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Die Notlandung

von

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Four

Er wusste nicht, bei wem er es riskieren sollte. Zu irgendjemandem musste er gehen und ihm das Schild aus dünnem Blech zeigen, auf dem in mehreren Sprachen immer dieselben Worte standen. Ich bin Amerikaner und spreche Ihre Sprache nicht. Ich hege keine bösen Absichten gegen Sie oder Ihr Volk. Ich bin in eine missliche Situation geraten und auf Ihre Hilfe angewiesen. Danach irgendetwas von Unterschlupf und Nahrung und dass er sich dafür einsetzen würde, dass seinem Retter keine Strafen von dessen Leuten drohten. Aber wem sollte er das Schild zeigen? Er musste an irgendeiner der Haustüren klingeln und hoffen, dass in diesem Haus kein überzeugter Gegner von Fremden im Allgemeinen und Amerikanern im Besonderen lebte, sondern jemand, der ihm helfen würde. Er hatte nur einen einzigen Versuch, nicht mehr. Das Flugzeug hatte er nach der Landung notdürftig mit Zweigen und Erde getarnt, hatte sich das Schild genommen und war gegangen. Beziehungsweise gehumpelt.

Im hellen Tageslicht verschwamm die Straße vor seinen Augen. Weiter hinten standen ein paar kleine und größere Häuser, aber er konnte sie kaum erkennen. Er musste gehen und es riskieren. Irgendjemandem das Schild zeigen. Ich bin Amerikaner und spreche Ihre Sprache nicht. Wo zum Teufel war er überhaupt? Der Motor und die Instrumente hatten verrückt gespielt, ganz plötzlich. In der Hoffnung, das Land über die westliche Grenze wieder verlassen zu können, bevor er abstürzte, war er weiter geflogen, aber bald vom Kurs abgekommen... und dann die missglückte Notlandung, als er wusste, dass er das Flugzeug nicht mehr lange würde in der Luft halten können.

Er spürte, wie seine Beine unter ihm nachgaben. Mit letzter Kraft zog er das Schild an sich und verbarg es unter seinem Bauch. Er würde selbst entscheiden, wen er um Hilfe bat. Sie mussten ihn nicht unbedingt mit einem Schild, auf dem groß und breit Ich bin der Feind stand, auf der Straße finden.
 

Als er wieder zu sich kam, roch es nach Kaffee. Alfred sog die Luft tief ein und seufzte leise. Er liebte diesen Geruch, den Geruch von zu Hause. Sicher war Arthur wieder einmal unangekündigt vorbeigekommen – das tat er öfter, als man meinen sollte. Sicher hatte er mit Todesverachtung das Wasser für den Kaffee aufgesetzt und saß bereits an Alfreds Tisch, eine Tasse Tee in der Hand, den kleinen Finger abgespreizt und die Nase gerümpft. Aber er hatte Kaffee gekocht und gar nicht erst versucht, Alfred zum Teetrinken zu überreden. Guter, alter Arthur, dachte Alfred und lächelte. Guter, alter...

Er gab einen überraschten Schmerzenslaut von sich und riss die Augen auf. Lächeln tat weh.

Seine Sicht war verschwommen, aber die Decke, die er über sich erkennen konnte, war auf keinen Fall die in seinem Zimmer. Er lag unter einer Dachschräge, die aus Holzbalken bestand. Das Bettzeug roch nicht nach seinem eigenen, dachte er mit wild schlagendem Herzen. Wo war er?

„Bist du wach?“

Er versuchte, den Kopf zu drehen, aber die kleinste Bewegung bereitete ihm Schmerzen. Neben sich nahm er eine Bewegung wahr und wünschte verzweifelt, er hätte sehen können, was vor sich ging. Er hasste es, sich hilflos zu fühlen.

„Ich weiß gar nicht, ob ich wissen möchte, was du diesmal angestellt hast.“

Die halb resignierte, halb besorgte Stimme kam Alfred bekannt vor, doch bevor er die Erinnerung packen konnte, war sie schon wieder verschwunden. Was war mit seinen Gedanken passiert? Schon, er hatte sich bei der Notlandung ordentlich den Kopf gestoßen, aber er hatte nicht gedacht, dass es so schlimm wäre. Immerhin war er ein Held.

„Wer bist du?“, fragte er leise und war erleichtert, dass er wenigstens sprechen konnte, wenn auch nur sehr heiser.

Einen Moment lang antwortete niemand, doch dann beugte sich jemand über ihn. Alfred erkannte das Gesicht nicht, so unscharf war es.

„Ich bin es, Toris. Und hoffentlich weißt du dein Glück zu schätzen, dass ich es bin.“

„Toris?“

„Ja. Wie fühlst du dich?“

„Nicht gerade glänzend, aber es wird gehen“, erwiderte Alfred. „Ich glaube, ich habe ordentlich etwas auf den Kopf bekommen. Ich kann dich kaum sehen.“

Es klang fast, als würde Toris lachen. Er griff nach irgendetwas außerhalb von Alfreds trübem Sichtfeld und setzte ihm im nächsten Moment seine Brille auf die Nase. Das rechte Glas hatte einen Riss, doch das linke war noch intakt.

„Geht es so besser?“

„Viel besser“, sagte Alfred und lachte auf. Wieder schmerzte es, aber längst nicht so stark wie am Anfang. Neben dem Bett saß Toris auf einem Stuhl, über dessen Lehne Alfreds Fliegerjacke hing. Seine Haare waren länger geworden, seitdem sie sich zuletzt gesehen hatten, dachte Alfred. Abgesehen davon sah er nicht anders aus als zuvor. Nicht besser und nicht schlechter.

„Ich habe meinen Augen kaum getraut, als ich dich dort draußen gefunden habe“, sagte Toris und schüttelte den Kopf. „Wie bist du hierher gekommen?“

„Ich musste mit meinem Flugzeug notlanden, ein Stück weiter im Wald.“

„Notlanden? So, wie es aussieht, war es eine ziemlich unsanfte Notlandung.“

„Ach, es ging schon“, erwiderte Alfred und versuchte, zu klingen, als könne ihn nichts umhauen.

„Tatsächlich? Du hast überall Blutergüsse, eine Platzwunde an der Stirn und eine zweite am Hinterkopf, und dein linker Arm ist gebrochen. Vielleicht sollte ich besser sagen, zerquetscht.“

„Also gut... es war eine unsanfte Landung.“

Toris schüttelte den Kopf und gab einen ungläubigen Laut von sich.

„Wieso bist du überhaupt hier, Toris?“, wechselte Alfred das Thema und sah sich vorsichtig im Zimmer um, wobei er den Kopf so wenig drehte wie möglich. „Ich dachte, du würdest in Ivans Haus wohnen.“

„Ich habe gerade Urlaub“, antwortete Toris und lachte leise. „Meine alljährliche Woche Heimaturlaub, wenn du so möchtest. Politisch ist gerade nicht viel los, also gönnt Ivan uns allen eine Woche Auszeit.“

„Tatsächlich?“, fragte Alfred und zog die Augenbrauen hoch. „Hätte ich ihm nicht zugetraut.“

„Raivis hat in letzter Zeit so stark gezittert, dass Eduard meinte, wenn es so weitergeht, würde er bald Herzflimmern bekommen. Und da Ivan das nicht riskieren möchte, hat er uns zur Erholung weggeschickt. Er mag Raivis' Zittern, und er möchte noch eine Weile lang etwas davon haben.“

„Wie großzügig von ihm.“

„Zuckerbrot und Peitsche, Alfred. Das Brot darf dabei nicht zu kurz kommen, sonst funktioniert es nicht.“

„Ich will gar nicht wissen, ob du das gerade wörtlich gemeint hast oder nicht.“

„Übrigens – wozu hattest du den Kaffee dabei?“

„Hey, wenn hier einer abrupt das Thema wechselt, sollte ich das sein“, sagte Alfred und lachte heiser. „Aber schön... ich mag Kaffee. Deswegen.“

„Ich dachte, du bevorzugst Cola.“

„Alles zu seiner Zeit, Toris. Außerdem kann man eine Flasche Cola weniger gut unter seinen Kleidern verstecken als ein Päckchen Kaffee, und das Päckchen übersteht eine Notlandung besser.“

Toris nickte. „Ich habe uns eine halbe Kanne gekocht, mit Muckefuck gestreckt. Der Kaffee ist gut. Er sollte besser noch eine Weile reichen.“

„Sag mal... hältst du es moralisch für richtig, einen abgestürzten Piloten von der Straße aufzulesen und ihm zuallererst seinen Kaffee zu klauen?“

Zuallererst habe ich dich nach Hause geschleppt, dich ins Bett gebracht und deine Wunden versorgt, so gut ich konnte“, stellte Toris klar. „Erst danach habe ich deine Kleider untersucht.“

„Und dir deinen verdienten Lohn genommen.“

„Allerdings. Ich riskiere Kopf und Kragen, wenn ich mich um dich kümmere. Wenn die örtlichen Spitzel nicht mitbekommen, was passiert ist, tut Ivan es. Bei diesen Konsequenzen machst du mit ein paar Tassen Kaffee als Bezahlung noch Gewinn, glaub mir.“

Alfred sah ihn an. „Wird Ivan herausfinden, was passiert ist?“, fragte er langsam.

Toris legte den Kopf schief und lächelte. „Nun... wenn mich niemand gesehen hat, als ich dich hereingeholt habe, stehen die Chancen gut, dass er es nie erfährt. Solange ich nicht den Fehler mache, Raivis irgendetwas zu erzählen. Der hat es schneller ausgeplaudert, als ich sei still sagen kann.“

„Es sieht aus, als würdest du dich ganz gut machen.“

„Wie meinst du das?“

„Du hast eine Ivan-freie Woche. Du schaffst es sogar, Geheimnisse vor ihm zu haben, oder bist zumindest guter Hoffnung, dass du es kannst.“

„Immerhin bin ich noch nicht tot“, erwiderte Toris und lächelte. „Solange man sich nicht damit abfindet, nichts mehr ändern zu können, kann man auch noch etwas ändern. Hat Feliks mal gesagt.“

Alfred brummte etwas und versuchte, an sich herunter zu sehen. Es tat weh, den Kopf zu verdrehen. Sein rechter Arm lag auf seinem Bauch, aber der linke war an seiner Seite steif ausgestreckt. Aus irgendeinem Grund spürte er ihn nicht.

„Wie schlimm ist es?“, fragte er und versuchte, unbeschwert zu klingen. „Das mit meinem Arm.“

„Es sieht nicht gut aus, fürchte ich“, antwortete Toris sanft. „Ich vermute mal, du hast ihn beim Absturz übel eingeklemmt. Er dürfte mehr als einmal gebrochen sein.“

„Es war kein Absturz“, berichtigte Alfred ihn. „Es war eine Notlandung.“

„Jedenfalls habe ich versucht, den Arm zu schienen und zu verbinden. Natürlich wirst du nicht darum herum kommen, ihn in einem anständigen Krankenhaus noch einmal behandeln zu lassen. Sobald du zu Hause bist, zum Beispiel.“

„Zu Hause“, wiederholte Alfred und seufzte. „Schön wär's. Aber ich denke, ich werde dir noch eine Weile zur Last fallen müssen, Toris.“

„Oh, das denke ich nicht“, erwiderte Toris und lächelte traurig. „Du kannst gerne bleiben, wenn du willst...“

„Aber eine Last bin ich nicht, meinst du?“

„Ich meine, dass ich nicht werde bleiben können. Meine Woche ist beinahe herum.“

Alfred sah ihn mit großen Augen an. „Wie... warum?“

„Warum?“ Toris schüttelte den Kopf. „Weil du ein paar Tage zu spät abgestürzt bist, deswegen. Morgen Nachmittag holt Ivan mich wieder ab. Bis dahin muss ich gepackt und das Haus so hergerichtet haben, dass es wieder ein Jahr ohne mich übersteht.“

In seiner Stimme lag ein Anflug von Zärtlichkeit, als er von seinem Haus sprach. Sein Blick hing an einem Fenster an der gegenüberliegenden Wand, vor dem eine Vase mit frischen Blumen stand. Sie würden eingehen, dachte Alfred. Sicher würde Toris sie wegwerfen, bevor er sie sterben ließ.

„Aber was wird dann aus mir?“, versuchte er, wieder zu dem (aus seiner Sicht) viel größeren Problem zurückzukommen. „Was soll ich tun?“

„Du kannst hier bleiben, solange du willst“, sagte Toris und zögerte kurz. „Wenn du es schaffst, die Nachbarn nicht bemerken zu lassen, dass noch jemand hier ist. Wenn sie glauben, es wäre ein Einbrecher im Haus, oder wenn sie womöglich bemerken, dass ich dich hereingelassen habe... das wäre für uns beide ziemlich schlecht. Aber wenn du dich unauffällig verhältst, kannst du bleiben. Und wenn du es schaffst, dich ohne meine Hilfe zu versorgen.“

„Was bleibt mir anderes übrig?“, fragte Alfred mit einem schiefen Grinsen. „Ich muss wohl so oder so ohne deine Hilfe auskommen. Aber ich schaffe das, Toris. Ganz sicher.“

Toris lächelte, wandte aber den Blick ab.

„Mal sehen“, sagte Alfred aufmunternd. „Vielleicht ergibt sich ja noch etwas. Vielleicht passiert ja noch ein Wunder.“

„Ein Wunder?“, wiederholte Toris und lachte kurz auf. „Was für eines?“

„Eins, das dafür sorgt, dass du noch eine Weile länger bleiben kannst“, schlug Alfred vor. „Oder... hey! Wie wäre es, wenn ich das Flugzeug wieder zum Laufen bringe und wir beide einfach von hier verschwinden?“

„Das Flugzeug wieder zum Laufen bringen?“, fragte Toris ungläubig. „In einer Nacht und keinem ganzen Tag? Wenn dieses Flugzeug auch nur halb so ramponiert ist wie du, Alfred, fürchte ich, das wird nicht funktionieren.“

Alfred dachte eine Weile lang nach. „Wenn es funktionieren würde“, sagte er langsam, „nur mal angenommen... würdest du mitkommen, Toris?“

Toris sah ihn an und sagte nichts.

„Ich meine, ich könnte dich mit zu mir nehmen! Sicher könnte ich meinen Boss dazu überreden, dir Asyl zu geben, wenigstens für einige Zeit. Und danach könnte ich...“

„Für einige Zeit“, unterbrach Toris ihn leise. „Und danach? Danach müsste ich wieder zu Ivan zurück und alles wäre wie früher... nur schlimmer, vielleicht. Nein, Alfred, so geht es nicht.“

„Warum nicht?“, fragte Alfred störrisch. „Willst du etwa dein Leben lang bei ihm bleiben? Du hast doch selbst gesagt, dass man immer etwas ändern kann, solange man nur glaubt, dass man es kann.“

„Das glaube ich auch. Und gerade deswegen könnte ich nicht einfach mit dir abhauen, selbst, wenn es möglich wäre. Verstehst du nicht? Dadurch, einfach wegzulaufen, würde sich nichts ändern. Wenn ich Ivan jemals verlassen möchte, dann muss es... anders gehen.“

„Wie denn?“, fragte Alfred. „Wie, anders?“

„Das weiß ich nicht“, murmelte Toris. „Noch nicht.“

Eine Weile lang waren sie still, und Alfred wünschte sich, er hätte einen klaren Gedanken fassen können. Stattdessen war sein Kopf voll mit dem einzigen, kindischen Gedanken, dass er Toris nicht gehen lassen wollte. Er wollte das nicht. Es sollte gefälligst nicht wahr sein, dass er gehen musste.

„Der Kaffee dürfte längst fertig sein“, sagte Toris plötzlich und stand auf. „Ich werde uns beiden eine Tasse holen.“

„Ist Kaffee gut bei Knochenbrüchen?“

„Das weiß ich nicht, aber er belebt.“

Alfred grinste, war aber gar nicht recht bei der Sache. Noch immer grübelte er über eine Lösung für das Problem nach.

„Ich bin sofort wieder da“, sagte Toris, lächelte ihm noch einmal zu und ging zur Tür. Er lehnte sie hinter sich wieder an, und Alfred hörte, wie er eine Holztreppe hinunter stieg. Irgendetwas musste er tun können, dachte er. Toris durfte nicht so schnell wieder gehen. Allerdings fiel ihm nichts zu tun ein, als liegen zu bleiben und auf ein Wunder zu hoffen. Als selbsternannter Held war das nicht gerade seine Lieblingsbeschäftigung.
 

Der Kaffee musste mittlerweile fast kalt sein, dachte Toris, als er zwei Tassen damit füllte. Er hätte nicht so viel Zeit damit verschwenden dürfen, mit Alfred zu plaudern. Andererseits blieb ihnen ja nicht gerade viel Zeit, um zu reden. Und mit Alfred zu plaudern, war keine Zeitverschwendung im herkömmlichen Sinne gewesen.

Als er die beiden Tassen auf ein Tablett stellte und es gerade eben wieder hinauf tragen wollte, erklang ein Geräusch, das ihn in der Bewegung einfrieren ließ. Es war das melodische Läuten der Klingel, das zwischen den hölzernen Wänden schnell wieder verklang. Er mochte seine Klingel, wie er alles an diesem Haus liebte, jede Diele, jeden Ausblick aus den Fenstern, jedes Knarren und Seufzen der Dachbalken. Aber gerade jetzt war ein Gast das letzte, was er gebrauchen konnte.

Es klingelte erneut. Fieberhaft überlegte Toris, was er tun sollte. Er stellte das Tablett auf dem Küchentisch ab und ging zur Tür. Wenn es nur ein harmloser Nachbar war, der sich etwas Mehl leihen wollte, würde er ihn schon wieder loswerden, ohne in irgendeiner Weise verdächtig zu wirken. Und wenn ihn nun doch jemand dabei beobachtet hatte, wie er Alfred half, und ihn deswegen angezeigt hatte... solche gab es immer, dachte Toris mit einem bitteren Lächeln. Damit musste man rechnen. Wenn es so war, spielt es keine Rolle mehr, wie er sich verhielt. Er würde seinen Kopf so oder so nicht mehr aus der Schlinge ziehen können.

Ein letztes Mal holte er tief Luft, bevor er die Tür öffnete. Eine Sekunde lang stand er nur da, starrte seinen Gast an und überlegte, dass es noch eine dritte Möglichkeit gab, die er nicht bedacht hatte. Aber zum Nachdenken war es nun zu spät.

„Hallo, Toris“, sagte Ivan und strahlte ihn an. „Ich hoffe, ich störe nicht.“

Three

Toris musste sich dazu zwingen, zu schlucken. Er starrte Ivan einige Sekunden lang an und konnte vor Angst nicht klar denken.

„Ich hoffe wirklich, ich komme nicht ungelegen“, sagte Ivan noch einmal und legte den Kopf schief. „Ich weiß, ich hätte morgen erst kommen sollen, aber ich war nun schon einmal in der Gegend, und da...“

„Aber nein, nein“, sagte Toris schnell und trat einen Schritt zurück. „Kommen Sie doch herein.“

Er machte den Weg ins Haus frei, obwohl alles in ihm danach schrie, Ivan bloß nicht vorbei zu lassen. Was war mit Alfred? Hoffentlich verhielt er sich ruhig. Hoffentlich würde Ivan ihn nicht finden. Ach was, wieso sollte er denn in die Dachkammer steigen? Ein Glück, dass er Alfred dort untergebracht hatte, wo Ivan nicht zufällig vorbeikommen würde. Zumindest nicht bei einem kurzen Besuch wie diesem. Andererseits...

„Haben Sie vor, zu bleiben?“, rutschte es ihm heraus.

Ivan musterte ihn, offenbar erstaunt von seinem seltsamen Benehmen. „Ich hatte vor, bis morgen zu bleiben und dann mit dir zusammen nach Hause zu fahren. Falls es dir nicht passt...“

„Oh, doch, selbstverständlich“, beteuerte Toris, schloss die Tür wieder hinter Ivan und nahm dessen Mantel entgegen. „Es ist nur, weil... das Haus ist recht schlicht, und ich habe auch nicht mehr viel zu Essen hier. Sie wissen ja, ich wollte morgen... eigentlich bin ich schon fast dabei, zu packen, es ist ein wenig ungemütlich...“

„Nun beruhige dich, Toris“, sagte Ivan und gluckste. „Du überschlägst dich ja fast. Ich hatte gedacht, du würdest dich entspannen, aber es sieht aus, als hätte die vergangene Woche eher das Gegenteil bewirkt.“

„Ach, nein, überhaupt nicht“, winkte Toris ab und holte tief Luft. „Es geht mir gut.“

„Sehr schön“, sagte Ivan und lächelte. „Und mach dir keine Sorgen, Toris. Ich weiß, wie klein dein Haus ist. Als Gast, noch dazu als ungebetener, erwarte ich nicht mehr als das, was du mir geben kannst.“

„Das ist sehr großzügig von Ihnen“, murmelte Toris.

Ivan lächelte. „Lass dich ansehen, Toris“, sagte er und griff nach seinen Schultern. „Du hast Farbe bekommen... oh nein, wir haben etwas vergessen!“

„Was?“, fragte Toris verblüfft und verstummte, als Ivan ihn zu sich heran zog und ihn kurz auf den Mund küsste.

„Bruderkuss.“

„Ah. Natürlich.“

„Beim nächsten Mal erinnerst du mich daran“, sagte Ivan und ließ ihn wieder los. „Es fällt mir etwas schwer, mich an neue Bräuche zu gewöhnen, aber irgendwann muss ich es ja tun. Nicht wahr?“

„Sehr richtig“, antwortete Toris und widerstand mit aller Kraft der Versuchung, sich den Mund abzuwischen.

„Also, Toris... es riecht, als hättest du gerade Kaffee gekocht.“

„Ja, das habe ich“, sagte Toris und bemerkte, wie er errötete. Er durfte sich nicht verraten, auf keinen Fall. „Möchten Sie vielleicht auch einen?“

Ivan wiegte den Kopf hin und her. „Eigentlich bevorzuge ich Tee... aber wie schon gesagt, als ungebetener Gast werde ich alles nehmen, was du mir gibst.“

Er lachte, und Toris stimmte mit ein in der Hoffnung, seine Nervosität zu überspielen. „Folgen Sie mir“, sagte er, obwohl er sich genau das nicht wünschte, und ging Ivan voraus in die Küche. Auf dem Tablett standen noch zwei Tassen, schoss es ihm durch den Kopf. Zwei Tassen. Wie zum Teufel sollte er das erklären?

„Du bist hübsch eingerichtet“, sagte Ivan fröhlich, duckte sich unter der etwas zu niedrigen Tür hindurch und stupste eine Uhr an der Wand an, die an ihrem Nagel leicht hin und her schwang.

„Vielen Dank“, erwiderte Toris, durchquerte die Küche so schnell wie möglich und griff nach dem Tablett. Wohin damit? Was sollte er tun, was konnte er tun, wenn Ivan doch direkt hinter ihm stand? Keine Panik, Toris. Geh ganz ruhig hinüber zum Schrank, stell das Tablett auf die Arbeitsfläche, schön mit dem Körper verdecken, und tu so, als müsstest du die zweite Tasse noch aus dem Schrank holen. Ganz einfach. Ganz...

„Hast du einen Gast erwartet, Toris?“

Er zuckte so heftig zusammen, dass er mit der Hand gegen den Geschirrschrank stieß und die Tassen darin leise zum Klirren brachte. Mit einem unterdrückten Fluch ballte Toris die Hand zur Faust. Seine Finger zitterten. Vor Anspannung nahm er den Schmerz kaum wahr.

„Was ist passiert?“, fragte Ivan hinter ihm besorgt. „Hast du dir etwas getan?“

„Nein“, antwortete Toris und wagte es kaum, sich zu rühren, geschweige denn sich umzusehen. „Es geht schon wieder.“

Ivan gab sich mit dieser Antwort zufrieden und ging zu Toris' Verwirrung auch nicht mehr auf die Frage nach den zwei Tassen ein. Was hatte das zu bedeuten? Hatte er es über Toris' Missgeschick wieder vergessen, oder hielt er es für unwichtig? Wie auch immer, dachte Toris und hob das Tablett mit den zwei Tassen hoch. Anscheinend stand Gott heute auf seiner Seite. Und wie Feliks vielleicht gesagt hätte, wenn Gott für ihn war, wer sollte dann noch gegen ihn...

Der Kaffee. Das zerdrückte, aber noch beinahe volle Päckchen mit dem Kaffee, das er aus der Innentasche von Alfreds Jacke gerettet hatte. Es lag noch immer unschuldig dort, wo er es gelassen hatte. Gut sichtbar auf der Arbeitsfläche.

„Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist, Toris?“, fragte Ivan besorgt, als Toris das Tablett vor ihm abstellte. Er hatte sich auf einem Stuhl am Küchentisch niedergelassen und die Beine ausgestreckt. „Du siehst etwas blass aus.“

„Ach, nein“, sagte Toris mit einem Lachen und stellte Ivan eine der Tassen hin. „Was soll schon sein?“

Seine Finger bebten, als er auch für sich eine Tasse hinstellte. „Milch oder Zucker?“

„Gar nichts, danke“, erwiderte Ivan und lächelte.

„I-ich nehme Zucker“, sagte Toris, was gar nicht stimmte. Eigentlich bevorzugte er Milch. Fast ohne zu atmen drehte er sich um und ging wieder hinüber, in Richtung des Päckchens mit dem Kaffee. Ganz ruhig bleiben, Toris, keine Panik. Nicht zu hastig. Langsam öffnete er mit einer Hand den Schrank, griff mit der anderen nach dem Päckchen und stopfte es hinter das Mehl. Danach nahm er mit einem erleichterten Seufzen den Zucker und schloss die Schranktür wieder. Geschafft. Er hatte es geschafft.

„Ich weiß nicht, ob du Kaffee trinken solltest, Toris“, sagte Ivan belustigt, als Toris sich ihm gegenüber an den Tisch setzte. „Du zitterst ja jetzt schon.“

„Tue ich das?“, fragte Toris und lachte. „Das tut mir Leid.“

Sein Herz raste, er war völlig verschwitzt, aber er hatte es geschafft. Fürs erste hatte Ivan keine Ahnung davon, dass Alfred hier war. Fürs erste. Er nahm seine Tasse, hob sie an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck. Rein zufällig sah er auf und bemerkte, dass Ivan ihn beobachtete, ohne zu blinzeln.

„Stimmt irgendetwas nicht?“

Ivan zog die Augenbrauen hoch und deutete auf den Zucker. „Jetzt hast du doch keinen Zucker genommen.“

„Oh... nein, das habe ich... ich muss wohl mit den Gedanken woanders sein“, stotterte Toris und spürte, wie er hochrot wurde. Ivan sah ihn eine Weile lang prüfend an und lächelte dann. Was war das für ein Lächeln?, überlegte Toris. War es dieses normale Lächeln, das Ivan aufsetzte, wenn er etwas nicht verstand, sich aber aus Bequemlichkeit nicht die Mühe machen wollte, es zu verstehen? Oder war es das Lächeln eines Jägers, der weiß, dass das Reh ihm längst in die Falle gegangen ist, und der nur noch belustigt darauf wartet, bis es auch dem Reh selbst auffällt? Wollte Ivan ihn so lange zappeln lassen, bis er sich selbst verriet, oder ahnte er wirklich nichts? Er wusste es nicht, dachte Toris und starrte seinen Kaffee an. Er konnte es nicht wissen.

„Ich denke, dass Sie über Nacht bleiben werden?“, versuchte er, ein Gespräch in Gang zu bringen, weil er die Stille nicht ertrug.

„Ich könnte natürlich auch ein Zelt im Garten aufschlagen, wenn dir das lieber ist“, sagte Ivan und lachte.

„Nein, natürlich nicht“, antwortete Toris und lachte ebenfalls. „I-ich... ich werde Ihnen dann...“ Im letzten Moment brach er ab.

„Ja?“, fragte Ivan freundlich.

„Da fällt mir ein, i-ich habe kein freies Zimmer mehr. Das Haus ist recht klein, und...“

„Es ist mir egal, wo ich schlafe“, winkte Ivan ab. „Für diese eine Nacht... hast du nicht ein Zimmer unter dem Dach?“

„Ach das!“, sagte Toris etwas zu schrill. „Ja, aber das ist... das ist...“

„Was?“, fragte Ivan überrascht.

„D-das ist viel zu klein“, erklärte Toris hastig. „Wir können besser... ja, so machen wir es: Sie können mein Zimmer haben, und ich werde unter dem Dach schlafen. Glauben Sie mir, so ist es besser! Sie würden sich nur an der Schräge den Kopf stoßen, bei Ihrer Größe... und besonders sauber ist es dort oben auch nicht!“

„Also gut“, sagte Ivan und zog die Schultern hoch. „Aber ich mache dir zu viele Umstände, Toris. Es macht mir wirklich nichts, wenn du lieber in deinem eigenen Bett schlafen möchtest. Es ist schließlich wieder für einige Zeit die letzte Nacht.“

„Ach nein, nein! Es ist schon in Ordnung, wirklich. Immerhin sind Sie ein Gast.“

Ivan nickte versonnen und lächelte. „Danke, Toris“, sagte er leise. „Du bist jemand, auf den man sich verlassen kann. Ich habe es immer gewusst.“

Unschlüssig wartete Toris noch einen Moment, doch als Ivan nichts mehr sagte, wandte er sich zur Tür. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich das Bett neu beziehen und die Dachkammer herrichten. Bitte, bleiben Sie hier und machen Sie es sich bequem. In der Kanne ist noch mehr Kaffee, falls Sie noch welchen möchten.“

Ivan nickte lächelnd und ließ Toris nicht aus den Augen, bis dieser den Raum verlassen hatte.
 

Als er Schritte vor der Tür hörte, drehte Alfred den Kopf und sah hinüber. Toris kam herein, schloss die Tür wieder hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, als wolle er eventuelle Verfolger zurückhalten. Er war blass wie ein Laken und zitterte am ganzen Körper.

„Was ist passiert?“, fragte Alfred erschrocken.

„Ivan“, flüsterte Toris.

„Was ist mit ihm?“

„Er ist hier.“

„Hier?“, wiederholte Alfred und runzelte die Stirn. „Was meinst du mit...“

„Er ist hier“, sagte Toris noch einmal, in einem Ton, als könnte er es selbst genauso wenig glauben wie Alfred. „Er sitzt unten in meiner Küche und trinkt meinen Kaffee.“

„Er sitzt in deiner Küche und trinkt meinen Kaffee?“, fragte Alfred entgeistert. „Ich dachte, er wollte erst morgen kommen.“

„Dachte ich auch!“, erwiderte Toris schrill, fuhr sich durch die Haare und vergrub kurz das Gesicht in den Händen, wie um sich zu sammeln. Als er wieder aufsah, lag eine Art verzweifelte Entschlossenheit in seinem Blick.

„Du musst hier weg, Alfred. Es geht nichts anders.“

„Wie soll ich das machen, ohne dass Ivan mich bemerkt?“, fragte Alfred, der spürte, dass gerade nicht die richtige Zeit zum diskutieren war.

„Ich habe ihm gesagt, ich würde hier oben schlafen und er könnte mein Zimmer haben. Sobald er schlafen geht, komme ich nach oben und sage dir Bescheid. Wenn wir sicher sind, dass Ivan schläft, schleichst du dich die Treppe hinunter und nach draußen. Ich werde Schmiere stehen und Ivan zur Not erzählen, ich hätte schlecht geträumt oder noch einmal auf die Toilette gemusst, falls er etwas bemerkt. Es wird funktionieren. Heute Nacht, sobald Ivan schläft.“

Alfred nickte langsam und betastete seinen Arm.

„Du musst dich durchschlagen“, fuhr Toris hastig fort, schien aber mit den Gedanken bereits woanders zu sein. „Ich kann dir Geld geben und dir sagen, wohin du gehen musst. Du musst es schaffen, in die nächstgrößere Stadt zu deiner Botschaft zu kommen. Das wird nicht ganz einfach, aber es dürfte... dürfte zu schaffen sein...“

„Was ist los, Toris?“, fragte Alfred unruhig. „Da ist doch noch etwas.“

„Oh, verflucht“, flüsterte Toris, lachte freudlos auf und schüttelte den Kopf. „Er weiß es. Er weiß längst, dass du hier bist.“

„Er weiß es?“, wiederholte Alfred und konnte nicht verhindern, dass er schlucken musste. In einer so hilflosen Lage Ivan ausgeliefert zu sein, klang nicht gerade gemütlich. „Warum ist er dann nicht längst hier?“

„Weil er es mir noch nicht gesagt hat.“

„Und woher weißt du dann, dass er es weiß?“

„Er hat es bemerkt! Ich weiß nicht genau, woran, aber... ich bin sicher, dass er es bemerkt hat, Alfred, aber er sagt nichts. Er lässt mich zappeln. Er lässt mich in der Hoffnung, alles könnte gut werden, und sieht dabei zu, wie ich immer nervöser werde. Er will, dass ich dich verrate, Alfred. Er will, dass ich es selbst tue!“

Alfred wurde blass, aber sein Gesicht war entschlossen. „Lass dich nicht davon einschüchtern. Hörst du, Toris? Er weiß von nichts. Geh einfach davon aus, er hat keinen Schimmer, was passiert. Und wenn er es doch weiß und dich zappeln lassen will, umso besser! Du musst nur noch bis heute Nacht mitspielen, und danach bin ich weg. Danach kann er dir nichts mehr beweisen.“

„Beweisen“, murmelte Toris. „Glaubst du denn, er hätte es nötig, mir etwas zu beweisen? Wenn er Bescheid weiß, braucht er keine Beweise. Und selbst wenn... die zwei Kaffeetassen hätten mich schon beinahe verraten. Und der Kaffee. Und dann Ivans komische Andeutung, er würde sich auf mich verlassen. Es war einfach viel zu knapp...“

„Wo ist das Schild?“, fragte Alfred plötzlich.

„Was?“

„Das Schild vom Flugzeug. Du hast es doch hoffentlich nicht auf der Straße liegen gelassen?“

„Ach, das“, sagte Toris und schüttelte den Kopf. „Ich habe es hinterm Haus unter dem Brennholz versteckt. Dort wird Ivan es nicht finden.“

„Sehr gut“, sagte Alfred und atmete auf. „Du hast an alles gedacht.“

„Das hoffe ich“, seufzte Toris. „Ich muss vorsichtig sein... irgendwie werde ich dir heute Abend noch Essen hinauf schmuggeln müssen. Auch Proviant für die Reise. Ich hoffe nur, ich bekomme das hin...“

„Alles wird gut“, sagte Alfred und lächelte. „Ich vertraue dir, Toris. Du schaffst das.“

Toris nickte, war aber zu nervös, um das Lächeln zu erwidern. „Ich sollte wieder gehen“, murmelte er. „Oder Ivan wird unruhig.“

„Alles klar. Mach's gut. Und lass dich nicht aus der Ruhe bringen, hörst du?“

„Ich werde mein Bestes geben“, sagte Toris, holte noch einmal tief Luft, öffnete die Tür und verließ den Raum.

Two

Alles in Toris sträubte sich dagegen, die Treppe hinunter zu steigen und wieder zu Ivan zu gehen. Allerdings musste er zurück, versuchte er sich selbst zu überzeugen. Er konnte es nicht riskieren, dass Ivan die Geduld verlor und ihn womöglich suchen kam. Was, wenn er dabei Alfred entdeckte? Was, wenn...

Er hörte ein Knacken und erstarrte in der Bewegung. War das eine Tür gewesen? War Ivan ihm hinterher gekommen, oder... erschrocken sah er nach vorn und stellte fest, dass es im Flur schon beunruhigend dunkel war, obwohl es noch Nachmittag war. Er sollte das Licht anmachen, dachte Toris und tastete sich vorsichtig weiter die Treppe hinunter, eine Hand an der Tapete. Niemand war zu sehen. Hier war niemand, dachte er mit wild schlagendem Herzen. Nicht einmal in der düstersten Ecke neben dem Wandschrank, in der sich irgendetwas zu bewegen schien... wach auf, Toris! Als ob Ivan hinter dir herschleichen würde wie irgendein Nachtgespenst, und das mitten am Tag!

Er trat von der letzten Treppenstufe und holte tief Luft. Also schön. In diesem Haus gab es nichts bedrohliches außer Ivan, aber der saß noch in der Küche. Toris würde jetzt erst einmal in sein Schlafzimmer gehen und das Bett beziehen, wie er es gesagt hatte, und danach würde er Ivan wieder unter die Augen treten müssen. Aber erst danach, Toris, also entspann dich gefälligst.

Er betrat sein Zimmer, in dem es ebenfalls zu dunkel war für seinen Geschmack. Wie konnte es schon am Tag so dunkel sein? Er warf einen Blick auf die dicken Wolken draußen, die grau und bedrohlich über dem Land hingen, und schaltete das Licht an. Dadurch wurde es zwar nicht viel heller, stellte er fest, aber es half, ihn zu beruhigen. Als er die Hand wieder vom Schalter zurück zog, bemerkte er, dass sie zitterte. Dabei wollte er nicht zittern. Zittern war etwas, was man in Ivans Haus tun konnte, aber er war nicht in Ivans Haus! Sollte er sein Zittern etwa nie mehr loswerden? Er wollte sich entspannen, er wollte normal sein. Er wollte...

Wieder dieses Knacken, draußen auf dem Flur. Als würde jemand über den Boden laufen, dachte Toris. Als würde... nein, er wollte nicht nachsehen. Es war nichts, gar nichts. Alles war in Ordnung. Wenn er jetzt nachsah, ob da etwas war, würde er seine Fantasie nur beflügeln. Er durfte dem Drang nicht nachgeben, weiter dieses kindische Spiel zu spielen. Ivan saß immer noch in der Küche und trank seinen Kaffee. So energisch wie möglich ging er zum Bett hinüber und schlug die Decke auf. Einfach ignorieren. Seine Hände zitterten noch immer und er ballte sie wütend zu Fäusten. Mach dir nicht ins Hemd, Toris! Was soll denn passieren? Wovor hast du Angst?

Er wusste nicht, wovor. Aber er wusste, dass.

Ohne es recht zu wollen, drehte er sich langsam um, ging wieder zur Tür und sah auf den Flur. Nichts rührte sich. Aber es war so dunkel, dachte Toris und tastete nach seiner Brust. Sein Herz pochte schmerzhaft schnell. Wer konnte wissen, was sich im Dunkeln verbarg? Er hasste die Dunkelheit. Seit wann war es nur so dunkel in diesem Haus? Es war sein eigenes Haus, er liebte es so sehr, wie man ein Haus eben lieben konnte. Wieso kam es ihm plötzlich so fremd vor?

Hinter ihm knarrte etwas, leise, aber vernehmlich. Seine linke Hand verkrampfte sich um den Türrahmen und er spürte, wie die Härchen in seinem Nacken sich sträubten. Jemand war in seinem Zimmer. Jemand... Er wollte sich nicht umdrehen. Er sollte es tun, um sich zu vergewissern, dass da niemand war. Aber er wollte sich nicht umdrehen.

Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Was ist nur los mit dir, Toris? Alles ist völlig normal, du kennst dieses Haus, jeden Winkel. Du weißt, dass hier nichts ist... aber eben darüber war er sich plötzlich nicht mehr sicher. War das hier noch sein Haus, das er kannte?

Das Knarren erklang noch einmal, und er fuhr zusammen und rannte. Ohne nachzudenken und ohne sich umzusehen, Gott bewahre!, stürzte er auf den Flur und rannte. Irgendwo hin, wo es sicherer war. Nur weg hier. Nur...

„Toris?“

Die Stimme ließ ihn zusammenzucken und in der Bewegung einfrieren. Er fühlte sich, als sei sein Herz für einen Moment stehen geblieben und würde nun noch schneller schlagen, noch schneller, um die versäumten Schläge wieder aufzuholen.

„Toris?“, erklang die Stimme noch einmal. „Ist alles in Ordnung?“

Zitternd drehte er den Kopf. Die Tür zur Küche. Ivans Stimme, die dahinter erklang. Er wollte nicht zu Ivan, aber hier bleiben wollte er auch nicht. Sein Haus war nicht mehr seines. War es etwa nicht Ivan, der ihm hinterher geschlichen war? Aber was war es dann gewesen?

Schluckend ging er zur Tür, öffnete sie und betrat die Küche. Ivan saß am Tisch, eine leere Tasse vor sich, und lächelte Toris an.

„Da bist du ja wieder. Ist alles in Ordnung?“

„Selbstverständlich“, sagte Toris und erwiderte das Lächeln. Alles war in Ordnung. Oh, das Fenster! Sicher war es nur das Fenster in seinem Zimmer gewesen, das geknarrt hatte. Das tat es ja manchmal, nicht wahr? Und die anderen Geräusche musste er sich eingebildet haben. Sowieso, wieso vertat er seine Zeit mit so etwas? Er hatte Wichtigeres im Kopf, er musste dafür sorgen, dass Alfred nichts passierte. Alfred war in Sicherheit, solange Toris die Nerven behielt. Und wie gut er das konnte, hatte er ja eben unter Beweis gestellt...

Ach was. Er musste einfach so tun, als wäre nichts. Ivan hatte keine Ahnung, was los war. Er griff nach seiner Kaffeetasse, nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Kalter Kaffee.

„Ich habe überlegt, eine Runde ums Haus zu drehen“, sagte Ivan, während Toris sich wieder ihm gegenüber hinsetzte. „Du hast da ein paar sehr schöne Sonnenblumen in deinem Garten, Toris.“

„Ja... sie haben sich selbst ausgesät“, erklärte Toris und lachte. Da er zu nervös war, um Ivan in die Augen zu sehen, ließ er den Blick ziellos durch den Raum schweifen. Nichts anmerken lassen. „Die Vögel haben im Winter das Vogelfutter verstreut, und dabei...“

Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Auf der Arbeitsfläche unter dem Schrank lag Alfreds Päckchen mit dem Kaffee. Aber er hatte es weggeräumt, dachte Toris und spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Er hatte es versteckt. Ganz sicher.

„Ich habe mich gefragt“, fuhr Ivan einfach fort, der anscheinend nichts bemerkt hatte, „ob es in diesen Breitengraden eigentlich auch so kalt wird. Zu Hause friert es längst wieder, zumindest in der Nacht.“

„Ja... es wird recht kühl in der Nacht“, sagte Toris, stellte seine Tasse ab und bemerkte, dass seine Finger zitterten. Was tun? Das offensichtlich amerikanische Päckchen noch einmal verstecken oder Ivans Aufmerksamkeit in irgendeiner Weise davon ablenken?

„Ich hoffe, wir werden es hier drinnen warm genug haben.“

„Natürlich werden wir das. Der Ofen funktioniert einwandfrei.“

Ivan lächelte. „Das freut mich. Es gibt doch nichts Schöneres als einen Kamin, nicht wahr, Toris? Hast du einen?“

„Ja“, antwortete Toris zögernd und umklammerte die Tasse. „Im Wohnzimmer.“

„Wie schön“, sagte Ivan und strahlte ihn an. „Dann werden wir heute Abend ein Feuer machen, ja?“

„Das... wäre möglich, aber dazu müsste ich zuerst Holz hacken.“

„Oh, und du hast sicher viel zu tun, nicht wahr? Du musst packen... und deinen letzten Tag hier solltest du noch genießen, das hast du dir verdient. Ich kann das Holz hacken.“

Langsam hob Toris den Kopf und starrte ihn an. Ivan erwiderte seinen Blick arglos und lächelte.

„N-nein... machen Sie sich keine Umstände. Ich kann das selbst erledigen.“

„Nein, Toris. Ich falle dir sowieso schon genug zur Last.“

„Aber nein, Sie brauchen das wirklich nicht zu tun!“, beteuerte Toris etwas schrill und stand auf. Seine Knie zitterten. „Ich mache es selbst! Es ist in Ordnung!“

Ivan legte den Kopf schief und sah ihn an. Was war das in seinem Blick? War es Misstrauen? Wusste er längst, was oder besser wen Toris vor ihm versteckte? War das alles nur ein Spiel, das er spielen würde, bis es ihm zu langweilig wurde? Toris' Herz raste in seiner Brust. Er jedenfalls würde dieses Spiel nervlich nicht mehr lange aushalten.

„Keine Widerrede“, sagte Ivan entschieden und runzelte leicht die Stirn. „Ich gehe.“

Er würde hinaus gehen, er würde hinter den Stapel Holz schauen, und dort würde er ein etwas verbeultes Blechschild sehen. Ein Schild aus einem Flugzeug. Ich bin Amerikaner und spreche Ihre Sprache nicht. Ich hege keine bösen Absichten gegen...

„Verzeihen Sie mir“, brachte Toris hervor und umklammerte seine Tasse. „Es tut mir Leid.“

„Was?“, fragte Ivan. „Was tut dir Leid?“

Am liebsten hätte er geschrien, Sie wissen es doch, Sie wissen es schon längst, aber er konnte nicht. Seine Kehle war staubtrocken. Er hätte Alfred besser verstecken müssen, er hätte Ivan von Anfang an die Wahrheit sagen müssen, er hätte Alfred am besten gar nicht erst finden dürfen – alles, damit er nicht am Ende wieder da stand und ihm nichts mehr blieb, wie es schon entschieden zu oft vorgekommen war. Nichts mehr, um sich zu verteidigen, zu entschuldigen, nichts außer der eigenen Schutzlosigkeit. Es war, als wäre er nackt.

Er wollte schreien, doch er konnte nicht. Stattdessen ließ er die Kaffeetasse aus seinen zitternden Fingern rutschen. Sie zersprang in einer Explosion aus Flüssigkeit und Scherben auf dem Boden.
 

Alfred lauschte in das Haus hinein, doch er hörte keinen Laut. Sein Kopf hatte zu schmerzen begonnen und auch in seinen gebrochenen Arm kam langsam wieder Gefühl, worauf er lieber verzichtet hätte. Was ging hier vor? Ivan war zu früh gekommen, schön und gut, schlechtes Timing war eben seine Stärke. Aber was sollte jetzt passieren? Würde Toris es schaffen, dicht zu halten, nicht die Nerven zu verlieren? Immerhin war er ein sensibler Kerl, dachte Alfred. Das hatte Ivan damals auch gesagt. Andererseits, was verstand Ivan schon von dem, was in Toris vorging? Verdammter Ivan. Die Wurzel allen Übels. Grund seiner schlaflosen Nächte. Wie viel schöner die Welt doch wäre, wenn es Ivan nicht gäbe.

Vorsichtig versuchte er, sich aufzusetzen, aber auf den linken Arm konnte er sich nicht stützen und der rechte war kraftlos und bebte unter ihm. Außerdem bekam er allein von der Bewegung noch größere Kopfschmerzen. Seufzend ließ er sich wieder zurück sinken und starrte an die Decke. Es sah aus, als könne er nicht mehr tun, als zu hoffen. Hoffen, dass alles wieder in Ordnung kommen würde, dass Toris einen Weg finden würde, ihn an Ivan vorbei aus dem Haus zu schmuggeln. Und dann? Was sollte Alfred dann tun? Sich ohne Toris' Hilfe durch ein Land schlagen, dessen Sprache er nicht sprach?

Es wirkte wie eine Aufgabe für einen echten Helden, dachte Alfred und seufzte. Zum ersten Mal regten sich leise Zweifel in ihm, ob der Held dieser Aufgabe gewachsen war.
 

„Toris? Was ist denn los? Was hast du?“

Toris hatte keine zwei zusammenhängenden Worte mehr herausgebracht. Er hatte geschluchzt und gezittert und irgendetwas von Entschuldigung und Verzeihung gestottert. Besorgt hatte Ivan ihn in den Arm genommen, und als auch das nicht half (Toris schien dadurch noch stärker zu zittern als zuvor, was Ivan sich nicht erklären konnte), hatte er Toris in sein Zimmer gebracht. Er wusste, wo es lag, er war ja nicht zum ersten Mal hier.

„Wirst du vielleicht krank, Toris? Ich habe gehört, es geht eine Grippe um. Vielleicht bist du einfach ein bisschen fertig mit den Nerven, ist es das?“

Denn anders konnte Ivan es sich nicht erklären, dass Toris mitten am Tag ohne Zusammenhang in Tränen ausbrach. Das tat Raivis mit hübscher Regelmäßigkeit, aber doch nicht Toris. Bei Raivis lag es daran, dass er ein kleiner Junge war und kleine Jungen nun einmal oft weinten, und manchmal lag es auch daran, dass Ivan ihn ein bisschen geärgert hatte. Nur ein kleines bisschen. Aber nein, Toris tat so etwas nicht.

„Vielleicht wirst du krank, Toris“, sagte Ivan, drückte ihn auf das Bett und klopfte sein Kissen auf. „Da ist es gut, dass du bald wieder nach Hause kommst, nicht wahr? Wahrscheinlich regt es dich zu sehr auf, hier zu sein. Wenn du wieder zu Hause bist, kann ich mich um dich kümmern, und dann wirst du ganz schnell wieder gesund. Du wirst schon sehen.“

Toris blinzelte zu ihm auf. Noch immer hatte er Tränen in den Augen, aber er sagte nichts mehr. Ivan lächelte ihn mitfühlend an und zog die Decke über ihn. Danach stand er auf, um das Licht zu löschen und die Läden vor dem Fenster zu schließen. Wenn jemand krank war, musste es dunkel sein, fand Ivan.

„So. Das wird schon wieder, Toris. Ich werde dir einen Tee machen, ja? So macht man das, wenn jemand krank ist. Keinen dummen Kaffee, sondern Tee.“

Toris gab eine Art Wimmern von sich.

„Was ist denn los, Toris?“, fragte Ivan besorgt und trat wieder zu ihm. „Was hast du?“

„Der... der Kaffee...“, stotterte Toris.

Ivan zog die Augenbrauen hoch. „Amerikanischer Kaffee. Ich habe es bemerkt.“ Er schüttelte tadelnd den Kopf. „Ich möchte gar nicht wissen, wo du ihn herhattest, Toris. In meinem Haus wird so etwas nicht getrunken, das ist ja hoffentlich klar.“

„Natürlich.“

„Dass du dir in deiner repräsentativen Stellung so etwas erlaubst... Du weißt doch, dass du deinen Kindern immer mit gutem Beispiel voran gehen solltest“, sagte Ivan ernst. „Nun gut, in deiner freien Woche werde ich wohl noch mal ein Auge zudrücken können. Dass mir so etwas aber nicht zur Gewohnheit wird, Toris. Hast du irgendetwas gegen einheimische Produkte?“

„Natürlich nicht“, flüsterte Toris.

„Gut!“, sagte Ivan glücklich. „Sehr gut. Ich werde dir eine Tasse Tee kochen, damit du wieder gesund wirst. Und morgen gehen wir zusammen nach Hause, ja?“

Toris nickte stumm, und Ivan lächelte ihm noch einmal zu, bevor er hinaus ging. Gut, dass er früher gekommen war als geplant, dachte er. So konnte er einmal sehen, was Toris so trieb, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Amerikanischer Kaffee... wozu brauchte Toris so etwas? Wo hatte er es her? Ach was, es spielte keine Rolle, dachte Ivan. Toris war ein lieber Junge, ein braver Junge. Einen so kleinen Ausrutscher konnte er ihm gerade noch verzeihen. Sie hatten doch alle ihre Vorlieben und ihre Schwächen, nicht wahr? Wenn es zum Beispiel in Ivans Garten plötzlich keine Sonnenblumen mehr geben würde, wäre er vielleicht auch so verzweifelt, dass er sie von Alfred kaufen würde, wenn der welche hätte.

Alfred. Ivan verzog die Lippen und machte sich auf den Weg in die Küche. Verdammter Alfred. Die Wurzel allen Übels. Grund seiner schlaflosen Nächte. Wie viel schöner die Welt doch wäre, wenn es Alfred nicht gäbe.
 

In der Küche schüttete er den Rest des kalten Kaffees in den Ausguss und setzte Teewasser auf. Während er wartete, bis es kochte, überlegte er, ob er nicht noch etwas für Toris tun konnte. Immerhin mussten sie morgen wieder abreisen, und es wäre schlecht, wenn Toris' Zustand sich bis dahin weiter verschlechtern würde. Sein Boss sah es nicht gern, wenn Pläne nicht eingehalten wurden, dachte Ivan mit einem aufkeimenden schlechten Gewissen. Er musste morgen mit Toris pünktlich am Bahnhof sein und den richtigen Zug nehmen. Alles andere würde nur zu Problemen führen.

Kurz entschlossen stand Ivan auf. Als er das letzte Mal krank gewesen war, hatte er gefroren, daran erinnerte er sich. Sicher konnte es nicht schaden, wenn er es Toris so warm wie möglich machte. Ob es hier noch mehr Decken gab? Im Wohnzimmer vielleicht, oder unter dem Dach. Ja, das war eigentlich eine gute Idee. Hatte Toris nicht gesagt, er würde das Bett neu beziehen? Er sollte sich das einmal ansehen, dachte Ivan und wandte sich zur Treppe. Und außerdem sah es nach Toris' plötzlichem Schwächeanfall ganz so aus, als würde Ivan selbst unter dem Dach schlafen müssen, wie er es schon angeboten hatte. Es konnte nicht schaden, sich die Sache anzusehen.
 

Alfred war noch immer allein mit seinen Gedanken. Die von Wolken verhangene Sonne stand schon tief über den Bäumen, die er durch das Fenster sehen konnte. Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Wenn Toris es nur schaffte, bis zum Abend dicht zu halten, würde alles gut gehen. Alles würde gut werden, dachte Alfred und seufzte leise. Etwas anderes als ein Happy End wäre einem Helden wie ihm ja wohl nicht zuzumuten.

Er merkte auf, als Schritte die Treppe herauf kamen. War Toris schon wieder hier? Vielleicht hatte er Essen dabei. Das wäre gar nicht schlecht, dachte Alfred und zupfte sein Kissen zurecht. Er konnte so viel Kraft wie möglich gebrauchen, wenn er es schaffen wollte, schnell wieder auf den Beinen zu sein und zu fliehen. Es konnte nicht schaden.

„Hey, Toris. Hat er...“

Die Worte blieben Alfred im Hals stecken und er hätte schwören können, dass sein Herz für einen Moment aussetzte. Es war nicht Toris. Warum war es nicht Toris?

Einen Moment lang starrten Ivan und Alfred einander mit großen Augen an. Keiner von beiden hatte den anderen hier erwartet, dachte Alfred. Wer wohl von dem plötzlichen Auftauchen des anderen mehr überrascht war? Ivan sah ihn jedenfalls an, als sei er sich noch nicht sicher, ob er es mit einem Hilflosen, einem ebenbürtigen Gegner oder einem Hirngespinst zu tun hatte. Diesen Überraschungsmoment musste er nutzen, rief Alfreds Instinkt. Er wollte die Decke beiseite werfen, aufspringen und fliehen, doch unglücklicherweise versuchte er, seinen linken Arm zu benutzen, um sich von der Decke zu befreien. Ein brennend heißer Schmerz zuckte von seinem Ellbogen bis in seine Schulter und pochte in seinem Brustkorb weiter. Er schrie auf und versucht im selben Moment erfolglos, sich daran zu hindern. Ivan hörte zu.

„Alfred“, sagte Ivan.

Alfred ließ den Kopf wieder in sein Kissen fallen und versuchte, zu Atem zu kommen. Er durfte nicht liegen bleiben. Er musste hier weg. Am besten würde er Toris auch noch mitnehmen, schließlich wäre es alles andere als heldenhaft, seinem Retter so wenig Dankbarkeit zu zeigen und ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen. Aber noch immer schmerzte sein Arm und davon ausgehend seine gesamte linke Körperhälfte so stark, dass an Aufstehen nicht zu denken war. Von Fliehen ganz zu schweigen. Was versuchte er sich eigentlich einzureden? Er konnte kein Held sein. Diesmal nicht.

Aber er wollte ein Held sein, dachte Alfred verbissen und starrte Ivan an, der seinen Blick mit großen Augen erwiderte. Noch immer sah er weder offen schockiert noch wütend noch nach irgendeiner anderen Emotion aus, die Alfred hätte erkennen können. Anscheinend war Ivan schlicht überfordert mit der Situation. Dieser Eindruck verstärkte sich, als Ivan ohne ein weiteres Wort einen Schritt zurücktrat und die Tür wieder zuschlug.

One

Toris lag auf dem Rücken und versuchte, seine Atmung zu beruhigen. Er schaffte es nicht. Beinahe hätte er sich verraten und Ivan hätte gewusst, dass Alfred hier war. Aber er hatte keine Ahnung, dachte Toris, keinen blassen Schimmer. Es sei denn, Ivan spielte noch immer mit ihm. Ob das sein konnte? Hätte Ivan im Fall eines Spiels nicht in dem Moment gewonnen gehabt, in dem Toris zusammengebrochen war? Aber er hatte weitergemacht, als wüsste er noch immer nicht, was vor sich ging. Wenn er nichts von Alfred wusste, wie zum Teufel erklärte er sich den Kaffee?

Die Wege des Herrn sind unergründlich, hatte Feliks oft gesagt, und Toris musste mittlerweile aus Erfahrung hinzufügen, dass die Ivans es ebenso waren. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Am besten würde er aufstehen und... aber nein, wie sollte er Ivan erklären, dass er schon wieder auf den Beinen war? Wenn Ivan glaubte, er sei krank, warum sollte er ihn nicht in dem Glauben lassen? Das gab ihm ein bisschen Narrenfreiheit, zumindest, solange Ivan guter Laune war. Wenn er krank war, durfte er undeutlich antworten und müde sein und seine Ruhe haben wollen. Alles in allem wäre seine Situation gar nicht die schlechteste gewesen, wenn da nicht noch das Problem mit Alfred gewesen wäre.

Als Schritte vor der Tür erklangen, drehte er sich hastig auf die Seite und stellte sich schlafend. Er schlief. Hoffentlich würde Ivan ihn schlafen lassen, schließlich war er krank und musste sich erholen, nicht wahr? Er war krank, dachte Toris und vergrub das Gesicht in seinem Kissen. Wirklich.

Die Tür öffnete sich langsam. Offenbar bemühte Ivan sich, leise zu sein, als er herein kam. Ebenso leise stellte er etwas auf dem Nachttisch ab und beugte sich dann näher.

„Toris?“

Die Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, dicht an seinem Ohr. Toris hielt die Augen geschlossen und versuchte, ein Schaudern zu unterdrücken. Er schlief. Er hatte gar nichts gehört.

Einen Moment lang passierte nichts. Dann seufzte Ivan sehr leise und sehr tief. Toris musste sich zwingen, nicht zu zittern, als der Atem sein Ohr kitzelte.

„Warum hast du das getan, Toris? Wie konntest du?“

Toris' Herz raste. Er wusste es. Jetzt wusste er es endgültig. Über das Pochen seines eigenen Herzens hörte er Ivans Schritte, die sich wieder entfernten. Die Tür schloss sich und Stille trat ein.

Ivan wusste von Alfred, dachte Toris. Das war schlecht. Mehr als schlecht. Was sollte er tun? Ivan um Verzeihung bitten, um den Schaden möglichst gering zu halten? Versuchen, Alfred zu helfen? Wie sollte er das anstellen, jetzt, da Ivan aufpassen würde? Es war so gut wie hoffnungslos, überlegte Toris fieberhaft, so gut wie. Ivan hatte enttäuscht geklungen, und das war das schlimmste, was hätte passieren können. Wer Ivan kannte, wusste, dass man ihn noch lieber wütend machte, als ihn zu enttäuschen.

Andererseits hatte er noch nicht einmal die Zimmertür abgeschlossen.
 

Ivan wusste nicht, was er von der ganzen Situation hielt. Nicht viel jedenfalls, das stand fest. Wie war es möglich, dass Alfred hier war? Hatte Toris ihn eingeladen? Und egal, wie Alfred hierher gekommen war, warum war er noch da? Warum lag er in einem Bett in Toris' Haus? Wie hatte Toris es wagen können, ihn so zu hintergehen?

Ja, Ivan hatte geglaubt, Toris trauen zu können. Ihm gefiel der Gedanke nicht, niemandem trauen zu können, und er mochte Toris. Er war höflich, folgsam und pflegeleicht. Die Sache stellte sich ganz einfach so dar, dass Ivan Toris mochte und Alfred hasste, und deswegen hatte Toris Alfred nicht zu mögen. So einfach war das, dachte Ivan, während er die Treppe hinauf stieg.

„Wie kommst du hierher?“, fragte er rundheraus, als er die Tür öffnete.

Alfred sah ihn aus den Augenwinkeln an und kniff die Lippen zusammen. Es schien ihm nicht zu gefallen, diesmal nicht den Helden spielen zu können, dachte Ivan.

„Du siehst nicht gut aus. Ist der Arm gebrochen?“

„Geht dich nichts an.“

„Warum bist du so unhöflich?“, fragte Ivan, setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett und musterte Alfred eingehend. Sein linker Arm war verbunden, er hatte eine leicht bläuliche Schwellung an einem Auge und eine verkrustete Wunde an der Stirn.

„Wie bist du an diese Verletzungen gekommen?“

Alfred antwortete nicht, sah ihn nicht einmal an.

„Soll ich deinen Arm wieder einrenken? Das kann ich gut.“

„Es war nicht meine Schuld“, sagte Alfred störrisch, noch immer, ohne ihn anzusehen. „Und es war kein Absturz, sondern eine Notlandung.“

„Eine Notlandung? Was hattest du mit einem Flugzeug über meinem Gebiet zu suchen?“

Alfred sagte nichts und Ivan runzelte die Stirn. Er sollte seinem Boss melden, dass man verstärkt nach Flugzeugen Ausschau halten musste.

„Alfred, Alfred. Ich verstehe deine ständige Aggressivität nicht.“

„Aggressivität?“, wiederholte Alfred und lachte kurz auf. „Ich? Du hast angefangen, überall Raketen zu stationieren. Natürlich versuche ich mit allen Mitteln, mich darüber auf dem Laufenden zu halten. Ich habe auf diesem Flug genug gesehen, Ivan. Du bist derjenige, der aggressiv ist.“

„Ich habe dich nicht angegriffen.“

„Bis jetzt.“

„Ich will keinen Krieg.“

„Ach, verstehe. Deswegen die Atomraketen.“

„Wenn du dich nicht sofort benimmst“, sagte Ivan mit einem kühlen Lächeln, „dann wirst du ja sehen.“

„Was werde ich sehen? Ich bin schließlich nicht irgendjemand. Wenn du mir ein Haar krümmst, kannst du etwas erleben. Dann wird der Kalte Krieg nicht mehr lange kalt bleiben, verlass dich drauf.“

Ivan verengte die Augen leicht. „Keine Sorge“, sagte er und bemühte sich um einen sorglosen Tonfall. „Ich werde dir nichts tun. Von dir habe ich letztendlich sowieso nichts anderes erwartet, als dass du mir hinterher spionierst.“

„Aber?“, fragte Alfred.

„Aber von Toris habe ich etwas anderes erwartet.“

Alfreds rechte Hand verkrampfte sich um seine Decke. „Du wirst Toris... du kannst Toris nichts tun.“

„Ich trage die Verantwortung für Toris. Ich habe ihn gern.“

„Wenn du ihn gern hast, solltest du ihm nichts tun!“

Verblüfft sah Ivan ihn an. „Nein, nein“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Wenn ich ihn gern habe, muss ich dafür sorgen, dass er sich gut benimmt. Dass er nichts falsch macht. Und wenn er etwas falsch macht, muss ich dafür sorgen, dass er es nicht wieder tut.“

„Aber er hat nichts falsch gemacht! Er hat mir nur geholfen, als es mir schlecht ging! Hältst du das für falsch?“

„Er hätte mir sofort sagen müssen, dass du hier bist. Er hätte dich melden müssen.“

„Stattdessen hat er sich zuerst einmal um meine Verletzungen gekümmert. Ist das verboten?“

„Nein“, sagte Ivan geduldig, als spreche er mit einem Kind. „Aber seitdem ich angekommen bin, hat er versucht, dich vor mir zu verstecken. Das hätte er nicht tun dürfen.“

„Toris hat mir geholfen“, sagte Alfred leise. „Wenn du es wagst, ihm deswegen Schwierigkeiten zu machen, dann...“

„Dann was?“, fragte Ivan ehrlich interessiert.

Alfred biss die Zähne zusammen. „Wie wäre es mit einem Handel?“, fragte er. „Du wirst versprechen, Toris nichts zu tun und die Sache nicht an die große Glocke zu hängen. Und ich...“

„Ja?“

„Ich werde auf eigene Faust von hier verschwinden, sobald es geht.“

Ivan legte den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft. „Ein großartiger Handel, Alfred. Ich halte mich an deine Bedingungen, und du gehst einfach wieder nach Hause, als sei nichts gewesen?“

„Das wäre sicher das Beste“, sagte Alfred. „Wenn wir einfach so tun, als wäre nichts passiert. Ansonsten führt das doch nur zu unnötigen Schwierigkeiten für...“

„...für dich“, vollendete Ivan liebenswürdig seinen Satz. „Ich bin hier im Recht, Alfred. Du hast mich ohne jede Provokation angegriffen.“

„Jetzt mach aber mal halblang! Ich habe dich nicht...“

„Du wirst dich meinen Bedingungen beugen und nicht umgekehrt. Hast du das verstanden?“

Alfred starrte ihn wütend an. Ivan lächelte.

„Der Stärkere schreibt die Regeln vor, Alfred. Oder seht ihr das drüben bei euch anders?“

„Gerechtigkeit“, murmelte Alfred. „Die Gerechtigkeit schreibt die Regeln vor.“

„Das läuft auf dasselbe hinaus. Der Stärkere macht auch die Gerechtigkeit.“

„Du drehst mir das Wort im Munde herum!“

Ivan legte den Kopf schief. „Es gibt keine Gerechtigkeit, Alfred“, sagte er ernst. „Jeder von uns handelt nach dem, was er für richtig hält. Es gibt so viele Auffassungen von Gerechtigkeit wie Menschen auf der Welt, wenn nicht sogar noch mehr. Niemand kann sagen, was gerecht ist und was nicht.“

Alfred verdrehte die Augen. „Sei froh, dass ich solche Kopfschmerzen habe, dass mir darauf keine geistreiche Antwort mehr einfällt. Es bleibt dabei, dass du Toris kein Haar krümmen wirst.“

„So so, dabei bleibt es?“, fragte Ivan und stand auf. „Und wie, wenn ich fragen darf, willst du mich daran hindern?“
 

Ivan hasste es, wenn Toris sich in Schwierigkeiten brachte. Das hatte er seit einer ganzen Weile nicht mehr getan. In der Anfangszeit, als er noch all die Flausen im Kopf gehabt hatte, die Feliks ihm hinein gesetzt hatte, da war es schwierig mit ihm gewesen. Und in der ersten Zeit, nachdem er von Alfred zurückgekehrt war, ja, da auch. Damals hauptsächlich, weil Toris sich wieder eingewöhnen musste. Aber seit einer halben Ewigkeit war er nicht mehr offen rebellisch gewesen. Dass er allerdings Ivans Erzfeind Alfred vor ihm versteckt hatte, in seinem eigenen Haus (denn das Haus gehörte Toris, und Toris gehörte Ivan, also gehörte das Haus auch Ivan, völlig logisch), war in Ivans Augen durchaus eine offene Rebellion.

Er stieg die Treppe hinunter und blieb vor der Tür zu Toris' Zimmer stehen. Was sollte er tun? Er wollte Toris nicht wehtun, und sowieso, für so etwas würde er genug Zeit haben, wenn sie erst einmal wieder zu Hause waren. Es ersparte ihm unnötige Komplikationen, wenn Toris zumindest die Reise noch aus eigener Kraft hinter sich bringen konnte. Nein, er wollte Toris nichts tun. Aber sprechen musste er mit ihm, dachte er. Ihm sagen, dass es so nicht ging. Dass er schon einmal darüber nachdenken sollte, was er falsch gemacht hatte. Später würde er sicher noch mehr Zeit zum Nachdenken bekommen, aber anfangen konnte er ja schon einmal damit. Ivan seufzte tief, drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür.

Etwas fehlte. Auf den ersten Blick war der Raum noch genau derselbe: Die Fensterläden waren geschlossen und ließen nur wenig Licht herein, das Tablett mit der Teetasse stand unberührt auf dem Nachttisch. Da waren der Schrank und das Kreuz an der Wand und die Blumen auf der Fensterbank, aber irgendetwas fehlte, dachte Ivan stirnrunzelnd. Irgendetwas, das ganz sicher hier hätte sein müssen. Nachdenklich trat er näher und strich über die Matratze des Bettes. Sie war noch ein wenig warm.

Wo steckte Toris eigentlich?
 

„Vielleicht ist er abgehauen“, sagte Alfred und bemühte sich kaum, seinen Triumph zu verbergen.

Ivan sah ihn überrascht an. „Was meinst du damit?“

„Na, abgehauen. Einfach weggelaufen.“

„Oh, nein“, sagte Ivan und schüttelte den Kopf. „Du kennst Toris schlecht. Dafür ist er nicht dumm genug. Raivis würde ich so etwas zutrauen, aber Toris... nein. Er würde niemals weglaufen.“

Alfred runzelte die Stirn. „Es steckt mehr in ihm, als du ihm zutraust.“

„Ach ja? Ich kenne ihn länger als du.“

„Aber ich kenne ihn besser.“

„Wieso?“, fragte Ivan und runzelte die Stirn. „Das ergibt keinen Sinn.“

„Doch“, antwortete Alfred und sah an die Decke. „Weil ich Toris immer auf Augenhöhe begegnet bin. Weil ich versucht habe, ihn zu verstehen und herauszufinden, wie man ihn glücklich macht. Toris war glücklich, Ivan. Damals.“

Irritiert sah Ivan ihn an. „Glück wird allgemein überbewertet, mein lieber Alfred“, sagte er schroff. „Ein Bett und ein voller Magen sind lebenswichtig. Jemand, der glücklich ist, aber nichts zu essen hat, wird trotzdem eingehen.“

„Das sagst du doch nur, weil du Toris niemals glücklich machen konntest.“

„Was weißt du schon? Woher willst du wissen, dass Toris bei dir jemals glücklich war?“

Fast gegen seinen Willen musste Alfred grinsen. „Ich habe es gesehen“, antwortete er. „Es war irgendetwas in seiner Haltung. Wie er sich bewegt hat, was er gesagt hat, wie er seine Arbeit gemacht hat... alles, was er getan hat, hat er gerne getan. Damals, als er bei mir war. Er war glücklich, Ivan.“

Ivan schüttelte missbilligend den Kopf. „Glück ist nicht wichtig zum Überleben.“

„Aber zum Leben schon.“

„Jetzt bist du es, der mir das Wort im Munde herumdreht!“, sagte Ivan hitzig.

Alfred runzelte die Stirn. „Sag mal... sagst du das eigentlich nur, weil du Toris niemals glücklich machen konntest, oder...“

Er verstummte.

„Oder was?“

„Oder weil du selbst nie glücklich warst?“

„Ich?“ Ivan lachte überrascht auf. „Doch. Ich bin immer sehr glücklich gewesen, mein ganzes Leben hindurch. Ich hatte immer Menschen, die sich um mich gekümmert haben, auf die eine oder andere Art. Ich habe eine sehr glückliche Kindheit gehabt.“

„Glückliche Kindheit?“ Alfred zog die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, einige von deinen Zaren wären ziemliche Tyrannen gewesen.“

„Wieso Tyrannen? Sie haben sich gut um mich gekümmert. Ich bin sehr stark geworden. Sie haben mich geliebt... genau, wie ich Toris und all die anderen liebe. All die Mitglieder meiner Familie.“ Ivan verzog den Mund. „Weißt du überhaupt, was das ist, eine Familie? Weißt du das, Alfred?“

„Natürlich.“

„Weißt du, was es bedeutet, jemanden zu lieben?“

„Natürlich weiß ich das!“, sagte Alfred ungeduldig. „Nun tu nicht so, als hätte ich keine Ahnung!“

„Aber du hast keine Ahnung“, erwiderte Ivan nachsichtig und lächelte. „Du weißt nicht, wie es ist, jemanden zu lieben.“

„Aber du, ja? Jemanden zu lieben bedeutet, allen Schaden von ihm fernhalten zu wollen. Es bedeutet, ihn zu beschützen und ihn zum Lachen zu bringen und ihm niemals wehzutun, verstehst du? Ihn niemals und um keinen Preis zu verletzen, das bedeutet es!“

„Du hast nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst“, erwiderte Ivan mit einem Blitzen in den Augen. „Jemanden zu lieben bedeutet, allen Schaden von ihm fernhalten zu wollen, ja. Und um das zu erreichen, muss man zu allem bereit sein.“

„Ja! Genau das sage ich doch die ganze...“

„Zu allem“, unterbrach Ivan ihn. „Sogar dazu, ihm Schmerzen zuzufügen, wenn es nötig sein sollte.“

Einen Moment lang starrte Alfred ihn mit halb offenem Mund an. „Wenn es nötig sein sollte? Warum um alles in der Welt sollte es denn nötig sein?“

„Um ihn vor etwas zu beschützen. Um ihn zu erziehen. Um ihm beizubringen, was er tun darf und was nicht. So etwas ist wichtig.“

„Und wer entscheidet, was jemand anderes tun darf? Du etwa, Ivan?“

„Ich bin alt“, sagte Ivan und zuckte die Achseln. „Älter als du. Ich habe gelernt, Alfred, Jahre, Jahrhunderte lang. Ich tue nichts, als dieses Wissen weiterzugeben.“

„Es ist kein Wissen, das du weitergibst“, murmelte Alfred und schüttelte den Kopf. „Es sind der Schmerz und die Trostlosigkeit, in denen du dein Leben verbracht hast. Ist es eine Art Rache, Ivan? Die, die dich verletzt haben, sind längst tot, also musst du es an anderen auslassen.“

„Ich habe kein Bedürfnis, mich an jemandem zu rächen“, erwiderte Ivan und zog die Augenbrauen hoch. „Ich bin allen, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin, äußerst dankbar.“

„Du bist verrückt“, sagte Alfred.

„Das bin ich nicht, zum Glück. Wenn sie mich nicht stark gemacht hätten, dann hätte ich über die Grausamkeit der Welt den Verstand verloren. Aber so nicht.“

„So hast du stattdessen über ihre Grausamkeit den Verstand verloren.“

Einen Moment lang sah Ivan ihn an und kniff ein Auge leicht zu, als müsse er sich sehr anstrengen, um die Bedeutung dieser Worte zu verstehen.

„Ich habe keine Ahnung, ob ich dich für deine Kindheit bemitleiden soll“, sagte Alfred langsam, „oder ob ich dich hassen soll, weil du sie auf die falsche Art verarbeitest.“

Mit einem Ruck stand Ivan auf, so hastig, dass er den Stuhl umwarf. „Halt den Mund!“, brüllte er Alfred an. „Halt gefälligst den Mund!“

Bevor Alfred darüber nachdenken konnte, ob er etwas sagen sollte oder doch lieber nicht, fuhr er herum und rannte hinaus.

Zero

Ivan schlug die Tür hinter sich zu wünschte sich, er hätte abschließen können. Wo waren nur die Schlüssel zu den Türen in diesem Haus? Vermutlich hatte Toris sie bei sich. Und wo steckte Toris? Es war nicht möglich, dass er einfach verschwunden war. Er würde wieder auftauchen, früher oder später. Wenn er wusste, was gut für ihn war, würde er eher früher wieder auftauchen.

Langsam stieg Ivan die Treppe hinunter und öffnete die Tür zu Toris' Zimmer. Vielleicht war er zurückgekommen, dachte er hoffnungsvoll, aber als er das leere Bett sah, erlosch seine Hoffnung so schnell wieder, wie sie aufgeflammt war. Toris war nicht hier. Dabei war das hier sein Haus. Jedes Bild an der Wand, jeder Zentimeter des Bodens war mit ihm verbunden. Er war in Toris' Haus, und Ivan hätte sich wohlgefühlt (bei Toris fühlte er sich generell sehr wohl), wenn Alfred nicht gewesen wäre. Alfred machte alles kaputt, er machte das Netz schmutzig. Konnte er Ivan denn gar nichts lassen, was er liebte? Früher, ganz früher einmal hatte er sich Toris' Vertrauen erschlichen, damals, als Ivan noch nicht gewusst hatte, wie gefährlich Alfred war. Wenn er es damals schon gewusst hätte, hätte er Toris warnen können. Aber so...

Seufzend setzte er sich auf das Bett und betastete die zerknitterte Decke. Sie war längst kalt. Toris sollte wiederkommen, dachte er. Ohne ihn war dieses Haus doch nicht dasselbe. Wenn er zurückkehrte, würde Ivan Alfred hinauswerfen und sich selbst in der Dachkammer einquartieren, und sie würden ein paar schöne Tage hier verbringen, Toris und er. Völlig egal, was Ivans Boss dazu sagte – das wäre es ihm wert. Hier war das Klima milder. Es würde schön werden, dachte Ivan und griff nach dem Kopfkissen. Wenn Toris doch nur hier wäre.

Er hob das Kissen vor sein Gesicht und atmete ein. Vielleicht konnte er sich fühlen, als wäre Toris hier, wenn er ihn roch. Als wäre Toris ganz nahe... vielleicht sogar...

Die Tür des Zimmers wurde zugeschlagen und klappernd von außen verschlossen. Danach erklangen Schritte, die die Treppe hinauf rannten. Ja, dachte Ivan noch, während er verwirrt das Kissen sinken ließ und zur Tür sah. Er konnte so tun, als wäre Toris wieder da.
 

Zum zweiten Mal an diesem Tag öffnete Toris die Tür zur Dachkammer, schloss sie hinter sich wieder und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, um zu Atem zu kommen. Er war blass und sah aus, als sei ihm schlecht. Vielleicht hatte er sich beim Rennen zu sehr verausgabt. Vielleicht lag es auch an seiner Angst.

„Toris?“, fragte Alfred überrascht. „Da bist du ja wieder.“

Toris keuchte und versuchte, zu sprechen. „Du musst... raus hier. Ich ha... habe dafür gesorgt, dass...“

„Ganz ruhig“, unterbrach Alfred ihn. „Wo ist Ivan?“

„Nicht hier“, antwortete Toris, ohne ihn anzusehen, kam näher und stellte geistesabwesend den Stuhl wieder auf, den Ivan umgeworfen hatte. „Er wird uns nicht in die Quere kommen.“

„Nicht?“, fragte Alfred überrascht. „Wo ist er denn hin?“

„Unwichtig“, erwiderte Toris und wischte den Einwand mit einer leicht zittrigen Handbewegung beiseite. „Ich habe dir eine Mitfahrgelegenheit besorgt. Ein Nachbar bringt dich in die Stadt und wirft dich irgendwo in der Nähe deiner Botschaft raus. Die Botschaft dürftest du finden, oder?“

Alfred sah ihn mit großen Augen an. „Wie...?“, begann er.

„Beeil dich“, sagte Toris, kam zu ihm hinüber und sah ihn zögernd an. „Kannst du aufstehen?“

„Sicher“, antwortete Alfred, obwohl er zugeben musste, nicht ganz sicher zu sein. „Aber... das geht jetzt alles ein bisschen schnell, glaubst du nicht, Toris?“

Toris lachte atemlos. „Es muss schnell gehen! Willst du warten, bis Ivan dich anzeigt?“

„Was ist mit diesem Nachbarn, von dem du gesprochen hast? Bist du sicher, dass man ihm trauen kann?“

„Ich kenne die meisten Leute hier schon ihr ganzes Leben lang. Der Mann ist eine gute Seele, und außerdem habe ich ihn mit Kaffee bezahlt. Er wird dich sicher in die Stadt bringen, ganz bestimmt. Wenn wir nur nicht zu lange warten, denn ewig wird er nicht mit dem Wagen vor der Haustür stehen bleiben. Zu riskant.“

Ohne auf eine weitere Reaktion von Alfred zu warten, zog er die Decke beiseite und griff nach dessen unverletztem Arm. „Ich werde dich stützen, in Ordnung? Glaubst du, es geht?“

„Habe ich denn die Wahl?“, fragte Alfred und grinste schief. „Sicher schaffe ich das, Toris. Ich bin ein Held. Warum kannst du mir nicht einfach vertrauen?“

„Beim letzten Mal, als ich dir vertraut habe, hast du mit deinem Flugzeug eine Bruchlandung im Wald hinter meinem Haus hingelegt.“

„Okay... kommt nie wieder vor.“

„Hoffentlich nicht“, sagte Toris und legte sich Alfreds Arm um die Schultern. „Und jetzt komm.“

Alfred seufzte leise. „Wenn nur Ivan nicht aufgetaucht wäre, hätten wir uns einen so schönen Tag machen können.“

„Aber er ist aufgetaucht“, sagte Toris schlicht.

„Ich könnte...“, begann Alfred und hielt erschrocken die Luft an, als Toris ihn behutsam auf die Beine zog. Sein Kopf pochte vor Schmerzen und der gebrochene Arm war unnatürlich schwer.

„Geht es?“, fragte Toris besorgt.

„Klar“, brachte Alfred hervor.

„Was wolltest du gerade sagen?“

„Dass ich...“ Sie machten einen Schritt vorwärts und Alfred zwang sich, trotz der Schmerzen weiter zu sprechen. „...dass ich bei Gelegenheit noch einmal bei deinem Haus notlanden könnte. Dann aber, wenn Ivan nicht kommt.“

Toris lachte fassungslos. „Ich hoffe, du meinst das nicht ernst.“

Alfred sagte nicht, dass er es ernst meinte, und auch nicht, dass er es nicht meinte. Stattdessen schloss er die Augen und kämpfte seine Übelkeit nieder.

„Du schaffst das, Alfred. Nur die Treppe hinunter und in den Wagen. Es ist nicht weit.“

„Klar schaffe ich das... dann mal los.“

Toris nickte und angelte mit dem freien Arm nach der Fliegerjacke, die noch immer über der Stuhllehne hing. Sorgfältig legte er sie Alfred um die Schultern.

„Jetzt erkennen deine Leute dich jedenfalls wieder... willst du das Schild auch wiederhaben?“

„Das kannst du behalten“, murmelte Alfred. „Als Andenken.“

„Danke“, erwiderte Toris leichtherzig. „Ich werde es über den Kamin hängen.“

Sie redeten über nichts, weil niemand über das reden wollte, was ihm eigentlich im Kopf herum ging, dachte Alfred. Bei ihm war es das Problem, dass er sich in seinem Zustand kaum auf den Beinen halten konnte. Und Toris' Problem war zwar gerade nicht anwesend, würde aber sicher wiederkommen. Und wie es das würde.
 

Er hatte versucht, das Fenster zu öffnen, aber die Fensterläden schienen von außen verriegelt worden zu sein. Vielleicht auch mit irgendetwas verkeilt. Toris hatte an alles gedacht, stellte Ivan nachdenklich fest. Es gab keine Möglichkeit, hier herauszukommen, es sei denn, er würde die Tür aufbrechen – er war ziemlich groß und Toris' Haus war ziemlich klein. Wenn er es darauf anlegte, würde er sicher irgendwie hier herauskommen. Allerdings war Ivan sich nicht sicher, ob er sich diese Mühe machen sollte. Toris konnte ihn nicht hier einsperren, das war völlig lächerlich, und das müsste er auch wissen. Es würde Toris mehr schaden als nützen, und Ivan konnte es durchaus verkraften, eine Weile lang hier zu bleiben. Er hatte die Tasse Tee, und er hatte ein Kissen, das nach Toris roch. Das würde genügen, um sich für eine Weile zu beschäftigen.

Kaffee, überlegte Ivan und zählte gedankenverloren an den Fingern ab. Unterbringung eines feindlichen Agenten und dadurch Behinderung des Kampfes gegen imperialistische Mächte. Und dann auch noch die kaum ernst zu nehmende, allerdings sehr respektlose Aktion mit der abgeschlossenen Tür. Langsam, aber sicher verspielte Toris seine Sympathien. Und das Schlimme war, dass er es geradezu darauf anzulegen schien. Ivan seufzte leise und schüttelte den Kopf. Manchmal war Toris ihm ein Rätsel, nach all den Jahren noch. Aber er war schon früher mit Toris fertig geworden, wenn er aufmüpfig wurde, nicht wahr? Es war kein Problem, zumindest kein großes. Morgen würden sie wieder nach Hause fahren, und dort würde er sich schon um Toris kümmern können. Es würde Toris nicht gefallen, und Ivan eigentlich auch nicht, aber er würde es trotzdem tun. Nur, damit Toris wieder der Alte wurde und Ivan ihn vor allem Bösen beschützen konnte. Vor Alfred, zum Beispiel.

Vielleicht war Toris wirklich krank, überlegte Ivan. Schlechter Einfluss und fehlendes Urteilsvermögen, das war alles. Er würde Toris wieder gesund machen, beschloss er. Er hatte ihn lieb.
 

Draußen dämmerte es schon. Der kleine Lieferwagen war auf der unbeleuchteten Straße nur als Silhouette zu erkennen. Ohne nach dem Fahrer zu suchen, führte Toris Alfred zum hinteren Teil des Wagens. Er öffnete die Türen und warf Alfred einen letzten Blick zu.

„Also gut. Jetzt wird es ernst.“

Im Stillen fragte Alfred sich, inwiefern es noch ernster werden sollte, als es schon war. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er bald vor Schmerzen zerspringen, aber das würde er sicher nicht zugeben. Toris half ihm, in den Wagen zu klettern. Im Inneren war es stockdunkel.

„Hier“, sagte Toris, der ihm gefolgt war. „Du kannst es dir bequem machen. Hier liegt eine Decke.“

„Ich sehe gar nichts“, murmelte Alfred und tastete mit der rechten Hand nach vorn. Seine Augen gewöhnten sich trotz Brille nur langsam an die Dunkelheit. Verdammter Kopf.

„Hier“, wiederholte Toris, bugsierte ihn in die hintere Ecke des Wagens und breitete eine Decke über seine Beine aus. „Ihr dürftet eine Weile fahren. Der Fahrer wird dich in sicherem Abstand zu deiner Botschaft absetzen... für ihn sicheren Abstand, meine ich. Sie ist schwer bewacht, aber das ist für dich ja eher ein Segen als ein Problem. Sie werden sich sicher um dich kümmern.“

Alfred nickte und zog die Decke über sich, die kratzig war und leicht nach Motoröl roch. Langsam tauchte Toris' Gesicht vor ihm aus der Dunkelheit auf. Es war ziemlich blass.

„Deinen Arm musst du als allererstes untersuchen lassen“, fuhr Toris fort, als habe er jetzt, da der Abschied kurz bevor stand, plötzlich noch so viel zu sagen. „Und es würde mich nicht wundern, wenn du eine Gehirnerschütterung hättest. Schone dich besser eine Weile. Pass auf dich auf, in Ordnung? Keine unnötigen Heldentaten.“

„Echte Heldentaten sind nie unnötig!“

„Du verstehst, was ich meine.“

„Ja“, gab Alfred zu und grinste schief. „Keine Sorge.“

„Gut“, murmelte Toris und sah sich nervös um. „Ich sollte jetzt gehen. Nicht, dass jemand misstrauisch wird, man kann ja nie wissen...“

Er brach ab und biss auf seiner Unterlippe herum, als wisse er nicht, was er tun sollte, oder als habe er vor irgendetwas Angst.

„Ja... geh besser“, sagte Alfred. „Und pass auf wegen...“

Er hatte wegen Ivan sagen wollen, doch der Gedanke, dass er Toris nicht beschützen konnte, machte ihn zu wütend. Ivan würde Toris sicher irgendetwas antun, weil er Alfred geholfen hatte (nein, Alfred wollte keine Details wissen), und er konnte nichts dagegen tun.

„Wie soll ich dir jemals hierfür danken, Toris?“

„Bedank dich erst, wenn du in Sicherheit bist“, antwortete Toris und lächelte nervös. „Eines Tages wirst du auch etwas für mich tun können, ganz sicher.“

Er zögerte noch kurz und Alfred fragte sich verwundert, was diese Unsicherheit zu bedeuten hatte. Er wollte etwas sagen, tat es aber doch nicht, als Toris nach seiner unverletzten Schulter griff und ihm einen hastigen Kuss auf den Mund gab.

„Bruderkuss“, erklärte er schnell, als Alfred ihn anstarrte, und lächelte verlegen. „Und... und jetzt verschwinde. Hals- und Beinbruch.“

„Gott bewahre!“, sagte Alfred und lachte. „Als ob der gebrochene Arm nicht schon reichen würde!“

Toris lächelte, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und sprang aus dem Wagen. Nachdem er die Türen geschlossen hatte und sie mit einem Knacken eingerastet waren, wurde es dunkel. Alfred lehnte den Kopf gegen die Wand hinter ihm und seufzte leise. Hoffentlich konnte man diesem Mann, der ihn in die Stadt bringen sollte, trauen. Aber Toris vertraute ihm, und Alfred vertraute Toris. Das sollte eigentlich genügen, um sich sicher zu fühlen.

Eigentlich hätte Alfred anderes im Kopf haben müssen, die Reise und seinen gebrochenen Arm und die peinliche Erklärung für den Absturz, die er seinem Boss schuldig war, selbst wenn er es schaffen sollte, die Botschaft unbeschadet zu erreichen... aber aus irgendeinem Grund war der Kuss alles, woran er denken konnte. Einige Dinge, die Ivan sich ausdachte, waren vielleicht gar nicht mal so schlecht, dachte Alfred. Das musste er bei allem Widerwillen zugeben.
 

Selbstverständlich spielte Toris in Gedanken ein wenig herum, bevor er die Tür wieder aufschloss. Er könnte zum Bahnhof gehen und sich in irgendeinen Zug setzen, vielleicht zu Feliks fahren, den er seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen hatte – immerhin war er nun gerade dabei, alte Freunde zu treffen. Er könnte in den Wald flüchten und dort im Verborgenen leben (es wäre schließlich nicht das erste Mal) und versuchen, Alfreds Flugzeug zu finden und wieder zu reparieren, um eines Tages damit fliehen zu können. Er könnte auch das Haus anzünden, einfach Feuer daran legen. Während Ivan noch darin war.

Was für ein lächerlicher Gedanke.

Der Schlüssel der Haustür passte ins Schloss wie eh und je. Toris strich über das Holz der Tür, über die Wand im Flur, betrachtete die Blumen auf der Fensterbank und die Bilder an den Wänden. Er liebte dieses Haus. Es tat weh, all das für ein Jahr hinter sich lassen zu müssen – vielleicht für noch länger. Wenn er Pech hatte, würde Ivan ihm seinen nächsten Urlaub streichen. Zuzutrauen wäre es ihm ja.

Seine Schritte wurden immer langsamer, bis er vor der Tür zu seinem Zimmer stehen blieb. Die Tür sah nicht beschädigt aus. Langsam schob er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn zweimal herum. Das leise Knacken, mit dem der Riegel zurück sprang, war so vertraut. Er würde es vermissen, dachte Toris wehmütig. Das würde er.

Ivan saß auf dem Bett und sah Toris reglos an. Einige Sekunden lang schaffte Toris es, seinem Blick standzuhalten, doch dann senkte er den Kopf. Seine Finger schlossen sich fester um den Schlüssel.

Langsam, fast behäbig stand Ivan auf, kam auf ihn zu und griff nach dem Schlüssel. Toris versuchte nicht, ihn festzuhalten. Der kleine Bund rutschte ihm aus den Fingern und verschwand spurlos in einer von Ivans Taschen.

„Da bist du wieder“, sagte Ivan.

„Ja“, antwortete Toris leise.

Ivan sah ihn an, schüttelte leicht den Kopf und seufzte. „Du solltest nach Hause kommen“, sagte er.

Zu Hause ist da, wo du sagst, dass es ist, hatte Feliks immer gesagt. Und niemand anderes kann bestimmen, wo dein zu Hause ist. Es ist schließlich deins.

„Ich glaube, du bist krank, Toris. Zu Hause kann ich mich um dich kümmern, damit du wieder gesund wirst.“

„Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen“, sagte Toris und wünschte, er hätte sich noch eine Weile länger um Alfred kümmern können, bis er wieder gesund war.

Ivan legte den Kopf schief und lächelte auf eine Art, die fast wehmütig wirkte. „Ja“, murmelte er. „Es wird Zeit, dass du nach Hause kommst.“



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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  blooodymoon
2012-01-15T18:04:36+00:00 15.01.2012 19:04
1. Könntest du nicht schreiben, was mit Alfred nach dem er raugeschmießen wird, passiert? Bitte.
Das würd mich wirklich brennend intressieren.

3. Alfred, ja diesmal fang ich mit Alfred an.
Am besten war noch seine Reaktion auf den Bruderkuss ^^
, dass Ivans Ideen ja nicht alle schlecht sind.
Außerdem hast du ihn wieder super geswchrieben. Wie gesagt, Alfred will der Held sein und kann es in dem Moment nicht.
Und vor allem da er ja jetzt noch ein bisschen den besseren Eindruck auf Ivans Psyche gekriegt hat und dann noch weniger Toris ihm überlassen wil.
Kann man leider nichts machen.

4. Ivan war auch wieder super! Vorallem das du seine schon etwas "krankhafte" Psycho so schreibst als währe es nicht und dass das es eben total realistisch macht und so, dass er wirklich fest davon überzeugt ist. Selbst wenn es heißt, dass man acuh Menschen verletzten muss die man mag, selbst wenn man dass nicht will.
Ich fands auch super, wie er über Toris gedacht hat, dass er sich langsam seinen Vorteil verspielt oder über die Vergangenheit.
Oder das er einfach auf dem Bett liegen geblieben ist, weil er genau wusste, dass Toris aufschließen muss. (Was er hinterher ja auch als lachhaft abtut, bei der Aufzählung, was Toris getan hat).

5. Toris, der liebe Toris.
Ich bemitleide ihn, was mit ihm passieren wird.
Aber zum Glück hat er den freundlichen Nachbar bestehen können, mit Kaffe XD.
Am besten fand ich, dass er mit den Gedanken gespielt hat, ob er nicht abhauen, oder das Haus anstecken soll, aber am Ende doch aufgeschlossen hat, weil er weiß,m dass er nicht fliehen kann und das es keinen Sinn macht.Den gebrochenden Wille kauf ich in jederzeit ab.
Und ich hoffe, dass Toris inzwischen sein Zuhause Europa nennen kann. Den man ist nur da Zuhause, wo man sich Zuhause fühlt. Ein sehr kluges Zitat von Feliks.
Aber am allerbeste fande ich die Szene, wo Alfred kurz vorm Abfahren ist und da will ja eigentlich jeder, noch ganz viel sagen und deshalb war das auch ziemlich realistisch.
Und das er Alfred geküsst hat!

6. Insgesamt fande ich es mal wieder ein super Kapitel und ein gelungener Abschluss, wo ich echt nicht gedacht hätte am Anfang, dass es so ausgeht.
Am besten in diesem Kapitel fand ich die Szene mit Alfred und Toris kurz vorm Abfahren.
"Für ihn sicheren Abstand"

7. Der letzte Punkt für diese FF von mir überhaupt:
Ich fand das FF wirklich super und einfach spitze!
Es war super geschrieben und die Story war einfach top!
Für genauere Außführungen bitte in den vorherigen Kommentare gucken ^^

GVLG tzuki
Von:  Gingerred
2012-01-13T15:29:27+00:00 13.01.2012 16:29
Wenn ich bedenke,was ihm bevorsteht,tut Toris mir sogar irgendwie Leid...
*kolkolkol*
Aber gut,so habe ich mir den Ausgang der Geschichte erwartet~ Es ist so schön, dass du einer der FF Schreiber bist die nicht herumkitschen um ihr lieblings Pairing zusammen zu kriegen
*hust*
Sowieichesbin
*hust*
Deswegen ist es auch immer so angenehm deine Geschichten zu lesen. Man kriegt sogar irgendwie Mitleid mit Ivan,irgendwo. Obwohl du auch immer schön beschreibst was er für ein komisches Kerlchen sein kann~ Das ist wiederum auch etwas, was ich mag! Wie du Ivans Kindlich-Sein in den Zusammenhang mit seiner Monströsität stellst!
Das kann ich nämlich gar nicht!
Hut ab~
*applaus*

Liebe Grüße zum X-ten Mal,
Gingerred
Von:  blooodymoon
2012-01-10T20:18:57+00:00 10.01.2012 21:18
1. Gomen nasai!
Gomen, gomen!
Tut mir wahnsinnig leid, das mein Kommentar erst so spät kommt!

2. Ich war wirklich überrascht gewesen, dass Toris nicht da war.
Damit hätt ich echt nicht gerechnet! Finde ich aber super, dass du mich doch noch überraschen kannst!
Und die Szene in die du es verpackt hast, echt super!

3. Der Schreibstill war wie immer super!
Ich mochte sehr den Dialog zwischen Alfred wo Ivan, wo wirklich Welten aufeinander treffen.
Das sie ihre eigene Meinung sagen und beide kein ihrer Schritt weg von ihrer Einstellung gehen. Einfach super und realistisch!
Die gänze Atmosphäre des Gespächs, die sich wandelt, sobald Trois Verschwinden bemerkt wurde, und sie beiden lang gegenzeitig reizen und den aneinander aufhängen.

4. Ivan, Ivan verhält sich, wie Ivan sich verhalten sollte.
Die ganze Beziehung zu Toris und das er es überhaupt nicht mag, dass gerade er, etwas gegen ihn macht.
Oder das er meint das Toris ihm gehört und sein Haus damit, ist doch total logisch!
Ich mochte sehr, dsa Ivan, etwas von Alfreds Rede, mit Toris und Glück, etwas ins Schwanken kommt und deshalb reizbar ist. Fand ich echt klasse!
Oder auch, das als Alfred ihn so ziemlich die Wahrheit (zumindest meiner Meinung nach) sagt und er reizbar ist und es nicht aushält und verschwindelt, weil er nicht hören will, dass er grausam ist und was falsch macht.

5. Alfred fande ich auch klasse. Er versucht ein Held zu sein und schafft es nicht.
Wie er sich im Gespräch verhalten soll, fande ich echt super, vorallem in dem Gespräch, was nach Toris Verschwinden, wo er Ivan ein bisschen in die Schranken mit der Wahrheit weißt.
Oder das er im ersten wirklich versucht diesen total ungerechtferttigen Diel, shcließlich hat er am Anfang über Ivans Teretorium geflogen, vorschlägt.
Vorallem fand ich gut, das er Toris beschützen will und eben auch mit nicht ganz durchdachten Sachen.
Auch, das er entsetzt ist, als er so mache von Ivans Weltanschauung, vorallem zu seinen Freunden, hört.
Das er tryumphieren ist, nachdem Toris verschwunden ist, kann ich verstehen. ^^

6. Toris fand ich super.
Hät nicht gedacht, das er sich das traut, aber am Ende fande ich es super, dass er es gemacht hat.

7. Insgesamt, wirklich super und ein echt gelungener Höhepunkt!
(Kommentar zum nächsten kommt auch bald)

GLG tzuki
Von:  Gingerred
2012-01-05T01:08:01+00:00 05.01.2012 02:08
Mir ist während des Lesens die ganze Zeit nicht aufgefallen,dass ich aufgeregt wie ein Bekloppter mit meinen Beinen gewippt hatte...
Was zur Hölle.
Dabei lese ich gar nicht so gerne FF's mit Toris und Alfred~ ´w`
Aber jedes Mal,wenn ich beginne etwas von dir zu lesen,verfalle ich der Geschichte so dermaßen dass ich erst am Ende bemerke dass ich gar nicht geplant hatte es zu lesen.
Heißt also,dass du deine Sache mal wieder gut gemacht hast =w=b

Liebe Grüße,Gingerred~
Von:  blooodymoon
2012-01-04T20:15:37+00:00 04.01.2012 21:15
1. O.O Ich bin wirklich überrascht, ich hätte nicht gedacht, das Ivan Alfred findet.
Also das war das letzte, was ich erwartet habe.

2. Diesmal fande ich es um einiges bedrückender und horrormässig als bevor!
Ist dir ziemlich gut gelungen.
Das ganze Knarren und das er hinterher realisiert, das es warshceinlich das Fenster war. Super geschrieben und umgesetzt!
Oder das mit dem Kaffee.

2. Armer, armer Toris!
Ich mein, es ist einfach super der ganzen Psychodruck, den er am Ende nicht standhalt. Wie ich dir schon so oft gesagt habe, sehr realitisch und deshalb super!
Wie du das ganze rübergebracht hast war auch super!
Aber irgendwie scheint Furtuna gegen ihn zu sein, dass das Schild direkt hinterm Holzscheid ist.
Am besten fande ich die Zusammenbruchszene, weil es musste irgendwie kommen, bei so viel Pyschodruck, vorallem den er sich selbst macht.

3. Ivan.
Ivan war super!
Ich mein, eigentlich ist klar, dass er kein Plan hat, aber wie du ihn beschrieben hast, wie er reagiert.
Oder das mit dem Kaffee, es gab ja nicht nur eine Chance, an solchen Kaffe zu kommen damals. Wer würd wegen Kaffee drauf kommen, das Alfred in seinem Vorgarten abgestürtzt ist.
Oder wie er sagt, dass Toris ein Vorbildfunktion sein sollte, ihm aber verzeicht. Sehr schön IC.
Aber am aller besten fande ich, dass Ivan total überrascht und überfordert mit der Situation war (Alfred konnte sich auf die Möglichkeit ja noch 1 Stunde vorher einstellen), ich mein was soll er shcon machen. Das er einfach die Tür zuknallt, einfach genial.
(Ivan rennt danach gleich erstmal zu Toris rennt und ihn fragt/schüttelt was das soll und dass es ja gar nicht real, weil Toris ihn ja sonst veraten hätte, sein kann und er sich es bestimmt nur eingebildet hat und er eine Bestättigung von Toris will.)

4. Alfred war aber auch herrlich IC.
Ja er ist der (Möchtegern)-Held.
Aber überraschenderweise sieht er diesmal sogar ein, dass er es nicht schaffen kann ein Held zu sein.

5. Also insgesamt hat mir das Kapitel super gefallen!
Ein paar Stellen waren einfach genial vom Inhalt, als auch von der schreibweise!
Und tut mir Leid, dass ich jetzt erst kommntiere, aber die letzten Tage habe ich mich mit Fairy Tail vollgezogen und hab mich nicht in der Lage gefüllt ein anstendiges Review zu schreiben. -.-
Auf jeden Fall habe ich alles so geschrieben, wie ich es direkt nach dem Lesen empfand, das betrifft vorallem Punkt 1.
Also ich frei mich auf jeden Fall aufs letzte (oder vorletzte, Zero gibs ja auch noch ;) ) Kapitel!

GLG tzuki

Von:  blooodymoon
2011-12-28T17:36:09+00:00 28.12.2011 18:36
1. Das Kapitel hat mir sehr, sehr gefallen.

2. Die Reaktionen von Toris fand ich wie gesagt absolut glaubwürdig und das er sich selbst in eine Pysochoterror schürtzt, obwohl Ivan warscheinlich gar nichts weiß.
Das er weiß es und lässt mich zappeln und nein er weiß es nicht, er kann es nicht wissen, dieses Wecheselspiel, was es wie gesagt alles sehr realistisch/bedrüchend macht.
Außerdem wirkt das ganze Kapitel sehr gehetzt und auch nervös, was Toris Stimmung ja perfekt wieder spüiegelt.

3. Du hattest ja gesagt, das es sehr psychisch bedrückend und ein bisschen ins Horrormässiges ziehen soll.
Das fande ich leider nicht so.
Es war ein bisschen Bedrückend und ein klein bisschen ins Horrormässig gezogen, aber ich fand das viel, viel zu wenig.
Ich glaub, daraus hätte man viel mehr machen können.
Noch viel mehr Bedrückend und viel, viel mehr ins Horromässige.
Aber vielleicht wirds ja im 3ten Kapitel mehr.

Ich freu mich auf jeden Fall aufs nächste Kapitel.

LG tzuki
Von:  arsidoas
2011-12-28T11:03:31+00:00 28.12.2011 12:03
Oh wow.
Ich bin gespannt wies weitergeht.
Ich liebe deinen Schreibstil einfach so sehr. :)
Wirklich. Die Geschichte ist spannend. Armer Toris,ich werde beim lesen irgendwie selbst nervös. xD

Von:  blooodymoon
2011-12-25T20:28:22+00:00 25.12.2011 21:28
Fangen wir zuallererst mit der Bespreibung an und wie immer gibs meine Nummerierung. ^^
1.
a) Danke für die Widmung, dass freut mich wirklich sehr, sehr!
Nur eine Sache, du hast mir von dem Projekt erzählt o.o
Das klingt irgendwie total bescheuert und ich könnte schwören, dass du es mir nicht erzählt hast, weil ich mir sonst sowas eigentlich im Gedächnis bleibt. Ich mein, wir hatten über eine Fortsetzung von dem klasse "Dankbarkeit" geredet und Drama und kein Kitsch und so, aber von genau dieser Idee.
Freuen tue ich mich riesig!
b) Das mit dem Schild (Orginal bestimmt auf Russisch?) und dem Absturz fand ich super!
Diese Geschichtliche Anghauchtheit, die liebe ich so.
c)psychisch bedrückend und Horrormäßige - Fuck yeah!

2. Kommen wir zur Geschichte:
a) Das Alfred SO verletzt ist, schneidet sich zwar mit meiner These, das Länder schneller heilen, vorallem wenns von außerhalb oder nur Menschen kommt, aber ich denk einfach, dass es so ein schlimmer Absturz war, dass es ein Menschen in Fetzen gerissen hätte.
b) Der Schreibstill ist toll! Ich liebe diesen Schreibstill so sehr! Vorallem bei dir!
c)Die Charakter waren sehr schön IC und auch sehr autentisch, vorallem in der Situation!
Das Gespräch mit Alfred und Toris über Toris Sold war einfach nur klasse!
Oder auch, dass du so Kleinigkeiten reinbringt, wie, dass es den Kaffee strecken will/muss. Was es eben sehr autentisch macht und genau solche Kleinigkeiten, die man eigentlich auch weg lassen könnte, aber eben auch ein Eindruck auf die Siutaion geben, finde ich besonders bei dir sehr gelungen und genial.
Oder auch, dass Toris das Haus liebt und es fertig machen muss.
Zum Ende, das Toris nicht an die Möglichkeit "Ivan" denkt, weil es für ihn einfach abstrus ist, und seine Reaktion darauf, sehr schön.
Genauso, dass seine Gedanken immer wieder zum Entdefkt werden landen, was in seiner Situation sehr logisch ist!

3. Insgesamt:
Ich fand das Kapitel richtig, richtig SUPER!
Ich freu mich richtig auf die nächsten Kapitel! Kommt gleich in die Favoliste!

GLG tzuki

Von: abgemeldet
2011-12-25T14:04:30+00:00 25.12.2011 15:04
Dass ist die FF länger geworden ist, ist gut. Die Story passt auch mehr in dem Format.
Die Characktere kriegen so viel mehr Nuancen, die sie in der Situation zeigen können...


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