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Abraxas

Die Sehnsucht in mir
von

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Die Jäger

Das erste was Abraxas spürte, als sich seine Sinne langsam wieder zu klären begannen, war der stechenden Schmerz in seinem linken Arm. Er fühlte sich an, als wäre er seit Ewigkeiten nicht mehr bewegt wurden und als der Vampir endlich die Augen öffnete und versuchte aufzuspringen, verstand er auch warum.

Der Vampir befand sich in einem kleinen abgedunkelten Raum. Vor dem einzigen Fenster hing ein schwarzer Vorhang, wofür Abraxas sehr dankbar war. Noch immer lag ein leichter Rotschimmer auf seiner Haut, auch wenn sie zunehmend in ihre alte Blässe zurückkehrte. Ansonsten war das Zimmer eher karg eingerichtet. Es gab einen kleinen Schrank, der aber leer zu sein schien einen winzigen Schemel, welcher jedoch außerhalb von Abraxas Reichweite stand und eine harte Holzpritsche, auf der Abraxas wohl bis eben geschlafen hatte. Das zumindest erklärte seine Rückenschmerzen, nicht aber das Problem mit seinem linkem Arm. Das ließ sich aber auch recht einfach klären. Angewidert starrte Abraxas das kleine unscheinbare Ding an, welches ihn kompromisslos an die Steinmauer kettete. Geschickt gemacht, dass musste man dem Hersteller schon lassen. In die Mauer war ein einfacher Metallring durch den sich eine weitere Eisenkette zog, deren Länge man beliebig verändern konnte, so man denn den Schlüssel zum Schloss besass, was am Beispiel Abraxas wohl eher nicht der Fall war. Die Kette mündete in einem weiteren Metallring und dieser schloss sich -wie konnte es auch anders sein - genau um Abraxas' linkes Handgelenk. Das alleine hätte ja schon gereicht um ein vernünftiges Sitzen geschweige den Liegen zu einem Gewaltakt zu machen. Gemeinerweise war der Zentralring aber in einer solchen Höhe angebracht, dass sitzen mit herabhängendem Arm absolut unmöglich war. Jetzt da er auf dem Boden stand, war ihm das nur möglich in dem er seinen Arm waagerecht zum Erdboden ausgestreckt hielt. Wollte er den Arm einfach mal nach unten hängen lassen, hätte er sich schon auf die in die Wand eingebrachte Pritsche stellen müssen. Das einzige auffällige im Raum waren lange und tiefe Kratzspuren, die gewaltige Krallen in den Stein geschlagen haben mussten. Der Vampir erschauderte. Er schien nicht der erste zu sein, der hier festgehalten wurde und er wollte gar nicht wissen was vor ihm diesen Raum bewohnt hatte.

Nachdem sich Abraxas eine ersten Überblick über seine Situation verschafft hatte, kamen auch schon alle möglichen Gedanken zurück. Wo zum Teufel war er hier eigentlich? Das Letzte woran er sich erinnern konnte war, dass er auf einem sonnengeflutetem Feld fast verbrannt wurden war und diese Männer um ihn herum doch vorgehabt hatten ihn wie jeden anderen räudigen Vampir umzubringen. Warum aber lebte er dann noch?

Hinter ihm knarrte plötzlich die Tür und Abraxas drehte sich hastig in die Richtung aus der das Geräusch kam. Sein Handgelenk knackte böse, wegen der schnellen Bewegung und Abraxas kniff eines seiner Augen zusammen, als der Schmerz ihn durchzuckte. Schnell aber blinzelte er wieder um die eintretende Gestalt zu betrachten. Es war der junge Mann, den er bereits im Wald kennen gelernt hatte. Der, der ihm das alles hier erst eingebrockt hatte!

Irgendetwas von Abraxas Gefühlen in diesem Moment musste wohl in seinem Gesicht gestanden haben, denn Ensyis konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, während er nach dem Schemel griff und sich außerhalb der Reichweite Abraxas' hinsetzte.

"Ich sehe schon. Du scheinst dich an mich zu erinnern!",begann er feixend. Seine Augen ruhten mit mildem Spott auf Abraxas. Der schürzte die Lippen. Er würde kein Wort sagen... da konnte sich der Kerl verbiegen wie er wollte.

"Mein Name ist Ensyis. Ich bin ein Dämonenjäger in Ausbildung. Also überlege es dir zweimal ob du mich anfallen willst oder lieber doch nicht. Und dein Name ist?"

Abraxas drehte den Kopf weg. Seinen Namen würde er nicht verraten.

Ensyis wirkte etwas enttäuscht, ließ sich davon aber auch nicht aus der Fassung bringen. "In Ordnung. Dann werde ich dich... Fluffy nennen? Fluffy... ja das könnte mir gefallen! Nicht Fluffy?" Wütend drehte Abraxas seinen Kopf wieder zu Ensyis hin. "Abraxas!", fauchte er ihn an. Dieser lächelte nur. "Das war jetzt das erste Wort, was du gesagt hast, Abraxas. Es wird doch."

Plötzlich hörten die beiden wieder die Tür knarren. Hastig sprang Ensyis von seinem Platz auf, um den Schemel für seinen Meister frei zu machen. In Abraxas begann sich alles zu verkrampfen, während der Krieger eintrat. Dieser trug jetzt nur noch normale Kleidung wie Ensyis auch, die Rüstung hatte er abgelegt. Trotzdem wirkte er für den jungen Vampir furchteinflößend wie eh und je. Mit einem unbestimmbaren Blick musterte der Krieger erst Ensyis, der sich recht unwohl in seiner Haut zu fühlen schien, wand sich dann aber Abraxas zu. Der Vampir konnte förmlich sehen, wie es hinter der Stirn des Mannes arbeitet nur war er sich nicht schlüssig darüber ob diese Arbeit für ihn nun positive oder doch eher negative Auswirkungen haben würde. Schließlich nickte der Mann, als hätte er für sich selbst etwas vereinbart. "Mein Name ist Dylan und ich bin ab heute dein neuer Herr. Du gehörst mir!", begann Dylan seine Rede und Abraxas hatte schon genug gehört.

Er gehörte ihm? Wütend schüttelte Abraxas den Kopf. Er war nicht von der Burg verschwunden und hatte sich von Meantoris losgesagt um sich nun einem anderen unterzuordnen. Rot glühten die Augen auf und blickten Dylan hasserfüllt an.

"Oho, ich sehe schon wie dir gefällt, was dir hier nun dargelegt wurde, kleiner Vampir. Aber bedenke dein Leben liegt in meiner Hand. Es hängt ganz von meiner Stimmung ab wie lange es noch andauern wird." In Dylans Stimme lag ein gehässiger Klang, der Abraxas Zorn aber eher noch anstachelte anstatt ihn zu bändigen. Von so einem Menschen würde er sich nicht beugen lassen. "Ein Leben in Gefangenschaft? Nein danke. Darauf kann ich verzichten. Töte mich ruhig wenn dir danach ist, mir soll es recht sein!",antwortet der Vampir arrogant. Während er sprach lies Abraxas Dylan keinen Moment aus den Augen. Ensyis hatte er schon fast vergessen. Dylan seufzte und sah einen kurzen Augenblick nach unten und dann wieder zu Abraxas. "Junge, du kennst den Unterschied zwischen Leben und Leben noch nicht wie mir scheint. Ensyis, das Fenster."

Fenster? Wieso Fenster? Abraxas Augen weideten sich als er Ensyis dabei beobachtete, wie dieser gemächlich zum Fenster schlenderte und dort den dunklen Vorhang beiseite zog. Sofort hatten sich die Sonnenstrahlen im ganzen Raum verbreitet, es war taghell.

Abraxas kreischte auf, während er sich hastig versuchte vor dem sengenden Licht in Sicherheit zubringen. Aber wieder hielt ihn der Metallring gnadenlos an der Wand gefesselt genau im Einstrahlungsbiet der Sonne. Zitternd presste er sich an die Wand, soweit wie es nur ging von der Sonne weg, aber es war gleich. Sie war überall. Schlagartig war seine gesamte Haut wieder rot angelaufen. Die Verbrennungen schienen diesmal sogar schlimmer zu sein, als noch beim letzten Mal. Wahrscheinlich weil er von der ersten Bekanntschaft mit der Sonne noch vollkommen erschöpft war.

Dylan näherte sich langsam dem zitternden Vampir, der sich auf der Holzpritsche zusammen gekauert hatte. "Schau doch wie du JETZT ausschaust, Vampir. Das ist erbärmlich, weißt du das? Tränen... hat dir niemand beigebracht, dass Tränen ein Privileg der Menschen sind? Ein Ding wie du hat kein Anrecht auf solch ein Geschenk!",schnarrte der Dämonenjäger und packte dann Abraxas am Hinterkopf. Brutal zerrte er ihn an den blauen Haaren herum, dass der Vampir ihm ins Gesicht sehen musste und in das Licht der Sonne. Sein Gesicht war tränenverschleiert, von der Qual gekennzeichnet, die er durch litt aber da war auch noch etwas anderes. Tiefster Hass, begann sich in Abraxas zu materialisieren. Seine dunkle Seite schien ihm zuzuflüstern. "Ich hab es dir ja gesagt, jetzt siehst du was du davon hast. Komm zerreiße, zerfetzte ihn! Mach diesem elendigen Wurm ein Ende!" Und diesmal gab Abraxas der Stimme in ihm Recht.

"Ich werde dich töten!", würgte er hasserfüllt hervor, bevor ihn der Schmerz wieder zusammenzucken ließ.

"Oh ja, das würdest du tun",antworte Dylan vollkommen gleichgültig. "Sobald sich dir die Gelegenheit bieten würde und du vor allem kräftemäßig dazu in der Lage bist, würdest du mich ohne mit der Wimper zu zucken umbringen. Keine Tränen würdest du mir nachweinen, vielmehr würdest du über den alten Narren lachen, der es wagen konnte dich so zu unterschätzen. Und du wirst mein Blut mit deinen Zähnen und Krallen aufsaugen und mein Fleisch wirst du auf dem Feld verteilen, dass die wilden Tieren sich darüber hermachen können. Das denkst du doch, nicht wahr? Ich kenne dich und deinesgleichen gut. Und in deiner ganzen kranken Perversion hast du eines vergessen.",lachte Dylan dunkel. "Bevor es soweit kommt werde ich genau das mit DIR machen, also zähl schon mal deine Tage, kleiner Vampir."

Dylan hatte sich immer mehr über Abraxas gebeugt, der zunehmend nach unten gerutscht war, so weit es die Kette eben zuließ. Fast sanft berührte der Krieger Abraxas unter dem rechten Auge und drückte dann ohne Verwarnung fest zu. Abraxas stöhnte auf. Seine Haut war im Moment extrem empfindlich er wollte auf keinem Fall berührt werden. "Wie du mich anschaust. Deine Augen sie strahlen nur so vor lodernden Hass, ja du willst mich wirklich töten. Ich werde dich lehren mich so anzusehen!"

Brutal knallte er Abraxas Hinterkopf nun an die Steinmauer. Der blaue Haarschopf begann sich rot zu färben. Als nächstes zog Dylan wieder den Dolch, welchen Abraxas bei ihm schon einmal gesehen hatte. Nachdenklich drehte er ihn in seiner Hand hin und her. "Was denkst du? Soll ich sie dir herausschneiden? Deine schönen rotbraun getünchten Augen. Ich werde sie ihn Formalin einlegen und jeden Tag betrachten können. Und du wirst blind, von den Strahlen der Sonne gepeinigt darauf warten müssen, dass dich endlich jemand von deinen immer währenden Qualen erlöst. Na wie wäre das kleiner Vampir?"

Fassungslos starrte Abraxas den glänzenden Stahl der Waffe an. Kaltes Entsetzten begann nach seinem Herzen zu greifen. Dieser Mann meinte es tot ernst. Hinter dem Krieger lehnte Ensyis aufs äußerste konzentriert an der Wand. Seiner Meinung nach ging das alles hier schon viel zu weit, aber er hatte kein Recht einzuschreiten. Der Vampir hatte es ganz alleine in der Hand, was mit ihm geschehen würde. Das schien auch Abraxas einzusehen. Ergeben senkte er schließlich die Augen, was Dylan den Anlass gab, Ensyis die Fenster schließen zu lassen und sich von Abraxas zu entfernen.

"Dein Glück, dass du noch so jung bist. Jeder andere Vampir hätte sich spätestens jetzt auf meinen Hals gestürzt und hätte damit sein Todsurteil unterschrieben. Belassen wir es für heute dabei!" Dylan steckte den Dolch wieder in den Gürtel und drehte sich dann von Abraxas weg um das Zimmer zu verlassen. Im Vorbeigehen raunte er Ensyis noch zu, dass dieser sich um den Vampir kümmern sollte, dann verschwand er endlich hinter der Tür.

Zögernd trat Ensyis einen Schritt auf den jungen Vampir zu, der teilnahmslos nach vorne starrte. Jeder andere Vampir - er war nicht wie die anderen - er war ein Versager auf der ganzen Linie.

Ensyis stand nun unmittelbar in der Nähe Abraxas und betrachtete ihn nachdenklich. Die roten Brandstellen auf der Haut begannen bereits wieder zu verblassen, auch der Blutfluss von Hinterkopf Abraxas' begann bereits allmählich nachzulassen. Abraxas spürte schon kaum noch etwas. Wenigstens das funktionierte bei ihm wie bei jedem anderen Vampir. Derartige Verletzungen waren auf Dauer keine ernsthafte Bedrohung. Das wusste Ensyis eigentlich auch, trotzdem wies er Abraxas an, ihn seinen Hinterkopf untersuchen zu lassen. Der Vampir bedachte den jungen Mann mit einem langen nachdenklichem Blick. Zum ersten Mal nahm er den blonden Jüngling überhaupt richtig war. Er war schön. Die Frauen standen an seinem Haus sicher Schlange um in seine Gunst zu gelangen. Die blonden Haare wellten sich in sanften Locken, die leicht auf die schmalen Schultern des Mannes fielen. Um den schmalen, wohlgeformten Mund herum hatten sich kleine Fältchen gebildet, die wohl vom häufigem Lachen kamen. Abraxas war sich ziemlich sicher, dass er so etwas nicht besass. Und die Augen... Die Augen waren von einem solch markantem Grün, dass sie alles zu durchdringen schienen. Es war das erste Mal, dass jemand Abraxas ansah, ohne dass in desjenigen Augen Abscheu oder Verachtung lagen. Auch war es keine Gleichgültigkeit. Vielmehr lag in diesen Augen so etwas wie mildes Mitleid und kaum verhohlene Neugier und irgendetwas war darin, dass Vertrauen ausstrahlte. Wahrscheinlich waren es diese Augen, die Abraxas schließlich den Kopf senken ließen, so dass Ensyis problemlos an die Verletzung heran konnte. Rasch überprüften die flinken Finger das Ausmaß der Verletzungen. Ensyis nickte und ließ Abraxas dann für einen kurzen Moment alleine um anschließend sofort wieder mit etwas Verbandsmaterial und auch einigen anderen Dingen zurück zukehren. Verstohlen betrachtete Abraxas eine mitgebrachte Nadel, durch die Ensyis begonnen hatte einen Faden aufzufädeln. "Die Wunde am Hinterkopf sollte genäht werden, ich zweifle zwar auch nicht daran, dass es auch ohne verheilt aber so bist in ein paar Stunden das Problem schon wieder los. Also lass mich machen!"

Abraxas hätte am liebsten laut aufgeschrieen, als sich Ensyis an der Verletzung zu schaffen machte. Die Nadelstiche taten weh. Immer wieder spürte Abraxas wie der Faden durch die Haut seines Hinterkopfs hindurch gezogen wurde. Stich um Stich. Zustechen, ziehen, zustechen, ziehen und zum Schluss verknoten. Dann war es auch schon vorbei bevor der Vampir wirklich rasend werden konnte. Hastig hatte sich Ensyis wieder von ihm entfernt. Er schien sich des Spiels mit dem Feuer bewusst zu sein in welches er sich gewagt hatte. Abraxas Augen glühten während er sich wieder dem jungen Mann zuwandte. Langsam begann sich das Zimmer um ihn herum zu drehen. Immer noch hatte er kein Blut zu sich genommen, noch kein einziges Mal, seit er zum Vampir geweiht wurden war. Das konnte nicht gut sein. Wenn er doch nur aufstehen hätte können, wenn er beide Arme zur Verfügung gehabt hätte. Er hätte es wohl darauf ankommen lassen wer der Stärkere von Beiden war. Ensyis oder er.

Soweit kam es aber nicht. Ensyis kam den durstigen Vampir zuvor, in dem er ihm einen Krug in die freie rechte hand drückte. Verwirrt betrachtete Abraxas die dunkle, rote Flüssigkeit, die sich darin befand. Sie roch so verlockend. Der Vampir in ihm hätte es nicht sehen müssen um zu wissen worum es sich handelte. Trotzdem machte Abraxas immer noch keine Anstalten zu trinken. Seine andere Hälfte hätte ihm dafür am liebsten ein paar saftige Ohrfeigen verpasst. Schließlich stellte Abraxas den Krug sogar weg. Ensyis schien es nicht fassen können.

"Hey! Was soll das?", schimpfte er:"Das ist gesundes Schweineblut! Ist dir das etwa nicht gut genug, verwöhntes Ding? Glaubst du etwa du bekommst hier Menschenblut, wenn du nur lange genug ausharrst?" Fassungslos schüttelte Ensyis den Kopf. "Es bringt dir überhaupt nichts hier wählerisch zu sein! Nimm gefälligst was du kriegst!"

Wütend wirbelte Abraxas seinen kopf zu Ensyis herum. Die roten Augen schienen ihn fressen zu wollen. "Narr! Könntest du einfach so Blut trinken?" Irritiert schüttelte Ensyis den Kopf. "Nein, natürlich nicht. Ich glaube ich würde mich übergeben, wenn ich gezwungen wäre Blut zu trinken. Aber ich bin ja auch kein Vampir!"

Abraxas lachte höhnisch, während sich seine Augen immer stärker zu glühen begannen. "Ach? Und nur weil ich einer bin muss es mir also leichter fallen? Schön wärs !", wütend drehte er den Kopf von Ensyis weg. Was erwartete er auch? Etwa Verständnis?

Ensyis schien nun endlich begriffen zu haben. Stirnrunzelnd griff er wieder nach dem Schemel und zog ihn unter seine Beine. "Wie alt bist du?", fragte er.

"Vierundzwanzig", knurrte Abraxas böse zurück.

"Das meine ich nicht. Wie alt bist du als Vampir? Wann hast du deine Weihe empfangen?", fragte Ensyis geduldig. Er ließ sich von diesem störrischem Wesen weder verunsichern noch aus der Ruhe bringen. Ruhig begegnete er Abraxas' Blick als dieser wieder den Kopf hob und ihn ansah. Es verging einige Zeit bis Abraxas endlich antwortete. Ensyis Frage hatte schlechte Erinnerungen geweckt. "Das ist keine Woche her", antwortete er leise. "Und warum, hast du die deine Gruppe verlassen? Das ist doch nicht üblich in dem Alter!" Jetzt hatte sich Ensyis zu weit nach vorne getraut. Er erkannte es sofort an Abraxas Blick. Der Vampir würde nicht mehr antworten. "In Ordnung. Hör zu. Ich nehme mal an, dein Arm dreht mittlerweile fast durch vor Schmerz. Deine Augen verraten mir, dass ich wohl Recht haben muss. Ich würde die kette lockern, damit du den Arm runter nehmen kannst, aber vorher musst du leider das Blut trinken. Sonst ist mir das zu gefährlich dir mehr Bewegungsfreiheit zu geben."

Resignierend wanderten Abraxas Augen wieder zu den Blutgefäß. Früher oder später musste er es ja sowieso trinken... und wenn er so gleich diese lästige Halterung loswerden würde? Es kostete ihm allerhand Überwindung noch einmal nach dem Krug zu greifen und erst recht, diesen dann auch an seine Lippen zu setzten. Abraxas Hände zitterten leicht, das gab sich aber schlagartig, als der erste Tropfen des köstlichen Getränks seinen Mund berührte. Der Vampir in ihm bäumte sich auf und drängte Abraxas Verstand mühelos in die hinterste Ecke seines Geistes zurück. Gierig sog er jeden einzelnen Tropfen in sich auf und ließ nicht den kleinsten Rest zurück. Ein mörderischer Glanz hatte sich in seine Augen geschlichen, während er nun Ensyis anstarrte. Durst... er hatte immer noch Durst und er wollte nicht nur so widerliches Schweineblut. Nein er wollte das Blut eines Menschen. Und es war so nah... Abraxas sah die pulsierende Halsschlagader Ensyis'. Er schien Angst vor ihm zu haben, ein entsetzter Ausdruck lag in seinem Gesicht. Abraxas machte einen Schritt nach vorne, während Ensyis gleichermassen einen Schritt zurücksetzte. Und noch ein schritt, er kam dem Menschen immer näher. Oh wie sein herz schlug. Die feinen Ohren hörten es bis hierher. Es war eine himmlische Melodie der angst. Ba-bumm. Ba-bumm. Und immer schneller und schneller. Dann konnte der Vampir plötzlich nicht mehr weiter. Knurrend wand er den Kopf zurück um sehen wo das Problem lag. Immer noch hielt ihn der Metallring an die wandgefesselt. Das sollte sich gleich ändern. Böse grinsend bewegte der Vampir ruckartig den linken Arm und brach so den Metallring mühelos aus der Wand heraus. Zwar war die Kette immer noch an seinem Handgelenk, aber die war ja nun lang genug. Ensyis keuchte erschrocken auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Dieser Blick mit dem er angestarrt wurde. Voller gier und Mordlust, das war doch nicht derselbe Abraxas mit dem er sich eben noch unterhalten hatte. Nein er war es nicht. Der Echte war tief in die Ebenen seines Geistes verdrängt wurden, jetzt regierte der Instinkt und der würde sich jeden Moment auf den jungen Mann stürzen. Wie eine Raubkatze schlich Abraxas immer näher auf Ensyis zu. Der war es nun, der sich immer mehr gegen die Wand drücken musste. Der Vampir stand genau zwischen ihm und der Tür. Die Tür... die Tür öffnete sich! Sein Meister musste die Geräusche aus dem Nebenzimmer gehört haben! Irgendwo musste der Vampir wohl etwas in Ensyis Augen gelesen haben, möglicherweise einfach eine Reflektion des Geschehens. Ohne überhaupt Nachzudenken wirbelte der Vampir herum drehte sich zu dem eintretenden Hin und schleuderte den arm nach vorne. Zielsicher würden seine Krallen ihren Weg zum Herzen des Jägers finden. Sie würden es aus seiner Brust herausreißen und ihn zwingen sein eigen Fleisch zu essen bevor es ihm vergönnt wurden wäre zu sterben.

Bei jedem anderen hätte es wohl auch funktioniert, so schnell, wie sich der Vampir bewegte. Aber Dylan reagierte ungleich schneller. Geistesgegenwärtig griff er sofort nach den hervorschnellenden Arm und nutzte den eigenen Schwung des Vampirs um ihn zu Boden zu werfen. Ein hässliches Knacken durchdrang den Raum, als Abraxas Arm brach. Aber er fand nicht einmal Zeit zu schreien, da fegte ihn ein Tritt Dylans schon quer durch den Raum. Wo nahm dieser Mensch nur diese Kraft her? Es knackte laut, als Abraxas mit dem Rücken gegen die Wand des Zimmers knallte. Vor seinen Augen tanzten rote Funken und er schmeckte Blut, aber diesmal sein eigenes. Schon war Dylan wieder über dem Vampir. Er hatte ein Messer gezückt und schien diesmal war machen zu wollen, was er dem Vampir bereits bei ihrem ersten Zusammentreffen angedroht hatte. Bevor er das Messer aber herabsenken konnte um sein grausiges werk zu beginnen wurde Dylans Arm von Ensyis festgehalten. Dieser schüttelte den Kopf: "Herr, das ist nicht notwendig. Er ist doch wieder er selbst.",meinte er beherrscht um seinen Meister zu beruhigen. Erst als sich Ensyis sicher sein konnte, dass Dylan sich nicht wieder auf den am Boden liegenden Vampir stürzen würde, ließ er los. Abraxas hatte sich auch leicht wieder aufgerichtet und hielt sich nun wimmernd den gebrochenen Arm. Nein das war nicht mehr das blutrünstige Monster von eben. In diesen Augen lag nur noch Angst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2004-11-21T15:25:17+00:00 21.11.2004 16:25
Wah!
Wie kannst du jetzt aufhören? Ich möchte so gerne wissen, wie's weitergeht! Bitte beeil dich mit dem nächsten Kapitel!
Ich finde die Geschichte um Abraxas wirklich interessant. Ob er jetzt wohl für immer und ewig in diesem Gefängnis bleiben muss? Oder kann der "böse" Abraxas doch einmal eine Gelegenheit nutzen und fliehen?

Bye bye
Ifnaka


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