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Abraxas

Die Sehnsucht in mir
von

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So jung

Die Sonne schien schon hoch am Himmel zu stehen, während Jungvampir Abraxas immer noch durch das dichte Untergehölz der Bäume stolperte. Das anfängliche Wäldchen hatte sich als ausgewachsener Wald entpuppt und langsam musste er es sich wohl oder übel eingestehen. Wenn man in einer völlig fremden Gegend nicht mehr wusste woher man gekommen war und auch nicht mehr wo man hin wollte, hatte man sich in der Regel verlaufen. Da halfen einem auch höchstentwickelte Vampirsinne kein Stück.

Resignierend blieb der Blauhaarige schließlich stehen. Auf seiner Haut hatten sich vereinzelt rote Flecken gebildet, welche höllisch brannten und wohl vom Sonnenlicht stammten, das doch ab und zu durch die lichter werdenden Baumkronen hindurch stieß.

Langsam wurde es Abraxas immer deutlicher vor Augen geführt. Aus der anfänglichen Vermutung wurde zunehmend brennende Gewissheit. Es stand nicht gut um ihn.

Es waren nicht nur die vielen kleinen aber um so schmerzhafteren Verletzungen, die er sich während seiner Waldwanderung zugezogen hatte. Es war auch nicht die Müdigkeit, die ihm mehr und mehr zu schaffen machte. Nein es war etwas viel tiefer sitzendes.

Zum ersten Mal seit der Verwandlung begann sich der Durst in ihm zu melden. Und mit ihm zugleich wurde der Vampir in ihm immer stärker. Dieses uralte böse Etwas, voller Gier und ungebändigter Wut getrieben.

Hastig begann Abraxas sich wieder in Bewegung zu setzten. Er durfte nicht warten, bis dieser wilde Instinkt die Kontrolle über ihn übernahm. Wer wusste schon ob es ihm möglich war dieses "Ding" in ihm auch wieder zurück zu drängen?

Sein bis vor kurzem noch orientierungsloses Umherirren hatte sich nun in eine gezielte Suche verwandelt. Niemand hatte es ihm beigebracht, aber Abraxas wusste ganz von alleine wie er sich zu verhalten hatte und ohne, dass er es selbst wirklich bewusst wahrnahm wurden seine Schritte zwar immer schneller aber auch gleichermassen immer leiser. Bald war kaum noch ein Laut zu hören. Kein Blatt bewegte sich und kein Rascheln war zu hören.

Abraxas' spitze Ohren hatten sich aufgestellt und durchforschten die Umgebung nach jedem auch noch so winzigen Geräusch. Die roten Augen hatten sich geklärt und leuchteten gierig in den Wald hinein. Nichts würde ihrem messerscharfen Blick entgehen. Der Vampir war auf der Jagd.

Dummerweise nur erfolglos.

Wie bereits die Pferde im Stall, schienen auch sämtliche Waldtiere mitbekommen zu haben, dass sich der Vampir näherte und hatten sich instinktiv aus dem Staub gemacht. So war es im Wald nahezu totenstill. Still genug, dass er das kaum wahrnehmbare Geräusch dann doch noch hörte. Es war ein Wispern, wie wenn sich mehrere Leute leise unterhielten, tappende Schritte und das Knacken kleiner Zweige, die zerbrachen. Menschen.

Es mussten Menschen sein. Kein anderes Wesen verhielt sich so laut, war so arrogant, dass es sich einbildetet das höchste aller Geschöpfe zu sein. Nur so jemand konnte es wagen derart hemmungslos durch den Wald zu stapfen und die Ruhe der Natur zu stören.

Der Wind stand günstig, so dass einige Gerüche zu ihm herüber geweht wurden. Genüsslich sog der Vampir mit in den Nacken gelegten Kopf den Duft ein. Den Duft von warmen Fleisch, von Schweiß, der auf der nackten, verlockenden Haut glänzte. Und das Blut.

Blut mit seiner kräftigen roten Farbe und dem süßlichen Duft. Oh und der Geschmack... der Geschmack. Wie musste es erst sein, wenn man die Zähne in die pulsierende Halsschlagader einer lieblichen Jungfrau schlug? Ihr den köstlichen Lebenssaft raubte. Wenn sich das Blut immer schleimiger und zähflüssiger durch die Adern quälte, der Körper erschlaffte und der rote Saft schließlich ganz zum Erstarren käme. Was musste das für ein Gefühl sein?

Würgend riss Abraxas seine rechte Hand nach oben und hielt sie sich vor den Mund. Einige Zeit verging bis der Brechreiz endlich nachließ. Genug Zeit um Abraxas die Situation erfassen zu lassen. Eben, da war er wieder da gewesen, der Vampir in ihm. Blutdurstig und mordlüstern. Der Instinkt hatte sein Selbst verdrängt, einfach so, ohne dass es Abraxas selbst wirklich mitbekommen hatte. Einfach so. Und er hatte nichts machen können. Sein Verstand raste während sein Herz immer schneller zu schlagen begann.

Er war ein Vampir. Er brauchte Blut um zu überleben. Das war ganz natürlich. Das allerdings zu wissen und tatsächlich jemanden anzufallen, waren zweierlei Dinge.

Jetzt wo wieder der wahre Abraxas die Oberhand hatte war die Vorstellung tatsächlich auf irgendeine Person loszugehen und ihr Blut zu trinken abschreckend wie eh und je. Wieder machte sich ein leichtes Brechgefühl in seinem Magen bemerkbar. Was war er nur für ein lausiger Vampir? Ein echter Dämon würde sich totlachen über ihn. Na wenigstens etwas.

Für einen Moment verharrte Abraxas noch an Ort und Stelle, dann drehte er sich um. In die Richtung aus der er die Geräusche vernommen hatten. Über das Wie machte er sich im Moment erst mal keine Gedanken, dass würde sich schon an Ort und Stelle finden. Nun musste er nur erst einmal die Stelle erreichen.

Seine Augen begannen wieder langsam aufzuleuchten, während der Vampir sich in Bewegung setzte. Es würde sich schon alles finden.
 

Noch musste Abraxas einige Zeit lang laufen , bis er die Verursacher der Geräusche endlich fand. Zwar hatten ihn seine Sinne getäuscht, was die Entfernung der Menschen anbelangte, doch ließen sie ihn nicht im Stich, wenn es nur darum ging auf ihrer Fährte zu bleiben. Bald war es nur noch seine Nase, die den ausgehungerten Vampir voran trieb.

Aber die Nähe der scheinbar so sicheren Beute machten den jungen Mann auch unvorsichtiger, so bemerkte er nicht, dass er sich je weiter er den Menschen folgte immer mehr dem Rand des Waldes näherte und mit ihm zusammen gleichermassen der verhassten Sonne. Schon jetzt war das Blättergewirr der Bäume immer lichter geworden und die Brandstellen auf seinen nackten Armen hatten sich um ein vielfaches vermehrt. Das alles bemerkte er nicht mehr. Wieder hatte der Instinkt in ihm die Oberhand gewonnen. Der Geruch der nun schon sehr nahen Menschen machte ihn rasend. Abraxas beschleunigte seine Schritte sogar noch um schneller bei seinen Opfern zu sein. Er wollte sie zerreißen, zerfetzten, ihre Eingeweide über den satten Waldboden verstreuen und er wollte ihr warmes köstliches Blut trinken.

"Und du bist dir sicher, dass hier tatsächlich einer ist?", erklang plötzlich eine tiefe Männerstimme, die Abraxas veranlasste sich hastig hinter dem nächsten Gebüsch zu verstecken. Zaghaft hob er den Kopf über das üppige Gestrüpp der Blätter hinweg, jederzeit bereit wieder im Dickicht zu verschwinden. Wie er feststellen musste, hatte er tatsächlich keinen Schritt zu wenig gemacht. Wäre er noch weitergegangen, wie er es vorgehabt hatte, wäre er augenblicklich in die Gruppe von Männer, die vor ihm auf der kleinen Lichtung standen hineingerannt.

Blitzschnell begann Abraxas die Gegebenheiten zu überprüfen. Es waren vier Männer unterschiedlichen Alters. Drei von ihnen, schienen einfache Bauern zu sein, denn ihre Kleidung war ärmlich und schlicht. Auch trug einer von ihnen noch nicht einmal Schuhe. Der vierte aber war anders und er war es der Abraxas zögern ließ. Der Vampir in ihm war zwar immer noch dafür sich sofort auf die Übermacht zu stürzen. Zerreißen... zerfetzten!

Aber der rational denkende Teil in Abraxas behielt diesmal die Oberhand. Erst wollte er wissen, wer diese Leute waren und vor allem was es mit dem Vierten auf sich hatte.

Dieser schien der gewesen zu sein, dem man eben die Frage gestellt hatte, denn er drehte sich zu einem der Bauern um und nickte.

"Ich bin mir sicher. Hast du die Tiere vorhin nicht gesehen? Ich kenne nur wenige Wesen, die in der Lage sind die Geschöpfe des Waldes so in Panik zu versetzten. Selbst wenn es kein Vampir ist, geht hier im Wald auf jeden Fall etwas um, was nicht dorthin gehört."

Abraxas Sinne begannen den vierten Mann nun langsam abzutasten. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf seine Augen sondern nutze auch tiefere Empfindungen, die ihm einfach sein Gefühl übermittelte. Äußerlich schien es sich bei diesem Mann wohl um einen Krieger der höheren Sparte zu handeln. Seine Rüstung machte den Anschein sehr schwer zu sein, aber sie war reich mit goldenen Zeichen verziert, die Abraxas an alte Runen erinnerten. War es vielleicht ein Magier? Der Vampir wusste es nicht. Einem solchem Meister der magischen Strömungen war er noch nicht begegnet. Aber hieß es nicht, dass Hexenmeister in der Regel sehr, sehr alt und sehr dünn waren? Mit langen Gewändern und hohen spitzen Hütten?

Dieser Mann zählte aber keinesfalls mehr als fünfzig Sommer. Auch hing sein Gewand nicht bis zum Boden hinab. Eine Rüstung tat das nun mal nicht. Dünn konnte man den Mann beim besten Willen nun auch nicht bezeichnen. Schlank ja, aber sehr muskelbeladen. Wenigstens hatte der Fremde einen Bart, der war aber weder weiß noch sonderlich lang. Aber wo war der Hut? Statt ihm reckten sich nur ein paar schwarzbraune, krause Haare in die Höhe. Irgendwie schien es sich bei diesem Menschen wohl doch um keinen Magier zu handeln. Aber was wusste er schon? Schließlich hieß es ja auch, Vampire würden sich in Fledermäuse verwandeln, hätten nachtschwarze Haare und wären im Besitz übermenschlicher Kräfte. Von alledem hatte Abraxas aber noch nicht viel gemerkt. Bis jetzt hatte ihm die Verwandlung genaugenommen eigentlich nur Nachteile statt Vorteile gebracht. Nichts der Erzählungen schien sich zu bewahrheiten. "Und was war mit dem Pferd im Stall?", fragte tief in ihm drin eine leise, böse klingende Stimme. Abraxas schüttelte den Kopf. Nichts war da gewesen. Das Pferd war in seiner Panik falsch aufgetreten und deswegen zu Boden gestürzt. So etwas passierte eben. Das hatte nichts mit ihm zu tun.

Während Abraxas in seinem Versteck noch weiter grübelte setzten die vier auf der Lichtung ihre Unterhaltung fort. Keiner von ihnen schien die Gefahr in der sie sich ja augenscheinlich befanden sonderlich ernst zu nehmen. Warum auch? Ein Vampir gegen vier ausgewachsene Männer, von denen einer sogar mit einem mächtigen Breitschwert und einem Langbogen bewaffnet war. Nein das war kein ausgeglichenes Kräfteverhältnis.

"Und was sollen wir jetzt machen? Wenn hier tatsächlich irgend so ein Biest herumläuft müssen wir es fangen und töten.", schnarrte einer der Bauern wütend. Ihn schien es langsam zu stören, dass die Gruppe nur zeittotschlagend in der Gegend herumstand.

"Beruhige dich, Theowulf. Der Vampir wird uns nicht entkommen. Ich bin mir sicher, dass er auf dem Weg hierher ist.", wandte sich der Krieger an den Bauern namens Theowulf. Seine Stimme hatte einen wohligen, warmen Klang und doch schwang eine Strenge in ihr, die jeglichen Widerspruch von vornherein niederwarf.

Einer der Bauern hob entsetzt das Gesicht, als er das hörte. "Der Vampir ist hierher- hierher- unterwegs? Was tun wir dann noch an diesem Ort? Er ist auf dem Weg - hierher? Wirklich? Bist du dir ganz sicher?", keuchte er angstvoll.

"Sehr sicher. Die Tiere, die wir fliehen sahen, liefen in genau entgegengesetzter Richtung zu der unsrigen und noch sind sie nicht zurückgekehrt. Oder siehst du hier irgendetwas?"

"Nein", antwortete der Bauer eingeschüchtert, hob dann aber erneut an: "nur dann..."

Grob wurde er von dem Krieger unterbrochen:" Nur was? Solange hier kein Tier zu sehen ist, ist der Vampir immer noch in der Nähe! Deswegen sind wir doch hier! Oder nicht? Komm durchgrab den Boden! Such ob du auch nur einen Wurm findest! Einen winzigen Käfer nur! Zeige mir einen und wir können hier verschwinden, aber solltest du keinen finden weiche ich hier nicht eine Elle!"

Mit bösem Gesicht griff der Krieger nach unten und riss ein paar Farne mit Wurzeln und Erde aus dem Boden und hielt sie dem Bauern auffordernd hin. "Hier nimm! Such an anderen Stellen. Such! Finde mir einen Käfer!"

Langsam nahm die Stimme des Krieger einen immer ärgerlicheren Ton an. Er schien sich wirklich zu tiefst zu entrüsten.

"Ihr wart es die mich riefen! Ihr habt das Pferd mit dem Zeichen des Vampirlords Meantoris gefunden und aus Angst habt ihr mich aus meinen Studien gerissen um den vermeintlichen Vampir zu jagen! Und nun sind wir da Kurz davor ihn zu fassen und ihr... ihr... Ach!"

Resignierend winkte der Krieger ab. "Was habe ich auch erwartet?"

"Aber Herr. Wäre es denn nicht klüger dem Vampir wenigstens im Licht der Sonne gegenüber zu treten?"

Der Krieger schien den jungen Bauern mit seinen Augen fast aufspießen zu wollen. Wenn Blicke hätten töten können... Ruhig hob er einen Arm und drehte sich einmal ganz im Kreis herum. "Wir stehen hier auf einer Lichtung. Wisst ihr warum man solche Waldstückchen so nennt? Weil da viel Licht durch die Blätter hindurch dringt, vielleicht? Das sollte genügen!"

Betreten schauten die Bauern nach unten. Einer schien seine Hosen auf einmal unglaublich interessant zu finden, während der zweite mit den Füßen unruhig auf dem Boden herum scharrte. Keiner der drei wagte es, seinem Herrn in die Augen zu sehen.

Das konnte doch nicht wahr sein

Wütend drehte sich der Krieger auf seinem Absatz herum und stapfte in Richtung Waldausgang davon, während man ihn immer wieder Verwünschungen und Beschimpfungen ausrufen hörte. Erleichtert folgten ihm die drei Bauern in eiligen Schritten.

Abraxas hatte die ganze Zeit ruhig hinter seinem Busch gehockt und dem Gespräch gelauscht. Sie suchten ihn. Man hatte das Pferd gefunden. Nun hatte er nicht mehr nur Häscher der eigenen Familie, nein auch die anderen hatten ihre Jagd auf ihn eröffnet. Trotz allem hatte sich an seiner Situation nichts verändert. Der Durst war noch da.

Alles in ihm drin, schrie danach sich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung der vier Männer davon zu laufen. Aber er konnte nicht. Wann würde sich ihm schon die nächste Möglichkeit auf frisches Blut bieten? Er musste ihnen folgen, wenn er nicht jämmerlich verdursten wollte. So begann er leise die Verfolgung.

Am Waldrand angekommen nahm Abraxas wieder Deckung hinter einem größeren Strauch. Die kleine Heldentruppe stand nun komplett im Sonnenlicht. Die drei Bauern unterhielten sich wieder lachend miteinander. Jetzt da sie den gefürchteten Wald verlassen hatten schien ihr Mut zurückgekehrt zu sein. Der Krieger aber stand mit verstimmten Gesicht etwas abseits der anderen. Er hatte die Arme vor dem Oberkörper verschränkt und stierte wütend geradeaus. Abraxas war enttäuscht. Jetzt da sie im Sonnenlicht standen konnte er nichts mehr tun. Keine zwei Schritte würde er sich auf den Beinen halten können, denn schon hier im Halbdämmern des Waldrandes spürte er die brennenden Strahlen der himmlischen Feuerscheibe.

Wohl oder übel würde er sich zurück ziehen müssen um irgendwo anders sein Glück zu versuchen. Plötzlich allerdings erhob der Schwertträger wieder sein Wort.

"Und wie lange wollen wir hier jetzt stehen? Kein Vampir wird hier ins Helle kommen!"

Die Bauern begannen unruhige Blicke untereinander zu wechseln. Wollte ihr Herr sie etwa schon wieder in den düsteren Wald führen? Das aber hatte der Krieger nicht vor.

"Ich schlage vor wir warten hier noch, bis auch mein Schüler wieder zu uns stößt. Dann werden er und ich wieder in den Wald gehen. Ihr könnt ja unseren Rückzuck für den Ernstfall sichern!"sagte er sarkastisch.

Von den Bauern kam nur ein zustimmendes Nicken.

Abraxas war hinter seinem Busch indessen der Schreck in die Knochen gefahren. Schüler? Ein fünfte Person? Wo sollte die sein. Hastig begannen seine Sinne die Umgebung abzutasten. Hatte er wirklich so dumm sein können? Nur weil er die Gruppe belauscht hatte, hatte er seine Deckung vollkommen vernachlässigt. Dann hatte er ihn gefunden, aber wenn das stimmte dann...

Im nächsten Moment spürte Abraxas auch schon einen harten Schlag direkt hinten ins Genick. Irgendwie schien der Schlag auf einen Nervenpunkt abgezielt zu haben, denn dem Vampir wurde schwarz vor Augen und er brach stöhnend zusammen.

Der junge Mann hinter Abraxas hatte sich fast lautlos an ihn herangeschlichen und dann entschlossen zugeschlagen. "Meister! Ich glaube ich habe ihn!", rief er nun zu den anderen draußen am Waldrand. Abraxas hatte nicht vollends das Bewusstsein verloren, war aber auch nicht im Stande sich zu rühren. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtete er den hochgewachsenen jungen Mann, der ihn eben niedergestreckt hatte. Dieser schien sich gar nicht mehr sonderlich für ihn zu interessieren, sondern sah wartend zu seinem Meister, was dieser ihm nun für Anweisungen geben würde.

Der Krieger hatte sich etwas in die Richtung der beiden bewegt. "Was soll das heißen du glaubst?", fragte er mit ernstem Ton.

Der junge Mann stockte für einen Moment. Dieser Ton war nicht gut. Der nächste Wutanfall seines Meisters konnte schon wieder direkt bevor stehen. "Ich meine... Ich. Ich weiß nicht recht ob es ein Vampir ist. Es könnte auch ein Mensch sein... ", stotterte er so vor sich hin. Dann aber richtete er den Blick auf und strahlte seinen Meister an. "Aber ich habe ihn erst einmal niedergeschlagen!"

Sein Meister verdrehte die Augen und seufzte. "Sind denn hier nur Toren um mich?", murmelte er leise nur für sich hörbar. Laut aber für alle verständlich sprach er: "Es ist gut Ensyis. Bring ihn hier raus ins Licht der Sonne dann werden wir schon sehen!"

Abraxas erschrak zutiefst als er diese Worte hörte. In die Sonne? In die Sonne? Konnten sie ihn nicht gleich töten? Mussten sie ihn erst noch diesen Qualen aussetzten? Der Vampir schien mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Trotzdem versuchte er immer noch sich zu wehren als Ensyis ihn grob in die Höhe zerrte und auf den Waldrand zustieß. Erfolglos.

Zwar wirkte der junge Mann nicht allzu stark, aber der Eindruck täuschte immens. Geschwächt wie er war, konnte der Vampir ihm rein gar nichts entgegen setzten. Hilflos musste er mit ansehen wie die verhasste Waldgrenze immer näher rückte. Schon jetzt brannte die Sonne gnadenlos. Aber dort draußen auf dem vollkommen freiem Feld. Panisch versuchte Abraxas noch einmal sich aus dem stählernen Griff Ensyis' zu befreien. Nein es hatte keinen Sinn.

Mit jedem Schritt, den Abraxas voran stolperte - gestoßen wurde, verstärkte sich das Brennen auf seiner Haut, aber auch schon an den Stellen, die eigentlich der Stoff seiner Kleidung schützte. Dort war das Brennen zwar noch nicht so stark aber auch bereits spürbar. Es tat so weh. Überall hatte sich seine Haut stark gerötet. Es schien als wäre der Vampir am ganzen Leib verbrannt worden. Abraxas wollte nicht schreien, wollte nicht seine Schwäche zeigen. Er schrie auch nicht, aber der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen.

Jetzt war die Waldgrenze erreicht. Wie sie ihn ansahen, diese Menschen. Was hatte er ihnen getan, dass sie ihm solche Qualen bereiteten? Abraxas wollte nicht mehr, keinen Schritt weiter gehen nur noch zurück in den Wald. Da wo es kühl und vor allem dunkel war. Das helle Licht brannte in seinen Augen, die Tränen verschleierten sein Gesicht noch zunehmend. Und doch trieb ihn Ensyis gnadenlos weiter auf seinen Meister zu. Die Bauern hatten einen respektvollen Abstand zu den Dreien eingenommen. Jeder sah, dass der Vampir keine Gefahr mehr war, aber sicher war sicher. Der Blick des Kriegers war eiskalt als Abraxas ihm zum ersten Mal ins Gesicht sehen konnte. Abraxas kannte diesen Blick voller Verachtung und Grausamkeit bereits. Von seinem Meister Meantoris, einem Vampir. Plötzlich hörte Abraxas einen sirrenden Laut, die Luft wurde zerschnitten. Erst konnte er den Laut nicht zuordnen, da seine Sicht wieder getrübt war, dann aber fanden seinen Augen ganz von alleine den Weg zum kalten Stahl des Messers, welches der Krieger gezogen hatte.

So sollte es also enden. Keine sieben Tage nach der Verwandlung wurde ihm bereits die Kehle durchschnitten oder das Herz durchbohrt. Vielleicht wollte er ihn ja auch in Stücke hacken und dem Krähen zum Fraß vorwerfen, wenn sie es denn annehmen würden. Auf jeden Fall würde es blutig werden. Ergeben schloss Abraxas die Augen. Er wollte sich seinem Schicksal fügen, dann würden wenigstens die Schmerzen verschwinden. Aber der ersehnte Gnadenstoß kam nicht. Vielmehr vermehrte sich die grausame Pein in ihm plötzlich um ein vielfaches und er fühlte sich zu Boden gestoßen. Der Schrei der über seine Lippen fuhr schien keinem Wesen dieser Welt mehr anzugehören so ungeheuerlich war die Qual, die ihm zugefügt wurde. Warum durfte er nicht sterben?

Fast gelangweilt warf der Krieger den Stofffetzen, der ehemals Abraxas' Oberbekleidung gewesen war zu Boden und steckte gemächlich das Messer wieder zurück in den Gürtel.

Mit mildem Interessen begann er um das wimmernde Stück Elend am Boden herumzuwandern. Ein leichtes Erstaunen war in seinem Gesicht zu erkennen. "So jung...", hörte man ihn leise murmeln.

Abraxas hörte diese Worte, aber er konnte sie in keinen konkreten Zusammenhang mehr stellen. Zitternd und weinend vor lauter Elend versuchte er wenigstens das Gesicht vor den sengenden Strahlen zu schützen. Vergebens. Das Licht schien durch seine Handballen hindurch zu dringen. Und der nackte Oberkörper war vollkommen schutzlos allem ausgesetzt was vom Himmel kam. Warum konnte er nicht wenigstens in Ohnmacht fallen? Kannte die Natur denn überhaupt kein Erbarmen? Plötzlich fühlte Abraxas sich am Hinterkopf gepackt und so leicht zur Seite gesetzt. Stirnrunzelnd hatte sich der Krieger neben ihn gehockt und schien irgendetwas zu untersuchen. Die anderen standen ratlos in der Gegend herum und warteten ab, was er tun würde.

Echter Unglaube stand nun im Gesicht des Kriegers. "Es ist ein Vampir, das steht außer Frage. Aber... Ensyis komm her!"

Sofort eilte der Angesprochenen zu seinem Meister hinüber und kniete sich neben ihn. Abraxas ließ alles widerstandslos über sich ergehen. Was sollte er schon tun? Jeder Entschluss zu irgendeiner Tätigkeit war aus seinem Kopf gerissen wurden. Dort oben existierte nur noch der Schmerz.

"Ensyis, was siehst du hier?", fragte der Alte plötzlich.

"Ähm... das Ohr dieses Vampirs, Herr?", fragte Ensyis etwas verwirrt. Was sollte diese Frage?

"Und, fällt dir nichts weiter auf?"

Jetzt war Ensyis vollständig verwirrt "Herr das ist ein ganz normales Ohr", meinte er kopfschüttelnd.

"Eben!"

"Eben? Was meint ihr, Meister?"

"Vampire haben spitze Ohren. Diese hier sind aber noch vollkommen normal. Es sind nur die ersten Ansätze zu erkennen. Hier schau!"

Der Krieger zog eines von Abraxas Ohren etwas näher zu sich heran um seinen Schüler den besagten Huckel zu zeigen. Dieser sah ihn zwar, schien aber noch nicht zu verstehen worauf sein Meister nun hinaus wollte. Der aber ließ sich in seiner geschäftigen Art überhaupt nicht unterbrechen, sondern drehte Abraxas Kopf noch etwas weiter zu sich, so dass dieser nun gezwungen war mit seinen empfindlichen Augen direkt in die Sonne zu sehen. Stöhnend versuchte Abraxas das Gesicht wieder wegzudrehen oder wenigstens die Augen zu schließen. Aber auch das wurde ihm nicht vergönnt. Der Krieger war einfach schneller und hielt nun sein linkes Auge geöffnet. "Schau Ensyis. Die Pupillen sind rot. Aber ihre Bestandteilchen haben sich noch nicht vollständig neu gefärbt. Als Mensch hatte dieser Vampir einmal braune Augen." Endlich ließ der Mann Abraxas Schädel los und gestattete ihm so wenigstens wieder das Gesicht zu verbergen. Immer noch liefen Tränen seinen Wangen hinab. Aber das Wimmern war zu einem gelegentlichen Schluchzen geworden. Der Krieger richtete sich auf und sah noch einmal nachdenklich auf den am Boden liegenden Blauhaarigen. Ensyis folgte hastig seinem Beispiel. "Und diese unnatürliche Sonnenallergie. Sie ist viel zu stark. Ensyis?"

"Ja Herr?"

"Weißt du, was ich denke? Du weißt doch, dass Vampire ihre neue Generation gezielt aussuchen. Potentielle junge Kinder werden gefangen und seelisch auf die Transformation vorbereitet, damit sie sich nicht verlieren und zum Goul mutieren. Dann werden sie in der Regel noch eine Weile ausgebildet bis sich ihre Probleme, wie zum Beispiel die mit der Sonne gelegt haben und sie zum vollwertigen Vampir geworden sind."

Noch einmal sah der Krieger auf den jungen Vampir am Boden hinab. Sein letzter Gedankengang schien ihm etwas Überwindung zu kosten. Aber auch Ensyis hatte nun endlich verstanden. "Er ist jung... wahnsinnig jung.", flüsterte er leise.

"Und was heißt das nun im Genauen?", begann plötzlich einer der Bauern zu meckern.

"Wir nehmen ihn mit!", antwortete Ensyis im vollen Ernst.

"Wie bitte? Ihr wollt WAS?"

"Ihr habt uns schon verstanden. So etwas darf man nicht einfach sterben lassen. Solch ein Geschenk muss man nutzen und wir wären Narren wenn wir es nicht täten!"

Am Boden begann der Vampir wieder stärker zu zittern. Er hatte nicht alles verstanden, was eben gesagt wurde eigentlich gar nichts. Nur... nicht sterben lassen. Nein, nein! Wollten sie ihn hier liegen lassen, bis die schreckliche Sonne ihn vollkommen ausgetrocknet und verbrannt hatte? NEIN das konnten sie doch nicht tun. So grausam konnten sie nicht sein! Er hatte ihnen doch nichts getan! "Noch nicht!", flüsterte in ihm wieder die kleine, böse Stimme. Noch nicht... ja noch nicht, aber er würde wohl auch keine Gelegenheit mehr dazu bekommen.

Ensyis hatte sich unterdessen wieder zu Abraxas hinunter gekniet. Sein Meister debattierte immer noch mit dem Bauerngesindel was nun mit dem Vampir geschehen sollte. Nur wusste er bereits jetzt wer gewinnen würde. Ruhig ohne Eile streckte Ensyis die Hand aus und suchte einen bestimmten Nervenknoten an Abraxas' Hals. Als er ihn gefunden hatte drückte er fest zu.

Endlich wurde es dunkel...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2005-09-02T06:15:36+00:00 02.09.2005 08:15
+Hust* da ich ja bis hier gelesen habe, kommentiere ich mal...
also bis hier hin hats mir sehr gefallen....
und ich werd wohl bald den Rest lesen =)


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