an ihrem Oberarm auf und ab strich. Man hätte wirklich meinen können, dass die Blondine nur ein kleines Nickerchen hielt, weil sie erschöpft war.

"Jono? Alles in Ordnung bei dir?", wollte Tethys wissen.

Der Blonde hob den Blick und begegnete dem seines Kameraden. Dann nickte er ihm zu. Der Wagen holperte weiter über die staubige Erde.

"Sie wird wieder leben, du wirst es sehen!", meinte Tethys.

Trotzdem war er von diesen Worten selber nicht sehr überzeugt. Wie sollte man Tote wieder zum Leben erwecken? Das grenzte schon an Zauberei!

"Ja, es wird alles wieder gut werden.", erwiderte Jono.

Sein Blick glitt über das Gesicht der Blondine. Er strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr und flüsterte:

"Gleich wird es soweit sein. Du wirst wieder leben. Und dann kann ich endlich mein Versprechen einlösen."

Als er seine Freundin ansah, da kamen in ihm all die Erinnerungen an die letzte Nacht hinauf. War das wirklich erst einen halben Tag her gewesen, dass sie neben ihm gelegen hatte? Jono meinte selbst jetzt noch, ihre Stimme an seinem Ohr zu hören:

"Ich schenke dir meinen Körper für diese Nacht. Nimmst du es an?"

Mit sanften Bewegungen fuhr er ihr über die Wange.

"Ich weiß es zu schätzen, dass du das für mich getan hast.", murmelte er.

Er wusste, dass die Blondine dieses Angebot noch nie zuvor jemand anderem unterbreitet hatte. Und genau das machte den Abend zu so etwas Besonderem. Ein starkes Holpern der Räder riss ihn aus seinen Gedanken. Der Weg wurde langsam sehr steinig, ein Zeichen dafür, dass sie sich ihrem Ziel näherten. Dann hatten sie schließlich den gewünschten Ort erreicht.

"Hier ist es.", sagte Seth und stieg von seinem Pferd.

Tethys zog an den Zügeln und ließ das Kutschpferd anhalten. Seth marschierte auf die Ladefläche zu.

"Ihr müsst sie mir geben, wenn ich sie retten soll.", sagte er.

Jono sah ihn skeptisch an. Er sollte Mari dem Mann überlassen, der sie getötet hatte? Seth bemerkte seinen abwertenden Blick, der voller Abneigung für ihn war.

"Ich bin der Einzige, der Euch jetzt helfen kann.", fügte er hinzu.

Leicht widerwillig befolgte Jono Seths Anweisungen. Er hielt Mari so, dass Seth die Arme unter ihren Körper schieben und sie nehmen konnte. Dann drehte dieser sich mit der jungen Frau in seinen Armen um.

"Folgen wir ihm!", meinte Tethys.

Jono sprang von der Ladefläche und sie marschierten hinter Seth her.
 

"Mari...."

Das Licht war so hell.

"Wo bist du?", fragte die Blondine.

"Ich bin hier drüben."

Die Singsangstimme kam von rechts.

"Ich kann überhaupt nichts sehen. Wo laufe ich denn hin?"

Mari stolperte kurz und kniff die Augen zu.

"Du bist auf dem richtigen Weg. Komm weiter, Mari!"

Die Blondine seufzte kurz und ging dann weiter. Sie merkte plötzlich, dass sie sich unglaublich leicht fühlte. Eine angenehme Wärme kroch ihre Glieder hinauf und breitete sich in ihr aus.

"Es ist so schön warm.", murmelte Mari.

"Ich bin hier."

Mari blinzelte kurz. Zum ersten Mal seit sie an diesem seltsamen Ort aufgewacht war, meinte sie, nicht allein zu sein. Sie sah eine undeutliche Gestalt vor ihr stehen.

"Hallo?", rief sie.

Die Gestalt wandte sich ihr zu. Trotz allem konnte Mari ihr Gesicht nicht erkennen. Also ging sie weiter. Nur ganz allmählich wurde das Bild um sie herum klarer. Beim Näher kommen stockte die Blondine plötzlich.

"Das kann nicht sein.", flüsterte sie.

"Komm zu mir, Mari!", ertönte die Stimme wieder.

Die letzten Meter rannte die Blondine. Sie hielt auf die Gestalt zu, so schnell sie konnte. Schließlich stand sie genau vor ihr und blickte in ein freundlich lächelndes Gesicht.

"Hallo Mari, schön dich wieder zu sehen."

Der Blondine liefen plötzlich Tränen über das Gesicht und sie stürzte sich in die Arme der Frau.

"Ach Mutter....", schluchzte sie.

Ihre Mutter schlang die Arme um die aufgelöste Blondine und streichelte ihr sanft über den Kopf.

"Wie lange habe ich darauf gewartet, dich wieder sehen zu können. Ich habe dich so vermisst.", wisperte Mari.

"Nun sind wir wieder vereint.", sagte ihre Mutter mit warmer Stimme.

Mari löste sich von ihr und sah ihr in die Augen. Ihre Mutter lächelte und strich ihr die Tränen weg.

"Weine nicht, komm mit mir. Ich glaube sie erwarten dich schon!"

Sie hielt ihr die offene Hand hin und Mari ergriff sie. Dann schritt sie neben ihrer Mutter her. Vor ihren Augen verwandelte sich die weiße Umgebung plötzlich in eine grünende und blühende Landschaft. Mari blieb vor Staunen der Mund offen stehen.

"Wo bin ich hier?", fragte sie und sah sich um.

Zu ihrer Rechten plätscherte ein Fluss. An ihm standen unzählige Tiere, die sie neugierig ansahen.

"Du bist überall und nirgends.", lautete die Antwort ihrer Mutter.

Ein paar kleine Kinder liefen an ihnen vorbei. Sie spielten fangen und verschwanden laut lachend im nächsten Gebüsch. Die Hand ihrer Mutter fühlte sich warm an und Mari lächelte ihr zu.

"Sieh da vorne!", sagte die Frau plötzlich.

Mit der rechten Hand deutete sie auf eine Brücke, die unweit direkt vor ihnen lag. Auf der Brücke standen drei Personen. Sie drehten sich um und winkten. Mari schlug sich die Hand vor den Mund.

"Vater.... mit Charon.... und Nereid....", stammelte sie.

"So ist es. Nun, da du hier bist, sind wir endlich alle wieder vereint.", bemerkte ihre Mutter.

"Sie haben sich alle kein bisschen verändert", stellte Mari mit rauer Stimme fest, "sie sind genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte."

"Komm, wir gehen sie begrüßen.", schlug ihre Mutter vor und Mari nickte.

Doch dann zog etwas anderes die Aufmerksamkeit der Blondine auf sich.
 

"Ich hoffe, Ihr wisst, was Ihr da tut.", bemerkte Jono.

"Keine Sorge, ich werde nicht noch einen fatalen Fehler machen.", erklärte Seth.

Er trug die Blondine immer noch auf dem Arm. Sie standen vor einem gigantischen Stein. Er ragte mehrere Meter in den Himmel hinauf und war voller Zeichnungen und Hieroglyphen. Seth trat einen Schritt vor und legte Mari auf einen steinernen Altar, der sich direkt am Fuße des Steines befand. Jono war nicht wohl bei der Sache.

"Tretet zurück, es könnte für euch zu gefährlich werden!", forderte Seth die beiden auf.

Sie stellten sich in sicherer Entfernung auf und beobachteten, wie Seth auf die Knie ging. Er zog seinen Milleniumsstab aus seinem Gürtel hervor. Er streckte die Arme zu beiden Seiten aus und wandte den Blick Richtung Himmel. Dabei murmelte er leise Worte. Und dann, ganz unerwartet, begann der gigantische Stein vor ihnen plötzlich seltsam grün zu glühen.
 

Ich weiß, es war ein wenig Sience Fiction drin und etwas übersinnlich, aber wir sind ja schließlich im alten Ägypten. Da ist so etwas hoffentlich erlaubt. Also, ich warte auf gaaaaanz viele Kommis.
 

Bye, Hillary

Das Wunder

Hallo, Leute!

Hier melde ich mich wieder. Es freut mich, dass euch das letzte Kapitel trotzdem gefallen hat, obwohl esd ein wenig Science Fiction mäßig war. Ich muss euch leider mitteilen, dass sich die Story dem Ende zuneigt. Bald ist es vorbei. Hoffe ihr könnt die letzten Kapitel trotz allem noch genießen.
 

Kapitel 26: Das Wunder
 

"Was ist das dort?"

Mari löste ihre Hand aus der ihrer Mutter und trat nach links. Doch sie wartete gar nicht erst eine Antwort ab, sondern ging sofort auf den Gegenstand zu. Es war eine glänzende Kugel, die in der Luft schwebte.

"Was ist das?", fragte sie erneut.

"Das musst du selbst herausfinden.", meinte ihre Mutter.

Mari streckte eine Hand nach vorne aus. Sie wusste ja nicht, woraus diese seltsam leuchtende Kugel bestand. Ganz sachte berührte sie die Kugel mit den Fingerspitzen. Genau im Moment der Verschmelzung erstrahlte sie in gleißendem Licht und Mari zuckte zurück.

"Was passiert hier?", rief sie.

Die Kugel veränderte ihre Form. Auf einmal war sie nicht mehr rund, sondern verformte sich länglich, bis vor Maris Augen ein großes Rechteck schwebte. Sie nahm wieder die Hand von den Augen, welche sie sich schützend davor gehalten hatte.

"Bei den Göttern, so etwas habe ich noch nie gesehen.", stammelte die Blondine.

Das Rechteck schien aus Wasser zu bestehen. Seine Oberfläche glitzerte und war in ständiger Bewegung.

"Nur zu, tauch die Hand hinein!", ermunterte ihre Mutter sie.

Mari tat es und genau im selben Moment durchflutete sie so ein warmes Gefühl, wie sie es noch nie erlebt hatte. Sie meinte fliegen zu können, so frei fühlte sie sich in diesem Augenblick. Als sie die Augen schloss, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf.

"Mari....."

Sie öffnete die Augen erstaunt. Das Rechteck veränderte sich wieder. Die undurchsichtige Oberfläche wurde plötzlich klar und glatt wie ein Spiegel. Und dann sah Mari etwas dahinter. Zuerst nur ganz undeutlich, doch dann immer deutlicher.

"Mari....."

Die Blondine schlug sich die linke Hand vor den Mund. Die andere presste sie gegen das Rechteck. Doch obwohl es durchsichtig wie Glas war, so erlaubte es ihr nun nicht mehr, hindurch fassen zu können. Sie trat noch näher heran und ließ die Hand langsam vom Mund sinken. Ihre Finger streiften über das kühle Glas, sehnsuchtsvoll und leicht zitternd. Dann, so stellte sie fest, rollte ihr eine Träne über die Wange.

"Ich kann nicht bleiben.", flüsterte Mari.
 

"Bei den Göttern, was passiert da?", fragte Tethys.

Der Stein erstrahlte in einem grünlichen Licht.

"Ich weiß es nicht.", erwiderte Jono.

"Oh, Ihr mächtigen Götter, ich flehe Euch an, erhört mein Gebet!"

Seth kniete immer noch auf dem Boden und starrte in den Himmel.

"Erhört mein Gebet, Ihr mächtigen Herrscher! Lasst Gnade walten!"

Über den Ruinen waren wie aus dem Nichts dunkle Wolken aufgezogen. Einem Wirbelsturm gleich ballten sie sich zusammen und türmten sich auf.

"Das ist unheimlich. Ganz unheimlich.", bemerkte Tethys.

Auch Jono fröstelte es. Eine selten wahrgenommene Spannung lag in der Luft.

"Ich rufe Euch! Steigt herab und lasst Eure endlose Macht walten!"

Bei diesem Worten vermengten sich die schwarzen Wolkenberge wie in einem Strudel miteinander. Blitze zuckten über den Himmel. Sekundenschnell und von greller Helligkeit. Es schien, als habe Seth einen schlafenden Giganten geweckt. Der Wüstenwind frischte auf und heulte plötzlich. Und immer noch strahlte der alte Stein vor ihnen grünlich.

"Halt dich fest!", rief Tethys seinem Kameraden zu.

Die beiden jungen Männer stemmten die Füße gegen die Erde, damit der Wind sie nicht zu Boden riss.

"Hast du so etwas schon mal erlebt?", schrie Jono über das Heulen des Windes.

"Nein und ich hätte nicht Übel Lust, mich irgendwo zu verstecken!", brüllte Tethys zurück.

"Zeigt uns, wozu Ihr fähig seid! Ich flehe Euch an, errettet die Seele dieser Frau, Ihr mächtigen Kreaturen!!!"

Seth richtete nun die Hand mit dem Milleniumsstab nach oben. Der Stab erstrahlte in goldenem Schein und sein Licht strahlte hinauf bis in die dunklen Wolken. Dann versiegte sein Strahl und Seth sank zurück auf den Boden. Sein Blick war abwartend auf den Himmel fixiert.

"Und was jetzt?", rief Tethys dem Braunhaarigen zu.

"Jetzt werden wir sehen, ob die Götter die Bitte erhören!", schrie dieser.

Die drei Männer starrten in den Himmel. Der Wind heulte und pfiff ihnen um die Ohren. Der Strudel der schwarzen Wolken schien immer größer zu werden. Unablässig zogen sich lange Blitze über den Himmel, unterstützt von mächtigem Donnergrollen. Doch dann passierte etwas. Inmitten des Wolkenstrudels tat sich plötzlich eine Öffnung auf.

"Da!", schrie Tethys und deutete nach oben.

Aus dem Loch schoss plötzlich etwas heraus. Es war ein Lichtstrahl, der sich rasend schnell dem Boden näherte. Dann traf er auf. Genau auf dem Altar. Blitzschnell schlug er ein.

"Mari!", schrie Jono entsetzt und stürzte vor, doch Seth hielt ihn fest.

"Das dürft Ihr nicht!", rief er und hängte sich mit all seinem Gewicht auf den Blonden.

Der Lichtstrahl wurde nicht kleiner, im Gegenteil. Er verbreiterte sich und kam auf die drei jungen Männer zu.

Diese wichen hastig ein Stück zurück.

"Was passiert da vorne?", fragte Tethys.

Alle hielten sich schützend die Hände vor das Gesicht. Der Lichtstrahl verlor plötzlich an Helligkeit. Nun leuchtete er in derselben Farbe wie der gigantische Stein. In einem warmen Grün.

"Seht nur!", sagte Seth und deutete nach vorne.

Jono konnte kaum glauben, was er da vor sich sah. Die Blondine schwebte etwa einen Meter über dem Stein, auf dem sie zuvor gelegen hatte. Ihr Kleid bewegte sich, als würde es von einer warmen Brise gestreichelt werden. Ihre Arme waren zur Seite ausgestreckt, als warte sie auf jemanden.

"Ihre Wunden.", bemerkte Tethys.

Die Kratzer an ihrer Haut verschwanden plötzlich. Als hätte es sie nie gegeben. Ihrer Haare schwebten ebenfalls in der Luft und sahen aus, wie fließendes Wasser. Ihr Gesicht wirkte in dem grünen Licht weich und unwirklich.

"Das ist ein Wunder.", murmelte Jono.

Dann schwebte die Blondine zurück Richtung Altar. Ganz sanft schmiegte sich ihr Körper wieder an den kühlen Stein. Ihre Haare fielen zu beiden Seiten ihres Gesichtes auf den Altar. Der Lichtstrahl wurde mit einem Mal schmaler und verkleinerte sich immer mehr, bis er sich schließlich nur noch auf die Stelle konzentrierte, an der Maris Herz saß. Mit einem letzten Windstoß wehte ihr Kleid noch einmal hoch, dann löste das grüne Licht sich auf und kehrte in den Himmel zurück.

"Ahhhhhh!!"

Der Oberkörper der Blondine bäumte sich plötzlich auf, als sie nach Luft schnappte und gleich darauf zurücksank.

"Mari!"

Nun war Jono nicht mehr zu halten. Er riss sich von Seth los und stürmte auf den Altar zu. Mit einem einzigen Sprung war er oben am Altar angekommen und sein Blick glitt zu Maris Gesicht. Der Brustkorb der Blondine hob und senkte sich stoßweise und sie japste nach Luft.

"Mari, du lebst! Du lebst!", rief er aus.

Die Blondine wandte ihm nun den Kopf zu und ihre Augen weiteten sich.

"Jo...Jo.... Jono? Bist... bist du..... es wirklich?", stammelte sie.

"Ja, ich bin es! Oh, bei den Göttern, du lebst!", wiederholte er.

Dann kullerten ihm Tränen aus den Augen und umarmte Mari stürmisch.

"Oh Mari, es tut mir Leid, ich wollte dich retten.", jammerte er.

Mari hustete noch einige Male und sah sich verwirrt um. Sie fühlte, wie Jonos Tränen auf ihre Haut tropften und strich dem Blonden mit der Linken sanft über den Kopf.

"Wein doch nicht!", sagte sie leise, doch sie selbst weinte ja auch.

Jono nahm daraufhin den Kopf hoch und sah ihr in die Augen.

"Ich hatte solche Angst. Ich habe gedacht, ich hätte dich für immer verloren!", flüsterte er.

"Nein, du wirst mich nie verlieren!", gab Mari leise zurück.

Ihre Finger fuhren durch seine Haare und über seine Wange. Jono zögerte nicht lange, sondern beugte sich vor. Erleichtert küsste er Mari. Seine Lippen bedeckten die ihren und fuhren zärtlich an ihnen entlang. Mari erwiderte den Kuss und gab sich ganz diesem Gefühl hin. Sie küsste das Salz von seinen Lippen fort. Dann lösten sie sich voneinander und sahen sich an.

"Gehen wir nach Hause.", flüsterte Mari.

Der Blonde nickte und schob die Arme unter ihren zierlichen Körper. Mit einem einzigen Ruck hatte er sie hochgehoben und trug sie vom Altar. Mari lehnte den Kopf erschöpft an die Brust ihres Geliebten und schloss die Augen. Dann hörte sie Jonos Stimme über ihrem Kopf.

"Wir fahren nach Hause."

Sie fühlte noch, wie er sie sachte auf die Ladefläche der Kutsche setzte.

"Und was ist jetzt mit dem da?", fragte Tethys.

Mari öffnete die Augen und ihr Blick fiel auf Seth. Der junge Mann kniete auf dem Boden.

"Ach, vergiss ihn. Er hat seine Lektion gelernt. Los, sehen wir zu, dass wir so schnell möglich zum Palast zurückkommen, damit wir die anderen nicht so lange warten lassen."

Jono sprang zu Mari auf die Ladefläche, während Tethys die Zügel in die Hand nahm.

"Vorwärts!", sagte er und schnalzte.

Die Kutsche ruckte an und setzte sich in Bewegung. Maris Blick war immer noch auf Seth gerichtet. Der Braunhaarige sah erst jetzt hoch und begegnete den Augen der Blondine. Diese lächelte ihm zu. Stumm formte sie mit den Lippen das Wort "Danke". Seth nickte und erwiderte das Lächeln. Dann stand er auf. Maris Kopf fiel erschöpft zur anderen Seite, doch sofort war da eine stützende Hand.

"Komm her, ruh dich aus.", sagte eine warme Stimme an ihrem Ohr.

Mari kuschelte sich dicht an Jono und ließ sich einfach fallen. Die Augen fielen ihr zu, aber es war ihr egal. Es gab jetzt nur noch sie beide.

< Ich war tot, aber nun bin ich wieder zurückgekehrt. Mutter hatte Recht. Ich habe mich entschieden.>

Maris Lippen umspielte ein Lächeln.

"Ist alles mit dir in Ordnung, Mari?", fragte Jonos Stimme.

"Ja, ja, es ist gut.", erwiderte die Blondine.

Sie fühlte Jonos Arm, der sie stützte und seine Hand, die zärtlich über ihre Wange strich.

"Die anderen werden sich wahnsinnig freuen, dich zu sehen.", bemerkte er.

Die Blondine nickte und kuschelte sich tiefer in seinen Arm.

"Genau wie ich.", sagte sie leise.

< Dies ist der Weg, für den ich mich entschieden habe. Und so soll es sein!>, dachte sie lächelnd.
 

"Dieses Licht war wirklich unheimlich.", sagte Sapheri.

"Es war ein Zeichen der Götter.", gab Atemu zurück.

"Ich habe es gefühlt. Es war eine unglaubliche Macht, die von diesem Licht ausging.", stimmte Isis zu.

Marik neben ihr starrte immer noch wortlos auf den Himmel. Noch vor kurzer Zeit hatten sich wütende Wolkenberge im Osten geballt, doch nun war der Himmel wieder blau und freundlich.

"Die Götter sind herabgestiegen.", sagte Marik in die Stille.

"Ihr meint also, dass sie es geschafft haben?", fragte Sapheri hoffnungsvoll.

"Dessen bin ich mir sicher.", erklärte Marik mit einem Nicken.

"Worauf warten wir dann noch? Gehen wir auf den Hof!", sagte die Brünette und stürmte hinaus.

"Wollen wir?", fragte Teana und sah ihren Gemahl fragend an.

"Ja, gehen wir ihnen entgegen.", antwortete Atemu.

Dann schritten auch er, Teana und die beiden Priester aus dem Saal hinaus.

"Wo ist eigentlich Ryou?", wollte Isis wissen.

"Geflohen.", gab Atemu über die Schulter zurück.

"So ein Mist. Ich hätte ich gerne noch ein wenig zur Rede gestellt.", sagte Marik verärgert.

"Daran könnt Ihr jetzt auch nichts mehr ändern", mischte sich Teana ein, "wir sollten froh sein, dass er weg ist."

Die kleine Gruppe hatte den Torbogen erreicht. Sapheri stand bereits dort und sah sich um.

"Seht nur, die Wachen sind wieder zu sich gekommen!", bemerkte Marik.

"Also wurden ihre Seelen von den Schatten wieder freigegeben.", meinte Isis erleichtert.

Sie ergriff die Hand ihres Bruders und drückte diese kurz.

"Da vorne!", sagte Sapheri plötzlich aufgeregt.

Gerade kam ein Wagen durch das Tor gerollt. Die kleine Gruppe starrte dem Wagen erwartungsvoll entgegen. Er hielt genau vor der Treppe an und Tethys stand auf.

"Hallo!", rief er hoch und winkte.

Sapheri hob ebenfalls die Hand und hielt dann mitten in den Bewegung inne. Auf der Ladefläche bewegte sich etwas. Und es war nicht nur eine Person.

"Mari! Mari, du lebst! Mari!"

Mit lauten freudigen Schreien stürmte die Brünette die Stufen hinab. Jono half Mari gerade von der Ladefläche.

"Sapheri!", rief sie aus.

Schon hatte die Brünette das Ende der Stufen erreicht, hastete nach vorne und fiel Mari in die Arme.

"Da bist du ja, Mari! Du lebst! Ich wusste es! Ich wusste es!", schluchzte sie überglücklich.

Die Blondine schlang die Arme um ihre aufgelöste Freundin und streichelte ihr über den Kopf.

"Sch, weine nicht, es ist alles wieder gut.", flüsterte sie.

"Ich hatte solche Angst um dich!", sagte Sapheri mit erstickter Stimme.

"Ich bin ja wieder da. Lass uns zu den anderen gehen.", schlug die Blondine vor.

Sapheri löste sich von ihr und nickte strahlend. Dann lief sie zu Tethys und zog ihn mit sich die Treppen rauf.

"Gehen wir?", fragte Jono und trat neben sie.

Mari wandte den Kopf zur Seite und lächelte ihn an. Dann suchte sie seine Hand und ergriff sie.

"Ja.", erwiderte sie mit fester Stimme.

Dann gingen auch die beiden die Treppen hinauf, der Gruppe entgegen, die bereits oben auf sie wartete.

"Mari!", rief Teana glücklich.

Die Blondine wollte sich schon hinknien, um ihr und dem Pharao die gebührende Ehre zu erweisen, doch Teana zog sie einfach in ihre Arme und hielt sie fest.

"Wir waren in solcher Sorge um Euch.", sagte diese.

"Ich danke Euch, Euer Hoheit.", erwiderte Mari und legte die Arme sacht um Teana.

Dann ließ Teana von ihr ab und Marik trat vor, um die Blondine zu umarmen.

"Es sieht so aus, als könnten wir doch noch einmal miteinander tanzen.", stellte er fest.

"Ja, das denke ich auch."

Auch Isis schenkte der tot Geglaubten eine Umarmung, dann legte Jono den Arm um sie.

"Vielleicht sollten wir uns alle ein wenig ausruhen", schlug Atemu vor, "geht zurück in eure Gemächer. Der Tag war lang und anstrengend. Jeder von euch hat sich eine Pause verdient."

Sapheri hakte sich bei Tethys unter, als wolle sie zeigen, dass sie auf gar keinen Fall mehr bereit war, sich von ihm zu trennen. Mari warf ihr ein Lächeln zu und ihr Blick wanderte zu Jono. Doch der schien gar nichts dagegen einzuwenden zu haben. Er nickte mit dem Kopf Richtung Korridor.

"Na los, legen wir uns ein wenig hin.", meinte er.

"Ganz meine Meinung.", gab Tethys zurück.

Die vier Freunde verabschiedeten sich vom Rest der Gruppe und gingen den hohen Korridor entlang. Auf ihrem Weg trafen sie niemanden und waren auch froh darüber, dass sie keinem Rede und Antwort stehen mussten. Schließlich standen sie vor Tethys' und Jonos Zimmer.

"Wehe mir kommen nachher Beschwerden zu Ohren!", meinte Jono und hob den Zeigefinger.

"Keine Sorge, es wird nichts dergleichen passieren.", erwiderte seine Schwester.

"Komm jetzt! Lass die beiden in Ruhe!", wies ihn Mari an.

Sie öffnete die Türe und sah Jono abwartend an.

"Wir sehen uns, mein Freund.", meinte Tethys und verschwand in seinem Zimmer.

"Mach keine Dummheiten!", wandte Jono sich an seine Schwester, doch diese winkte nur ab und schloss die Tür hinter sich.

Mari verschwand in dem Zimmer und Jono schloss die Tür, nachdem er ebenfalls eingetreten war.
 


 

Tja, das war's auch schon wieder. War es gut, dass Mari jetzt wieder zurück ist, oder nicht?

Ich freue mich auf eure Kommis!
 

Bye, Hillary

Was die Zukunft bringt...

Hallo Leute,
 

ich bin *sniff* sehr traurig euch sagen zu müssen, dass dieses *sniff* Kapitel *in Taschentuch schneuzt* das letzte der Geschichte sein wird.

Der Bösewicht ist besiegt, das Liebespaar wieder glücklich vereint und... hm, da fehlt doch noch was...hm.. hm... *sich am Kopf kratzt*... oh ja! *Eingebung bekommen hat* - das BABY!
 

Wenn ihr wissen wollt, was mit Teanas und Atemus Nachwuchs ist... dann lest bis zum Ende! Und dort wartet wahrscheinlich noch eine Überraschung auf euch. Aber ich will nicht zu viel verraten. Viel Spaß!
 


 

Kapitel 27: Was die Zukunft bringt...
 

"Du solltest dich schlafen legen!", schlug der Blonde vor.

"Wie könnte ich in solch einem Augenblick an Schlaf denken?", entgegnete sie.

"Du siehst sehr müde aus. Ich denke, du solltest dich einfach mal hinlegen. Sicherlich wirst du schlafen können, auch wenn du das jetzt so vehement abstreitest!"

Jono kam auf die Blondine zu und legte ihr die Hände auf die Schulter.

"Tu mir den Gefallen, ja?", bat er.

Mari sah zu ihm hoch und musste lächeln.

"In Ordnung", erwiderte sie, "aber nur, wenn du dich auch hinlegst! Der Tag war für dich ebenso anstrengend wie für mich, wenn nicht sogar noch anstrengender!"

"Ja.", antwortete Jono und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

Die Blondine stand ganz still und schloss die Augen. Dann fühlte sie eine Berührung auf ihren Lippen. Wie aus einem Reflex heraus erwiderte sie den Druck. Dann schlang sie die Arme um den Nacken ihres Geliebten. Der Druck auf ihren Lippen wurde größer und Mari kam dieser Bitte nur zu gerne nach. Sie öffnete den Mund und ließ sich die Liebkosung seiner Zunge gefallen. Jonos Hände strichen an ihrem Rücken auf und ab. Schließlich lösten die beiden sich voneinander und sahen sich tief in die Augen.

"Und jetzt musst du schlafen!", bemerkte der Blonde.

Mari versuchte, das Gesicht zu einer Grimasse zu verziehen, doch sie wusste, dass Jono Recht hatte.

"Dann komm.", sagte sie leise und zog den Blonden hinter sich her.

Sie setzte sich auf das Bett und Jono deckte ihren Körper zu, nachdem sie sich hingelegt hatte.

"Ich brauche nicht mehr lange.", sagte er und strich ihr sanft über die Wange.

"In Ordnung.", erwiderte die Blondine.

Mit diesen Worten zog sie sich die Decke ein wenig höher über den Körper. Sie ging zwar nicht davon aus, dass sie schlafen konnte, aber sie wollte Jono den Gefallen tun. Sie hörte, wie er leise im Zimmer auf und ab ging. Offensichtlich räumte er gerade etwas weg. Während Mari seinen Schritten lauschte, merkte sie, wie ein komisches Prickeln in ihren Gliedern aufstieg. Sie gähnte kurz und schloss die Augen. Sie konnte ja warten, bis Jono fertig war und dann würden sie miteinander reden.
 

"Wir haben Glück gehabt.", bemerkte Atemu.

Teana stand neben ihm auf dem Balkon und nickte gedankenverloren.

"Für dieses Mal ja", erwiderte sie, "wir können nur hoffen, dass sich die Ereignisse des heutigen Tages nicht noch einmal wiederholen werden."

"Ich denke nicht, dass wir uns in naher Zukunft noch einmal damit befassen müssen.", entgegnete er.

Teanas Blick ruhte auf dem Garten unter ihnen.

"Ich bin glücklich, dass alles wieder gut ist.", sagte sie leise.

"Du solltest dich ein wenig hinlegen und dich von den Strapazen des Tages erholen.", schlug Atemu vor.

"Und was wirst du machen?", fragte die Braunhaarige.

"Ich werde durch den Palast gehen und nach den Mitgliedern sehen. Ich bin mir sicher, dass einige von ihnen eine Erklärung haben möchten."

"In Ordnung. Ich werde hier auf dich warten.", erklärte Teana.

"Ich brauche nicht lange.", sagte Atemu.

Dann drückte er Teana einen Kuss auf den Handrücken und sah ihr in die Augen. Sie lächelte ihn an und beobachtete, wie er den Raum verließ. Im selben Moment entfuhr ihr ein Stöhnen und sie musste sich auf dem Geländer aufstützen.

< Ich sollte mich wirklich hinlegen.>, dachte sie und ging langsam nach innen.
 

< Nanu, gerade war es doch noch hell!>

Mari blinzelte ein paar Mal und sah sich verwirrt um. Sie befand sich nicht in Sapheris Zimmer. Aber wo...?

"Du bist wach?", murmelte eine Stimme neben ihr.

Mari drehte den Kopf zur anderen Seite und sah in zwei braune Augen.

"Jono?"

"Wenn das noch mein Name ist.", erwiderte der Blonde lächelnd.

"Hab ich geschlafen?", fragte Mari.

"Wie ein kleines Kind. Tief und fest.", gab Jono ihr zur Antwort.

Maris Blick glitt zum Fenster. Von draußen strömte nur noch dämmriges Licht in den Raum, so dass Jono bereits das Feuer neben dem Bett angezündet hatte.

"Ist es schon Abend?", wollte die Blondine wissen.

Jono, der neben ihr lag, nickte und betrachtete die Blondine Gedanken versunken.

"Warum siehst du mich so an?", wollte diese wissen.

"Ich kann es nur noch nicht fassen, dass ich solch ein Glück habe, eine Frau wie dich zur Seite zu haben!"

Auf Maris Gesicht bildete sich ein Lächeln und sie rückte dichter an den Blonden heran.

"Ich bin diejenige, die sich glücklich schätzen kann.", flüsterte sie.

"Du hast dein Leben für mich riskiert.", wandte Jono ein.

"Das macht man so in einer Familie.", entgegnete Mari.

Jono zog einen Arm unter der Decke hervor und legte ihn um die Blondine.

"Von jetzt an werde ich dich immer beschützen.", wisperte er.

Mari nickte nur und atmete tief ein.

< Es war der richtige Weg.>, dachte sie zufrieden.

"Mari?"

"Hm?"

"Was war das eigentlich für ein Gefühl?"

"Tot zu sein?", fragte die Blondine.

Sie öffnete die Augen nicht und sah ihn auch nicht an, doch sie fühlte, dass Jono nickte.

"Warm.", sagte sie.

"Warm?", fragte der Blonde nach.

"Ja, eine angenehme Wärme, die dich von Kopf bis Fuß durchströmt."

"Und ich dachte immer, dass der Tod kalt ist.", murmelte Jono.

"Es kommt darauf an, mit welchen Gedanken du dich aus dem Leben verabschiedest.", sagte Mari.

"Die Art der Gedanken ist entscheidend?"

Die Blondine nickte. Kurze Zeit herrschte Stille, doch dann fragte Jono leise:

"Und was waren deine Gedanken?"

Es klang beinahe ängstlich. Mari rückte ein Stück zurück und hob den Blick. Sie richtete ihn genau auf die braunen Augen vor ihm, welche sie abwartend ansahen. Dann lächelte sie.

"Dass ich dich liebe.", erklärte sie leise.

Sie strich ihm mit einer zärtlichen Bewegung über die Wange.

"Ich wollte es dir auch sagen.", sagte Jono.

"Ich wusste es auch ohne, dass du es mir sagen musstest", antwortete Mari, "ich sah es in deinen Augen."

Plötzlich hörten die beiden von draußen ein lautes Gepolter. Maris Kopf fuhr herum.

"Was ist da los?", fragte sie.

Gleich darauf vernahmen sie aus dem Nebenzimmer eine hektische Stimme. Laute Schritte folgten, die sich der Türe näherten.

"Jono, Mari, seid ihr wach?"

Es war Sapheri, die stürmisch gegen die Tür klopfte.

"Was gibt es?", wollte Jono wissen.

"Es ist Ihre Hoheit. Sie hat nach uns verlangt.", erklärte die Brünette durch die Tür.

"Ich komme.", gab Mari zurück.

Mit einem Ruck hatte sie die Decke von ihrem Körper gerissen und war aus dem Bett gesprungen.

"Glaubst du, dass es etwas Ernstes ist?", fragte Jono.

Der Blonde war ebenfalls aufgestanden und zog sich seine Schuhe an.

"Ich weiß es nicht.", erwiderte Mari.

Sie schlüpfte in ihre Sandalen und lief dann zur Tür. Sie schob den Riegel zurück, den Jono offensichtlich vorgelegt hatte, um eventuelle Störungen zu vermeiden. Dann trat sie auf den Korridor. Die Nachbartür schwang auf und Sapheri kam heraus.

"Was ist passiert?", wollte Mari wissen.

"Ich weiß es nicht genau. Isis war gerade eben hier und sagte, dass wir sofort kommen müssen."

Die Brünette sah ebenso wie Mari noch ein wenig zersaust aus, als wäre auch sie gerade erst aus dem Bett geholt worden. Hinter Mari erschien nun Jono und er nickte seiner Schwester zu.

"Komm mit!", sagte Mari und nahm die Brünette an der Hand.

"Tethys und ich kommen nach!", rief Jono ihnen hinterher.

"Was glaubst du, was passiert ist?", fragte Sapheri die Blondine.

Die beiden jungen Frauen hasteten durch die Korridore.

"Ich weiß es nicht genau", antwortete die Gefragte, "aber ich habe da eine Vorahnung."

Dann liefen sie um die Ecke und standen vor der Tür des königlichen Gemachs. Zwei Wachmänner standen rechts und links an der Flügeltür postiert. Vor ihnen ging Isis auf und ab und war erleichtert, als sie die beiden Frauen erblickte.

"Da seid ihr ja! Schnell, kommt mit!", forderte sie.

Die Wachmänner traten beiseite und ließen die drei Frauen eintreten.

"Euer Hoheit, sie sind hier.", sagte Isis.

"Sehr gut.", erklang es leise aus dem Bett.

Mari und Sapheri gingen sofort zum Bett und knieten sich kurz nieder. Teana saß halb aufrecht in ihrem Bett. Ein dickes Kissen stützte ihren Rücken. Sie sah blass aus und müde.

"Was ist mit Euch, Euer Hoheit?", wollte Sapheri wissen.

"Ich... ah....ah...."

Teana presste sich die Hand auf den Bauch und verzog das Gesicht vor Schmerzen. Mari und Sapheri verstanden sofort.

"Das Baby."

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Atemu kam hereingestürmt.

"Was ist los?", fragte er besorgt.

"Das Baby ist auf dem Weg.", informierte Sapheri ihn.

Atemu bekam große Augen und ihm klappte der Mund auf und zu. Hinter ihm standen plötzlich Jono und Tethys.

"Ist das wahr?", mischte sich Tethys ein.

Erneut öffnete sich die Tür und Marik kam herein. Offensichtlich hatte man ihm auch Bescheid gesagt.

"Was soll denn diese Aufregung?", wollte er verblüfft wissen.

"Ok, das reicht, raus!", sagte Mari plötzlich laut.

"Wie bitte?", fragte Jono perplex.

"Es wird auch nicht besser davon, dass alle hier herumstehen! Raus! Wir brauchen Ruhe!", sagte Sapheri.

Gemeinsam mit Mari und Isis schob sie die Männer vor sich her zur Tür.

"Tut mir Leid, aber Ihr müsst auch draußen warten, mein Pharao!", erklärte Isis.

"In Ordnung.", gab Atemu zurück.

Dann schloss sich die Tür vor der Nase der Männer und sie hörten Sapheri, die laut sagte:

"Wir brauchen Handtücher, schnell!"

Die des Zimmers verwiesenen Männer sahen sich abwartend an.

"Wir sollten uns vielleicht hinsetzen.", schlug Marik vor.

"Das ist eine gute Idee.", stimmte Tethys ihm zu.
 

Es war bereits dunkel draußen. Tethys gähnte herzhaft und sein Blick glitt zu der immer noch verschlossenen Tür. Von drinnen waren hin und wieder Geräusche von Schalen zu hören. Und immer wieder gaben die Frauen sich gegenseitig Anweisungen. Atemu knetete nervös die Hände ineinander. In diesem Moment ertönte von innen plötzlich ein schmerzhafter Schrei. Sofort sprang Atemu auf und sein Blick glitt ängstlich zu der Tür.

"Ganz ruhig bleiben, Euer Hoheit", ertönte Maris Stimme, "Ihr müsst gleichmäßig atmen!"

"Oh Gott, es tut so weh!", war die gequälte Antwort.

"Ihr müsst pressen! Weiter so!", rief Isis dazwischen.

Atemu fuhr sich nervös durch die Haare und ging auf und ab.

"Macht Euch keine Sorgen, mein Pharao.", sagte Marik.

"Ich halte diese Warterei nicht mehr lange aus.", gab der zurück.

Jono stand plötzlich neben ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

"Sie wird es schaffen, Ihr werdet sehen. Die Frauen sind ja bei ihr."

Jonos Hand auf seiner Schulter zu fühlen, war beruhigend. Es zeigte Atemu, dass er nicht alleine war. Atemu sah ihn dankbar an und nickte. Genau in diesem Augenblick schrie Teana laut auf.

"Ihr habt es fast geschafft!", ertönte Sapheris Stimme.

Die Frauen ermunterten Teana mit lauten Worten.

"Noch ein bisschen! Pressen, pressen! Nicht aufhören!", schaltete sich Mari ein.

"Oh Gott, diese Schmerzen!", erklang Teanas Stimme

"Ja, ja, ja!!", rief Isis plötzlich.

Und dann ertönte ein weiterer Laut. Ein heller und durchdringender Schrei eines Babys. Wie von der Tarantel gestochen standen nun auch die anderen Männer auf den Beinen. Alle fixierten die Tür.

"Habt ihr das auch gehört?", fragte Tethys.

"Wir sind ja nicht taub.", erwiderte Marik.

Mittlerweile waren sie nicht minder aufgeregt als Atemu. Alle traten nervös von einem Bein auf das andere.

"Warum dauert das so lange?", fragte Jono.

Von drinnen waren immer noch leise Schluchzer zu hören. Offensichtlich funktionierten die Lungen des Neugeborenen einwandfrei. Die Männer vernahmen ein leises Geplätscher.

"Ich werde gleich wahnsinnig.", bemerkte Atemu und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

Einer der Türflügel schwang plötzlich auf und Mari erschien auf der Schwelle. Sie lächelte breit.

"Es ist ein Junge. Mutter und Kind sind wohlauf!", sagte sie und klang erschöpft.

Sofort lief Atemu an ihr vorbei und auch die anderen Männer folgten ihm. Innen fanden sie Teana in ihrem Bett vor. Sie saß aufrecht und lehnte mit dem Rücken in einem dicken Kissen. Auf dem Arm trug sie ihr in Decken gewickeltes neugeborenes Kind. Als die vielen Besucher eintraten, hob sie den Blick für einen Moment von dem Bündel in ihrem Arm. Ein Lächeln umspielte ihren Mund, als Atemu mit großen Augen auf sie zukam.

"Sieh nur, Atemu", sagte sie überglücklich, "ist er nicht wunderbar?"

Atemu ließ sich neben ihr nieder. Mit offenem Mund musterte er das Neugeborene.

"Er... er.... er ist..... ein Wunder!", stammelte er.

Er rückte näher zu Teana, die ihm das Baby hinhielt.

"Hier, nimm deinen Sohn!", sagte sie mit warmer Stimme.

Atemu schob ganz vorsichtig seine Arme unter das Bündel. Er behandelte es wie eine unschätzbar wertvolle Fracht, die zerbrechen konnte, wenn man sie falsch anfasste. Seine überglücklichen Augen waren auf das Baby fixiert. Dieses öffnete leicht die Augen und blinzelte in der Gegend umher. Leise Laute kamen über seine Lippen und seine Hände waren unablässig in Bewegung. Atemu fuhr sachte mit einem Finger über die Hand seines Sohnes. Dieser griff sofort zu und umklammerte den Finger. Atemus Augen leuchteten auf und das Lächeln auf seinem Gesicht wurde noch breiter. Teana beobachtete ihn, wie er seinen Sohn so liebevoll und stolz ansah.

"Er ist wunderbar.", flüsterte Atemu.

Jono und auch Tethys reckten den Hals. Atemu hielt das Neugeborene immer noch im Arm und beinahe schien es, als wolle er seinen Sohn gar nicht mehr hergeben.

"Was für ein Glück, dass Mutter und Kind beide wohlauf sind.", bemerkte Marik.

"Wir sollten ihnen jetzt ein wenig Ruhe gönnen.", schlug Sapheri vor.

Jono sah sich nach Mari um. Die Blondine wusch sich gerade in einer Schale die Hände. Dann tupfte sie diese mit einem Handtuch ab und stellte die Schale mit dem noch warmen Wasser auf einen Tisch. Sie legte eine Hand in ihren Nacken und schloss die Augen. Jono merkte, dass es auch für sie anstrengend gewesen war. Als sie die Augen wieder öffnete, begegnete sie dem Blick des Blonden. Er lächelte ihr aufmunternd zu und sie erwiderte es.

"Wir werden uns jetzt wieder zurückziehen.", sagte Marik.

"Wenn etwas sein sollte, müsst Ihr nur nach uns schicken.", erklärte Isis.

"Ich danke Euch, Isis, für Eure Hilfe.", antwortete Atemu.

Die Schwarzhaarige nickte, bevor sie noch kurz in die Runde sah. Dann folgte sie ihrem Bruder Marik aus dem Zimmer. Sicherlich wollten die beiden nun die Nachricht von der Geburt des nächsten Thronfolgers verkünden.

"Ich denke wir sollten dann auch besser gehen.", überlegte Sapheri.

"Sapheri, Mari, bitte kommt her!", bat Teana.

Die beiden Frauen kamen zu ihr und Teana drückte beide kurz an sich.

"Ich danke euch, ihr wart wunderbar! Ohne eure Hilfe hätte es nicht so gut geklappt.", erklärte die Braunhaarige.

"Das ist unsere Aufgabe, Euer Hoheit.", erklärte Mari mit einem Lächeln.

"Na kommt schon, gönnen wir den dreien ein wenig Ruhe!", warf Tethys ein.

Die vier Freunde verbeugten sich vor dem Herrscherpärchen und verließen dann gemeinsam den Raum.

"Und was nun?", fragte Sapheri.

Sie hakte sich bei Tethys unter und sah den Braunhaarigen fragend an.

"Wir werden jetzt eine Runde im Garten spazieren gehen.", legte Jono fest und nahm Mari an der Hand.

"Wie du meinst.", sagte die Blondine.

Dann zog Jono sie mit sich und das andere Pärchen sah ihnen hinterher.

"Ich freu mich schon auf die Hochzeit.", meinte Sapheri.

"Wer weiß, ob die beiden bereits soweit vorausgeplant haben.", gab Tethys zurück.

Die beiden lächelten sich an und gingen dann wieder auf ihr Zimmer zurück.
 

Mari schlenderte neben Jono her. Es war dunkel und die Sterne strahlten heller als je zuvor vom Himmel herab, als hätten sie gewusst, dass dies ein besonderer Tag war.

"Ich habe noch etwas einzulösen.", sagte der Blonde.

Er nestelte an seiner Jackentasche herum. Dann zog er etwas daraus hervor.

"Ich wollte es dir heute Morgen schon geben, aber du warst so schnell eingeschlafen. Und vorhin war die Zeit knapp."

Er legte etwas in Maris Handfläche. Es war die Kette mit dem lila Anhänger.

"Ich habe dir doch gesagt, dass ich unser Versprechen nicht vergesse. Ich halte, was ich sage."

"Ich weiß.", antwortete Mari mit einem Lächeln.

Dann hielt sie die Kette hoch. Der Anhänger baumelte in der Luft und drehte sich um die eigene Achse.

"Mari?"

"Ja?", fragte sie und ihr Blick glitt zu seinem Gesicht.

"Sag mal, willst.... willst... willst du eigentlich.... auch....Kinder?"

Mari blieb stehen und sah Jono an, der verlegen wirkte.

"Mari? Mari!"
 

"Ich kann nicht bleiben.", flüsterte Mari erneut.

"Für einen Weg musst du dich entscheiden.", sagte die warme Stimme.

"Wie kann ich einfach weitergehen, nachdem ich dies gesehen habe?", fragte Mari mit Tränen in den Augen.

"Es ist niemals leicht, das Schicksal zu akzeptieren.", entgegnete ihre Mutter.

Mari richtete den Blick wieder auf die Szene, die sich ihr hinter dem rechteckigen Spiegel bot. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Und das lila Schmuckstück glitzerte der Blondine entgegen. Eine kleine Hand hob sich plötzlich und winkte ihr zu.

"Es tut mir Leid, Mutter, aber wenn das meine Zukunft ist, so kann ich nicht bleiben."

"Ich verstehe dich", sagte die Frau mit warmer Stimme, "es gibt noch so viel, was dich an das Leben bindet."

"Verzeih mir, aber ich muss wieder zurück.", sagte Mari.

Sie wandte das Gesicht von dem Spiegel ab und sah ihre Mutter an.

"Das dort ist meine Zukunft. Die Zukunft von Jono und mir. Ich kann sie nicht einfach fortschmeißen. Ich will dieses Leben und bin bereit, alles dafür zu geben!"

"Nun gut", sagte ihre Mutter lächelnd, "ich verstehe deine Gefühle und respektiere deine Entscheidung. Werdet glücklich miteinander."

Mari nickte und streckte die Hand aus. Sie fühlte wieder eine angenehme Wärme in ihrem Körper aufkommen, als sie plötzlich zu schweben begann. Grünliches Licht umhüllte sie. Auf ihrem Gesicht stand ein Lächeln.

"Wir werden uns wieder sehen!", rief sie ihrer Mutter zu.
 

"Mari?"

Die Blondine erwachte aus ihrer Trance und sah Jono verwirrt an.

"Ist alles ok?", wollte er wissen.

Sie nickte und lächelte dann. Die Kette glänzte im Abendlicht. Sie umschloss den Anhänger fest mit der Linken. Dann glitt ihre andere Hand zu ihrem Bauch und sie schloss die Augen. Auch wenn sie es nicht sehen konnte, es war da! Sie hatte es mit ihren eigenen Augen gesehen. Ihre gemeinsame Zukunft, das Zeugnis ihrer Liebe. Es wuchs bereits in ihr.

"Du fragtest mich doch gerade, ob ich Kinder will", sagte sie und ein Lächeln umspielte ihre Lippen, "ja, ich will Kinder! Nichts auf der Welt wäre für mich schöner, Jono, als ein Kind von dir zu haben!"

Der Blonde sah sie kurz erstaunt an, dann lächelte er und trat auf sie zu. Mari blickte zu ihm auf. Das war der Mann, mit dem sie alt werden wollte. Sie wusste es genau, als er seine Lippen auf ihre legte und sie leidenschaftlich küsste. Das war der Weg, der ihnen bestimmt war. Ihre Zukunft.... ihr Schicksal... ihre Liebe...
 


 

Jaaaa, das war es auch schon. Ich hoffe, dass es euch gefallen hat (so wie auch die anderen Kapitel) und dass ich euch irgendwann zu einer anderen Story wieder begrüßen darf (meine Güte, was bin ich förmlich heute).
 

Ich arbeite nämlich an einem Konzept für eine neue YGO-Story, die, nach meinen bisherigen Einschätzungen, ein ähnliches Mammutausmaß annehmen wird. Allerdings bin ich dort noch nicht wirklich weit. Es konnte also durchaus noch einen Monat dauern, bis das erste Kapitel davon online sein wird. Natürlich hoffe ich, dass ihr alle so viel Wartezeit investieren könnt, denn es wird wahrscheinlich auch wieder auf dieselben Pärchen hinauslaufen.
 

Und zum Schluß möchte ich allen Lesern danken, die mir für diese Story jemals einen Kommi hinterlassen haben.
 

Ein dickes Dankeschön an:
 

Catan

Cleris

Yunamaus

Heavenangel

chickenball

Kurin

Kuschel-Kaiba

Elbe-Kaze

lene33

keera-chan

yoru_chan

nami110

Prinzessin

Sakura-Kira

Stoffkueken

sweety-nayami

Tamari

TeaGardnerChan

Miwako-chan

YamiYamira

Ph_Atemu

babybell

sunny-babe

Nanashi

tea_kitty

Meaghan1

Marey

nah-lin

Zorra_90

Caerdin

Zefi-chan
 

Sollte ich jemanden vergessen haben, so tut es mir aufrichtig leid, aber bei so vielen Lesern kann man manchmal etwas den Überblick verlieren.
 

Auf ein baldiges Wiederlesen,
 

Hillary



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Von: abgemeldet
2008-02-09T18:02:32+00:00 09.02.2008 19:02
Sicher schon lange her, dass du dein letztes Kommi für diese FF bekommen hast, aber ich hab sie neulich gelesen und fand sie toll. Möglicherweise wirst du dieses Kommi niemals lesen, ich zumindest schau auf meine altern FFs nicht mehr, aber für den Fall, dass doch:

Die Handlung war toll. Es war eine schöne Idee, dass auch Mai im alten Ägypten ist (ich mag sie). Vom Schreibstil her fand ich es auch sehr gut, fast keine Fehler, nur ab und zu ein Tippfehler, mehr aber nicht. Es waren vielleicht ein bisschen zu viele Absätze, was mich persönlich gestört hat, aber das ist Geschmackssache. Es wurde auch nie langweilig und zach zum lesen, was eindeutig nicht jeder so schreiben kann.
Insgesamt würde ich (wenn es hier Noten gäbe) eine 1 geben. Aber da es da snicht gibt gebe ich dir eine symbolische und sage:
Super gemacht.

LG
Von: abgemeldet
2008-02-09T18:02:08+00:00 09.02.2008 19:02
Sicher schon lange her, dass du dein letztes Kommi für diese FF bekommen hast, aber ich hab sie neulich gelesen und fand sie toll. Möglicherweise wirst du dieses Kommi niemals lesen, ich zumindest schau auf meine altern FFs nicht mehr, aber für den Fall, dass doch:

Die Handlung war toll. Es war eine schöne Idee, dass auch Mai im alten Ägypten ist (ich mag sie). Vom Schreibstil her fand ich es auch sehr gut, fast keine Fehler, nur ab und zu ein Tippfehler, mehr aber nicht. Es waren vielleicht ein bisschen zu viele Absätze, was mich persönlich gestört hat, aber das ist Geschmackssache. Es wurde auch nie langweilig und zach zum lesen, was eindeutig nicht jeder so schreiben kann.
Insgesamt würde ich (wenn es hier Noten gäbe) eine 1 geben. Aber da es da snicht gibt gebe ich dir eine symbolische und sage:
Super gemacht.

LG
Von: abgemeldet
2007-08-29T13:03:19+00:00 29.08.2007 15:03
Tolle Story ;-) Mach weiter so :-)
Von:  Jien
2007-05-16T20:30:03+00:00 16.05.2007 22:30
Uffza, jetzt, nach so langer zeit wollte ich doch weningstens noch gesagt hjaben, wie sehr ich diese Geschichte geliebt habe^^v
Ganz toll gemacht!
Von:  Naggy
2006-09-08T21:27:31+00:00 08.09.2006 23:27
tolles kapitel total aufregend ^.°
Von:  Naggy
2006-09-08T21:19:18+00:00 08.09.2006 23:19
ich kann net mehr aufhören zu lesen..
du schreibst echt klasse, schreib auf jeden fall weiter ^.°
Von:  Naggy
2006-09-08T20:46:15+00:00 08.09.2006 22:46
coooooooooooooooooool
heut bin ich richtig neugierig auf deine ff-s XD
*lol*
Von:  Naggy
2006-09-08T20:31:54+00:00 08.09.2006 22:31
Du wirst immer besser
*lol*
Von:  Naggy
2006-09-08T20:17:45+00:00 08.09.2006 22:17
cool,
du schreibst richtig gut ^.°
Von:  Naggy
2006-09-08T20:02:18+00:00 08.09.2006 22:02
echt guter stil
du schreibst richtig gut
voll begeistert
*daumen hoch*


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