Zum Inhalt der Seite

Tokyo Bay

Neustart
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Da ich heute meine mündliche Chemieprüfung bestanden habe, zur Feier des Tages etwas früher, als ursprünglich geplant ;) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 10
 

Endlich konnte Haruka wieder die Zeit mit ihrem Engel genießen. Nur zwei Tage lang wurde sie von der Künstlerin kalt ignoriert, aber ihr kam es so vor, als hätte sie ein ganzes Jahr nicht mit ihr gesprochen. In Katashi hatte sie einen Freund gefunden, für den der Rennsport eine ähnliche Leidenschaft wie für sie selbst darstellte und die immer noch auftretende Röte in Michirus Gesicht, wenn sie Kikyos Blick begegnete, brachte sie jedes Mal wieder zum schmunzeln. Außerdem war Donnerstag und die Rennfahrerin hatte extra ihren zweiten Helm mit gebracht, damit sie ihren Engel nach dem gemeinsamen Lernen auch nach Hause fahren konnte. In der Mittagspause traf sie mit Katashi wieder auf die Violinistin. Unbewusst aßen die beiden jungen Frauen schneller als sonst, also sah der Brünette bald verblüfft von seinem noch halbvollen auf die leeren Teller seiner Mitschülerinnen. „´enn ihr ´ollt, könnt ihr schon losch. Isch muss schowiescho zu einer anderen Schporthalle alsch ihr, weil isch Baschketball ´abe.“, nuschelte er mit vollem Mund. Fragend sah die Leichtathletin zu Michiru. „Macht es dir denn nichts aus, hier allein sitzen zu bleiben?“, fragte die Schwimmerin. „Ach was, ich habe Jahre lang allein gegessen. Ihr könnt ruhig los fahren. Haruka-sans Weg ist doch sowieso schon lang genug, mit diesem Umweg jede Woche.“, grinste er frech, nachdem er einen großen Bissen herunter gewürgt hatte, und erntete dafür einen tadelnden Blick von seiner blonden Freundin. Die stand jetzt auf und stellte Michirus Tablett auf ihr eigenes. „Na dann. Bis morgen.“, sagte sie knapp und verließ, nachdem sich die Künstlerin ebenfalls verabschiedet hatte, die Cafeteria.

Auf dem Weg über den Schulhof kam die Violinistin ihrer Mitschülerin immer näher und schließlich griff sie nach der Hand der Sportlerin. Lächelnd sah Haruka zu ihr herüber, aber die Streicherin richtete ihren Blick lieber auf ein Schulgebäude und verbarg so ihre erröteten Wangen vor der Läuferin. Als sie den Parkplatz erreicht hatten, trat Haruka ihrem Schützling gegenüber. Ohne ihre Hand los zu lassen, hob sie einen der Helme. Michiru überlegte und sah der Pianistin dann verführerisch in die Augen. Diese verstand sofort. Grinsend löste sie sich von dem Griff der Künstlerin und setzte ihr vorsichtig den Helm auf. „Eigentlich kannst du das doch auch allein, oder nicht?“, fragte sie, als sie den Gurt am Kinn der Schönheit straff gezogen hatte. „Vielleicht… Aber ich fühle mich sicherer, wenn du es tust.“, zwinkerte Michiru und trat schon mal dichter an das Motorrad heran. „Worauf wartest du? Du willst doch nicht schon wieder zu spät kommen, oder?“, mahnte sie auffordernd, als sie feststellte, dass ihre Fahrerin immer noch grinsend hinter ihr stand. Haruka schüttelte kurz ihren Kopf, setzte dann ihren eigenen Helm auf und schwang ein Bein über ihre Yamaha. Hilfsbereit reichte sie der Geigerin ihre Hand. Als diese sie ergriff, wurde sie sofort zu der Maschine heran gezogen. Überrascht taumelte sie kurz gegen ihre Mitschülerin die sie zwinkernd auffing. „Wenn ich bitten darf…“ Verblüfft stellte die Künstlerin fest, dass es die Blondine in einer fließenden Bewegung geschafft hatte, ihr, während sie taumelte, den Arm um die Taille zu legen und ihr mit der Hand unter den Oberschenkel zu greifen. Gerade, als sich Michiru über diese dreiste Annäherung beschweren wollte, wurde sie gekonnt auf den Sitz gehoben. Erschrocken hielt sie sich an dem Arm der Leichtathletin fest. Noch immer grinsend zog die Rennfahrerin diesen wieder zu sich und startete den Motor, woraufhin Michiru kurz tief durchatmete und dann ein Stück nach vorn rutschte, um sich an der Fahrerin festzuklammern.

Selbstbewusst wurde Haruka allmählich schneller, sodass sich ihr Schützling noch dichter an sie schmiegte. Nach einer kurzen Fahrt hatten sie ihr Ziel erreicht und Michiru rutschte von ihrem Sitz. Diesmal nahm sie sich ihren Helm selbst ab und sah strafend zu der Läuferin. „Darüber sprechen wir später noch.“, tadelte sie mit ernstem Blick, begann dann jedoch zu lächeln und verschwand nach einem kurzen „Bis nachher.“ in der Eingangstür der Schwimmhalle.
 

In der Mädchenumkleide angekommen, richteten sich gleich alle Blicke auf Haruka. Ein paar der jungen Damen beobachteten sie neugierig, andere hingegen beeilten sich noch mehr, um dem Raum so schnell wie möglich entfliehen zu können. Grinsend befreite sich die Blondine von ihrem Hemd und sah zu Aiko, die ihren Blick immer noch nicht von ihrer Mitschülerin lösen konnte. „Es macht mir ja nichts aus, so von euch gemustert zu werden, aber ich denke, ihr solltet euch jetzt doch mal beeilen. Fukami-sensei wird euer Interesse am weiblichen Körper bestimmt nicht als Ausrede durchgehen lassen.“ Als sie fertig umgezogen war, verließ sie den Raum, wo neben Aiko auch ein paar weitere Schülerinnen mit erröteten Wangen zurück blieben.

Die Doppelstunde verging für die Rennfahrerin wie im Flug und nachdem sie ihre Klassenkameradinnen durch weitere Sprüche erneut in Verlegenheit gebracht hatte, sprintete sie wieder zu ihrem Motorrad, um schnellstmöglich zu ihrem Engel zurück zu kehren.
 

Michiru wartete bereits vor der Schwimmhalle. Der Schwimmunterricht wurde heute früher beendet, weil Frau Ogata noch einen dringenden Termin hatte, also setzte sich die Streicherin auf eine Bank und wartete. Nachdenklich betrachtete sie den Helm in ihren Händen. Sie drehte und wendete ihn und schließlich sah sie sich kurz um, um sicher zu gehen, dass niemand in der Nähe war. Dann beugte sie sich ein wenig vor und schnupperte an dem Kopfschutz. Enttäuscht musste sie feststellen, dass der Rosenduft fast völlig verzogen war. Seufzend platzierte sie das Stück Kunststoff links neben sich auf der Bank, zog ihre Tasche auf ihren Schoß und legte ihren Kopf darauf ab. Verträumt schloss sie die Augen und döste bald vor sich hin. Die heutige Doppelstunde war besonders anstrengend gewesen, weil die Lehrerin mit der Vorbereitung für den Schwimmwettkampf beginnen wollte. Also merkte die Violinistin nicht, wie die rote Yamaha auf den Parkplatz fuhr und abgestellt wurde.

Haruka war ihr Schützling sofort aufgefallen. Nachdem sie ihren Helm auf ihrer Maschine abgelegt hatte, machte sie sich leise auf den Weg zu ihr. Still nahm sie den Kopfschutz von der Bank und legte ihn auf den Boden. Schweigend setzte sie sich zu der jungen Künstlerin und beobachtete sie. Nachdem sie kurz darüber nachgedacht hatte, ließ sie ihre Finger sanft von den Schultern der Schönheit aus über deren Rücken und wieder zurück streichen. Ein Lächeln bildete sich auf Michirus Lippen. Ohne die Augen zu öffnen ließ sie ihre Tasche zu Boden gleiten, legte ihren Kopf auf dem Schoß der Pianistin ab und zog ihre Beine mit auf die Bank. Träumend legte sie ihre Rechte auf dem Oberschenkel der Blondine ab und seufzte leise. Schmunzelnd sah ihr Haruka zu und legte ihre eigene Hand auf der Taille ihres Engels ab, als dieser endlich seine Liegeposition eingenommen hatte. Wie in Trance kuschelte sich Michiru noch weiter an ihre Mitschülerin und verschränkte die Finger ihrer Linken mit denen, die sie so zärtlich berührten. Sanft strich Haruka durch die türkisfarbene Mähne und entlockte der Violinistin einen weiteren zufriedenen Seufzer. Vorsichtig hob sie den hübschen Kopf an, um auf der Bank ein Stück herunter zu rutschen, sodass auch sie jetzt mehr lag als saß. Dann legte sie das Haupt der Künstlerin auf ihrem Bauch ab. In dieser Position konnte sie ihren eigenen Kopf gedankenverloren gegen die Rückenlehne stützen und den ruhig atmenden Körper ihres Engels beobachten.

Michiru hatte sehr wohl die liebevollen Gesten ihrer Mitschülerin bemerkt, jedoch entschied sie sich dafür, noch einen Moment zu verharren. Nach einigen Minuten hielt sie es nicht mehr aus. Sie öffnete ihre Augen und drehte sich auf den Rücken, wobei sie die Hand der Blondine nicht los ließ und sie stattdessen auf ihren Bauch zog. Dann legte sie ihren Kopf auf die Seite und blickte endlich in das hübsche Gesicht der Pianistin, die sie fürsorglich anlächelte. Noch immer kraulte Haruka mit ihrer Linken das Haar der Jüngeren. Als sich ihre Blicke trafen, hatte sie wieder das Gefühl in dem tiefen Türkis zu versinken. Verloren sahen sich die beiden gegenseitig an, bis der Januarwind Michiru abermals frösteln lies. „Wir haben wohl doch noch Winter.“, lächelte Haruka, richtete sich vorsichtig ein wenig auf, um sich ihr Jackett aus zu ziehen, legte es liebevoll um den zierlichen Körper der Schönheit und fand schließlich wieder in ihre alten Position. Die Künstlerin konnte nicht anders, als sich auf die rechte Seite zu drehen, ihre Beine noch mehr an zu ziehen und sich noch dichter an ihre Mitschülerin zu schmiegen. Der zarte Rosenduft, der von ihrer neuen Decke ausging, ließ sie in eine andere Welt abtauchen. Zufrieden beobachtete die Sportlerin, wie ihr Schützling seine Augen schloss und offensichtlich an dem Jackett schnupperte.

Erst als die Abenddämmerung einsetzte, durchbrach die Violinistin die Stille. „Ich fürchte, ich muss jetzt nach Hause. Ich habe Hotaru versprochen ihr heute bei den Hausaufgaben zu helfen…“, flüsterte sie traurig und sah wieder in Harukas sanftes Gesicht. Diese hauchte nur „Okay.“ und strich noch ein paarmal durch die gewellte Mähne ihres Engels, bevor sich die Geigerin langsam erhob. Mit einem letzten, tiefen Atemzug sog die Schwimmerin den Duft des Jacketts ein und gab das Kleidungsstück dann seinem Besitzer zurück. Grinsend nahm es die Blondine entgegen. Als Michiru registrierte, dass ihr Verhalten nicht unentdeckt geblieben war, lief sie rot an. Ihr Körper hatte sich den ganzen Nachmittag über von ihren Instinkten führen lassen. Verlegen hob sie ihre Sachen auf und schritt langsam und mit gesenktem Blick neben Haruka her zum Parkplatz. Hilfsbereit setzte ihr die Pianistin ihren Helm auf, sicherte sich selbst, setzte sich auf ihre Maschine und half ihr – diesmal charmanter – auf das Motorrad. Schüchtern versuchte sich die Malerin zu beherrschen, doch schon, als sie den Motor aufheulen hörte, rutschte sie näher an die Fahrerin heran und umklammerte sie. Auf der rasanten Fahrt zu ihrer Wohnung hatte ihr Verstand abermals nichts zu sagen. Sie genoss einfach die Nähe zu der Läuferin und hatte das Gefühl, ihr gar nicht nahe genug kommen zu können. Haruka fühlte ihrerseits den wieder fester werdenden Griff ihres Engels und wäre nur zu gern mit ihm an einen abgelegenen, warmen und romantischen Ort gefahren, doch ihr Verantwortungsbewusstsein ließ sie wenigstens halbwegs klar denken, weshalb sie bald in die Straße bog, in der Michirus Wohnung lag, und vor einem weiten Eingang zum stehen kam. Grinsend stellte sie fest, dass sich die Violinistin wohl nicht von ihr lösen wollte, also wartete sie noch einen Moment, bis sie schließlich ihren Kopf zur Seite drehte und ruhig über ihre Schultern sprach: „Ich will ja auch nicht, dass du gehst, aber deine Schwester wartet sicher schon.“ Erschrocken öffnete die Künstlerin ihre Augen und rutschte etwas ungeschickt vom Motorrad, weshalb sie sich erneut an der Leichtathletin fest halten musste. Lächelnd stieg diese nun ebenfalls von der Maschine und nahm erst sich selbst und dann ihrer Mitschülerin, die sich immer noch an ihr festhielt, den Helm ab. „Danke.“, brachte die Schwimmerin nur leise hervor und wandte sich schon dem Hauseingang zu, wurde jedoch fest gehalten. Sanft aber bestimmt wurde sie zurück gezogen und zärtlich auf die Wange geküsst. „Bis morgen, mein Engel.“, flüsterte Haruka, lächelte ihr noch einmal entgegen und schwang sich zurück auf ihre Yamaha, um kurz darauf davon zu rasen.

Michirus Herz schlug so kräftig wie noch nie, weshalb sie sich einen Moment lang sammeln musste, bevor sie den Weg nach oben antreten konnte. Immer noch rauschte das Blut in ihren Ohren, als sie einige Minuten später die Tür zu ihrer Wohnung öffnete und ihr die kleine Hotaru entgegen sprang. Abwesend lächelte die Ältere und ließ sich von ihrer Schwester in die Küche führen. „Du kommst ganz schön spät, Chiru-chan. Mama hat schon das Essen fertig, also müssen wir uns hinterher an meine Hausaugaben setzten,“, erklärte die Dunkelhaarige und nahm an dem gedeckten Abendbrottisch Platz, an dem ihre Eltern bereits saßen und warteten. Setsuna erkannte den Blick ihres Schützlings sofort und wusste ohne jegliche Erklärung, dass sich das Problem mit Haruka gelöst haben musste. Erleichtert füllte sie den Teller der Violinistin und reichte ihn zwinkernd an ihre Stieftochter weiter, die das Signal augenblicklich verstand und etwas rot anlief.
 

Ungeduldig wartete Haruka auf ihren Engel. „Guten Morgen“, wurde sie einstimmig von Kikyo und Junko begrüßt und antwortete ihrerseits mit einem charmanten Lächeln. „Sieht so aus, als wäre zwischen euch alles wieder bestens?!“, stellte Junko fest. „Ja, das ist es. Zum Glück! Für mich war es die reinste Qual, als sie nicht mit mir gesprochen hat.“ „Was war eigentlich los?“, wollte Kikyo wissen und wurde von ihrer älteren Freundin breit angegrinst. „Ganz ehrlich? Sie hat uns gesehen.“, erklärte diese knapp und schmunzelte über die Verwirrung im Gesicht ihrer Mitschülerinnen. Nachdem sie sich daran sattgesehen hatte erklärte sie schließlich weiter: „Als ich dich am Wochenende nach Hause gefahren habe, hat sie uns gesehen. Und am Tag vorher haben wir ja unglücklicherweise auch noch Sarah getroffen. Also dachte sie, ich wäre eine Aufreißerin und hätte mich mittlerweile schon an euch beide ran geworfen. Sie hielt mich für einen Macho, sagte sogar, ich wäre nicht besser als Kawashima. Darum wollte sie nichts mehr mit mir zu tun haben.“ „Sie war eifersüchtig?“, schlussfolgerte die Brünette entgeistert. „Wieso eifersüchtig? Nein, sie war sauer, weil ich offensichtlich in zwei Wochen zwei Frauen aufgerissen habe…“ „Also war sie eifersüchtig.“, klärte Kikyo trocken. „Haruka-san, das ist doch ein gutes Zeichen! Überleg doch mal! Sie will nicht, dass du dich mit anderen Frauen triffst. Das heißt doch wohl, das sie dich für sich will. Guck nicht so skeptisch! Das ist doch eindeutig.“ „Darf ich mal kurz fragen, wer Sarah ist?“, warf Junko neugierig ein. Als die Klassensprecherin jedoch das breite Strahlen im Gesicht der Leichtathletin deutete, als diese ihren türkishaarigen Engel entdeckt hatte, zog sie ihre Freundin davon. „Das erklär ich dir besser drinnen. Wir wollen doch nicht wieder etwas hoch wühlen.“, erklärte Kikyo und zerrte die Dunkelhaarige in Richtung des Musikraums davon.

„Guten Morgen!“, grinste Haruka breit, als ihr Schützling auf sie zu kam. „Guten Morgen.“, lächelte die Violinistin zurück und strich sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht. Wieder hatte sie von der Rennfahrerin geträumt und so konnte sie es kaum erwarten, endlich aus dem Bus und zu ihrer Pianistin zu eilen. „Wollen wir?“, fragte die Blondine, nachdem sich die Künstlerin abermals kurz in ihrem Traum verfangen hatte. Die Streicherin schüttelte kurz ihren Kopf und lächelte ihr Gegenüber erneut an.

Im Musikraum angekommen traf sie den Blick ihrer Klassensprecherin und schrak kurz hoch, als diese ihr zu zuzwinkern schien. Hatte ihr Haruka etwa von ihrer Eifersucht erzählt? Michiru konnte das Aufsteigen von Röte in ihrem Gesicht nicht verhindern, also suchten ihre Augen die Violine, die zur Dekoration an einer Wand hing, und beruhigte sich durch Gedanken an klassische Musik.

Der letzte Tag der Schulwoche verging wie im Flug und nachdem die Künstlerin festgestellt hatte, dass ihre Mitschülerin heute ohne zweiten Helm gekommen war, packte sie ihre Unterlagen nach dem Unterrichtsende langsam und irgendwie enttäuscht zusammen. Wie gewohnt wartete die Sportlerin geduldig auf ihren Schützling. Auf dem Weg nach draußen bemerkte sie dessen traurigen Blick. „Ist alles in Ordnung?“, wollte die Blondine wissen. „Ja, natürlich. Warum fragst du?“ „Naja, du wirkst irgendwie niedergeschlagen…“ Wieder brachte Haruka die Schönheit in Verlegenheit. „Es ist alles in bester Ordnung.“ Michiru hakte sich mit leicht geröteten Wangen bei der Größeren ein. „Wenn du nichts dagegen hast, bringe ich dich noch zum Parkplatz.“, fügte sie hinzu und drosselte bewusst das Tempo. Haruka dachte kurz nach und lächelte sanft: „Tut mir leid, ich kann dich heute leider nicht nach Hause bringen. Ich treffe mich gleich mit einem Makler und werde mir einige Wohnungen ansehen. Aber nächste Woche fahre ich dich wieder.“ Die Röte im Gesicht der Violinistin wurde kräftiger. War sie so leicht zu durchschauen? Sich rauszureden war wohl nicht mehr möglich. „Na gut. Dann eben nächste Woche wieder.“, antwortete sie resignierend und löste sich von der Pianistin, um gleich danach ihre Hand zu ergreifen.

Bei ihrem Motorrad angekommen löste Haruka linkshändig geschickt den Helm, der an ihrem Rucksack befestigt war, und sah dann liebevoll in das ihr abgewandte Gesicht. „Meine Hand muss ich leider mitnehmen.“ Michiru löste etwas erschrocken ihren Griff. „Ich wünsche dir ein schönes Wochenende, meine Engel.“, lächelte die Rennfahrerin, bekam jedoch keine Antwort. Nachdem sie noch kurz gewartet hatte, schwang sie schließlich ein Bein über ihre Maschine und fügte etwas enttäuscht „Bis Montag…“ hinzu. Gerade, als sie ihren Helm aufsetzten wollte, sah die Künstlerin auf, zögerte noch einen Moment und schnellte plötzlich vor, um der Leichtathletin einen kurzen Kuss auf die Wange zu geben. „Bis Montag.“, flüsterte sie und drehte sich danach schnell um, um zügig in Richtung Bushaltestelle zu verschwinden. Überrascht sah ihr die Läuferin nach.
 

Der Makler zeigte Haruka viele große, teure Wohnungen, aber keine konnte den Anforderungen der Rennfahrerin gerecht werden. Die Objekte lagen alle in den verschiedensten Stadtteilen, sodass sie auch noch den halben Samstag über durch Tokio zogen. Erst am späten Samstagnachmittag besichtigten sie ein Penthouse im Bezirk Minato, das das Interesse der Sportlerin wecken konnte. Sie erreichten die Wohnung mit einem gesicherten Fahrstuhl, dessen Türen sich nach einer etwas längeren Fahrt öffneten und den Blick auf einen breiten Flur freigaben. Nach wenigen Schritten erreichte die Pianistin einen Art Korridor, der nach links und rechts führte. „Wenn Sie mir bitte folgen würden…“, sprach der mittlerweile etwas entnervte Makler und wählte zunächst den linken Weg, der einerseits zu einer hellen und geräumigen Küche, andererseits in ein ebenso großes Bad mit Dusche und Badewanne führte. Haruka wollte einen Blick aus dem Fenster im Bad werfen, wurde jedoch von dem Geschäftsmann abgehalten und zurück über den Korridor geführt. Rechts erkannte die Athletin nun den Weg zum Fahrstuhl, links ließ sie eine Tür liegen und auch der Tür neben dem Fahrstuhlflur schenkte der Mann keine weitere Beachtung. Geradezu öffnete er zielstrebig die Tür zum nächsten Raum. Die Blondine trat ein und fand sich in einem weiten Zimmer wieder. „Das wäre dann das Wohn- und Esszimmer. Damit sie es sich besser vorstellen können, haben wir ein paar Möbelstücke hiergelassen.“, erklärte der Geschäftsmann. Haruka sah sich neugierig um. Auf der rechten Seite erkannte sie den Wohnbereich, links stand ein Tisch, der wohl den Essbereich kennzeichnen sollte. Im Hintergrund fand sie eine große Glastür, die auf einen Balkon zu führen schien. Wieder wurde sie von dem Makler von ihrem Weg abgebracht und in einen Raum geführt, der an den Essbereich angrenzte. Auch von diesem Schlafzimmer aus, gab es einen Weg nach draußen. Fragend sah die Leichtathletin den nicht mehr so gestresst wirkenden Mann an, der ihr endlich zunickte, und betrat den geradezu gewaltigen Balkon. Jetzt verstand sie, warum er ihr so lange vorenthalten wurde. Er war ausgesprochen breit und erstreckte sich nicht nur über die volle Breite des Schlafzimmers, sondern ging noch weiter und um die Ecke. Forschend sah sich die Blondine um und stellte fest, dass er Schlaf- und Wohnzimmer verband. >Was für ein Anbau!< Neugierig widmete sich die junge Frau der Aussicht. Ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen, als sie in der Ferne die Bucht von Tokio erkannte und ihr ein kalter Luftzug durchs Haar strich. Nachdem sie ein paarmal tief ein- und ausgeatmet hatte, wandte sie sich dem Makler zu. „Ich glaube, wir sind doch noch fündig geworden.“, grinste sie breit und der Mann schlug freudig die Hände zusammen. „Das habe ich gehofft! Aber den besten Raum habe ich Ihnen noch vorenthalten.“, lächelte er und führte die Rennfahrerin wieder in den Korridor. Fragend fasste sie an die Klinke der Tür gegenüber des Fahrstuhls. „Oh, nein. Das ist nur die kleine Vorratskammer.“, erklärte der Makler und öffnete den Raum auf der gegenüberliegenden Seite. Als Haruka diesen betrat, sah sie sich verblüfft um. Es gab keine Fenster und trotzdem war es taghell. Ihr Blick fiel auf eine Wendeltreppe in einer Ecke des Zimmers. Neugierig ging sie darauf zu und sah in gleißendes Sonnenlicht. Fasziniert erklomm sie die Stufen. Nachdem der Geschäftsmann unten einen Schalter neben dem Zimmereingang betätigt hatte, schob sich eine gläserne Tür auf und die Blondine konnte das Dach des Gebäudes betreten, von dem aus sie eine 360-Grad-Aussicht über Tokio genießen konnte. Nach wenigen Augenblicken erklärte der Makler: „Das hier ist zweifelsohne das Highlight dieser Wohnung. Das gesamte Dach würde Ihnen gehören. Ist einem der Balkon nicht romantisch genug, könnte man sich hier das ein oder andere Glas Wein schmecken lassen. Man könnte hier auch Partys geben. Platz wäre ja genug.“ Langsam ging Haruka auf das Geländer zu und ließ ihren Blick über Tokio schweifen. Der Geschäftsmann hatte sich genau den richtigen Zeitpunkt für diese Wohnung ausgesucht, denn am Horizont konnte die Sportlerin dem nahenden Sonnenuntergang entgegen sehen. „Ich nehme sie.“, legte sie fest. Sie drehte sich wieder dem Makler entgegen, der jetzt breit grinste und die Hände rieb.

Das Wichtigste wurde noch unten im Wohnbereich geklärt - da Haruka noch nicht volljährig war, sollte sie in der nächsten Woche noch zum Unterschreiben des Kaufvertrages vorbei kommen - und glücklich konnten sich Makler und Käuferin voneinander ins Wochenende verabschieden.

Der Hunger trieb die junge Sportlerin in ein nahes Restaurant und nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatte, lehnte sie sich zurück und schloss erschöpft die Augen. Ein Lächeln schlich sich in ihr Gesicht, als sie an den Abschiedskuss von gestern zurück dachte. Sie stellte sich das Bild ihres wunderbaren Engels vor, der sie liebevoll anlächelte. Dieses unbeschreiblich tiefe Türkis… Der sanfte Duft nach Kirschblüte… Die gefühlvolle Melodie der Violine… >Moment mal!< Haruka schrak hoch. Sie hörte tatsächlich die Klänge einer Violine. Suchend sah sie sich um und entdeckte eine etwas abgelegene Tür, vor der ein Portier stand. Neugierig stand sie auf und ging auf die Tür zu. Zweifelsohne kam die Musik aus dem Nebenraum. „Tut mir leid. Geschlossene Gesellschaft.“, sagte der Portier und blätterte weiter in seinen Unterlagen. „Kann es sein, dass Kaioh Michiru da drinnen ein Konzert gibt?“, fragte die Blondine leise und bekam ein desinteressiertes „Glaub schon.“ zur Antwort. Die Leichtathletin ging zurück an ihren Platz, um ihren Helm zu holen und sich an einen Tisch zu setzen, der dem Nachbarraum näher war. Still lehnte sie sich zurück, schloss wieder die Augen und verlor sich in den traumhaften Klängen ihrer Mitschülerin, bis der Kellner kam, um ihr den bestellten Tee und Salat zu bringen. Des Öfteren dachte Haruka, das Konzert wäre vorbei. Offenbar gab die begabte Künstlerin kein normales Konzert. Es gab häufig Pausen, die mal nur wenige Minuten, mal eine halbe Stunde andauerten. Doch irgendwann verstummte die Violine wohl endgültig. Nachdem die Pianistin fast eine Stunde lang der Stille gelauscht hatte, sah sie auf die Uhr ihres Handys, leerte erneut ihr Teeglas und bestellte die Rechnung. Es war weit nach Mitternacht und offensichtlich hatte ihr Engel das Konzert endgültig beendet.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: Tidus17
2015-12-23T23:03:25+00:00 24.12.2015 00:03
Tolles Kapitel, aber das mit den Makler ist merkwürdig ich denke da man nicht volljährig ist kann sie keine Wohnung mieten, hattest du vorher erwähnt aber eine Wohnung kaufen das geht? Müsste da nicht ein Vormund für sie unterschreiben und das abwickeln. Nja ist nur eine Geschichte xddd
Von:  xXxMephistoxXx
2015-09-19T23:19:45+00:00 20.09.2015 01:19
Spitzen Kapi Weiter so
Lg Mephi
Von:  fahnm
2015-09-19T23:16:03+00:00 20.09.2015 01:16
Eine Tolle Geschichte


Zurück