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Rise of an eagle

von

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Ein lautes Poltern, gefolgt von dem Knallen der Haustüre riss das Mädchen aus ihrem unruhigen Schlaf. Wieder glitt ihr Blick durch das kleine Zimmer. Es war noch immer ungewohnt hier zu sein. In einem riesenhaften leeren Haus. Es wirkte so fremd und kalt, dass es sie beinahe zerdrückte. Kurz zuckten ihre Augen zu den fest verschlossenen dicken Vorhängen ihres Fensters, während sie sich gleichzeitig fragte, wie spät es wohl sein mochte. Ein weiteres Poltern ließ Adrianna hochfahren. Vorsichtig rappelte sie sich hoch und kam auf die zittrigen Beine. Ihre Verletzungen waren gut verheilt, aber es würde noch einige Zeit dauern, bis die Kraft wieder in ihre Beine zurück kam. Das hatte ihr Doktor Rastelli viele Male erklärt.

Etwas taumelnd bewegten sich ihre Beine in Richtung der Tür und gerade, als sie ihre zierliche Hand auf die Klinke legte, wurde sie von der anderen Seite gedrückt. Das erschrockene Gesicht der Haushälterin erschien ihr gegenüber.

„Per amor del cielo! (Um Himmels Willen!)“, entkam es ihr. Adrianna setzte ein ertapptes Gesicht auf und schmunzelte entschuldigend.

„Verzeiht, Maria.“

„Jagt einer alten Frau doch nicht so einen Schrecken ein!“, brummte sie. Ihr Blick glitt prüfend über den Körper des Kindes. Das rote Nachthemd hing, wie ein weiter Schleier um ihre Beine. Dabei war es die kleinste Größe, die Maria auf dem Markt finden konnte. Die Arme und Beine wirkten noch immer, wie dünne Äste. Die Wangenpartie Adriannas war eingefallen und ihre Augen umrahmte ein dunkler Rand, während der Rest ihrer Haut noch immer bleich schimmerte. Auch, wenn sie bereits wieder auf den Beinen stand, so verriet ihr Körper, dass die harte Phase noch nicht überstanden war. Die langen schwarzen Haare hatte sich das Mädchen bis zum Kinn gekürzt, da es unmöglich gewesen war, durch die vielen verfilzten Stellen zu kämmen.

Beinahe hätte Maria vergessen, warum sie das Zimmer des Mädchens aufgesucht hatte, als ihr Blick wieder auf des kleine Bündel in ihrer Hand fiel.

„Adrianna. Ich habe euch etwas mitgebracht. Es wird hinreißend an euch aussehen, ganz bestimmt.“, entkam der alten Frau die pure Faszination, als sie ihrer Gegenüber das Päckchen in die Hand drückte. Etwas unsicher betastete Adrianna das gute Stück, ehe sie fragend ihre Augen auf die Haushälterin legte.

„Nun öffnet es schon.“, drängte Maria.

Das Mädchen tat, wie ihr geheißen und löste die verknotete Kordel geschickt. Ein burgunderroter Stoff drang in ihr Sichtfeld. Vorsichtig zog sie ihn hervor und es entfaltete sich ein bodenlanges Kleid. Es war mit aufwendigen schwarzen Stickereien verziert und hatte einen weiblichen, jedoch geschlossenen Ausschnitt. Die Ärmel waren armlang, der Rumpf schmal geschnitten, während der lange Rock weit auseinander fiel.

Adrianna konnte nicht beschreiben, wie sie sich beim Anblick des neuen Kleidungsstückes fühlte. Tausend Regungen drangen durch ihren Körper. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen und ihre grauen Augen begannen das erste Mal zu leuchten.

„Bene Grazie, Maria!“, entkam es ihr atemlos, den Stoff noch immer zwischen den Fingern wendend. Auch die alte Haushälterin setzte ein charmantes Lächeln auf.

„Avanti. Zieht es über und kommt zum Frühstück. Heute kehrt Antonio zurück und wir wollen ihm doch einen würdigen Empfang bereiten.“, forderte sie. Mit einem lauten Krach fiel die Tür wieder ins Schloss und zurück blieb Adrianna, in ihrer Hand das wunderschöne Kleid und in ihrem Magen das flaue Gefühl auf Grund der Nachricht. Ihr Onkel hatte sich die ganze Zeit über sehr merkwürdig in ihrer Gegenwart verhalten, bis zu jenem Tag, an dem er des Nächtens einfach verschwunden war. Das war einige Monate her und heimlich hatte sich das Mädchen immerzu gefragt, was es war, das ihr eigener Onkel sie stets auf Abstand hielt. Was hatte sie ihm nur getan? War in der Vergangenheit etwas vorgefallen? Resigniert senkte sie den Blick. Sie konnte sich einfach nicht erinnern und sobald sie sich dazu zwang befielen sie fürchterliche Kopfschmerzen.

Nach einigen Minuten, in denen Adrianna versucht hatte, sich durch die vielen Stofflagen des Kleides zu kämpfen, die tausend Schnüre zu binden, ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Es war fast so, als habe sie ein solches Kleid in ihrem Leben noch nie getragen. Doch war sie nicht eine Tochter aus großem Hause? Hatte sie Mägde, die ihr die Arbeit abgenommen hatten? Ein zaghaftes Pochen ließ sie aufblicken, als sich die Haushälterin bereits durch den Türrahmen herein zwängte.

„Acciderba! (Ach du Schreck!)“, entfuhr es Maria verwundert, als sie ihren Blick auf das Kind legte.

„Ich fragte mich schon, warum ihr so lange braucht.“, fügte sie schmunzelnd hinzu, ehe sie die kurze Entfernung zwischen den Beiden überbrückte und sich an dem Kleid zu schaffen machte. Mit wenigen geübten Griffen war es an Ort und Stelle. Der Mieder war gebunden und übrig blieb das bezaubernde Gesamterscheinungsbild des jungen Mädchens. Maria strich ihr mütterlich durch die kurzen Haare, ehe sie nickte.

„Perfekt.“, gab sie an.

Adrianna senkte verschämt den Blick zu Boden und zupfte sich den Rock zurecht, als sie die Haushälterin lachend an der Schulter ergriff und in den Wohnraum zog. Adrianna öffnete verwundert den Mund, als sie die vielen Speisen auf dem Tisch aufgebahrt erblickte. Alleine beim bloßen Anblick der vielen Früchte und Leckereien sammelte sich der Speichel in ihren Wangen.

„Ihr wisst welcher Tag heute ist?“, hinterfragte Maria gewitzt. Irritiert schüttelte das Mädchen nur den Kopf.

„Heute ist das alljährliche Sommerfest. Ganz Firenze ist voller Blumen und farbigen Bannern. Die Menschen singen und tanzen durch die Straßen. Ihr werdet begeistert sein.“, schwärmte die alte Dame fröhlich, was Adrianna ein düsteres Gesicht verlieh.

„Mein Onkel wird nicht gestatten, dass ich das Haus verlasse.“, gab sie unweigerlich zurück.

„Vielleicht macht er für diesen Tag eine Ausnahme. Ich werde ihn darum bitten. Er kann einer alten Dame selten einen Wunsch ausschlagen.“, bemerkte Maria schlicht. „Nun setzt euch und greift zu. Es wird noch ein paar Stunden dauern, ehe Antonio unser Zuhause erreicht.“

„Maria?“, hakte Adrianna vorsichtig nach, als sie sich am Tisch direkt gegenüber der Haushälterin niederließ. Ihre braunen treuen Augen waren direkt auf das Gesicht des jungen Mädchens gelegt, als sie stumm aufforderte weiter zu reden.

„Habt ihr nicht auch das Gefühl... ich meine... denkt ihr nicht auch manchmal, dass Onkel Antonio mich nicht leiden kann?“, stotterte sie, als sie sich hektisch einen vorgefertigten Happen in den Mund schob. Sie hatte den Blick strickt auf ihren Teller gelegt, um das Gesicht ihrer Amme nicht sehen zu müssen, doch sie spürte den mitleidigen Blick bis ins Gebein.

„Non dire fesserie! (Red keinen Blödsinn!) Antonio ist kein Mensch für Gefühle, seit … dieses Erlebnis ihn geprägt hat. Einst war er ein aufgeweckter und fröhlicher Junge, doch jener Tag veränderte alles. Er ist kein Monster, Adrianna, ihr müsst einfach lernen hinter die Fassade zu blicken. Vergesst nicht, dass ihr ihm euer Leben zu verdanken habt.“, konterte die Haushälterin kühl.

„Das werde ich ihm nie vergessen.“, gab Adrianna schuldig zurück. Sie war diesem Mann wirklich sehr dankbar. Dass er ihr Leben rettete, nach dem verheerenden Sturz, dessen Ursache ihr nicht einleuchten wollte und natürlich auch, dass er ihr ein Zuhause bot. Doch warum sperrte er sie hier ein? Warum wollte er nicht, dass die Menschen von ihr erfuhren? Und warum hielt er sie nur so auf Abstand? Es musste doch Antworten auf diese Fragen geben, doch auch Maria schwieg dazu eisern, genauso wie zu der Geschichte, die die Beiden so verändert hatte. Adrianna wusste nichts, nichts über ihre Wurzeln oder ihren Ursprung. Sie war einfach von einem Dach gefallen, aufgewacht auf einer Pritsche bei ihrem Onkel Antonio. Es zermürbte sie fast nicht zu wissen, was geschehen war. Dann war da noch die Sache mit den beiden fehlenden Fingern. Hatte sie diese etwa auch bei dem Sturz verloren? Diese Geheimniskrämerei brachte sie regelmäßig an den Rand der Verzweiflung. Warum konnte sich Onkel Antonio ihr nicht öffnen? Er war schließlich der Einzige, den sie noch hatte.

„Zerbrecht euch nicht den Kopf, Adrianna. Antonio war sehr gestresst vor seiner Abreise. Die Arbeit setzt ihm sehr zu.“, versuchte Maria das zusammengesunkene Mädchen zu trösten. Adrianna hingegen seufzte nur resigniert und schob sich die zweite Portion in den Mund. Eigentlich war ihr der Hunger gehörig vergangen, aber sie wollte schnell wieder auf die Beine kommen. Vielleicht konnte sie Antonios Gunst gewinnen, wenn sie sich im Haushalt nützlich machte.



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