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Ein ungewöhnlicher Mitbewohner

von
Koautor:  Caracola

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21. Kapitel

Emily hatte die Szene schon fast aus ihrem Hirn verbannt, als sie mit dem Auto in ihre Straße einbog. Die Zeit, die sie beim Einkaufen verbracht hatte, war länger gewesen, als die eigentliche Trennung von Richard gedauert hatte. Es hatte keine Vorwürfe gegeben, kein Geschrei. Er hatte ihre Entscheidung hingenommen, auch wenn man ihm durchaus angesehen hatte, dass er nicht sehr glücklich darüber war. Doch aus irgendeinem Grund machte er sich nicht einmal die Mühe, Emily von der Trennung abzuhalten, obwohl er es offensichtlich wollte.

Emily hoffte einfach, dass das Ganze an ihrem Verhältnis als Chef und Angestellte nicht schwierig machen würde. Aber an sich glaubte sie daran, dass Richard auch in diesem Fall ein Gentleman sein würde und nichts im Museum herum erzählte. Warum sollte er das auch tun?

Als Emily endlich ihren Wagen geparkt hatte und um das Fahrzeug herum ging, um die Einkaufstüten aus dem Kofferraum zu holen, fiel ihr ein anderes Auto auf, das langsam vorbei fuhr. Es kam ihr irgendwie bekannt vor, als hätte sie es heute oder auch früher schon ein paar Mal gesehen. Den Fahrer konnte sie nicht genau erkennen, weil der VW beschleunigte, bevor er an ihr vorüber fuhr. Aber Emily war sich sicher eine dunkelhaarige Frau hinter dem Steuer gesehen zu haben. Sie zuckte die Schultern. Wahrscheinlich hatte die Dame nur eine Hausnummer gesucht.

Endlich in der Wohnung angekommen, sprang ihr Adrian fast entgegen. „Uah, ganz vorsichtig.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und trug den Einkauf in die Küche. Haufenweise Gemüse schaute oben aus dem Papier heraus und Emily lehnte das Ganze gegen die Wand hinter der Arbeitsfläche, damit nichts herausfallen konnte. Dann zog sie sich die Schuhe aus und kickte sie in den Flur. Adrian wuselte hinter ihr in der Küche herum wie aufgezogen. Sie stoppte ihn, indem sie ihre Arme um seine Taille schlang und ihm in die Augen sah.

„Wenn du mir schnippeln hilfst, ist das Essen in einer halben Stunde fertig. Was hältst du davon, wenn wir unseren DVD-Marathon fortsetzen?“

Aber vorher wollte sie noch etwas Anderes tun. Sie hatte Adrian vorhin in seinem Tun unterbrochen und stellte sich nun auf die Zehenspitzen, um es wieder gut zu machen. Sie schloss die Augen, noch bevor sich ihre Lippen berührten und atmete seinen Duft ein, den sie schon jetzt liebte.
 

Adrian kam gar nicht dazu, ihr seine Meinung wegen des DVD-Marathons kund zu tun. Denn schon vergaß er, was sie gesagt hatte, als sie sich ihm entgegen streckte und die Augen schloss.

Um es ihr von Anfang an leichter zu machen, umschlang er sie mit seinen Armen und beugte sich zu ihr hinab. Auch er schloss die Augen, um sich ganz allein auf das Gefühl ihrer weichen Lippen konzentrieren zu können.

Blut rauschte ihm laut in den Ohren, als sie sich sanft küssten. Adrian war weit nicht so stürmisch, wie gestern unter dem Einfluss von Alkohol, aber das lag daran, dass ihm sein gestriges, betäubtes Körperempfinden nicht auf das vorbereitet hatte, was er jetzt empfand. Es raubte ihm schier den Atem, während er an ihrer Unterlippe sog, sanft über ihre Oberlippe leckte, ihre Mundwinkel mit Küssen bedeckte und dann in sanftes Knabbern überging.

Mit einem Mal schien es viel zu heiß im Raum zu werden, noch bevor sich überhaupt ihre Zungen berührten. Was wirklich sehr merkwürdig war, denn normalerweise ließen ihn Küsse mehr oder weniger eiskalt. Emily jedoch brachte sein Blut zum Kochen.

Nach Atem ringend riss er sich schweren Herzens von ihren Lippen los und sah sie mit glühenden Augen an. „Ich denke, ich sollte mit dem Gemüse anfangen, sonst wird das Essen sicherlich nicht in einer halben Stunde fertig.“, beteuerte er fast atemlos, ehe er sie ganz los ließ und sie anlächelte.

Wahnsinn, diese Frau ließ ihn alles andere als eiskalt! Was ihm wirklich gefiel, aber auch Verwirrung auslöste. Adrian war es einfach nicht gewohnt, so heftig auf diese Berührungen zu reagieren, aber bei Gott, er würde sich sicherlich nicht lange dagegen wehren. Er vertraute Emily wirklich aus ganzem Herzen. Er hatte keine Angst, sich auf sie einzulassen. Wusste jedoch nicht, wie sich die Sache zwischen ihnen noch entwickeln würde. Das würde sich noch zeigen.

Auf alle Fälle war er froh, keine Geheimnisse mehr vor seiner Mitbewohnerin zu haben. Das machte ihn wesentlich lockerer, auch wenn es sich immer noch seltsam anfühlte, dass sie jetzt alles wusste. Wie musste es da erst ihr gehen? Adrian konnte sich das kaum vorstellen.

Und damit er nicht weiter darüber nachdenken musste, begann er mit Emilys Anweisungen das Gemüse zu schneiden, während sie es weiter verarbeitete.
 

Warum konnte ihr Hirn nicht wenigstens beim Küssen eine Pause einlegen. Manchmal wünschte ‚Frau’ sich doch wirklich, sie hätte auch ein zweites Gehirn, in das ihr Blut fließen könnte, um ihrem nervenden Kopf die Einsprüche zu verbieten. Sie mochte Adrians Kuss. Wie in der vergangenen Nacht knisterte es auf ihren Lippen und sie musste unter seinen Berührungen vor Glück lächeln, bis sich eben dieses unschöne Organ einschaltete.

Adrians Kuss war weder zurückhaltend noch fordernd. Er wusste was er tat und es fühlte sich gut an. Emily verfluchte sich dafür, dass sie tatsächlich darüber nachdachte, ob das seine professionelle Technik war. Verdammt! Daran würde sie bestimmt noch eine Weile zu knabbern haben.

Als er sich allerdings ohne eine Spur von Anzüglichkeit von ihr löste und sie anstrahlte, fiel es ihr nicht schwer, diese Gedanken zu vertreiben. Vorerst zumindest. Sie würde es ihm nie sagen. Das waren ihre eigenen Gespenster. Aber schon jetzt überlegte sie, wie es ihr gehen würde, wenn es einmal zu mehr kommen sollte, als zu einem Kuss.
 

„Ich weiß gar nicht mehr, haben wir uns den dritten Teil von Terminator angesehen?“ Irgendwie war inzwischen so viel passiert, dass er sich wirklich nicht daran erinnern konnte. „Ich glaube, beim zweiten Teil bin ich auf der Couch eingeschlafen.“, grübelte er laut vor sich hin, während er Emily immer wieder einen lächelnden Seitenblick zu warf und dabei ziemlich aufpassen musste, keinen Finger beim Schneiden zu verlieren.
 

„Bitte?“ Er hatte irgendwas von Terminator gesagt und sie hatte ihm gar nicht zugehört. Kochen entspannte sie immer ungemein und sie nutzte die Handgriffe, die ihr vor allem bei diesem Rezept leicht von der Hand gingen, zum Nachdenken.

Wie von selbst warf sie das Gemüse, das Adrian in kleine Würfel geschnitten hatte, in die Pfanne, würzte es und briet es ein wenig an, bevor sie es in kleinen Portionen auf Blätterteigscheiben legte und sie zu kleinen Taschen formte, die sie später in den Ofen zum Aufbacken schieben wollte. Sie griff kurz an Adrian vorbei zu den Temperaturreglern und heizte das Backrohr vor.

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr. Aber der dritte Teil ist sowieso nicht einer meiner Favoriten. Hast du denn … Ocean’s Eleven?“
 

***
 

Kaum eine halbe Stunde später war das Essen fertig und Emily platzierte jeweils vier der kleinen Taschen mit etwas Quark daneben auf einem großen Teller. Mit beiden Portionen in der Hand drehte sie sich zu Adrian um und sah ihn fragend an. „Sollen wir gleich rüber gehen und während des Films essen?“

Das Gericht eignete sich dazu, da man es mit den Fingern essen konnte. Außerdem zeigte ihr ein Blick auf die Uhr, dass es sowieso schon recht spät war. Nach dem Film würde sie ins Bett verschwinden müssen, damit sie Morgen bei der Arbeit nicht völlig fertig über dem Sarkophag hing.

Sie schmunzelte in sich hinein bei der Vorstellung, diesmal nicht ganz so müde zu sein und es daher bewusst genießen zu können neben Adrian einzuschlafen.

"Klar, gute Idee.", war seine Antwort auf ihre Frage.
 

Die Teigtaschen mit dem Gemüse waren einfach göttlich! Adrian hätte so was niemals hinbekommen. Nicht, dass er es nicht einmal versuchen würde, aber er war einfach nicht sehr gut im Kochen, da er es nie wirklich gelernt hatte.

Natürlich hatte Adrian den gewünschten Film, auch wenn er nicht sehr viel davon mit bekam. Eine Zeit lang konzentrierte er sich auf das gute Essen. Nachdem das Essen weg war, nahm er die Teller und stellte sie schon mal in die Küche. Als er zurückkam, wagte er es, sich nicht auf seine Seite der Couch zu verziehen, sondern sich in die Mitte zu setzen. Mit Tendenz zu Emily, damit er sie berühren konnte, während sie sich den Film zu Ende ansahen. Mehr bewusst, als unbewusst, streichelte er dabei ihren Arm, verschlang seine Finger mit den ihren und genoss dieses Gefühl des Vertrautseins. Selbst mit Alex hatte er nie gekuschelt, was man bei einer Beziehung ja eigentlich hätte annehmen können. Aber sie war einfach nie die Frau für solcherlei Dinge gewesen. Jetzt wusste er immerhin warum. Auch wenn es sich noch sehr ungewohnt anfühlte.

Schließlich war auch der Film zu Ende und sie machten sich bettfertig. Das sie nicht jeder in seinem eigenen Zimmer schlafen würden, war ziemlich klar. Fast schon so, wie ein unausgesprochenes Gesetz. Aber wenn sie von nun an eine Beziehung hatten und das sah nun einmal ganz danach aus, würden sie sich wohl auf ein Bett einigen müssen, in dem sie schlafen konnten. Natürlich waren getrennte Zimmer auch gut, um sich nicht dauernd auf dem Hintern zu kleben. Aber gerade nachts wollte er endlich einmal nicht alleine schlafen müssen. Bisher hatte er das immer getan.

„Denkst du, ich sollte es einmal mit deiner Kissenplage aufnehmen?“, fragte Adrian grinsend, als sie fertig waren und es nun wirklich Zeit fürs Bett wurde, immerhin musste Emily morgen arbeiten.
 

„Lässt du dir für mich Plüsch wachsen, ja?“ Der Gedanke brachte sie immer noch albern zum Grinsen. Sie konnte sich Adrian so richtig gut als Plüschtier vorstellen, wie er in ihr Zimmer tapste, um es mit ihren Kissen aufzunehmen.

„Also sooo viele sind es auch wieder nicht.“ Sie nahm seine Hand und zog Adrian hinter sich her in ihr Zimmer, wo allerdings tatsächlich ungefähr zehn verschieden farbige, bunt bestickte und unterschiedlich geformte Kissen auf ihrem Bett lagen.

Emily sah Adrian kurz von der Seite an. „Siehst du?“

Mit einem Lachen tat sie das, was sie jeden Abend tat, bevor sie ins Bett ging. Sie schob die Kissen in die Mitte des Bettes und schnappte sich die vier Ecken der Tagesdecke, um sie wie ein großes Paket von ihrem Bett in den Erker zu den anderen Kissen zu legen. Es war also nicht nötig, dass Adrian sich mutig in den Kampf stürzte.
 

Adrian lächelte amüsiert, als sie ihn wieder an den Plüsch erinnerte. Wie würde er wohl mit diesem Kunststoffhaar aussehen, wo er doch nicht einmal seine eigenen stehen ließ? Es war witzig, daran bestand wirklich kein Zweifel. Vor allem wurde Adrians Grinsen immer breiter, als Emily ihn davon überzeugen wollte, dass sie kein Geschwader von Kissen auf ihrem Bett beherbergte. Für ihn war es eine ganze Menge, doch sie schien das sehr souverän zu lösen. Jetzt war tatsächlich sehr viel Platz auf dem Bett.

Mit einem nervösen Kribbeln im Körper wurde sich Adrian in diesem Augenblick bewusst, dass er nur einmal in Emilys Zimmer gewesen war und das war an dem Tag gewesen, als sie sich kennen gelernt hatten. Seit dem hatte er es nie wieder betreten.

Es war seltsam, dass die anderen Räume der Wohnung ihm schon so vertraut waren, doch Emilys persönliches Reich noch eine völlig neue Welt für ihn darstellte. Genauso wie die Tatsache, bei ihr im Bett zu liegen. Mit ihr zusammen.
 

Emilys Bett stand mit einer Seite zur Wand, weswegen Adrian nach hinten krabbeln musste, um sich hinzulegen. Emily wollte ihn morgens nicht aus dem Bett scheuchen, wenn sie für die Arbeit aufstehen musste.

Sie hatten sich schon vor dem Zähneputzen in ihren jeweiligen Zimmern umgezogen, was es Emily jetzt ersparte, darüber nachzudenken, ob sie sich vor Adrian ausziehen sollte oder nicht. Wieder spielten ihr ihre Gedanken einen Streich und sie wurde etwas nervös bei der Vorstellung, was er sich eventuell von ihr erwarten würde, wenn sie nun zusammen im Bett lagen. Sie schob die Verunsicherung so gut es ging zur Seite und legte sich neben Adrian unter die Decke. Sie war groß genug, dass sie sich beide darin einwickeln konnten, ohne dem jeweils Anderen sein Stück streitig zu machen. Deshalb liebte Emily diese Decke. Man konnte sich zu zweit locker darin einrollen und keiner kam zu kurz.

Die Nachttischlampe brannte noch, als sie sich Adrian zuwandte und ihn sich ansah. Sie wohnten jetzt schon eine Weile zusammen und es war ein wenig seltsam ihn nun neben sich im Bett liegen zu sehen. Es war nicht so, dass sie ihn dort nicht haben wollte – ganz im Gegenteil – aber es war noch völlig ungewohnt und neu. Allerdings auch aufregend und Emilys Herz machte einen kleinen Sprung, als er sie anlächelte. Ob es ihm wohl auch seltsam vorkam?

Emily knipste das Licht aus und drehte sich dann auf die Seite, Adrian zugewandt. Sie rückte so nah an ihn heran, dass sie ihn im Dunkeln küssen konnte und legte eine Hand auf seine Seite. Unter ihren Fingerkuppen konnte sie die Kratzer spüren, die seine Ex hinterlassen hatte und bemühte sich diese Stellen nicht zu berühren. Langsam konnte sie die Konturen seines Gesichts erkennen, weil sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnten. Sie hauchte ihm ein ‚Gute Nacht’ zu, bevor sie ihn noch einmal küsste. Länger diesmal und ein wenig neugierig.
 

Adrian war eigentlich kein scheuer Typ, immerhin konnte er auf die Bühne gehen, ohne auch nur den geringsten Anflug von Nervosität zu zeigen. Auch war es für ihn kein Problem völlig fremde Menschen anzuquatschen, um mit ihnen Smalltalk zu führen, doch hier und jetzt konnte er Emily nur anlächeln, als sie sich zu ihm legte. Sein Herz schlug ihm dabei bis zum Hals und er zitterte ganz leicht vor Aufregung, dabei gingen sie doch nur ins Bett um zu schlafen!

Doch Adrians Unterbewusstsein wusste sehr wohl, dass das hier viel mehr bedeutete, als sich nur an diesem geschützten Ort niederzulegen, um sich auszuruhen. Im Schlaf war jeder schutzlos, weswegen sie sich hier gegenseitig im Vertrauen auslieferten. Dieser Gedanke beruhigte ihn etwas, denn er würde sich Emily jederzeit anvertrauen.

Sie löschte das Licht und drehte sich dann zu ihm, wobei sie so nahe an ihn heran rückte, dass sie ihn berühren konnte. Ein Schauer durchfuhr seinen Körper, als er ihre Hand auf sich spürte. Sofort schaltete sein Herzschlag in den nächst höheren Gang und das Blut rauschte ihm laut in den Ohren. Er war total nervös und auch unsicher, aber bestimmt ging es ihr nicht besser.

Sein eigenes ‚Gute Nacht‘ wurde im Keim erstickt, als sie ihn abermals küsste. Dadurch ermutigt, streckte er die Arme nach ihr aus, um sie näher an sich zu ziehen und sie in seinen Armen halten zu können, während sich ihre Lippen gegenseitig liebkosten.

Die Hand auf seiner Seite fühlte sich unglaublich gut an, denn im Gegensatz zu Alex tat Emily ihm dabei nicht weh. Ganz im Gegenteil, sie war so sanft, dass die Gedanken an seine Ex innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht wurden. Für ihn gab es da nur noch Emily, weshalb er seine Hand auf die ihre legte und mit ihr zusammen die Kratzspuren bis zu seiner Wirbelsäule nach fuhr, wo er sie wieder frei gab. Es tat so unendlich gut, von ihr berührt zu werden, so dass er sich merklich entspannen konnte.

Adrians Hand legte sich auf ihren Hinterkopf, wo seine Finger flüchtig mit ihrem geöffneten Haar spielten. Inzwischen waren ihre Zungen neugierig vorgestoßen, hatten sich abschätzend umkreist, sich flüchtig näher bekannt gemacht, um schließlich in vertrauensvolle Berührungen über zu gehen. Bereits jetzt herrschte ein berauschendes Prickeln in seinem Bauch, was ihn schließlich dazu veranlasste, mit seiner Zunge und seinen Lippen den Rückzug anzutreten.

Es war spät und er war für heute noch nicht bereit, näher herauszufinden, was passierte, wenn sie das hier noch weiter trieben, denn das etwas passieren würde, war ihm nur zu deutlich bewusst. Emily brachte sein Blut in Wallung und das mit einem ‚einfachen‘ Kuss. Keine hatte das je vor ihr geschafft, weswegen er sie sanft im Halbdunkeln anlächelte, so dass er gerade noch ihre Konturen erkennen konnte.

„Gute Nacht, Emily.“, flüsterte er leise. Seine Worte waren schlicht und einfach, doch der Ton darin, besagte unendlich viel mehr. Er war ihr dankbar, dass er bei ihr sein durfte und hoffte, dass sie zumindest erahnen konnte, wie viel es ihm bedeutete, von ihr so akzeptiert zu werden. Es war mehr, als er jemals von ihr gefordert hätte.

Mit einem wohligen Laut, der stark einem kurzen Schnurren eines Katers glich, zog er sie enger an sich, ließ seine Arme jedoch so locker, dass sie sich nicht gefangen fühlte. Danach schloss er die Augen und legte seinen Kopf in das weiche Kissen, aus dessen Stoff er überall Emilys Duft wahrnehmen konnte. Er war regelrecht davon eingehüllt, was ihn nur noch zufriedener machte.

Wenn er könnte, er würde für sie beide die Zeit anhalten.
 

Diesmal war sie von seiner Reaktion auf ihren Kuss nicht überrascht. Sie konnte es genießen, dass seine Lippen über ihre glitten und Adrian irgendwann mit einer zaghaften Geste mit seine Zunge über ihren Mund fuhr. Für einen flüchtigen Moment schaltete ihr Hirn noch einmal die Warnleuchte ein, bevor sie diese bewusst wieder ausschaltete und sich entspannte, um den Kuss zu genießen. Es fühlte sich harmlos an, was es für Emily noch reizvoller machte. Sie mochte es einfach neben Adrian im Bett zu liegen und herum zu knutschen, als wären sie verliebte Teenager. Er hatte sie zwar näher zu sich heran gezogen, machte aber keine weiteren Anstalten mehr zu tun, als sie zu küssen. Genau das machte den Kuss zu etwas sehr Besonderem. Adrian gab Emily das Gefühl, als hätten sie alle Zeit der Welt.

Deshalb lächelte sie ihn auch an, als er ihr eine gute Nacht wünschte und kuschelte sich in seine Arme, bevor sie die Augen schloss und zufrieden einschlief.
 

***
 

Der Wecken blinkte in Hellblau, bis Emily kurz darauf klopfte, um ihn zum Schweigen zu bringen. Das Leuchten dimmte langsam herunter, während Emily blinzelnd die Augen öffnete. Sie war in der Nacht nicht einmal bewusst aufgewacht, sondern hatte durchgeschlafen. Allerdings musste sie sich aus Adrians Umarmung befreit haben, denn sie lag an ihrem Rand des Bettes und hatte die Decke um sich geschlungen. Leise drehte sie sich um und suchte den Mann, den sie letzte Nacht mit in ihr Bett genommen hatte. Er konnte sich nicht wirklich verstecken, auch wenn es so aussah, als wenn er sich redlich bemühte. Emily konnte nur einen von Adrians Armen, den dazugehörigen Ellenbogen und die Schulter sehen. Anscheinend lag der Rest seines Körpers unter dem Kopfkissen und der Decke vergraben.

Vorsichtig steckte sie ihre Hand unter der Decke aus und berührte das, was vermutlich Adrians Rücken war. Er rührte sich nicht, aber Emily konnte fühlen, dass er ruhig und gleichmäßig atmete. So einen tiefen Schlaf hätte sie auch gerne gehabt.

Sie zog die Hand wieder zurück und beschloss ihn einfach weiter schlafen zu lassen. Nachdem sie die Klamotten für die Arbeit zusammen gesammelt hatte, schrieb sie noch einen kleinen Zettel, den sie an ihren Wecker klebte, weil sie hoffte, dort würde Adrian ihn finden.

Hallo Schlafmütze!

Croissants zum Aufbacken sind im Kühlschrank.

Schönen Tag und bis später!

Emily
 

In der Arbeit machte sie sich Gedanken darüber, was sie abends kochen sollte. Während sie das letzte Stückchen Blattgold auf die raue Oberfläche tupfte, ging hinter ihr die Tür auf.

Emily hatte keine Hand frei und konnte sich in diesem Moment auch nicht umdrehen, da sich das Gold dann wieder gelöst hätte.

„Moment, dauert nur eine Sekunde.“

Ihr Besucher sagte nichts, sondern ließ sich auf einem der Drehstühle nieder, die an dem anderen Tisch im Raum hinter Emily standen. Sie konnte das Geräusch, das die Rollen auf dem Boden machten genau hören.

Sie erschrak, als Richard mit einem Mundschutz vor dem Gesicht neben ihr auftauchte. „Mein Gott, hast du mich erschreckt.“

Ihr Herz schlug immer noch schnell, obwohl der Schock nicht so groß gewesen war. Sie zwang sich dazu, Richard in die Augen zu sehen, während sie mit ihm sprach. Außerdem wollte sie weder zu kalt, noch zu nett klingen. Verdammt, das Ganze war ihr wirklich ziemlich peinlich.

„Erstmal guten Morgen, Emily.“

Sie entspannte sich ein wenig und nickte. „Entschuldige. Guten Morgen.“

Ihre Stimmen hörten sich durch den Stoff des Mundschutzes gedämpft und ein wenig verfälscht an. Aber in dieser Umgebung konnten sie ihn nicht abnehmen.

„Die beiden Kisten kommen Morgen an. Bist du so weit, dass du sie untersuchen und für die Ausstellung fertig machen kannst? Sonst lasse ich Brad…“

„Nein!“ Sie hatte eindeutig zu heftig reagiert, was Richard mit einem leicht amüsierten Ausdruck um seine Augen quittierte.

„Ich meine,“ sie versuchte es jetzt mit gedämpfter Lautstärke. „Nein, keine Sorge, ich werde rechtzeitig hier fertig. Wenn du eine der Kisten an Brad geben willst…“ Sie wollte nichts von ihm verlangen. Inzwischen hätte es Emily nicht gewundert, wenn Richard aus verletztem Stolz dafür gesorgt hätte, dass sie gar nicht an den beiden Käufen aus Norwegen hätte arbeiten können.

„Du bekommst die Moorleiche. Ich weiß, dass dir das was bedeutet.“

Er sah ihr tief und schweigend in die Augen, was Emily vom ersten Moment an sehr unangenehm war. Vielleicht bildete sie es sich ein, aber sie glaubte mehr in seinem Blick zu sehen, als es in dieser Situation angebracht war.

„Vielen Dank, Richard. Ich werde mein Bestes tun. Aber damit ich alles schaffe, muss ich jetzt hier weiter machen.“

Sie hatte sich also nicht geirrt. Jetzt sah sein Blick ein wenig verletzt aus. Emily war dankbar, dass er nichts sagte, außer dass er ihren Einsatz zu schätzen wusste. Als Richard den Raum verlassen hatte und Emily sicher war, dass er weit genug weg war, damit er sie weder sehen noch hören konnte, stützte sie ihr Gesicht kurz in ihre behandschuhten Hände.



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