Five
Es war still im Haus. Wie so oft an einem Freitagabend waren Lelaines Eltern zum Essen ausgegangen.
Sie war allein Zuhause.
Es war ein merkwürdiges Gefühl. Zum ersten Mal seit jenem Abend war sie wirklich allein. Doch was blieb ihr anderes übrig?
Ihren Eltern alles erzählen? Oder sie ohne alle Erklärungen bitten sie nicht zurück zu lassen? So oder so würden sie ihr nicht glauben und sie blieb trotzdem allein im Haus. Also musste sie sich einfach zusammen reißen und es durchstehen!
Sie hatte wie immer bei Einbruch der Dunkelheit alle Fenster fest geschlossen und saß nun im Wohnzimmer auf der Couch.
Sie hatte die Beine angezogen, auf dem Schoß hielt sie eine Schale mit Knabberzeug. Vor ihr flimmerte der Fernseher und zeigte irgendeinen Spielfilm.
Sie schob sich gerade eine Erdnuss in den Mund, als im Obergeschoss ein leises Geräusch ertönte.
Lelaine fuhr erschrocken zusammen.
Was war das?
Sie war sich ziemlich sicher, das sie die Antwort auf diese Frage kannte, aber dennoch...Vielleicht war es auch etwas anderes?
Sie musste nachsehen!
Erfolgslos versuchte sie das Zittern zu unterdrücken, dass ihren Körper schüttelte.
Sie überlegte noch einen Augenblick, dann stand sie entschlossen auf und schlich aus dem Wohnzimmer in den Flur, die Treppe hinauf und nach oben. Vorsichtig huschte sie über den Gang, ihr Blick flog unruhig von einer Seite zur anderen.
Das Geräusch schien aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern gekommen zu sein.
Nur Mut!
Sie warf einen Blick in das Zimmer.
Alles dunkel und still.
Sie holte tief Luft und schaltete das Licht an.
Nichts.
So ging sie weiter, von Raum zu Raum.
Nichts.
Hatte sie sich geirrt?
Offenbar ja. Ihre überreizte Fantasie spielte ihr schon üble Streiche.
Ein wenig erleichtert atmete sie auf und ging wieder die Treppe hinunter ins Wohnzimmer.
Kaum hatte sie den Raum betreten, da blieb sie wie vom Blitz getroffen stehen.
Der Fernseher war ausgeschaltet.
Sie hielt einen Moment inne, trat dann näher.
Sie hatte ihn nicht ausgemacht, das wusste sie ganz sicher.
Das seltsame Gefühl war schlagartig wieder da.
Also war er doch hier!
Ihr Herz klopfte rasend schnell. Sie konnte das Blut in ihren Ohren Rauschen hören.
Blut.
Genau deshalb war er ja hier...
Sie atmete einmal tief ein und aus. Dann drehte sie sich auf dem Absatz herum, verließ das Zimmer und wollte so schnell wie möglich wieder nach oben gehen.
Der Vampir stand auf der untersten Treppenstufe und sah sie an.
Bewegungslos blieb Lelaine stehen und starrte in sein Gesicht.
Einen Moment lang beobachtete er sie schweigend.
Was nun?
Warum tat er nichts?
Konnten sie es nicht schnell hinter sich bringen?
Dann lächelte er unerwartet.
Lelaine schluckte.
Er wirkte so...so...ihr fiel kein geeignetes Wort für sein Aussehen und sein Auftreten ein.
Plötzlich kam Bewegung in ihn.
Reglos dastehend beobachtete sie, wie er langsam auf sie zu ging:"Schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht. Ich hoffe, du hast es dir nicht anders überlegt?" Seine Stimme klang tief, aber kalt.
"Nein.", flüsterte sie leise.
Sie hatte einen Kloß im Hals.
Warum nur?
So viel Angst hatte sie gar nicht.
In diesem Moment erreichte er sie. Noch bevor sie reagieren konnte legte einen Arm um sie und zog sie an sich. Lelaine schluckte noch einmal. Ein eigenartiger aber angenehmer Duft ging von ihm aus, er war so groß, dass sie nur seine Brust
vor sich sah. Sanft neigte er ihren Kopf zur Seite, beugte sich vor und biss zu.
Wieder Schmerz, nur nicht so stark wie beim ersten Mal. Es war ein seltsames Gefühl zu spüren, wie das Blut aus ihr strömte.
Ihr wurde schwindelig, sie wankte.
Dann ließ er sie ganz plötzlich los.
Sie taumelte gegen die nächste Wand, ließ sich daran auf den Boden sinken.
Der Mann schaute ihr in die Augen, lächelte und verbeugte sich leicht;"Bis zum nächsten Mal."
Wie ein Schatten huschte er aus ihrem Blickfeld.