Zum Inhalt der Seite

Jenseits des Glaubens

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Erstes Buch: Auferstehung

Es war tiefste Nacht als nackte Füße über die kühlen Steine des Bodens huschten. Der Gang war lang und dunkel. Der Stein schien die Kühle der Nacht wiederzugeben. Doch Jener, der die Stille der Nacht störte, mit einer Kerze in der Hand die Dunkelheit erhellte, kümmerte sich nicht darum. Er konnte nicht schlafen, seine Seele war ruhelos. Zu aufgeregt war er gewesen, nun endlich wieder an jenen Ort zurückzukehren, den er vor so langer Zeit hatte verlassen müssen...

Godric war erst seit einer Woche ins Kloster seiner Familie zurückgekehrt. Das Kloster war nicht klein, sondern riesig. Es bestand aus einem Haupthaus, in dem gebetet wurde und vielen kleineren Hütten, die verteilt um den Haupttrakt waren. Abseits gab es einen Schrein und einige Hallen, in denen Kampfkünste und viele andere Fertigkeiten unterrichtet wurden. Alles verbunden durch lange Gänge aus Stein. Schier endlose und verschlungene Gänge, wie der junge Mann fand. Godric war seit fünfzehn Jahren nicht mehr Zuhause gewesen, da er zum Pater ausgebildet worden war. Er hatte sein Gelübde abgelegt keusch und nur für Gott zu leben. Seinem Glauben und seinem Wort zu folgen, allen Sünden zu widerstehen. Dazu gehörten Sünden wie Sex, unkeusche Gedanken, das verzehren von Fleisch, Gotteslästerung, Mord, Fluchen und noch viel mehr. Auch sich gegen dunkle Geschöpfe und Versucher zu behaupten gehörte dazu. Als der junge Pater in seiner Ausbildung das erste Mal davon gehört hatte, konnte er seinen Ohren nicht trauen. Doch er lernte schnell, dass die Welt nicht nur aus dem bestand, was er mit bloßem Auge sah. Dunkle Geschöpfe gab es nicht wenige und doch war kein Pater, Mönch und auch keine Nonne wehrlos gegen diese. Sie wehrten sich nur, griffen aber niemanden von sich aus an. Es zählte nicht zum Mord, wenn man den dunklen Geschöpfen durch Verteidigung und Gebete, den Weg ebnete, in ein besseres Leben . So war dieses Kloster doch dafür bekannt Männer hervor zu bringen, die dies beherrschten.
 

So auch Godric. Er hatte seine Weihe erhalten und war nun Würdig der Abt dieser Einrichtung zu sein. Er hatte viel gelernt und wusste, dass er dies alles auch brauchte. Er trug immer sein Schwarzes Gewand mit einem geweihten Kreuz um dem Hals. An seinem Finger war ein Ring. Der einzige Schmuck, den er tragen durfte, da es der Familienring war und Godric als obersten Pater und Abt des Klosters auszeichnete. Es war nicht irgendein Schmuckstück. Es war der heilige Schmuck Amons, dem Begründer dieses Klosters. Ein mächtiger Ring, nach dessen Kraft viele begehrten, aber niemals besitzen konnten. Er suchte sich selbst seinen Besitzer, einen Nachfahren Amon's und hatte er dies getan, färbten sich beim Anlegen dieses Ringes die Haare blau wie der Himmel und die Augen so tiefblau wie Wasser. Egal was deren ursprüngliche Farbe war. Es waren die Farben des ersten Talin, Amon. Der Ring konnte erst wieder vom Finger genommen werden, wenn der Auserwählte starb, was geschah, sobald sein Nachfolger auf die Welt kam, da es nur einen Heiligen geben durfte. So wuchs auch Godric ohne Vater auf, hatte jedoch auch die Mutter früh verloren. Er konnte sich nicht an sie Erinnern. Der ehemalige Abt, der Schüler von Godrics Vater, hatte das damals kleine Baby aufgenommen und ihn aufgezogen. Gemäß dem Wunsch der Talin.
 

Außer des Schmuckes besaß Godric keinen Reichtum. Niemand in diesem Kloster hatte welchen. Die Zimmer waren, außer eines Bettes, eines Schranks für die Roben und Gewänder und einen Tisch samt Stuhl und einer Lampe, leer. Es wurde nach den Regeln des Verzichts und der Demut gelebt und nicht der Verschwendung nachgegeben. Man hatte nur das, was man zum Leben brauchte. Nicht mehr und nicht weniger.

Da Godric diese Nacht jedoch nicht schlafen konnte, hatte er sich vorgenommen, die Gänge, die er zuletzt vor fünfzehn Jahren erkundet hatte, neu zu erforschen. Sich wieder mit allem vertraut zu machen. In einer Hand hielt er eine Kerze. In diesem Kloster gab es keine Elektrizität. Nur den Luxus von fließend Wasser und damit verbundenen sanitären Einrichtungen hatten sich die Mönche gegönnt, der Hygiene wegen. So fortschrittlich wollte man dann doch sein, um Krankheiten vorzubeugen.
 

Gemächlich ging der Blauhaarige die Gänge entlang. So vieles hatte er vergessen und an vieles mehr wollte er sich wieder erinnern. Zum Beispiel auch wie es wieder zurück ging. Denn selbst ein auserwählter Pater war nicht davor geschützt sich zu verlaufen, so wie es ihm passiert war. Wollte er doch nur diesen Teil erkunden, da er in der Woche, in der er hier war, nie dazu kam. Es gab nichts, was er hatte in diesem Teil des Klosters erledigen müssen. Dieser Trakt war auch etwas Abseits in den Berg gebaut. So als wäre es Absicht gewesen. An dem Boden, den Wänden, Ecken und Säulen, welche für den Außengang waren, konnte man sehen, dass dieser Trakt lange nicht mehr benutzt wurde. Die tägliche Arbeit eines Mönches, bei der auch Godric sich nicht ausschließen durfte, war das Kloster rein zu halten wie es auf einer Tafel im Hauptgang stand. 'Halte deine Seele und deine Umgebung rein!' Selbst Godric, als höchster Pater, konnte sich nicht vor der Putzarbeit drücken, musste aber wenigstens nicht so viel machen wie seine Mönche. So war ihm das Zubereiten der Speisen, die Küchenarbeit und die grobe Hausarbeit und Wäsche doch erspart geblieben. Er hatte dafür zu Sorgen, dass die heiligen Schriften Ordnungsgemäß gelagert waren in dem Archiv, da kein anderer außer den Talin Zutritt hatten. Dies war hingegen der Hausarbeit, keine weniger schwere Arbeit. So streckte sich das unterirdische, über Jahrtausende bestehende, Familienarchiv doch über eine weite Strecke. Das Kloster selbst war mehr als zweitausend Jahre alt und so hatte jede Generation an Pater weitere Schriften verfasst und zugefügt. Da kam am Ende einiges auf den nun amtierenden Pater zu, auch weil er eigentlich alles lesen sollte, um das Wissen der alten Generationen nutzen zu können. Doch selbst nach fünfzehn Jahren hatte er nicht einmal einen kleinen Teil des Archivs durchlesen können und hatte für seine Ausbildung nur bestimmte Schriften herauspicken lassen können. Sein Glück war, dass die vorherigen Generationen sauber gearbeitet hatten. Jedes Buch, jede Schriftrolle, jedes noch so kleine Papierstück, war geordnet und unter Stichwörtern einsortiert in einem Regal. So konnte man schnell etwas finden, wenn man von der Menge an Stichwörtern einmal absah...
 

Daran wollte Godric jedoch nicht denken. Er hatte sich nach seiner Ankunft eine Lektüre aus dem Archiv geholt, welche sein Interesse geweckt hatte. Eine Geschichte über seinen Vorfahr Amon. Denn dieser wurde, entgegen aller Heiligkeit, die dieser Platz ausstrahlte und für die er Stand, als dunkler Pater betitelt und der Name Amon, der in der Bibel ein wenige göttlicher Name war, verbesserte den Umstand nicht wirklich. Godric wollte den Grund erfahren, hatte auf Antworten in dem Buch gehofft, welches in irgend einer Generation von einem Nachfahr Amons verfasst worden war. Doch zum Lesen kam er noch nicht.
 

Ein Seufzen kam über die Lippen des Paters. „Verlaufen...“, sinnierte er über seine Lage. Das war doch weniger heilig, hatte sich Godric gedacht und lachte über sich selbst. Ein toller Heiliger war er, sich im eigenen Kloster zu verlaufen. Ob das wohl einem seiner Vorfahren auch passiert war? Er kannte jedenfalls keinen. Hätte er doch eine Karte mitgenommen, oder einfach den Mönch gefragt, den er noch vor zwei Stunden gesehen hatte, aber nicht hatte Fragen wollen. Diese Gedanken ließen ihn erneut seufzen. Er wollte nicht wirklich offen zugeben, sich verlaufen zu haben. In der ersten Woche hatte er sich gewünscht so wenig wie Möglich falsch zu machen. Nun war er in einer doch etwas dringlichen Situation. Insgesamt drei Stunden hatte er das Kloster schon inspiziert, seit zwei Stunden sich verlaufen und seit einer Stunde fragte er sich, ob er nicht die ganze Zeit um Kreis lief. Godric hätte geflucht, wenn ihm sein Selbst nicht im Weg gestanden wäre. Seit seiner Weihe zum Abt verbat er es sich, doch selbst davor hatte er nur selten davon Gebrauch gemacht. Konnte es auch daran liegen, dass der Abt damals nicht gerade erfreut war, wenn Godric solche Wörter gebraucht hatte.
 

Nach all der Zeit des Laufens entdeckte Godric eine Treppe die in einen Keller führte. Er entschloss sich einen Moment ruhe zu gönnen, da seine Füße doch nun schon ziemlich kalt waren und anfingen zu schmerzen. „Nur ein wenig Ausruhen, dann werde ich sicher wieder einen klaren Kopf haben und aus meiner Lage herauskommen.“, dachte sich der Verlaufene und sank die Augenlider, spürte wie seine Gliedmaßen dankbar über die kleine Ruhe waren. Erschöpft lehnte er sich gegen die steinerne Mauer und schloss ganz die Augen. Sein Atem ging ruhig und er schien sich zu entspannen. In diesem Moment der Ruhe fühlte sich Godric unglaublich wohl. Lange war er nicht mehr so Dankbar über ein wenig Pause wie jetzt. Er hatte die nackten Füße kurz aneinander gerieben, dann aufeinander gelegt in der Hoffnung es würde etwas Wärmer werden. Da der Gang außen war und somit an einer Seite offen. Der Nachtwind blies unbarmherzig in den Gang. Zwar war es Sommer doch nur mit einer bis zur Hüfte gehenden Mauer und Säulen, welche Mauer und Decke miteinander verbanden, gaben Windschutz. Da das Kloster so weit oben auf dem Berg war, waren selbst so manche Sommernächte etwas kühler.
 

Leicht wiegten die blauen Strähnen im sommerlichen Wind und kitzelten die Nase des verlorenen Paters der nur einen müden Laut von sich gab. „Mhm~“ Es war schon spät und selbst, der noch vor kurzem, schlaflose Godric konnte sich der Müdigkeit nach einem dreistündigem Marsch durch das Kloster, auf der Suche nach einem vertrauten Gang, um wieder in das eigene Zimmer zu gelangen, nicht verwehren. Die Augen geschlossen und gemütlich an der Wand lehnend, wäre er Beinahe eingeschlafen, wenn die Kerze ihn nicht geweckt hätte. Da der Pater drohte in den Schlaf abzusinken, hatte er die in der Hand befindlichen Kerze, leicht schief gehalten. Das Wachs, welches vorher noch auf dem kleinen Kerzenteller lief, verteilte sich nun auf der Handoberfläche. Ruckartig setzte sich Godric auf, war wieder erwacht durch den leichten Schmerz und hielt die Kerze nun wieder gerade. „Au...“, murmelte er und stellte den Kerzenteller, samt Kerze, an die Seite und begann damit das Wachs von seiner Hand zu kratzen. Die Haut war darunter leicht rötlich geworden was den Pater erneut kurz seufzen ließ. Doch er war weder wütend, noch verstimmt. Er sah es als Positiv an, da das Wachs ihn davor gerettet hatte, nicht einfach auf der Treppe einzuschlafen.
 

Nur kurz ergab sich der junge Pater dem herzhaften Gähnen, erhob sich dann. Er wollte einen Weg zurück finden, hatte sich nicht träumen lassen mit seinen jungen Jahren, dreiundzwanzig an der Zahl, wie ein alter Greis einfach einzuschlafen. Er wollte sich abwenden, als auf einmal etwas ihn in seinem Tun stoppte. Sein Blick folgte den Treppen, die in den Keller führten. Unterirdische Kellergewölbe die sich, wozu das Familienarchiv gehörte, weit unter dem Kloster erstreckten. Godric hielt inne und hatte den Blick gebannt auf den immer dunkler werdenden Weg nach unten gerichtet. Er hatten nicht gedacht das auch hier, in diesen verlassenen Räumlichkeiten, ein Weg in die Kellergewölbe führte. Ein Schlucken durchbrach die Stille. Godric hatte das Gefühl, dieser Weg in den Keller würde an Dunkelheit zunehmen. Natürlich versuchte er sich einzureden, dass dies nur durch die Nacht kommen konnte. War er doch hier zu Zeiten noch auf den Beinen, an dem jeder fromme Mensch schon im tiefen Schlaf versunken war. Doch Godric war wach und stand auf der ersten Treppenstufe, Richtung dunklem Keller. Als kleines Kind hatte er Angst gehabt, fürchterliche Angst. Nicht einmal das Familienarchiv konnte er betreten, da die herrschende Dunkelheit in den Kellern ihm die Furcht in den Leib trieb. Der ehemalige Abt hatte jedes Mal die Ehre gehabt in den heiligen Archiven die nötigen Unterlagen aufzufinden und sie dem Unterricht beizufügen. Godric hatte bei dem Betreten der Kellerräume stets ein seltsames Gefühl gehabt. Ein Gefühl, welches ihm Gänsehaut bescherte. Glaubte er, dass die Dunkelheit des Kellers selbst langsam seine Füße ergriff und langsam den jungen Leib hinaufkroch. Er fühlte eine Kälte in diesen Räumlichkeiten, die er selbst im Winter nie gespürt hatte. Weder im Kloster, noch an jenem Ort, wo er seine fünfzehnjährige Ausbildung abgeschlossen hatte. Nur dieser Keller... War Godric nun doch als ehrbarer Pater und Schriftgelehrter zurückgekehrt. Hatte großes Wissen über Riten, Magie, Geschichte. Ein gefestigter Mann. Doch nun, im Angesicht dieses Kellers, war nichts mehr davon übrig. Erneut spürte Godric diese Kälte, dieses seltsame Gefühl in sich hochsteigen. Als würde es ihn übernehmen wollen und seine Seele in die Schwärze tauchen. Der damalige Abt hatte selbst zu seinen Lebzeiten ihm verboten zu jenen Kellerräumen zu gehen, die verlassen waren. Jene Räume, um die sich wilde Geschichten rankten. Jedes Kloster hatte wohl so eine Geschichte, dachte sich Godric damals. Verfluchte, verlassene Räume. Geistergeschichten. Dennoch! Godric hatte getan, was der Abt ihm damals befohlen hatte. Seine Angst vor jenen Räumen war selbst zu groß um den Anweisungen nicht Folge zu leisten. Doch nun, so viele Jahre später, stand Godric am Eingang jener Räume die er vergessen hatte und als Kind nicht betreten sollte. Jene Räume die ihm damals einen Schauer über den Rücken jagten, jene die es heute noch taten. Im Schein des Vollmondes stand der erwachsen gewordene Godric auf der ersten Stufe der Treppe, welche in diese Räume führte. Er stand im Licht, während der Schein des Vollmondes nicht einmal die restlichen Stufen mehr erreichen konnte. Es war, als würde die Dunkelheit dem Vollmond verbieten, sein Licht auszubreiten und jenes zu enttarnen was von der Dunkelheit verdeckt, gar beschützt wurde.

Wie gebannt stand Godric auf der Stufe, die zu seinen Kindheitsängsten führte. Erneut ein Schlucken. Seine Kehle fühlte sich trocken an, als hätte die Flüssigkeit seine Kehle seit Ewigkeiten nicht mehr mit Feuchtigkeit bedacht. Momente vergingen, dann schreckte er auf, ließ die Kerze fallen, welche die Treppen herunter rollte und hinter dem Torbogen des Kellereinganges zum stehen kam. Die Flamme war erloschen und nur noch der Schein des Mondes schien Godric ein wenig Licht zu spenden.
 

Eine Krähe hatte sich auf das alte Mauerwerk gewagt und seine Anwesenheit verkündet. Dem jungen Pater war das Herz in sein schwarzes Gewand gerutscht. Hatte er Nachts mit allem gerechnet, doch nicht einen solchen Schrecken zu bekommen. Wie lange hatte er dort gestanden, um so in seiner Gedankenwelt versunken gewesen zu sein? Godrics Blick wandte sich zur Krähe die sich nicht gerührt hatte und weiterhin auf den Blauhaarigen sah. Ihre Blicke kreuzten sich. Die schwarzen Augen der Krähe verschlangen regelrecht den blauen Blick. Godric wusste nicht wieso, doch dieser Vogel, so klein er auch war, hatte etwas anziehendes auf ihn. Dennoch war es Godric nicht möglich sich zu bewegen. Ganz so, als wäre er im Bann des dunklen Blickes. Er weitete die Augen als die Krähe die Flügel ausstreckte und damit das Licht des Mondes brach, welches selbst das tiefschwarze Gefieder nicht erhellen konnte. Erneut ein Krächzen, während Godrics Blick gebannt auf dem Vogel lag. Als Kind hatte er viele Geschichten über Krähen gehört. Galten sie in einigen biblischen Texten als Vorbote und tierischer Begleiter der dunklen Geschöpfe. Zogen sie Menschen in den Bann, nur um ihnen dann die Augen herauszupicken. Diese Krähe hatte sich erhoben, jedoch nicht um dem jungen Pater das Augenlicht zu nehmen, sondern dem Mond entgegen zu fliegen. Als das stolze Tier seinen Flug begonnen hatte waren schwarze Federn, sanft wiegend im Wind, langsam zu Boden gefallen. Godric hatte der Krähe nachgesehen, stand selbst noch einige Momente, als diese sich seinem Blickfeld entzogen hatte, wie gebannt dort. Erst als ein kühler Wind die Federn erneut aufwirbelte schien auch er wieder in der Realität angekommen zu sein. Die letzten Zeugen des tierischen Besuches waren hinfort geweht worden und ließen den Hinterbliebenen zurück.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit gönnte sich Godric einen tiefen Atemzug. Hatte er das Gefühl gehabt in der ganzen Zeit keinen Atemzug von sich gegeben zu haben. So schnell wie möglich wollte er zurück in seine Kammer, da diese Begegnung ihm immer noch seltsam vorkam. Sein verlorenes Kerzenlicht gab ihm auch kein besseres Gefühl. Doch er musste sie holen, die Kerze und den dazugehörigen Kerzenteller. Godric wollte sie nicht zurück lassen, auch wenn es sich nur um normale Gebrauchsgegenstände handelte. Hatte der fromme Pater gelernt nichts zu verschwenden. Ein weiteres hartes Schlucken kam von ihm, dann aber ballte er seine Hände zu Fäusten. „Ich bin kein Kind mehr... Die Dunkelheit kann mir nichts anhaben. Das Licht ist erloschen, doch das Licht meines Herren begleitet mich! Ich brauche keine Angst vor einem Keller zu haben“, sprach Godric zu sich selbst, um sich Mut zu machen und besann sich auf das Vertrauen in seinem Herren. Ihn stets an der Hand zu haben und jedes Unglück nicht alleine bestreiten zu müssen.

Er nahm die zweite Stufe.
 

„Mein Herr ist immer bei mir... selbst in der dunkelsten Stunde. Mag ich ihn nicht sehen, doch spüren.“, redete er konzentriert weiter auf sich ein, als würde er ein Mantra aufsagen. Er nahm die weiteren Stufen und stand nun vor dem Torbogen. Ein riesiger, weißer Torbogen, der in den Keller führte. Mutig schritt Godric unter diesem hindurch, hatte das Gefühl, die Kälte hätte zugenommen. So schnell er konnte sammelte er die Kerze ein, blickte suchend nach dem Teller. Godric umarmte sich kurz selbst, schüttelte sich, da es ihn fröstelte. Er fragte sich, wie es auf einmal so kalt sein konnte und sah nach vorn. Der Keller war offen gestaltet. Der Bogen als Einlass, dann ein weiter Gang, welches Ende man nicht sehen konnte, da dieser von der Dunkelheit verschlungen wurde. In jener Dunkelheit blitzte etwas. Godric erkannte es mit Mühe. Es war der Kerzenteller. Weit war er in den dunklen Gang gerollt. Leicht biss er sich auf die Unterlippe. Sollte er ihn holen? Er durfte nichts zurücklassen. Es wäre entgegen aller Lehren, selbst wenn es nur ein kleiner Kerzenteller war. Doch es war entgegen seiner Art einfach alles liegen zu lassen. Eine Art, für die er sich selbst gerne gerade Ohrfeigen möchte. Mutigen Schrittes begab er sich in den Gang, wollte nur schnell den Teller holen und dann gehen. Lieber würde er draußen schlafen, als eine Sekunde mehr als nötig hier zu verweilen. Er nahm den letzten Schritt, hob den Kerzenteller wieder auf und wandte sich dem Ausgang zu, blieb aber plötzlich stehen. War es hier schon immer so dunkel? Godric sah die Hand vor Augen nicht mehr. War er wirklich so weit gelaufen für diesen kleinen Kerzenteller? Godric musterte den Gang und sah, dass dieser sich ein paar Schritte weiter teilte. Würde er nach Links gehen, so hatte er den groben Plan in Erinnerung, würde er bald zum Familienarchiv kommen. Von dort aus könnte er sicher wieder zum Haupthaus gelangen. Er neigte sich nach Links, wollte diesen Gang gehen, hielt jedoch inne und hatte den Kopf zur Seite gelegt. Sein Blick lag auf den Gang der Rechts verlief. Sollte er doch nun eigentlich seine Chance ergreifen, um doch noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, doch der rechte Gang übte eine ungeahnte Anziehung auf ihn aus. War er doch so dunkel und hatte eine seltsame Ausstrahlung. Die Worte des damaligen Abtes, diesen Teil nicht zu betreten, hämmerten in seinen Hinterkopf. Godric war kein Mann von Angst. Er vertraute auf sich und seinem Herren. Die kindlichen Ängste hatte er abgelegt, bis auf diese hier. Aus Godric war ein mutiger Abt geworden. Als Kind noch so schwach, war er nun trainiert und geübt im Umgang der heiligen Kampfkünste und des Wortes. Er sah die Welt nicht mehr mit den ängstlichen Augen eines Kindes, sondern mit den starken Blick eines Mannes.
 

 Doch dieser Gang übte eine Faszination aus, welcher die abgeklärte, erwachsene Seite ruhen und die kindliche, neugierige Seite erneut aufleben ließ.
 

Godric hatte sich von der sicheren Seite abgewandt und wagte den Schritt in den dunklen Gang. Eine Kerze als Lichtspender besaß er nicht mehr und Lichtschalter gab es nicht. Der einzige Ort, an dem es einen Hauch von Elektrizität gab, war die Küche. Darüber war er auch ziemlich froh, ebenso die anderen Bewohner. Mit einem Kühlschrank konnte das Essen nicht mehr schlecht werden. Der Umstand, dass es hier kein Licht gab, zwang den Pater jedoch nicht zur Rückkehr. Immer tiefer wagte er sich in die unbekannte, dunkle Welt. Vorsichtig hatte er die Hände an die Wände gelegt, um in der Dunkelheit wenigstes etwas Halt zu finden. Der Gang war nicht besonders breit, so dass dies problemlos möglich war. Zwei Kinder hatten gerade genug Platz, um nebeneinander zu laufen. Vorsichtig ließ Godric seine Fingerkuppen über die kalten Steine der Mauer huschen, welche sich alt und bröckelig anfühlte, als hätte sich lange niemand mehr darum gekümmert. Godric fragte sich nach dem Grund, da er nicht daran glaubte, dass die anderen Mönche genauso viel Angst hatten in dieses Kellergewölbe zu gehen wie er. Tat er es doch selbst als Überbleibsel seiner Kinderängste ab und wollte sich nun diesen stellen. Lag es an den mahnenden Worten des damaligen Abtes? Eine Antwort wollte ihm nicht einfallen, doch der Drang diesem Gang zu folgen war ohnehin größer als jede Antwort.
 

 Tiefer und tiefer in die Dunkelheit hinein
 

Wie lange er lief, gar in welche Richtung, oder wie lange es noch dauern würde anzukommen, wusste er nicht. Nur eines war ihm Gewiss: Er hatte eine lange Strecke zurück gelegt, so dass er sich fragte, ob dieser Gang gar selbst in den Berg hinein führte. Zwei Schritte weiter endeten die Mauern und Godrics Hände griffen ins Leere. Er sah auf, erkannte jedoch nichts. Die Dunkelheit erwies sich als hartnäckiger Begleiter des jungen Mannes. Eines konnte er jedoch sagen, dieser Raum, in dem er zu stehen schien, war riesig. Egal wie sehr er versuchte eine Mauer, eine Wand oder etwas anderes zu erhaschen, es war erfolglos. "Bin ich nun im Berg?", hatte sich Godric gefragt, da er es sich nicht anders erklären konnte. Ein so schmaler Gang, welcher so endlos schien und urplötzlich ein riesiger Raum. Bei diesem Gedanken musste er lachen. Wäre er im Berg, hieße es, dieser war hohl, oder wenigstens zu einem Teil. Natürlich kannte er Höhlen, die durch einen Berg führen konnten. Doch vom Keller eines Klosters aus? Unwahrscheinlich. Dennoch wusste er sich auch nicht diesen Ort zu erklären wo er war. Es war zu dunkel um etwas sehen zu können. Auch hören konnte man nichts. Als sei alles um ihn herum verstummt. Anfangs hatte Godric hin und wieder noch den Wind pfeifen gehört, doch je tiefer er kam, desto stiller wurde es. Ein Geruch stieg Godric in die Nase. Es roch alt. Die Luft war stickig, gar dünn. Es fiel ihm schwer zu atmen und der Geruch von Altem und Verwesung war ihm in die Nase gestiegen. Er schreckte zurück, fiel über seine eigenen Füße und landete hart auf den steinernen Boden. Der Boden ließ Godric hoffen, doch noch im Kloster zu sein. Der Geruch trieb Unbehagen in den jungen Leib. War hier ein Grab? Waren es gar Katakomben? Nichts ungewöhnliches für ein Kloster. Doch dieses Kloster begrub seine Leichen woanders. Ein riesiger Friedhof war tief im Wald versteckt. Jeder Mönch, der hier lebte, wurde dort begraben. Jeder Talin hatte seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof. In einem Mausoleum, welches zu Ehren Amons errichtet wurde im Zentrum des Friedhofes.
 

Nun wo er so weit gekommen war, wollte Godric nicht umkehren. Dies ließ sein Stolz nicht zu. Er wollte sich aufrichten, als sein Ring anfing aufzuleuchten. Verwirrt sah er zu seinem Finger herunter, führte ihn dann vor seine Augen. In all der Zeit, in den er den Ring hatte, seit er sich erinnern konnte, hatte er dies nicht getan. Es hatte ihn schockiert, doch selbst wenn er wollte, so konnte er den Ring nicht von seinem Finger bekommen. Da müsste er sich schon den ganzen Finger abschneiden. „Was ge-?“ Doch weiter kam er nicht, da hatte der Ring sich verselbstständigt. Wie durch Zauberhand zog der Ring an Godrics Hand und führte ihn den Weg entlang. Er konnte sich dem nicht entziehen. Die Kraft war so stark, selbst als er mit ganzer Kraft dagegen stemmte, wurde er mitgezogen wie ein kleines Kind an der Hand eines Erwachsenen. So entschied sich Godric keine Gegenwehr mehr zu leisten, war der Meinung, dass sein Herr vielleicht selbst ihn an der Hand nahm. Er wollte sich dem Zeichen nicht entziehen und als weitere Schritte gegangen wurden, hatte der Ring sein Leuchten verloren und wurde wieder normal. Verwirrt blinzelte Godric und fragte sich was dies zu bedeuten hatte, dachte er sei vielleicht doch auf der Treppe eingeschlafen und hatte nun den seltsamsten Traum seit Lebzeiten. Zeit für Verwunderung hatte er jedoch nicht. Urplötzlich wurde der Raum erhellt. Vor dem verwirrten Pater war ein riesiges Tor, knapp zwei Köpfe größer als er. Neben diesem hingen zwei Fackeln, die Feuer gefangen hatten und die Dunkelheit vertrieben. Es war jedoch kein gewöhnliches Feuer. In dem roten Feuer, war ein leichter Blaustich erkennbar. Godric wunderte sich über das, was sich ihm bot, fragte sich woher auf einmal diese Fackeln Feuer fingen. Dies war eindeutig nicht normal, empfand er. Besonders nicht bei dieser dünnen Luft. Jegliches Feuer wäre hier unten erloschen. Er musterte die Fackeln, wandte sich ab und erkannte, dass er Recht hatte mit seiner ersten Vermutung. Es war wirklich ein riesiger Raum. Während der steinerne Boden noch an den Keller des Klosters erinnerte, war das Deckengewölbe von anderer Beschaffenheit. „Wirklich... Eine Höhle??“ Auch wenn er es sich vorgestellt hatte, so hatte er nicht gedacht, dass diese der Wahrheit entsprach.
 

Sein Blick wanderte von der Decke zu dem Tor. Es sah aus wie ein altes, steinernes Tor. Dennoch hatte es etwas anderes. Das Tor war schwarz, wie die vorher herrschende Dunkelheit. Dies war nicht die einzige Besonderheit. In dem Tor waren verschiedene Symbole eingeritzt. Einige erkannte er als göttliche Symbole, andere wiederum waren ihm fremd, ebenso wie einige Schriftzeichen. Langsam, Stück für Stück, strich Godric über die Zeichen um sie besser zu erkennen. Eine unerkannte Faszination machte sich in ihm breit. Es war so als würde das Tor ihn magisch anziehen. Doch unter all dem Bekannten und Unbekannten konnte er lateinische Schriftzeichen entdecken. Sie waren etwas blass, so wie der Rest der Symbole, doch bei näherer Betrachtung noch deutlich lesbar.
 

 Qui ad hoc sanctum imo cognitionem facit animam. Qui ad hoc sanctum tenebras faciens scire.  Qui ad hoc sanctum peccare, ne forte resipiscant et ad regendum mundum.

Amon 
 

Überrascht sah Godric auf. Es war von seinem Vorfahr persönlich! Für einen Moment hielt er inne. Natürlich gehörte auch Latein zu seiner Ausbildung, nur dass er die tote Sprache nicht so oft benutzte. Einzig alleine, wenn er die Dokumente aus dem Archiv hatte lesen müssen. Diese waren ausnahmslos alle auf Latein. So hatte Godric im Kopf übersetzt.

 

Wer diese heilige Stätte betritt, macht Bekanntschaft mit den Abgründen seiner Seele. Wer diese heilige Stätte betritt, macht Bekanntschaft mit der Dunkelheit. Wer diese heilige Stätte betritt, sollte umkehren und den Sünden keine Chance geben, erneut über diese Welt zu herrschen.

 Amon 

 

"Ein Sünder!", kam es schockiert und er und musterte das Tor erneut. Nun ergaben alle diese Symbole einen Sinn. Schützende Schriften, warnende Symbole, die zur Umkehr bewegen sollten. Ein Bann, welcher auf das Tor gesprochen wurde und einen am Durchgang hindern sollte. Mit einem Sünder dieser Art wollte Godric nichts zu tun haben. Sein Vorfahr wird einen Grund gehabt haben, diesen Sünder hier beerdigt und verbannt zu haben und nicht wie üblich auf dem Friedhof zu beerdigen, dachte er sich. Gerade wollte er kehrt machen, als erneut, wenn auch nur ein Bruchteil einer Sekunde, sein Ring aufblitzte. Der blaue Stein. Er schien im Schein des leicht bläulich wirkenden Feuers, erneut aufgeleuchtet zu haben. War dies wirklich nur ein einfacher Ring? Natürlich war ihm schon vorher klar, dass dieser hier wohl Magie besaß, auch wenn es absurd klang. Anders konnte er sich die blauen Haare und Augen nicht erklären, die er bekommen hatte, nachdem er den Ring angelegt hatte. Ebenso, dass dieser nie wieder abging und das schon seit gut einundzwanzig Jahren.
 

Leicht legte er die Hände auf das schwarze Tor, bemerkte wie das Feuer der Fackeln nach ihm züngelte. Amon hatte hier etwas verbannt, war es nun an ihn diesen Bann zu erneuern? Hatte sein Herr ihn hier her geschickt um dies zu tun? Eine andere Antwort fand Godric nicht und so öffnete er das Tor. Er war überrascht wie leicht dies ging. Hatte er doch bei der Größe und Dicke gedacht, dass mehrere Männer dazu erst in der Lage sein konnten. Doch dieses Tor öffnete sich schon fast wie von allein. Es kam ihm so leicht wie eine Feder vor. Godrics Anspannung stieg. Was würde ihm hinter diesem Tor erwarten? Er war bereit für alles und hatte sich im Gedanken schon Bannsprüche zurecht gelegt. Noch kein dunkles Geschöpf konnte den Pater reinlegen. Er war gut in dem was er tat und befreite die Menschen von ihren Sünden, betete für sie und trieb die Dunkelheit aus. Doch bis jetzt war ihm so etwas wie hier, noch nie untergekommen.

Als das Tor offen stand und Godric einen Blick hinein wagte, war alles dunkel. Die Luft war hier noch dünner als sie eh schon war. Damit hatte der Pater nicht gerechnet und musste kurz die Hand vor seinen Mund legen. Das Atmen fiel ihm schwer, jedoch ließ er sich nicht davon beeinflussen. Sein geheiligtes Kreuz, welches er immer dabei hatte, lag fest in seiner Hand. Er würde dem Unbekannten mit festem Glauben entgegen treten. Godric wagte einen Schritt in die versiegelte Halle und urplötzlich, als wolle man den wohl ersten Besucher nach vielen Jahren willkommen heißen, erschien ein Feuer. Es war rotes Feuer mit blauem Schein. Der Raum stellte sich als Rund heraus und an der Wand hingen Fackeln, welche lichterloh brannten, aber nicht so wirkten als würden sie abbrennen, sondern ewig weiter Licht spenden. Doch das Feuer hatte sich nicht nur auf die Fackeln verteilt, auch Godrics Kerze brannte nun Lichterloh. Sie war aufgeflammt und hatte eine riesige Stichflamme, welche dann sich zurückzog und zu einer kleineren wurde. Die Stichflamme hatte sich auf den Boden verteilt, zog ihre feurige Bahn um einen marmornen Steinbehälter und war zu dem verwirrten Pater zurückgekehrt. Man hatte ihm einen Weg aus Flammen bereitet. Selbst der so gefasste Pater hatte sich erschrocken, war einen Schritt nach hinten gegangen und hatte dem Spektakel mit Erstaunen beigewohnt. Sein Blick führte ihn zu dem Steinbehälter. Hinter diesem war eine weiße Engelsstatue. Entgegen der sonstigen Statuen, hatte sie einen traurigen Blick. In den Händen war eine Bibel aus Stein gelegt und auf dem Kopf ein Dornenkranz. Aus den Augenwinkeln, bis zur Wange herunter, war eine schwarze Spur, die an Tränen erinnerte. An blutige Tränen. Die in Stein gemeißelten Haare des Engels, welchen Godric als männlich identifizieren konnte, da die Brust flach war, waren lang und verdeckten die Blöße. Der Engel hatte eine kniende Position, als würde er gerade einer Gruppe von Zuhörern aus dem heiligen Buch vorlesen. Godric musste kurz nachdenken, dann erkannte er das Engelsbild. Die Statue hatte entgegen der normalen Engel sechs, anstatt zwei Flügel. Ihm war nur einem Engel in der Geschichte Gottes geläufig, welcher von dem Herren mit sechs wunderschönen Schwingen gesegnet wurde.

Gottes schönster und ehemals reinster Engel. 

Lucifel 
 

Vor Schreck ließ er die Kerze fallen. Diese rollte ins Feuer und verbrannte. Wieso war hier eine Statue von Lucifel? Natürlich kannte Godric die Geschichten über diesen und was aus ihm geworden war. Selbst die jungen Kinder lernten im Religionsunterricht, anhand von seinem Beispiel, nicht vom rechten Weg abzukommen und den sündigen Weg zu nehmen.
 

Wieso war eine Statue von Lucifel... nein... dem gefallenen Engel Lucifer in diesem Raum?

Godric wollte umkehren. Schon alleine das Feuer hatte ihm Unbehagen bereitet. Das so seltsam erscheinende Feuer! Nun auch noch eine Statue von Lucifers ehemaliger Engelsgestalt! „Oh Amon! Was hast du getan?“ Wenn hier etwas so Machtvolles lag, wollte Godric es weiterhin versiegeln und schnell umkehren. Schnellen Schrittes war er beim Altar, ignorierte den Anblick des traurigen Lucifels und schob die Steinplatte leicht zur Seite. Da auf der Platte selbst nichts eingeritzt war, ging er davon aus, die Siegel, die er erneuern musste, waren innerhalb. Ohne zu zögern sah er hinein und erkannte einen Sarg. Dieser war von Ketten umschlungen, ebenso mit heiligen Banner übersät. Auf dem Sarg war, wie das Tor, Symbole und Schriften eingeritzt. „Requiem in pacem peccatorum.“, hatte Godric lesen können. Zweifelsfrei ein Sünder!' Er fragte sich, was für Sünden dieses Geschöpf auf sich gezogen hatte, wenn es hier eingesperrt und so sicher versiegelt wurde. Erst am Tor, dann der Sarg. Verkettet und mit Bannern übersät.
 

Vorsichtig, mit Achtung vor dem Toten, legte er die Hand auf eine der morschen Ketten. Auch wenn hier ein Sünder lag, so hatte Godric auch vor seine Totenruhe Respekt. Die Ketten sahen alt und verfärbt aus. Wie lange mochte dieses Grab schon bestehen? Wenn es wirklich Amon gewesen war, dann waren es fünfzehn Jahrhunderte gewesen. Eine lange Zeit. Eine Zeit, die dieser Raum widerspiegelte. „Mögen deine Sünden dir vergeben werden.“, sprach Godric und hatte seine Stirn an das heilige Kreuz gelegt, während die andere Hand auf dem Sarg ruhte. Er wollte mit der Versiegelung beginnen, doch weit kam er nicht. Ein starker Wind wehte und stieß ihn zurück. Das Feuer am Boden war erloschen, das der Fackeln brannte aber noch. Godric landete unsanft gegen die Engelsstatue und hatte zwei der sechs Flügel mit sich gerissen. Ein schmerzvoller Laut entkam ihm. Sein Körper zitterte leicht vor Schmerz und ein Blick zu den abgebrochenen Flügeln verriet ihm, dass dies nicht ohne Grund war. Blut klebte an der Stelle, wo ehemals die beiden Flügel waren. Godric sah an sich herunter. Die Robe ein wenig zerrissen, Blut lief ihm über den linken Arm. Doch darum konnte er sich nicht kümmern! Viel wichtiger war zu erfahren, was da gerade geschehen war. Godric richtete sich mit Mühe auf, sah zum Ausgang und erkannte dort eine Gestalt.
 

„Wer ist da?!“
 

Der junge Pater sah mit festem Blick zu der Gestalt. Diese trat hervor, so dass das Licht des Feuers ihn preisgab. Ein alter Mann mit faltigem Gesicht. Die grauen Haare hingen matt und ohne Glanz herunter. Sein Bart war ebenfalls schon ergraut und verdeckte den meisten Teil seines Gesichtes. Der Fremde trug eine Kutte des Klosters und hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Godric fragte sich, ob er diesen Mann jemals im Kloster gesehen hatte. Auch wenn er nur dessen Gesicht sah, so hatte dieser etwas an sich, dass man ihn nicht vergessen hätte, wenn man ihm begegnete. Der Abt aber erinnerte sich nicht an jenen Mann und er hatte alle seine Brüder gesehen, an dem Tag, an dem er ins Kloster kam. Bei der Begrüßungszeremonie hatte er diesen Mann nicht gesehen. Er wäre ihm sofort aufgefallen, da sein Blick stechend und dessen gelb-rote Augen eine Seltenheit waren.

Ein perfides Grinsen legte sich auf die Lippen des Mannes. Er hob den Fuß und trat den nicht geöffneten Teil des Tores ein. Der Stein zerschellte regelrecht und wurde mit solcher Intensität gegen die Statue Lucifels geschlagen, dass diese in Einzelteile zerbrach. Godric war aufgeschreckt, hatte beide Hände um sein heiliges Kreuz gelegt. Dieses Verhalten war untypisch für einen Mann, der aussah, als wäre er in seinen achtziger Jahren. Kein Mensch hatte eine solche Kraft, um das handbreite Tor im Nu einzutreten, besonders nicht mit solch einer kargen Statur wie der Mönch. Kein Mann Gottes würde sich so respektlos an einem Ort der Ruhe verhalten!
 

Bevor der Abt jedoch seinen Unmut über das Verhalten dieses vermeintlichen Ordensbruders äußern konnte, war jener in die Grabkammer gekommen. Fahrig nahm er sich die Kapuze ab und gab sein altes Antlitz preis. Godric hatte Recht mit seiner Vermutung. Er war wirklich alt, hatte jedoch eine unmenschliche Kraft beim Eintreten des scheren Tores bewiesen. Der alte Mann streckte seine knöchernen Hände nach oben und fing an wie ein Wahnsinniger zu lachen. „Endlich! Nach so langer Zeit! Endlich bin ich an meinem Ziel angekommen, mein Herr!! Ihr habt nicht umsonst gewartet!“, kam es unter Lachen von ihm und er riss die Augen weit auf, fixierte Godric mit seinem Blick. Mit wankendem Schritt kam er näher. „Ich werde dir für deine Dienste einen gebührenden Dank aussprechen.“, säuselte er und ließ seine Fingerknöchel knacken. „Dein Tod wird schnell und schmerzlos werden!“ Ein schon fast krankes Lachen entkam dem alten Mönch, welcher sich mit der Schnelligkeit eines jungen Kriegers drehte und mit voller Wucht einen Gesteinsbrocken des Tores zu Godric schlug. Dieser konnte knapp ausweichen, lag halb über der Platte des Steinbehälters. „Du bist wohl einer von den ganz Harten was? Aber so wird es spannender! Wie lange habe ich darauf gewartet, meine Klauen in deinen Körper zu rammen! In jeden einzelnen verdammten Talin! Weißt du wie das ist~?“, schrie der Angreifer und kam mit weiteren, wankenden Schritten auf Godric zu. „1500 Jahre euch zu beobachten! Euer Gerede von Gott und der Barmherzigkeit! Wie es mich angewidert hat!“, schrie er erneut, während der Blauhaarige versuchte einen stabilen Stand zu bekommen. Er bemerkte nicht wie das Blut an seinem Arm auf den Sarg tropfte und achtete nur auf den alten Mönch. Godric formte mit der anderen Hand an seiner Brust ein Kreuz und bemerkte dabei nicht das er in diesem Moment etwas erweckt hatte, was für immer in den tiefen der Dunkelheit ruhen sollte. In seinem Mantra vertieft, hatte er nicht bemerkt, wie der Sargdeckel sich öffnete. Stück für Stück, Wort für Wort. Der Sargdeckel wurde nur einen Handspalt geöffnet, jedoch sah man das Blitzen eines Auges.
 

Das Feuer schien in Richtung Godric zu züngeln, die Flammen höher zu steigen als zuvor. Konzentriert in seinem Mantra, bemerkte Godric nicht wie die Aura eines Fremden den Raum erfüllte. Der alte Mönch war einen Schritt zurück gegangen, hatte seine Hände in das ergraute Haar geschoben und lachte auf. Er fing an sich zu schütteln, als sei er von Besessenheit geplagt. „Es ist soweit! Oh Herr!!!“, beschwor er. Der Schatten, der im Schein des Feuers geworfen wurde, kroch die Wand hinauf und wurde immer bedrohlicher. Indessen war das Blut des Paters in den Sarg geronnen und wurde von einer trockenen Zunge in Empfang genommen. Nicht möglich sich zu bewegen, nahm er begierig das rote Lebenselixier in sich auf.

Sein Körper war bewegungslos, wurde jedoch neues Leben eingehaucht. Langsam erwachten die Glieder und das köstliche Blut des Paters arbeitete sich in jede Ecke seines Körpers vor und versorgte diesen mit Wärme und Kraft. Stück für Stück kämpften sich die Augenlider nach oben und gaben die Umgebung preis...
 

Ein Atemzug...     

Ein tiefer Atemzug erfüllte den Raum.
 

Das Feuer brannte Lichterloh, als wollte es diesen Atemzug gebührend feiern. Auch Godric bemerkte nun die Veränderung, aber es war zu spät. Zwei gierige Hände griffen nach dem blutigen Arm des Paters, zogen ihn kraftvoll in den steinernen Sargschutz. Er konnte sich dem nicht entziehen. Egal wie sehr er sich wehrte, der Griff war fest und stark. Godric konnte spüren wie eine Zunge über seinen Arm glitt, spürte den Speichel welcher sich verteilte, dafür aber das Blut mit sich nahm. Ein warmer Atem stieß gegen seinen Arm und angeekelt verzog er das Gesicht, wusste nicht was mit ihm geschah. Der alte Mönch bemerkte jedoch, was sich in diesem Moment abspielte und bekam es mit der Angst zu tun. „Niemals! Ich werde es nicht zulassen das DU meine Pläne ruinierst!“, schrie er fast panisch, zog einen Dolch und rannte auf den verwirrten Pater zu. Dann geschah alles ganz schnell.

Bevor der panische Mönch Godric verfrüht zu seinem Herren schicken konnte, wurde der Sargdeckel aufgeschlagen. Mit voller Wucht kam der schwere Sargdeckel ein paar Meter weit auf dem Boden zu Fall. „Nein! NEIN!“, schrie der Mönch, ging ein paar Schritte zurück, während für den Blauhaarigen alles wie in Zeitlupe verging...
 

~

Es war still. Kein Lüftchen drang in diesen Raum und ich war dazu verdammt bis in die Ewigkeit hier eingesperrt zu bleiben. Doch viel hatte ich nicht davon mitbekommen. Anfangs noch gegen den Sarg gehämmert, lag ich nun in einem ewig währenden Schlaf. Jedoch drang etwas an meine Nase, was mich dazu bewegte aufzuwachen. Der Geruch von Blut erfüllte den Raum und eine laute Geräuschkulisse schien sich außerhalb meines Gefängnisses abzuspielen. Ich bekam dies jedoch nur gedämpft mit, hatte mit mir selber zu kämpfen. Seit 1500 Jahren hatte ich meine Glieder nicht mehr bewegt, doch nun, wo die Ketten des Sarges abgerissen wurden, war es soweit sich zu erheben. Langsam, vom Geruch des Blutes angezogen, hatte ich die Augenlider bewegen können. Ein kleiner Blutrinnsal wagte sich in das Innere meines Sarges, ein Tropfen ließ sich auf meiner Wange zur Ruhe. Meine Zunge fing diesen Tropfen auf, bevor dieser meine Wange verlassen und in die Haare sickern konnte. Jedoch war der Tropfen nicht alleine. Weitere folgten, erfüllten meinen Körper wieder mit Energie. Ich spürte wie die Wärme und Kraft in mir zurück kehrte. Langsam hob ich meine Augenlider, hatte den Sargdeckel ein Stück beiseite geschoben. So weit wie es die Kraft zuließ.

Dann erkannte ich es... und nahm es mir!
 

Begehrlich hatte ich mir den Arm genommen, genüsslich das Blut abgeleckt. Das zappeln des Besitzers hatte ich nicht wirklich registriert, jedoch meinen Drang nach Freiheit. Mein Gefängnis, nach so langer Zeit zu verlassen. Als ich genug Blut in mir hatte, mobilisierte ich meine Kräfte, hatte den Sargdeckel hinweggeschleudert und den unbekannten Spender dabei entlassen. Langsam erhob ich mich, hatte eine Hand auf den Rand des Steinbehälters gelegt. Es war ein befremdliches Gefühl wieder seinen Körper zu benutzen, jedoch auch ein Gutes. Langsam hatte ich mich erhoben und gab meine Gestalt preis...
 

Es ist so verdammt gut nach so vielen Jahren wieder frei zu sein!     Amon!     Endlich werden wir uns wieder sehen!    

Ein dunkles Lachen entkam mir...

~
 

Godric wurde zur Seite geschlagen, konnte sich noch knapp auf den Beinen halten und sah zu jener Gestalt die sich aus dem Sarg erhoben und wohl auch an seinem Arm geleckt hatte. An seinen Lippen war noch etwas Blut zu sehen, welches die unbekannte Gestalt gemächlich von den Lippen leckte. Der junge Pater wusste nicht wie ihm geschah. Er hatte viel gelernt in seiner Ausbildung, doch so etwas hatte er sich nie vorgestellt. Ein auferstandener Sünder, welcher laut Schrift seit langer Zeit tot sein sollte. Doch dieser Sünder sah noch sehr lebendig aus, befand der Pater nach der ersten Musterung. Es war ein junger Mann, würde der Pater schätzen müssen, nicht älter als Zwanzig. Er hatte bodenlanges, rabenschwarzes Haar und eine helle Haut. Sein Körper sah nicht wirklich kräftig aus, aber auch nicht schwach. Es war ein jugendlicher Körper, wie Godric unter den alten Kleidungsfetzen erkennen konnte. Doch die zerschlissene Kleidung, welche eher davon zeugte, dass dieser Sünder vor seinem Tode gekämpft haben musste, war nicht das wirklich Sonderbare. Es waren neben seinen langen Haaren, die Augen. Der Sünder hatte tiefrote Augen. So rot wie Blut. Noch nie hatte Godric etwas vergleichbares gesehen wie diese Augen. "Ein dunkles Geschöpf! Ein Dämon!", schoss es ihm in den Kopf.
 

Während der heilige Abt sich sammelte, hatte der Mönch jedoch seine Fassung wieder gewonnen. Er streckte die Arme nach dem Neuankömmling aus, verbeugte sich dann aber schon fast respektvoll. „Es ist eine unendliche Freude euch wieder zu sehen! Doch~ verzeiht mein Verhalten! Ihr müsst nun sterben!“ Lachend umschloss er den Dolch und beschwor etwas, was selbst Godric nicht kannte. Um den alten Mann erschien ein schwarzer Kreis, aus dessen Blitze zuckten. Egal wie sehr Godric nachdachte, eine solche Beschwörung hatte er noch nie gesehen. Er selbst kämpfte nur mit seinem Kreuz und einer Waffe. Einen silbernen, geweihten Mönchsstab. Nachdem der alte Mann seine Beschwörung vollendet hatte, rasten Blitze auf den auferstandenen Sünder zu. Dieser jedoch sah nur amüsiert zu dieser Bedrohung und hatte nur ein höhnisches Lachen für die Versuche des Verzweifelten übrig. Er holte aus, wobei das Feuer an den Wänden sich um die Gestalt schlängelte. Mit einem Schlag hatte der Schwarzhaarige den Angriff des Mönches abgewehrt. „Ts! Ich wache nach so langer Zeit auf und man hat mir nicht mehr zu bieten? Jämmerlich!“ Wütend über das unzureichende Schauspiel, ließ er sein Feuer auf den Mönch herabregnen. Dieser versuchte noch zu fliehen, doch er hatte keine Chance. Das Feuer hatte ihn gepackt und verbrannte ihn am lebendigen Leibe. Godric weitete schockiert die Augen, sah wie der brennende Leib im Feuer zuckte und der alte Mönch schrie. „Bastard! Sei verflucht Lu-!“ Das Feuer hatte in Sekundenschnelle den Mönch eingenommen und ihn verbrannt, so dass nur noch Asche von seiner Existenz zeugte. „Grauenvoll...“, wisperte Godric, sah dann zu dem Sünder, der langsam den Kopf in seine Richtung drehte und ihn mit seinen roten Augen ansah. Ihre Blicke trafen sich...
 

Sofort ging Godric in Kampfstellung. "Der Sünder ist wieder auferstanden!", murmelte er leise und faltete seine Hände zu einem Gebet, fing an Worte in lateinischer Sprache zu rezitieren. Die geheiligten Gebetsperlen an seiner Kette fingen an zu leuchten. Eine Gebetskette erschien um den Schwarzhaarigen und wollte ihn einschließen. Da dieser der lateinischen Sprache wohl genauso mächtig war, erkannte er was der Heilige vorhatte und hob die Augenbraue. "Sünder?", waren seine verwunderten Worte. "Ich habe dich in meiner unendlichen Großzügigkeit gerettet und DU nennst mich einen Sünder? Na wie nett! Doch anders kenne ich euch Menschen nicht!" Er erhob seinen Arm und ließ das Feuer erneut die Arbeit verrichten. Die Gebetsperlen platzten eine nach der anderen und Godrics Beschwörung löste sich auf. „Lästiges Gewürm. Eine solch niedrige Magie wirkt bei mir nicht. Dein Versuch ist recht niedlich, junger Mensch, doch eine Beleidigung für mich!“ Der Sünder lachte, fixierte Godric mit seinem Blick und leckte sich über seine spitzen Fangzähne, die an einen Vampir erinnerten. Godric verstärkte den Griff um seine Kette, wusste nicht was der Sünder meinte. Doch als er die Hand zu ihm streckte und erneut sein Blut verlangte, hob er die Hände. „Ich mag zwar jung sein, doch für dich wird meine Magie alle mal reichen ,Sünder!“, kam es mit fester Stimme, wollte erneut einen Bannspruch sprechen. „So? Ich habe viel Zeit verschwendet und möchte ungern noch mehr verschwenden. Sei brav und gib mir dein Blut. Dann ist dein Leben wenigstens einen Funken wert gewesen ,Gottesanbeter!“ entgegnete sein Gegenüber und streckte die Hand nach dem blauhaarigen Pater aus. Als jedoch sein Ring im Feuerschein glänzte, hielt er ein. Seine Augen weiteten sich. Er erkannte diesen und erlaubte sich das erste Mal den Träger genauer zu mustern. „Der Pater...“ Diese blauen Haare...! Diese Augen! Es konnte keine Verwechslung sein! Allerlei Gedanken durchfuhren ihn, doch dann nahm der Sünder ein paar Schritte und war direkt vor Godric, der gar nicht wusste wie ihm geschah. Mit festem Griff wurde sein Handgelenk umschlossen und die Hand mit dem Ring nah an das Gesicht des Sünders gezogen. Der rote Blick wanderte musternd über den heiligen Schmuck. Er wusste genau, was dieser Ring zu bedeuten hatte, ebenso wie Godrics Aussehen. Er tadelte sich gedanklich selbst, es nicht sofort bemerkt zu haben. „Du lebst. Nein viel mehr zu lebst WIEDER!" Der Pater interessierte ihn nur noch zweitrangig. Sein Blut würde er sich noch nehmen wollen, doch der Ring war in seinem Interesse weit höher gestiegen. Die Proteste des Besitzers ignorierte er, wollte er doch nur den Ring. Der Dämon versuchte diesen von seinem Finger abzuziehen, doch er rührte sich kein Stück. Ein leichtes knurren kam aus der Kehle des Schwarzhaarigen. „Wieso? Wieso? Wieso stößt mich dieser Ring ab? Bin ich zu schwach? Hatte ich zu lange geschlafen?“, fragte er sich im Gedanken, während Godrics Ring kurz aufleuchtete und dem Dämon einen Blitzschlag durch den Körper fuhr. Dieser taumelte nach hinten, konnte sich gerade noch an der Wand halten. "Sünder! Als wenn ausgerechnet ein Wesen der Finsternis einem Mann Gottes etwas wegnehmen könnte. Sünden jeglicher Art werden bestraft wie du gesehen hast", kam es kalt von Godric, welcher einen Schritt zurück wich. Diese Antwort gefiel dem Sünder jedoch gar nicht. "Woher... woher hast du ihn? Nenn' mir deinen ganzen Namen!" verlangte er und sah dem Pater in die Augen. „Mein Name ist für ein Wesen der Dunkelheit nicht von Belang! Das einzige was du von mir hören wirst, wird mein Bannspruch sein, der dich wieder dorthin bringt wo du her kommst!“ Der junge Abt wusste, einem Dämon durfte man seine Namen nicht verraten, ohne das man diesem die Macht über einen gab. „Du wagst es mich zu verspotten? Ich werde dich lehren was es heißt dich mit mir anzulegen!“ Der Dämon wollte auf Godric zugehen, sank jedoch auf einmal zu Boden und legte eine Hand vor dem Mund. Die Energie des Ringes, die durch seinen Körper gefahren war hatte, dem erst kürzlich Auferstandenen, mehr zu schaffen gemacht als er dachte. Godric nutzte diesen Moment der Schwäche und stellte sich hinter den Torbogen. Die heilige Kette hatte er davor ausgebreitet und faltete die Hände zu einem Gebet. Er wollte, wie sein Vorfahr zuvor, den Dämon einsperren. Mag er zwar aus seinem Sarg gekommen sein, so wollte der Pater jedoch in dem Moment der Schwäche wenigstens das Tor neu errichten und versiegeln.
 

Der Dämon hielt sich die Hand vor dem Mund, spürte eine Übelkeit. Die Tatsache in diesem Moment so schwach zu sein, ärgerte ihn sehr. Doch als Godrics Worte zu seinen spitzen Ohren drangen, sah er auf. Stücke des Tores schwebten auf den Blauhaarigen zu, schienen sich wieder von selbst zusammen zu setzen. Natürlich wusste auch der Dämon was dies bedeutete, wollte es nicht erst soweit kommen lassen. So schnell es ging, erhob er sich, ignorierte den Schmerz und wollte erneut eine Feuerkugel bilden, um Godric zu verbrennen, wie den Mönch zuvor. Der Schmerz in seinem Körper war aber stärker als gedacht und machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Da er gerade erst erwacht war, war er leichtes Ziel gewesen für die Kraft des Ringes. Godric hatte Glück und konnte das Tor errichten und versiegeln, bevor der Dämon sich sammeln und die Feuerkugel in seine Richtung werfen konnte. Diese wurde gegen das neu errichtete Tor geschleudert, aber von der Siegelmagie absorbiert. „Verflucht!“, stieß der Sünder einen Fluch aus, während Godric erleichtert zu Boden sank. Für einen Moment hatte er sein Leben schon für beendet gesehen. Viele hatten seinen Weg gekreuzt, doch keiner war so mächtig und hatte seine Beschwörungen zum Platzen gebracht wie dieser.

„Mögest du dich Besinnen und dir den Einlass in das Paradies verdienen.“, beschwor Godric, während der Dämon nur knurrte. „Das Paradies? Als wäre dies mein Wunsch! Doch als frommer Gottesanbeter wirst du der Tatsache nicht entkommen können, dass ich dich gerettet habe vor dem Dämon!“ Godric blinzelte kurz verwirrt, verstand dann aber was er meinte. Dieser Mönch war also kein Mensch gewesen. Innerlich fragte er sich, wie ein Dämon all die Zeit im Kloster leben konnte, doch er würde diese Unsicherheit nicht offen preisgeben. „Heißt es nicht 'Liebe deinen Nächsten wie dich selbst?'. Wenn du so fromm bist, dann bring mir wenigstens Nahrung! Jetzt wo ich wegen dir wach bin!“ kam es von der Stimme hinter dem Tor. Natürlich kannte Godric die Phrasen aus der Bibel, war jedoch überrascht, dass der Dämon sie kannte. Als er ihn jedoch um Nahrung bat, hob er galant die Augenbraue. Er wusste nicht was er einem Dämon zu Essen bringen sollte, könnte er sich doch gleich selbst vorwerfen. Doch er willigte ein. Hatten die provokanten Worte ihn doch erreicht. "Ja es heißt liebe deinen Nächsten wie dich selber, ich bringe dir etwas zu Essen mit, nur ob es dir schmecken wird ist etwas Anderes." Er ließ mich gewiss keinen Strick aus den Worten Gottes drehen, kannte er sie gut genug um die Situationen, in welche sie ihn brachten, abzuschätzen.
 

Godric verließ den Raum, fand dieses Mal sogar schneller wieder aus dem Keller heraus. Die Gedanken hingen bei dem Sünder, den er wieder eingesperrt hatte. Er hätte nicht gedacht, dass ein Dämon unter dem Kloster ruhte. Ihm kam die Bezeichnung 'Götterberg' nun doch reichlich abstrakt vor. Sein Vorfahre wird sich etwas dabei gedacht haben, hoffte Godric zumindest. Schnellen Schrittes kam er an der Treppe an, die ihn vorher in den Keller herunter geführt hatte. Die Sonne war am Horizont zu sehen und der Pater war überrascht zu erkennen, wie lange er in dem Keller gewesen war. Als er ein Geräusch wahrnahm, sah er zum Geländer. Erneut konnte er eine Krähe auf der Mauer sitzen sehen. Doch dieses Mal sah er sie mit festem Blick an. „Ich muss dich enttäuschen. Ich habe überlebt.“, sprach Godric ernst zu dieser. Warum er das tat wusste er jedoch selbst nicht so genau. Es war ein Drang, den er sich nicht erklären konnte. Als dies erledigt war, hatte er eine Richtung eingeschlagen und wurde tatsächlich von dem Mönch gefunden, den er, vor seinem Ausflug in den Keller, das letzte Mal gesehen hatte. Bruder Tom! Er hatte Nachtwache und hatte sich Sorgen gemacht, da der Pater nicht wieder zurückgekehrt war. So hatte er beschlossen sich auf die Suche zu machen. „Du siehst erschöpft aus Pater.“ sprach er besorgt. Godric seufzte leise, nickte dann. „Glaube mir Bruder. Das bin ich... Das bin ich.“ Mit diesen Worten gingen die beiden und er freute sich so sehr wie noch nie, seine Schlafkammer zu Gesicht zu bekommen. 
 

Derweil saß die Krähe immer noch an ihrem Platz, hatte den beiden nachgesehen. Als diese aus seinem Blickfeld verschwunden waren, sah die Krähe zu den Treppenstufen und krächzte erneut laut. Der schwarze Vogel spannte seine Federn und stieß sich von der Mauer ab. Dieses Mal jedoch war er nicht alleine. Auf dem Dach des Klostertraktes hatten sich, während Godrics Gang in den Keller, ein ganzer Schwarm eingefunden. Diese flogen los gen Himmel und hinterließen nur eine Hand voll tiefschwarzer Federn...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Übersetzung:

Requiem in pacem peccatorum! = Ruhe in Frieden Sünder Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück