Zum Inhalt der Seite

Kinder der Freiheit

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ankunft

Nervös spielte die mit den Spitzen ihres Haares, während sie gleichzeitig mit der rechten Ferse immer wieder auf den Boden auftippte. Es war einige Jahre her, dass sie nach Stohess gekommen war und hatte es seitdem nicht verlassen, nun war sie in einer Kutsche unterwegs, weg von diesem schrecklichen Ort mit all seinen Spießern, und würde ihn endlich wieder sehen. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als sie an ihn dachte.
 

Was hatte sie ihm alles zu verdanken. Ohne ihn, wäre sie wahrscheinlich innerhalb der ersten zwei Tage, nachdem sie aus dem Untergrund geflohen war, verhungert oder erschlagen worden. Er hatte ihr ein Zuhause gegeben, ihr geholfen sich in seiner Welt zurecht zu finden und ihr einen Weg gezeigt, ihren Traum zu verwirklichen.
 

Jetzt war die Zeit gekommen ihm zu zeigen, dass seine Mühe nicht vergebens war. Sie wollte ihn stolz machen, ihn glücklich sehen, ihm etwas zurückgeben.
 

Plötzlich stoppte die Kutsche. Verwirrt sah sie aus dem Fenster, ehe der Kutscher ihr die Tür öffnete. „Wir sind da, “, verkündete er übel launig. Anscheinend war er an diesem kalten Wintertag nicht so glücklich mit seiner Berufswahl.

Das Grinsen auf ihrem Gesicht wurde breiter, als sie sich erhob, um auszusteigen.
 


 

Ungeduldig blickte Levi in die Ferne. Erwin hatte ihm aufgetragen die neue Ärztin zu empfangen und zu ihm zu geleiten. Nur verspätete sich dieses verdammte Weib. Er bewegte seine kalten Zehen, die er mittlerweile kaum noch spürte und hauchte in die Hände, die er zu Fäusten vor seinem Mund geballt hatte. Sein Atem zeichnete sich in kleinen weißen Wolken ab. Es war arschkalt und jeder versuchte nicht vor die Haustür zu treten, sofern es sich nicht vermeiden ließ. Nur er stand sich hier die Beine in den Bauch.
 

Ein Wiehern ließ in aufblicken und er erkannte eine Kutsche in der Ferne.

„Komm schon“, grummelte er genervt, während er darauf wartete, dass diese sich ihm näherte.
 

Nach schier endloser Zeit hielt die Karosse vor ihm. Der Kutscher stieg von seinem Bock, nickte ihm zur Begrüßung zu und öffnete die Tür des Kutschkastens.

„Wir sind da“, informierte er seinen Fahrgast, während er die Tür offen hielt. Kurz darauf reckte eine junge Frau den Kopf nach draußen.
 

Feuerkopf
 

Das war der erste Gedanke, der ihm zu ihr einfiel. Ihre roten Haare fielen ihr in leichten Wellen über die Schultern, während ihre Augen erwartungsvoll funkelnd die Umgebung musterten. Als sie jedoch realisierte, das niemand außer ihm anwesend war, um sie zu empfangen, wurde ihr strahlendes Lächeln immer schmaler, bis sie die Mundwinkel nach unten zog.
 

„Wo ist Erwin?“, wollte sie von ihm wissen. Keine Begrüßung, keine Bekanntmachung, nichts.
 

Unhöfliche Göre, berichtige Levi sich gedanklich.
 

„Ich bringe dich zu ihm“, sagte er, obwohl er lieber genau das Gegenteil getan hätte. Am Liebsten hätte er sie bei dieser Kälte irgendwo in der Pampa ausgesetzt. Sollte sie doch bei Minustemperaturen draußen rumstehen und sich den Allerwertesten abfrieren. Allerdings hatte er Erwin sein Wort gegeben und somit war sein Plan gescheitert, ehe er ihn überhaupt ausführen konnte.
 

Der Kutscher holte ihr Gepäck aus dem Wagen, stellte es neben ihr ab und verschwand ohne ein Wort des Abschieds.

Für einen Augenblick überlegte er, ob er sie ihre Habseligkeiten allein schleppen lassen sollte, entschied sich jedoch dagegen und nahm ihr einen der beiden schweren Koffer ab. Eilig schritt er zu der Veste, die dem Aufklärungstrupp im Moment als Unterschlupf diente. Anstaltslos folgte sie ihm, bis sie durch die Gänge hindurch zu einem karg eingerichteten Zimmer gelangten.
 

Sie trat hinter ihm ein, stellte das Gepäck ab und sah sich argwöhnisch in dem Raum um. „Ich dachte, du wolltest mich zu Erwin bringen“, sprach sie aus, während sie mit den Fingerspitzen die Tagesdecke vom Bett anhob und angewidert das Gesicht verzog, als sie darunter schaute.
 

Levi verdrehte die Augen. War sie wirklich so blöd.

„Und ich dachte, du willst deine Habschaft erst mal wo abstellen“, gab er seine Gedanken preis, wobei kaum zu überhören war, was er von ihr hielt.
 

Schlagartig ließ sie die Decke los und drehte sich zu ihm um. „Gute Idee“, gab sie zu, wobei sie sich übers Kinn strich. „Dann können wir ja jetzt weiter.“
 

Er schnaubte, bevor er sich umdrehte und sie zu ihrem gewünschten Zielort führte.
 


 

Erwin rieb sich nachdenklich das Kinn, während er auf das Papier starrte, auf dem er die verbesserte Version seiner Fernaufklärungs-Formation skizziert hatte. Während der letzten Expedition hatte sich die Formation als brauchbar erwiesen, nun mussten hier und da noch ein paar Details ausgearbeitet werden.
 

Ohne jede Vorwarnung wurde die Tür aufgerissen, was nur Levi sein konnte. Das hieß, dass sie endlich eingetroffen war. Dennoch schaute er nicht zu der Person im Türrahmen auf, sondern nahm das Pergament in die Hand und studierte es genauer. Er wusste, dass er dabei einen dummen Spruch von einer ganz bestimmten Person provozierte und genau das war sein Plan. Er wollte wissen, ob sie noch immer die Selbe war, nach all den Jahren.
 

Schritte näherten sich seinem Schreibtisch, wovor sie verstummten, da ihr Verursacher stehen geblieben war. Amüsiert stellte er sich vor, wie sie mit in die Hüften gestemmten Fäuste dastand und verärgert eine Augenbraue in die Höhe gezogen hatte.

Nur noch ein kleines Weilchen wollte er sie reizen, ehe er sie begrüßen würde.
 

Prompt in diesem Moment kam die Anmache, auf die er gewartet hatte. „Muss ich dem Bananenkönig erst seine Papiere um die Ohren hauen, damit er mich beachtet?“
 

Das war sie! Seine Freya!
 

Leise lachte er auf und hob den Blick an. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schaute ihm grimmig entgegen. Jedoch bröckelte diese Fassade schnell, denn sie konnte sich ebenfalls kein Lächeln verkneifen.
 

Er musterte sie. Ihre Haare waren länger geworden und sie hatte etwas zugenommen, was sie nicht dick wirken ließ, sondern erwachsener und fraulicher. Sie sah nicht mehr so abgemagert aus und er kam nicht umhin festzustellen, dass ihr Oberteil um die Brust mehr spannte, als vor ihrer Abreise, wofür er sich gedanklich schon fast schämte. Hastig wandte er den Blick ab und sah ihr in die grauen Augen, die ebenso nach den Veränderungen an ihm suchten.
 

„Hattest du eine angenehme Reise?“, fragte er.

„Das sind jetzt nicht ernsthaft deine ersten Worte nach 5 Jahren, in denen wir uns nicht gesehen haben?“, hakte sie ungläubig nach.
 

„Hattest du dir meine Anrede vorher auch gut überlegt?“, wollte er von ihr wissen.

Sie schüttelte den Kopf. „Du denkst doch nicht etwa, dass das überlegt war.“

„Nein, du wirst wahrscheinlich wieder ausgesprochen haben, was dir in diesem Moment in den Sinn kam“, überlegte er.
 

Eine Sekunde des Schweigens, ehe sie beide lachten.

„Ich habe etwas für dich“, eröffnete Erwin, wandte sich ab, um etwas aus einer Schublade zu suchen. Er hielt ihr eine kleine Schatulle entgegen, die gerade einmal so groß war wie seine Handfläche. „Mach es später auf.“

Sie bedankte sich, als sie das Geschenk annahm. „Womit habe ich das verdient?“, fragte sie.

Erwin erwiderte daraufhin nichts, sondern schenkte ihr eines seiner Lächeln, die sie in den letzten Jahren so sehr vermisst hatte.
 

Levi, der noch immer im Türrahmen stand, räusperte sich. Die Beiden hatten ihn total vergessen, wieso sagte er auch nicht vorher etwas.
 

„Levi wird dich noch in den Speisesaal bringen, damit du noch etwas zu essen bekommst“, erklärte Erwin ihr. „Wenn es nicht so spät wird, komme ich noch mal bei dir vorbei.“

Sie nickte und wandte sich Levi zu, der ein Gesicht machte, wie drei Tage Regenwetter.
 

„Freya?“, hielt ihr alter Freund sie zurück. Sie blieb stehen und drehte den Oberkörper so, dass sie ihn ansehen konnte. „Schön, dass du wieder da bist.“

Ein Grinsen bildete sich auf ihren Lippen. „Ich freu mich auch dich wiederzusehen!“
 


 

Ihm wurde schon schlecht bei dem ganzen Schäkern. So kannte er Erwin bis jetzt gar nicht.

Er fragte sich, was die beiden miteinander zu tun hatten. Anscheinend kannten sie sich. Waren sie Freunde oder vielleicht sogar ein Paar? Aber was ging ihn das an?
 

Levi schaute zu ihr hinüber. Freya hatte Erwin sie genannt.

Diese betrachtete die kleine Schatulle in ihrer Hand, wobei sie dümmlich grinste, während sie mit den Fingerspitzen über den Deckel strich. Wahrscheinlich überlegte sie, ob sie nun gleich nachsehen sollte, was sich in dem Kästchen befand oder doch lieber später, wenn sie allein und ungestört war.
 

„Hier ist der Speisesaal", gab er bekannt, als sie eben diesen betraten. Keine Menschenseele war mehr anwesend, denn das Abendbrot war schon längst vorbei.

Sie passierten die Räumlichkeit und gingen in die angrenzende Küche. Dort suchten sie Brot mit etwas Wurst und Käse zusammen, womit sie sich an einen Tisch setzten.
 

„Du musst nicht bei mir bleiben, wenn du nicht willst", sagte Freya plötzlich.

Levi sah sie einen Augenblick an. „Wegen dir habe ich das Abendessen verpasst", offenbarte er vorwurfsvoll und griff nach einer Scheibe Brot.

Für eine Sekunde sah sie ihn entsetzt an, die Augen aufgerissen und der Mund geöffnet, ehe sie den Kopf senkte. „Entschuldige."
 

Dieses eine Wort im Zusammenhang mit ihrer Mimik löste das Gefühl eines Déjà-vu bei ihm aus. Er betrachtete sie genauer. Konnte es sein, dass sie sich schon ein Mal begegnet waren? Angestrengt dachte er nach, während er sie nicht aus den Augen ließ.
 

„Kommst du aus dem Untergrund?", fragte er sie schließlich.

Sie stoppte in ihrer Kaubewegung und sah ihn überrascht an. „Nein", sagte sie mit vollem Mund.
 

Die Art, wie konzentriert sie auf ihrem Essen herumkaute, sagte ihm, dass er auf der richtigen Fährte war. Doch fiel ihm kein konkretes Ereignis ein, das er mit ihr verbinden könnte, weshalb er das Thema vorerst fallen ließ. Jedoch würde er ihr zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal genauer auf den Zahn fühlen.
 


 

  • Donnerburg, Mauer Maria, 845
 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück