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PredElection

von

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Part V - Stigmata

Alle Jahre wieder... setzt sich Yu-chan an den PC, um ein neues PredElection-Kapitel zu schreiben. Wenn denn nicht mal wieder das Abi oder sonstige Kleinigkeiten dazwischenkommen. Sei's drum, jetzt ist ja wie bekannt die Freiheit angebrochen und mich überkam ganz plötzlich das unwiderstehliche Verlangen, wieder mal dem guten Jesse Maguire meine geheiligte Tastatur zu überlassen. Das Ergebnis ist zwar recht kurz (nur elf Seiten... O_O), aber ich musste einfach an genau dieser Stelle Schluss machen! Die Arbeit an diesem Kapitel war einfach traumhaft... das Schreiben fiel mir streckenweise so unglaublich leicht, es war einfach wundervoll. Sogar der Titel stand von Anfang an fest, ist das nicht toll? Zumal nun endlich mein persönlicher Liebling Tatsumi ein bisschen im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit stehen darf... ^.^

Ich bin gespannt, was ihr von all dem haltet und hoffe, ihr lest alle weiter, auch wenn ich so fürchterlich langsam bin. ^^; Viel Spaß beim Lesen! DAISUKI!
 

Wissen Sie, ich habe mich nie sonderlich für Sport und derartige Dinge begeistern können. Mein Körper existierte meiner Meinung nach eben eher zu dem Zweck, von mir in stylische Klamotten gesteckt, mit allen möglichen Ketten und Gürteln und Nietenarmbändern behangen und mit diversen, meist schwarzen Schminkutensilien angepinselt zu werden als für solch profane Dinge wie... einen Ball über staubige Plätze zu treten. Oder sich in allen möglichen und unmöglichen Verrenkungen um irgendwelche Holz- und Metallstangen zu winden. Oder ein ums andere Mal über den langweiligen torfroten Boden eines Stadions zu laufen, der nach der vierten, fünften Runde auch nicht unbedingt spannender wurde, und mir von dem strahlenden Lachen der Sonne Stirn und Nacken versengen zu lassen.

Ja, drücken Sie es ruhig in weniger romantischen Worten aus, wenn ihnen der Sinn danach steht: Ich war verflucht noch mal sehr, sehr unsportlich, und wären da nicht jene knochenharten Trainingsstunden für unser alptraumhaftes Cheerleadertänzchen gewesen, ich hätte wohl irgendwo auf halbem Wege zwischen Schulhof und Turnhalle ganz einfach einen Herzinfarkt erlitten und von der ganzen Veranstaltung so oder so nichts mehr mitbekommen. Meine Güte, was bin ich gerannt! Kein vom Leibhaftigen Verfolgter hätte es an diesem einen Abend mit mir aufnehmen können, das schwöre ich ihnen. Und nein, diesmal übertreibe ich nicht, auch wenn es sich vielleicht danach anhören mag.

Weder meine halsbrecherisch hohen Absatzschuhe noch das sehr bald aufflackernde Seitenstechen konnten sich zwischen mich und meinen weltrekordverdächtigen Sprint drängen, und ich konnte wirklich von Glück reden, dass ich die Gänge meiner Schule mittlerweile in- und auswendig kannte, denn auf solche nebensächlichen Banalitäten wie Ecken, Kanten, Treppen oder Wegbiegungen konnte ich in diesen so bedeutsamen Minuten nun wirklich keine Rücksicht mehr nehmen!

Ich rannte und rannte, den Blick erstarrt und die Muskeln bis zum Zerreißen gespannt, und beinahe meinte ich, ein ständiges lautes Ticken durch meinen Kopf dröhnen zu hören, das mich auf überaus zuverlässige Weise zu immer schnelleren Geschwindigkeiten antrieb. Hätte ich in dieser Situation auch nur ansatzweise klar denken können, dann wäre ich wahrscheinlich auch darauf gekommen, dass es sich dabei nur um den rasenden Schlag meines Herzens handeln konnte, aber da das selbstverständlich nicht der Fall war erschien es mir vielmehr, als ob ich mittlerweile schon körperlich wahrnehmen konnte, in welch riesigen Schritten mir die Zeit davoneilte.

Vorausgesetzt, da war überhaupt noch irgendetwas übrig, das mir hätte davoneilen können.

Was soll ich sagen? Ich könnte jetzt auch noch etliche Zeilen, wenn nicht sogar mehrere Seiten lang beschreiben, wie ich blind und kopflos durch die nächtlichen Gänge unserer Schule gehastet bin, aber erstens liegt es nicht in meiner Absicht, Sie in irgendeiner Form auf die Folter zu spannen, und zweitens könnte selbst die langgezogenste Rede über dieses Thema nicht einmal ansatzweise beschreiben, welch eine unermessliche Ewigkeit in diesen wenigen Minuten (wenn es denn überhaupt mehrere Minuten waren...) für mich verstrichen ist. Oh mein Gott, was habe ich gelitten! Und wissen Sie, was das Grausamste an all diesem Leiden war? Sie waren umsonst, vollkommen umsonst... sinnlos... und hätten all die Ereignisse dieser Nacht nicht so unglaublich weite Kreise gezogen, ich würde wohl mittlerweile glatzköpfig durch die Weltgeschichte spazieren, so sehr lädt allein der bloße Gedanke daran zum Haare raufen ein.

Wenn ich Sie noch einmal daran erinnern darf: Die Gefangenschaft in unserer schuleigenen Jungentoilette war natürlich keineswegs spurlos an mir vorübergegangen, immerhin hatte ich Todesängste ausgestanden und am Ende bei dieser waghalsigen Kletteraktion nicht nur Kopf und Kragen, sondern auch meine nackte Ehre riskiert. Mein treuer Weggefährte alias rechter Absatz war bei diesem ungewöhnlichen Abenteuer tödlich verwundet worden und hatte sein Überleben auch einzig und allein einer höchst gewagten Notoperation zu verdanken, die ihn in letzter Sekunde dem Grabe entrissen hatte. Und dann, sozusagen zur abstoßenden Krönung dieses... dieses stinkenden Haufens von Pech und namenlosem Schrecken, war da eben noch jener schweißtreibende Lauf gegen einen übermächtigen Gegner namens Zeit und das alles zusammen war eigentlich mehr, als ich an einem sowieso schon nicht gerade entspannenden Tag vertragen konnte.

Wie gesagt, eigentlich, denn Aufgeben kam für mich natürlich gar nicht erst in Frage, durfte nicht in Frage kommen, denn da war ja immer noch Mum und ich musste ihr helfen. Also lief ich und lief, bis ich schließlich frontal und ungebremst gegen die steinerne Mauer prallte, deren unglückliche Existenz ich bereits weiter oben schon angedeutet habe. Diese Mauer war groß, sehr groß, in erster Linie aber war sie hässlich. So ein bisschen baufällig aber trotzdem noch verflucht stabil... nein, das ist kein Widerspruch. Eigentlich war nämlich auch nur ihr Äußeres baufällig und das auch nur, um mir damit immer weiter auf den Nerven herumzutrampeln, denn, was soll ich sagen, es regte mich auf.

Wie oft sind Sie eigentlich schon mit der U-Bahn gefahren? Öfter als keinmal? Gut. Dann kennen Sie doch sicherlich auch den entzückenden Anblick jener provokant avantgardistischen Kunstform mit Namen Graffiti, der so ziemlich jedes ältere Fabrikgebäude und mindestens noch jedes zweite mehrstöckige Wohnhaus in dieser gesamten Stadt verziert oder verunziert, je nachdem. Eines dieser besonders lieblos hingeschmierten Dinger gab es auch auf meiner ganz persönlichen Mauer, und das war rot und dünn und krakelig, aber trotzdem konnte ich es sogar weitaus besser lesen, als mir das lieb gewesen wäre.

Zwei Worte standen nämlich darauf, von denen Sie zumindest eines aus dem vorangegangenen Kontext eigentlich fast schon selbst erschließen können. Kleiner Tipp am Rande: Das andere Wort lautet "alles". Na, kommen Sie drauf? Wenn ja, herzlichen Glückwunsch, mir selbst wäre das wahrscheinlich nicht gelungen. Wenn nein, bitteschön, hier kommt des Rätsels Lösung. Auf der Mauer stand nämlich: "Alles umsonst", und stellen Sie sich mal vor: Diese gottverdammte Mauer hatte Recht.

Wundern Sie sich, dass mein Tonfall selbst jetzt noch so bitter klingt, wo das Ganze doch nun schon eine ziemliche Weile zurückliegt? Vielleicht werden Sie es besser nachvollziehen können, wenn Sie die ganze Geschichte hier erst einmal vom Anfang bis zum Ende durchgelesen haben. Obwohl ich nämlich nicht einmal sagen kann, dass ich all das, was auf diesen einen Abend noch folgen sollte, ausschließlich bereue oder gar aus meinem Gedächtnis löschen möchte, es... ist doch trotz allem immer noch ein kleines bisschen schmerzhaft, jetzt noch daran zurückzudenken. Ich stünde bzw. säße vielleicht überhaupt nicht hier, sicher, und das allein rechtfertigt ja eigentlich schon alles, was passiert und eventuell eben auch gründlich daneben gegangen ist, aber gewisse Erinnerungen stimmen mich selbst heute noch irgendwie traurig.

Aber lassen wir das, Sie können ja eh noch nicht verstehen, wovon ich da eigentlich schreibe, und das tut mir leid. Ich schweife wieder einmal ab, aber wissen Sie, das liegt auch nur daran, dass es mir alles andere als leicht fällt, diese Stelle meines Berichtes angemessen beschreiben zu können. Außerdem habe ich ein bisschen Kopfweh, weil ich nun schon weitaus länger vor dem PC sitze, als gut für mich ist, aber ich möchte den Faden nicht verlieren und deshalb versuche ich, meine Pausen auf ein Minimum zu reduzieren. Also dann, auf ein Neues, bevor ich hier noch endgültig in Selbstmitleid ertrinke.

Dass mein Plan vom gerade noch rechtzeitigen Erreichen der Preisverleihung doch zumindest nicht ganz so aufgegangen sein konnte, wie ich mir das zunächst einmal ausgemalt hatte, begriff ich eigentlich schon in dem Augenblick, als ich in die Umkleidekabine stürmte und diese so... so voll war. Überall saßen Mädchen herum (was vielleicht daran liegen mochte, dass es eine Mädchenumkleidekabine war, gut, das gebe ich zu) und die blickten so komisch drein und taten es dann doch wieder nicht. Eigentlich sah nämlich keine von ihnen wirklich und wahrhaftig in irgendeine Richtung, mehr ins Nichts, aber ein Nichts, dass es eigentlich gar nicht wirklich gab und das man vor allem überhaupt nicht ansehen konnte.

Niemand sprach ein Wort, aber deswegen war es noch lange nicht still. Die Geräuschkulisse setzte sich zusammen aus einer Mischung von Nebengeräuschen, die mir unter anderen Umständen wahrscheinlich gar nicht erst aufgefallen wären, die aber gerade in ihrer beiläufigen Monotonie eine so unendlich bedrückende und vernichtende Atmosphäre erzeugten, wie es ihnen keine noch so dramatische Opernarie, kein wildes Horrorfilmsoundtrack-Geigengeschrammel, kein Baustellenlärm und kein frenetisches Kettensägenmassaker hätte nachmachen, geschweige denn überbieten können. Da war das gelegentliche leise Quietschen eines Drehstuhls, das Klappern eines Absatzes auf dem Boden, ein besonders tiefer, seufzerähnlicher Atemzug, das Rascheln von Stoff oder das dumpfe Tippen von nervös trommelnden Fingerspitzen auf diversen Oberflächen und Unterlagen.

Alles in allem herrschte in diesem kleinen Raum eine derart geballte Mischung aus nervlicher Anspannung und kollektiver Apathie, dass es mich beinahe postwendend wieder zwei, drei Meter auf den dunklen Gang hinausgeschleudert hätte. Ich sah mich um, versuchte vergeblich, irgendeinen Blick aufzufangen und auf mich lenken zu können, aber niemand schien mich wahrzunehmen, niemand bemerkte mich, und einen Moment lang wähnte ich mich tatsächlich in irgendeinem grotesken Alptraum gefangen. War ich vielleicht bei meinem Sprung aus dem Klofenster doch mit dem Kopf zuerst aufgeprallt und lag nun eigentlich noch bewusstlos auf unserem Schulhof?

Ich widerstand nur mit etlicher Mühe der Versuchung, mir einfach kurzerhand prüfend in den Arm zu kneifen (rote Flecken auf meiner Haut konnte ich bei der Preisverleihung nun wirklich nicht gebrauchen!) und schob mich stattdessen so leise wie möglich in die erstickende Grabesstimmung des kleinen Raumes hinein. Meine Stöckelschuhe verursachten ein unangenehm quietschendes Jammern auf dem glatten Plastikboden, und obwohl mir eigentlich kein Mensch in meiner näheren Umgebung auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte, fühlte ich mich doch mit einem Mal so, als ob alle mich förmlich anstarren mussten, der ich es so schamlos wagte, die angespannte Halbruhe mit meinen ungelenken Schritten und dem keuchenden Atem auf so unpassend lebendige Weise zu stören.

Mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen nahm ich auf einem freien Stuhl Platz und nutzte die folgenden Minuten erst einmal, um das schmerzhafte Atemdefizit auszugleichen, das ich während meines Sprints so gedankenlos in Kauf genommen hatte. Ja, wenn ich hier von Minuten schreibe, dann meine ich das auch so, und das lag nicht etwa nur an meiner leicht verqueren Zeitwahrnehmung, die mir ja irgendwie alles wie eine halbe oder ganze oder anderthalbfache Ewigkeit vorkommen ließ. In dem Raum hing nämlich eine Uhr, so ein hässliches viereckiges Ding mit weißem Ziffernblatt und beigefarbenem Rahmen, mit roten Zeigern und extra großen Zahlen, die mir wohl selbst mit verbunden Augen noch in all ihrer unbeschreiblichen Penetranz entgegengeleuchtet hätten.

Diese Minuten waren keine Einbildung, sie waren eine Tatsache, und als ich meinen Blick zum zweiten Mal gen Plastikuhr wandte, da war ungelogen bereits eine geschlagene Viertelstunde verstrichen. Eine Viertelstunde, die dazu ausreichte, meine Verwirrung ins Unermessliche steigen zu lassen - meine Verwirrung, aber auch meine Angst, weil ich mir beim besten Willen nicht erklären konnte, was da gerade eben um mich herum vor sich ging. Ich war sozusagen von einem übertriebenen Maß an Hast und Bewegung geradewegs in die totale Stagnation getaumelt und jetzt saß ich da und kam nicht mehr raus. Ich kann auch heute gar nicht mehr so genau sagen, warum ich nicht einfach irgendeines der Mädchen angesprochen und mich einfach mal ganz bequem auf den neusten Stand der Dinge gebracht habe, ich... tat es eben einfach nicht.

Ich wagte es nicht. Und das lag nicht etwa nur an dieser niederschmetternden Atmosphäre, an diesem totengleichen Gruppenschweigen, in dem jedes einzelne Wort so unvorstellbar fehl am Platz sein musste wie ein vierzigjähriger wohlbeleibter und designeranzugtragender Konzernchef mit Zigarre im Mund und mindestens fünfzehn Ferrari vor der Türe auf einem Gipfeltreffen der ortsansässigen Tierschützer und Globalisierungsgegner. Das war auch ein Grund, ein sehr gewichtiger Grund sogar, aber eben doch nicht der einzige und, um ehrlich zu sein, nicht einmal der vorrangige.

Wissen Sie, während all dieser furchtbaren Augenblicke... während meiner Gefangenschaft, meiner Befreiungsaktion, meines Todeslaufes... ich hab eigentlich immer irgendwie damit gerechnet, es nicht mehr zu schaffen. Natürlich habe ich das Gegenteil gehofft, hab gebetet, hab innerlich danach geschrieen, es möge doch anders, möge doch besser ausgehen, aber... nein, wirklich daran glauben konnte ich eigentlich nie, nicht ohne dass eben doch noch irgendein Zweifel, irgendeine Furcht im Hintergrund gelauert hätte. Ich würde mich eigentlich schon als recht optimistischen Menschen bezeichnen (hätte ich mich sonst überhaupt jemals dieser komplett bescheuerten Wahnsinnsidee hingegeben, bei solch einem Wettbewerb überhaupt erst mitzumachen?), aber ich bin weder naiv noch verblendet. Zumindest meistens nicht.

Ich hatte mich beinahe schon auf mein Scheitern und den darauf folgenden Sturz in den Ozean der Verzweiflung eingestellt, und dann ganz plötzlich, mitten im Fall, hielt mein Körper inne und bewegte sich ganz einfach nicht mehr weiter. Ich hing irgendwo in der Schwebe zwischen Himmel und Erde, regungslos und handlungsunfähig, aber doch zumindest vorerst einmal gerettet vor dem endgültig drohenden Aufprall. Und obwohl es sicherlich der sprichwörtliche Prototyp von Feigheit war, ich fand einfach nicht mehr die Kraft dazu, für den Preis einer möglicherweise rettenden Gewissheit den endgültigen Absturz zu riskieren.

Ich saß also wie gehabt auf meinem Platz und wartete, quälte mich durch Minute um Minute und hatte nicht viel mehr zu tun, als mit starren Augen meine Finger zu fixieren, die sich ganz ohne mein bewusstes geistiges Zutun irgendwelche vollkommen absurden Verknotungsspielchen ausgedacht hatten und diesen nun auch mit offenbar recht großer Begeisterung nachkamen. Ich philosophierte innerlich über solch weltbewegende Sinnfragen wie zum Beispiel jene, warum der Mensch denn nun eigentlich genau fünf Finger hatte, warum nicht einfach nur vier oder dann eben gleich sechs oder sieben oder auch zehn an jeder Hand. Da fiel mir auf, dass zehn Finger an jeder Hand doch irgendwie verflucht bescheuert ausgesehen hätten und dass die handschuhstrickenden Frauen aus Nepal und Kambodscha und dem ganzen erdrückenden Rest der langen, langen Liste von Billiglohnländern dann ja viel mehr Wolle benötigen würden, und mit einem Mal war ich nicht mehr ganz sicher, ob das der Weltwirtschaft nun nützen oder schaden würde - oder beides, je nachdem, von welcher Seite man es betrachtete.

Während ich mich auf diese Weise behände durch wohl noch niemals zuvor erkundete Randgebiete der anthropologischen Philosophie hangelte, lief die Zeit unbarmherzigerweise weiter und vor den Toren unserer kollektiv schweigenden Umkleidekabine regte sich langsam aber sicher die Empörung des einfachen Volkes. Es wurde laut. Laut in einem zwar aufgeregten, nervösen, ungeduldigen, aber eben doch nicht etwa aufgebrachten oder gar bedrohlichen Sinne. Man sprach, man tuschelte, man plauderte und lachte, man beschwerte und empörte sich auch, natürlich, aber all das geschah ausschließlich im eigenen Kreis, im Publikum an sich, es war nicht etwa an irgendeinen Veranstalter oder Aufseher gerichtet.

Und in diesem Moment begann ich zu begreifen, dass die Preisverleihung einfach noch nicht stattgefunden haben konnte. Was nicht an irgendeinem verblendet hoffnungsvollen Wunschtraum meinerseits, sondern ganz einfach nur an der überwältigenden Beweislast meiner zahlreichen Indizien lag, die ich in wunderbar logischer Art und Weise vor mir aufgereiht hatte. Die Mädchen saßen schweigend in einem Raum und sahen dabei alle exakt gleich aus. Natürlich nicht von der äußeren Gestalt her, nein, die war immer noch so krampfhaft abwechslungsreich wie eh und je (frei nach dem Motto: Identifikationsfiguren für jedermann, und wenn Sie jetzt gleich kommen und kaufen gibt es zwei zum Preis von einer!), sondern eher von dieser... dieser gefühlsmäßigen Sache her, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Keine sah auch nur ein einziges kleines bisschen glücklicher oder zufriedener aus als die andere. Keine jubelte, keine trauerte. Alle waren nervös. Nicht unbedingt das typische Bild, das man nach einer schicksalhaften Aufspaltung in Sieger und Verlierer zu erwarten hatte, verstehen Sie? Da waren keine dramatischen Nervenzusammenbrüche im Angesicht der Trümmer des ureigenen zerschlagenen Traumes, keine hysterisch dahingequietschten Triumphchoräle, nicht einmal ein Lächeln oder auch nur die vage wimperntuschenschwarze Spur einer einzigen Träne.

Dann die Sache mit dem Publikum: Es sprach und es lachte, aber das Lachen war krampfhaft und die Gespräche ganz ohne jeden Zweifel die leiblichen Kinder der Langeweile, mehr zweckmäßig als angeregt, entstanden im Keim einer gemeinsamen Zwangssituation. Und jetzt denken Sie mal scharf nach, in was für einer Situation beziehungsweise in was für einem Gemütszustand sich die Menschen wohl am ehesten zu krampfhaftem Lachen und mehr zweckmäßigen als angeregten Gesprächen hinreißen lassen? Ich bin mir beinahe sicher, dass Sie längst schon wissen, worauf ich hinauswill, aber falls Sie diese Zeilen am späten Abend lesen (vielleicht liegen Sie ja auch schon im Bett und möchten eigentlich lieber schlafen, wollen die unangenehme Pflicht dieser leider Gottes auch sehr zweckmäßigen Lektüre aber keinesfalls noch einen weiteren Tag lang hinauszögern) oder einfach nur schon so dermaßen genug haben von meinem nervtötenden Geschreibsel und sich Ihre Lust zum aktiven Mitdenken und -raten auch dementsprechend in Grenzen hält, möchte ich es Ihnen gerne verraten:

Diesem ganzen Haufen stolzer bis neidischer Eltern, interessierter bis, vorsichtig ausgedrückt, von eher nicht willentlich kontrollierbaren körperlichen Befehlen gesteuerter Lehrkörper und natürlich der ebenso großen Meute von Freunden und Bekannten saß dieses kleine boshafte Teufelchen namens Langeweile im Nacken, um sie wieder und wieder mit seinem nadelspitzen Dreizack in die Haut zu pieksen. Und dieses Langeweileteufelchen, das war nicht nur boshaft, sondern auch verflucht hartnäckig und es hatte rein theoretisch auch nach mehreren Stunden und Tagen noch denselben Spaß am Pieksen und Peinigen wie in den ersten Sekunden seines meist nicht überwältigend langlebigen Daseins.

Diese Menschen unterhielten sich, weil Sie nicht wussten, was Sie sonst hätten tun sollen. Und Sie wussten nicht, was Sie tun sollten, weil Sie in einer schönen, aber auf die Dauer eben doch nur bedingt unterhaltsamen Turnhalle auf langen Reihen ewig gleich aussehender schwarzer Plastik-Klappstühle saßen und eben nichts anderes tun konnten als warten, warten und nochmals warten. Und worauf warteten sie? Die Antwort auf diese Frage muss ich Ihnen wohl nicht einmal dann noch geben, wenn die Sonne mittlerweile bereits wieder am Horizont aufgegangenen ist oder Sie mir inzwischen für jedes einzelne Wort, und sei es ein noch so kurzes, postwendend den Hals umdrehen würden.

Lustigerweise muss ich anmerken, dass mir das Schreiben mittlerweile immer leichter fällt. Merken Sie es? Ohne mich loben zu wollen, ich finde, ich werde besser. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, dass ich mit meiner Schilderung derart ins Detail gehe. Ich halte das für notwendig, um Ihnen wirklich und authentisch all die Gefühle wiedergeben zu können, die ich in den wohl bedeutsamsten und bewegtesten Tagen meines Lebens empfunden habe und die auch so ausschlaggebend waren für all das, was danach passiert ist. Es ist mir wirklich sehr, sehr wichtig, dass Sie am Ende diesen Bericht zur Seite legen und mich zumindest ein ganz kleines bisschen verstehen können.

Falls Sie an dieser Hoffnung jetzt schon erhebliche Zweifel hegen, sich ihrerseits halb zu Tode langweilen (ja, ganz so wie unser geschätztes Publikum an diesem Abend!) und Ihnen die Lust am Lesen eigentlich schon nach den ersten drei Zeilen vergangen ist, sei Ihnen gesagt: Obwohl ich es natürlich jetzt noch nicht wissen kann, ich bezweifle doch stark, auch nur bei der Hälfte meiner Erzählung angekommen zu sein und die bedeutsamsten Ereignisse liegen allesamt noch vor uns. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen jetzt schon mal viel Spaß bei den restlichen fünfzig bis hundertfünfzig Seiten, die erst noch folgen werden.

Aber Sie haben natürlich Recht, ich mache mir schon dann und wann einen Spaß daraus, Sie ein klein wenig hinzuhalten und die wirklich wichtige Handlung herauszuzögern, was zwar gemein, aber doch leider Gottes unbedingt notwendig ist. Ich kann Ihnen zwar auch einfach schreiben, an welchen Stellen ich wie lange habe warten müssen und wie sehr ich jeweils darunter gelitten habe, aber diesem letztlich angestrebten Verständnis würde uns solch eine Taktik wohl nicht unbedingt sehr viel näher bringen. Also bitte halten Sie durch, ich tue mein Bestes und ich gebe mir wirklich große Mühe. Alles was ich schreibe entspricht der Wahrheit, auch das, was in den folgenden Stunden passieren sollte. Es sind Schlüsselstellen, überraschend viele und äußerst pikante Schlüsselstellen, von denen ich keine einzige auszulassen gedenke. Und obwohl es mir widerstrebt, gerade weil ich ja so viel Arbeit in diese Seiten hier gesteckt habe, ich kann einfach nicht anders, ich muss Sie warnen.

Wenn Sie von jetzt an noch weiterlesen, dann tun Sie das einzig und allein auf eigene Gefahr!
 

Sie sind immer noch bei mir? Oder wieder? So oder so, es freut mich, auch wenn ich doch eine gewisse Beunruhigung nicht loswerden kann. Liegt das nun an unserer unveränderten Zweisamkeit (Dreisamkeit? Viersamkeit?) oder ist es wieder nur die Erinnerung an diesen Abend... dieses Warten... ich weiß es nicht, aber eigentlich ist es auch vollkommen egal, denn selbst das längste Warten hat irgendwann mal ein Ende, ja, auch in unserer scheinbar so unendlichen Geschichte hier. Unglaublich, aber wahr.

Und obwohl es absurd ist, obwohl ich ganz genau weiß, dass ich mich eigentlich hätte freuen und Luftsprünge machen sollen, ich... hab's nicht getan. Eher im Gegenteil. Da war so ein unangenehm dumpfer Nachhall, der erst einige Minuten später verklungen und dann oft noch Tage, Wochen, ja sogar Monate danach wieder aufgeflammt ist. Sehen Sie, jetzt, wo ich das hier schreibe ist es schon wieder da, vollkommen überflüssigerweise, weil es ja doch schon alles längst vorbei ist. Aber dieses Gefühl, was möglicherweise gar nicht hätte geschehen müssen, das ist irgendwie überhaupt nicht schön, obwohl... es doch trotz allem auch wieder schade gewesen wäre. Aber bitte, lesen und urteilen Sie selbst.

Wenn ich Sie noch einmal kurz daran erinnern darf: Es war alles umsonst. Diese folternde Panik, die ich in den bangen Minuten meiner Gefangenschaft in der Toilettenkabine durchlitten hatte. Meine gesamte hals- und beinbrecherische Kletteraktion. Die Verzweiflung über den Tod von Freund Absatz. Und am Ende mein schweißtreibender Rekordsprint, vorbei an den zahllosen tückischen Ecken und Kanten unserer völlig verlassenen Schulgänge. Ich hätte es mir ganz einfach sparen und noch mindestens zwanzig ruhige, wenn auch nicht unbedingt sonderlich gemütliche Minuten auf besagter Jungentoilette verbringen können. Wobei es sehr stark anzunehmen ist, dass sich Tatsumi bis dahin mitsamt seinem unangenehm lachenden Gefolgsmann und ihrer mysteriös klappernden Ausrüstung zurück zu den anderen wartenden und sich langweilenden Zuschauern in den großen, finsteren Turnhallensaal verzogen hätte.

Es war nämlich so, dass eines der Jurymitglieder auf dem Weg zum gemeinsamen Besprechungsraum unglücklich gestürzt war und sich bei dieser Gelegenheit irgendwie am Knöchel verletzt hatte. Ja, genau so simpel und genau so unspektakulär und genau so frustrierend, wenn man mal etwas länger darüber nachdenkt. Ein Sturz. Vielleicht ein unachtsames Auftreten in allzu hohen Absatzschuhen. Vielleicht irgendein kleines Hindernis, das die fleißigen Putzfrauen ausgerechnet an der falschesten aller falschen Stellen übersehen hatten. Im Nachhinein konnte das wohl niemand mehr sagen und es war auch gar nicht mehr von Bedeutung, denn die darauf folgende Untersuchung konnte glücklicherweise an Ort und Stelle durchgeführt werden (haben Sie jemals erlebt, dass auf die Frage, ob hier ein Arzt im Saal sei, tatsächlich irgendjemand mit "Ja! Hier!" antwortet? Das Publikum in der Turnhalle nämlich schon!) und dauerte ja letztendlich auch kaum mehr als lächerliche zwanzig Minuten.

Dumm nur, dass es für meine Verhältnisse genau zwanzig Minuten zuviel waren, und aus irgendeinem Grund, den ich gar nicht mal genau benennen konnte, kam ich mir so unendlich bescheuert vor, als wir dann endlich doch von unseren Plätzen zurück auf die Bühne gerufen wurden. Ich glaube, das sah man mir auch an. Ich schlich irgendwie mehr, als dass ich noch wirklich ging oder gar auf diese unnachahmliche Art vor mich hinschwebte, wie es zahlreiche meine Konkurrentinnen ach so perfekt beherrschten. Die Menschen im Publikum dachten wahrscheinlich, dass dieses schwarzhaarige Mädchen mit dem verführerisch kurzen Röckchen und den verführerisch hohen Stiefeln längst schon aufgegeben hatte, aber darum ging es nicht.

Ich hatte einfach das Bedürfnis, mich von diesen verfluchten (und sowieso nicht mehr ganz intakten) Absatzschuhen zu befreien und so schnell wie möglich nach Hause zu laufen, um mich dort ganz tief unter meiner dicksten Decke zu verkriechen, obwohl es dafür doch eigentlich viel zu heiß war. Aber wie Sie sich denken können bin ich natürlich nicht davongelaufen. Ich habe nicht ein einziges meiner Kleidungsstücke ausgezogen und ich bin nicht einmal vor versammelter Mannschaft in Tränen ausgebrochen. Und das, glauben Sie mir, das war nicht einfach!

"Bitte entschuldigen Sie die kurze Verspätung", erklärte unsere reizende Moderatorenreferendarin nun bestimmt schon zum zehnten Mal allein innerhalb der letzten fünf Minuten, "aber dafür werden wir Sie nun nicht mehr länger auf die Folter spannen und ihnen sofort unsere glücklichen Gewinnerinnen mitteilen!"

Ich horchte auf, ohne jedoch meinen Blick zu heben. Aus irgendeinem Grund hatte ich nämlich mit einem Mal panische Angst, womöglich irgendeiner der umstehenden und -sitzenden Personen in die Augen zu blicken.

"Ich werde nun die Namen der drei Mädchen verlesen, die im Namen unserer Schule am großen Finale des Lucky Karma Miss-Contest teilnehmen dürfen", verkündete sie gewohnt zahnpastalächelnd, was mir aber leider bereits bekannt war und was ich, falls es mir noch nicht bekannt gewesen wäre, eigentlich auch gar nicht hätte wissen wollen. Die Namen von drei Mädchen... von genau drei Mädchen. Bitte lassen Sie sich das noch einmal auf der Zunge zergehen. Drei Mädchen. Nicht mehr und nicht... gut, noch weniger wäre ja auch irgendwie lächerlich gewesen, oder?

Möglicherweise war es Absicht, möglicherweise behinderten ihre unverschämt langen Fingernägel die gute Mrs. Catcher auch tatsächlich beim Öffnen des glitzernden Papierumschlages, in dem sich ganz offensichtlich ein Zettel mit besagten Namen von drei Mädchen befinden sollte, jedenfalls schienen auch während wir auf der Bühne standen und zitterten noch einmal mehrere Stunden zu verstreichen. Ich bin mit nicht ganz sicher, wie lange schon die Mittagssonne am Sommerhimmel hätte stehen müssen, wenn die Zeit tatsächlich gemäß meiner ganz persönlichen Wahrnehmung selbiger verstrichen wäre. Aber mir taten schon viel zu lange die Füße weh und ich schwitzte und mir brannte der Hals, so trocken war er.

Dann jedoch war das Kuvert geöffnet und es wurde alles noch viel, viel schlimmer.

"Die Reihenfolge der Namen sagt nichts über ihre tatsächliche Punktzahl aus. Es gibt heute keinen ersten, zweiten und dritten Platz, sondern drei Gewinnerinnen!" Die Frau in Blau strahlte und ich hätte sie dafür erwürgen können. "Kommen wir nun zu unserer ersten Siegerin..."

Ein etwas blecherner Trommelwirbel wurde eingespielt und brachte wohl auch noch den letzten unaufmerksamen Zuschauer nachhaltig zum Schweigen. Tatsächlich wurde es in dem Saal so still, dass man wohl selbst die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören - zumindest jeder außer mir und außer den Mädchen, die unmittelbar zu meiner Rechten und Linken standen, denn mein Herz schlug so unglaublich laut, dass ich selbst die Worte der Ansagerin nur mit großer Mühe verstehen konnte.

"And the winner is... Tanith Miller!!"

Das Publikum begann lautstark zu applaudieren und ich wurde begraben unter einer Woge blanken Entsetzens. Ich meine - Sie wissen ja noch, drei Namen, drei verfluchte und lächerliche Namen, und der erste dieser Namen war schon einmal Tanith Miller. Ich hätte schreien können, aber die blanke Wut (und vielleicht auch noch ein kleines bisschen Schamgefühl) schnürte mir die Kehle zu. Dabei ging es mir gar nicht mal nur um meinen eigenen Sieg... das natürlich auch, aber eben nicht nur, denn ich hätte nur die Augen zu heben brauchen und mindestens fünfzehn beneidenswert schöne Mädchen gesehen, die es allesamt und zweifellos verdient hätten, in genau diesem Augenblick von den begeisterten Massen des Publikums beklatscht und bejubelt zu werden.

Aber Tanith... Tanith, deren Lache es mit jeder heiseren Hyäne hätte aufnehmen können. Tanith, die ihre Mitmenschen mit ebendieser Lache am allerliebsten infolge ihren eigenen (schlechten) Witzen akustisch misshandelte. Tanith, deren Augen in etwa so aussahen, als ob sie vor etlichen Tagen in einem leidlich sauberen Gewässer ertrunken und bis heute noch nicht gefunden worden wären. Genau diese Tanith hatte sich jetzt also einen Platz im Finale erschlichen, und das nur weil sie groß und hellblond war und weil sie so wunderbar überzeugend christliche Statements von sich geben konnte. Am liebsten wäre ich nun schon zum mindestens dritten Mal an diesem Abend spontan wieder gegangen, diesmal jedoch aus Protest.

"Und der zweite Platz im Finale gehört... Min Phai-Li!"

Nur zwei Plätze neben mir stieß eine kleine und unglaublich süße Asiatin einen hellen Freudenschrei aus, und ich presste meine nervös verschränkten Hände derart fest gegeneinander, dass meine Fingerknöchel jegliche Farbe verloren. Ich spürte den Schmerz jedoch kaum noch und meine Gedanken drehten sich mit meinem Magen um die Wette. Natürlich! Es hatte ja so kommen müssen. Ich meine - ganz ehrlich, haben Sie jemals auch nur einen einzigen Film gesehen, in dem der Protagonist oder auch die Protagonistengruppe bei einer Preisverleihung nicht prinzipiell als letztes aufgerufen wird? Nehmen Sie jeden einzelnen Gesangswettbewerb, jedes sportliche Kräftemessen und ganz besonders jede einzelne (High School-) Misswahl, die sie jemals in ihrem ganzen Leben in gleich welchem Film gesehen haben. Merken Sie was? Eben.

Das ist im Grunde genommen nicht anders als diese Sache mit der verloren gegangenen CD. Sie können Ihre Musiksammlung in jeder beliebigen Reihenfolge durchgehen, Sie werden Sie im Endeffekt ja doch wieder in der letzten oder vorletzten Hülle finden. Garantiert. Aber in diesem Wettbewerbsfall, da haben wir es nicht nur mit Murphys guten alten Gesetzen zu tun, sondern auch mit den unantastbaren Gesetzen von Hollywood, und gegen beides zusammen ist man mehr als machtlos. Hatte ich etwa wirklich geglaubt, gleich an erster Stelle beruhigt und glücklich in das so unendlich wichtige Finale einziehen zu können? Da war ja selbst diese Sache mit dem Arzt im Saal noch wahrscheinlicher!

So oder zumindest so ähnlich versuchte ich mich auch an diesem Abend zu beruhigen, und so hirnrissig ihnen meine Gedankengänge jetzt vorkommen mögen, sie haben mir in diesen bangen Sekunden - oder waren es am Ende doch Stunden? - sogar wirklich weitergeholfen. Wie gesagt: Ich bin nicht in Tränen ausgebrochen. Ich habe nicht einmal gebrüllt oder das Bewusstsein verloren. Ich war wirklich verflucht tapfer, und dann war die mehr als nur bange Wartezeit vorbei und ich wünschte mir plötzlich, sie wäre es nicht gewesen.

"Kommen wir nun zu unserer dritten und letzten Gewinnerin..."

Kam es mir nur so vor oder machte Mrs. Catcher tatsächlich eine noch längere Spannungspause als sonst? Die Mädchen um mich herum versuchten krampfhaft zu lächeln - diese vergeudete Kraftanstrengung sparte ich mir - und die Luft stank plötzlich noch ein klein wenig mehr nach Schweiß als in all den endlosen Sekunden zuvor. Plötzlich bildete ich mir ein, wieder diese furchtbare Plastikuhr aus dem Warteraum ticken zu hören, obwohl das natürlich überhaupt nicht möglich war. Ich sah nicht mehr, wie unsere Referendarin das Mikrofon endlich doch wieder anhob, um mich von meinen unmenschlichen Leiden erlöste, denn ich hielt meine Augen fest geschlossen.

Dafür hörte ich sie nur umso besser.

"... Jessica Maguire!!!!"

Ich glaube, ich habe noch nicht ein einziges Mal in meinem ganzen Leben so laut geschrien wie in dem Augenblick, als diese Frau meinen Namen nannte und zeitgleich damit sämtliche Mundwinkel um mich herum gefährlich weit in Richtung Boden hinabrutschten. Es war... ja, es war wie ein Stromstoß, aber wie ein fürchterlich angenehmer Stromstoß, der durch meinen ganzen Körper raste und ihm jegliches Eigengewicht zu nehmen schien. Ganz ehrlich, ich hätte fliegen können, aber da mir dabei leider doch noch die allseits bekannte und beliebte Schwerkraft im Weg war, beließ ich es eben bei einem weiteren ausgelassenen Jauchzen, gefolgt von einem auch irgendwie himmelhohen Luftsprung.

Das war ein großer Fehler.

In meinem plötzlichen und auch gar nicht mehr wirklich erhofften Freudentaumel hatte ich nämlich nicht nur meine Angst und Aufregung, sondern eigentlich auch alles andere, was jemals auf diesem verrückten kleinen Planeten geschehen war, vollkommen und ausnahmslos vergessen. Auch, zum Beispiel, gleich welche physikalischen Gesetzmäßigkeiten der Gewichtskraft. Oder die begrenzte Haltbarkeit von vielleicht sowieso nicht mehr ganz so frischem Klebstoff. Jedenfalls landete ich nun schon zum zweiten Mal an diesem Abend ganz und gar nicht so, wie ich das geplant oder zumindest erhoffte hatte - allerdings mit noch ungleich katastrophaleren Auswirkungen.

Auf meine leidlich elegante Pirouette folgte nämlich ein überaus tiefer Fall, als ich auf dem harten Laufstegboden aufkam und dann plötzlich ganz merkwürdig zur Seite wegknickte. Ich selbst kann mir bis heute nicht bildlich vorstellen, was genau danach mit mir und meinem Körper passiert ist. Ich kann nur das wiedergeben, was mir Tatsumi später in aller Ausführlichkeit beschrieben hat - mit einem Grinsen im Gesicht, für das ich ihn wohlgemerkt auch heute noch erwürgen könnte.

Als mein leidgeprüfter Absatz erneut das Zeitliche segnete und ich mich von meinem Gleichgewicht verabschieden durfte, kippte ich nämlich nicht etwa einfach nur zur Seite oder noch vorne weg. Aber nein. Das wäre ja auch viel zu einfach gewesen. Stattdessen vollführte ich eine groteske Drehung um die eigene Achse, das linke Bein weit von mir gestreckt und die Arme hilflos im Leeren rudernd. Dann prallte ich mit dem Rücken auf und schlitterte noch knapp einen halben Meter auf den Bühnenrand zu, wo ich endlich zum Liegen kam. Ich muss wohl nicht extra noch erwähnen, dass dies in einer sehr breitbeinigen Haltung geschah, sodass zweifellos jedes einzelne Mädchen samt Biologiereferendarin mit einem herrlichen Ausblick direkt auf meine Unterhose belohnt wurde. Für alle, die bei dem Sturz zuvor noch nicht richtig aufgepasst hatten.

Im ersten Augenblick wollte ich sterben. Das ist kein Witz. Ich habe mir ernsthaft gewünscht, doch noch irgendwie über die Kante hinter mir hinabzustürzen und mir dabei möglichst tödlicherweise das Genick zu brechen. Ich kann nicht unbedingt behaupten, dass mein Leben frei von Pleiten und Pannen gewesen wäre. Aber vor diesem Abend hatte ich keine Ahnung davon gehabt, was das Wort peinlich wirklich bedeutet. Sicherlich können Sie das nachvollziehen. Dabei habe ich es ja erst einmal gar nicht gewagt, überhaupt so etwas wie Scham zu empfinden. Ich atmete nicht und bewegte mich nicht und ich dachte und fühlte auch nicht. Ich weigerte mich zu glauben, dass mir so etwas tatsächlich passieren könnte.

Doch es war passiert und die Zeit ging weiter, und ganz plötzlich schienen alle Mädchen ihre schlechte Laune vergessen zu haben. Natürlich waren sie nicht die einzigen, die lachten. Statt meines wohl verdienten Applauses erntete ich wahre Salven von Gelächter und Gekicher, und da wurde mir plötzlich bewusst, dass es jetzt nur noch einen einzigen Weg gab, um zu überleben. Ich kam erstaunlich geschickt wieder auf die Füße, warf mir mein etwas in Mitleidenschaft gezogenes Haar über die Schulter und stolzierte dann auf merkwürdig humpelnde Art und Weise (laufen Sie mal mit nur einem High Heel!) auf die etwas peinlich berührt dreinblickende Ansagerin zu.

"Das habe ich mir statt einer Dankesrede überlebte und möchte damit meine Mutter grüßen", flötete ich ins Mikrofon, und in diesem Moment hatte ich wirklich und wahrhaftig gewonnen. Gut - mindestens die Hälfte des Saales lachte immer noch viel eher über mich als mit mir, aber ich schwebte mit einem Mal wieder ganz locker über den Dingen. Und, was vielleicht das Wichtigste war, ich konnte selbst wieder lachen und das war auch überhaupt nicht erzwungen oder aufgesetzt. Hierbei hat die Macht der Verdrängung gewiss eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Aber auch darüber hinaus hatte ich ja schließlich immer noch gesiegt, und das wollte ich mir von nichts und niemandem nehmen lassen.

Mrs. Catcher sagte irgendetwas, an das ich mich aber nicht mehr erinnern kann, und dann zerstreuten sich die Mädchen, die eben noch allesamt Teilnehmerinnen, und jetzt ganz plötzlich Gewinnerinnen und Verliererinnen waren. Ich wollte ihnen gerade über eine der Treppen hinunter in das Halbdunkel des Zuschauerbereiches folgen, aber da sah ich plötzlich, wie sich Tatsumi irgendwo von einem Stuhl erhob und mir eilig entgegenkam. Ich weiß bis heute nicht, wie ich ihn so schnell zwischen all den sich erhebenden Menschen ausmachen konnte, aber ich tat es eben und dann gingen plötzlich die Endorphine mit mir durch.

Wie zum Beweis, dass ich nichts, aber auch wirklich gar nichts dazugelernt hatte, nahm ich kurzerhand eine spontane Routenänderung vor und steuerte geradewegs auf den verhängnisvollen Bühnenrand zu. Wobei man vielleicht dazu sagen muss, dass ich nicht einfach nur ging oder lief oder stakste, sondern rannte, und Sie können mir gerne glauben, dass das mit einem derartigen Schuhwerk doch alles andere als einfach ist. Ich kletterte auch nicht vorsichtig über die Kante hinab - ich sprang, die Arme nach beiden Seiten ausgebreitete und ein übermütiges Lachen auf den Lippen und ich fühlte mich dabei so unwahrscheinlich frei, dass ich fast ein bisschen melancholisch werden könnte, wenn ich jetzt daran zurückdenke.

Ich weiß nicht, ob ich absichtlich oder unabsichtlich gestolpert bin, jedenfalls fiel ich Tatsumi geradewegs um den Hals. Ich lachte immer noch und ich konnte überhaupt nicht mehr damit aufhören, und obwohl überall um uns herum erbost schimpfende Menschen standen, drehten wir etliche wankende Runden über den leise quietschenden Turnhallenboden. Tatsumi lachte übrigens ebenfalls, und es war merkwürdig, ihn derart ausgelassen zu erleben, aber es passte doch perfekt zu der seltsamen Stimmung dieses ganz ohne jeden Zweifel unvergesslichen Abends. Es war das erste und für eine sehr lange Zeit auch das letzte Mal, dass ich ihn wirklich und ehrlich habe lachen hören.

"Du hast es geschafft, Jessie!", strahlte er mich an, und ich wusste überhaupt nicht, was ich darauf antworten sollte. Ich verstand nicht, was genau Tatsumi so glücklich machte, aber ich wollte auch gar nicht darüber nachdenken. Vielleicht war da ja wirklich irgendetwas in der nicht gerade frischen Turnhallenluft - man weiß ja nie -, jedenfalls war alles wie ein Rausch und ich selbst wie betrunken, obwohl meine arme Kehle doch immer noch vergeblich um Wasser bettelte.

"Ich bin gut!", verkündete ich lautstark und wenig intelligent, und dann tat ich etwas, das mich selbst vielleicht am meisten überraschte.

Ich verschränkte meine Arme in Tatsumis Nacken, stellte mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Einfach so. Mir fiel ganz plötzlich unser Vertrag wieder ein und da konnte ich einfach nicht anders, und irgendwie war plötzlich auch überhaupt nichts mehr dabei. Auch Tatsumi reagierte ganz und gar nicht so, wie ich das vermutet hatte. Natürlich war er zunächst doch sehr überrascht - seine mit einem Mal erstaunlich großen Augen und sein etwas hilfloses Blinzeln sprachen Bände -, aber eben wirklich nur ganz kurz. Und dann folgte weder irgendein dummer Spruch noch ein anzügliches bis selbstverliebtes Grinsen, sondern nur ein Kopfschütteln und ein weiteres Lachen. Die besondere Atmosphäre des Abends hatte irgendwie auch von ihm Besitz ergriffen und das stimmte mich nur noch viel, viel übermütiger.

Genau genommen war ich sogar so unglaublich glücklich, dass ich beinahe ein bisschen vergaß, aus welchem Grund ich mich eigentlich so sehr freute.
 

Wir blieben nicht mehr lange auf der anschließenden Siegesfeier, auch wenn die Stimmung gut und das Buffet durchaus verlockend war. Entgegen meiner persönlichen Erwartungen war es tatsächlich noch dunkel, als wir die Halle verließen. Eine perfekte Sommernacht, in der man selbst in Top und Minirock nicht frieren musste. Ich weiß noch, dass wir den ganzen Heimweg über "We are the Champions" gesungen haben, und jeder, der uns dabei beobachten konnte, muss uns wohl unweigerlich für betrunken gehalten haben, was wir allerdings nicht waren und auch gar nicht nötig hatten.

Auf dem Weg durch Tatsumis dunkles Haus mussten wir uns in der Lautstärke natürlich deutlich zurücknehmen - allerdings nur, bis wir in seinem Zimmer angekommen waren. Immerhin befanden wir uns ja nicht mehr in Mums und meiner kleinen Dreizimmerwohnung, sondern in einer Prachtvilla von unbestreitbar beachtlichen Ausmaßen. Kichernd ließ ich mich auf Tatsumis Bett fallen, immerhin war ich überdreht und glücklich und dachte noch überhaupt nicht daran, mich in mein persönliches Gästezimmer zurückzuziehen. Ihm schien es offenbar nicht anders zu gehen.

Statt mich nämlich mit einem dezenten Hinweis auf seine wohl verdiente Nachtruhe kurzerhand vor die Türe zu setzen, öffnete er seinen Mini-Kühlschrank und zauberte eine noch ungeöffnete Sektflasche daraus hervor. Die passenden Gläser waren ebenfalls schneller gefunden, als ich überhaupt mit den Augen folgen konnte (aller guten Laune zum Trotz versetzte mich Tatsumis Zimmer weiterhin in Angst und Schrecken), und so saßen wir schon wenige Augenblicke später gegen eine der schneeweißen Wände gelehnt auf der überaus bequemen Matratze und ließen geräuschvoll die Sektgläser gegeneinander stoßen.

"Auf dich!", grinste Tatsumi, was mich zu einem weiteren übermütigen Kichern veranlasste.

"Auf mich!", grinste ich wenig bescheiden zurück und nahm einen Schluck von der eifrig perlenden Flüssigkeit. "Und übrigens hab ich die Wette gewonnen. Wenigstens für heute."

"Was für eine Wette?"

"Neid", strahlte ich und stieß dem Blondschopf mit der flachen Hand vor die Stirn.

"Häh?", machte der und sah mich mit fragenden Augen an.

"Neid", wiederholte ich. "Meine heute begangene Todsünde ist Neid. Was auch sehr wohl verständlich ist, wenn ich an all diese... diese... Mädchen denke... oh mein Gott."

"Die du wohlgemerkt allesamt weit hinter dir gelassen hast, meine liebe Jessie." Tatsumi stieß mir in die Seite und schenkte mir ein Augenzwinkern, das zwar wieder gewohnt arrogant und selbstverliebt war, mich in diesen nächtlichen Stunden aber auch nicht mehr wirklich stören konnte. "Und außerdem muss ich dich verbessern - dies war wenn, dann nicht deine heutige, sondern deine gestrige Todsünde. Es ist mittlerweile nämlich... fast zehn Minuten nach Drei und somit längst schon ein neuer Morgen angebrochen."

"Ein neuer Morgen, ja?" Ich zog meine Augenbrauen hoch und schielte skeptisch in Richtung Fenster, hinter dem sich nach wie vor eine tiefblaue Nacht erstreckte. "Aber gut... dann hab ich gleich die nächste Todsünde für dich, und zwar Hochmut. Oder willst du etwa bestreiten, dass ich die Größte bin? So, mein lieber Tatsumi, jetzt habe ich vorgelegt und das musst du mir erst mal nachmachen!"

"Kein Problem!", grinste der Blondschopf und musterte mich derart langsam von Kopf bis Fuß und wieder zurück, dass ich mich hinterher tatsächlich ein kleines bisschen nackter fühlte als zuvor. "Wolllust."

"Wolllust?", keuchte ich in gespielter Empörung und rümpfte die Nase. "Wie kannst du es wagen? Und das ausgerechnet bei mir, du einfacher... du... du Bauer, du!"

Ich holte schwungvoll aus, um mich angemessen für seinen Rippenstoß zu revanchieren - und vergaß dabei leider, dass meine rechte Hand ja überhaupt nicht mehr leer war. Ebenso wenig wie mein Sektglas. Wenigstens noch vor meinem Frontalangriff, der leider doch etwas anders endete, als ich das ursprünglich eingeplant hatte. Nämlich mit einem plötzlich gar nicht mehr so weißen Hemd und mit einem Tatsumi, der mich derart verblüfft und... ja, schlicht und einfach dämlich anstarrte, dass ich mich danach auch nicht einmal mehr entschuldigte, sondern nicht weniger blöd zu lachen begann.

"Toll gemacht", grummelte der Blondschopf, als mein Anfall lautstarker Schadenfreude offenbar gar nicht mehr enden wollte, und ich glaube, dass sein übergroßes Ego tatsächlich einen kleinen Kratzer abbekommen hatte, obwohl der Unfall doch eigentlich von vorne bis hinten nur meine Schuld gewesen war. "Das Hemd wär jetzt also ruiniert, und die Stimmung obendrein. Jessie, du bist wirklich ein Genie!"

"'Tschuldigung", nuschelte sich verstohlen zwischen meinen sehr breit grinsenden Lippen hervor. "Aber wenn du doch eh schon soooo wolllüstig bist, warum ziehst du's dann nicht einfach gleich aus?"

Tatsumi schenkte mir einen vernichtenden Blick aus seinen dunklen Augen - und fiel dann ganz plötzlich und unvermutet in mein Grinsen ein.

"Also gut", strahlte er mir mit einem Lächeln entgegen, das auch nicht viel falscher und aufgesetzter wirkte als seine sonstigen. Und bevor ich mehr als ein entsetztes Ächzen von mir geben konnte, hatte er auch schon seine oberen Hemdsknöpfe geöffnet und sich das befleckte Kleidungsstück mit einer schwungvollen Bewegung über den Kopf gezogen. Aus irgendeinem Grund war ich entgeistert. Verstehen Sie das? Ich jedenfalls nicht. Ich meine... ich hatte mich davor schon weit mehr als nur einmal im Kreise ganzer Heerscharen von schlanken, zarthäutigen und teilweise auch überaus kurvigen Mädchen an- und wieder ausgezogen und es war mir zuletzt wirklich alles, nur ganz gewiss nicht mehr peinlich gewesen.

Aber Tatsumi war ein Junge und jetzt seien wir doch mal ehrlich, ich hatte jeden Tag wenigstens zweimal die Gelegenheit, solch ein splitterfasernacktes Menschenmännchen vom Scheitel bis zum Zehennagel im Spiegel betrachten zu können. Von all den kollektiven Duschsessions nach dem meiner Meinung nach oft genug etwas zu schweißtreibenden Sportunterricht ganz zu schweigen. Theoretisch hätte Tatsumi vor meinen Augen einen erstklassigen Manstrip mit allem drum und dran und vor mir aus auch in einer hautengen Polizeiuniform aufs Parkett legen können und es hätt mir im Prinzip sogar mehr als nur scheißegal sein müssen, aber leider scheint das Leben ja von logischen Theorien generell nicht sonderlich viel zu halten.

Schließlich war ich nicht mehr Jesse, sondern Jessie, und Jessie war nun mal ein junges Mädchen mit einem leichten (?) Hang zum Exhibitionismus, aber eben doch auch mit einem gesunden Schamgefühl. Und ebendieses Schamgefühl ließ bei mir plötzlich sämtliche Alarmglocken synchron miteinander klingen und scheppern, denn immerhin lag ich auf dem Bett eines mehr oder weniger fremden Jungen, während dieser sich neben mir von dem eigentlich gar nicht so sehr störenden Schutz seiner Kleidung befreite. Ohne Spaß, ich hätte kreischend aus dem Fenster springen können, als er dann auch noch beide Hände an seinen Gürtel legte, doch zum Glück hielt er inne, bevor ein größeres Unglück geschehen konnte, und ließ sich betont lässig neben mir auf der immer noch himmlisch gemütlichen Matratze nieder.

Eine unangenehme Wärme durchdrang mein Gesicht, aber ich wandte mich demonstrativ nicht von Tatsumi ab, sondern musterte ihn stattdessen mit reichlich unverschämten Blicken, was ihn allerdings nicht weiter zu stören schien. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich Tatsumi noch nicht ein einziges Mal oben ohne gesehen hatte - im Sportunterricht trug er stets diese furchtbaren Basketball-Shirts und am Schulschwimmen konnte er aus irgendeinem mir unbekannten Grund nicht teilnehmen - und ich war zunächst einmal aufrichtig überrascht davon, dass ein jegliche Art von Sport so sehr verabscheuender Mensch wie Tatsumi einen derart wohlgeformten Oberkörper besitzen konnte. Dann war ich entsetzt über ebendiesen Gedanken und schließlich über etwas vollkommen anderes, das mir, warum auch immer, auf den ersten Blick noch überhaupt kein bisschen aufgefallen war.

Tatsumis Körper war nämlich, wie ja bereits erwähnt, ganz ohne jeden Zweifel sehr hübsch anzusehen, trotzdem jedoch alles andere als perfekt. Seine Haut war förmlich übersäht von kleinen, kreisrunden und hier und dort auch von eher länglichen Narben, und obwohl ich derartige Anblicke ja an und für sich gewohnt war (gehen Sie mal bitte auf eine Ghetto-Schule, da würd es ihnen auch nicht anders gehen), musste ich nun doch einige Male sehr schwer schlucken. Der Blondschopf lächelte immer noch so wie immer und seine ganze Körperhaltung sprach von einer derartigen Selbstverliebtheit, dass ich ihn wohl unter allen anderen Umständen hätte verprügeln können, aber jetzt...

Jetzt war ich so betreten, dass es mir glatt die Sprache und erst recht mein dümmliches Grinsen verschlug, wohingegen Tatsumi anscheinend krampfhaft cool zu sein beschlossen hatte.

"Tatsumi?", murmelte ich irgendwann kaum hörbar vor mich hin, und er lächelte sein selbstgefälliges Lächeln, als ob er tatsächlich nichts, aber auch gar nichts von meinem plötzlichen Stimmungsumschwung bemerkt hätte, was ich aber nicht für sonderlich glaubwürdig hielt.

"Was denn, Jessie? Noch mehr Sekt gefällig?"

"Noch mehr Sekt?" Ich war heilfroh, meinen unsicheren Blick in einen strafenden verwandeln zu können. "Sag mal meinst du das ernst oder willst du mich grad irgendwie verarschen oder was? Von was werd ich wohl sprechen, na?"

Ich bohrte mit meinem Zeigefinger in einer der Narben herum, als ob ich dem Blondschopf damit tatsächlich noch irgendwie Schmerzen hätte zufügen können. Der machte nur eine abfällige Handbewegung und legte dann einen ganz besonders gleichgültigen Gesichtsausdruck auf.

"Ein Geschenk", entgegnete er schulterzuckend, woraufhin sich meine Miene sogar noch ein ganz kleines bisschen mehr verfinsterte.

"Aha", machte ich und zog kritisch beide Augenbrauen hoch. "Und von wem bitteschön? Der scheint dich ja echt gemocht zu haben..."

Ich verstand selber nicht, warum ich derart hartnäckig in irgendwelchen alten Wunden herumstochern musste, obwohl ich die Antwort auf meine Frage ja eigentlich so oder so schon längst gekannt oder zumindest geahnt hatte. Verstehen Sie mich nicht falsch, Tatsumi war nun ganz bestimmt nicht mein bester Freund, aber ich hatte nicht wirklich Spaß daran, ihn zu quälen und mir selbst obendrein noch den schönen Abend zu verderben. Aber diese Narben zu sehen machte mich plötzlich derart... wütend, dass ich einfach nicht mehr die Klappe halten und still über alles hinwegsehen konnte. Es ging nicht und ich wollte es nicht und überhaupt war es jetzt auch sowieso schon viel, viel zu spät dazu.

"Von meinen Eltern", erklärte Tatsumi so ruhig, dass ich es beinahe schon wieder mit der Angst zu tun bekam, warum auch immer. "Ich bin mir nicht ganz sicher, wie sehr sie mich nun wirklich gemocht haben oder auch nicht. Ich weiß nur, dass mein Vater verdammt viel geraucht hat. Wie auch immer. Aber wollten wir nicht eben noch feiern, Jessie? Also warum so ein langes Gesicht?"

"Sag mal, hast du's heut irgendwie mit den blöden Fragen?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust und durchbohrte meinen Nebensitzer mit einem bitterbösen Blick. "Was soll der Scheiß? Da machst du ständig einen auf Obermacker und schaust auf jeden runter außer auf dein eigenes Spiegelbild, und dann hockst du seelenruhig hier und lässt dir so was gefallen?"

Um Tatsumis Mundwinkel spielte ein kurzes Zucken und ich begriff sehr wohl, dass ich den Bogen gehörig überspannt hatte, obwohl er weder getroffen noch wütend noch sonst wie dreinblickte. Aber mein Blut hatte nun einmal leider bereits zu kochen begonnen und es war alles andere als einfach, den vernichtenden Flächenbrand in meinem Inneren erst einmal wieder zu löschen.

"Ganz schön schlaue Ratschläge dafür, dass du eigentlich von der ganzen Situation überhaupt keine Ahnung hast", lächelte der Blondschopf und schüttelte langsam seinen Kopf. "Aber wahrscheinlich meinst du es ja nur gut und woher solltest du es auch wissen? Ich lebe nicht mehr bei meinen Eltern, Jessie. Schon lange nicht mehr. Was passiert ist, ist passiert, und ich kann es jetzt auch nicht mehr ändern. Jedenfalls sehe ich keinen Grund, deswegen mit hängenden Schultern und Trauermiene durchs Leben zu schleichen!"

"Was soll das heißen, du lebst nicht mehr... oh... ach so..."

Tatsumi nickte, wie um meine nie ausgesprochene Erkenntnis zu bestätigen, und ich wäre am allerliebsten ganz tief im Erdboden versunken. Dabei hatte ich es doch eigentlich tatsächlich nicht ahnen können, immerhin hatte ich den Blondschopf noch nicht ein einziges Mal in einem ,Vorsicht! Adoptiert!'-T-Shirt herumlaufen gesehen und über hellseherische Fähigkeiten verfügte ich leider auch nicht, sonst hätt ich ja wohl längst in irgendeinem düster stylischen Laden in der Innenstadt an irgendwelchen Zukunftsvision herumorakelt, statt Tag für Tag fettige Burgerpakete über die Ladentheke von Beef and Drive zu schieben. Und trotzdem fühlte ich mich wie ein Idiot, wie ein Riesenidiot, um genau zu sein, und Tatsumis zwanghaft ungerührter Blick machte es auch nicht besser.

"Sie brauchten einen Nachfolger für ihren Konzern", erklärte er ungewohnt knapp. "Weiß der Teufel, wie sie ausgerechnet auf mich gekommen sind. Na ja, mir soll's recht sein."

"Klingt aber nicht sonderlich begeistert", stellte ich fest, um wenigstens überhaupt irgendetwas sagen zu können. "Is doch nich übel, die Villa und alles und dann noch geschenkt..."

"Sofern sie mich nicht grad mal wieder in irgendein Eliteinternat abschieben, schon klar..." Tatsumi strich sich mit den Fingern durch sein blond gefärbtes Haar. "Aber was soll's, dort hält es mich sowieso nie sonderlich lange. Also tu mir bloß kein Unrecht - im Weglaufen war ich nämlich schon immer ziemlich gut. Von meinen Eltern, meinen Schulen, und hier wird's mich auch nicht mehr allzu lange halten."

"Aber wieso nicht?", protestierte ich, obwohl ich gar nicht mal so genau sagen konnte, weshalb. Ich war einfach immer noch ein bisschen aufgebracht und wütend, genau in der richtigen Stimmung für Prostest und Widerspruch eben, und ich gefiel mir ganz gut in der Rolle des pseudofürsorglichen Besserwissers, der die universelle und ewig gültige Wanderkarte durch sämtliche steinige und verschlungene Lebenspfade kompakt zusammengefaltet in der eigenen Hosentasche versteckt hielt. "Andere Leute wären vielleicht froh darüber, wenn sie in so nem Schloss und bei reichen Eltern und so weiter wohnen könnten. So viel Glück muss man erst mal haben und ich find das total cool von deinen Alten, weißt du das eigentlich?"

"Oh ja, wie barmherzig und uneigennützig sie doch sind, schon klar!" In der Stimme des Blondschopfes schwang fast so etwas ähnliches wie unterschwellige Wut mit, die ich allerdings nicht begreifen konnte. Aber wie denn auch? Versetzen Sie sich doch bitte mal kurz in meine Situation, und dann versuchen Sie, sich von meiner Situation aus in Tatsumis Situation zu versetzen. Nein, das ist wirklich nicht einfach. Und ja, es tut mir auch aufrichtig leid, dass ich dieses Gespräch hier so ungeschönt wiedergeben muss. Es ist nur so... vielleicht geht es Ihnen ja am Ende doch wie mir, denn irgendwann im Laufe der Nacht habe ich etwas... habe ich sogar einiges verstanden, und das ist für die Gesamtsituation nicht ganz unbedeutend. Also seien Sie tapfer und lesen Sie weiter. Ich hoffe inständig, dass Sie es nicht bereuen werden.

"Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass es sehr viel Schlimmeres gibt als so ein Leben!", gab ich mit trotzig verschränkten Armen zurück. Immerhin wusste ich ja, wovon ich sprach, und ich hatte meiner Meinung nach auch sehr wohl das Recht, an diesem Punkt vielleicht etwas kindisch zu reagieren. Tatsumi schien das allerdings anders zu sehen, denn das Lächeln in seinem Gesicht wurde zunehmend kälter.

"Ach, tatsächlich? Gut, dass du's sagst, davon hatte ich ja noch überhaupt keine Ahnung!" Er sah mir direkt in die Augen, aber sein ganzes Gesicht erschien mir mittlerweile mehr wie eine Maske, in der ich überhaupt nichts mehr lesen konnte und, ehrlich gesagt, auch überhaupt nichts mehr lesen wollte. Ich hatte nun einmal beschlossen, mir selber leid zu tun, und diesen Beschluss hatte der Rest der Welt gefälligst auch zu akzeptieren! "Ich frag mich nur, wie du reagieren würdest, wenn plötzlich einfach irgendjemand ankommen und dein ganzes Leben verplanen würde. Die interessieren sich doch einen Scheiß für mich, solange sie nur irgendeinen Erben für ihre ach so tolle Firma auf dem Papier stehen haben!"

"Dann sag's ihnen halt, dass du keinen Bock auf so was hast!"

"Na toll, und wie? Wenn ja scheinbar jeder erwartet, dass ich ihnen vor lauter Dankbarkeit eigentlich permanent die Füße ablecken sollte?" Tatsumi rollte mit den Augen. "Noch ein Jahr Schule und dann bin ich so oder so irgendwie weg. Der Rest wird sich ergeben."

"Ja, aber... was ist mit deinen Freunden hier?"

"Also, da bin ich ohne die ja wohl wirklich besser dran!" Der Blondschopf ließ seinen Kopf in den Nacken sinken und schloss resigniert seufzend die Augen. "Weißt du eigentlich, wie anstrengend es ist, ausschließlich von Leuten umgeben zu sein, die dir in Punkto Intelligenz und Aussehen meilenweit unterlegen sind?"

Ich runzelte die Stirn, was Tatsumi aber leider nicht sehen konnte.

"Tatsumi - bescheiden wie immer..."

"Aber hey, es ist doch! Schau dir mal sie an und dann schau dir mich an. Soll ich jetzt hier krampfhaft einen auf Understatement machen oder wie? Ich sehe besser aus als sie. Ich kann mich besser anziehen als sie. Ich habe bessere Noten als sie. Und ich bin reich. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie schwer es da fällt, nicht ständig einen auf arrogant zu machen? So zu tun, als würde man nicht auf sie herabblicken?"

"Wie sehr du dich auch immer anstrengen magst", entgegnete ich trocken, "es scheint dir jedenfalls nicht zu gelingen."

"Ich weiß!" Tatsumi seufzte, und ich wusste beim besten Willen nicht, was ich von dieser fürchterlicherweise auch noch wirklich aufrichtig wirkenden Zerknirschtheit zu halten hatte. "Aber ich kann nicht anders, wenn ich sie mir so ansehe... oder ihnen zuhöre. Natürlich sagen sie nichts, aber merken tun sie es trotzdem. Sie reden mit mir auch nie genau so wie untereinander. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man das wirklich als Freundschaft bezeichnen kann."

"Na, deine Probleme möchte ich haben!"

"Das glaub ich dir nicht, Jessie!" Er wandte seinen Blick wieder in meine Richtung, und da fühlte ich mich ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung schlecht. Es war ein bisschen so, wie wenn man sich in irgendeiner Diskussion in einen Standpunkt verrennt und dann irgendwann einfach nicht mehr umkehren kann, obwohl man eigentlich längst begriffen hat, dass der andere eigentlich von Anfang an im Recht war. Da saß ich nun also, mit meiner bockigen Miene und einem ganzen Repertoire dieser unerträglich moralischen Sprüche auf den Lippen, die ich bei jedem anderen doch immer so sehr gehasst und verabscheut hatte, und spielte mich auf wie der vom Schicksal verlassenste Mensch in der ganzen Galaxis.

Wie um mich selbst zu geißeln ließ ich meinen Blick in Richtung von Tatsumis Narben sinken und schwieg, weil ich mich zu versöhnlichen Worten einfach nicht befähigt fühlte.

"Aber weißt du, dass ich genau das an dir so umwerfend finde?", fügte er genau in diesem Moment in perfektem Aufreißertonfall hinzu, wie um mich gewaltsam aus meinem neu entdeckten Jammertal der aufrichtigen Reue zu reißen. Ich konnte mich tatsächlich zu einem drohenden Blick aufraffen, wofür ich mich übrigens zutiefst bewunderte. "Bei dir hatte ich noch nie das Gefühl, dass du zu mir oder zu irgendeinem anderen Menschen aufblickst. Ich fühle mich dir nicht einmal überlegen, und das", verkündete er strahlend, "finde ich großartig!"

"Das merk ich auch jedes Mal, wenn du mir auf meinen Hintern gaffst", gab ich in ganz besonders zickigem Tonfall zurück und streckte Tatsumi die Zunge heraus. "Aber apropos Vorlieben, was ist denn eigentlich mit deiner Band? Ich meine... was sollte die denn bitteschön ohne ihren großartigen, unvergleichlich gut aussehenden, intelligenten und begabten Gitarristen machen? Massenselbstmord begehen?"

"Wir könnten ja auch einfach mit der Band zusammen durchbrennen. Dann ziehen wir durch die Lande und werden unermesslich reich und berühmt!"

"Was heißt hier bitte wir? Das ist deine Band!"

"Keine Ahnung..." Tatsumi zuckte mit den Schultern und schenkte mir ein unschuldiges Blinzeln. "Wir könnten für dich ein paar weibliche Vocalparts in die Lieder einbauen. Oder du ziehst dich neben uns auf der Bühne aus, verrenkst dich an einer Stange und beschmierst deinen Körper mit Schlagsahne, während wir spielen. Würd uns bestimmt ne Menge neuer Fans bringen!"

"Du bist so ein..."

Ich gab ein wütendes Schnauben von mir, aber als ich dann das spöttische Blitzen in Tatsumis schwarzen Augen bemerkte, konnte ich einfach nicht anders als zu lachen.

"Weißt du was, Tatsumi?", verbesserte ich mich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen. "Wenn du dir nicht immer so wahnsinnig große Mühe geben würdest, ein Arschloch zu sein, wärst du eigentlich gar nicht mal so verkehrt."

Tatsumi lächelte, und beinahe noch im selben Moment bemerkte ich, dass sich der Himmel draußen vor dem Fenster verändert hatte. Die Welt war nicht mehr länger schwarz oder schwarzblau, sondern merkwürdig grau, und irgendwo hinter den Häusern der Stadt lag ein Hauch von Rotviolett in den Wolken. Der Morgen war nun tatsächlich angebrochen und ich fühlte mich kein bisschen müde und auch gar nicht mehr so wütend oder leidend oder reumütig wie noch vor wenigen Minuten.

Ich konnte ja auch nicht ahnen, dass die Ereignisse der nun folgenden vierundzwanzig Stunden mein Leben komplett auf den Kopf stellen würden. Ich hatte in dieser Nacht nicht eine einzige Minute lang geschlafen. Ich war in meiner schwärzesten Stunde von einem hektisch vorbeiflatternden Chaosengel errettet worden. Ich hatte die Finalrunde des Lucky Karma-Schönheitswettbewerbes erreicht und ich hatte obendrein nie geahnte Einblicke in Tatsumis merkwürdiges Innenleben gewonnen. Aber das alles war nur der Anfang dessen, was noch kommen sollte.

Vor mir lag der erste Tag der wohl verwirrendsten, ereignisreichsten, unbeschwertesten und vielleicht auch schönsten Zeit meines ganzen Lebens.
 

Fortsetzung folgt!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2005-08-27T15:08:34+00:00 27.08.2005 17:08
*reinschleich*
*umseh*
*dann vor dir unterwürfig auf Knie fall und dir ne Peitsche in die Hand drück*
Bitte, nimm sie und mach mit - und mir - was du willst, nur verzeih mir, dass ich es mal wieder so plakativ verpennt habe, dieses Meisterwerk zu würdigen.
Ernsthaft, gomen nasai! Ich meine, klar, ich konnte deine Mail erst letzte Woche lesen, aber trotzdem, Predelection MUSS man doch sofort komentieren und lesen und überhaupt und..ahhhh............nochmal, es tut mir leid.
*strauss schwarzer Rosen überreich*
So, nichtsdestotrotz will ich mein Versäumnis natürlich nachholen, wäre ja auch sonst etwas sehr......unsinnig, ein solches Drama abzuspielen und dann postwendend wieder zu verduften.....*drop*
Also, zuallerets einmal, es war für mich ganz ehrlich eine Riesenüberraschung dieses Mail zu bekommen. Wie gesagt, als ich letzte Woche das erste Mal wieder im Internet war, hab ich natürlich sofort alle wichtigen Seiten einmal abgeklappert um Schadensbegrenzung zu betreiben und eine dieser Seiten war web.de.........dort wurde ich dann erstmal von über hundert Mails erschlagen, von denen sich aber gut siebzig Prozent als Spams oder Werbemails enttarnt haben...........-__-........als ich dann aber bei Freunde & und Bekannte nachsah, sah ich dann zwei Mails von dir und war kurz verwirrt,da wir beide uns ja sonst eher über GBE oder Telegram oder halt RPG unterhalten...........und als ichd ann nachsah und dieses kleine Anlage unter der Mail sah..................hui..............ich hab mich so gefreut, Pred 5 zu sehen, dass ich vom Stuhl aufgesprungen bin und laut Strike! geschrieben hab.....Plus eine vage an Football erinnernde Geste, was meiner Mutter nur einen reichlich denkwürdigen und auch leicht ängstlichen Blick aberkennen konnte......naja^^.........die denken ja eh alle, ich sei meschugge........blöderweise konnte ich es dann nicht - wie geplant - sofort lesen, weil meine Eltern es plötzlich in den Kopf bekamen, die Wohnung umzustylen.........an sich ja nicht schlecht, ich mag Veränderungen in der Deko und so weiter ganz gern, aber komplette Umbauarbeiten im Wohnzimmer zwecks Umplanung der Grundarchitektur finde ich dann doch etwas übertrieben, und auf jeden Fall musste ich dann da erst mal bis spät abends mithelfen......aber am nächsten Morgen war es dann fällig und ich habs in einem Rutsch durchgelesen, wie immer^___^
Und wie immer...........war es einfach nur GEIL!!!! Geil hoch zehn!!! Geil de beaucoup................einfach nur genial!!!
Wobei, eines muss ich im vornherein loswerden, und bitte nicht lachen, dank dir hab ich einen neuen Lieblingsneogolismus: Also, aufpassen................Horrorfilmsoundtrack-Geigengeschrammel.......................*smile*.......​......Herrlich, ich liebe diesen Ausdruck, das Ding ist ja fast ne ganze Zeile lang........O.o............aber das ist ja nicht alles, die Storyline ist ja noch um Längen besser.
Auch, wenn jtzt, rein szenisch gesehen, nicht allzu viel passiert ist.
Zuerstmal der kleine Marathonlauf von Jessie.......der war so schön.............hektisch, chaotisch, verzweifelnd und schrecklich.........so richtig schön zum mitleiden....und deine ganze Sprachweise, so, von wegen, mit dem Leser interagieren - ich wusste natürlich, das ALLES UMSONST rauskam *stolz brust schwell*.........^^ - dasgefällt mir auch wahnsinnig gut, man fühlt sich gleich irgendwie involviert...und dann der Crash in die Mauer, schmerzhaft, aber dennoch nicht unlustig...........soll heißen, ich war immer am schwanken, zwischen sozial begründentem Mitleid mit Jessie aufgrund ihrer wirklich furchtbaren Situation und sadistisch fundierter Schadenfreude an ihrem Unglück, weil ich halt zu 50 % ein böser Mensch bin - nur 50..........O.o
Naja, anyway, Jessie hat es ja noch geschafft, zur Urteils- ähm, ich meine Gewinnerverkündung. Und auch da fand ich es einfach traumhaft wie du aus etwas an sich einfachem wie der Tatsache, dass sich das Publikum gelangweilt hat und deswegen in nervöse kleine Gespräche entbrennt, die eigentlich keinen Sinn haben, einen Umstand, den die meisten Autoren in nur einem Satz herabspielen, so eine unglaubliche Fülle an Text herbeidenken kannst und das auch noch auf so faszinierende und unterhaltsame Weise, und es stimmt auch noch haargenau!!^^
Dasgleiche gilt natürlich, dafür, dass Jessie als Letzte aufgerufen wurde - wann auch sonst??*smile*.........auf der einen Seite zittert man schon mit, aber auf der anderen Seite, die man aber verdängt^^, MUSS sie natürlich als Dritte kommen, wo wäre sonst die Spannung?
Das Beste, muss ich aber sagen, war der Schluss, also das Gespräch mit Tatsumi...........Ich fand das sehr........aufklährend, denn ganz ehrlich, ich mochte Tatsumi vorher nicht so recht.......zumindest nicht so wie den Chaosengel, der so hilfreich den armen High Heel verarztet hat^^, aber nach diesem Kapitel mag ich ihn doch etwas.....er ist halt ein misshandelter Chara, und die haben bei mir automatisch sympathiewert..........*schäm*......vor allem, die Narben, wohl ein kleiner Tick von dir....*wuschel*......auf jeden Fall kann ich jetzt sagen, dass ich soviele Dinge wissen will, dass ich eigentlich platzen müsste............Ich will wissen, wie es jetzt mit Jessie weitergeht, wie genau Tatsmis Kindheit war bzw. woher genau die Narben kommen bis hin zu der Frage, ob der Chaosengel noch mal auftaucht..........*den gern hab*^^........also, setz dich ans Tastatürchen und schreib.........bitte*fleh*..............du darfst mich auch auspeitschen...........^__^
Also, damit verbleibe ich dann mal und hoffe, dass es bald neues gibt von Jessie Maguire......du bist großartig und deine Storys sind es auch.........also, man schreibt sich......byebye...........^^
*knüll*
sincerely yours,
Chris
Von:  TiaChan
2005-08-15T08:38:15+00:00 15.08.2005 10:38
So, also nochmal. ^^; Eigentlich habe ich ja noch vor der AnimagiC den Kampf gegen meine Freizeit aufgenommen und PredElection weitergelesen, aber unser liebes animexx musste meinen Kommentar kurz nach der Ani ja verschlingen ohne mir die Gelegenheit zu geben, ihn vorher zu speichern. Danke an dieser Stelle, ich mag dich auch animexx. (*drop* Das Schlimme ist, dass das tatsächlich eine meiner Lieblingsseiten im Net ist -.-)
Naja, aber darum geht es gerade nicht - sondern um PredElection. ^_^
Nachdem ich also die zu bekämpfende Freizeit gefunden hatte, stellte ich - angenehm überrascht - fest, dass ich's dank Abi geschafft habe, noch ein Kapitel zu verpassen, sodass ich nun ganze zwei zu lesen hatte. ^^ Deswegen schreibe ich an dieser Stelle einen Kommentar für beide zusammen. ^.^

Zu dem bis jetzt vorletzten Kapitel habe ich dir ja schon ein bisschen etwas gesagt - das mit dem Phänomen eines X-Mangas. Dadurch, dass in dem ganzen Kapitel nur ca. 15 Minuten beschrieben werden - eben die Zeit, wo er auf dem Baum eingesperrt ist, plus ein bisschen davor und ein bisschen danach - geht meiner Meinung nach die Spannung etwas verloren. (Und das Kapitel danach, das eigentlich viel kürzer ist, erschien mir sogar als länger, weil da eben mehr passiert.) Allerdings hat auch das eine gewisse Wirkung. An der Stelle, wo er endlich draußen ist, hat man schon fast das Gefühl, einen kleinen Zug frischer Luft zu fühlen. (Hatte ich wirkhlich!) Und schließlich, in dem darauffolgenden Kapitel, hätte ich wirklich nicht gedacht, dass er's noch geschafft hat. Ok, irgendwo würde da der Sinn der FF verloren gehen, aber ich dachte mir, bei Yu-chan weiß man wirklich nie, was als nächstes passiert, und vielleicht hätte es im Endeffekt einen Sinn gehabt, wenn er da zu spät gekommen wäre. Und dadurch glaubt man das doch irgendwie ^^;
Außerdem will ich diesen Schreibstil - vor allem den dieser bestimmten FF hier - wirklich nicht dafür kritisieren, dass du (oder Jessy) manchmal etwas vom Thema abschweif(s)t. Ich finde das eigentlich toll! Ich hab's ja schon mal erwähnt, dass mich der Stil dieser FF ein klein bisschen an meine eigenen Briefe/Mails erinnert. Das muss ein Grund dafür sein. Ich schweife ja selbst immer wieder vom Thema ab und hab dann auch noch schlechtes Gewissen, wenn ich daran denke, dass der Empfänger mehr Zeit dafür braucht, um den Brief / die E-Mail zu lesen und gegebenenfalls auch um sie zurückzuschreiben ^^;; Wenn ich so etwas dagegen in einem Buch oder eben in einer Fan Fiction lese, bin ich meistens begeistert. (Das ist zum Beispiel der Grund, warum ich die Bücher von Haruki Murakami teilweise einfach liebe ^-^) Und bei deinen FFs - vor allem, wie schon mehrfach erwähnt, bei dieser hier - finde ich's auch einfach nur toll. =^__^=

Was ich auch schreiben sollte: Ich fand diese eine Stelle besonders lustig (*kopier*): "Das Madchen Ihrer Traume, mit dem Sie wohl noch die gesamten vergangenen Stunden vor samtlichen Freunden lautstark angegeben haben. Ja, genau das haben Sie gemacht, leugnen ist zwecklos. Vergessen Sie nicht - Sie sind Tatsumi!" Das ist irgendwo... als würdest du eine Bank überfallen, mir die Tasche mit dem Geld in die Hände drücken und dann die Polizei rufen. ^^; Ok, nicht so extrem, aber ich finde den Vergleich wirklich ganz gut. Zuerst "Stellen Sie sich mal vor, Sie sind Tatsumi" und dann "geben Sie's zu, Sie sind schließlich Tatsumi!". ^^;; Ich find's wirklich witzig.

Zu Tatsumi erfährt man wiederum im bis jetzt letzten Kapitel etwas Neues. Ich hätte so was wirklich nicht erwartet. Ich habe mich zwar schon die ganze Zeit gefragt, warum du ihm den Namen eines deiner (und übrigens auch meiner) Manga-Lieblingscharas gegeben hast, aber bis jetzt konnte ich's wirklich nicht verstehen. Jetzt hat der Chara genug an Sympathie gewonnen um das verstehen zu können.

So, zum Schluss noch - Wer ist die Gestalt mit dem Kleber am Ende des bis jetzt vorletzten Kapitels? Zu der wollte ich zuerst auch was schreiben... was mir dann jedoch noch in der Geschichte vorweggenommen wurde, oder zumindest vorübergehend vorweggenommen - deswegen schreibe ich's erst nachdem ich's besser weiß. ^-^;;
Waaaaah! *mit den Armen wedel* Ich will schon wieder weiterleeeeeeseeeeeeen! ^^; Ich weiß, ich finde auch jetzt in den Ferien nicht wirklich viel Zeit für deine FanFictions, aber das liegt keinesfalls an mangelndem Interesse!! Ich hoffe wirklich, du denkst das nicht! Ich finde deine FFs nach wie vor einfach nur genial und lese sie sehr gern, aber ich habe auch in diesen Ferien kaum Zeit für Mangas, Bücher und eben auch FFs. Ich möchte (und muss teilweise..) einfach soooooo viel machen - der Stress mit der Uni, der Urlaub, der Ani-Stress, Chyotto Mahou, dann will ich auch noch selbst etwas zeichnen, und ich sollte Briefe schreiben, und Videospiele wollte ich auch wieder machen..... deswegen habe ich für alles ziemlich wenig Zeit. Aber ab und zu finde ich Zeit für jedes der Hobbies und bin sehr froh darüber. ^__^

Also, auch wenn ich nichts über den Zeitpunkt versprechen kann, die nächsten Kommentare folgen noch! ^.~


miauta ne,
tía =^.^=
Von:  Account22134
2005-07-22T21:46:33+00:00 22.07.2005 23:46
Wie immer SUPER, weiter so! Freu mich schon auf das nächste Pitel.

Tschüßi Hades


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