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Rise of an eagle

von

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Maria betrat erneut den Wohnraum. In ihrer Hand hielt sie eine Wasserschale und einige weiße Leinentücher, mit denen sie zielstrebig auf das junge Mädchen zutrat.

Rastelli erhob sich von seinem Platz am Esstisch und trat an die Seite der kleinen Frau, die sich bereits emsig daran machte die Leinen der Verbände zu lösen. Mit einem prüfenden Griff an die Stirn des Kindes stellte der Arzt zufrieden fest, dass die Temperatur langsam sank.

„Lasst die Zweige und die Leinen weg. Die Knochen sollten mittlerweile restlos zusammengewachsen sein.“, bemerkte Rastelli schlicht. Maria nickte nur und schenkte ihm ein schmales, müdes Lächeln.

„Maria. Sorgt euch nicht so viel. Sie macht unglaubliche Fortschritte dank eurer Pflege.“, fügte er aufmunternd hinzu, während er seine Hand nun tröstend auf die Schulter der Haushälterin legte. Für einen Moment schloss sie dankend die Augen, widmete sich aber sogleich wieder ihrer Arbeit. Hoch konzentriert salbte sie die frischen Narben und entfernte sämtliche Verbände, ehe sie das Mädchen wieder in die Laken wickelte und sie auf der Pritsche zurecht rückte. Einen Moment lang zuckten die Finger der Schlafenden, ehe ihr Körper erneut erschlaffte. Rastelli zog bewundernd seine Augenbrauen in die Höhe, bevor er Atmung und Puls kontrollierte. Es schien ganz so, als kehre das Leben immer mehr in das junge Ding zurück.

Plötzlich und ganz unerwartet schlugen die schweren Augenlider auf. Der nebelgraue Blick des Mädchens haftete einen kurzen Augenblick an der Zimmerdecke, ehe sie ihn über die Gesichter der Umstehenden wandern ließ. Sie zuckte erschrocken zusammen, genauso wie Rastelli und Maria es taten. Mit einem beherzten Griff an den Oberarm der Haushälterin schob der Arzt sie zur Seite. Er trat vor das Mädchen und neigte leicht den Kopf. Ihr Blick wirkte unsicher, doch auch sie zuckte kurz mit dem Kopf.

„Mein Name ist Doktor Rastelli. Ihr habt lange geschlafen, doch seid unbesorgt ihr befindet euch auf dem Weg der Besserung. Falls ihr eure Gliedmaßen noch nicht bewegen könnt, so verzweifelt nicht. Euer Körper ist noch zu schwach.“, richtete sich der Mann sofort an das Mädchen.

Einen Moment lang öffneten sich ihre Lippen zu einer stummen Antwort, doch kein Ton drang daraus hervor. Sie senkte den Blick, nur um ihn erneut fragend durch den Raum wandern zu lassen. Rastelli wandte sich den beiden Anderen zu und bedeutete vorsichtig, dass sie den Raum verlassen sollten. Maria wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzten, als Antonio sich erhob, ihren Arm ergriff und sie aus dem Zimmer begleitete. Rastelli zog sich einen Hocker an die Pritsche heran und ließ sich darauf nieder. Seinen prüfenden Blick hatte er genau auf das ausgezehrte Gesicht des Mädchens gelegt.

„Verratet ihr mir zumindest euren Namen?“, hinterfragte er, ehe er sich die Oliven seines Stethoskops ins Ohr führte und ihren Herzschlag überprüfte. Wieder öffnete sie den Mund, nur um inne zu halten und tiefe Denkfalten auf ihrer Stirn erscheinen zu lassen. Aus dem Augenwinkel nahm Rastelli ihre Regung sofort wahr.

„Eine Amnesie ist nichts Außergewöhnliches bei einem solchen Unfall. Verzweifelt nicht, eure Erinnerungen kehren früh genug zurück.“, versuchte er sie zu beruhigen. Sie schloss müde die Augen, nur um sie im nächsten Moment wieder aufmerksam auf den Arzt zu legen.

„Was ist das Letzte, woran ihr euch erinnern könnt, Signorina?“, hinterfragte er weiter, als er sein Arbeitswerkzeug wieder in den Koffer legte und seine Hände auf dem Schoß verschränkte.

„Schwärze.“, kam es heiser von ihren Lippen.

Rastelli nickte verstehend. Es war nicht verwunderlich, dass das Mädchen sich nach diesem Sturz an nichts erinnern konnte.

„Seid ihr einverstanden, wenn ich euch zunächst einigen Untersuchungen unterziehe, ehe ich die Herrschaften herein bitte, die eure Fragen beantworten können?“

Sie nickte schwach.
 

„Maria, bella donna. Du weißt es ist viel zu gefährlich sie hier zu behalten.“, knurrte Antonio, während er den Flur auf und ab schritt, wie ein gefangenes Raubtier. Sein Gesicht war düster, während sich tiefe Denkfalten auf seiner Stirn abzeichneten.

„Gefährlich? Willst du sie draußen ihrem Schicksal überlassen? Antonio sei vernünftig. Ich werde mich um sie kümmern, solange du auf Reisen bist.“, brachte Maria hervor. Sie gestikulierte wild mit ihren Armen, um das Gesagte zu unterstützen. Um Nichts in der Welt würde sie zulassen, dass Antonio das Kind wieder auf die Straße setzte.

„Was willst du sagen, wer sie ist? Was willst du den Menschen auf der Straße erzählen? Ihr fehlen zwei Finger.“, fauchte der Hausherr genervt. Die Sturheit seiner Haushälterin machte ihn rasend. Sie wusste nicht in welche Gefahr sie sich bringen könnten. Welche Gefahren der Name Santavenere mit sich brachte. Dies war mit Blut besiegelt. Antonio hatte nicht umsonst seine Identität in eisernes Schweigen gehüllt. Sein Kampfplatz war der Schatten, weit abseits der Gesellschaft. Ohne Aufsehen zu erregen, ohne Menschen unnötig auf ihn aufmerksam zu machen. Er hielt nur wichtige Kontakte sporadisch am Leben. Kontakte, die ihm einen Nutzen versprachen, wie die Bekanntschaft zu Doktor Rastelli. Das Mädchen würde all dies gefährden. All dies und ihr eigenes Leben, sollte sie weiterhin in der Villa Santavenere verweilen.

„Sie ist deine verschollene Nichte aus Venedig. Du hast die Patenschaft übernommen, nachdem du sie gefunden hast.“, konterte Maria schlicht. Antonio hielt inne und rieb sich mit Zeigefinger und Daumen über die Nasenwurzel. Was sollte er tun? Er könnte sich selbst nicht verzeihen würde er das Mädchen wieder auf der Straße ihrem Schicksal überlassen. Er seufzte resigniert und erwiderte den stechenden Blick Marias. Sie hatte ihn bereits durchschaut. Was sollte er ihr auch groß vormachen? Niemand kannte ihn besser, als diese kleine störrische Frau.

„Per conto mio! (Ach von mir aus!) Ich kann dich sowieso nicht von deinem Gedanken abbringen. Behalte das Mädchen im Haus. Halte sie vor neugierigen Blicken verborgen.“, brummte er. Sofort kehrte das muntere Lächeln auf die Züge der älteren Frau zurück.

„Wie soll sie heißen?“, hinterfragte sie siegessicher.

„Merda. (Mist.) Lass dir etwas einfallen.“, gab er kopfschüttelnd zurück, als die Türe zum Wohnraum ihn herumfahren ließ. Rastelli trat zu den Beiden in den Flur und neigte leicht den Kopf.

„Sie ist ein sehr bemerkenswerter Mensch. Ihre Verletzungen brauchen noch etwas Ruhe, dann wird sie vollkommen genesen. Sie hat alles vergessen, was vor dem Aufwachen geschah. Behandel sie mit Vorsicht, Antonio.“ Der Hausherr nickte nur und verschränkte die Arme vor der Brust. Derzeit zwängte sich Maria bereits an dem Doktor vorbei und trat in den Wohnraum ein. Sofort wurde sie von zwei Augen skeptisch gemustert.

„Mein Name ist Maria. Ich bin die Haushälterin und Amme dieses Anwesens. Ich wusste ihr würdet wieder erwachen.“, gab sie an das Kind gewandt zu. Das Mädchen zog die Augenbrauen in die Höhe und begann das erste Mal ihre Umgebung zu mustern. Tatsächlich. Die Decke war hoch geschnitten, hölzerne Muster zogen sich über sie hinweg. Der Boden war aus feinen Marmor ausgelegt. Alles an diesem Ort wirkte teuer und edel, selbst die schlichte Pritsche, auf der sie lag.

„Wer bin ich?“, schwenkte das Mädchen sofort um.

„Ihr seid Adrianna, Nichte unseres Hausherren aus Venedig. Auf euren Weg hierher ist ein schrecklicher Unfall geschehen.“, konterte Maria sofort.

„Adrianna?“, hauchte die Schwarzhaarige. Der Name löste nicht eine einzige Erinnerung in ihr aus. Er klang seltsam fremd. So, als würde er nicht zu ihr gehören.

„Adrianna Santavenere.“, bestätigte Maria. Bei dem Nachnamen zuckte eine ferne Erkenntnis durch die tiefen Gedankengänge des Mädchens. Sie wusste, dass sie ihn schon einmal gehört hatte, doch sie konnte sich an den genauen Zusammenhang nicht erinnern.

„Was ist mit meinen Eltern?“, hinterfragte Adrianna vorsichtig. Gerade in diesem Moment war der Herr des Hauses durch die Tür getreten. In seinem Gang hielt er inne, als Maria ihren Blick hilfesuchend zu ihm herum wandte. Sein Gesicht lag im Schatten und sein Körper wirkte plötzlich seltsam verkrampft. Adriannas Augen zuckten zwischen den Beiden hin und her, ehe sie sich verhalten auf die Unterlippe biss. Hatte sie etwa etwas Falsches gesagt?

„Wir sind die letzten übrig gebliebenen Santavenere.“, knurrte der Mann düster, wandte sich ab und trat wieder aus dem Raum hinaus. Einen Moment lang bildete sich ein schuldiger Kloß im Hals des Mädchens, ehe sie den Blick senkte. Warum konnte sie sich daran nur nicht mehr erinnern? Dies war also ihr Onkel gewesen. Wie war sein Name? Warum konnte sie sich an Nichts erinnern? Innerlich ohrfeigend seufzte sie resigniert. Sie würde sich bei ihm entschuldigen müssen.

„Nehmt ihn nicht so ernst. Er hat einen harten Tag hinter sich. Zumeist ist er sehr umgänglich, aber das werdet ihr noch bemerken.“, haspelte die rundliche Frau freundlich. Adrianna nickte schlicht. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut, umgeben von Menschen, die sie nicht erkannte, in einem Haus, dass ihr völlig fremd war.

„Ihr müsst hungrig sein. Ich mache euch eine Suppe für den Anfang.“, schwenkte die Haushälterin um, als sie den seltsamen Ausdruck auf Adriannas Gesicht wahrnahm. Rastelli räusperte sich leicht im Hintergrund.

„Ich folge euch in die Küche, Maria.“, gab er von sich, als die rundliche Frau voraus schritt. Gerade, als sich die Türe hinter ihnen schloss, legte der Doktor seine Hand auf die Schulter Marias.

„Überfordert sie nicht. Sie hat keinerlei Erinnerung. Für sie seid ihr fremde Menschen, auch wenn ihr das Gegenteil behauptet. Und noch etwas.“, er holte kurz Luft, während er Maria eindringlich musterte.

„Ihre Erinnerungen mögen im Moment nicht vorhanden sein, aber vielleicht kehren sie zurück, dann wird euer Schmierentheater nicht von langer Dauer sein. Ich hoffe ihr habt euch dies gut überlegt.“

Marias Blick wurde trüb, ehe sie nickte.

„Es ist zu ihrer eigenen Sicherheit.“, gab sie zurück.

„Dann weiß ich nicht, ob Santavenere der passende Name war.“, konterte Rastelli nüchtern.



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