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Rise of the Titans

von

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Emotionslos


 

Kapitel 14 – Emotionslos
 


 

Teilnahmslos lag ich in meinem Bett und starrte auf die verschmutzte Glasscheibe des Fensters. Rus haftete noch an ihr, weshalb das Sonnenlicht von außerhalb nur abgedunkelt eintrat. Ich vernahm Rufe und Maschinengeräusche vom Hof, wo die Aufräumungsarbeiten im vollen Gang war. Man hatte die Verletzten ins Krankenhaus gebracht, die Toten verbrannt und nun wurden die Trümmer beseitigt. Relativ kurz nach meinem Ausraster hatte man die Titanen erledigt und sogleich mit dem 'Aufräumen' begonnen.
 

Mein Blick glitt zu dem Umzugskarton, in dem jemand die persönlichen Sachen meines Vaters vorbei gebracht hatte. Die Ecke eines eingerahmten Fotos lugte hinaus. Mir reichte es nur diese eine Ecke zu sehen, um zu wissen, dass es eine Aufnahme von ihm und mir war.

Bevor ich mir überhaupt Gedanken darüber machen konnte, drehte ich der Kiste den Rücken zu. Nun starrte ich auf die nackte Wand. Kurz überlegte ich, ob ich eine der kleinen Pillen nehmen sollte, die mir Schlaf ermöglichten, doch hatte ich überhaupt keine Lust ins Bad zu tapsen, wo das Diazepam lag.
 

Unerwartet hörte ich, wie sich meine Zimmertür öffnete und wieder schloss. "Ivory", verlangte Petras klare Stimme nach meiner Aufmerksamkeit, die ich ihr jedoch verwehrte.

Die Matratze senkte sich neben mir und eine Hand legte sich auf meine Schulter.

"Ivory", versuchte sie es erneut, "wir sollten uns fertig machen."
 

War es wirklich schon soweit? Waren die Tage tatsächlich vorbei gegangen? Ich hatte gar nicht bemerkt, dass so viel Zeit verstrichen war.

Aber die denn auch? Wenn ich nicht durch Medikamente ruhig gestellt war, starrte ich nur vor mich hin. Im Schlaf quälten mich die Bilder von diesem Tag und während der Wachphasen kämpfte ich mit der Realität. Ich fühlte mich stumpf. Für mich gab es keine Farbe mehr in dieser Welt, alles war schwarz oder weiß.

Ich sprach nicht, aß nicht und verließ auch nicht mein Zimmer. Wozu auch? Weder die Sonne, noch die singenden Vögel oder sonst irgendwas konnte mir noch Freude bereiten.

Levi war, sobald es seine Zeit zuließ, mehrfach bei mir gewesen, versuchte mit mir zu sprechen, mich zum Essen zu bringen. Jedoch ohne Erfolg. Nach seiner Begrüßung, welche sich die letzten Male eher in einer Kundgebung seines Missfallens ausdrückte, brach das Gespräch ab. Vor wenigen Tagen, so kam es mir zumindest vor, hatte er mich aus dem Bett gezerrt und auf die Krankenstation geschliffen. Dort wurde mir ein venöser Zugang gelegt und literweise Infusion in meinen Körper gepumpt. Irgendwann durfte ich wieder gehen, mit dem Rat endlich wieder Nahrung aufzunehmen. Den Venenzugang ließen sie in meinem Arm, um mir erneut Infusionen zuführen zu können, doch entfernte ich ihn, sobald ich in meinem Zimmer alleine war.
 

Jetzt war es nun soweit. Die Beerdigung meines Vaters stand an. Zögernd, als könnte ich so die Beisetzung hinauszögern, erhob ich mich aus dem Bett. Petra hielt mir ein schlichtes schwarzes Kleid entgegen. Ich fragte nicht, woher sie es hatte, sondern entledigte mich meiner Kleidung und schlüpfte hinein. Es war knielang und die Ärmel reichten bis zum Ellenbogen. Zärtlich schmiegte es sich an meinen Körper, als wäre es nur für mich gemacht.

Ich drehte Petra den Rücken zu und forderte sie somit stumm auf, mir mit dem Reißverschluss zu helfen. Sie zog ihn hoch.

Im Bad kämmte ich mir das Haar, um es anschließend hochzustecken. Mein einst so schönes Haar war glanzlos und erinnerte mehr an Stroh. Auch meine Augen hatten jeglichen Glanz und Ausdruck verloren. Sie waren gerötet und von dunklen Rändern untermalt. Die Wangen waren eingefallen und meine Lippen spröde.

Ich verließ das Bad. Im Zimmer wartete Petra und überreichte mir einen schwarzen Mantel, dessen Kapuze ein ebenso schwarzes Fell zierte.

"Den wirst du brauchen, es zieht sich langsam zu."
 

Später, als ich nach draußen trat, stellte ich fest, dass sie Recht hatte. Dunkle Wolken bedeckten den Himmel und ein frischer Wind wehte. Emotionslos schaute ich den dicken Wolken zu, wie sie vorbeizogen. Das Fell des Mantels wiegte sich im Wind und kitzelte an meinen Wangen.
 

Plötzlich war Petra wieder an meiner Seite. Sie hackte sich bei mir unter und führte mich durch die zerstörten Straßen. Bei einer kleinen Kapelle blieb sie kurz stehen.

Von außen konnte ich schon die Orgel spielen hören und die Glockenschläge donnerten über den Platz.
 

Innen nickte mir ein Pfarrer ergriffen zu, als ich eintrat. Ich erwiderte den Gruß und wandte den Blick geradeaus.

Vor dem Altar stand die Urne, sowie ein großes Bild von meinem Vater, umgeben von zahllosen Kerzen. Langsam schritt ich darauf zu, in dem Bewusstsein, dass das Augenmerk Jedermanns auf mir lag. Jedoch kümmerte es mich nicht.

Ich musterte die Urne, nachdem ich vor ihr zum Stehen kam. Sie war schön. Sie war in einem Sonnenuntergangsorange und auf ihr war der Schatten eines Baumes abgebildet.

Nun glitt mein Blick zu dem Foto. Es war eine heitere Aufnahme, die seine natürliche Freude und Gelassenheit ausstrahlte.
 

Eine Hand legte sich behutsam auf meine Schulter. Der Pfarrer war neben mir aufgetaucht und bot mir einen Platz in der vordersten Reihe an. Ich nickte dankend und setze mich auf die hölzerne Bank. Kälte stieg von dem steinernen Boden auf und schlängelte sich meine Beine hinauf. Eine Gänsehaut zog sich über meinen gesamten Körper und ließ mich frösteln.

Die Messe war bewegend und der Pfarrer hatte angemessene Worte für das Schreckliche gefunden, jedoch vermochte ich nichts als diese Kälte und Stumpfheit zu verspürten.
 

Der Gottesdienst endete und die Menschen verließen die Kirche. Ich blieb noch für unbestimmte Zeit vor dem Bild meines Vaters stehen. Mit ausdruckslosem Gesicht trat ich nach draußen, wo es mittlerweile wie aus Eimern schüttete. Erwin Smith und Levi warteten dort, beide einen Regenschirm über dem Kopf haltend.
 

Erwin trat auf mich zu. "Mein aufrichtiges Beileid, Ivory. Dein Verlust ist tragisch."

Regen tropfte mir ins Gesicht und durchnässte Haar und Kleidung. Gentlemanlike hielt Erwin seinen Schirm über meinen Kopf.

Ich blickte in seine blauen Augen. Er konnte erzählen was er wollte, aufrichtig war er nicht und Leid tat es ihm ebenso wenig. Seine Hand hatte er mir entgegengestreckt, doch ich beachtete sie erst gar nicht. Mit einem letzten Blick in sein verlogenes Gesicht drehte ich ihm langsam den Rücken zu und ging davon.
 

Später, zurück in meinem Zimmer, ließ ich mich einfach rücklings auf das Bett fallen. Ich hatte keine Lust die nasse Kleidung abzulegen, zumal ich den Reißverschluss von dem Kleid nicht ohne Hilfe öffnen konnte. Ohne wirklich etwas wahrzunehmen, starrte ich vor mich hin, ehe die Tür aufgerissen wurde, so dass jeder andere befürchtet hätte, sie würde aus den Angeln fliegen.
 

„Du bist verdammt unhöflich! Hörst du, Göre?“, ertönte Levis Stimme. Ich warf ihm einen uninteressierten Blick zu, ehe ich wieder die Zimmerdecke betrachtete.
 

„Wenn du nicht bald mal dein Maul aufmachst und wieder etwas isst, sperren sie dich noch in die Klapse.“ Er war um das Bett gegangen und stand nun direkt vor mir. „Und das hier“, er nahm das Döschen mit den Beruhigungstabletten entgegen, welchen auf meinem Bauch abprallte und von mir unbeachtet irgendwo auf das Bett fiel, „hilft erst recht nicht.“
 

Levi lehnte sich an die Wand an, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf irgendeine Reaktion meinerseits. In diesem Moment ähnelte sein Blick dem einer Katze, der man die Maus, die sie grade zu tote spielte, wegnahm.

Er atmete hörbar angesäuert aus, ehe er sich von der Wand abstieß und auf die Tür zusteuerte. „Du solltest mit deinem scheiß Selbstmitleid aufhören, das bringt deinen Vater auch nicht wieder zurück. Er würde sich im Grabe rumdrehen, wenn er dich Häufchen Elend so sehen würde.“

Guter Spruch für den Tag, an dem die Urne meines Vaters beigesetzt wurde. Klasse, Levi!
 

„Du bist ein Dummkopf, wenn du denkst, niemand hier könnte nachempfinden, was du fühlst. Andere haben auch schwere Verluste erleiden müssen und ihre Liebsten verloren.“ Er öffnete die Tür und trat den ersten Schritt hinaus auf den Flur.
 

„Levi“, hielt ich ihn auf. Meine Stimme war heißer und kratzig. Knurrend kehrte er zurück und sah mich mit seinem allzeit missgestimmten Gesichtsausdruck an. Ich hob den Blick und fixierte seine dunklen Augen. „Hilfst du mir mit dem Reißverschluss?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-05-05T19:18:37+00:00 05.05.2015 21:18
Ein trauriges Kapitel :( Schade Ivorys Vater tot ist. Trotzdem sehr schön die Gefühle beschrieben.

LG^^Alien^^


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