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Cassie

Verrücktes Internatsleben (abgeschlossen!)
von

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Unerwarteter Besuch

Hallo ihr (falls es überhaupt noch ein „ihr“ gibt) !
 

Was bleibt mir zu sagen, außer: Tut mir leid! Ich wollte echt nicht, dass ihr soooo lange warten müsst und wenn jetzt kein Mensch mehr weiter lesen will, hab ich es wohl verdient!

Aber ich kann euch versprechen, dass es jetzt durchgehend bis zum Ende wie früher sein wird. Also mit den Wartezeiten, meine ich. Das heißt, es wird so zwei bis vier Wochen vom einen Kapitel bis zum nächsten dauern. Und es sei gesagt: Bis zum Ende ist es auch nicht mehr wirklich weit^^
 

An dieser Stelle knuddel ich noch mal ganz fest meine liebe darkimpression, die mir in gewisser Weise in den Hinter getreten hat, damit ich endlich weiter schreibe^^
 

Und jetzt viel Spaß mit Kapitel 14!
 


 

Kapitel 14 – Unerwarteter Besuch
 

Bis um halb drei Uhr morgens hatten Nick und Cassie zusammen auf dem Friedhof gehockt und schließlich ein Taxi zum Bahnhof genommen.
 

Cassie hob den Kopf von Nicks Schulter und schielte auf seine Armbanduhr. Es war schon halb fünf. Das Mädchen gähnte und fuhr sich mit einer Hand über die Augen. Bald müssten sie aussteigen. Ihr Blick fiel nach links, zu dem Jungen, an dessen Schulter sie eben noch geschlafen hatte. Nicks Kopf war gegen das Fenster gesunken, seine Augen waren geschlossen.

Cassie lächelte und fuhr ihm sanft durch das dunkle Haar. Dann begann sie, ihn zu wecken.
 

„Vergiss es, Nick.“

„Wieso denn nicht? Der Hausmeister hat mich schon das letzte Mal erwischt, also könnten wir rein statistisch dieses Mal doch durchkommen, oder?“

Cassie blinzelte zu ihrem Freund hoch. „Indem wir über das Tor klettern? Ich hab deine Jeans im Krankenhaus gesehen, weißt du noch? Das tue ich meiner Hose ganz sicher nicht an!“

Nick verdrehte die Augen und seufzte abgrundtief.
 

Sie standen vor dem abgeschlossenen Tor des Internatsgeländes und debattierten über ihre weitere Vorgehensweise.

Seltsam, dachte Cassie. Sogar jetzt, wo sie sich ihre Liebe gestanden hatten und sozusagen zusammen waren, sogar jetzt, schienen sie ohne ihre kleinen Streitereien nicht auszukommen. Das Mädchen musste grinsen. Sie wollte es gar nicht anders.

„Na schön, wenn du unbedingt klettern willst, dann-“

Doch da hatte Nick schon auf die Klingel gedrückt.

„Hey!“, protestierte Cassie. „Hast du mir nicht zugehört? Gerade wollte ich vorschlagen-„

„-dass wir über den Zaun klettern, aber ich habe meine Meinung geändert. Oh, Herr Kehrer, guten Morgen!“ Mit seinem überzeugendsten Unschuldslächeln wandte Nick sich dem Hausmeister zu, allerdings nicht, ohne Cassie noch einen Blick à la Schon wieder reingelegt! zuzuwerfen.

Das Mädchen schwor sich, es ihm möglichst bald zurück zu zahlen.
 

„Sieh an“, grummelte Herr Kehrer. Sein Haar war ungekämmt und die Brille saß schief auf der Nase. Scheinbar hatten sie ihn aus dem Bett geklingelt. „Gab es dieselbe Szene nicht vor einer Woche schon mal?“

„Äh, aber diesmal hatte er einen guten Grund“, mischte sich Cassie ein.
 

Herr Kehrers Blick sprang zwischen Nick und dem Mädchen, um das der Junge einen Arm gelegt hatte, hin und her.

„Darauf wette ich“, knurrte er und schloss endlich das Tor auf. Als sie auf dem Gelände standen wartete Cassie darauf, dass Herr Kehrer in sein kleines Häuschen neben dem Tor zurückkehren würde, doch stattdessen schritt der Hausmeister auf das Wohnhaus zu. Cassie ahnte Schlimmes.

„Will er etwa-?“

„Genau das.“

Grummelnd verbarg Cassie ihr Gesicht an Nicks Pulli. Der lachte nur und schob sie vorwärts.
 

Herr Saeeda blickte genervt von seinem Schreibtisch auf, als um kurz nach fünf Uhr morgens an seine Tür geklopft wurde. Es scherte ihn nicht, dass sein „Herein!“ mehr als gereizt ausfiel. Wahrscheinlich konnte er sich glücklich schätzen, dass er ein Frühaufsteher war und wenigstens nicht aus dem Bett geworfen wurde.

Die Tür öffnete sich und herein trat der Hausmeister. Herr Saeeda ahnte, was das zu bedeuten hatte. Als hinter Herr Kehrer Nick folgte, stellte sich bei dem Lehrer ein Deja-vu-Gefühl ein.
 

Herr Saeeda seufzte und hörte sich die kurze Erklärung des Hausmeisters an. Dann schickte er diesen wieder ins Bett und bedeutete seinen beiden Schülern, vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen.

Einen Moment lang saßen die drei schweigend da. Herr Saeeda durchbohrte Nick mit seinen Blicken, doch der besaß die Frechheit, gelassen zurück zu schauen. Täuschte er sich, oder spielte da sogar ein amüsiertes Lächeln um die Mundwinkel des Jungen?
 

„Tut uns leid!“, durchbrach Cassie schließlich atemlos die Stille. Der Lehrer zuckte zusammen, obwohl er damit hätte rechnen müssen. Schließlich kannte er die Ungeduld seiner Schülerin.

„Was genau tut euch denn leid, Cassie?“

„Also mir tut gar nichts-“, begann Nick, doch verstummte als Cassie ihm einen mörderischen Blick zuwarf.

„Uns tut leid, dass wir verbotenerweise die ganze Nacht weg waren und erst jetzt zurückgekommen sind.“

Herr Saeeda heftete seinen Blick wieder an Nick fest. Er erwartete ein Kommentar, doch es kam keines.
 

Stattdessen begann Cassie ungefragt, ihre Beweggründe zu erläutern. „Wissen Sie, ich war…durcheinander wegen meinem Bruder. Deshalb-“

„Schon gut“, unterbrach der Lehrer. Sowohl dem Mädchen als auch sich selbst wollte er weitere Quälereien ersparen. Schließlich wusste er längst von dem Tod ihres Bruders.

„Und was ist mit dir, Nick? Warum bist du, jetzt das zweite Mal in zwei Wochen, mitten in der Nacht verschwunden?“
 

Doch wieder plapperte Cassie los. Es schien, als hätte sie Angst, der Junge könnte etwas falsches sagen. Was, wenn man sich Nicks Gesichtsausdruck genauer ansah, eine durchaus berechtigte Sorge war.

„Er hat sich Sorgen um mich gemacht. Deshalb hat er mich gesucht und wieder hierher zurückgebracht.“
 

Herr Saeeda hob eine Augenbraue und konnte sich nicht entscheiden, ob er dem Mädchen glauben sollte oder nicht. Er persönlich tendierte viel mehr zu der Annahme, dass Nick sich in der Stadt mit irgendeinem Mädchen getroffen hatte und Cassie davon überzeugt hatte, für ihn zu lügen. Dann jedoch dachte der Lehrer an den Unfall des Mädchens und wie verstört Nick gewesen war. An jenem Abend hatte der Junge das letzte Mal unerlaubt das Gelände verlassen. Konnte es sein, dass…

„Also war Nick heute Nacht bei dir, genauso wie die Nacht letzte Woche?“

Herr Saeeda sah aus den Augenwinkeln, wie Nick alarmiert den Mund öffnete, um Cassie zuvorzukommen. Doch das Mädchen war schneller.

„Ja, und er hat es beide Male nur gut gemeint, deshalb…“ Erst jetzt schien dem Mädchen das vergnügte Lächeln auf dem Gesicht ihres Lehrers aufzufallen. Sie wandte den Kopf nach rechts und sah einen Jungen, der sein Gesicht mit den Händen verdeckte und etwas unverständliches murmelte.
 

Verwirrt glitt Cassies Blick zurück zu Herr Saeeda.

„So ist das also. Du warst gar nicht auf einer Party von Freunden in der Stadt, sondern im Krankenhaus?“

Cassies Kopf schoss abermals herum. Nick lehnte sich zurück und verschränkte schmollend die Arme. Weder seinem Lehrer noch dem Mädchen schenkte er einen einzigen Blick.
 

„Du hast gelogen?“, platzte Cassie heraus. „Bist du verrückt?“

„Das ist meine Sache“, maulte der Junge und erinnerte Herr Saeeda dabei sehr an seinen vier Jahre alten Neffen, wenn der bockig war. „Könnten Sie jetzt vielleicht endlich entscheiden, ob Sie uns bestrafen oder nicht und uns gehen lassen? Ich bin müde.“

Der Lehrer musste seinen gesamte Selbstbeherrschung zusammenklauben, um nicht laut loszulachen.

„Keine Strafe“, meinte er und tarnte ein Kichern, welches ihm herausgerutscht war, als Hustenanfall. „Ihr könnt gehen.“

Cassie lächelte dem Lehrer zu und erhob sich, den Jungen neben sich eiskalt ignorierend. Nick seufzte und folgte dem Mädchen mit gesenktem Kopf nach draußen.
 

Was hatte Nick nur für Probleme, dass er nicht zugeben konnte, ein sensiblerer Mensch zu sein, als die meisten glaubten? Warum hatte er nicht gesagt, dass er keineswegs mitten in der Nacht auf einer Party, sondern bei ihr im Krankenhaus gewesen war?

Vielleicht, so überlegte Cassie, war er einfach zu sehr in dieses Arschloch-Image rein gewachsen. Womöglich fiel es ihm jetzt einfach schwer, den Menschen seine andere Seite zu zeigen.
 

Cassie gähnte und blinzelte auf den Wecker neben ihrem Bett.

5:24 Uhr.

Kein Wunder, dass Nick, sofort nachdem Herr Saeeda sie entlassen hatte, schlafen gegangen war. Cassie selbst war todmüde.

Seufzend drehte sie sich auf den Bauch und schloss die Augen. Würde sie eben ein andermal mit Nick über seinen Ruf reden…
 

„Cas?“

Das Mädchen gab einen unwilligen Laut von sich. Noch halb im Schlaf drehte es sich von der nervenden Stimme weg und zog die Decke bis über die Ohren.

„Hey, Cas, wach auf.“

„Ich schlafe, Aaron“, maulte Cassie und versuchte, ihren Bruder vom Bett zu schubsen. Da sie die Augen jedoch immer noch geschlossen hatte, traf sie nur ihren Stoffbären.

„Ich muss mit dir reden.“
 

Abgrundtief seufzend wandte Cassie sich ihrem Zwilling zu. „Wie spät ist es?“

„Kurz nach halb sechs.“

Endlich öffnete das Mädchen die Augen und starrte Aaron an. Hatte sie einen ganzen Tag geschlafen? Oder nur ein paar Minuten?

„Welcher Tag ist heute, Aaron?“

Ihr Bruder sah sie an, als würden ihr plötzlich rosa Hasenohren aus dem Kopf wachsen. „Donnerstag.“

Cassie fragte sich, ob es ihr nicht lieber gewesen wäre, einen ganzen Tag verschlafen zu haben. Dann wäre sie jetzt wenigstens ausgeruht.
 

„Okay, Aaron, was gibt’s?“

Ihr Bruder antwortete nicht. Doch als sie in die Augen sah, die ihren eigenen so ähnlich waren, wusste sie es.

Cassie hätte sich denken können, dass ein Gespräch wie dieses noch folgen würde. Und hatte sie sich das nicht insgeheim die ganze Zeit gewünscht? Aaron alles erzählen zu können? Ihr Herz auszuschütten?

Doch jetzt war es anders. Chris war tot und Aaron wusste ohnehin schon das wichtigste. Außerdem hatte Cassie letzte Nacht einen anderen Zuhörer gefunden. Und so verspürte sie nicht die geringste Lust, alles noch einmal zu wiederholen.
 

Plötzlich klopfte es an der Tür und Cassie sah ihre Rettung nahen.

Rettung? Cassie ahnte, dass dies ein Trugschluss war. Früher oder später müsste sie Aaron Rede und Antwort stehen. Wenn nicht jetzt, dann eben später.

Auf Cassies „Herein!“, öffnete sich langsam die Türe. Das Mädchen spürte eine kribblige Vorfreude im Bauch. Wenn es nun Nick war? Auf der anderen Seite würde ihr dieser Besuch eine Menge Fragen von ihrem Zwilling einbringen. Cassie war sich nicht sicher, ob sie schon dafür bereit war.
 

„Wusste ich es doch!“ rief die Gestalt im Türrahmen triumphierend.

Die Zwillinge konnten nichts anderes tun, als sie anzustarren.

Aaron fing sich als erster wieder. „Komm doch rein, Patrick.“

Cassie fragte sich, ob dies ein angemessener Zeitpunkt wäre, Aaron beizubringen, dass man Leute nicht in fremde Zimmer bat.
 

„Was machst du hier?“ Fragend sah das Mädchen ihren älteren Bruder an, der sich neben seine Geschwister auf Cassies Bett fallen ließ.

„Ich hab gehört, dass Nick heimgekommen ist“, gab er willig Auskunft. Doch um seine Lippen spielte ein kaum sichtbares Grinsen, welches Cassie unsagbare Angst machte. Kurz darauf wusste sie auch, wieso. „Da dachte ich mir, dass du bestimmt auch wieder da bist.“
 

Cassie schenkte Patrick ein gefaketes Lächeln. Schon spürte sie Aarons misstrauische Blicke.

„Was soll das-“, begann ihr Zwilling, da platzte Cassie heraus: „Ja, wir sind zusammen!“

Ein ohrenbetäubendes Schweigen erfüllte den Raum, in dem Cassie nicht wagte, aufzublicken. Plötzlich schlug ihr jemand auf die Schulter, so heftig, dass sie fast vom Bett kullerte. „Glückwunsch!“
 

Sowohl Cassie als auch Aaron starrten Patrick an.

„Hast du sie noch alle?“, maulte Cassies Zwilling. Das war in etwa dasselbe, was das Mädchen hatte fragen wollen.

„Ich dachte wir waren uns einig darin, dass wir Nick nicht als Cassies Freund wollen.“

Na, jetzt schlug es aber dreizehn!

„Ihr wart euch was?“

Aaron machte ein Gesicht, als wäre ihm gerade erst klar geworden, was er da gesagt hatte. „Es ist nicht so wie du denkst!“, beeilte er sich seiner Schwester zu versichern, doch die war bereits aufgesprungen.
 

„Seid ihr beide verrückt geworden?“, schrie sie ihre Brüder an. „Denkt ihr, ihr habt irgendein Mitspracherecht, wenn es um mein Liebesleben geht?“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und atmete tief durch. „Abgesehen davon, Aaron: Du bist schließlich auch mit jemandem zusammen, den ich nicht leiden kann. Und es war dir auch egal, was ich davon halte!“

„Ach komm, dafür hast du auch lange genug versucht, mich und Scarlett auseinander zu bringen, beziehungsweise zu verhindern, dass wir überhaupt erst zusammen kommen!“

Cassie musste insgeheim zugeben, dass er Recht hatte. Trotzdem: „Das heißt nicht, dass du den gleichen Fehler machen musst!“

Aaron verschränkte trotzig die Arme. „Gleiches Recht für alle.“
 

Cassie konnte es nicht glauben. Hier saß ihr Zwillingsbruder und sagte ihr indirekt, dass er vorhatte, ihre Beziehung zu sabotieren!

„Du Kind, Aaron! Dabei warst du es doch, der mir noch vor zwei Wochen gepredigt hat, wir müssten lernen loszulassen!“ Die letzten beiden Worte zog Cassie spöttisch in die Länge.

Aaron schien festzustecken. In seiner Verzweiflung wandte er sich wütend zu Patrick um. „Das ist alles deine Schuld! Wie kommst du auch dazu, plötzlich deine Meinung zu ändern?“
 

Doch der Ältere zuckte bloß mit den Achseln. „Nick liebt sie. Warum sonst würde sich ein Junge mitten in der Nacht in den Zug setzen, um ein Mädchen in einer ihm unbekannten Stadt zu suchen?“

Cassie musste unwillkürlich lächeln. Nichts war so schön, wie aus Nicks Mund zu hören, dass er sie liebte, doch Patricks Äußerung kam dem sehr nahe.

Aaron schwieg und sah schmollend in eine andere Richtung. „Ich kann den Kerl nicht leiden“, murmelte er schließlich.

„Scarlett ist auch nicht gerade meine beste Freundin. Und trotzdem habe ich es akzeptiert“, hielt Cassie ihm dagegen.

Zu ihrer großen Überraschung fing Aaron an zu lachen. „Das war doch nur, weil du genug mit Nick zu tun hattest!“

Da ihr Bruder Recht hatte, Cassie es jedoch nicht zugeben wollte, begann sie zu schmollen.
 

„Okay, Schluss jetzt, ihr Kleinkinder!“, mischte sich endlich ein genervter Patrick ein. „Ich bin nicht hergekommen, um mir euer Herumgezicke anzuhören.“

„Sondern weil du dir Sorgen um deine kleine Schwester gemacht hast?“, alberte Cassie.

„Ja. Und weil…“ Er zögerte.

Aaron sah Patrick an. Die Brüder tauschten einen wissenden Blick. Dann richteten sie ihre Augen auf Cassie, die ihre Bettdecke anstarrte.

„Cas?“
 

Sie wusste, was von ihr erwartet wurde. Und wie könnte sie es ablehnen? Also holte das Mädchen tief Luft und begann zu erzählen. Cassie schilderte das Gespräch zwischen ihren Eltern, kurz vor dem Tod ihres Vaters. Sie gab das Gespräch zwischen Sonja und George wider, so wie Chris es ihr beschrieben hatte.

Dann redete sie über ihre Gefühle: Wie schwer es gewesen war, Patrick und besonders Aaron nichts von alldem sagen zu können. Zu sehen, wie ihre beiden Brüder ganz selbstverständlich für ihre Mutter Partei ergriffen und sich so oft es ging gegen George stellten.

Patrick und Aaron machten Cassie keine Vorwürfe. Sie hörten ihr zu, unterbrachen sie nicht. Und als ihr schließlich die Tränen über das Gesicht liefen, gaben sie ihr Bestes, sie zu trösten.
 

Nick hatte etwas zu erledigen und es gab kaum etwas, worauf er weniger Lust hatte: Er musste mit Tatjana reden. Ihm war klar, dass das Mädchen längst wusste, dass er Cassie liebte und nicht sie. Gott, wahrscheinlich hatte sie es gewusst, bevor es Nick selbst klar gewesen war.

Trotzdem hatte Tatjana sich mit ihm eingelassen. Nick fragte sich, warum. Weil sie ihn liebte? Er hoffte, dass es nicht so war. Denn egal, wie unausstehlich er sich ihr gegenüber oft verhalten hatte – er mochte Tatjana. Und er wollte ihr nicht wehtun.
 

„Hi Lene, ist Tatjana da?“ Nick lehnte im Türrahmen und lächelte das brünette Mädchen an.

„In ihrem Zimmer. Komm rein.“

Nick bedankte sich und begrüßte die beiden anderen Bewohnerinnen, die am Tisch saßen und Karten spielten. Dann durchquerte er den Gemeinschaftsraum und klopfte an die Tür, von der er wusste, dass sie Tatjanas war.
 

„Wer ist da?“, wollte eine Stimme wissen.

Als Nick seinen Namen nannte, wünschte er sich für einen Moment, sie würde sagen, er solle verschwinden. Möglicherweise waren die Neuigkeiten von ihm und Cassie ja schon bis zu ihr durchgedrungen? Dann würde sie ihn hassen, ja, aber er müsste wenigstens nichts erklären.

„Komm rein.“
 

Nick seufzte und betrat Tatjanas Zimmer. Sie lag auf dem Bett und las. Als er näher kam, legte sie das Buch zur Seite und lächelte ihn an. Doch als er ihr Lächeln nicht erwiderte und sich nur schweigend neben sie setzte, schien das Mädchen etwas zu ahnen.

Tatjana war nicht dumm. Sie versuchte auch nicht, ihn zu küssen oder zu berühren, sondern sah ihn nur an und wartete ab.

„Ich muss dir etwas sagen.“
 

Nick wollte es kurz machen. Doch das Mädchen gab sich nicht damit zufrieden. Sie wollte die ganze Geschichte hören.

Also erzählte Nick so knapp wie möglich von dem Abend vor Tatjanas Anreise und von den Ereignissen danach.

„Es tut mir leid.“ Und er meinte es auch so.

Tatjana schrie nicht und sie brach auch nicht in Tränen aus. Nick hätte beides von ihr nicht erwartet. Doch was sie tat, hatte er ebenso wenig erwartet.

Sie lächelte.
 

Und Nick hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte. Also schwieg er.

„Ist schon gut, Nick“, meinte Tatjana schließlich. „Reden wir nicht mehr darüber, okay?“

„Okay“, meinte der Junge unsicher. Er hatte in seinem relativ kurzen Leben schon viele Mädchen enttäuscht. Doch kein einziges hatte so reagiert wie Tatjana.

Nick gab das Lächeln zurück und stand auf. Er wollte raus aus diesem Zimmer, raus aus dieser Situation.

„Na dann“, meinte er unbeholfen und ging zur Tür. „Wir sehn uns, schätze ich.“
 

„Ja, wir sehn uns“, stimmte Tatjana zu. Sie hielt das Lächeln aufrecht, bis Nick die Türe hinter sich geschlossen hatte. Eine einzelne Tränen lief ihr die Wange hinunter, dann eine zweite. Langsam ließ sie sich auf ihr Bett sinken und verbarg das Gesicht im Kopfkissen.
 

„Morgen“, nuschelte Cassie, als sie die Treppe runter kam und drückte Nick einen Kuss auf den Mund. „Gehen wir frühstücken?“

Es war Freitagmorgen und Cassie war, nachdem sie gut achtzehn Stunden geschlafen hatte, hellwach.

„Nein“, meinte Nick und zog das Mädchen am Handgelenk näher zu sich. „Nicht, bevor du mir richtig „Guten Morgen“ gesagt hast.“
 

„Ach ja?“, grinste Cassie. Sie befreite ihr Handgelenk und legte dem Jungen beide Arme um den Hals. „Wie sage ich den richtig „Guten Morgen“?“

Nick grinste ebenfalls und presste seine Lippen auf die seiner Freundin.

Cassie schloss die Augen und versank in dem leidenschaftlichen Kuss.

Bald schon öffneten Nicks hungrige Lippen ihre eigenen und seine Zunge begann, ihren Mund zu erforschen.

Cassies Magen drehte vor Glück Purzelbäume. Wie schön es war, von Nick geküsst zu werden und kein schlechtes Gewissen deswegen zu haben! Wie schön es war, zu wissen, dass er es ernst meinte!
 

Doch als sich Nicks Hand von ihrer Hüfte aus plötzlich unter ihre Bluse schob, schubste sie ihn lachend von sich. „Wir stehen mitten in der Eingangshalle!“, protestierte sie.

Nick sah sie an wie ein Wolf auf Beutefang. „Interessiert mich nicht.“ Lauernd kam er auf sie zu, doch Cassie wich ihm aus. „Nicht hier!“, wiederholte sie und gab sich Mühe, ernst und entschieden zu klingen.

„Okay. Zu dir oder zu mir?“

Für einen Moment starrte Cassie ihren Freund perplex an. Dann sah sie seinen Mundwinkel zucken und ihr dämmerte, dass er nur Spaß gemacht hatte.

„Hey!“ Gespielt wütend schubste sie ihn. „Musst du mich ständig ärgern!“

Nick lachte.

„Ja.“ Dann nahm er Cassies Hand. „Gehen wir frühstücken.“
 

„Wir kommen zu spät!“, rief Cassie panisch, als sie heute schon zum zweiten mal die Treppe hinunter kam. Sie und Nick hatten sich viel zu lange mit dem Frühstück aufgehalten, so dass schon in zwei Minuten der Unterricht anfangen würde.

„Nicht wir, sondern du“, informierte sie Nick und lief neben seiner Freundin auf den Ausgang zu. „Ich hab erst zur Dritten.“

„Du hast was?“ Entgeistert blieb Cassie stehen und starrte den Jungen an. „Warum liegst du dann nicht im Bett und schläfst?“

Nick grinste und hauchte Cassie einen Kuss auf die Lippen. „Wegen dem Frühstück natürlich.“
 

„Ach ja?“, fragte Cassie mit hochgezogenen Augenbrauen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Nur wegen dem Frühstück?“

Nick sah an die Decke und tat, als würde er nachdenken. „Wüsste nicht, wegen was sonst- au!“ Der Junge legte eine Hand über die Stelle an seinem Bauch, die gerade einen unsanften Hieb von Cassie kassiert hatte. Doch schon im nächsten Moment wurde Nicks Aufmerksamkeit abgelenkt. Seine Freundin hatte offenbar beschlossen, ihre Gewalttat wieder gut zu machen, denn sie stellte sich auf die Zehenspitzen und streifte seine Lippen mit ihren.

Das konnte Nick sich natürlich nicht gefallen lassen und er verstrickte das Mädchen in einen längeren, ausgiebigen Kuss.
 

„Na, das ist ja mal eine Überraschung.“

Die beiden fuhren erschrocken auseinander. Dann erst fiel Cassie ein, dass sie ja eigentlich nichts Unrechtes getan hatten. Sie mussten sich nicht mehr schuldig fühlen, weil sie sich öffentlich küssten.

Cassie warf Nick einen Blick zu. Der Junge sah sie an und schien dasselbe zu denken wie sie: Wie lange wird es dauern, bis wir uns daran gewöhnen?
 

„Wie kann man nur so blöd sein?“

Cassie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass die Stimme, die sie und Nick gerade gestört hatte zu Pascal gehörte. Und dass sie mit ihr redete.

„Nach allem, was du über ihn weißt!“

Verwirrt starrte Cassie in die hübschen Augen. Sie sagte nichts, warf nur einen fragenden Blick zu Gil, die wie aus dem Nichts neben ihrem Freund aufgetaucht war.

„Fang nicht schon wieder an, Pascal“, warnte Nick, seine Stimme überraschend ruhig.

„Ja, und außerdem kommen Gil und ich zu spät zur ersten Stunde“, fügte Cassie hilfsbereit hinzu.
 

„Oh“, stammelte Gil und ein leichter Rotschimmer zog sich über ihre Wangen. „Eigentlich wollte ich…also…wollten wir…“ Sie brach ab.

Cassie verstand nur Bahnhof. „Was wolltet ihr?“, fragte sie nach und erntete einen Schubs von ihrem grinsenden Freund. „Sie wollen genau das tun, was ich dir vor dem Frühstück vorgeschlagen hab.“

Cassie stand noch einen Moment auf dem Schlauch, dann ging auch ihr ein Licht auf. Sie überlegte, was sie dazu sagen könnte, doch alles, was ihr einfiel war: „Viel Spaß?“
 

Nick konnte sich nicht mehr halten und begann zu lachen. Gil lief noch ein wenig röter an. Und Pascal…was war eigentlich mit Pascal?

Cassie warf dem Jungen, der schon seit einiger Zeit auffällig still gewesen war, einen Blick zu. Er sah plötzlich ungesund bleich aus.

„Pascal?“ Auch Gil war die Schweigsamkeit ihres Freundes aufgefallen und sie stupste ihn an. Nicks Halbbruder reagierte nicht. Stattdessen starrte er weiterhin an Cassies Kopf vorbei. Die drei anderen folgten seinem Blick.
 

Am Treppenabsatz stand ein Pärchen, wahrscheinlich die Eltern eines Schülers. Die Frau hatte langes, braunes Haar und sie weinte. Ihr Mann versuchte, sie zu trösten. Er redete auf sie ein, strich ihr zärtlich über die Wange und nahm sie schließlich in den Arm.

Von Cassies Position aus konnte sie nur das Profil des Mannes sehen, doch irgendetwas an ihm kam ihr bekannt vor. Er hatte dunkles Haar und schien ziemlich gut aussehend zu sein.

Das Mädchen warf Nick einen Seitenblick zu. Auch er starrte das Pärchen an und wirkte dabei vollkommen weggetreten. Hilfe suchend wandte sich Cassie an Gil, doch die zuckte nur mit den Achseln.
 

„Das kann doch nicht sein…“ hauchte Nick plötzlich.

Cassie schoss herum. „Was kann nicht sein?“, fragte sie. „Nick, was ist los? Wer ist das?“

In diesem Moment drehte sich der Mann zu ihnen um. Helle, wunderschöne und sehr bekannte Augen leuchteten Cassie entgegen. Sie begriff, im selben Augenblick, in dem Nick antwortete. „Das ist unser Vater.“
 


 

Und, wie war der „Wiedereinstieg“? Ich hoffe, es hat euch gefallen. Wer das hier tatsächlich noch liest: Schreibt ihr mir ein Kommentar? Bitte? Nur damit ich weiß, dass da noch jemand ist?
 

Bis zum nächsten Mal,

Kendra



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Renesmee-Bella
2006-08-31T20:46:02+00:00 31.08.2006 22:46
Wow ich fand den Wiedereinstieg auch total Spannend!

Ich hoffe du schreibst bald weiter

cu SSJBra
Von:  capricious
2006-08-21T08:48:50+00:00 21.08.2006 10:48
Also mir hat der "wiedereinstieg" gefallen!!!!
Bin schon sehr gespannt, was mit Nicks Eltern los ist udn weshalb er so reagiert...
Und die Szenen zwischen Nick und Cassie sind einfach nru süß beschrieben*freu*
Ganz ganz toll!!!!!!!!!
Frag mich was das noch mit Tatjana wird....!?!?!?!?

Schnell weiter, freu mich schon
Von:  Luma_
2006-08-14T11:23:31+00:00 14.08.2006 13:23
Freut mich das es weiter geht!
Ich danke dir, dass du weiter geschriebn hast.^^
Hab die Hoffnung nie aufgegeben und bin nun glücklich weiter lesen zu können.
Und das es damit noch nicht zu ende ist und ein so spannendes Ende hatte lässt ja auf mehr hoffen.

Also dann warte ich mal sehnsüchtig auf den nächsten Teil!^^
Bis dann!
Von:  josie
2006-08-11T19:37:19+00:00 11.08.2006 21:37
super es geht weiter. also schön das alles klappt. und die geschwister sich vertragen haben.
sogar aron is mehr oder weniger einverstanden mit der beziehung seiner schwester. von patricks begeisterung wollen wir mal aussen vor lassen.
was mich mehr interessiert is die tatsache was macht der vater von den beiden jungs hier? und wieso weint die frau?
ich hoffe doch diese fragen werden bald beantwortet.

lg

josie

ps: danke fürs bescheid geben!!^^
Von:  Ming-Ling
2006-08-11T16:02:52+00:00 11.08.2006 18:02
Ich bin die erste!!! TADA!!!!!!!!

Also mich wirst du so leicht nicht los!!!

Ich finde deine Geschichte super, aber dass weißt du sicher, und freue mich auf nächste Kapitel!!!!

Und Danke für die ENS!!!

Ganz doll Knuddel
Deine Ming


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