Where There Is Anger There Is Always Pain Underneath
„Warum hast du mir das nie gesagt?!“
Hajimes laute Stimme hallte noch von den Wänden wider, als er längst fertig war mit seinem Brüllen. Der Klappstuhl, den er wütend umgeworfen hatte, lag nun einsam in der Mitte der Umkleide, wankte noch ein bisschen, ehe er endgültig zum Stillstand kam.
Stillstand.
Hajimes Herz raste, seine Hände waren zu Fäusten geballt, die so fest zusammenkrampften, dass es schmerzte – Schmerz, den er nicht einmal spürte, auch wenn ihm bewusst war, dass er da sein musste.
Oikawa lächelte.
Er lächelte, als wäre das alles hier nur ein lustiger kleiner Witz zwischen zwei alten Freunden, die sich zu lange nicht mehr gesehen hatten.
Hajime sah den Witz nicht. Durch den glühendheißen Schleier seines Ärgers sah er nur Oikawa, der, wie er wohl glaubte unauffällig, an der Wand lehnte, sämtliches Gewicht vom rechten Knie genommen, das überhaupt erst der Grund war, weshalb sie hier waren.
„Wie lange?!“
Die Worte waren förmlich ausgespuckt, bebend vor kaum unterdrückter Wut, und Hajime stapfte mit viel zu schweren Schritten zu Oikawa hin, bis er so nah vor ihm stand, dass er die einzelnen Wimpern an seinen Augen hätte zählen können. Er zählte nicht. Sein Blick war auf Oikawas Augen fixiert, die sein Lächeln nie erreichte, und hinter der üblichen Fassade aus nichts und heuchlerischer Freundlichkeit sah Hajime etwas, das ihn an zerbrochenes Glas erinnerte.
„Mach nicht so ein Drama, Iwa-Chan~ Der Arzt hat nur gesagt, ich darf nicht mehr regelmäßig spielen. Gegen ein bisschen Spaß ab und zu hat er keine Einwände!“
Hajime knurrte. Er packte Oikawa beim Kragen, doch weil die jähe Bewegung ihn ins Straucheln brachte, griff er im nächsten Moment lieber nach seinen Schultern und drückte ihn gegen die Wand, um das Knie wieder zu entlasten, das er gerade unabsichtlich beansprucht hatte.
„WIE. LANGE?!“
Er versuchte gar nicht mehr, leise zu sein.
Es war einerlei. Sie waren sowieso allein.
Oikawas Lächeln verblasste, doch der neue Gesichtsausdruck – herablassend, defensiv – versprach nur noch mehr Ärger und sofort spürte Hajime die Wut in seinem Inneren noch höher kochen. Mit einer Kraft, die Hajime gerade nicht erwartet hatte, schob Oikawa ihn wieder von sich, stemmte provokant die Hände in die Hüften. Obwohl er sein Knie belastete, zuckte er nicht einmal mit der Wimper – zu stolz, zu verletzt, was sollte Hajime es gerade kümmern.
„Ich bitte dich, Iwa-Chan, du bist nicht meine Mutter.“
„ABER DEIN BESTER FREUND!!!“
Und damit flog der Stuhl noch einmal, landete unter Klappern und Klirren irgendwo. Hajimes Atem ging stoßweise, während er Oikawa mit hitzigen Blicken traktierte – sein Freund zeigte gerade verblüffende Ähnlichkeit mit einem Goldfisch, starrend, völlig entgeistert, und in jeder anderen Situation hätte Hajime den Gedanken als Grundlage für einen Witz genommen, doch gerade erinnerte ihn das Bild nur an einen gesunden Oikawa und machte ihn damit nur noch rasender.
„Iwa-Chan…“ Vorsichtig, mit einem Unterton, der beinahe misstrauisch klang. Es war Hajime gerade denkbar egal.
„Wie lange?! Wie lange hast du mich belogen und mir vorgespielt, alles sei okay?! Wie lange hast du dein Knie unnötig kaputt gemacht aus– aus–“
Er gestikulierte wild, unfähig, die passenden Worte zu finden. Dummheit? Stolz? Was war es gewesen? Hajime verstand es nicht! Er hatte Oikawas Selbstzerstörerei noch nie begriffen, aber nun begriff er sie noch weniger als vor wenigen Jahren noch, und es machte ihn hilflos – und das machte ihn wütend.
„Egoismus“, ergänzte Oikawa, und Hajime erstarrte, denn zum ersten Mal seit dem Beginn dieses Streits klang Oikawa ehrlich.
„Ich wollte nicht aufhören, mit Iwa-Chan Volleyball zu spielen.“
Etwas brach. Hajime hatte keine Ahnung, was es war, aber die Scherben stachen so hart und schmerzhaft, dass sie schlimmer waren als die nagende Wut, die durch seine Eingeweide wühlte. Die Schultern völlig verkrampft ließ er die geballten Fäuste sinken, starrte Oikawa an, als hätte er ihn noch nie gesehen und als gäbe es trotzdem nichts, das ihm vertrauter sein könnte, und wusste überhaupt nicht mehr, was er sagen sollte.
Oikawa lächelte wieder, aber es war ein Lächeln, das die Geschichte einer verlorenen Zukunft erzählte, von Unglück und Einsamkeit, und Hajime fand darin so viel wieder von dem, was als Scherbenhaufen in seinem Inneren war. Und eine Erkenntnis.
Es gab nichts mehr zu sagen.