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Froschprinz

von

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Hey ...

2. Kapitel: Hey…
 

„Huhu, Lulu!“ grinst mir Janina schon entgegen, als Papa mich mit einem Laut aus irgendeiner Ursprache aus dem Auto gruselt. Chrissi haben wir bereits abgesetzt, jetzt zieht er los, seine Schüler für die Apokalypse vorzubereiten, um dann ab der zweiten Stunde wieder zum Lieblingslehrer zu mutieren.
 

„Psst!“ fahre ich sie an. „Spinnst du! Schon schlimm genug, dass die mich daheim so nennen, bitte nicht auch noch die ganze Schule!“
 

„Na, da hat sich ja mal wieder einer eine Portion Hass unter seine Frühstücksflocken gemixt“, grinst sie unverdrossen. Janina geht mir ungefähr bis zum Knie, aber wenn sie sauer wird, sehe ich neben ihr aus wie ein Schlumpf. Sie ist nach Hetenjungs-Maßstäben der totale Kracher – und nach den Maßstäben der blasierten „Mein Vater sitzt im Vorstand von Blablablub“-Tussen unseres Jahrgangs ist sie eine billige Schlampe. Sie ist da stolz drauf. Ich will auch eine billige Schlampe sein – aber mit Stil! Sie zelebriert das Ganze, ohne dass die Tussenfront das schnallt. Mit so vielen Typen war sie gar nicht im Bett, aber ihr Outfit legt das nahe. Sie hat ganz lange blonde, tolle Haare, eine Top-Figur inklusive schlanker Beine, Kurven und ordentlich Volumen vor den Rippen – und trägt systematisch immer viel zu wenig, als dass das irgendwer übersehen könnte. Ihre langen künstlichen, mit Strasssteinen beklebten Nägel runden das Bild wohlgefällig ab. Dass das größtenteils Selbstironie und gezielte Provokation ist, raffen die Blödmänner natürlich nicht – und Janina amüsiert sich darüber. Insgeheim wollen sie alle Janina – poppen oder so wie sie alle dazu bringen zu können, sie poppen zu wollen. Okay, ich bilde da die Ausnahme. Sie ist ein Genie. Ein böses Genie. Heute trägt sie schwarze Overknee-Stiefel, einen zum Rock umdefinierten Gürtel und ein Jäckchen, dass irgendwann mal ein glücklicher Flokati war. Recycling ist wichtig! Sie sieht echt aus wie eine Dame vom Gewerbe… und ist Klassenbeste. Das Leben ist echt fies. Aber Hetenkerle haben ja angeblich Angst vor intelligenten Frauen, das Schlampenoutfit ist die perfekte Tarnung, da bekommt keiner von denen mit, wie helle Janina eigentlich ist. Okay, die in unserer Klasse natürlich schon. Und die sind chronisch… verwirrt, wenn sie sie anstarren.
 

Sie herzt mein knurrendes Morgenich und piekt mir mit einer ihrer Krallen in die Wange, sieht mich wimpernklappernd an. „Und… der Plan steht?“ fragt sie.
 

Ich nicke entschlossen. „Ja, Morgen heißt es: auf zu neuen Ufern!“ verkünde ich.
 

„Was? Du willst doch wieder eine Hete werden? Aber… aber… so funktioniert das nicht, du Töffel! Oder war diese ganze schwul-Nummer nur ein linker Trick, um mich in die Kiste zu bekommen?“ stichelt sie, während wir über den Schulhof laufen. Jüngere Schüler starren uns an. Wir sind die Freaks. Aber nicht die Nerd-Freaks, sondern die Freak-Freaks. Für Nerds spielen wir zu wenig Schach, sind zu gut in Sport und sehen zu gut aus, auch ohne Makeover.
 

„Nein“, erwidere ich augenrollend. „Vergiss es! Ich komme dir nicht unter die Killer-Krallen!“
 

„Na, dann ist ja gut“, spottet sie sanft. „Aber bist du sicher, dass ich mit soll?“
 

„Ja!“ entgegne ich bestimmt. „Allein… ach nee…“ Ich bin so eine feige Nuss. Muss ja keiner wissen.
 

„Und was soll ich als Frau da? Da werde ich doch bestimmt schief angeguckt?“ grübelt sie. Ihre Absätze klingen wie Maschinengewehrfeuer auf dem Asphalt.
 

„Ich sag einfach, du seist ne Transe!“ schlage ich höflich vor und fange mir einen Tritt.
 

„Pah!“ schnaubt sie. „Nein: Ich bin lesbisch! Genau!“
 

„Aber du bist doch gar nicht…“, protestiere ich.
 

„Was nicht ist, kann ja noch werden“, erwiderte sie schnippisch. „Ein bisschen bi schadet bekanntlich nie.“
 

„Bäh!“ ekle ich mich demonstrativ.
 

„Es sei denn, man ist so stockschwul wie du“, gibt sie seufzend zu. „Alle Heten haben irgendwo ein schwules Gen, aber wer den Heiligen Gral des Schwulseins errungen hat, der rückt ihn natürlich nicht wieder raus!“
 

„Genau!“ grinse ich. Ich werde wacher. Die Sonne scheint. Das Leben beginnt zu lachen. Wir schreiben eine Klausur.
 

„Du bist so ein Blödi, Ludwig“, eröffnet sie gönnerhaft, während wir in unseren Klassenraum treten.
 

Wir sind spät dran. Superstreber Manuel weist alle mit einem hysterischen Unterton dazu an, ihre Tische schon mal in Position zu rücken, damit keine wertvolle Arbeitszeit verloren geht. Solange es nicht fürs Abi gezählt hat, wurde er ignoriert. Jetzt spuren alle. Seine große Zeit. Wird er bestimmt in seinen Memoiren genauso schildern.
 

„Hallo Grünkäppchen!“ zischt Philipp mir entgegen. Er kann es partout nicht verkraften, dass ich schwul bin und dennoch keine totale Witzfigur, die ständig heult und sich in den Spitzenschlüpfer macht. Und der Typ reißt im Unterricht immer brav das Maul jedes Mal auf, wenn es um Toleranz geht - und es Punkte abzustauben gibt. Mit der Praxis sieht es anscheinend noch nicht so gut aus. Armes Hasi.
 

„Hallo, böses Wölfchen. Sexy, deine alte Jeans. Riecht so nach… Würde? Nee… Geschmack? Nee… Altersheim? Ja, das ist es! Oh Mann!“ strahle ich ihn an. Wenn er größer wäre, würde er mir in die Nase beißen. Wenn er stärker wäre, würde er mich hauen. Aber blöderweise bin ich größer und stärker. Das Leben ist so ungerecht! Janina kichert böse. Er verzieht angewidert das Gesicht, aber so wie er glotzt, ist es sonnenklar: Er ist scharf auf Janina. Wie so ziemlich jeder dieser bigotten Idioten. Okay, sind sie nicht alle. Mein Sitznachbar Mark zum Beispiel ist okay. Er ist einfach… neutral. Hält sich raus. Ich glaube, es ist ihm wirklich schnuppe. Sehr sympathisch.
 

Ich lasse mich auf meinen Platz plumpsen, den irgendwer netterweise schon in Reih und Glied gerückt hat. Janina schräg vor mir kramt ihre Stifte heraus. Sie hebt ihren pinken Glücksfüller und gibt ihm einen Kuss, als sei sie ein Cowboy und wir im wilden Westen. Leon, dem designierten Klassenclown, fallen fast die Augen raus. Luisa und ihren beiden Scherginnen – gibt’s das Wort? Egal, Frauen können das auch sein – Karla und Lena zischen abfällig. Erstickt doch an euren verlogenen Perlenohrringen. Janinas billige Plastikklunker sind da viel ehrlicher – und selbstfinanziert. Janina sitzt an der Kasse von Edeka, drei Mal die Woche, dafür und hält nicht einfach nur die Hand unter Papas Nase auf. Eine Welle der Zärtlichkeit steigt in mir auf. Da mögen die sich aufregen, wie sie nur wollen, Janina hat Stil, ihren eigenen, ist nicht so ein angepasstes Mäuschen. Und sie hat auch den Charakter, das durchzuziehen. Und ich werde das auch durchziehen… mein Ding… cool sein… und endlich Sex haben! Tonnenweise davon! Aber erst einmal…
 

„Guten Morgen, meine Lieben!“ strahlt Frau Theobald, unsere Englischlehrerin. „Ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Eine wunderschöne Klausur, Sie schreiben sie, ich korrigiere sie – juhu!“ Der Tonfall legt nahe, dass sie nicht davon ausgeht, dass eine der beiden Seiten darauf sonderlich Bock hat. Aber wie der Hamburger so sagt: Wat mut, dat mut. Auf geht’s.
 

Zwei Schulstunden später komme ich wieder zu mir. Das Heft ist weg. Erledigt. Fertig. Finito. Ich habe geschrieben wie ein Besengter. Probleme der Globalisierung für Indien. Mein Lieblingsthema. Kleiner Scherz. Aber ich bin guter Hoffnung. Ich bin ganz gut in Englisch. Insgesamt bin ich sowieso keine schulische Niete. Bis auf Musik. Da bin ich ein totaler Fail. Ich kann eine Geige nicht von einer Blockflöte unterscheiden. Ich höre sie – Musik, nicht Geigen und Blockflöten - gerne, aber darüber nachdenken zu müssen? Führt bei mir zu Gedankenmüll. Und einer Gnadenvier. Aber muss ich eh nicht einbringen.
 

Manuel lässt die Tische wieder zurückrücken. Ich glaube, man verschiebt mich einfach mit, weil ich noch im post-Klausur Dusel bin.
 

Herr Franke, mein Mathelehrer mit den Piercings, erscheint wie Jack off the Box. Erzählt irgendetwas. Ich bestaune seinen Nasenring und teile ihn durch die Wurzel von Pi. Schreibe artig ab, was er an die Tafel schreibt. Dann ist Pause. Kaffee!
 

Irgendwie zombe ich zum Automaten. Kippe das Zeug in mich rein. Komme wieder zu mir. Renne gegen irgendetwas, als ich den Plastikbecher wegwerfen will.
 

„Hi!“ kommt ein Stimmchen von unten. Ich schiele abwärts. Vor mir steht Hauke, ein Junge aus der Elften, den irgendwer zu gießen vergessen hat. Er ist klein und wirkt irgendwie immer ein wenig trübsinnig.
 

„Hi“, grüße ich verblüfft zurück.
 

Er starrt zu mir hinauf, als würde sich mir gerade eine Boa aus der Nase schlängeln. Er ist knallrot. „Ich…“, keucht er.
 

„Äh… ja?“ helfe ich ihm probehalber aus.
 

„Ich ma… ma… mag… dein… Haar. Die Farbe! Ich mag deine Haarfarbe!“ stottert und prustet er hinaus. „Ist wie deine Augen! Wie Arielle!“
 

„Arielle?“ erwidere ich entgeistert.
 

„Arielle die Meerjungfrau! Wie der Schwanz von Arielle der Meerjungfrau!“ eröffnet er mir und nimmt endgültig die Farbe einer Tomate an.
 

Hey, ich bin keine Tussi aus einem Zeichentrickfilm!!! Ich habe einen Schwanz! Okay, hat Arielle auch. Scheiße. Immerhin riecht meiner nicht nach Fisch.
 

Hauke schlägt sich die Hände vor den Mund. Er keucht. Dann dreht er sich um und rennt, als sei die Rote Armee hinter ihm her. Ausschließlich.
 

„Was… was war das denn?“ stammele ich, als Janina lachend auf mich zutritt.
 

Sie legt ihre Hand auf meinen Oberarm. „Er wollte dir ein Kompliment machen“, beruhigt sie mich.
 

„Was war das denn für ein Kompliment!“ koche ich. „Ich sehe nicht aus wie eine Kitsch-Nixe!“
 

„Hey, reg dich ab!“ lacht sie. „Das war doch… total süß.“
 

War es das? Fühlt sich nicht süß an. Oder?
 

„Du hast das nur in den falschen Hals bekommen“, lullt sie mich ein. „Das war total lieb gemeint. Er mag dich, glaube ich, und da redet man nun mal zuweilen Quatsch.“
 

Er mag mich? Der da? Häh?
 

„Er ist doch niedlich, oder?“ bohrt sie.
 

„Ja… klar… niedlich“, murmele ich.
 

Sie zieht die fein geschwungenen Augenbrauen zusammen. Ihre billigen Armreifen klappern, während sie über meine Schulter streichelt. „Was hast du an ihm auszusetzen?“ will sie wissen.
 

Ich zucke mit den Schultern. „Ich… weiß nicht“, nuschele ich. „Ich will es krachen lassen. Keine Schulbeziehung. Und er… er ist nicht… sexy.“
 

„Aber er ist hübsch. Er ist lieb. Und er mag dich“, redet sie auf ihn ein.
 

Ich verziehe verstockt das Gesicht. Aber irgendwie bin ich verwirrt.
 

„Ach, schon gut“, lächelt sie. „Das lässt sich nicht erzwingen. Lassen wir es krachen, Mr. Geiler Oberhengst!“
 

Erleichtert lächle jetzt auch ich. „Genau!“ bestätige ich.
 

Sie greift nach meiner Hand. „Komm, die anderen warten schon.“
 

Ich folge ihr. Die „Anderen“ sind Jasmin, Vanessa, Jaroslawa nebst ihres immer ein wenig verstockten Freundes Hannes. Ich schlürfe an meinen zweiten Kaffee. Lausche dem Tratsch. Nathan hat sich von Linda getrennt. Juhu! Aber er ist und bleibt hetero, nichts dran zu rütteln. Mist. Aber träumen darf man doch? Lissy und Daniel sind jetzt ein Paar. Laaaangweilig. Lehrer Soundso war beim Lateinkurstreffen so besoffen, dass er ins Aquarium gekotzt hat. Ich dachte, Lehrer seien trinkfester. Ich mustere die asbestverdächtige Deckenvertäflung. Warte auf Schulschluss. Warte auf Morgen.
 

……
 

Janina und ich sitzen in ihrem uralten Golf, den sie von ihrer Mutter zum Achtzehnten bekommen hat.
 

„Was ist eigentlich dein Traumtyp?“ fragt sie mich, während sie den Wagen startet.
 

„Alle, die was hermachen!“ behaupte ich nonchalant.
 

„Und wer macht was her, wenn schon nicht Hauke?“ lächelt sie.
 

Musik aus dem Radio scheppert aus der Anlage. Alsterradio, wie passend.
 

Ich zucke mit den Schultern. Überlege. „Männlich“, sage ich schließlich. „Süß.“
 

„Männlich und süß werden allgemein nicht gerade gleichgesetzt“, behauptet sie.
 

Ich ignoriere sie. „Und… sexy. Alles“, sinniere ich.
 

„Und was findest du sexy?“ will sie wissen.
 

Einen Kerl?! „Keine Ahnung“, murmele ich. „Das… das sehe ich dann…“
 

„Wann, dann?“, fragt sie, während sie die Ausfahrtsstraße entlang gurkt.
 

„Wenn ich so einen sehe!“ behaupte ich trotzig. „Morgen Abend!“
 

Sie seufzt. Ich fühle mich nicht ganz ernstgenommen. Aber dann sagt sie: „Okay. Morgen Abend suchen wir einen männlichen, süßen, sexy Typen für dich!“
 

„So sehe ich das auch! Oder auch zwei!“ behaupte ich auch aus Gründen der Selbstmotivation.
 

Sie grinst mich breit an. „Du schlimmer Finger du! Böser Lulu!“ behauptet sie.
 

Ich leide still vor mich hin.
 

……..
 

Ich bin der Erste Zuhause heute, hatte ja nur fünf Stunden. Schwein gehabt. Aber jetzt rühre ich in einer Pfanne herum und komme meinen Pflichten als großer Bruder nach. Rührei mit Speck für Chrissi, Papa und mich. Papa sitzt am Küchentisch und lächelt zufrieden mit sich und der Welt vor sich hin. Chrissi frisst „Harry Potter“ in sich hinein. Und ich koche. So will es der Familienplan. Ich bin weder ein passionierter noch ein guter Koch, aber das bekomme ich hin. Ich verteile die Portionen auf den Tellern, garniere das Ganze halbherzig mit ein paar Tomatenscheiben und serviere. Sie grinsen mich hungrig an. Liebe geht wohl echt durch den Magen.
 

„Wie war die Englischklausur?“ mampft Papa beseligt.
 

„Gut“, murmele ich und schließe mich der familiären Schaufelei an. Wir sitzen in der Essecke der Küche. Nebenan ist noch ein Esszimmer. Benutzen wir nur, wenn Besuch da ist.
 

„Wir haben gesungen!“ erzählt Chrissi stolz. Sie demonstriert mit vollem Mund: „Alle Vögel sind schon da, alle Vögel alle!“ Ei hängt an ihrem rechten Schneidezahn. Ich nicke ihr bewundernd zu und streiche ihr übers Haar. Meine kleine Schwester. Eine Operndiva. Dafür muss sie aber noch mehr essen. Ich lade ihr nach, Papa sieht mir aufmerksam zu, ich gebe ihm auch eine Extraportion.
 

„Und wie war’s bei dir?“ frage ich Papa.
 

„Gut“, murmelt er. „Aber das sind echt manchmal Lahmärsche! Saufen am Vortag und sind dann schlapp wie nasse Turnschuhe. Wer saufen kann, der kann auch laufen! Gar kein Ehrgeiz, grauenhaft, da muss man vielleicht hinterher sein!“
 

Sein übliches Jammerlied. Das Los jedes Sportlehrers. Aber ich bin ihm ausgesprochen dankbar für seine Gene, ich bin nicht von der Sorte, die nicht werfen kann. Ich hatte immer eine Ehrenurkunde bei den Bundesjugendwettspielen. Philipp nicht. Nochmal ätsch.
 

„Und du willst…?“ fragt Papa vorsichtig. „Morgen wirklich los?“
 

„Ja!“ bestätige ich fest. „Himmel, meine Jahrgangskameraden gehen seit Jahren auf den Kiez. Ich war immer brav und artig, habe eure Verbote geachtet. Aber jetzt bin ich volljährig! Und Janina kommt ja mit.“
 

„Geht ihr…?“ bohrt mein Vater und massakriert sein Rührei.
 

„In einen Schwulenclub? Ja, Papa, denn was soll ich bei der Heten-Datebörse? Will ich nicht. Kann ich nicht. So bin ich nicht!“ rege ich mich ein wenig auf.
 

„Ja ja, ich weiß“, beschwichtigt mich Papa.
 

„Großer, schwuler Bruder“, nickt Chrissi einmütig. „Will mal einen Mann heiraten. Und das darf er auch!“
 

Das entspricht ihrer Verständnisebene, also Ruhe! Sie ist neun.
 

„Ja, genau“, pflichte ich ihr bei. „Aber dazu muss ich erst mal einen kennenlernen!“
 

„Aber… in der Disko…?“ zaudert Papa.
 

„Warst du nie in einer Disko und hast einen draufgemacht?“ fordere ich ihn heraus. „Papa, echt, ich bin achtzehn. Und ich habe noch nie… jemanden kennengelernt. Also bitte!“ Das entspricht zwar nicht dem vollen Ausmaß des „Plans“, aber elterlicher Logik.
 

Er nickt verstehend. Er begreift wahrscheinlich schon, was ich mit „niemanden kennengelernt“ meine. „Sei vorsichtig“, sagt er eindringlich.
 

Zumindest in dem Punkt muss ich nicht flunkern. „Auf jeden Fall!“ erwidere ich.
 

………………
 

Freitagnachmittag. Ein ewiger Schultag liegt hinter mir. Ich habe in der Hitze des Gefechtes beim Fußball Nathan gegen das Schienbein getreten. Leider wird das wohl immer das Maximum an Körperkontakt sein, das ich jemals von ihm kriegen werde. Ich befürchte fast, dass er darauf auch hätte verzichten können, so wie er vor Schmerz geschrien hat. Janina und ich waren nach Unterrichtsschluss shoppen. Da stehe ich zwar nicht besonders drauf, aber es musste sein. Okay, Aufregung und Eitelkeit waren da schon hilfreich. Jetzt rüschen wir uns auf. Ich bin bei ihr in ihrem kleinen Zimmer. Ihr Vater hat sich noch vor ihrer Geburt verdünnisiert, ihre Mutter und sie schlagen sich so durch. Frau Zimmermann, Janinas Mutter, ist eine freundliche Person, aber Janinas Intelligenz überfordert sie zuweilen. Die muss sie von ihrem Vater haben, wahrscheinlich. Aber Janina liebt ihre Mutter, ein böses Wort über sie und Janina verwandelt sich in ein Gedärme fressendes Monster. Zu Recht. Frau Zimmermann hat nichts anderes verdient.
 

„Cool?“ frage ich Janina und drehe mich im Kreis. Sie nickt und grinst.
 

„Lässig!“ bestätigt sie. Eine Jeans, ein genau passendes grünes Shirt. Wahrscheinlich würde auch jeder Laubfrosch auf mich stehen. Ich muss an Professor Hastig und Kermit aus der „Sesamstraße“ denken: Junger Mann, Sie sind ein Frosch! Könnte mir auch passieren.
 

Feierlich steht sie auf. Sie sieht super aus in ihrem kurzen, hellblauen Kleidchen. Legt mir die Hände auf die Schultern. „Du bist ein wunderschöner Mann“, sagt sie sanft. „Vergiss das nie. Du bist ein totaler Spinner, aber das steht auf einem anderen Blatt. Aber du siehst wirklich toll aus.“
 

„Du auch“, murmele ich errötend und küsse sie rasch auf die Nase. Ich bin ihr so dankbar für diese aufbauenden Worte, denn ich bin fürchterlich aufgeregt. Mein erster Abend… da draußen. Werde ich genügen? Werde ich den Grundstein meiner „Karriere“ legen? Oh Mann, oh Mann…
 

Janina muss mich bremsen, als ich drohe die von ihrer Mutter gespendeten Gummibärchen im Rekordtempo zu vertilgen, um meiner Aufregung irgendein Ventil zu geben. Es stimmt schon, es wäre schon schade, wenn die Sache in die Hose ginge, wenn ich dem auserkorenen geilen Typen statt heiße Sprüche Gummitierfetzen um die Ohren huste. Nein, das wäre gar nicht gut.
 

Zwei Stunden später sind wir endlich da. Viel zu früh. Es ist gerade mal kurz nach Elf. Dennoch ist die Reeperbahn brechend voll. Überall Menschen, Menschen, Menschen, wollen sich vergnügen, etwas erleben, wen finden, und wer nicht so erfolgreich ist… Die Prostituierten lauern an jeder Ecke. Und das ist nur das „Bodenpersonal“. Ich weiche erschrocken zurück, als eine mich anmacht. Garantiert nicht. Nie im Leben! Zumindest das wird man mir niemals vorwerfen können. Janina hält meine Hand. Wir wanken durch die aufgekratzte Menge. Sie dirigiert uns. Strahlt mich an. Sie kennt das hier längst, ich nicht dank Mama und Papa. Scheiße, bin ich aufgeregt! Das darf echt keiner merken. Das hier ist das Leben, der Puls der Zeit, ALLES ist hier möglich. Und heute möchte ich auch etwas abhaben von „alles“. Einmal Leben mit ALLES sozusagen.
 

Ich habe mich natürlich schon schlau gemacht, wo man so hingeht, das war das geringste Problem. Aber ohne Janinas Ortkenntnis und Coolness hätte ich mich trotz der Konsultation von Schwuugel Maps bereits jetzt schon drei Mal heillos verlaufen gehabt. Es ist so irre voll hier und laut, und überall ist etwas, Lichter, Menschen, totales Chaos. Die Reeperbahn ist definitiv nicht der Schneewittchenweg. Ich verursache beinahe eine Massenkarambolage, als ich wie das letzte Landei eine völlig gedankenlose Vollbremsung vor dem Schaufenster eines Hochglanz-Sexshops hinlege, der fast wie ein Feinkost-Supermarkt aussieht. Vielleicht bin ich auch das letzte Landei, aber daran darf ich einfach nicht denken…
 

Janina strauchelt und klammert sich reflexartig an mir fest. Ihre Absätze sind so hoch, dass sie mir damit fast bis zur Schulter geht. Aber nur fast. „Was ist…?“ keucht sie, dann sieht sie meinen Glotzblick.
 

„Mag es da einer härter?“ grinst sie.
 

„Nein!“ keuche ich. „Aber das… oh Mann… das ist wirklich… das so…“
 

Sie stupst mich leicht an. „Also gut aufpassen, wenn du damit nicht wider Willen Bekanntschaft machen willst. Ich vermute mal, das ist nicht gerade das, was du dir unter ‚süß‘ vorstellst?“
 

Ich schüttele stumm mit dem Kopf. Klar weiß ich dank Internet von solchen Dingen, aber den Kram direkt vor meiner Nase in einer Auslage zu sehen, macht es so real. Hier laufen Menschen rum, die das kaufen, die genau das wollen. Ich will mir aber nicht den Arsch verhauen lassen, nein, nein, nein, ganz und gar nicht, aber was ist, wenn mein Aufriss…? Ganz ruhig. Kannst ja auch nein sagen. Hoffentlich. Aber für den Anfang wäre mir dann doch jemand lieber, der seine Wohnungseinrichtung nicht aus diesem Laden hat. Ich schlucke. Ich habe echt null Schnall. Vielleicht ist das ja total üblich? Und ich falle als verklemmter Idiot auf? Meine Pornobildung hilft da nicht wirklich weiter. Sicher ist das Fiktion – aber wie viel davon? Und das Leben, das ich kenne, ist so anders… Aber wer weiß, was dahinter steckt? Was Philipp, Luisa, Mark, Jasmin in Wirklichkeit toll finden und hinter verschlossenen Türen treiben? In mir schwirrt es. Ich atme tief durch. Hilft ja nichts, sich darüber jetzt einen Knoten ins Hirn zu grübeln. Ich würde es schon noch herausfinden. Hoffentlich ohne Blamage und Blessuren. Kacke, ich bin total unsicher… will ich aber nicht sein!
 

Janina wartet geduldig, während ich mein Gedankenchaos versuche zu ordnen. Herum zu grübeln hilft hier absolut kein Stück weiter, ist mir auch klar. Theoretisch Fahrrad fahren zu können bedeutet im Klartext auch, dass man es eben gar nicht kann. Aber dennoch… keep cool… Ich sehe gut aus… ich sehe gut aus… männlich… dass in mir ein zaghaftes Häschen hoppelt, weiß ja niemand… bis auf Janina.
 

Sie tätschelt meine erneut Schulter. „Mach dir keinen Stress!“ befielt sie mir tröstend. „Wir schauen mal. Wenn sich was ergibt, okay – wenn nicht, dann hast du eben erst einmal das Terrain sondiert. Jasmin, Vanessa, Jaro und Hannes sind in der „Freiheit“, wenn bei uns nichts geht oder wenn du die Nase voll hast, gehen wir eben zu ihnen rüber und amüsieren uns da. Tanzen einfach ein bisschen. Ist ja nichts dabei, du bist schließlich hier, um dich zu amüsieren und nicht um dir einen abzubrechen.“
 

Wahre Worte, dennoch wünsche ich mir, sie hätte sie nicht gesagt. Ich will nicht… versagen. Kann sein, dass ich mir zu viel erhoffe, aber um dem klein bei zu geben ist es noch zu früh. Viel zu früh. Und da ist dieses Sehnen in mir… endlich zu fühlen, zu berühren, wirklich. Nicht bloß vorgestellt… Das wäre so vieles wert… Ich hänge da echt hinterher, aber meine Schulkameraden haben es da einfach viel leichter, ihre Auswahl und ihre Möglichkeiten sind viel mehr – und ihre Eltern nicht so super korrekt. Aber im Augenblick muss ich ehrlich gestehen, dass ich ziemlich weiche Knie habe. Gott sei Dank ist Janina bei mir, sie greift nach meiner Hand, drückt sie, lächelt mich aufmunternd an, so dass ich wieder in die Gänge komme.
 

Wie gesagt, ich bin informiert, habe Beschreibungen und Kritiken durchgekramt. Der Club heißt „Sweet Dreams“ nach dem Disco-Klassiker nehme ich an und ist Hauptanlaufstelle für schwule Teens und Twens. Das ältere Publikum trifft sich wohl wo anders. Ist mir nur Recht, ich will schließlich nicht das Boy Toy für irgendeinen greisen Manager werden. Der Laden liegt in einer Nebenstraße umgeben von Kneipen, die offensichtlich auch in der Hand der schwulen Szene sind. Die Leuchtreklamen ziehen an mir vorbei… „Hänsels gute Stube“ – was für ein Name! – „Hard Satin“… „Bow“…
 

Mein Herz klopft, als wir uns in die Schlange einreihen. Männer und ein paar Frauen und einige, bei denen ich mir nicht so sicher bin. Sie unterhalten sich lachend, wirken aufgeregt, sind mit Freunden gekommen oder auch mit ihren Partnern, wie auch immer, jedenfalls halten einige Händchen. Auch das… ungewohnt, das so offen zu sehen. Man denke nur, dass ich händchenhaltend mit dem traurigen, kleinen Hauke über den Schulhof spazieren würde wie Jaro und Hannes oder Nathan und Linda… Außerdem will ich keinen Hauke, sondern das hier, Abenteuer und… überhaupt…
 

Ich kann die Bässe der House-Musik von drinnen hören, das Hämmern und Schrillen… Janina sieht sich interessiert um. Sie hält immer noch meine Hand. Ich gebe mir einen Ruck und lasse sie los. Wir sind schließlich kein Pärchen – das hier in dieser Kombination nichts zu suchen hätte – und ich bin auch nicht der weltgrößte Angsthase! Nur beinahe… Scheiße… wie soll ich das nur hinkriegen… in der Theorie hat sich das so einfach angehört…
 

Weiter vorne gibt es Gezänk, weil der Türsteher ein paar Typen nicht rein lassen will. Mist, das könnte natürlich auch passieren. Aus und vorbei, bevor es überhaupt losgegangen ist… Aber so weit kommt es nicht. Wir sind schneller vorne als dass ich mein Horror-Szenario zu Ende spinnen könnte. Der bullige Typ am Eingang, der aussieht wie sein eigenes Klischee, will unsere Ausweise sehen. Wir geben sie ihm, er studiert sie kurz und gibt sie zurück. „Viel Spaß!“ wünscht er uns. „Und schön brav bleiben, Kleiner!“
 

Ich bin empört. Ich bin nicht klein! Ich bin vielleicht alles Mögliche, aber klein denn nun nicht. Allerdings habe ich den dumpfen Verdacht, dass er damit klargestellt hat, dass er mich für total grün hinter den Ohren hält. In Hinsicht auf meine Haarfarbe hat er ja leider Recht. In Hinsicht auf den ganzen Rest auch. Trotzdem gemein! Aber es hat wohl wenig Zweck, sich darüber jetzt aufzuregen, auch wenn es sehr verführerisch ist. Lichter blitzen um die Garderobe, an der Kasse sitzt ein Typ, der sogar noch mehr Piercings im Gesicht hat als Herr Franke. Er knöpft uns den Eintrittspreis ab, drückt uns einen Stempel, dessen Motiv ich nicht deuten kann, auf die Handgelenke und dann sind wir drinnen.
 

Es ist dunkel. Es ist laut. Und es ist ziemlich groß. Zur Linken liegt der Barbereich, auf der zentralen Tanzfläche ist schon ganz schön etwas los. Es sind deutlich mehr Männer als Frauen da, obwohl letztere anscheinend auch ihren Spaß haben. Ein Lesbenpärchen knutscht ziemlich hemmungslos direkt vor unserer Nase. Schon schräg, das so in freier Wildbahn zu sehen. Ich wette Philipp und Konsorten würden ausflippen, wenn sie das sehen dürften. Knutschende Frauen gelten in Heten-Kerl-Kreisen als heiß, so schlau bin ich auch schon, knutschende Typen weniger. Und von denen sind auch einige zugegen. Ich weiß gar nicht wo ich hingucken soll. So viele! Und sie sind alle schwul! Sie tanzen, flirten, zeigen sich, ganz anders als… draußen. Alles meins! Meins! Meins! Da geht es mir wie den Möwen aus „Findet Nemo“.
 

„Coole Musik!“ brüllt Janina in mein Ohr.
 

Äh ja… echt cool… House… was auch immer… Ich nicke einfach stumm und drohe Kopfschmerzen zu bekommen, weil ich überall gleichzeitig versuche hinzugucken. Wow… hat der da drüben einen Oberkörper, dagegen sehe sogar ich aus wie Mr. Hühnerbrust… aber so einen… nee… das ist zu viel… Und was ist das da oben? Eine Art umlaufende Empore, von der eine Reihe Gäste das Treiben unten verfolgt, Bier schlürft, sich brüllend unterhält. Ein Lounge-Bereich scheint sich dort irgendwo anzuschließen. Bunte Lichter flitzen im Takt der Bässe durch den Raum, spielen auf den Körpern der Tanzenden, und es ist einfach nur… cool.
 

Ich komme etwas zu mir, als ich von hinten angerempelt werde. Peinlich berührt stelle ich fest, dass ich wie festgewurzelt einfach am Eingang stehen geblieben bin wie eine Oma beim Weihnachtseinkauf am Fuße der Rolltreppe. Aber bei der Beleuchtung sieht ja keiner, dass ich rot werde.
 

Janinas Hand krallt sich wie ein Schraubstock um mein Handgelenk, als sie mich rettet. Ich folge ihr mehr schlecht als recht zur Bar, immer noch wild um mich glotzend. Sie ist so nett, für uns beide zu bestellen, denn ich kann noch nicht wieder reden. Der Barkeeper zwinkert uns zu und reicht ihr die Biere. Er hat ein total geniales Oberarmtattoo so in der Richtung von George Clooney in „From Dust till Dawn“. Aber selbst, wenn es Einhörner und Blümchen wären, aktuell bin ich sehr leicht zu begeistern.
 

Janina dirigiert mich an die Wand des Barbereiches, wo wir uns anlehnen können und die Lage weiter sondieren.
 

„Oh Mann!“ kehrt irgendwie mein Sprachvermögen zu mir zurück.
 

Sie grinst vergnügt. „So, wie du es dir vorgestellt hast?“ schreit sie in mein Ohr.
 

Ich nicke begeistert. Klar, die Typen hier sehen nicht durchgehend wie aus einer amerikanischen Fernsehserie gefallen aus, aber es sind schon ein paar echt tolle dazwischen. Sie wirken so… selbstbewusst. Damn. Und es sieht auch nicht danach aus, dass sie aufgrund meiner puren Anwesenheit schon voll Anbetung in die Knie brechen, so sie mich denn in unserem düsteren Eckchen überhaupt bemerkt haben. Fasziniert mustere ich sie. Einen nach dem anderen. Der da ist doch… ganz okay… aber… will ich okay? Als Aufreißer sollte man wohl besser nicht übertrieben wählerisch sein, sonst ist das Angebot zu gering, aber… Ich bin ein Narr. Ich will eben nicht bloß „okay“. Doch angesichts der Tatsache, dass ich hier gerade so ein wenig herumstehe, wie bestellt und nicht abgeholt, wird es wohl schwierig werden, auch nur „okay“ zu realisieren.
 

Ich frage mich, was mit mir los ist. Ich bin doch sonst nicht so ein Schisser. Aber das hier habe ich sonst ja auch noch nie getan. Haltung bewahren! Ja, genau. Lässig stehen, wie vor dem Spiegel geübt. Konzentrieren, dann klappt das auch. Janina neben mir wippt im Takt und lächelt mich vergnügt an. Jede Wette, dass sie weiß, dass mir gerade etwas der Arsch auf Grundeis geht. Aber als die gute Freundin, die sie ist, tut sie ihr Bestes, um mich vorm Herztod zu bewahren und führt mir diskret vor, wie man wirklich cool bleibt. Aber sie hat gut reden, für sie geht es hier ja nicht um die Wurst! Sie ist nicht gerade Hauptdarsteller eines sehr schwulen Debütantinnenballs! Vielleicht hätte ich ein pastellfarbenes Kleid anziehen sollen, das wäre dem Anlass entsprechend wahrscheinlich passender gewesen.
 

Ich versuche verzweifelt, mir selbst einen Tritt zu geben. Ist doch bisher alles gut gelaufen, wir sind da, und ich habe die ersten zehn Minuten ohne Katastrophe überstanden! Gesichter und Körper blitzen an mir vorbei. Frei, scheinen sie zu schreien, hier sind wir frei! Und wir feiern, feiern, feiern! Hier gibt es keine Englischklausuren oder lästernde Mitschüler oder überbesorgte Eltern! Und vor allen Dingen, hier gibt es keinen „Lulu“!
 

Meine Augen tasten die Gestalten auf der Empore ab. Es sind zu viele…
 

Mein Blick bleibt hängen. Ich schlucke hart. Oh Mann, ist der schön!
 

Er ist groß und steht so lässig da, wie ich es gerade gerne wäre. Seine Haare sind dunkel und kunstvoll zerwusselt. Seine Bauen sind perfekt geschwungen, ein leichtes, wissendes Lächeln liegt auf seinen sinnlichen Lippen, während er die Menge unter sich durchforstet.
 

Ich starre ihn, sauge den Anblick in mich auf. Er ist älter als ich – hier ist wahrscheinlich sowieso keiner jünger -, und Leute, die älter sind als ich, kann ich vom Alter her nur schwer schätzen. Fünfundzwanzig? Oder älter? Oder jünger? Keine Ahnung… ist doch auch egal…
 

Janina folgt meinem Blick. „Heißer Typ!“ kommentiert sie ungeniert meine visuelle Eroberung. Aber wo sie Recht hat, hat sie Recht.
 

Am liebsten würde ich über mich selbst laut lachen. Da rüber gehen und heiser „Hey…“ in sein Ohr flüstern…? Nicht in tausend Jahren. Das packe ich nicht. Aber anglotzen wie das Achte Weltwunder, das kann ich ihn ja immerhin, wenn ich schon nicht weggucken kann.
 

Mann, ist der klasse, oh Mann, so männlich und selbstbewusst und locker und…
 

Er hat schöne Augen. Farbe ist egal, kann ich von hier aus nicht erkennen. Sie sind einfach schön.
 

Und er sieht mich direkt an mit ihnen. Zieht ironisch die Augenbraue hoch und grinst breit. Entsetzt fahre ich zusammen. „Oh Scheiße!“ keuche ich und drehe mich ruckartig um, um die Oberfläche der kläglich verputzten Wand neben der Bar zu bewundern.
 

Janina hingegen winkt ihm frech zu. Ich brauche dringend eine neue beste Freundin.
 

„Was machst du da!“ fahre ich sie leicht hysterisch an. „Das sieht er doch!“
 

„Tut er“, informiert sie mich. „Der ist echt der Hammer, Mann Lulu! Keep cool! Er kommt rüber!“
 

„Was?!“ kreische ich.
 

Aber es ist zu spät, um zu fliehen, sich ein Erdloch zu buddeln oder Janina zu erwürgen. Ich spüre mehr, als dass ich es sehe, dass da jemand schräg hinter mich tritt. Oh Gott… er riecht gut… irgendein Aftershave…
 

Und dann ist es in meinen Ohren. Ein wenig heiser und ziemlich tief.
 

„Hey…“, sagte er. Mehr nicht.
 

Ich glaube, ich sterbe.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Twinkle
2012-04-19T17:11:36+00:00 19.04.2012 19:11
ich fang dann mal an zu sabbern ;D Tolle Idee und super Schreibstil.
LG Twinkle


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