Zum Inhalt der Seite

Anime Evolution

Erste Staffel
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Magische Youma Slayer

Prolog:

„Jetzt haben wir dich, Elektrotechniker-Youma. Gib auf. Du hast keine Chance mehr!“, rief das rothaarige Mädchen mit dem blauen Rock. Ihre energische Stimme hallte durch die Nacht.

„Vielleicht nicht gerade überhaupt keine Chance, aber doch nur sehr wenige“, kommentierte das blonde Mädchen mit dem schwarzen Rock.

Die Rothaarige wirbelte herum. „Musst du ihm auch noch Mut machen, Black Slayer? Wir hatten ihn gerade so schön in die Ecke gedrängt!“

Das blonde Mädchen hielt die Zeigefinger aneinander und murmelte: „Tschuldigung.“

„Wo waren wir? Ach ja. Youma, ich werde dir nie verzeihen, dass du diesen harmlosen, hart arbeitenden Elektrotechniker übernommen hast. Auch wenn er meistens schwarz arbeitet, ist das kein Grund, ihn zum Werkzeug deiner finsteren Wünsche zu machen!“ Das Mädchen mit den roten Haaren gestikulierte mit den Fingern. „Ich bin Blue Youma Slayer, und im Namen des Guten vernichte ich dich!“

Die Gestalt um die es ging war ein Mann, der doppelt so groß war wie es normal gewesen wäre. Seine Haut hatte sich dunkelblau verfärbt und seine Augen waren in ein irre leuchtendes rot getaucht. Er trug in beiden Händen abgerissene Stränge von elektrischen Leitungen, die früher einmal Waffen gewesen sein mochten. Seine ebenfalls blauen Haare waren jedenfalls von einem langen Kampf ziemlich in Unordnung geraten.

Die Rothaarige gestikuliert erneut und vor ihr entstand ein länglicher Metallstab mit einem Juwel an der Spitze. Sie umtanzte den Stab, ließ ihn um sich herum kreisen.

Was sie für den nächsten Angriff des Besessenen nicht wirklich vorbereitete.

Die linke Faust des Youmas krachte neben ihr in den Boden, sie konnte nur mit Mühe ausweichen.

„Ich habe dir gleich gesagt, du brauchst zu lange, um das Szepter der Energie zu aktivieren, Blue Slayer. Nie hörst du auf mich“, beschwerte sich die mit dem schwarzen Rock.

Die Rothaarige rieb sich den schmerzenden Hintern, den sie sich nach einer mehr als harten Landung zugezogen hatte.
 

Dies war der Moment, in dem ich eingriff. Wütend trat ich auf die Veranda hinaus und rief: „WAS MACHT IHR IN MEINEM GARTEN?“

Die beiden Mädchen starrten mich erstaunt an und auch der Youma, der die Gelegenheit nutzen wollte, um sich die Rothaarige zu greifen, erstarrte.

„Oh. Akira-san!“, rief die Rothaarige erschrocken. „Ich… Das heißt, wir… Ich meine, das ist ein Youma.“

„Das sehe ich!“, blaffte ich gereizt und trat in den Garten hinaus.

„Yaaaaaa! Er trägt einen Yukata!“, rief die Blonde aufgeregt. „Warum habe ich keine Kamera dabei?“

Ich ignorierte diesen Begeisterungsausbruch. „Könnt Ihr nicht woanders spielen gehen?“

„Aber wir sind die Youma Slayer, wir…“, begann die Rothaarige. Als sie aber meinen festen Blick sah, verbeugte sie sich. „Verzeihung, Akira-san.“ Die Blonde fiel ein und verbeugte sich ebenfalls und auch der Youma tat es ihnen nach. Bis er sich für dieses Benehmen reichlich dumm vorkam und mit dem weitermachte, was er gerade vorgehabt hatte.

Ich lief aus dem Stand los und stoppte die Hand, die nach Blue Slayer greifen wollte, mit dem Futteral des Katanas, welches ich mit hinaus genommen hatte. „Wenn hier einer in meinem Garten Gewalt anwendet, dann bin ich das!“, blaffte ich den Youma an.

„Oh, Akira-san, du hast mich gerettet“, sagte die Rothaarige mit schmachtendem Blick.

Ich sah sie mir genauer an. „Kennen wir uns?“

Erschrocken sah sie zu mir hoch. „Nein. Nein, ganz bestimmt nicht. Wir gehen auch nicht auf die gleiche Schule, oder so.“

Der Youma drückte gegen meinen Block, aber ich will es nicht verhehlen, ich hatte ebenfalls einiges an Kraft aufzubieten. Das Trainingsprogramm, welches ich absolvierte, um ein vollwertiger Hawk-Pilot zu bleiben tat da sicher seinen Teil.

Mit der Rechten zog ich das Katana hervor. „Du willst spielen? Von mir aus.“

„Ahh! Nicht, Akira-kun!“, rief die Blonde. „Das ist ein Mensch! Er ist nur von einem Youma besessen!“

„So?“, erwiderte ich und zog das Schwert in einer schnellen Bewegung über den Leib des Besessenen. Einige Sekunden geschah nichts. Als dann aber seine Hose rutschte, erschrak der Riese und wandte sich entsetzt ab.

„Sieht tatsächlich so aus. Menschliches Schamgefühl hat er jedenfalls“, bemerkte ich amüsiert. „Also, wenn ich ihm nichts tun soll, behalten will ich ihn auch nicht. Na?“

Die Rothaarige starrte mich an. „Oh. Oh! OH! Ja, natürlich!“

Sie griff zu ihrem Szepter und vollführte wieder diese merkwürdigen Bewegungen.

„Müssen die sein?“, bemerkte ich bissig. „Die hätten dich eben fast das Leben gekostet, Blue Slayer.“

„Sag mir nicht, was sein muß und was nicht“, zischte sie während einer Pirouette.

Vom Stab ging ein Lichtschauer aus, der den Youma regelrecht zu perforieren schien. Übrig blieb der Mensch, der kraftlos zu Boden sank, sowie ein violetter Schemen, der entsetzt aufschrie und sich dann aufmachte, um in der Dunkelheit zu entkommen.
 

Dies war eine Sekunde, bevor ihn ein Lichtschimmer traf.

Das violette Schemen verging unter fürchterlichem Geschrei. Direkt vor meine Füße fiel ein Pfeil, an dem ein Spruchband befestigt worden war. Um genauer zu sein, ein Bannspruch.

Ich wandte mich um und sah Yoshi in der Tür zum Haus stehen. Er hielt in der Linken einen Bogen und nickte schwer. „Was ich anvisiere, treffe ich auch.“

„Mann, Yoshi, wo warst du die ganze Zeit?“, beschwerte ich mich.

Wütend blaffte er zurück: „Ich habe eben nicht so einen leichten Schlaf wie du! Und den Bannspruch musste ich auch erst noch schreiben, von Pfeil und Bogen mal ganz abgesehen! Also meckere nicht, ja?“

Die Blonde legte ihre Hände ans Gesicht. „Waaah. Yoshi-san und Akira-san wohnen zusammen unter einem Dach!“

Die Rothaarige wurde richtig rot. „Wie jetzt? Wieso? Warum?“

„Was tut das zur Sache? Und überhaupt, was seid Ihr immer noch da? Nehmt den da und verschwindet endlich“, rief ich weit barscher, als ich beabsichtigt hatte.

„Ja, natürlich“, erwiderte Blue Slayer und sah zu dem Menschen herüber, dem der Youma ausgetrieben worden war.

Von meiner Warte aus war die Angelegenheit beendet, und ich ging wieder ins Haus zurück.

„Akira-san!“

Ich wandte mich wieder um. „Was?“

Blue Slayer verbeugte sich tief aus der Hüfte. „Haben Sie vielen herzlichen Dank dafür, dass Sie mein Leben gerettet haben.“

Einigermaßen besänftigt nickte ich und schob das Katana wieder zurück. „Es war zumindest keine unnütze Anstrengung“, kommentierte ich und setzte meinen Weg fort.

Die beiden Mädchen sahen mir einen Moment nach, dann hüpften sie zum ehemals besessenen Menschen, schlüpften je unter eine Schulter und sprangen dann davon.
 

„Kommst du oder willst du hier bleiben?“, fragte ich leise.

Yoshi starrte erst seinen Bogen, dann mich an. „Ich kann Bannsprüche schreiben. Ich kann Bogenschießen. Ich könnte einen Kronkorken auf zweihundert Meter treffen. Wow. Wow.“

„Und ich steuere einen Hawk gegen außerirdische Mechas. Und? Dies ist eine Anime…“

„Was war denn?“, fragte Megumi verschlafen. Sie rieb sich die Augen und blinzelte uns müde an.

Ich winkte ab. „Schon gut. Die Magischen Youma Slayer haben in unserem Garten nur einen Youma vernichtet. Wir haben ihnen dabei etwas geholfen.“

„Ich habe einen Bannspruch geschrieben“, berichtete Yoshi stolz. „Und mit nur einem Pfeil die Essenz des Youmas vernichtet.“

„So? Ist er zerstört oder muß ich meinen Hawk anfordern?“, murmelte sie mehr schlafend als wach.

„Nein, nein, alles in Ordnung und der besessene Mensch scheint wohlauf zu sein“, beruhigte ich sie. „Und jetzt geh wieder schlafen, bevor du dich erkältest in diesem… Diesem…“

Ich schluckte hart. Das T-Shirt, welches Megumi zum schlafen angelegt hatte, besaß einen interessanten Nachteil. Es war nicht lang genug.

„So? Dann gehe ich wieder ins Bett.“ Sie gähnte herzhaft und streckte sich.

Dabei wurde ihr Shirt angehoben und ihr weißer Slip blitzte.

Yoshi bekam Nasenbluten. Ich spürte, wie ich rot wurde und drehte mich gerade weit genug weg, um einerseits respektvoll zu sein und andererseits den Ausblick nicht zu verpassen.

Megumi schmatzte zufrieden und drehte sich um. „Morgen trage ich dann einen roten“, murmelte sie.

„Einen roten?“, fragte ich verständnislos.

Sie wandte sich noch einmal kurz um und lächelte beinahe wach zu uns herüber. „Worauf habt Ihr beide mir denn gerade gestarrt, hm?“

Entsetzt sah ich ihr hinterher, bis sie verschwunden war. „Sie hat gelächelt. Richtig gelächelt. Nicht zynisch, nicht halbherzig, richtig gelächelt!“

Yoshi polsterte seine Nase mit abgerissenen Papiertaschentuchfetzen aus. „Dnas lniegt daran, dnas sie fnast noch geschnlafen hat. Dna snind ihre Abwehrmnaßnahmen alle unten.“

„Das kann sein“, erwiderte ich schmunzelnd. Ich ergriff das Katana fester. „Gehen wir auch wieder schlafen, Yoshi. Morgen haben wir viel zu tun.“

„Dnu mneinst dnie Schnule?“

Ich dachte kurz an meinen letzten, eigentlich ersten Einsatz in einem Hawk zurück, der mir eine Außerirdische als Mitbewohnerin beschert hatte. „Nicht nur. Wirklich, nicht nur…“
 

1.

Als wir uns auf dem Weg zur Schule machten, nahm mich Megumi kurz beiseite. Wir ließen uns hinter Yoshi und Lonne, die als amerikanische Austauschschülerin auftrat, zurück fallen.

„Hör mal, Akira. Deine Idee, Lonne nicht den Streitkräften auszuliefern in allen Ehren. Aber war es wirklich eine so gute Idee, Yoshi zu fragen, ob er mit einzieht?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Hm. Ich halte es immer noch für eine sehr gute Idee.“

Von ihrer ruhigen, fast unbewegten Art war gerade nicht viel zu merken. Megumi starrte mich an als wäre ich der Youma von letzter Nacht. „Lass mich mal zusammenfassen. Du hast eine feindliche Pilotin bei dir Zuhause aufgenommen, nach der sämtliche Geheimdienste der Welt gerade fahnden. Du hast mich da mit rein gezogen, weil ich sie für dich geschmuggelt habe. Und du weißt noch überhaupt nicht, ob Lonne wirklich so harmlos ist, wie sie scheint. Vor allem nicht, nachdem sie einen Daishi-Prototyp gesteuert hat. Und in dieser Situation lädst du einen Freund ein, bei dir zu wohnen und treibst die Entdeckungsgefahr in die Höhe?“

Ich sah zu, wie sich Lonne und Yoshi unterhielten. Der Gestik des Freundes nach führte er gerade vor, wie er den Bogen abgeschossen hatte, den er in der Nacht für den Bannspruch benutzt hatte. „Beruhige dich, er wird schon nichts herausfinden.“

Megumi entspannte sich leicht.

„Ich habe es ihm längst erzählt.“

Megumi ergriff mich an meiner Jacke und zog mich auf ihre Augenhöhe herunter. „DU HAST WAS?“

„Äh… Ihm alles erzählt?“

Eine dicke Zornesader pochte auf ihrer Stirn. Nun, ich konnte ihr schlecht erzählen, dass sie nur Teil einer Animewelt war, die ich durch einen unbedachten Wunsch erschaffen hatte und das Yoshi in Wirklichkeit mein Freund und Kumpel Ralf war, der versehentlich in diese Welt hineingezogen wurde. Das hätte für sie nicht viel gezählt. „Okay“, sagte sie mühsam beherrscht. „Nenn mir einen Grund, warum du glaubst, dass er uns nicht verraten und damit richtig tief in die Scheiße reiten wird.“

Ich grinste zu ihr herab. „Einer?“

„Einer reicht, aber er muß gut sein.“

„Wie wäre es damit? Wenn er uns hätte verraten wollen, dann hätte er es längst getan, oder?“

Verblüfft ließ Megumi meinen Kragen los. „Ich behalte ihn dennoch im Auge“, brummte sie, wandte sich ab und ging weiter.

Ich verdrehte die Augen in komischer Verzweiflung. Das war gerade noch gut gegangen.
 

„Morgen, Otomo-kohai“, erklang eine müde Stimme hinter mir.

Ich wandte mich um und erkannte Akane.

„Akane-sempai, guten Morgen.“ Respektvoll blieb ich stehen und wartete, bis sie aufgeschlossen hatte.

Auch Megumi wartete auf die Stellvertretende Vorsitzende der Schülervertretung.

„Uno-kohai“, begrüßte Akane die Mecha-Pilotin leise. „Wie ich höre, hattest du neulich großen Erfolg mit deinem Hawk.“

„Sempai. Wie man es nimmt. Man sagt, eine Armee verliert, wenn sie nicht gewinnt. Doch wir gewinnen, solange wir nicht verlieren.“

„Das Credo der Guerilla“, kommentierte Akane Kurosawa und nickte. „Ein Sieg der Invasoren, und dies wird eine neue Kolonie der Kronosianer.“

Akane sah mich von der Seite an. Unwillkürlich lüftete ich meinen Mandarin-Kragen, der mir eng zu werden drohte. Ein Gefühl der Gefahr beschlich mich.

„Uno-kohai, ich weiß, dass deine Arbeit sehr wichtig ist und ich bin bereit darauf Rücksicht zu nehmen, dass sich die Kronosianer nicht an die Schulzeiten halten.“

Megumi nickte zur Antwort.

„Aber erkläre mir bitte, warum die Schulleitung die Anweisung bekommen hat, dass Otomo-kohai in Zukunft jederzeit auf seinen eigenen Wunsch freigestellt werden soll – auch nachträglich!“ Die beiden tauschten einen Blick aus, der mich froh machte, nicht dazwischen zu stehen. Wahrscheinlich hätte mich ein elektrischer Schlag getroffen.

„Wenn du es nicht weißt, Sempai“, erwiderte Megumi, „dann habe ich keine Berechtigung, es dir zu erzählen.“

„So, so.“ Akane wirkte nicht verärgert, aber ihre Augen sprachen eine andere Sprache. Wieder tauschten sie die wilden Blicke aus und unwillkürlich folgte ich den beiden mit einem halben Schritt Abstand.

Plötzlich ergriff Akane meinen rechten Arm und zog mich zu sich heran. „Es gibt einen offiziellen Befehl, der dir verbietet, an unserer Schule neue Mecha-Piloten zu werben, richtig, Uno-kohai?“

Nun griff auch Megumi zu und umschloss meinen linken Arm. „Das ist richtig, Akane-sempai.“

Wieder tauschten die beiden diese scharfen Blicke aus. Irrte ich mich, oder drohte der Himmel wirklich dunkel zuzuziehen?

„Aber so wie ich das sehe, hast du jemanden geworben.“ Ihr Griff um meinen rechten Arm wurde fester.

„Nur weil Akira die gleiche Freistellung bekommt, die ich habe, heißt es noch nicht, dass ich ihn geworben habe.“ Auch ihr Griff wurde fester. Und sie hatte die Diskussion – soweit man dies eine Diskussion nennen konnte – auf den Punkt gebracht.

Unwillkürlich musste ich an die Bibel und Salomons Urteil denken, als sich zwei Frauen um ein Baby stritten. Irgendwie hatte ich die Befürchtung, dass Salomons Weisheit an den zweien hier verschwendet gewesen wäre. Keine von ihnen hätte mich für solch ein Urteil losgelassen.

„Das heißt aber nicht, dass Akira nicht seit neuestem in einen Hawk steigt, oder?“, griff Akane an.

Megumis Mund zierte eine spöttische Miene. „Nein, das heißt es wahrlich nicht.“

Wieder tauschten die zwei wütende Blicke aus, und durch die zunehmende Dunkelheit konnte ich gut erkennen, dass zwischen den Augen der beiden tatsächlich eine Art Funkenflug stattfand, der genau vor mir wie eine Wunderkerze strahlte.

„Vielleicht sollten wir uns alle beruhigen“, warf ich ein, „und uns darauf konzentrieren, zur Schule zu kommen. Nicht, dass ausgerechnet Akane-sempai zu spät kommt.“

Die letzte Bemerkung schien tatsächlich zu ihr durchgedrungen zu sein.

Akane Kurosawa brach den Blickkontakt ab und lockerte den Griff um meinen Arm etwas. „Das ist richtig, Otomo-kohai.“ Sie entspannte sich merklich und auch Megumis Griff um meinen linken Arm ließ etwas nach.

Der Himmel klarte bereits wieder auf und der Funkenregen versiegte.
 

Übergangslos wurde es wieder stockfinster. Erneut tauschten die zwei diesen Blick aus. Der Funkenregen war schlimmer als zuvor. „Aber sollte ich herausfinden, dass jemand an unserer Schule trotz Verbot geworben hat, sorge ich dafür, dass die Werbungen rückgängig gemacht werden und dieser Jemand die Schule verlässt!“, sagte Akane mit fester Stimme.

Ein amüsierter Blick huschte über Megumis Gesicht. „Es steht dir frei, dies zu versuchen, Akane-sempai.“

Hinter uns zuckte ein Blitz zu Boden, kurz darauf grollte lauter Donner. Das war es dann wohl mit dem schönen Tag.

Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. Wie konnte ich aus dieser Situation wieder heraus kommen?
 

„Akira!“, klang hinter mir eine weitere Stimme auf. Erleichtert stellte ich fest, dass es keine Mädchenstimme war. Ich hatte auch keinen Arm mehr, an den sie sich hätte anhängen können, und die Beine wären doch etwas gewagt gewesen.

Eine kleine Hand klopfte sehr hart auf meinen Rücken. Ich sah nach hinten und erkannte Kei Takahara.

Der kleinere Junge grinste in die Runde und schob mich langsam aus der Mitte der beiden Frauen heraus. „Guten Morgen, allerseits. Wenn Ihr nichts dagegen habt, entführe ich euch Akira für ein paar Minuten. Geschäftliches, Geschäftliches.“

Die beiden Frauen ließen überrascht meine Arme los, und ich konnte mir mit Kei schnell einen beachtlichen Vorsprung aufbauen, der uns knapp hinter Lonne und Yoshi brachte.

„Das war knapp“, sagte ich erleichtert und klopfte nun meinerseits dem Einserschüler kräftig auf die Schulter. „Du hast mir das Leben gerettet, Kei.“

Als Antwort erntete ich einen bösen Blick. Ich hielt erschrocken an. Erneut stand mir kalter Schweiß auf der Stirn.

„A…KIIIIIRAAAAA! Bist du des Wahnsinns?“, fauchte der Computerfreak aufgebracht. „Du bist zwar einer der beliebtesten Jungen an unserer Schule und die Schüler würden dir sehr viel durchgehen lassen. Aber musst du gleich drei Frauen in Beschlag nehmen?

Akane gilt als heimliche Prinzessin der Schule, das muss ich dir ja wohl nicht erst erklären. Sie kriegt am Tag mehr Liebesbriefe als ich schreiben könnte. Sie ist so populär, dass man sicher schon in diesem Moment in der Schule weiß, dass du mit ihr zusammen zur Schule gegangen bist. Wahrscheinlich werden gerade die ersten Voodoo-Puppen mit deinem Namen mit Nadeln gespickt.

Megumis stille und abweisende Art macht sie fast genauso beliebt, einmal ganz davon abgesehen, dass sie eines der hübschesten Mädchen der Schule ist. Himmel, sogar die Jungs der oberen Jahrgänge sind hinter ihr her, aber sie hat bisher jeden abblitzen lassen.

Nicht zuletzt ihr Flair als draufgängerische Offizierin der Mecha-Streitkräfte macht sie so populär, dass sie in direkter Konkurrenz zu Akane steht.

Und du gehst mit diesem Eisblock am Arm zur Schule. Ein eindeutigeres Zeichen an ihre anderen Verehrer kannst du wohl kaum geben.

Und dann ist da noch Lilian, die neue Austauschschülerin, die bei dir Zuhause untergekommen ist. Wenn ich mal davon absehe, dass niemand vorher von einem Austausch wusste und dass Lilian an ihrem ersten Schultag von nichts eine Ahnung hatte, aber erschreckend schnell aufgeholt hat, muss ich ehrlich sagen: Bist du wahnsinnig? Lilian gilt als der aufstrebende Star der Schönheit an der Schule, ihr naives Lächeln, ihre Freundlichkeit, ihr langes, weißes Haar, all das macht die Männer – und zugegeben, auch einige Mädchen – richtig verrückt. Sie wohnt bei dir, verdammt. Damit hast du drei Mädchen. Aber nicht irgendwelche Mädchen, sondern die beliebtesten Mädchen aus zwei Jahrgängen. Und eine schläft unter deinem Dach!“ Vorwurfsvoll sah er mich an. „Hat dein Auge gezuckt, als ich gesagt habe, dass eine unter deinem Dach schläft?“

Ich hob abwehrend die Hände. „Äh…“

Blankes Entsetzen glitt über Keis Gesicht. „Wer ist es? Megumi? Oder Akane?“

„Äh…“ Der Blick Keis bekam etwas Dämonisches. Mir war, als würde der Himmel erneut zuziehen und eine unheimliche Energieaura enthüllen, die sich nach und nach um Kei aufbaute. Überschlagblitze zuckten und sprangen zu mir herüber. „Es ist Megumi“, stellte er leise mit einer unheimlichen Sicherheit fest.

„Ihr Appartement wurde zerstört, als Blue Lightning abgestürzt ist“, versuchte ich hastig zu erklären, „da habe ich ihr halt Unterkunft angeboten.“

Von einem Moment zum anderen versiegte die Aura des Freundes. Stattdessen entwickelte er eine Niedergeschlagenheit, eine neue Aura der abgrundlosen Trauer. „Zwei? Zwei schlafen bei dir? Essen mit dir? Lernen mit dir? G… G… G…“

Kei wurde knallrot bei seinem letzten Gedanken.

„Oh“, erwiderte ich und lachte laut, einen Arm hinter dem Kopf verschränkt. „So ist es ja nun nicht. Yoshi ist auch bei mir eingezogen, solange die beiden da sind.“

Kei griff sich an sein Herz. Er starrte zu mir hoch, als hätte ich es ihm gerade in zwei Hälften gehackt. Langsam wandte er sich um und schlurfte traurig davon. „So ist das also. Yoshi gibst du diese unglaubliche Chance. Aber deinen alten Freund Kei, den lässt du außen vor. Du wolltest mir nicht mal was sagen…“

Peinlich berührt folgte ich ihm. „Hör mal, Kumpel, es dürfte etwas viel werden, wenn du auch noch bei mir einziehst. Ich meine, Platz wäre ja da, aber…“

Übergangslos strahlte mich der Computerfreak an. Hatte ich etwas verhängnisvoll Falsches gesagt?

„Wirklich? Du hast noch Platz? Super! Na, dann frage ich doch meine Eltern, ob ich ein paar Wochen bei dir wohnen darf. Keine Angst, ich beteilige mich selbstverständlich an allen anfallenden Arbeiten!“ Er ergriff meine Rechte und schüttelte sie. „Danke. Danke. Du bist ein wahrer Freund.“

Ich schluckte hart. Na, DAS war ja tüchtig daneben gegangen.

Fröhlich pfeifend setzte Kei den Schulweg neben mir fort.

Okay, das hatte ich vermasselt. Aber vielleicht konnte ich noch etwas retten. „Hör mal, Kei, okay, du kannst bei mir einziehen. Aber ich bitte dich, den anderen nichts zu sagen. Freunde hin, Freunde her.“

Kei sah mich an. Ein seltsamer Glanz trat in seine Augen. Für einen Moment wirkte er… Cool. „Glaubst du wirklich, ich will noch mehr Konkurrenz bei Megumi-chan und Lilian-chan haben, Akira?“

Der kurze Moment verging und wir setzten unseren Weg fort. Junge, Junge, der Bengel hatte es aber faustdick hinter den Ohren.
 

2.

Die erste Unterrichtsstunde hatten wir bei Ino-Sensei, was natürlich gerade für Yoshi ein Grund war, die Augen auf Dauerglanz zu schalten.

Dass er noch vor wenigen Tagen eifersüchtig bei mir eingezogen war, weil Megumi und Lonne unter meinem Dach lebten, interessierte ihn im Moment herzlich wenig.

Als Ino-Sensei ihn aufrief, um an der Tafel etwas zu schreiben, sprang Yoshi von seinem Platz auf und brüllte: „Jawohl, Sensei!“ Es fehlte nicht viel zum Stechschritt, als er nach vorne marschierte.

Ich unterdrückte ein Auflachen bei dieser Szene. Wenn die Lehrerin etwas an seiner Begeisterung merkwürdig fand, so sagte sie es nicht.

Nun, mit der Matheaufgabe waren die beiden jedenfalls erst mal einige Zeit beschäftigt, und ich hatte Gelegenheit, mir meine eigenen Gedanken zu machen.
 

Mein Blick glitt über die Klasse. Ami Shirai, das kleine, braunhaarige und immer viel zu blasse Mädchen, saß nur einen Pult neben mir. Eigentlich war sie der typische Prototyp für das ewig kränkliche Mädchen, das ohne ein sie begleitendes Notfallteam besser nie das Haus verließ. Aber das war nur äußerlich. In Wirklichkeit war das Mädchen mit den braunen Zöpfen knallhart. Ich hatte sogar Gerüchte gehört, dass sie die einzige Mädchengang an der Schule kontrollierte und schon sehr erfolgreich vergleichbare Gangs anderer Schulen aufgemischt hatte.

Wie konnte in so einem zarten Ding nur soviel rohe Gewalt stecken? Wie konnte der Anblick nur so täuschen? Ich schmunzelte und dachte an Lonne, die mit glänzenden Augen drei Pults rechts von mir den Unterricht verfolgte. Auch in ihr täuschte man sich leicht, wenn man nur von dem Äußeren ausging. Sie hatte gesagt, dass sie nicht mehr zurück wollte zu jenen, die sie mit einer riesigen Bombe in den sicheren Tod hatten schicken wollen, und ich glaubte ihr.

In gewissem Sinne waren Ami und Lonne seelenverwandt. Man konnte ihnen nicht ansehen, was sie wirklich waren. Wahrscheinlich aber waren sie sowieso beide noch auf der Suche nach ihrem wahren Ich.

Mein Blick schweifte weiter und begegnete einigen Mädchen, die heimlich zu mir herüber gesehen hatten und nun mit hochroten Köpfen hinter ihren Büchern verschwanden, als in mir ein Gefühl der Gefahr entstand. Ich spürte, wie sich die Zeit verlangsamte, meine Sinne beschleunigten. Mein Kopf ruckte in die Richtung, aus der ich die Gefahr erspürte.

Ich sah ein heran fliegendes Stück Kreide auf Kollisionskurs mit meinem Kopf. Hinter den Wellen aufgewirbelter Luft, welche die Kreide hinterließ, erkannte ich Ino-Senseis wütendes Gesicht.

Ich bewegte den Kopf nach hinten und sah die Kreide über mich hinweg fliegen, beinahe hätte eines der taumelnden Enden meine Nase gestreift.

Vom Schwung beschleunigt ging mein Kopf noch weiter nach hinten, bis ein zuckender Schmerz mich daran erinnerte, dass immer noch eine Stuhllehne im Weg war.

Meine Augen folgten dem Kreidestück und erkannten ein erschrockenes, blondes Mädchen, dass auf die Kreide starrte, als wäre sie eine angriffsbereite Kobra.

Reflexartig brachte ich meinen rechten Arm ins Spiel und umschloss das Kreidestück Sekundenbruchteile, bevor es auf ihrer Stirn gelandet wäre.
 

Übergangslos beschleunigte die Zeit wieder auf Normalgeschwindigkeit. Ein leises Raunen ging durch die Klasse. Feiner Staub rieselte zwischen meinen Fingern hervor.

Aus meiner unbequemen Position sah ich das blonde Mädchen an. War das nicht Hina? Hina Yamada, dieser niedliche Tollpatsch von neulich? Sie war in meiner Klasse und ich hatte nichts bemerkt? „Alles okay, Hina-chan?“, fragte ich.

Dies löste die Spannung. Ohne jeden Übergang wurde aus der erschrockenen Miene ein strahlendes Lächeln. „Natürlich, Akira-san. Hab vielen Dank.“

Ich nahm die Hand zurück und legte die Reste der Kreide auf meinen Tisch, was wieder ein erschrockenes Raunen auslöste. „Keine Ursache.“
 

Über mir tauchte plötzlich ein wütendes Gesicht auf. Es gehörte Ino-Sensei, und bevor ich mich versah, hatte ich zwei Zeigefinger im Mund, die meine Mundwinkel schmerzhaft auseinander zogen. „Ist mein Unterricht so langweilig, dass Herr Otomo nebenbei träumen und rumflirten muß?“

Flirten? Ich? „Gargl“, antwortete ich. Sicherlich nicht das Klügste in dieser Situation, aber mehr Laute konnte ich nicht bilden, solange die Lehrerin mich malträtierte.

Auf ihrer Stirn pochte eine wütende Ader. „Wird Herr Otomo nun willig meinem Unterricht folgen?“

„Kchhhhh“, antwortete ich.

Das schien Sensei als ausreichende Antwort anzusehen. Sie brummte zufrieden und nahm die Finger aus meinem Mund. „Gut. Otomo-kun. Du bleibst trotzdem nach dem Unterricht noch da.“

Wütend wirbelte sie herum und ging wieder zu ihrem Pult.

„Tut mir leid, Akira-san“, flüsterte Hina bedrückt und drückte die Zeigefinger aneinander.

„Nicht deine Schuld, Hina“, erwiderte ich und kehrte in eine normale Sitzposition zurück.

Ein wütender Blick Inos spießte mich auf. „Hat da nicht jemand versprochen, meinem Unterricht zu folgen?“

„SENSEI!“, rief ich und richtete mich vollkommen gerade auf. Was für meinen Ruf als cooler Bandenführer nicht gerade zuträglich war.

**

Nachdem sich der Klassenraum geleert hatte – Yoshi, der Halunke, hatte mir noch einen Blick aus tiefem Bedauern zugeworfen – kam Ino-Sensei von ihrem Pult herüber, setzte sich auf den Stuhl rechts von mir – links waren die Fenster, falls ich das noch nicht erwähnt habe – und sah seufzend zu mir herüber.

„Akira-chan. Was soll ich nur mit dir machen?“ Sie nestelte an ihrem kunstvoll hochgesteckten Haar und löste es. In einer goldenen Fontäne flutete es über ihre Schultern.

Ich schluckte beeindruckt. Ino-Sensei war eine mehr als beeindruckende Schönheit.

Moment. Hatte sie mich gerade chan genannt?

Sie schlug die Beine übereinander und bedachte mich mit einem nachdenklichen Blick. Verdammt, musste ihr Rock so kurz sein? Ich wusste kaum, wo ich hinsehen sollte.

„Ino-Sensei, ich…“

„Aber, aber“, erwiderte sie und verzog ihr Gesicht. „Wenn wir alleine sind, kannst du mich ruhig Sakura nennen.“

Ich spürte, wie ich rot wurde. Was wurde das hier? Eine verbotene Liebe zwischen einer Lehrerin und ihrem besten Schüler? Nun, der Gedanke hatte seine angenehmen Seiten, zugegeben. Andererseits hatte ich schon genug Ärger. Konnte ich wirklich noch mehr gebrauchen?

„S… Sakura-chan?“, bot ich mit stockender Stimme an.

Die Antwort war ein Lächeln. „Du bist der Kreide vorhin gut ausgewichen. Man erkennt hervorragend die Reflexe, die dich zum besten Hawk-Piloten der Erde machen. Beinahe hätte es die arme Hina erwischt. Das hätte mir wirklich leid getan.“

Ich spürte wie sich mir die Kehle zuschnürte. Sie wusste davon, dass ich einen Mecha flog?

„Und die anderen Sachen, die ich da über dich gehört habe, hm. Stimmt es das du mit zwei anderen Schülern zusammen wohnst?“

Nun begann mir aber doch das Herz in die Hose zu rutschen. Ich öffnete den Mund, um zu antworten, aber ich schnappte nur nach Luft wie ein Karpfen auf dem Trockenen.

Ino-sensei, nein, Sakura beugte sich vor und legte eine Hand auf meine Rechte. Dabei geriet ihr wirklich hübsches Dekolleté in mein Blickfeld.

„Akira-chan, du weißt, ich habe viele Gründe, hier zu unterrichten. Und du bist kein unwichtiger Grund dafür. Doch ich muß dich bitten, unsere Freundschaft nicht auszunutzen. Bitte folge dem Unterricht besser. Du bist doch für die anderen ein Vorbild. Auch wenn du dir selbst so viele Probleme schaffst. Verstehst… Sag mal, wo siehst du eigentlich hin?“

Mein Kopf ruckte hoch und ich sah ihr ins Gesicht. „Was?“

„Oh“, machte sie verstehend.

Unwillkürlich wappnete ich mich für einen weiteren Wutausbruch.

„Hast du mein Dekolleté bemerkt? Der neue Push-Up bringt wirklich einiges, wie man sieht, nicht?“

Nun war ich vollkommen verwirrt. Irgendwie erwartete ich, dass sie nun aufstand, die Türen schloss und wir zwei kurz darauf… Nun, meine Phantasie war groß, wie man an der Erschaffung der Animewelt sehen konnte.
 

„Gefällt es dir nicht?“, fragte sie enttäuscht.

„Das ist nicht der Punkt“, erwiderte ich mit dünner Stimme.

Sakura lachte leise. „Verkrampf dich nicht so. Ich bin deine Cousine und kenne dich schon seit du klein bist. Du hast schon so oft mit mir gebadet, dass… Ist was, Akira-chan?“

Cousine? Mit ihr gebadet? Natürlich, auf eine verrückte Art machte das Sinn. Sogar viel Sinn. Erleichterung übermannte mich, und ich sank in meine schlampige Sitzhaltung zurück. „Nein, nein, Sakura-chan. Ich habe nur gerade sehr viel um die Ohren. Und erzähle bitte niemandem, dass wir früher zusammen gebadet haben. Ich würde nicht lange überleben“, scherzte ich.

Sakura schmunzelte und strich sich durch ihr langes goldenes Haar. „Das meinst du. Hm, ich weiß, was für einen Ruf ich bei den Jungs an der Schule habe. Einige von ihnen wären sicherlich sehr erleichtert, wenn sie wüssten, dass du mein Cousin bist, für den ich den Babysitter gespielt habe, seit er zur Schule gehen konnte.“

Ich nickte erleichtert. Ihre strahlende Schönheit schien für mich nun in einem ganz anderen Licht. Sie drohte mich nun nicht mehr zu überwältigen, nein, ich hatte Gelegenheit, diesen herrlichen Anblick, den meine Cousine bot, vollkommen zu genießen, ohne dass es in irgendeiner Form peinlich oder sogar gefährlich für mich sein würde.

„Andererseits würden sie die nächste Wand hochgehen, wenn sie wüssten, wie gut wir uns verstehen, und dass wir nicht blutsverwandt sind.“ In ihren Augen lag ein Schimmer, ein gewisser Funke, der mich überwältigte und ihre Schönheit und vor allem ihre Erreichbarkeit wie eine Tonnenlast auf mich herab stürzen ließ.

Von einem Moment zum anderen schwitzte ich wieder Blut und Wasser, und die geschlossenen Türen sowie ihre Hand auf der meinen ließen meine Gedanken erneut rotieren.

„Wo-woher weißt du das mit den beiden Mädchen überhaupt?“, fragte ich in einem verzweifelten Versuch, das Thema wenigstens leicht zu ändern.

Erstaunt sah sie mich an. „Oh? Onkel Eikichi hat es mir gesagt.“

Natürlich. Vater. Dieser alte Schuft hatte meine schlichte Anfrage, der heimatlosen Megumi und ihrer Mitbewohnerin – als die ich ihm Lonne verkauft hatte – Obdach gewähren zu dürfen natürlich breit getreten. Und weitererzählt. Und höchstwahrscheinlich auch noch aufgebauscht.

„Hat er auch erwähnt, dass noch zwei Jungen mit mir dort wohnen?“, erwiderte ich und bemerkte mit Freude, dass dieses Thema einiges von dem Druck nahm, unter dem ich stand.

„Was?“, rief Sakura aufgebracht. „Und ich dachte immer, du… Na ja, du stehst auf Mädchen…“

Mit vor Zorn hochrotem Kopf sah ich meine Cousine an. „Was du gleich wieder denkst! Yoshi und Kei wohnen ja nur bei mir, damit genau so ein Verdacht nicht aufkommt.“

„Na, das ist aber reichlich daneben gegangen“, murmelte Sakura ernst. „Wie kriegen wir dich aus diesem Dilemma wieder raus?“

Ich fühlte, wie meine Stimmung auf einem Tiefpunkt ankam, denn ich fürchtete mich vor der Lösung, die meine Cousine für mich anbieten würde. Zweifellos würde sie…

„Ich“, begann sie und stand ruckartig auf, „werde intensiv darüber nachdenken.“

Sie beugte sich vor und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Keine Bange, Sakura-chan findet schon eine Lösung. Halt solange deine Finger bei dir, nicht? Sowohl von Megumi-chan und Lilian-chan als auch von den beiden Jungs, ja?“

Der erneute Anblick ihres Dekolletés lähmte mich für einen Moment. Als sie aber halb zur Tür war, erwiderte ich: „Das brauchst du mir gar nicht erst zu sagen, Sakura.“

„So? Hm. Darüber muß ich dann wohl auch noch nachdenken“, erwiderte sie, zwinkerte mir noch mal zu und verschwand auf den Gang.

Na toll, und wieder hatte mein Leben in der herbei gewünschten Animewelt noch etwas Tempo zugelegt.
 

3.

Erschöpft lehnte ich mich an den Maschendrahtzaun. Aktivitäten waren ja schön und gut, aber bis an seine Belastungsgrenze zu gehen bedeutete leider, wirklich bis an seine Belastungsgrenze zu gehen.

Ich war so weit gegangen, wie ich verantworten konnte, und sogar noch darüber hinaus. Damit war ich fertig, ausgepowert, am Boden.

Ich hörte nicht einmal mehr die wütende, uns anfeuernde Stimme des Sensei.

Kurz sah ich auf, aber Sensei begnügte sich damit, die anderen das Baseballfeld auf und ab zu scheuchen. Für den Moment war ich verschont.

Seufzend ließ ich mich am Zaun zu Boden gleiten und versuchte, meinen Atem zu beruhigen. Immerhin war ich wirklich weiter und schneller gelaufen als jeder andere im Team.

Eine Pause hatte ich mehr als verdient.

Für einen Moment, einen wirklich wunderschönen Moment lag ich nur so auf der kalten Erde und genoss die kräftige Sonne, die nach dem Debakel am Vormittag nun stärker als zuvor schien. Doch ich ahnte, dass dieser winzige Augenblick des Glücks, ohne Mechas, Magical Girls, Pflichten als Repräsentant der Schülervertretung und Mitglied einer knallharten Jungengang nicht von langer Dauer sein würde.

Als die Sonne verdeckt wurde, wusste ich, er war vorbei.

Ich öffnete die Augen und sah zwei bemerkenswert schlanke und gut geformte Beine hinauf. Mist, wenn sie nur einen Schritt näher getreten wäre, hätte ich von meiner Position sehr gut unter ihren Rock sehen können.

„Wir müssen reden, Akira“, sagte Megumi leise.

„Könntest du näher treten? Ich höre dich so schlecht“, erwiderte ich.

„Das hättest du wohl gerne“, erwiderte sie, ging in die Hocke und sah mir direkt in die Augen. „Auf mit dir. Wir haben was zu tun.“

Seufzend ergab ich mich in mein Schicksal. Ich erhob mich. „Reden wir hier oder gehen wir außer Hörweite?“

„Wir können hier reden, wir können woanders reden, es ist mir egal.“

„Also dann hier“, entschied ich und setzte mich auf eine leere Zuschauerbank.
 

Komisch, war die nicht noch vor wenigen Minuten mit kreischenden Mädchen gefüllt gewesen? Und wieso drängten sich selbige Mädchen nun an der Trainerbank zusammen und starrten angstvoll zu Megumi herüber?

„Lass mich raten, du hast nicht gerade viele Freundinnen, was?“, bemerkte ich amüsiert.

„Ich bin Elite-Pilotin eines Hawk, die Fernsehsender beten meine tödliche Präzision rauf und runter, man lauert darauf, dass die Zahl meiner Abschüsse dreistellig wird und meine Ausbildung erlaubt mir, einen Arm oder ein Bein binnen einer Sekunde zu brechen. Natürlich habe ich Freundinnen. Dutzende. Es interessieren sich ja auch alle für elitäre Killermaschinen.“

Für einen Moment fühlte ich mich wirklich schlecht. Denn immerhin hatte ich sie geworben und war schuld daran, dass sie dieses Leben führte. „Tut mir Leid, Megumi-chan.“

Sie winkte ab. Ihre Miene war ausdruckslos wie meistens. „Schon gut. Ich habe mir dieses Leben selbst ausgesucht. Wahrscheinlich kann ich froh sein, dass ich die meiste Zeit überhaupt zur Schule gehen darf, um wenigstens etwas von einem normalen Leben zu haben.“

Ich war unsicher und tief gerührt. Sie nahm ihr Schicksal nicht nur stoisch hin, sie tat auch ihr Bestes. Was für ein Ekel konnte sie nur für diese tödliche Arbeit anwerben und dann im Stich lassen?

Die Antwort war einfach. Ich. Selbst wenn man mal davon absah, dass dies nur eine Scheinwelt war, die ich mit einem dummen Wunsch erschaffen hatte, so war dieses Verhalten einfach… Einfach… Widerlich.

„Es tut mir leid“, sagte sie unvermittelt und sah zu Boden. „Ich weiß nur zu gut, warum du ausgeschieden bist. Ich habe dich in dieser Entscheidung immer unterstützt, auch wenn es bedeutete, auf meinen besten Freund zu verzichten. Und dann zerre ich dich nicht nur wieder zurück ins Cockpit eines Hawks, bringe dich wieder in Todesgefahr, sondern nerve dich noch mit meinen kleinlichen Problemen.“

„Megumi-chan, so darfst du nicht reden. Nicht einmal denken. Wenn ich es kann, will und werde ich für dich da sein. Apropos für dich da sein. Weshalb wolltest du mich sprechen?“

Verlegen sah die junge Frau zu Boden. „Nun, um die Wahrheit zu sagen, Akira, die Führungsspitze von OLYMP hat nach deiner Rückkehr in den aktiven Dienst einige Übungen anberaumt. Es ist nun schon viel zu lange ruhig geblieben, und wir sollten für alle Fälle gewappnet sein. OLYMP will, dass du dem Nachwuchs etwas von deiner großen Erfahrung beibringst.“
 

Nun war es an mir, verlegen zu sein. Ich hatte wohl den Respekt gespürt, mit dem man mich auf OLYMP behandelt hatte. Er schien weit tiefer zu greifen, als ich ahnte.

Doch bevor ich mich versah, griffen meine Beißreflexe. „Ist dem alten Tattergreis nicht schon damit geholfen, dass ich wieder in einen Hawk steige? Muss er mich auch noch vorführen?“

„Otomo-sama hat damit eigentlich nichts zu tun“, erwiderte Megumi. „Es war meine Idee.“

Sie sah zu mir herüber, und ich musste kräftig an einem Kloß schlucken, der mir die Kehle zuschnürte.

„Kommst du nach dem Unterricht mit auf den OLYMP?“

Wie konnte ich bei diesen hoffnungsvollen, feucht schimmernden Augen nur nein sagen?

Ich räusperte mich und brach brutal den Blickkontakt ab. „Wenn es für unsere Soldaten ist, die jeden Tag ihr Leben riskieren…“

Für einen Moment glaubte ich, Megumi würde vor Freude einen Luftsprung machen. Zumindest, wenn ich aus ihren strahlenden Augen schloss.

Stattdessen erhob sie sich nur, strich ihren Rock glatt und verneigte sich leicht in meine Richtung. „Danke, Akira. Ich hole dich nach dem Unterricht ab.“

Ich nickte. „Abgemacht.“

Megumi verneigte sich erneut leicht und verließ den Platz.

„Ach, Megumi-chan“, rief ich ihr hinterher.

Sie wandte sich halb zu mir um. „Ja?“

Ich musste grinsen. „Ist es ein roter?“

Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. „Wäre ich vorhin einen Schritt näher getreten, hättest du es selbst herausfinden können, nicht?“

Ich lüftete meinen Kragen. Für meinen Hormonhaushalt war dies definitiv ein verdammt schlechter Tag.
 

4.

„Der Rang von Blue Lightning ist nebensächlich“, erklang die scharfe Stimme eines Befehlsgewohnten Offiziers in der Halle vor mir. Ich ordnete sie automatisch Commander Steiner zu, dem obersten Militär auf OLYMP.

„Aber dennoch sollten Sie ihm nie widersprechen und ihm aufmerksam zuhören, denn das United Earth Mecha Force Headquarter hört ihm sehr gut zu.

Seine Erfahrung ist größer als die aller Anwesenden hier. Im Hawk kann ihm kaum einer das Wasser reichen, Lady Death vielleicht ausgenommen, wenn sie noch ein paar Jahre trainiert.

Einige von Ihnen haben bereits mit ihm zusammen gearbeitet, als die Bedrohung durch die Kronosier so plötzlich über uns herein brach. Doch die meisten stießen erst später zu uns, nachdem Blue Lightning… Nun, wir reden nicht darüber. Weder intern, noch extern.“

Interessiert spitzte ich die Ohren. In der mir aufgepfropften Erinnerung gab es eine große Lücke, und die betraf den Grund meines Ausstiegs aus der UEMF. Schade, um ein Haar hätte ich diese Wissenslücke schließen können.

„Jedenfalls ist Blue Lightning vorerst wieder in den aktiven Dienst zurückgekehrt. Seien Sie dankbar für jeden einzelnen Tag, für jeden einzelnen Flug, denn er wird Ihre Arbeit sehr viel leichter machen. Einige von Ihnen hatten das Glück, mit ihm den Angriff letzte Woche abzuwehren. Da war er aber noch etwas eingerostet.“

Aufgeregtes Raunen schlug mir aus der Halle entgegen. Ich begann zu schwitzen. Sicher, das Handling von Blue war mir sehr leicht gefallen. Aber ich sollte noch mehr drauf haben? Im Geiste verfluchte ich erneut die superdeformte, schwerhörige Wunscherfüllerin, die mich in diese Animewelt verbannt hatte.

Ein Stoß in meinen Rücken erinnerte mich daran, dass ich hier draußen auf dem Gang nicht alleine war. Ich sah zurück.

Megumi deutete mit ärgerlicher Miene auf die Halle. „Eintreten. Salutieren. Ein paar Worte sagen. Okay?“

„Ja, ja. Hey, ich habe Lampenfieber. Kennst du so was nicht?“ Ich seufzte schwer. „Natürlich kennst du so was nicht.“

„Nicht, wenn ich es nicht bin, die im Rampenlicht steht“, erwiderte sie schnippisch und betrat die Halle. „ACHTUNG!“
 

Ihre sonst so ruhige und leblose Stimme gewann nicht nur an Lautstärke, sie gewann enorm an Schärfe. Ich zuckte kräftig zusammen. Und erinnerte mich daran, was sie von mir erwartete. Also trat ich ein. Und erstarrte. Einhundertzwanzig Augenpaare waren auf mich gerichtet. Megumi stand am Eingang und salutierte. Die Hände der übrigen Soldaten im Raum flogen hoch.

Wieder erstarrte ich. Warum geriet immer ich in so etwas hinein?

Kurz orientierte ich mich und sah zwei Offiziere, die vor dem Block der Mecha-Piloten standen. Das mussten Steiner und sein Stellvertreter Beauchamp sein.

Ich nickte Megumi zu und nahm neben dem Commander Aufstellung. Dort erwiderte ich den Salut. „Rühren, Soldaten. Captain Uno, eintreten.“

Danach wandte ich mich dem Commander zu. „Sir, ich melde mich zum Dienst.“

Gerührt erwiderte der Mann den Salut. „Rühren, Colonel. Teufel, es ist eine große Ehre, Sie wieder dabei zu haben. Ihr Auftritt letzte Woche passierte genau im richtigen Augenblick. Und trotz Ihres Handicaps…“ Der Commander räusperte sich laut und vernehmlich. „Schon gut.“

Wieder war eine Chance vergangen, in der ich mein Wissen hätte aktualisieren können.
 

Der Commander deutete auf die angetretenen Soldaten. „Was Sie hier sehen, sind die Piloten der beiden Titanen-Bataillone und die Hekatoncheiren sowie die Ersatzpiloten, die noch in der Ausbildung oder im Auswahlverfahren stecken. Ich wurde von der UEMF ermächtigt, Ihnen jederzeit Überrangorder über die Mecha-Einheiten auf OLYMP zu gewähren.“

Autsch. Ich konnte regelrecht sehen, wie der eigentliche Regimentschef der Einheit sich gerade in den Arsch biss, weil er derart übergangen worden war. Ausgebootet, wann immer es ein Frischling wollte. War es nicht schon übel genug, dass ich einfach die Hekatoncheiren an mich gerissen hatte? Der Konflikt mit deren Commander stand mir noch bevor. „Danke, Commander Steiner. Ich fühle mich geehrt.“

Erleichtertes Raunen ging durch die Reihen.

„DISZIPLIN!“, blaffte Beauchamp und machte seinem Ruf als eiskalter Schleifer Ehre.

Sofort verstummten die Piloten.

„Gut, Colonel Otomo. Dann fahren Sie mit Dienst nach Dienstplan fort.“

Ich salutierte vor ihm und versuchte mich an diverse Kriegsfilme zu erinnern. Was tat man jetzt? „Zum Dienst nach Dienstplan weggetreten. Kompaniechefs übernehmen…“, bot ich mit leiser Stimme an.

Daraufhin traten neun Offiziere vor, stellten sich vor ihre Teileinheiten und ließen sie abtreten.

Was mich doch erleichterte. „Für ne Sekunde dachte ich, die hören nicht auf mich“, japste ich atemlos.

„Warum sollten Sie nicht? Sie sind Blue Lightning, die Legende“, kommentierte Steiner. „Die paar Jahre, die Sie wegen… Nun, jedenfalls wissen die Männer und Frauen Ihr Können und Ihre Opferbereitschaft zu würdigen.“

„Danke, Sir.“ Danke, dass er meine Verwirrung mit seinen Andeutungen noch ein wenig konfuser gemacht hatte.

Der Commander nickte mir noch einmal zu und trat dann mit seinem Stellvertreter ab.

Ich atmete erleichtert auf.

„Sir, wir wären dann soweit“, meldete sich Megumi zu Wort.

Ich wandte mich erschrocken um. Die Briareos-Kompanie war noch immer in der Halle. „Bereit wofür?“

Megumi kam ein paar schnelle Schritte näher. „Hast du den Dienstplan nicht gelesen, den ich dir gegeben habe? Es steht eine Übung mit Briareos an.“

Misstrauisch sah ich auf. Nein, ich hatte den Zettel tatsächlich nicht gelesen. „Was für eine Übung?“

**

„Ach, so eine Übung“, murmelte ich, während mein Schutzpanzer die fünfundneunzig Kilometer in Richtung Titanen-Plattform zurücklegte. Die kugelförmige Zelle beschützte mich vor Temperaturen bis viertausend Grad, ideal für einen schnellen Eintritt in die Atmosphäre. Sie verfügte über begrenzte Ortungsgeräte und Stauraum für eine Menge Ausrüstung. Über den Monitor der Ortung erkannte ich zwölf weitere Kapseln die vor oder nach mir aus OLYMP geschossen worden waren. Wir simulierten hier einen High Orbital Jump, um Kommandosoldaten auf ein Atmosphäregebundenes Objekt zu bringen.

Was ich alles drauf hatte…

In sechs Kilometer Höhe würde die Kapsel aufgesprengt werden und mich freigeben. Ich würde zu dem Zeitpunkt in meinem ortungssicheren Thermoanzug und einen speziellen Antiortungsbeschichteten Fallschirm den letzten Kilometer bis zur Titanenplattform zurücklegen. Meine Ausrüstung würde dann in zwei Paketen gebündelt Sekunden vor mir auf der Plattform aufschlagen, was mir eine höhere Bewegungsfreiheit gewähren würde.

In der kalten und noch recht dünnen Luft in fünf Kilometern Höhe war Bewegungsfreiheit eine verdammt wichtige Sache.

Doch bis ich unten war, konnte ich nur eines: Warten.

Warum hatte ich nichts zu lesen mitgenommen? In einem Orbitallift hätte ich nur acht Minuten hinab gebraucht. Aber in dieser Spezialausrüstung dehnte sich die Zeit zu einer kleinen Ewigkeit.

Und dann überschlugen sich die Ereignisse doch wieder. Die Schale sprengte sich auf, die Ausrüstung rauschte an mir vorbei und zog mich mit sich. Ich spürte, wie zusätzlich zur Schwerkraft die Gewichte an meinen Beinen zerrten und war für einen Moment irritiert. Dennoch geriet ich nicht in Panik. In der vorgesehenen Höhe löste ich den Fallschirm aus und bemerkte erleichtert, dass die Titanenplattform unter mir gut zu sehen war. Eine große Wolke war gerade an ihr vorbei gezogen. Hätte sie die Plattform verdeckt, während ich darauf zu gerauscht wäre, hätte ich mich vollkommen auf meine Instrumente verlassen müssen. Und ich vertraute eben lieber meinen eigenen Augen.

Der Fallschirm riss mich schmerzhaft in die Höhe, während die Ausrüstung weiter nach unten wollte. Ergebnis waren zwei Zentimeter mehr Körpergröße und für dich nächsten zwei Jahre garantiert kein Bandscheibenvorfall.
 

Mit wippenden Knien setzte ich auf der Plattform auf. Einige aus der Briareos-Kompanie waren schon vor mir gelandet, andere folgten gerade. Eilig zählte ich durch und kam auf die erleichternde Zahl zwölf. Es waren alle angekommen.

Ich sammelte meinen Fallschirm ein und verstaute ihn provisorisch. Ein Dutzend frei herum fliegender Fallschirme, auch wenn sie Stealth-beschichtet waren, wären erstens eine ziemliche Verschwendung gewesen und zweitens ein deutlicher Hinweis auf Kommando-Soldaten.

Hinter und neben mir beendeten die Soldaten ihre eigenen Vorbereitungen. Ich nahm meine Ausrüstung auf. Ziel des Unternehmens war es, im Haupthangar mit möglichst wenig eigenen Verlusten eine Zielscheibe zu treffen.

Die Schutzeinheit der Titanenplattform war informiert und alarmiert worden, wusste aber nicht, woher wir kommen würden. Und vor allem nicht wann.

Ich winkte Megumi zu mir heran, ließ trotz der eiskalten und dünnen Luft mein Visier auffahren. Sie tat es mir gleich. Die Kälte biss in ihre Wangen und rötete sie. Nicht unbedingt ein hässlicher Anblick.

„Okay, wir machen es so. Ich nehme eine Hälfte und gehe von Süden vor. Du von Osten. Die Truppe, die zuerst entdeckt wird, macht soviel Spektakel wie irgend möglich, um so Wächter von der anderen Gruppe abzuziehen. Verstanden?“

„Verstanden. Funkkontakt im Falle einer Entdeckung?“

„Negativ. Mach einfach nur genügend Krach. Wir müssen ihnen nicht mit Gewalt zeigen, dass eine zweite Truppe im Bereich ist, ja?“

„Ist gut.“ Megumi schloss ihr Visier wieder, winkte fünf Leute zu sich heran und eilte über die Plattform davon zu einer Personenschleuse am östlichen Rand der Plattform.

Ich winkte dem Rest und wir schlossen nach Norden auf.

***

Meine Hand schoss vor, umklammerte den Mund der einsamen Wache. Ich drückte die stumpfe Seite meines Kampfdolches auf die Kehle des Mannes. „Du bist tot.“

Der vollkommen überraschte Soldat keuchte jetzt erschrocken auf. Er nickte deprimiert.

Ich ließ seinen Mund wieder los und löste die Umklammerung.

Der junge Mann drehte sich zu uns um und fluchte leise, aber herzhaft. „So ein Dreck. Dabei dachte ich immer, mir kann das nicht pass… Colonel Otomo, SIR!“

Ich schlug mir mit einer Hand vor die Stirn. „Tote salutieren nicht, Soldat. Und sie schreien auch nicht. Wollen Sie gegen die Manöverregeln verstoßen?“

„Nein, Sir“, erwiderte der Private kleinlaut.

„Gut. Dann seien Sie jetzt ein guter Toter und liegen Sie tot im Gang.“

„Jawohl, Sir.“

Ich schüttelte fassungslos den Kopf und winkte meine Männer weiter.

„Ach, Sir?“, hakte der Private nach.

„Was ist denn noch? Ich habe hier eine Mission zu erfüllen und eine Plattform zu entern.“

„Kriege ich ein Autogramm von Ihnen?“

„Himmelherrgott, warum das denn?“

„Colonel, seien Sie bitte leise. Auf der Kreuzung sind weitere Wachen. Sie könnten Sie hören“, ermahnte mich Lieutenant Kazama leise.

„Später vielleicht, Soldat. Kazama, Sie haben Recht. Scharfschützen vor. Wir müssen weiter.“

Kurz nickte ich einem schadenfroh grinsenden Schiedsrichter zu, der die Aktion beobachtet hatte. Na, wenigstens der hatte seinen Spaß.

Fünf Minuten und zweihundert Meter weiter hörten wir Schüsse ohne den von uns benutzten Schalldämpfer. Ich sah meine Leute kurz an. „Das ist das Signal. Captain Uno ist aufgeflogen. Wir teilen uns auf und versuchen einzeln durchzukommen. Vergesst nicht, Ziel ist es, die verdammte Zielscheibe zu treffen.“

Die sechs Soldaten bestätigten und verschwanden in verschiedenen Richtungen. Nun mussten wir einen großen Teil unserer Vorsicht aufgeben und sehr viel schneller agieren.

Mit einer automatischen Pistole in der Hand und einem Dolch griffbereit in der Stiefelscheide voran zu kommen war nicht jedermanns Sache. Ein Schuss, und ich flog auf. Der lange Griff zum Dolch, und ich gab meinem Gegner Zeit. Viel zu viel Zeit.

Inzwischen heulte der Alarm durch die Titanenplattform. Ich grinste schief. Dies würde das Chaos vergrößern und der Briareos-Kompanie die Chance auf den Blattschuss geben. Bei dreizehn gut ausgebildeten Männern und Frauen würde es ja wohl einer schaffen.

Dieser amüsante Gedanke lenkte mich für einen winzigen Moment ab, so dass ich, als ich um eine Ecke herum kam, beinahe mit einer Wache zusammen gestoßen wäre. So blieb mir nichts weiter, als mein Entsetzen in Energie für den Angriff umzuwandeln. Mein Gegner zeigte mir den Rücken. Also tat ich das einzig richtige und versuchte ihn zu überwältigen. Die Linke zuckte vor und schloss sich um den Mund und die Rechte…

Die Rechte wirbelte herum, verlor fast die Waffe und schlug dann noch hart und schmerzhaft gegen eine Wand, während meine Ohren von einem schrillen Entsetzensschrei klingelten und mein Körper einen unfreiwilligen Salto machte.

Bevor ich es mich versah, lag ich schon auf dem Bauch, mein linker Arm wurde hart nach oben gerissen, dabei gestreckt, an der Hand gepackt und scharf nach innen gebogen, bis heißer Schmerz durch den Arm und die Schulter fuhr.

Das hatte ich dann wohl vermasselt. Mühsam versuchte ich die Pistole ins Spiel zu bringen, aber ein präziser Tritt nagelte sie mitsamt der Rechten an die Wand.

„Okay, du hast mich“, ächzte ich unter Schmerzen und wandte den Kopf. „Ich gebe a… Hina?“
 

Der Soldat, der mich so mustergültig überwältigt hatte, obwohl ich ihn definitiv überrascht hatte, der gleiche Soldat, der dafür sorgte, dass ich kaum ein Glied rühren konnte, war das kleine, tollpatschige Mädchen von der Bank hinter mir?

Aus großen Augen starrte sie mich an. „Akira-san?“ Entsetzt ließ sie mich los. „Akira-san! Das tut mir leid. Das wollte ich nicht. Ich meine, ich…“

„Schon gut“, brummte ich und zog die schmerzenden Arme ein. „Ist ja immerhin nur eine Übung, oder?“

„Eine… Übung? Akira-san, was machst du hier?“, fragte sie neugierig.

„Na, das gleiche wie du. Ich bin Soldat. Allerdings auf der OLYMP-Plattform.“ Mühsam drehte ich mich auf den Rücken und massierte meine demolierten Handgelenke.

In Hinas Augen stand eine Mischung aus Entsetzen und Unverstand. „Soldat, ah. Ich dachte, Megumi-san darf keine Schüler anwerben.“

„Hat sie ja auch nicht“, brummte ich und stand langsam auf. Die Pistole landete wieder im Hüftholster. „Aber das ist eine lange Geschichte. Obwohl, du hast Recht. Wie bist du dann zu diesem Verein gekommen?“

Auf der Stirn des blonden Mädchens bildete sich ein dünner Schweißfilm. Sie schluckte hart. „Ach, da fällt mir ein, ich gehöre ja gar nicht zur Übung. Ich darf ja nicht mal hier sein. Tut mir Leid, Akira-kun. Mach nur weiter. So, ich muß jetzt wieder zum Dienst. Tschüss!“

Und weg war sie. Nachdenklich rieb ich mir die Handgelenke. In einem Punkt hatte sie mehr als Recht: Von Rechts wegen durften weder sie noch ich hier an Bord sein.

Amüsiert schüttelte ich den Kopf. Auf die Geschichte war ich sehr gespannt.
 

Ich arbeitete mich darauf hin weiter vor. Schüsse klangen auf und wurden lauter, je näher ich dem Hangar kam. Die Briareos-Kompanie arbeitete sich also langsam vor, hatte sich aber wahrscheinlich festnageln lassen. Seufzend hebelte ich einen Lüftungsschacht auf und suchte mir aus dem Gewirr der Leitungen einen Weg in den großen Hangar.

Aus einem Lüftungsgitter heraus, zehn Meter über dem Boden hatte ich einen hervorragenden Überblick, sowohl auf die Zielscheibe als auch auf drei kleine Pulks eingekesselter Soldaten.

Mit Megumi waren es acht, die sich wirklich in ihren Deckungen hatten festnageln lassen. Damit gab es noch vier potentielle Soldaten wie ich, die noch eine Chance für den Blattschuss hatten – oder bereits ausgeschaltet worden waren.

Von meiner Position aus hatte ich jedenfalls einen sehr guten Schusswinkel auf die Zielscheibe. Diese Halunken hatten eine Barrikade vor ihr aufgebaut, damit sie aus einer normalen Höhe nicht getroffen werden konnte. Außer man stürmte die Barrikade. Und dort hinter lauerten zwölf Soldaten der Titanenstation, vier oben auf der Barriere, acht unten in Reserve. Eine Handgranate hätte da sicher ihren Spaß gehabt.

Genug analysiert. Ich trat das Gitter auf und fiel zwei Meter in die Tiefe, bevor ich auf der Schulter eines Sparrows landete. Der leichte ScoutMecha gab unter dem Aufprall kaum nach. Das war alles, was ich für einen sauberen Schuss brauchte.

Eine Sirene gellte auf und gab Entwarnung.
 

Langsam kletterte ich den Sparrow hinab. Megumi kam mit ihren Leuten aus den Deckungen hervor. Sie sah müde und zerschlagen aus. Ich setzte mich auf den Fuß des Sparrows und winkte müde mit der automatischen Pistole. „Hattet Ihr auch so einen Spaß?“, fragte ich leise.

Megumi winkte ab und ließ sich neben mir auf den Boden sinken. „Sauberer Schuss. Kannst froh sein, dass der Sparrow nicht mit dir den Boden geknutscht hat.“

„Och, so ein wenig Risiko gehört schon zum Leben dazu, Megumi-chan.“ Ich zwinkerte ihr zu.

Nun kamen auch die Verteidiger aus der Deckung an der Scheibe und aus den anderen Deckungen und Schotts. Die übrigen vier Angehörigen von Briareos wurden entweder frei gelassen oder arbeiteten sich aus ihren Deckungen hervor.

Commander Sikorsky, Chef der Titanenplattform kam mit vier Schiedsrichtern in den Hangar und haderte mit seinen Sicherheitstruppen.

Dann wandte er sich freudestrahlend zu uns um und kam herüber. „Also, Colonel, das war ein perfekter Meisterschuss. Und das aus diesem Winkel. Es wurde auch mal Zeit, dass einer meinen sich selbst überschätzenden Jungs und Mädels mal das Fell gerbt. Sie werden Ihrem Ruf mehr als gerecht, Colonel Otomo und…“
 

Der Commander hatte etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als ich aus den Augenwinkeln glaubte, unter einem der Barretts, welche das Personal von Titanenstation trug, ein bekanntes, ein sehr bekanntes Gesicht wieder zu erkennen. Aber – Ami? Konnte das sein? Das kleine, kränkliche Mädchen, ebenfalls hier auf der Plattform?

Mürrisch schüttelte ich den Kopf. Der Tag war eindeutig zu lang gewesen, als das ich mich auch noch damit beschäftigt hätte.

Ich erhob mich und wollte auf den Commander zugehen, doch Megumi packte mich an der Koppel meines Holsters, riss daran und zog mich mit sich über den Fuß des Sparrows. Knapp einen Zentimeter über mir huschte eine schattenartige Gestalt hinweg und traf den Commander frontal. Der Mann wurde vom Boden gehoben und meterweit davon geschleudert.

Mir wurde heiß und kalt zugleich. Heiß, weil ich auf Megumi lag. Kalt, weil das gerade ein Youma gewesen war. Ein Youma, einer von der Sorte wie Gestern Abend in meinem Garten! Und das Mistvieh hatte augenscheinlich mich als Ziel gehabt!

Nun hatte es den Commander erwischt.
 

„Danke“, sagte ich zu Megumi und kam mühsam auf die Beine.

„Wofür genau?“, fragte sie mit einem dünnen Lächeln.

Das irritierte mich für einen Augenblick. Ehrlich, diese Augenblicke der Unkonzentriertheit wurden mir echt zum Verhängnis. Denn das war genau der Augenblick, den der mit dem Dämon infizierte Commander Sikorsky brauchte, um mich mit einer gigantischen, schaufelartigen Pranke meterweit durch die Luft zu wirbeln.

Ich landete hart in einem Stapel Holzkisten und verlor für einen Moment die klare Sicht.

Vor den milchigen Schleier, der über meinen Gedanken lag, schob sich ein von blonden Haaren umrahmtes Gesicht. „Akira-san, geht es dir gut?“

Ich wollte antworten, aber es ging nicht. Ich war noch zu benommen.

„Er ist ohnmächtig, Hina. Komm endlich!“, rief eine aufgeregte Stimme.

„Ist gut.“ Das Gesicht verschwand. Mühsam sah ich zur Seite.

Mehr oder weniger deutlich erkannte ich Hina Yamada, wie sie zu zwei anderen Mädchen trat. Sie standen hinter einem Stapel Kisten. Aus der Ferne hörte ich Megumis besorgten Ruf nach mir und das Brüllen des besessenen Commanders. Hatte Hina den Youma auf mich angesetzt? Nein, das konnte ich nicht glauben.

„YOUMA SLAYER POWER…“

Dieser Ruf ließ mich wieder zu Hina und den anderen beiden sehen. Alle drei kreuzten ihre Hände in konfusen Gesten und nahmen verrückte Posen ein. Plötzlich schienen sie sich um sich selbst zu drehen, ohne dass sie etwas dafür taten. Lichtfontänen stoben davon.

„…ERWACHE!“

Unwillkürlich fragte ich mich drei Dinge. Warum hörte anscheinend außer mir niemand das Gebrüll der drei Mädchen? Warum hörten diese Funkenregen scheinbar exakt an den Rändern der Kisten auf? Und waren diese albernen Posen und Gesten notwendig?

Ich stöhnte leise und rieb mir die Augen. Als ich die Hand wieder wegnahm, sah ich in ein von rotem, langem Haar eingerahmtes Gesicht. Das Mädchen von Gestern, Blue Slayer.

„Keine Angst, Akira-san“, sagte sie mit einem verbissenen Lächeln, „heute beschütze ich dich.“

Sie wechselte einen schnellen Blick mit ihren beiden Gefährtinnen, der Blonden von Gestern und einer dritten mit langem Rosa Haar in einem orangen Rock. Dann griffen sie mit ihren Spezialattacken in den Kampf ein.
 

„Verdammter Mist!“, fluchte ich lauthals, kehrte vollends in die Realität zurück und richtete mich auf. Nur um erschrocken zu erstarren. Mein Rücken tat weh. Anscheinend hatte ich mir die Seite und die Nieren ordentlich geprellt. Warum passierte so was immer nur mir?
 

5.

„Das ist unverantwortlich. Das wird eine Untersuchung nach sich ziehen. Hier werden Köpfe rollen!“, rief Commander Sikorsky aufgebracht. Nach seiner Rückverwandlung hatte man ihn ins Lazarett gebracht, aber augenscheinlich ging es ihm sehr gut. Gut genug, um einen neuen Weltrekord im Untergebenen zusammen stauchen aufzustellen.

„Ich will, dass jemand dafür verantwortlich ist! Niemand infiziert mich ungestraft mit einem Youma!“

Megumi unterdrückte ein Lachen. Der Befehlshaber-Youma, der aus der Verbindung mit dem Commander entstanden war, hatte eine recht lustige Erscheinung abgegeben, Marke aufgeblasener Vorgesetzter. Aber auch eine ziemliche Gefahr, wie ich mir bewusst machte.

„Ich denke, es dürfte weit mehr geben als eine Untersuchung“, stellte ich tonlos fest. „Wie konnten drei der Magical Youma Slayer auf die Titanen-Station gelangen? Veranstalten Sie seit neuestem Sightseeing-Tours? Führen Sie Zivilisten herum?“

„Äh, Colonel…“ Der Commander wurde unsicher.

„Und was noch wichtiger ist. Nachdem Black Slayer Ihren Youma-Körper gefesselt und Orange Slayer ihm mit dem Kampfstab die Beine weg gerissen hatte, hat Blue Slayer diesen gigantischen Lichtblitz ausgelöst, der Sie zurück verwandelt hat. Und während dieses Blitzes sind alle drei verschwunden. Vollkommen spurlos. Dem sollten Sie ebenfalls nachgehen.“

Vollkommen spurlos war vielleicht falsch, wenn ich mich genau erinnerte. Irgendwie hatte ich den Eindruck, ein Paar warme, weiche Lippen hätten mich während der mehrere Sekunden andauernden Eruption geküsst. Aber das konnte ich hier schlecht erwähnen.

„Also, Commander. Machen Sie in Ihrem Vorgarten gründlich sauber.“ Langsam erhob ich mich, griff nach meiner Ausrüstung und zog die Tarnbekleidung wieder an. Himmel, die Stelle schmerzte höllisch. Animewelt hin, Animewelt her, die Schmerzen jedenfalls waren real.

Wortlos trat Megumi neben mich und übernahm meine Ausrüstung. Ich nickte ihr dankbar zu.

„Meine Aussage und die von Captain Uno haben Sie ja“, brummte ich und hob lässig die Rechte an die Stirn, „wenn Sie mich nun entschuldigen würden.“

Der Commander erwiderte den Salut.
 

Kaum dass wir das Krankenrevier verlassen hatten, begann der alte, erfahrene Offizier wieder zu brüllen.

Ich unterdrückte ein Grinsen. Megumi schmunzelte neben mir.

Als wir die wartenden Soldaten der Briareos-Kompanie erreichten, wurden wir mit lautem Hallo begrüßt. Die Männer und Frauen unterhielten sich lautstark über das Phänomen im Hangar.

„Ich habe ja nie wirklich glauben wollen, dass es so etwas wie Youmas wirklich gibt“, kommentierte Sergeant Feldberg aus Kenia leise. „Aber wenn man es dann mit eigenen Augen sieht…“

„Und das sagt jemand, der einen Kampfroboter steuert“, murmelte ich. „Das ist genauso unglaublich.

Das machte den Sergeant sprachlos.

„Schon gut, schon gut. Wir sind hier fertig. Wer zurück nach OLYMP muss, kann jetzt aufbrechen. Wer zurück zur Erde will, kann mit mir und Captain Uno kommen. Wir haben hier einen Hubschrauber. Abschlussbesprechung ist dann Morgen.“

Die Soldaten bestätigten und langsam löste sich die Runde auf. Die ganze Bande fuhr geschlossen zurück nach OLYMP.

„Was hast du erwartet? Sie sind alle erwachsen und auf OLYMP kaserniert“, informierte mich Megumi.

Ich zuckte mit den Schultern.
 

„Das es aber nicht einmal einen Hinweis auf die drei Mädchen gibt“, murmelte Megumi leise. „Ich meine, wie leicht können sich drei kleine Mädchen in Miniröcken auf so einer Station schon verstecken? Und dann mit den Tretern…“

Einen Hinweis gab es ja schon, wenn ich ehrlich war. Aber konnte ich dem glauben? Letztendlich erschienen mir sogar die Schmerzen in den Händen und der rechten Schulter unwirklich.

„Hallo, Terra an Akira“, sagte Megumi.

Ich erstarrte. „Was?“

„Du bist so geistesabwesend. Seit ich gesagt habe, es gibt keinen Hinweis auf die drei Mädchen läufst du rum wie Falschgeld.“

„Tut mir leid. Aber ich meine… Irgendwie… Verstehst du?“

Megumi sah mich an und seufzte tief. „Nein. Ich habe keine Ahnung, was du meinst, Akira. Und vielleicht will ich es gar nicht wissen.“
 

Wir erreichten den Hubschrauber. Der Pilot sah zu uns durch die Trennscheibe herüber. „Sir, da draußen sind drei Rekruten mit Marschbefehl, die gefragt haben, ob wir sie zurück nach Tokio mitnehmen können. Vor Morgen früh geht kein anderer Flug.“

Ich winkte müde. „Ist ja nicht so, als wäre das hier eine geschlossene Gesellschaft, oder?“

Der Pilot grinste zu mir herüber. „Nein, Sir.“ Dann winkte er drei Soldaten heran.

Die drei kletterten an Bord, nahmen Platz… Und erstarrten.

Ehrlich gesagt konnte ich nicht sagen, was meine Kinnlade davon abhielt, herab zu sinken und auf dem Boden zu landen.

Schließlich senkte ich den Kopf. „Ich bin einfach übermüdet. Nur übermüdet. Pilot, starten Sie, wenn wir die Freigabe haben.“

„Ja, Colonel!“

Megumi runzelte die Stirn. „Also, irgendwie kommen mir die…“

„Hast du schon gebadet, Megumi? Ich jedenfalls freue mich wirklich darauf, so richtig schön lange in heißem Wasser zu treiben und so richtig durchzuweichen. Hm, vielleicht sollte ich Vater mal so richtig fies ärgern und einen beheizbaren Pool im Garten aufbauen lassen. Dann könnten wir alle mal drin baden.“

„Natürlich freue ich mich auf ein heißes Bad. Allerdings alleine“, erwiderte sie schmunzelnd.

„Du brichst mir das Herz“, erwiderte ich spöttisch. Amüsiert bemerkte ich, wie einer der drei Soldaten, augenscheinlich eine junge blonde Frau, knallrot im Gesicht wurde.

„Nein, breche ich nicht“, kommentierte sie bestimmt. „Dein Herz gehört deinem Hawk. So war es schon immer.“

„Sag so was nicht. Extra wegen dir habe ich mir eine ellenlange Auszeit von meinem Mecha genommen“, konterte ich grinsend.

„Nein. Nicht wegen mir sondern…“ Ein düsterer Schatten huschte über ihr Gesicht. „Tut mir leid. Ich wollte nicht mehr davon anfangen.“

Ihr Verhalten irritierte mich. Aber noch weit mehr, dass sie bis zur Landung betreten zu Boden sah und kein weiteres Wort sprach…
 

6.

Ohne ein Wort des Abschieds hatten sich die, nun, drei Rekruten von dannen gemacht, kaum das der Helikopter aufgesetzt hatte.

Megumi und ich suchten die Quartiere auf, um zu duschen und unsere Schuluniformen wieder anzuziehen. Ich wollte nun wirklich um keinen Preis der Welt Akane-sempai mit der Nase drauf stoßen, was ich gerade tat.

Und Megumi war nicht wirklich darauf erpicht, auch äußerlich den Eindruck einer Mecha-Pilotin zu machen. Ihr Leben war so schon einsam genug.

Nach einer viel zu kurzen Dusche und dem Versprechen an mich selbst, dies schnellst möglichst mit einem langen Bad auszugleichen, zog ich mich um.

Megumi erwartete mich bereits. Ihre Haare pappten nass an ihrem Kopf und ihr Blick war ernst und müde. „Da kommst du ja endlich.“

„Hm“, schmunzelte ich, „normalerweise müssen die Männer immer darauf warten, dass die Frauen ihre Kosmetik beendet haben.“

„Sei drei Jahre bei der UEMF, jederzeit auf einen Alarm gefasst und drille nebenbei noch neue Piloten, und du lernst, in manchen Dingen etwas schneller zu sein.“
 

Wir traten auf den Kasernenhof hinaus. Ein schwarzer Dienstwagen wartete bereits auf uns.

Der Fahrer, ein junger Corporal, öffnete uns die Hintertür. „Wohin, Ma´am, Sir?“

„Nach Hause, Corporal. Nach Hause“, entgegnete ich müde und half Megumi automatisch beim einsteigen.

„Soll ich zuerst bei Captain Uno vorbei fahren oder zuerst zu Ihnen, Sir?“

Ich warf dem Fahrer einen irritierten Blick zu. Das Gesicht kannte ich nicht, die Fahrbereitschaft wechselte beinahe täglich zwischen den Kompanien. „Bringen Sie uns beide nur zu mir. Danke, Corporal.“

Der Mann wurde rot. Eilig schloss er die Tür hinter mir und rief: „Jawohl, Sir.“
 

„Das war ungeschickt von dir“, brummte das Mädchen neben mir, welches unter Mecha-Piloten den viel klingenden Namen Lady Death hatte. „Jetzt wird der Fahrer denken, wir fahren zu dir, um…“

„Ach“, erwiderte ich leise, „es ist mir egal, was er denkt. Ich bin viel zu erschöpft, um mir auch noch darüber Gedanken zu machen. Außerdem wissen wir ja beide, dass wir nicht zu mir fahren, um…“ Ich zwinkerte ihr zu.

Sie sah mich nachdenklich an. Dann ließ sie sich ergeben seufzend in die Polster rutschen, und bevor ich mich versah, ruhte ihr Kopf auf meiner Schulter. „Außerdem sind da immer noch Lonne und Yoshi…“

„Die hoffentlich keinen Unsinn angestellt haben, während wir weg waren“, stellte ich ärgerlich fest. „Sind Menschen und Kronosianer in dem Sinne eigentlich kompatibel?“

„Wieso fragst du? Denkst du, unsere kleine Außerirdische schlägt bei Yoshi über die Stränge?“

„Ich dachte jetzt nicht unbedingt an sie“, erwiderte ich leise. „Aber Kei hat mich heute so lange bearbeitet, bis er auch einziehen durfte.“

Misstrauisch beäugte ich Megumi, wartete auf ihren Wutausbruch. Stattdessen seufzte sie erneut ergeben. „Irgendwie habe ich das kommen sehen, Akira. Manchmal hast du echt Phasen, in denen du Ärger anziehst.“

Ja, vor allem in letzter Zeit.
 

Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend. Neben uns zogen die Straßen des frühabendlichen Tokios vorbei. In der Ferne erkannte ich sogar den Tower. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Fernsehturm nicht lange so schön und strahlend aussehen würde, wie er das gerade tat. Ein sehr konkretes Gefühl, begleitet von der Ahnung von mächtig viel Ärger.
 

Als wir aus dem Wagen stiegen, betrachtete ich für einen Augenblick das Haus. Äußerlich schien es aus Holz zu sein und einem Landhausstil zu frönen. Aber alleine die Tür der Außenmauer war mit Stahleinlagen und Kevlarfasern verstärkt worden. Das eigentliche Haus hatte Betoninlets und Panzerglasscheiben und was der Verstärkungen mehr waren.

Im Garten und im Haus existierten keine Überwachungsgeräte. Aber die Spitzen der Mauern waren mit Lasern gesichert. Die Barrieren lösten stillen Alarm aus, wenn jemand die Mauer überwand. Auch wenn er senkrecht von oben in den Garten herabfiel. Deshalb war ich letzte Nacht aufgestanden – bewaffnet.

Natürlich gab es da noch ein, zwei weitere Spezifikationen wie das Türschloss, das auf den Handabdruck reagierte… Eben alles Spielereien, wie sie sich nur jemand wie Vater ausdenken konnte, der mit der Führung von OLYMP noch deutlich unterbeschäftigt zu sein schien.

Über die Inneneinrichtung hatte ich mir nicht viele Gedanken gemacht. Die größtenteils mit Papierwänden abgetrennten Zimmer mochten praktisch sein und das Innere flexibel machen, aber ich vermisste sehnlichst ein paar stabile Betonwände.

Die meisten Zimmer standen ohnehin leer oder wurden von mir zweckentfremdet, als Stube, als Arbeitsraum und dergleichen. Doch Vater bestand darauf.

Ich konnte es gar nicht erwarten, genügend Geld angespart zu haben, um mir meine eigene Wohnung zu nehmen – und sei es in einem Wohnsilo. Sogar ein Kapselhotel wäre mir lieber gewesen.
 

„Träumst du schon wieder?“, ermahnte mich Megumi, die bereits ihre Schuhe ausgezogen und gegen Slipper getauscht hatte. Ich schüttelte den Kopf. Diese verdammte Konstruktwelt. Beinahe wäre ich wieder drauf reingefallen und hätte alles geglaubt, was sie mir erzählte. Wollte sie mich absorbieren? Sollte ich mich in ihr verlieren? Hatte ich nicht auch so schon genug zu tun?

Mit trägen Bewegungen wechselte ich Schuhe gegen Slipper und betrat den langen Flur.

Nur um erschrocken zurück zu kehren und die ausgezogenen Schuhe unter Augenschein zu nehmen! Zwei Paar Schuhe zuviel. Ich fühlte, wie mir kalter Schweiß die Stirn herab rann. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

Ein erschrockenes Aufkeuchen ließ mich herum fahren. Megumi kam mit großen Augen aus dem Wohnzimmer zurück gestolpert. Ich sprintete los.

„Guten Abend, Uno-kohai“, scholl es auf den Gang hinaus. Ich erstarrte mitten im Lauf und wäre beinahe gestürzt. Das war Akanes Stimme gewesen. Akane Kurosawa! Was machte sie hier?
 

Ich erreichte Megumi, die sich mittlerweile gefangen hatte. Na, dann wollte ich doch mal versuchen, mich möglichst unauffällig aus der Affäre…

Soviel dazu. Resigniert stellte ich fest, dass an diesem Abend durchaus die Möglichkeit bestand, dass ich sterben würde.

Am Tisch saßen Yoshi und Lonne alias Lilian auf der einen Seite, Kei an einem Stirnende und auf der anderen Seite Akane-Sempai zusammen mit meiner Cousine und Lehrerin Sakura Ino.

Sakura lächelte zu uns herüber. „Kommt doch her und setzt euch. Es ist genügend da für alle.“

Ich überwand meinen ersten Schrecken und bemerkte, dass der Tisch reich gefüllt war – mit über einem Dutzend Gerichten, die man problemlos mit Stäbchen essen konnte. Mechanisch setzte ich mich dazu. Ein lautes Plumpsen links neben mir zeigte, dass auch Megumi auf ihrer Matte Platz genommen hatte. Ha! Noch so ein Ding. Was sprach gegen einen normalen Tisch und westliche Stühle? Wenn ich Vater das nächste Mal in die Finger…“
 

„So wie ich Onkel verstanden habe“, begann Sakura und hielt mir mit den Stäbchen ein Stück Gemüse vor den Mund, „hat er überhaupt nichts dagegen, wenn – wie hat er sich ausgedrückt? – Leben in die Bude kommt. Sag aah.“

„Ah.“

„Braver Junge. Aber er meinte, deine Nebenbeschäftigung würde dich zu sehr in Anspruch nehmen, Akira-chan, um auch noch den Haushalt zu verwalten.“

Ich starrte meine Cousine mit offenem Mund an und schluckte ohne zu kauen. Hey, das schmeckte gut.

„Deshalb hat er mich gebeten, dass ich… Nun, mich wieder etwas mehr um dich kümmere.“

Yoshi strahlte mich an. „Ich halte das für eine ganz hervorragende Idee. Dein Haushalt kann wirklich die ruhige Hand einer Frau gebrauchen, Akira.“

Megumi räusperte sich vernehmlich. „Äh, einer weiteren Frau?“, bot Yoshi in der Hoffnung an, seinen Hals zu retten.

„Hä?“, machte Lonne verständnislos.

Feine Schweißperlen traten Yoshi auf die Stirn. „Äh, einer erwachsenen Frau?“

Als darauf keine Erwiderung kam, atmete er auf.

„Wie dem auch sei, ab heute beziehe ich mein altes Zimmer im Westen. Und ab Morgen sehe ich mir mal deinen Haushalt an und übernehme die Einteilung der Pflichten.“ Sakura beugte sich vor und sah mir herausfordernd in die Augen. „Du hast doch nichts dagegen, oder, Akira-chan?“

Erschreckende Visionen von einem schnellen, aber schmerzhaften Tod zogen vor meinem geistigen Auge ab. „Na-natürlich nicht, Sakura-chan.“

„Dann ist es abgemacht“, stellte sie fest und setzte sich wieder normal hin. „Noch jemand Fisch?“
 

„Ich kann nachvollziehen, warum du Megumi-kohai und Lilian-kohai bei dir aufgenommen hast“, bemerkte Akane leise.

Erneut befiel mich ein unwirkliches Gefühl von Bedrohung.

„Und die Tatsache, dass Ino-Sensei hier einzieht empfinde ich als sehr beruhigend“, führte sie ihren Gedanken fort. „Aber dass erst Yoshi-kohai und nun auch noch Kei-kohai bei dir einziehen, ist doch etwas… Nun.“

„Was willst du damit sagen, Akane-sempai?“, fragte ich ernst.

„Ich will damit gar nichts sagen“, erwiderte sie. Ihr wütender, funkelnder Blick sprach hingegen eine andere Sprache. „Nur… Du und Yoshi, ihr seid beide Mitglieder der Schülervertretung. Ich bin besorgt um unseren Ruf.“

„Lass mich raten. Und um sicher zu gehen, dass der gute Ruf der Schülervertretung gewahrt bleibt, möchtest du die Situation hier, eh, unter Beobachtung halten?“ Na, danke. Frau Nummer vier im Haus.

Kei strahlte mich an. Er war eindeutig dafür. Megumis Miene hingegen erreichte ein neues Maß an Kälte. Nicht viel mehr, und man hätte mit ihr eine Kühltruhe betreiben können.

„Sei nicht albern, Akira-kohai“, antwortete Akane und winkte ab. „Ich vertraue dir in dem Punkt. Dir und Sensei.“

Erleichtert wollte ich aufatmen, Kei nahm die Entwicklung eher enttäuscht auf.

„Aber wenn du gestattest, werde ich ab und an vorbei schauen und sehen, ob Ihr auch alles habt“, schloss Akane und lächelte mich an. Mit einem berechnenden, Minenfeldartigen Lächeln. Warum zog sie nicht gleich richtig ein, anstatt dieses Spielchen zu spielen?

„Ich…“, begann ich, während meine Gedanken nach den ersten Minen in Akanes Argumenten suchten, „wäre… sehr froh, wenn du ab und an die Zeit finden würdest, herein zu schauen, Akane-sempai…“

Drei Dinge geschahen nun zugleich. Megumis Rechte krallte sich mit enormer Kraft in meinen linken Unterschenkel, Kei strahlte so sehr, dass ich schon befürchtete, der kleine Computerfreak wolle über den Tisch hinweg in meine Arme springen vor Glück – und Yoshi fiel das Essen vom Stäbchen. „Warum zieht sie dann nicht gleich ganz ein?“, fragte er.

Ich senkte den Blick. Erstens, weil ich Yoshi nicht mein wütendes Gesicht zeigen wollte, und zweitens, weil das mittlerweile wirklich wehtat, und Megumi anscheinend keine Lust hatte, damit aufzuhören.

„Guten Appetit“, murmelte ich leise und hoffte, der Themenwechsel würde mein Leben retten - oder zumindest den Abend vereinfachen.
 

Später am Abend – Akane war schon lange gegangen - unterhielt ich mich leise in der Küche mit Sakura. Sie trug nur noch ein knielanges Hemd, wie eigentlich immer, wenn sie schlafen ging. Und wir waren ja auch die einzigen, die noch auf waren.

„Das war natürlich nicht der einzige Grund, warum ich hier bin. Weißt du eigentlich, wie viele Gefallen Eikichi einfordern musste, um zu verschleiern, wohin der geheimnisvolle Pilot des Daishi Delta verschwunden ist? Am liebsten würde er Lilian sofort zum Verhör auf den OLYMP holen. Aber aus einem irrationalen Grund vertraut er dir und deinem Urteil.“

„Du weißt davon?“

„Ja, und es gefällt mir nicht. Es gefällt mir wirklich nicht. Lilian scheint ja ein wirklich nettes Mädchen zu sein. Aber du bist ein viel zu guter Bursche. Außer, du sitzt am Steuer eines Hawks.

Du bist zu nett für diese Welt, Akira. Hast du eigentlich schon mal dran gedacht, dass dich diese niedliche kleine Kronosianerin nur um den Finger wickelt, damit sie nicht verhaftet wird und irgendwann von hier fliehen kann? Das sie vielleicht bereits einen Plan hat, der sogar beinhaltet, dich zu töten?

Tut mir leid, so hart es auch klingt, aber ich muß es aussprechen.“
 

Ich nickte ihr zu. Kurz huschten meine Gedanken zurück, als Lonne aus dem Cockpit ihres Mechas geschossen kam, um mir um den Hals zu fallen. Ihre dankbaren Augen, als ich ihr soviel von ihrer Angst hatte nehmen können. Ihr strahlendes Lächeln an jedem einzelnen Morgen in der letzten Woche.

„Sie ist immer noch eine Feindpilotin, Akira. Und sie kann dich verraten. Ich will nicht, dass dir das passiert. Behalte den Gedanken als Warnung.“

Ich schüttelte energisch den Kopf. „Du liegst da falsch, Sakura-chan. Ich kann dir nicht genau sagen wieso, aber ich weiß, dass mich Lilian nie verraten würde. Mich oder einen der anderen. Vielleicht hast du Recht, und ich bin zu gut. Lasse mich zu schnell ausnutzen und so.

Aber ich habe in ihre Augen gesehen. Darin ist nichts Falsches. Kein Machthunger, kein Verrat. Nur Verlorenheit und Angst. Ich vertraue ihr. Ebenso wie ich dir vertraue oder Megumi oder Yoshi. Sie wird mich nie verraten. Verlass dich drauf.“

Mit einem wehmütigen Zug sah Sakura mich an. Sie trat vor mich, nahm mich in die Arme und flüsterte: „Du bist ganz schön groß geworden. Und in vielerlei Hinsicht gewachsen. Man sollte immer ein offenes Ohr für seine Gefühle und Instinkte haben, das ist richtig, Akira-chan. Aber behalte den Gedanken dennoch im Hinterkopf. Ich will dich nicht verlieren.“

Sie löste sich von mir und verließ die Küche. Dort blieb sie noch einmal stehen und meinte: „Ich weiß, es ist dumm und torpediert meine eigenen Worte, aber ich glaube auch daran, dass Lilian ein gutes Mädchen ist.“

Erleichtert nickte ich. Und begann wieder meine Suche nach einer Flasche Wasser.
 

Während ich vornüber gebeugt in einem Schrank suchte, fühlte ich, wie sich zwei Arme um mich schlossen. Tränen durchnetzten mein Hemd und rhythmisches Schluchzen einer Frau war zu hören. „Lonne verrät dich nicht“, flüsterte die Außerirdische mit tränenschwangerer Stimme. „Lonne verspricht das.“

Ich richtete mich langsam auf, drehte mich in ihrer Umarmung. „Ich weiß das, Lonne. Ich weiß das.“

Sie schluchzte. „Bevor Lonne diesen Auftrag erhielt, war das Leben so leer. Essen, schlafen, den Mecha steuern. Essen, schlafen, den Mecha steuern. Lonne hat das gemacht, weil man gesagt hat, es gäbe keinen besseren Piloten. Lonne dachte immer, das muß so sein.

Aber dass die Kronosianer Lonne diese riesige Bombe auf den Rücken des Mechas schnallen…“ Wieder schluchzte sie auf.

„Ich will hier nicht weg. Mir gefällt es hier. Hier bei dir und den anderen. In der Schule. Beim einkaufen, beim Karaoke. Dieses Leben macht soviel Spaß. Ich will für immer Lilian bleiben.“

Ich schluckte hart, um den Kloß in meiner Kehle los zu werden.

„Ich werde dich nie verraten“, hauchte sie.

Mit einem feinen Lächeln strich ich ihr über das lange, weiße Haar. „Ich weiß, Lilian.“

Ihr Kopf fuhr hoch. Sie sah mich ungläubig an. Dann nickte sie freudestrahlend.

Als ihr Kopf wieder auf meiner Brust ruhte, fragte sie: „Können wir noch etwa so stehen bleiben?“

Ich schmunzelte. „Natürlich, Lilian.“

Gleich Morgen würde ich Megumi über diese wichtige Änderung in unser aller Leben informieren.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Erzsebet
2007-11-26T11:25:06+00:00 26.11.2007 12:25
Im letzten Kapitel mußte ich erst mal ein bißchen warm werden mit der Geschichte, aber das gelang mir dann ganz gut. Und nun hast du mich entgültig am Haken.
Endlich ein paar Rätsel, die zu lösen verdient werden! Das mit den Magical Youma Slayern ist ja nicht wirklich so ein großes Rätsel mehr, seit 'Akira' Hina während des Manövers gesehen hat.
Aber was ist das für eine Geschichte, die keiner ausspricht aber alle kennen - außer 'Akira', der Grund, warum Blue Lightning eine Weile pausierte? Was für ein Handicap? Was für ein Rätsel? Welcher Grund stand dahinter? Du machst es mal wieder sehr sehr spannend.
Außerdem die zunehmende Absorption des Helden durch die Animewelt - ihre seltsamen physikalischen Phänomene, das alles ist super geschrieben und sehr witzig.
Das Manöver dagegen ist wirklich spannend geschrieben, das Ganze hält sich schön abwechslungsreich die Waage.
Und anscheinend gehört der beheizte Pool im Garten auch zu deinen running gags, nicht nur die Namen.

Schöne Grüße und bis zum nächsten review, Erzsebet
Von: abgemeldet
2007-01-26T09:46:50+00:00 26.01.2007 10:46
Ok, sollte vielleicht langsam mal Kommis schreiben.. *drop* da ich am PC nicht mehr zum lesen komme, bin ich fleßig am drucken und lese es, wenn ich nicht am pc hocke. ^__^´

liege permament ständig vor lachen am boden. ^^
Von: abgemeldet
2005-05-02T17:26:49+00:00 02.05.2005 19:26
HaHA!!
Hier bin ich, Rainbow-Slayer! Du, mieser kleiner Schreiber-Youma, hjältst unbescholtenSchülerinnen vom Lateinlernen ab, obwohl sie bald eine SA schreiben, weil sie unbedingt weiterlesen müssen!! Hiermit bestrafe ich dich mit meinem Rainbow-Flash-Lipstick-Love-Power-Mega-Moon-Eyeshadow-Magic-Girl- Kommentar!! HAHA!!
*weghüpf*
Favorit dieses Kapitel: DIE YOUMA-JÄGERINNEN!! >.<

P.S.: Interessanter Nick... Kommt das ACE vom Getränk, vom Waschmittel oder ist es eine andere Abkürzung?^^
Von:  Carnidia
2005-02-09T18:53:54+00:00 09.02.2005 19:53
Cool! Immer noch spitze! Vor allem immer wieder diese Hinweise auf die fehlende Realität ... SUPER!
^.^v


Zurück