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Under your wings

von

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Kapitel 1

Es war die zweite Woche im Oktober, die ihn zurück auf die Schulbank zwang. Ganz bei der Sache war er während der ersten Sitzungen seiner Unikurse nicht. Eigentlich sollte er die Informationen in sich aufsaugen, wie ein trockener Schwamm, aber das tat er nicht. Er wusste, dass Armin jetzt in einem Flieger Richtung Frankreich saß und er ihn nicht einmal mehr persönlich hat verabschieden können. SMS’ hatten sie getauscht, bevor Armin sein Handy für den Flug ausgestellt hatte.

Ein tiefes Seufzen verließ seine Lippen, während er in der vorletzten Reihe des Hörsaals saß und mit dem Kuli spielte, der vor ihm lag. Vorn sprach ein Professor von den Formalitäten für die Scheine und sonstige Dinge, doch flossen die Worte so dahin und blieben nicht in Erens Gedächtnis hängen. Was war das hier? Die Vorlesung zur Bio-Technik? Ja, richtig… Zukunftsforschung…

Warum auch immer er gerade diese Vorlesung gewählt hatte, wusste er nicht. Er studierte Biologie und Informatik auf Lehramt. Nicht, weil er unbedingt Lehrer werden wollte, sondern weil es die einzige Möglichkeit gewesen war, beide Fächer unter einen Hut zu bekommen. Denn entscheiden wollte er sich nicht. Zwar war ihm bereits jetzt zu viel Fachdidaktik mit eingebunden, aber er würde sich auch damit arrangieren können. Abgesehen davon war die Zukunft dann nicht so brotlos wie mit Kunst… Nicht, dass er sich für Kunst interessiert hätte. Seit dem erstklassigen Biologieunterricht und seiner Neigung zur Technik und Computern, hatte es sich einfach angeboten, die beiden liebsten Fächer und Richtungen einzuschlagen – nicht? Wenn man das Hobby zum Beruf machen konnte, ging für jeden ein Traum in Erfüllung. Eren war zwar noch gute sechs Semester bis zum ersten Ziel entfernt, aber zu träumen war ja nicht verboten.

Armin hatte immerhin auch schon konkrete Zukunftspläne und machte das Auslandsjahr in Frankreich nicht ganz ohne Hintergedanken. So weit Eren wusste, war es möglich, sich das Auslandsjahr irgendwie anrechnen zu lassen und Armin wollte unbedingt Französisch zu studieren – wie auch immer die Kombination mit Meeresbiologie da zusammenpassen sollte… Aber vielleicht war es an der Uni, an welcher sein blonder Freund sich bewerben wollte, ja anders als diese. Die Shiganshina University lag in der nächsten Stadt, etwa eine Stunde mit dem Auto entfernt und Armins erwählte Uni. Sie hatten zuvor gemeinsam die Schule besucht und ihren Abschluss gemacht. Mikasa war vor dem höchsten schulischen Abschluss abgegangen, hatte ihre mittlere Reife gemacht und war bei dem Frisörsalon gelandet. Eren hatte sich mit Armin bis zum Schluss durchgekämpft und jetzt trennten sich ihre Wege wegen der Uni. Nicht, dass es ihre Freundschaft zerstören könnte. Wie auch? Sie waren seit Kindertagen befreundet – sie drei. Und er hatte Armin versprochen, Zeit für Skype-Gespräche einzuräumen. Auch wenn das Studium ab jetzt seine komplette Zeit in Anspruch nehmen würde. Gerade Informatik war ein Fach, das nicht für einen Spaziergang ausgelegt war.

Als jedoch alle ihre Sachen zu packen begannen, nahm auch Eren sein Zeug vom Tisch, klappte diesen hoch und nahm seine Tasche vom Boden auf, ehe er sich erhob. Den anderen aus dem großen Raum folgend sah er sich um. Hier niemanden zu kennen, war merkwürdig. Und es schien ihm auch nicht so, als wären die Menschen hier besonders aufgeschlossen und freundlich. Die Trost University of Science war nicht gerade dafür bekannt, besonders herzlich zu sein. Aber standen die Absolventen dieser Uni bei jedem Arbeitgeber gleich in der engeren Auswahl und allgemein war die Abschlussrate der Studenten unglaublich hoch. Die Arbeitsmoral gab wohl vor, zum Einzelkämpfer zu werden. Jedoch war das keine Wahl für Eren. Er hasste es, allein zu sein. Er brauchte seine Leute um sich herum. Viel zu gern sprach er über einfach … alles!

Er nahm die schwarze Brille von der Nase und klappte diese zusammen. Er hatte bereits jetzt das Gefühl, hier zwischen all die abweisenden Nerds fehl am Platz zu sein. Auch wenn er vielleicht den Eindruck erregte, äußerlich dazu zupassen, fühlte es sich nicht gerade so an, als sei er hier richtig. Vom Fach her – sicherlich. Aber nicht von der Einstellung. Die Elite war nun einmal nicht warmherzig.

Wie sehr hatte Eren kämpfen müssen, um den Schnitt zu erreichen, den man brauchte, um hier zugelassen zu werden. Und wie hatte er geschwitzt, als er nicht alle Antworten für die Fragen des Tests wusste, den er zur Aufnahme hatte machen müssen. Und wie hatte er sich gefreut, als der Bescheid kam, dass er angenommen war!

Und jetzt?

Jetzt fragte er sich, ob er hier jemals jemanden finden würde, mit dem er zu Mittag essen könnte, mit dem er einfach nur … reden konnte. Die Tage hier an der Uni waren lang. Die meisten Kurse begannen um sieben in der Früh und der letzte war manchmal erst um zwanzig Uhr zu Ende. Und in all der Zeit nur schweigen und zuhören? Das konnte er nicht. Allein jetzt verspürte er schon den Drang, seine ersten Eindrücke mit jemanden zu teilen.

Normalerweise war Armin dann zu seiner Seite, aber dieser hatte ja unbedingt nach Frankreich fliegen wollen!

Irgendwann blieb er stehen, sah auf seinen Stunden- und dann auf den Lageplan der Gebäude des Campus’.

„Grundlagen der Biologie“, murmelte er für sich und sah sich hilflos um. So viel zu der vermeintlichen Übersichtlichkeit des Campusgeländes. Bisher hatte er immer Ewigkeiten zu jedem Raum gebraucht, weil die Wege so verschlungen waren und man von mehreren Seiten des Geländes zum Ziel kam.

„Bei Dr. Zoe?“ Eine Stimme drang an sein Ohr und er wandte sich um. Vor ihm stand eine brünette Frau mit Brille. Eren sah ihr sofort an, dass es sich hierbei um keine Studentin handeln konnte. Doch fehlte es dieser Person auch an Autorität, um als Dozent durchzugehen.

„Ja…“, gab er deswegen leise zurück und musterte seine Gesprächspartnerin. Ihre brauen Augen fixierten ihn und ein unheimlicher Glanz lag in diesen. So freundlich und sympathisch sie auf den ersten Blick war, so creepy war sie in dem nächsten.

„Wunderbar. Einer meiner Studenten! Erstsemester nehme ich an?“, folgte die überschwängliche Frage und eine Hand landete auf seiner Schulter.

„Ja. Erster Tag.“ Und dieser erste Tag war verwirrender als alle Schultage, die er bisher in seinem Leben gehabt hatte.

„Dann sind Sie…“

„Hanji Zoe. Dr. in Biologie und Chemie.“

Wie konnte es sein, dass die Dozenten freundlicher und offener als die Studenten waren? Oder handelte es sich hierbei um eine Ausnahme? „Und du?“

Eigentlich galt zwischen Studenten und Dozenten stets das Sie. Nur hier … nicht.

„Eren Jäger“, stellte er sich vor und konnte sich nicht gegen ihre Schieberei in die Richtung des Lesesaals wehren.

„Jäger…“ Sie schien zu überlegen, strich sich ein paar Strähnen des langen Ponys beiseite und sah dann zu ihm. „Ich habe deine Testergebnisse bearbeitet.“

Trocken schluckte er. Das heißt nie etwas Gutes, dachte er sich, während er auf die Antwort wartete, die ihrer Aussage folgten müsste.

„Das war nicht schlecht. Aber ich glaube, da steckt noch mehr in deinem Köpfchen.“

„Frau…“

„Nenn mich Hanji.“

„O-okey“, gab er nun noch verwirrter zurück. Das war … neu. Das war vor allem anders und irgendwie … gefiel ihm die ungezwungene Art zwischen ihr und ihm.

„Du studierst Informatik und Bio auf Lehramt.“

„Ja… Das ist richtig.“

Hanji drückte in diesem Moment eine Tür auf und sie standen im nächsten Augenblick am hinteren Ende eines gigantischen Hörsaals, der jedoch nur zu vier Reihen besetzt war.

„Die wenigstens belegen Grundlagen-Vorlesungen. Vor allem nicht im Wintersemester, da die meisten Kurse auf Sommersemester-Einsteiger ausgelegt sind“, erklärte Hanji seufzend und lief die Treppe hinunter, während Eren ihr langsam folgte und sich in der vierten Reihe ganz am Rand niederließ und seine Sachen auf den ausklappbaren Tisch legte. Sein Blick folgte der Dozentin, die an die Tafel schritt und nach einem Stück Kreide griff. Noch bevor sie den Kurs begrüßte, schrieb sie ihren Namen und ihre E-Mail-Adresse an die Tafel und wandte sich erst dann an den Kurs.

„Hallo, meine Lieben!“, grölte sie nahezu durch den Raum. Die Akustik war der Horror… Wenn der Saal voll wäre, würde man kaum ein Wort ohne ein Mikro verstehen.

„Mein Name ist Hanji Zoe und ich werde die nächsten Semester euer wandelnder Alptraum werden. Ihr werdet mich nicht mehr los. Meine Wenigkeit wird die meisten Basisseminare und Übungen in der Biologie übernehmen. Ich sage das jedes Jahr, aber ich werde es immer wieder sagen müssen: Ihr kommt mit mir klar, oder ihr kommt nicht mit mir klar. Ich behalte es mir vor, auszusortieren, so wie es mir gefällt. Ihr habt einen Test abgelegt – schön. Der sagt über euer Schulwissen etwas aus. Aber er sagt nichts darüber aus, ob ihr in der Lage seid, bei mir die Klausuren zu bestehen.“

Das leichte Lächeln verließ nicht einen Moment ihre Lippen und ihre fröhliche Ausstrahlung flutete den Raum. Trotz der harten Worte. Aber das war die Universität. Das Eierschaukeln war hier endgültig vorbei. Wer etwas erreichen wollte, musste sich während dieser Zeit auf den Arsch setzen. Nichts war wie im Fernsehen. Die Uni-Partys gab es auch hier, sicherlich. Aber sie waren nicht so exzessiv wie in den Filmen. Und man konnte sich auch nicht hochschlafen. War eine Prüfung nicht bestanden, half auch eine erotische Einladung an den Dozenten nicht. Und Eren bezweifelte, dass das bei Hanji ziehen würde. Sie wirkte zwar wie die verrückte Wissenschaftlerin, aber sie war sicherlich härter als sie aussah.

Erneut verließ ein leises Seufzen Erens Lippen und er kramte die Brille wieder aus dem Etui. Zum Glück war er kein permanenter Brillenträger und musste sie nicht beim Autofahren tragen, aber Lesen? Tz, das war die reinste Hölle ohne Sehhilfe. Abgesehen davon sah er laut Armin ‚intelligent’ aus… Aber zwischen intelligent aussehen und es auch tatsächlich sein, lagen ganze Welten und im Moment zweifelte Eren ohnehin an seiner Intelligenz… Spätestens nach den ersten Klausuren wäre diese Frage geklärt.

Eren wandte den Blick von ihr ab, während sie erklärte und gleichzeitig den Beamer einstellte. Die Formalitäten des Studiengangs waren ihm klar und welche Scheine er machen konnte, wusste er auch inzwischen. Diese Einführungsstunden waren so langweilig, wie sie es auch damals in der Schule gewesen waren. Man hörte den ganzen Tag lang dieselben Dinge, bekam sie immer und immer wieder vorgekaut, bis in der zweiten Woche endlich der Ernst des Uni-Lebens begann. Und Eren hoffte inständig, dass er in der Lage wäre, hier mitzuhalten… Jetzt wo Armin nicht mehr anwesend war, um ihm sofort Fragen zu stellen, war Eren erst einmal auf sich allein gestellt.

Das laute Donnern einer zugeschlagenen Tür hallte durch den nahezu leeren, großen Raum und Eren sah wieder nach vorn. Ein junger Mann in schwarzer Uniform und grünem Barett betrat den Raum. Die schwarze Lederjacke war nicht geschlossen und ließ einen Blick auf die Schulterholster erhaschen, in welchem wirklich Waffen steckten. Selbst am rechten Oberschenkel war ein Waffenholster samt Waffe befestigt. Schwere Armeestiefel hinterließen bei jedem Schritt ein dumpfes Geräusch auf dem Boden und Eren zog die Augenbrauen zusammen.

„Hanji. Auf ein Wort.“

Er hatte die Stimme nicht oft gehört, doch war sie so markant, dass er sie sofort wieder erkannte. Und da er in der vierten Reihe und somit sehr weit vorn saß, erkannte er auch endlich das Gesicht, als der Gast seinen Blick durch die Reihen wandern ließ.

„Ich habe gerade eine Vorlesung, Levi!“, hörte er seine Dozentin leise zischen und sie schien nicht sonderlich erfreut darüber zu sein, dass Levi hier auch noch in voller Montur auftrat.

„Das sollte dir egal sein, wenn du nicht willst, dass deine Haustiere ums Leben kommen, Vierauge. Schwing deinen Arsch ins Auto.“

„Warum?“ Der Raum hüllte sich in ein eisiges Schweigen. Niemand wagte es auch nur zu atmen, wie es schien. Levis Aura füllte den Raum nun mehr als noch vor wenigen Sekunden.

„Es wird eine Sprengung einer 2,5-Tonnen Bombe durchgeführt. Man kann sie nicht transportieren“, folgte die sachliche, kühle Erklärung. „Die Bewohner werden evakuiert. Du bist eigentlich in Sicherheit, aber ich habe keine Lust auf deine Heulkrämpfe, wenn deine Viecher verrecken, weil dein Wohnhaus einstützt.“

„Aber hier…“

„Hanji!“

„Was hast du damit zutun?“

„Nichts. Ich hab’s nur gehört. Nur meine Wenigkeit kann dich durch die momentane Sperrzone bringen. Also beweg deinen Arsch!“

Hanji wirkte verstört und begann panisch ihre Sachen zusammenzusammeln, ehe sie auf den Ausgang des Hörsaals zustürmte. Levi wandte sich zu ihnen um. „Geht nach Hause, Kinder. Schule fällt aus.“ Und mit diesen Worten wandte sich auch er ab.

Auf dem Rücken der Lederjacke, zwei überkreuzte Flügel – schwarz und weiß. Darunter: ‚Fügel der Sicherheit & Freiheit – Wing-Sec’.
 

Nur sechs Stunden später klingelte sein Handy, als er mit dem Bus auf dem Weg nach Hause war. Man hatte bisher noch keine Explosion gehört. Zwar wusste Eren nicht, in welcher Entfernung sich der Bombenfund ereignet hatte, aber selbst in den lokalen Nachrichten hatte man nichts gehört.

„Ja?“

„Eren? Alles ok bei dir?“

„Ja. Warum nicht?“

„Ich wollte nur wissen, ob alles ok ist.“ Mikasa kümmerte sich immer zu sehr um ihn. War immer zu besorgt um sein Wohl. „Ich bin zu Hause.“

„Warum?“

„Man hat den Frisörsalon evakuiert. Wegen des Bombenfundes heute um kurz vor zehn“, erklärte sie ihm. Also in der Gegend.

„Ich hab davon gehört… Meine Dozentin musste deswegen weg.“

Irgendwie war die Vorstellung, dass Hanji mit Levi in irgendeiner Weise in Beziehung stand, unheimlich. Die beiden haben trotz der so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Freunde gewirkt. Gruslig, dachte er sich dabei und sah aus dem Fenster.

„Die Armee war da. Sprengkommando. Wir wurden von der Security evakuiert.“

„Von Levi?“

„Ein absoluter Auflauf von Armee, Polizei und privater Sicherheit. Der Bereich ist um die vier oder fünf Kilometer abgesperrt.“

„Aber dir geht’s gut?“

„Sicher geht’s mir gut. Kommst du jetzt heim?“

„Ja. Bin in zehn Minuten zu Hause.“

Als er jedoch nach Hause kam, fand er die Zimmer leer vor. Nur eine Nachricht hing am Kühlschrank. ‚Bin im Dojo’ stand darauf und ein leises Seufzen verließ seine Lippen. Wahrscheinlich stand das Essen in der Mikrowelle und er müsste allein essen und heute Abend wieder bis neun oder vielleicht sogar zehn Uhr einsam und verlassen auf der Couch sitzen und fernsehen. So, wie er es immer tat …

Damals, als er noch in einer Beziehung war, hatte fernzusehen wesentlich mehr Spaß gemacht. In trauter Zweisamkeit einen schlechten oder langweiligen Film ansehen, Popcorn oder Chips, das ein oder andere Bier und die Wärme des jeweils anderen spüren. Das wäre wunderbar – auch jetzt im Moment. Nur … leider hatte er niemanden, mit dem er die Couch teilen konnte. Vor allem war die letzte Zeit nicht mehr ganz … so schön gewesen. Jean und er waren anfangs nicht gut miteinander klargekommen, aber es war zwischen ihnen wie man es stets sagte: ‚Gegensätze ziehen sich an’. Wie oft hatten sie sich die Fresse poliert? Es war Wahnsinn, dass sie es tatsächlich geschafft hatten, in eine Beziehung zu schlittern. Mit Romanik, Liebe, Fluff und Normalität. Und dann war alles den Bach runter gegangen. Alles war aus ihren Händen geglitten und es war angeblich alles seine Schuld gewesen. Seine Schuld…

Die Mikrowelle aufmachend seufzte er erneut, als er die Fischstäbchen sah und schloss das Gerät gleich wieder, nahm sich nur den O-Saft aus dem Kühlschrank und gleich durch in das Wohnzimmer. Er ließ sich auf die Couch fallen, legte die Füße über den Sofabock und griff nach den Fernbedienungen.
 

„Heute um zehn Uhr am Abend konnte die aus dem zweiten Weltkrieg stammende Bombe entschärft und abtransportiert werden. Die Bewohner konnten daraufhin wieder in ihre Wohnungen und Häuser zurückkehren…“ Eren wurde langsam wach, hörte die Nachrichten nur mit halbem Ohr, während er sich über die Augen rieb. Wie spät war es überhaupt? Müde setzte er sich auf und sah sich um. Es war dunkel um ihn herum. Lediglich der Fernseher warf ein blaues Licht in den Raum, doch schaltete Eren das Gerät nur wenig später aus und erhob sich vom Sofa. Die Anzeige des Recievers verriet ihm, dass es kurz nach zwölf war und er schleppte sich müde die Treppe hinauf und in sein chaotisches Zimmer. Er war nicht dafür bekannt, überaus ordentlich zu sein. Aber der Zustand seines Zimmers grenzte selbst für ihn schon am Abnormalen. Bevor sein Vater von der Reise nach Hause kehren würde, müsste er hier definitiv Grund rein bringen…

Mit einem großen Schritt stieg er über ein paar alte Hosen und dreckige Socken hinweg, schob die Tür hinter sich ins schloss zurück und ließ sich in sein Bett fallen. Er knipste das Licht neben einem Bett an, drehte sich auf den Rücken und zog sich die Hose von den Hüften, ließ sie einfach zu all dem anderen Zeug auf dem Boden fallen, ebenso die Socken und den Pulli den er trug. Erst dann kroch er unter die Decke, schüttelte noch schnell das Kissen auf und drehte sich auf die rechte Seite, langte nach dem Lichtschalter und ragte dabei all die Bücher und die Bilderrahmen auf seinem Nachttisch runter. „Scheiße“, fluchte er leise für sich und setzte sich erneut auf. Er lehnte sich vor, suchte das Grobe vom Boden und legte es ungeordnet zurück auf den Tisch. Die Bilder, die er als Lesezeichen nutzte, nahm er auch noch vom Boden auf und öffnete eines der Bücher in der Mitte. Die anderen Bilder hineinlegend nahm er ein anderes gleichzeitig heraus und seine Gesichtszüge verhärteten sich sofort. Jenes Bild zeigte ihn und Jean. Jean lehnte an seiner Schulter, war eingeschlafen, während der Controller der Playstation noch immer in Jeans Händen lag. Eren erinnerte sich an diesen Moment, obwohl er recht weit am Anfang ihrer Beziehung passiert war. Damals, als noch alles ok gewesen war. Er hatte Jean damals nicht wecken wollen. Sie hatten einen Film gesehen, welchen wusste Eren nicht mehr genau, aber es musste einer gewesen ein, den Jean bereits gekannt hatte. Armin hatte das Bild gemacht. Sie hatten damals einen ‚Männerabend’ gemacht, sie drei – Armin, Jean und er. Es war nicht so, als hätte es jemals die klischeebehafteten Rollenverteilungen in ihrer Beziehung gegeben, auch wenn Jean sich später so aufgeführt hatte, als wäre es so gewesen. Immer hatte Jean ihn als Weichei und Mädchen bezeichnet, als Nichtskönner und Loser. Als Untergebener, Unterwürfiger… Dabei wusste er bis heute nicht, woran diese extreme Wandlung in Jeans Verhalten gelegen hatte. Natürlich hatte er seine Vermutungen gehabt und hatte sie noch heute…

Eren zerriss das Bild nur wenig später und ließ die Schnipsel seiner Vergangenheit auf den Boden rieseln. Er würde es morgen ohnehin aufkehren oder wegsaugen, wenn er sein Zimmer aufräumen würde. Also brauchte er sich nicht die Mühe machen, zum Mülleimer zu gehen.

Das Licht nun doch ausknipsend legte er sich zurück und zog die Decke wieder über sich, ehe er sich einrollte. Der Wecker war ohnehin gestellt, so musste er doch jeden Morgen um dieselbe Uhrzeit aufstehen. Dienstag, dachte er sich und fragte sich im selben Moment, ob er auch am kommenden Tag Kurse hatte, die von Hanji gegeben wurden. Viel Auswahl hatte Eren nämlich nicht gehabt, was die Kurse angingen. Das meiste war vorgeben, sodass er es wirklich hoffte, dass Dr. Zoe die meisten seiner Kurse gab. Er mochte sie irgendwie. Ihre aufgedrehte Art beruhigte ihn. Und wahrscheinlich war er wirklich der einzige Mensch, der eine aufgewühlte Person als beruhigend empfand. Mikasa war zwar auch sein Ruhepol, wenn er selbst völlig durch den Wind war und jemanden brauchte, der ihn auf dem Boden zurückholte. Aber Menschen wie Hanji – sie waren erfrischend und interessant. Vielleicht lag es daran, dass er sie … als angenehm empfand. Anders als Levi.

Ein Schauer lief über seinen Rücken. Noch nie waren eins sechzig so unheimlich und Respekt einflößend gewesen. Und wenn er Mikasas Trainer im ‚Dojo’ als unheimlich bezeichnet hatte, so war er in Uniform definitiv mehr als nur das. Eine solch kräftige Aura musste man erst einmal besitzen. Vor allem brauchte man aus Selbstbewusstsein. So aufzutreten, so selbstsicher … das war der Wahnsinn. Irgendwie bewunderte er ihn auch. Ihm selbst fehlte es manchmal am eben genannten Selbstbewusstsein. Zwar war er selbst nie ganz unten, aber er zweifelte manchmal schon an dem, was er tat. Aber wer konnte von sich behaupten, niemals an sich zu zweifeln?

„Du musst schlafen“, murmelte er für sich selbst und zog die Decke über den Kopf. Wie konnte er sich nun über so etwas Banales Gedanken machen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-02-11T12:55:41+00:00 11.02.2015 13:55
Das Kapitel war großartig^^
Mach bitte weiter so.

LG^^Alien^^
Antwort von:  SanjaAlexei
11.02.2015 14:43
Danke~
Freut mich
vlG, Elli~


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