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Deep Six

von

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Away

Wie hatte er sich das eigentlich wirklich vorgestellt? Wohl irgendwie einfacher. Und vielleicht weniger seltsamer. Dabei hatte er doch eigentlich immer das Gefühl gehabt, dass er zu den seltsamen Leuten gehörte, die sich lieber hinter den Büchern verkrochen und die die Leute mieden. Aber wahrscheinlich hatte er das auch getan, gerade weil er gemieden worden war. Und noch wahrscheinlicher war das alles ein einziger Teufelskreis. Während er immer weiter in den Seiten verschwand, entfernten sich auch alle anderen immer mehr. Und zwar von ihm. Aber irgendwie war man das doch gewohnt. Und so wirklich störte es ihn auch gar nicht. Vielleicht auch einfach, weil er diese ganze Drumherum nicht kannte. Er war auch gar nicht der Typ dafür. Nicht, dass es ihn nicht interessiert hätte.

Aber es war doch zu spät, wenn man hinterher darüber nachdachte. Auch wenn er nicht glaubte, dass Byou ihn einmal mit in das Nachtleben Tokyos nehmen würde. Als ob er es unter den Leuten überhaupt gut aushielt. Nein, er war wohl wirklich die Art Mensch, die sich gerne in den eigenen vier Wänden verkroch. Rührte von der Strenge seines Vaters. Wobei Vater auch eher so ein Begriff war, den er für diesen Mann nicht allzu gerne verwendete. Auch wenn er seinen Vater schon achtete und irgendwie auch sicher liebte. Nur hatte er nicht viel Väterliches an sich. Einer der Gründe, wieso es ihn nicht in Osaka gehalten hatte.

Dabei müsste man meinen, dass diese Stadt ebenfalls groß genug sei.

Die Universitäten hier waren besser, hatte er gesagt. Und es war auch nicht gelogen. Die Universitäten waren hier tatsächlich besser. Viele leider viel zu gut für ihn. Er war nicht dumm. Nicht übermäßig. Aber es gab doch verschiedene Arten von Intelligenz. In Sachen sozialer Intelligenz durfte er sicherlich von sich behaupten, strohdumm zu sein. Das fiel ihm hier mal wieder mehr auf, während das rebellische blonde Schaf seiner Familie abermals in seiner Wohnung stand und weiter versuchte irgendetwas aufzubauen. Noch war Zeit bis das Semester begann. Wäre auch sehr schön, wenn bis dahin alles stand und er sich nicht alles aus seinen Luftverpackungen und Kleiderkartons suchen musste, um es anschließend wieder dort hinein zu bugsieren. Sicherlich würde die ganze Sache auch viel schneller von Statten gehen, würde nicht nur eine Person arbeiten und die Zweite so tun, als arbeitete sie, obwohl sie es ganz offensichtlich nicht tat.

Das versuchte er ja auch gerade. So tun, als würde er arbeiten. Ehrlich gesagt, hatte er noch immer keinen rechten Schimmer, was hier zu tun war. Die Pläne hatte er sehr wohl gelesen und versucht zu verstehen, als er am Abend noch ewig wach im Bett gelegen hatte. Zu dem musste man auch sagen, dass seine sogenannte Starthilfe das Bett in der Halbzeit in dem Manabu halbherzig versucht hatte, illegal Alkohol zu kaufen, verdammt schnell aufgebaut hatte. Zumindest war er definitiv schneller gewesen als vorhin, als er noch dabei gewesen war.

Nach Byous Version hatte es sich so zugetragen, dass er irgendwann nachdem er gegangen war, auf die glorreiche Idee kam seine farbigen Kontaktlinsen herauszunehmen. Das ließ ihn nicht nur weniger kühl wirken, sondern anscheinend auch viel besser sehen, womit es ihm dann plötzlich ein Leichtes gewesen war, die richtigen Teile nicht nur schnell zu finden, sondern auch sicher zu verschrauben. Womit sein neues Bett nun in einem Zimmer der Wohnung stand. Das machte einen „vollen“ oder wenigstes genutzten Raum in dieser Wohnung. Von insgesamt drei. Plus Küche und Bad. Mehr als er brauchte. Viel mehr. So viele Möbel hatte er auch gar nicht.

Aber das Bett stand und das war wohl die Hauptsache.

Von seiner eigenen Version der Geschichte fing er wohl lieber gar nicht erst an. Das war nicht besonders gut für das Selbstvertrauen. Ein fluchender Byou jedoch auch nicht. Die Linsen hatte er heute natürlich wieder drin. Wieso genau war Manabu eigentlich ein Rätsel. Besonders wenn sie so störten, wie er sagte. Man sollte sicherlich auch meinen, dass es nicht so schwer war ein Bücherregal aufzubauen. Auch wenn es so groß war, wie dieses. Eigentlich waren es sogar zwei. Zwar hatte er gerade nur fünf Kartons auf denen dick und fett „BÜCHER“ stand, aber so wie er sich kannte, würden es viel zu bald wieder viel zu viele werden. Das war so ein Punkt bei dem sein Vater mehr praktisch war. Der Geldhahn floss und floss. Ob er wohl irgendwann zugedreht wurde. Wäre ihm das eigentlich recht, oder nicht? Wirklich etwas selbst geschaffen hatte er bis jetzt noch nicht. Handwerklich schon gar nicht. Da war er einfach nicht begabt. Eigentlich war er ja doch dümmer, als er zuerst angenommen hatte. Seine soziale Kompetenz konnte man völlig vergessen, sein Selbstbewusstsein in die Tonne kicken und noch dazu hatte er keinerlei Phantasie oder handwerkliches Geschick.

Sein Leben passte in sieben Kartons. In sieben Luftverpackungen. Eine Luftverpackung. Ein Kleiderkarton und Unmengen von Büchern.

Er mochte Geschichten. Das war es auch schon. Aber er war ja nicht einmal gut darin zu träumen. Sonst wüsste er doch, was er mit seinen Leben machen wollte. Und ausnahmsweise sprach er dabei nicht von der Luftverpackung. Und auch nicht von allen anderen Schachteln, die noch immer ihr Dasein in seiner Kochhöhle fristeten. Dort würden sie wohl auch noch eine Weile bleiben, wenn das so weiterlief.
 

Ja, er fühlte sich schon noch sehr nichtsnutzig hier. Leider bekam der Blonde die neue Herausforderung auch nicht wirklich auf die Reihe, dazu waren die vielen Bretter zu lang und zu hoch gelegen. Also auch nichts, wobei er helfen könnte. Auch wenn er geholfen hätte.

„Dabei hab ich ihm gesagt, dass ich seine Hilfe brauche.“, grummelte der Ältere leise in sich hinein und stellte im selben Atemzug das lange und viel zu schwere Stück Holz zurück an die Wand, wo noch andere standen. An sich stand das große Regal schon. Jetzt musste man nur noch die Reihen an ihre Stelle bringen. Doch genau daran scheiterte es. Es war nun eben doch zu hoch. Und vor allem auch ziemlich schwer. Das könnte natürlich auch an seinen mehr nicht vorhandenen Muskeln liegen, aber man redete sich ja gerne etwas anderes ein. Vor allem dann, wenn man sowieso kein Selbstbewusstsein hatte. Wie denn auch, wenn das eigene Leben in sieben Kartons passte?

Nachfragen vom wem der Ältere sprach, tat er auch nicht. Byou schien auch schon bemerkt zu haben, dass man mit ihm wohl nicht gut reden konnte, deswegen akzeptierte er es wohl, dass er keine Antwort bekam. Aber es hielt ihm nicht davon ab munter weiter auf ihn einzureden. Hauptsächlich darüber, wie ach, wenig Selbstvertrauen er doch hatte und dass das doch nicht ginge und man definitiv etwas dagegen machen musste. So war alleine das Thema etwas auf das er nicht gerne antwortete. Dann lieber weiter hinter den Büchern verkriechen, deren neues Zuhause hier gerade fertiggestellt werden sollte.

Ein anderes Thema war die letzte Wand, die es erst heute zu weißer Farbe gebracht hatte. Dort hatte er mitgeholfen. Und sich nebenbei erzählen lassen, dass der Ältere einfach nicht vorher dazu gekommen war, die gesamte Wohnung zu streichen. Schließlich musste er noch arbeiten. Manabu hätte sich sicher nicht darüber beschwert. Das, was er hier bekam, war sowieso weit mehr, als er erwarten durfte. Ob Byou wohl von seinem Vater bezahlt wurde? Das wäre doch einleuchtend. Wieso sollte er ihm denn auch sonst so lange helfen?

Eigentlich war es auch geplant gewesen, dass er in eine fix und fertige Wohnung einzog. Solange sein Vater das auch dachte, war auch alles in Ordnung. In solchen Sachen war er auch sehr genau. Einfach ein typischer Perfektionist. Der auch andere mit reinzog. Aber wie sollte ein Mensch alleine in so kurzer Zeit eine ganze Wohnung renovieren? Obwohl…hatte der Ältere denn nicht gerade gesagt, dass er Hilfe hatte? Oder zumindest jemanden, der ihm helfen konnte, während er auch noch seine Arbeit unter den Hut brachte. Was er wohl machte? Interessieren würde es ihn schon, aber er war zu feige, um zu fragen.

Stattdessen war er damit beschäftigt Teile des ausgelegten Papiers, das die vielen Farbtropfen vom Boden fernhalten sollte, zu entfernen. Da wo die Farbe noch nicht trocken war, traute er sich das nicht, deswegen blieb es dran. Der Rest landete im Papierkorb. Der war auch schon voll bis obenhin und weiter.

„Keine Ahnung, ob du irgendwann noch ein wenig Farbe hier reinbringen willst, aber wenns so weit ist, kannst du mich ruhig um Hilfe bitten.“, erklärte der Ältere in aller Seelenruhe dem Farbeimer mit der Weißen Farbe, der nur noch halbvoll war. Zumindest sah er nicht zu ihm hoch, während er dann doch den Deckel schloss, nachdem Manabu es dann doch geschafft hatte das letzte Stück auch noch schön einheitlich Weiß zu streichen. Das Regal musste dann wohl noch warten. Ob sie bei diesem Tempo wirklich fertig wurden?

„Jetzt geh mal den Pinsel auswaschen, bevor die Farbe noch eintrocknet, die Dinger sind teuer.“, sagte Byou und deutete auf den breiten Pinsel in seiner Hand. Diese komische Rolle, von dem er nicht genau wusste, wie es hieß, wenn es denn einen speziellen Namen hatte, hatte Byou ihm nicht in die Hand gedrückt. Nach dem Älteren war es eine Farbwalze. Aber aus Gummi. Deswegen wohl nicht.

Er hatte sich nicht beschwert. Er würde sich hier auch kein einziges Mal beschweren. Meist nickte er einfach nur ergeben und machte die Laufburschenaufträge. Und wenn das hieß, dem Älteren nur ein Glas Wasser zu holen. Das war doch eigentlich auch besser, als zu etwas anderes eingeteilt zu werden. Oder noch schlimmer nur dumm in der Gegend zu stehen und anderen beim Arbeiten zuzusehen.
 

Wie immer nickte er also nur, wenn das bedeutete nicht unbedingt den Mund aufzumachen und trollte sich in Richtung Badezimmer, dass ganz am Ende des L-förmigen Ganges lag, der die Wohnung durchzog. Wobei er gar nicht so weit kam. Seine Probleme schienen ja immer recht früh zu beginnen. Am besten nahm er die Sache von wegen kein Pech schnell wieder zurück. Aber wie hätte er das auch erwarten sollen?

„Na, toll, und das war mein Lieblingsshirt.“ Während also der Pinsel samt der Weißen Farbe nicht nur im schwarzen Lieblingsshirt dieser Person, sondern auch an seiner Wange klebte, überlegte er fieberhaft, wieso ihm diese Stimme so bekannt vorkam. Natürlich war das hier ein absolutes Déjà vu, das er hier erlebte. Wenn auch ohne Kaffeebecher, der auf der Straße landete und von hunderten Füßen weggetreten wurde. Und auch ganz ohne riesigen Kaffeefleck auf einem blütenweißen Hemd. Dafür nun mit einem blütenweißen Akzent auf dem schwarzen Oberteil. Und auf seiner Wange. Die Frage war nun, ob man den Fleck wieder rausbekam. Und daran zweifelte er ehrlich gesagt.

So oder so dauerte es ziemlich lange, bis er irgendwie reagierte. In seinem Fall war das ein verschreckter Satz nach hinten, als er schnallte, dass er es tatsächlich geschafft hatte, die gleiche Person zweimal anzurempeln. Mit nicht einmal 24 Stunden Abstand dazwischen. War doch auch eine Art Leistung.

Eine Leistung, die es ihm einbrachte, dass er von Byou aufgefangen werden musste, damit er nicht über den Farbeimer fiel, und diesen im schlimmsten Fall auch noch umwarf.

„Du wolltest mir gestern schon helfen.“, kam es von dem Blonden, der den Neuankömmling, der wohl auf die gleiche verdutzte Weise wie gestern in die Runde sah, kurz durchmusterte.

„Ey, ich kann nichts dafür, wenn der Kleine da es anscheinend auf mich abgesehen hat.“ Das war unangenehm. Das war sogar viel mehr als nur unangenehm. Es war nun mal doch so, dass alles irgendwie schief zu laufen schien, wenn er mal nicht unter Aufsicht stand. Vielleicht hatte er auch deswegen gedacht, er hatte kein Pech. Früher war er doch genauso die ganze Zeit unter Aufsicht gewesen.

Gerade wollte er sowieso nur am liebsten schreiend weglaufen. Wie dumm, dass das sicher keine Lösung war. Und das Byou noch immer seinen Arm festhielt. Ziemlich fest sogar.

„Dann warst du das mit dem Kaffee?“, fragte der Blonde dann verwirrt, woraufhin Manabu wieder nur nickte. Diesmal noch seichter als sonst. Und spätestens als Byou dann anfing zu lachen, sah nicht nur der Neuankömmling den Blonden mit einem komischen Blick an. Gott sei Dank, schob ihn Byou aber noch während des ganzen mit einem mehr gelachten als gesagten „Pinsel waschen!“ durch die Tür raus. So konnte er mal wieder flüchten.

„Ich finds nicht so lustig, dass mein Lieblingsshirt nun hin is!“, reklamierte der augenscheinlich Größte.

„Mach keinen Aufstand, das sah sowieso scheiße aus.“

„Sah es nicht!“

Weiter hörte Manabu dann auch gar nicht mehr hin, da schloss er schon die Türe des Bades hinter sich und stellte gleich laues Wasser an, als er am Becken ankam. Währenddessen vergrößerte er den Farbfleck auf seinem Gesicht nur noch mehr, als er versuchte ihn wegzuwischen.

Dummer Fehler. Wirklich dummer Fehler. Zu glauben, er könnte hier irgendetwas anders machen. Wer war dieser Kerl denn überhaupt, dass er so leicht in seine Wohnung kommen konnte? Aber hatte Byou denn nicht „wir“ gesagt? Gehörte er denn zu diesem „wir“?

Und war es denn dasselbe „wir“, das ihm Selbstvertrauen sozusagen einprügeln sollte?

Wenn es so war, dann gute Nacht. Damit war er bei seinem Helfern und Starthilfen, die sich gerade verdoppelt hatten, sicherlich völlig untendurch. Mindestens bei einem. Noch mehr Gewicht für seinen armen Rücken. Byou hatte ihm zwar noch gesagt, dass er nicht alles so schwer nehmen sollte, aber das sagte sich so viel leichter, als es dann war. Noch so eine Sache in der er nicht gut war.
 

Erst als endlich alles Weiß aus den Borsten verschwunden war, traute er sich wieder aus dem Badezimmer. Nachdem das Weiß verschwunden war und er eine Weile lang allen Mut zusammengesucht hatte, den er finden konnte. Bei ihm war das sowieso nicht viel.

Als er wieder in das Zimmer trat, stand das Regal. Zwar nahm es eine Wand voll ein, aber vermutlich würde er viel zu bald noch eines brauchen. Dafür war dieses Zimmer gut. Es sollte eine Art kleine Bibliothek werden. Ein Aufbewahrungsort für Bücher. Für seine Bücher. Das hatte doch was. Dann mussten die auch nicht mehr länger neben den Luftverpackungen vor sich hingammeln.

Doch irgendwie kam es doch immer anders, als man es sich vorgestellt hatte. Auch wenn gar nicht wusste, wie man es sich vorgestellt hatte.

Oder wenigstens etwas leichter.

„Ich muss jetzt dringend los. Wenn du noch was brauchst, musst du dich an Kazuki wenden, nur nicht schüchtern sein, der frisst dich schon nicht.“

Wenn er sich da mal nicht täuschte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ruha_Ducky
2012-09-17T15:35:25+00:00 17.09.2012 17:35
hihi~ 
hab ich doch richtig geahnt das die kaffee-becher-begegnung zu dem 'wir' gehört XD
allerdings mit einer erneuten 'kollision' hab ich dann doch nicht gerechnet XD
hach ja, das leben kann so gemein sein..
aber ich denke die beiden werden ihren spaß miteinander haben XD
jetzt, wo manabu schon zwei von seinen oberteilen versaut hat~
freu mich auf mehr~ ^.^


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