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Harmonie

von

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Meine Freunde...

Kapitel 35: Meine Freunde...


 

Draco schlief schon, als Hermine kam. Man hatte ihm etwas zur Beruhigung gegeben und ihm dann ein Bett im Ruheraum der Station zurecht gemacht. Hermine wollte bei ihm bleiben, was man ihr nach einiger Überredung letztendlich erlaubte. Wenn auch nicht alleine.
 

Zwei Pfleger blieben die Nacht über in seinem Zimmer. Die beiden Männer unterhielten sich über Quidditch und ähnliche Themen, von denen Hermine weder Ahnung hatte noch sich dafür begeistern konnte, also legte sie sich auf ein zweites Bett und schlief überraschend schnell ein.
 

Am nächsten Morgen war Draco, nun, das treffendste Wort war wohl „aufgewühlt“. Nicht mehr ganz so verzweifelt wie am Tag vorher, doch vollkommen orientierungslos, weil er nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Hermine versicherte ihm, dass sie ihn nicht verlassen würde und… nun… man nun überlegen müsste, wie man die Situation entschärfen könnte.
 

Lucius und Narzissa kamen, wie angekündigt, mittags an, um sich mit Draco und den Heilern über den gestrigen Tag zu unterhalten.
 

Hermine war nicht dabei, als Draco sich zuerst alleine mit seinem Vater und dann mit seiner Mutter unterhalten musste.

Nach einigem Drängen sagte er ihr hinterher aber, dass es darum gegangen sei, dass Lucius das Ganze langsam auch zuviel wurde, er sich vor dem Prozess wohl fast ebenso fürchten würde wie Draco. Zusätzlich zu den ewigen Streitereien mit Narzissa, war Lucius‘ berufliche Zukunft unsicher und der Minister wollte sich bis zum Ende des Prozesses nicht dazu äußern, wann und ob Lucius wieder offiziell in seine alte Position zurückkehren konnte. Oder, noch viel offizieller, gekündigt wurde.

Kurz, dass Lucius getrunken hatte, war nicht alleine dem Stress mit Draco, sondern einer Überforderung mit der Gesamtsituation anzulasten.

Lucius hatte sich außerdem dafür entschuldigt, dass er wegen des Prozesses nicht offener gewesen war. Doch weder er noch Rodolphus hätten gewusst, wie sie eine solche Ankündigung hätten schonend übermitteln sollen.
 

Draco war einigermaßen erstaunt darüber gewesen, dass Lucius ihn wirklich mit nach Hause nehmen wollte. Aufgewühlt wie er gewesen war, hatte er sich nicht vorstellen können, dass man ihn im Manor überhaupt noch sehen wollte.

Draco erwähnte außerdem, dass er sich bei seinem Vater für… diesen Zwischenfall mit der Flasche entschuldigt hatte. Er war gestern vollkommen überfordert gewesen und… nun… versprach weiterhin an seinen Aggressionsausbrüchen zu arbeiten.
 

Insgesamt wurde wohl verabredet, dass Lucius eine Therapie machen musste und dass er Draco viel öfter an Hermine und Narzissa „abgeben“ sollte. Wohl auch, weil man den beiden jungen Leuten mehr elterlosen Freiraum einräumen wollte.
 

Mit Narzissa, da hielt sich Draco sehr knapp in seinem nachträglichen Bericht. Sie hatte wohl über ihre Schuldgefühle wegen Bellatrix und ihre Ängste wegen seiner Suizidalität gesprochen. Das Gespräch ging drei Stunden, mehr war aus Draco jedoch nicht herauszubekommen.
 

Doch wie auch immer, es war wohl genug, um ihn dazu zu bewegen, wieder ins Manor zurückzukehren…
 

Zu Dracos Vertrag wurde nichts gesagt. Den hatte er ja gebrochen, allerdings war er auch so gut wie abgelaufen. Einige Tage… Hermine war sicher, dass man mit ihm über dieses Thema gesprochen hatte. Nun, was auch immer Draco zu seinen Eltern und den Heilern gesagt haben mochte, ihr sagte er nichts.
 

Nur, dass alles so weitergehen würde wie bisher… plus Narzissa eben.
 

Plus Narzissa war ein sehr verwirrender Umstand. Die hatte sich über Nacht in eine gluckende Klette verwandelt. Sie umwuselte Draco von vorne bis hinten und er… ignorierte sie.

Sie rannte ihm nach, um zu sehen, ob er warm genug angezogen war, bedrängte ihn pausenlos mit Häppchen, weil er mehr essen sollte und zu allem Übel bestand sie darauf, sich abends zu ihm ans Bett zu setzen und sich mit ihm zu unterhalten.

Ein ausgesprochen lästiger Umstand für Hermine, die ja offiziell immer noch in ihrem eigenen Bett schlief und nun jeden Abend zwischen ihrem und seinem Zimmer hin- und herschleichen musste, um nachzuprüfen, ob Narzissa schon verschwunden war oder nicht.
 

Draco tat sein Bestes, um seine Mutter anzuschweigen, in die andere Richtung zu sehen, wenn sie im Zimmer war und nicht auf Konversationsversuche zu reagieren. Hermine hatte jedoch den Eindruck, dass er diese Rolle als beleidigtes Opfer ausgesprochen genoss.

Wirklich, denn wenn Narzissa weg war, strahlte er über beide Backen und wirkte unbekümmert und froh wie seit langem nicht mehr.
 

Xxx
 

Der Heiler forderte Draco dazu auf, Aussagen, die er als Kind oder bei den Todessern gelernt hatte, aufzuschreiben und Fragen dazu zu beantworten. Mehr und mehr zeichnete sich ab, dass er diese Behauptungen hinterfragen musste und immer weniger verstand, wieso er dies alles so unbedacht nachgeplappert hatte.

Vor allem aber wurde er immer wieder dazu aufgefordert, Episoden aus der Zeit bevor er Todesser geworden war, aufzuschreiben. Vorfälle, wie zum Beispiel diese Sache mit der Kammer des Schreckens, der letzten Quidditchweltmeisterschaft oder der „Schlammblut/Muggel“-Philosophie und wie damit in seinem Umfeld umgegangen worden war.
 

Draco saß auf seinem Platz auf der gepolsterten Erkerbank, drückte sich gegen die Glasscheibe und spürte die Ohren des Hasen Harvey an seiner Brust. Er hatte die Augen geschlossen und versuchte sich zu sammeln. Er versuchte, die Erinnerung mit der von Sayer gezeigten Technik aus dem Ring herauszuholen. Heiler Sayer fragte, wie es ihm dabei ging, diesen Ring zu tragen. Draco gestand, dass seine Hand schmerzte und dass er große Angst hatte.
 

Sayer gab ihm Zeit, sich an die Anwesenheit der heute gewählten Erinnerung zu gewöhnen und beruhigte ihn. Der Heiler saß ihm in seinem gewaltigen Plüschsessel gegenüber, die Hände locker auf dem Bauch gefaltet und wartete.
 

Draco zitterte, sein Finger fuhren fahrig über Harveys Ohren. Er erinnerte sich daran tief und ruhig zu atmen, dann begann er:
 

„Diese Frau, die mich in der Eingangshalle unten angeschrien hat, ich werde heute über sie reden. Ich habe ja schon gesagt, dass sie mich erkannt hat. Ich war mit den Todessern bei ihr zu Hause…
 

Ihr Mann arbeitet für den Tagespropheten…oder… hat gearbeitet, er hat gekündigt, nicht wahr?

Nun, damals hat er dort jedenfalls noch gearbeitet und Sie-wissen-schon-wer hat von einem unserer Spione erfahren, dass er Material über die Todesser sammelte. Belastendes Material, versteht sich. Das wollte er wohl beizeiten als große Bombe veröffentlichen. Das… nun… das konnten wir nicht zulassen.

Im letzten Frühjahr sind wir zu ihm gegangen. März, glaube ich. Es war noch recht kühl. Seine Frau hatte gerade das fünfte Kind bekommen, er war zu Hause bei ihr. Hatte sich beurlauben lassen, um ihr mit den anderen vier zu helfen.
 

Wir kamen nachmittags an, haben die Tür aufgesprengt… da… es gab Schutzvorkehrungen, aber… naja… wir waren ja keine Amateure, damit konnte er uns nicht aufhalten. Während einer, Flint, glaube ich, die Tür wieder repariert hat, damit keine Nachbarn reingucken können, hat Marcellus den Leuten erzählt, weshalb wir gekommen sind. Der Typ sollte auf der Stelle losgehen und alles, was er so zusammengetragen hat, herbringen, damit wir es verbrennen können. Wir haben einen… ähm… Verräterzauber auf ihn gelegt. Hermine hat das mal gemacht. Wenn man ein bestimmtes Geheimnis verrät, kriegt man „Petze“ ins Gesicht geschrieben… Wir fanden das damals irre witzig. Petze…
 

Naja, wir haben ihm gesagt, dass wir… ähm… von jetzt ab, da war es gerade… Vier Uhr nachmittags, alle fünfzehn Minuten ein Kind im Kamin verbrennen… zuletzt seine Frau. Er müsse sich also beeilen, wenn er bei seiner Heimkehr noch jemand lebend vorfinden wolle.
 

Wir… wir mussten das machen. Also, uns wurde gesagt, dass wir den Leuten mit ihren Kindern drohen sollten. Das gefiel Sie-wissen-schon-wem am besten, da waren die Leute immer besonders folgsam. Das klappt viel besser, als wenn man ihnen selbst was androhen würde… da spielen dann manche die Helden. Wenn man den Kindern droht, sind die brav und machen alles was man will… ja…
 

Deswegen… ähm… Man hat mir gesagt, dass ich ja… dass er ja deswegen auch mich für die Todesser angeworben hat. Er… er hielt das für die effektivste Methode, meinen Vater zu bestrafen, wenn ich bei… also wenn ich sterben würde. Davon ging er wohl aus… Naja, aber ich bin ja nicht gestorben, nicht wahr? Im Gegenteil, ich hab alles daran gesetzt weiterzuleben… das kann ich heute gar nicht mehr verstehen, dass ich das unbedingt wollte.“
 

Draco brach ab, weil die in ihm ansteigende Atemnot eine Panikattacke ankündigte. Er atmete tief durch, dachte an eine Blumenwiese, Sonnenschein und Wind in seinem Haar, drückte Harvey fester an sich und sprach weiter.
 

„Ich… ich habe also versucht, immer alles zu machen, was er von mir wollte, um… um sicher zu sein. Woanders hätte ich ja nicht hingehen können und… äh… ja. Und solche Sachen hab ich eben dann auch gemacht. Am Anfang war es schlimm, aber wissen Sie, irgendwann denkt man da nicht mehr drüber nach, man funktioniert nur noch.
 

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Kinder… fünf Stück. Die beiden ältesten waren Mädchen mit langen, blonden Zöpfen… die waren so acht oder neun. Zwillinge. Dann hatte er zwei Jungen, die waren noch nicht in der Schule und… ich glaub, einer davon hatte noch Windeln an, der roch so komisch. Das letzte war eben ein Baby, auch ein Junge… wir haben ihn ja ausgezogen, weil… ähm… wir fanden es witzig, und… weiß nicht, warum wir ihn ausgezogen haben… war Flints Idee, müssten Sie ihn fragen warum.
 

Ja und… es war… es war von Anfang an klar, dass niemand überleben würde. War nie so geplant, dass einer am Leben bleibt. Tja… aber das wusste der Kerl ja nicht. Er ist gleich los, wir haben die üblichen Feindgläser und so aufgebaut und den Kamin entzündet.“ Er brach ab, schneuzte sich in ein Taschentuch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Als erstes kam das Baby dran. Ich hab... mich hat das Geschrei genervt und... Naja, hat nichts gebracht, es hat… es hat natürlich dann noch viel lauter geschrien und… ich… ich kann es immer noch riechen. Es hat gestunken. Marcellus hat die Frau festgehalten, damit sie zusieht und ich…“ Draco keuchte, erinnerte sich daran zu atmen und beendete den Satz: „Ich hab gelacht…“
 

Draco brach ab, hielt sich die Hände über die Ohren und beugte sich nach vorne. Unfähig dem irren, wilden Todesschrei, der durch die Vergangenheit zu ihm ins Zimmer drang, standzuhalten. Fünf Minuten später ging es weiter.
 

„Normalerweise werden die Frauen in solchen Situationen ohnmächtig. Die nicht. Die wurde wild und riss sich von Marcellus los. Sie… also ihren Zauberstab hatten wir, sie hätte uns nichts tun können. War ihr aber egal, sie ist in die Küche gerannt und mit einem riesigen Messer wiedergekommen... Aber, wir hatten ja Zauberstäbe. Es war einfach nur lästig…

Ich hab gesagt, ich mach sie still. Ich hab sie in eine Ecke gezerrt und…“ Er beugte sich nach vorne und streichelte Harvey über den weichen Bauch.
 

„Ich habe sie auf den Boden geworfen und… also, ich weiß nicht… Ich dachte eigentlich, wenn die so schreit und alle zugucken, dann kann ich das gar nicht. Aber… ich war total high - ich war ja immer high - und das, das hat mir dann nichts ausgemacht, also hab ich sie… ich hab sie dann vergewaltigt. Ich weiß nicht, es war... Das war bei uns nicht unbedingt an der Tagesordnung. Aber es kam halt schon mal vor und irgendwie fanden das alle ganz witzig und… wenn man… man verliert alle Hemmungen, wissen Sie? Ja, irgendwie… war man gar kein Mensch mehr, mit so richtigen menschlichen Gefühlen, meine ich. Nur noch ein Ding, das perverse Fantasien ausprobiert hat.
 

Sie hat sich gewehrt und… sie hatte ja noch das Messer. Ich hab sie dann geschnitten und gestochen, bis sie still war. Ich… ich dachte, sie würde an den Verletzungen sterben. Ich hab sie für tot gehalten, aber dann hab ich sie ja hier im Krankenhaus gesehen.“ Tränen tropften auf Harvey und Draco wischte sie wieder weg. Mechanisch, ohne sich der Tatsache gewahr zu werden, dass er weinte.
 

Er straffte sich und fügte abschließend hinzu. „Der Mann kam etwa nach einer halben Stunde wieder. Da waren alle Kinder verbrannt und die Frau lag blutend am Boden. Wir haben ihm gesagt, dass uns langweilig war und wir deshalb gleich alle zusammen verbrannt haben. Dann haben wir ihm die Unterlagen abgenommen und… sind einfach gegangen. Wir dachten, der bringt sich jetzt eh um oder dreht durch. Machen die Männer dann meistens… und wenn nicht, war nicht unser Problem. Wir haben ihm gesagt, wenn er was sagt, gehen wir zu seinen Eltern.“
 

Draco schniefte, nahm mit einem Kopfnicken ein zweites Taschentuch von Sayer entgegen, putzte die Nase und stopfte sich das Tuch in seine Hosentasche. Die Arme um sich geschlungen, Harvey an sich gedrückt, zitternd, bebend, erfüllt von Schuld und Scham hob er den Kopf und sah den Heiler furchtsam an. „Was denken Sie jetzt von mir?“
 

Der Heiler verzog den Mund und seufzte schwer: „Ich denke, dass Sie etwas sehr Schreckliches erlebt haben und dass Sie niemals in diese Lage hätten kommen dürfen. Und Draco“, er beugte sich vor und legte ihm die Hand auf das Knie, was er ihm gewährte, weil er ja sonst Harvey hätte loslassen müssen, um die Hand wegzuschlagen. „Es sind schlimme Dinge geschehen, zweifellos. Aber Sie konnten sich nicht dagegen wehren. Man hat Sie gezielt unter Drogen gesetzt, aufgestachelt, manipuliert und Sie ausgenutzt.

Sie wissen das, Ihr Vater hat es Ihnen selbst gesagt. Das waren Aufträge, die absolut niemand anderes machen wollte. Gefährlich und unmenschlich war das, wozu man Sie immer wieder aufgefordert hat. Man hat Sie gewählt, weil die jungen Leute nicht widersprochen haben, wenn man sie mit genug Drogen und Versprechungen überredet hat. Man hat sie ausgenutzt und missbraucht und Sie haben mitgemacht, um zu überleben. Sie haben diese Dinge getan, um diesen Horror zu überleben.“
 

Draco atmete tief durch. Der Raum um ihn herum drehte sich und ihm war übel. Er schloss die Augen und versuchte, sich nur auf Harvey in seinen Fingern zu konzentrieren. Es dauerte einen Moment, aber der Heiler drängte ihn auch nicht. Solche Pausen in den Gesprächen waren normal. Sein Gegenüber wusste ja, dass er sich erst wieder herunterfahren musste, wenn er zu aufgewühlt von dem war, was er gesagt hatte.
 

„Ich kann es einfach nicht vor Gericht sagen“, flüsterte er matt und verzagt. Er drückte seinen Kopf noch fester gegen die Glasscheibe und stöhnte. „Sie mögen das ja so sehen, aber was ist denn mit allen anderen? Ich kann mich doch nicht da hinstellen und zugeben, dass ich…“ Er schluckte schwer, er spürte, wie seine Augen feucht und die Kehle eng und trocken wurde. „Wie soll ich denn jemals wieder unter andere Leute gehen, wenn die das von mir wissen? Diese Leute, die werden da sein… dieser Mann und seine Frau und… sie werden… die hassen mich doch. Wenn ich mich da hinstelle und… da werden Reporter sein… Vater hat schon gesagt, dass die Sitzung öffentlich sein wird. Reporter werden in der Zeitung schreiben, dass ich… ich… ich kann doch dann…“ Er schluchzte leise und wischte sich mit zitternden Fingern die Augen. „Ich… ich will lieber sterben, als…“
 

„Stop!“ Der Heiler räusperte sich, er war wohl nicht vorbereitet darauf gewesen, plötzlich so laut zu werden und musste nun den Frosch in seinem Hals loswerden. „Draco“, fuhr er nun mit viel weicherer Stimme fort, nachdem er seine Kehle gereinigt hatte. „Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass Sie solche Dinge nicht mehr sagen. Keine Todesdrohungen, das haben wir abgesprochen.“
 

Draco verzog den Mund und seufzte. Seiner Meinung nach war das nicht so eindeutig… er hatte lediglich mehr Zeit eingeräumt, er hatte sich nicht endgültig von der Idee zu sterben verabschiedet. Da der Heiler jedoch selten so streng klang und er auch keine Lust hatte, dass man schon wieder jede seiner Äußerungen stundenlang vor seiner Familie ausbreitete, beschloss er, diesen Gedanken vorerst bei sich zu lassen.
 

Dennoch… „Aber verstehen Sie doch, alle werden es wissen.“
 

„Hmm, Sie fühlen sich bloßgestellt.“
 

„Ja… nackt und… ich bin nicht schön, wenn ich nackt bin.“
 

Der Heiler gluckste leise und auch auf Dracos strenge Lippen stahl sich ein Lächeln. „So meinte ich das nicht… ich… naja… ich körperlich bin ich… da bin ich natürlich schon schö… äh… Also, da bin ich nicht…“
 

„Sie meinten, die Leute werden sich vor dem erschrecken, was sie sehen, wenn sie Ihre Geheimnisse erfahren?“
 

Er atmete tief durch und nickte. „Wie könnten sie nicht… und sie werden mich hassen!“
 

„Nun, Draco, Sie wissen, warum Sie aussagen sollen?“
 

„Damit wir nicht selbst ins Gefängnis müssen. Das ist mir klar. Vater hat die Amnestie im Gegenzug dafür bekommen, dass wir vor Gericht aussagen.“
 

„Ja , durchaus. Aber speziell Sie sollen noch aus einem anderen Grund aussagen.“
 

Draco schüttelte den Kopf und wedelte mit der Hand in Richtung Heiler, als wolle er ihn fortscheuchen.
 

„Doch und das hat man Ihnen auch gesagt. Es geht nicht nur darum, die begangenen Taten aufzudecken, sondern auch speziell in Ihrem Fall um zu zeigen, mit welchen Mitteln Ihr ehemaliger… Boss gegen die eigenen Leute vorging. Und damit meine ich nicht nur gegen Sie, sondern gegen Ihre gesamte Familie. Wie skrupellos dieses Regime war, das nicht davor zurückschreckte, so junge Leute wie Sie zu missbrauchen und auszubeuten. Ein Punkt, dem man Ihrem „Boss“ auch anlasten wird. Dafür müssen Sie aber aussagen, dass er Sie bedroht hat und wie es Ihnen nun deswegen geht.“
 

Draco verzog sein Gesicht und drückte Harvey enger an seine Brust. Ja das hatte man ihm schon gesagt, aber die Idee, dass man ihn selbst als Voldemortopfer vorstellen würde, war ihm unheimlich. „Das wird niemand glauben. Wenn die hören, was ich gemacht habe, dann…“
 

„Werden sie auch hören, wie es dazu kam. Wie man Sie in diese Rolle hineingezwungen hat. Die Drohungen, Drogen, die Strafen, die Gehirnwäsche… und wie sehr Sie im Nachhinein darunter leiden.“
 

Draco senkte den Kopf, wagte immer noch nicht, den Heiler anzusehen und flüsterte: „Aber ich schäme mich dafür. Egal ob das befohlen war oder nicht. Ich ekle mich vor mir selbst und… selbst wenn man das der „Öffentlichkeit“ so verkaufen kann…“ Er hob den Kopf, um den Heiler anzusehen, lächelte traurig und schüttelte den Kopf. „Was ist denn mit meiner Mutter und meiner Freundin?“
 

Der Heiler presste die Lippen aufeinander und verdrehte für einen Moment die Augen, als würde er nachdenken. Dann richtete er sie wieder auf Draco und nickte ihm ernst zu. „Ich denke, dass Ihre Mutter über diese Dinge besser Bescheid weiß, als Sie glauben. Sie ist… ich glaube, sie sagte fünfundzwanzig Jahre mit einem Todesser verheiratet und viele ihrer Familienmitglieder sind denselben Weg gegangen. Sie kann nicht vollkommen ahnungslos sein, es wird seine Gründe gehabt haben, warum sie Sie davor beschützen wollte, dort mitzumachen. Nun aber… Sie waren doch dort, sie wird wissen, allein durch ihre Schwester wird sie es wissen, wozu man Sie gezwungen hat. Ich denke nicht, dass sie in diesem Prozess etwas vollkommen Unvorhergesehenes erfahren wird.“
 

„Und Hermine?“ Draco schwang die Beine über die Erkerbank und fixierte den Heiler herausfordernd. „Nach Greyback? Nach… dieser Sache mit ihrem ersten Freund?“ Er hob die Augenbrauen und wartete auf eine Antwort. Einige Sekunden zumindest, dann atmete er hart aus, sank in sich zusammen, ließ die Schultern hängen und schüttelte den Kopf. „Nach allem…sie… nein… selbst wenn sie mich da als sonstwas hinstellen, schuldlos, ein Opfer oder was weiß ich was, sie wird nicht damit zurechtkommen, dass ich…. Nein!“ Er hob den Kopf und schenkte dem Heiler sein traurigstes Lächeln. „Sie wird mich verlassen… Und ich kann sie verstehen, nachdem sie das gehört hat... Und… sie wird es inmitten von all diesen Leuten hören. Verstehen Sie doch, das geht einfach nicht.“
 

„Hmm.“ Der Heiler legte die gefalteten Hände an die Lippen und brummte. Draco war beim ersten Mal, als er das mitbekommen hatte, ein klein wenig erschrocken, nun wusste er aber, dass es ein Zeichen für Gedankensammlung war. „Dann muss es anders laufen“, sagte er schließlich, nahm die Hände von seinem Mund und legte sie locker auf den Sessellehnen ab. „Wenn Sie nicht wollen, dass ihre Mutter und vor allem ihre Freundin von diesen Dingen im Gerichtssaal überrannt werden, dann müssen Sie es ihnen eben selber sagen. Vorher!“
 

„Ich soll…?“
 

„Ja, natürlich, Sie sollen.“ Der Heiler schlug locker die Beine übereinander und hob eine Hand, um seine Worte mit Gesten zu unterstreichen. „Die beiden werden es so oder so erfahren. Draco, dass muss klar sein. Selbst wenn Sie nicht aussagen… Es ist bekannt, welche weiteren Zeugen geladen sind und in etwa, worüber die sprechen werden. Draco, sie werden über die Dinge sprechen, die junge Leute gemacht haben und es wird klar sein, dass Sie involviert waren. Das können Sie nicht verhindern. Was Sie jedoch machen können, ist der Welt zu zeigen, dass das ebenso ein Verbrechen gegen Sie selbst wie gegen die eigentlichen Opfer war. Draco, sie werden es auf jeden Fall hören und ich stimme Ihnen zu, dass Ihre Familie diese Dinge nicht von Fremden im Gerichtssaal erfahren sollte. Ich… ich mache Ihnen ungern Vorschriften… aber… meiner Meinung nach sollten Sie sich und Ihre beiden Frauen demnächst zusammensetzen, damit es vor Gericht, wo sowieso schon alle angespannt und nervös sind, nicht zu einem Drama kommt.“
 

„Ja, aber… sie… sie wird Schluss machen! Sie wird kein Wort mehr mit mir reden, wenn sie hört und… Mutter wird…“
 

Der Heiler nickte, seufzte und widersprach dann doch: „Das ist keine schöne Aussicht, sicher… das verstehe ich durchaus. Aber… sie werden es erfahren. Sie sagten doch selbst, die Presse wird anwesend sei. Ich muss Ihnen nicht sagen, dass Ihre Familie von öffentlichem Interesse ist und dass es sehr viele Leute geben wird, die nur darauf warten, Ihre Schmutzwäsche gezeigt zu bekommen. Das wird so kommen, das ist ein Faktum. Sie haben nur die Wahl, es vorher zu sagen und dann… nun… dann kann ich vielleicht mit Mrs. Chang dabei sein und Dinge erklären. Vielleicht setzen wir Ihren Vater dazu, der kann wohl auch einiges beisteuern. Sie müssen da nicht alleine durch und wir lassen die beiden Frauen auch nicht alleine mit dem Wissen. Wir können erklären und unterstützen. Denken Sie, dass es für ihre Freundin leichter wäre, diese Dinge von fremden Leuten vor Gericht zu hören?“
 

Draco schluckte und schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht“, flüsterte er und zog die Beine an die Brust. „Und wenn sie dann geht?“
 

„Dann geht sie.“ Der Heiler zuckte die Achseln und hob die Hand zu einer unbestimmten Geste. „Sie können nicht alles kontrollieren, auch wenn Sie das verständlicherweise gerne würden. Dennoch… das ist dann Hermines Entscheidung und die wird sie so oder so fällen. Draco, Ihre Eltern werden auf jeden Fall zu Ihnen stehen und wir hier werden Sie auch nicht alleine lassen. Ich… nun… ich denke, dass Hermine Sie wirklich liebt, sehr viel für Sie tun würde und Ihnen sehr viel verzeihen würde. Aber natürlich weiß ich nicht, ob sie mit diesen speziellen Enthüllungen zurecht kommen wird. Wir werden ihr die Umstände erklären… aber es wird ihre Entscheidung sein, die ihr niemand abnehmen kann, ob sie die Beziehung dann fortführen will oder nicht.“
 

Draco nickte mechanisch und antwortete mit blecherner Stimme. „Ich weiß.“ Was sollte er auch sonst dazu sagen? Hermine würde erfahren, dass er mit einer Frau noch brutaler vorgegangen war, als Greyback mit ihr. Sie würde hören, dass er ein kindertötendes Monster war. Jemand, der Leute zu Tode gefoltert hatte. Einer davon war ihre Jugendliebe, um die sie an manchen Tagen noch immer weinte.
 

Sie würde ihn verlassen, da musste er sich gar nichts vormachen. Und doch hatte der Heiler recht. Wenn sie es so oder so erfahren musste, dann lieber nicht erst im Gerichtssaal. Diesen Schock musste er Hermine ersparen, soviel war er ihr schuldig.
 

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Hermine und Narzissa saßen nebeneinander auf der Chaiselongue im großen Salon. Beide hatten die Beine übereinandergeschlagen, Hermine ihr Bein nach links, Narzissa nach rechts. Beide saßen am jeweiligen äußeren Rand, so dass es ein wenig so aussah, als ob die Couch nach außen schielen würde.
 

Hermine fummelte nervös am Saum ihres Rockes herum. Fäden hatten sich aus einer feinen Stickerei darauf gelöst, diese wickelte sie immer weiter auf. Das ganze Ornamentenmuster würde bald weg sein. Ließ sie die Fäden aber los, begann sie fast automatisch an ihren Fingernägeln zu knabbern.
 

Narzissa paffte an ihrer langstieligen Zigarette, nahm sie aus den Mund, steckte sie wieder hinein, paffte, nahm sie wieder heraus und trippelte mit dem Stiel auf dem kleinen Beistelltischchen neben ihr herum.
 

Ihnen gegenüber saßen Lucius, Draco und der Heiler Sayer auf einer anderen Chaiselongue. Mrs. Chang in einem Sessel daneben.

Lucius atmete schwer, verzog die Lippen und senkte die Augen auf seine Knie, wenn er merkte, dass seine Frau ihm fragende Blicke zuwarf. Der Heiler tätschelte Draco den Rücken und murmelte etwas.

Was immer es auch war, was Draco hier sagen wollten, es war jetzt schon so unangenehm darauf zu warten, dass Hermine die Augen zusammenkniff und ihre Schläfen rieb, um ihre Kopfschmerzen in den Griff zu bekommen.
 

Draco selbst hatte die Schultern hochgezogen, ließ den Kopf nach unten hängen und atmete so schnell und flach, dass er fast wie ein Hund hechelte. Hermine zählte innerlich auf fünf, um sich nicht von Dracos Panik anstecken zu lassen.
 

Der Heiler beugte sich zu ihm hinüber und raschelte mit etwas in seiner Umhangtasche. Draco hob kurz den Augen und schüttelte den Kopf. Seine Lippen waren absolut blutleer. Er warf Hermine einen flüchtigen Blick zu, schloss die Augen, als könne er ihren Ablick nicht ertragen und ließ den Kopf wieder hängen.
 

Er zitterte. Lucius legte seine Hand auf seine und Draco atmete tief durch, drehte sich zum Heiler und murmelte ihm etwas zu.
 

Da war es wieder. Das Kleinkind. Hermine gab sich die größte Mühe, nicht genervt zu sein, obwohl sie dieser Anblick schon wieder so reizte, dass sie Draco am liebsten eine Ohrfeige verpasst und ihn angeschrieen hätte, sich gerade hinzusetzen.

Merlin. Draco war bestimmt einen halben Kopf größer als dieser Heiler und mindestens ebenso groß wie Lucius. Vielleicht mittlerweile sogar etwas größer. Den Eindruck hatte sie zumindest, wenn sie ihn neben seinem Vater stehen sah und er mal nicht mit rundem Rücken dastand und den Kopf hängen ließ, wie er es meistens tat.

Draco war fast neunzehn, ein erwachsener Mann, oder? Aber hier, zwischen dem Heiler und Lucius Malfoy saß ein verängstigtes Kleinkind, das vielleicht gerade mal halb so groß wie die beiden Männer neben ihm wirkte.

Hermine ärgerte sich und verzog ihr Gesicht zu einer griesgrämigen Grimasse. Wenn sie nicht gleich anfangen würden, würde sie Draco selbst gerade hinsetzen.

Ärgerlich zu sein war einfacher, als der Angst nachzuhängen, was man ihr so Schreckliches zu sagen hatte, dass Draco dafür drei Leute zur Unterstützung brauchte.
 

Das Tick-Tack der Uhr war daran schuld, dass sie sich einfach nicht beruhigen konnte. Es war unterträglich laut. Sie würde die Uhr vernichten. Wenn sie nicht gleich…
 

„Mutter, Hermine… ich muss euch etwas sagen.“
 

Hermine wurde kalt und ein Schatten fiel über ihre Augen, als ob man im Zimmer das Licht ausgemacht hätte und nur noch das schwache Leuchten einer fast untergegangenen Sonne den Raum leidlich erhellen würde. Und dabei war es gerade mal zehn Uhr morgens.
 

Draco atmete tief durch, setzte sich aufrecht hin, zog die Hände von seinen beiden Beschützern weg und faltete sie auf seinen Knien. „Dieser Prozess… wie ihr wisst, wird für uns, also Vater, Rodolphus und mich, straffrei enden. Wir… wir werden aber als Kronzeugen aussagen und andere Leute werden darüber sprechen, was wir… gemacht haben.“ Er atmete tief durch, schloss die Augen, dann sprach er weiter. „Wir wissen mittlerweile, wer die Zeugen sind und ich weiß, was sie alles aussagen könnten. Es wird sicher nicht alles… alles dran kommen…“

Er brach ab, senkte den Blick und wirkte für eine Sekunde, als würde er allein bei dieser Andeutung, dass er mehr getan hatte, als man würde aufzählen können, ohnmächtig werden. Er fing sich, warf einen flehenden Blick zu seinen Vater, der ihm daraufhin kurz über die Schulter strich. „Ich will nicht, dass ihr dort von fremden Leuten hört, was ich als Todesser getan habe.“
 

Er schloss seine Lider und begann mit tonloser Stimme. Er sprach über Folter und Morde, zu denen er aufgefordert worden war. Er erklärte, immer noch leiernd, dass nicht alles ausdrücklich befohlen worden war und er es dennoch getan hatte, weil er unter Drogen stand, aufgeputscht von der Macht der Situation mitgerissen grausam wurde.
 

Hermine hatte das Muster aus ihrem Rock zur Hälfte herausgezogen.
 

Der Faden riss ab, als Draco „Ron Weasley“ sagte. Hermine gefror zu Eis und war so starr, dass sie noch nicht einmal zittern konnte. Nachdem er ihr gestanden hatte, dass er es war, der Ron getötet hatte, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Hermines Ohren fielen zu, so dass sie ihn nur noch gedimmt hörte, wie unter Wasser, als er weitersprach. Er erzählte von dieser Frau und warum sie so entsetzt gewesen war, als sie ihn in St. Mungo wiedergesehen hatte.
 

Hermine stieg der faulige Gestank von Fenrir Greyback in die Nase.
 

Narzissa hustete und fragte danach, ob es nur diese eine Frau gewesen wäre. Hermine wandte sich erstaunt zu Narzissa um und hatte im nächsten Moment das Gefühl, einen Eiswürfel von der Größe einer Bowlingkugel zu schlucken, denn Draco zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht“, flüsterte er und presste die Fäuste vor die Augen, als er Hermines schreckensweite Augen sah. „Ich glaube mal, aber… es gibt Einsätze, an die ich mich immer noch nicht erinnern kann. Vielleicht… hast du…hast du was gehört, Vater?“
 

Lucius wurde innerhalb einer Millisekunde feuerrot und sah so sehnsüchtig an den Kamin neben ihm, als wäre er dort am liebsten hineingesprungen. „Ich glaube nicht. Ich habe jedenfalls nichts gehört.“ Hermine hustete hart. Natürlich, Lucius, der musste das wissen. Schließlich dürfte einiges von dem, was Draco getan hatte, von ihm befohlen worden sein.
 

Narzissa schien das Gleiche zu denken. Sie warf ihrem Mann einen bitterbösen Blick zu, steckte sich eine neue Zigarette an und paffte eilig weiter.
 

Hermine sah auf ihre Hand. Sie blutete. Sie hatte so fest an dem Garn gezogen, dass es ihr ins Fleisch geschnitten hatte. Sie hatte es gar nicht bemerkt. Um irgendetwas zu tun, zog sie ein Taschentuch aus ihrer Tasche und wischte das Blut von der Handfläche.
 

Dann erzählte er von den Kindern… wobei der Begriff „stammeln“ es eher getroffen hätte. Schließlich gab er ein gurgelndes Geräusch von sich, krümmte sich, als habe er Bauchschmerzen und vergrub das Gesicht in seinen Händen.
 

Narzissa räusperte sich und setzte sich aufrecht und elegant hin. Sie hob ihr Kinn und bedachte die drei Männer vor ihr mit einem kalten, undurchdringlichen Blick.
 

„Und du?“, richtete sie sich an ihren Mann. „Gibt es da auch noch was?“
 

Lucius schüttelte kaum merklich den Kopf und hielt ihrem Blick wieder stand. „Nein, da ist nichts. Von mir weißt du alles.“
 

Narzissa schnaubte und bedachte Lucius mit einem Blick, der tödliche Härte in sich barg. „Was hast du nur mit meinem Kind gemacht“, fragte sie mit eiskalter Stimme.
 

Lucius räusperte sich und sah zu Boden. Dazu wusste er wohl nichts zu sagen.
 

„Gut!“ Sie drückte ihre Zigarette aus, klopfte zur Bekräftigung eines Entschlusses oder eines Gedankens, den sie keinem hier mitzuteilen gedachte, auf den Tisch und stand auf. „Ich werde uns Tee besorgen, ich habe Durst. Entschuldigt mich.“
 

Elegant und würdevoll wie eine Königin schwebte sie hoch erhobenen Hauptes aus dem Raum, eine Wolke nach teurem Parfüm und Mentholzigaretten hinter sich lassend. Hermine schloss die Augen und versuchte ihren ersten Impuls, ihr eilig hinterherzurennen, zu unterdrücken.

Narzissa gab sich wirklich Mühe. Ihr Verhältnis zu Lucius und Draco hatte sich deutlich verbessert, dennoch musste Hermine nicht fragen, warum Narzissa selbst Tee holen ging. Sie mochte seine Mutter sein, aber sie war dennoch eine Frau und außerdem nie Todesserin gewesen. Sie mochte einiges geahnt haben, Lucius hatte ihr wohl entweder am Tag vorher, oder schon früher, ebenfalls immer wieder Details seines Todesserlebens anvertraut, aber zu hören, was ihr eigener Sohn getan hatte, das kostete sie die wohlgewahrte Fassung. Das war mehr, als sie ertragen konnte.

Deswegen war sie gegangen.
 

Draco selbst weinte. Hermine sah, dass Lucius ihm über den Rücken strich, dabei aber ein Gesicht machte, als ob er gerne sehr weit weg wäre. Die Heilerin war aufgestanden und hatte sich vor Draco gekniet, sprach mit ihm.
 

Hermine hörte es nicht. Etwas Scharfes, Schrilles pfiff in ihren Ohren und schnitt ihr Gehör von diesem Raum ab. Es war zu wenig Sauerstoff im Salon. Sie würde ersticken, wenn sie hier weiter sitzen bliebe. Hier drinnen war es zu dunkel, zu stickig und man konnte nichts hören.
 

Sie würde ganz sicher ersticken, wenn sie hier auch nur eine Minute verweilte. Der Geruch nach Greyback brachte sie zum Würgen. Hermine stand mit wackligen Knien auf, wand Garnfaden um Garnfaden von ihren zitternden Fingern und gab sich alle Mühe, beim Sprechen nicht so viel Sauerstoff zu verbrauchen, so dass sie nicht auf der Stelle ohnmächtig werden würde.
 

„Draco, hör mir jetzt bitte gut zu. Ich mache jetzt nicht Schluss, aber ich werde jetzt zu Harry gehen. Ich muss...“ Sie verstummte und erschauerte. Sie fühlte die Blicke der anderen auf sich, während sie darum kämpfte, ihre Fassung wieder zu erlangen. „Ich… muss darüber nachdenken. Das ist“, sie räusperte sich und schüttelte den Kopf, „ich kann dir nicht versprechen, dass ich… ich muss… ich will jetzt nichts Falsches sagen, aber darüber muss ich erst mal nachdenken. Ohne dich.“
 

Draco zog die Mundwinkel nach unten und nickte gehorsam. Was hätte er dazu auch sagen sollen?
 

Hermine ging mit gesenktem Kopf aus dem Raum, da die Kette um ihren Hals tonnenschwer geworden war und alles, was sie war, was in ihr war und was sie ausmachte, nach unten zog. Die Heilerin folgte ihr in die Eingangshalle. Hermine hoffte inständig, dass sie ihr nur nach nachlief, um zu… rauchen. Durchzuatmen oder was auch immer, doch leider nein.
 

Die kleine Frau wuselte ihr emsig hinterher und ein paar Meter hinter dem Eingangsportal bekam sie ihren Arm zu fassen. „Miss Granger!“
 

Hermine blieb widerwillig stehen. „Ja?“, fragte sie mit zittriger Stimme und bestimmt noch viel zittrigeren Knien, als sie sich umdrehte und Mrs. Chang zuwandte.
 

„Ich verstehe, dass das eben ein Schock war und ich kann mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie Sie sich jetzt fühlen… aber… Sie… Sie sehen so aus, als ob Sie gerade vor dem, was Sie gehört haben, ganz schnell weglaufen wollten.“
 

Hermine zuckte die Achseln und sah an der Heilerin vorbei, um ein paar Vögel auf einem nahe stehenden Baum zu betrachten. „Ich brauche frische Luft“, sagte sie unbestimmt.
 

„Ja… das kann ich verstehen.“ Die Heilerin nickte und musste nicht sagen, dass sie auch alles andere zu verstehen schien, was Hermine in diesem Moment durch den Kopf ging. Draco, die Morde… und vor allem „Weg von hier. Weg von ihm!“
 

„Miss Granger, ich will Sie nicht aufhalten“, begann sie und ließ Hermines Arm los, um auf diese Weise ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Sie haben eben viel gehört und nun brauchen Sie Ruhe, das ist verständlich… aber dennoch möchte ich Ihnen einfach noch etwas mit auf den Weg geben, bevor Sie… nachdenken gehen.
 

Es gib Menschen, die hätten all dies aushalten können, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Die wären stark geblieben und hätten sich dagegen geweht. Es gibt Helden.“ Die Heilerin seufzte und bedachte Hermine mit einem traurigen Lächeln. „Aber glauben Sie mir, dass sind die wenigsten. Die meisten Menschen passen sich irgendwann an. Traurig aber wahr.

Sehen Sie, Miss Granger. Es ist Ihre Entscheidung, Sie müssen wissen, ob Sie damit zurecht kommen oder nicht. Aber wenn Sie es tun, dann müssen Sie sich wohl oder übel damit abfinden, dass Ihr Freund leider nicht zu den wenigen Starken gehört, sondern nur ein ganz normaler Mann ist. Es wäre theoretisch möglich gewesen, anders zu entscheiden… aber Draco ist eben kein Held, weder außergewöhnlich mutig, stark noch besonders edel.
 

Man hätte anders handeln können… aber Draco, mit seiner Familie, seiner Geschichte, dem Druck, unter dem er stand und den Idealen, die man ihm anerzogen hat… er konnte es eben nicht. “
 

Hermine biss sich auf die Lippen und nickte, dann drehte sie sich kommentarlos um. Ihre Kehle war eng und brannte, ihr ganzer Brustkorb brannte und sie fühlte sich so müde und schwer, als ob sie kurz davor wäre, im Stehen einzuschlafen. Dennoch musste sie hier weg, so schnell wie möglich.
 

Xxx
 

Hermine wusste nicht recht, wo sie hingehen sollte. Sie hatte es gerade mal so geschafft daran zu denken, ihren Geldbeutel mitzunehmen, weiter hatte sie nicht geplant.

Nun saß sie in einem Straßencafé, nippte lustlos an ihrem Tee herum und überlegte, wo sie den Rest des Tages verbringen sollte. Sie würde auf keinen Fall heute ins Manor zurück gehen. Das war… zu viel. Sie war noch nicht einmal dazu gekommen aufrichtig entsetzt darüber zu sein, was sie gehört hatte. Bisher hatte ihr ihr lahmer Verstand nur zu verstehen gegeben, dass sie etwas Beunruhigendes gehört hatte, das sie nicht mit den Malfoys um sich herum einordnen konnte.
 

Heute war Samstag und so herrschte um sie herum reges, geschäftiges Treiben. Sie sah Pärchen händchenhaltend die Straße hinuntergehen, genervte Eltern, deren lärmende Kinder lachend von einem Geschäft in das nächste zogen, ältere Leute, die schon etwas langsamer unterwegs waren und sich abstützen mussten und Menschen, die ebenso allein wie sie und mit eben solch traurigen Augen durch die Gassen schlichen, als wären sie am liebsten unsichtbar.
 

Ein unanständig dicker Mann mit Walrossschnauzbart steuerte ihr zielstrebig entgegen, nickte ihr mit dümmlichem Grinsen zu und ließ sich schwerfällig in einen für ihn viel zu schmal wirkenden Stuhl plumpsen.
 

„Harry?“
 

Der Mann grinste, strich ich über die graublonden Haare und nickte. „Weißt du, wenn ich normalerweise hier bin, kommen immer Leute, belagern mich und stellen Fragen und all das…“
 

Hermine seufzte, zog ihre Augenbrauen hoch und überlegte eine Weile. „Onkel Vernon?“
 

„Onkel Vernon“ nickte und lachte. „Ja… er hat mir doch so viele alte Socken geschenkt… da hängen immer noch abgebrochenen Zehennägel drin.“
 

Hermine schauderte und stellte ihre Teetasse, aus der sie gerade noch hatte trinken wollen, angeekelt beiseite.
 

„Onkel Vernons“ Grinsen erstarb, er warf einen flüchtigen Blick auf seine Uhr und quetschte sich dann mühsam aus dem Sessel wieder hinaus. „Ja… es hält nicht lange, ich hab nicht so viel getrunken, als ich deine Eule bekommen hab. Ich wollte dich eigentlich auch nur abholen und… also, magst du in ein McDonalds gehen? Ich hab Hunger und… da, bei den Muggeln, da kennen sie mich nicht so…“
 

Hermine seufzte und nickte. „Nicht so“ stimmte. Wobei der Krieg ja auch durch die Muggelpresse gegangen war und Harry, im Vergleich zu ihr, die gerne im Hintergrund gehalten wurde, auch dort des öfteren genannt worden war.
 

„Weiß nicht, mir ist nicht so nach Hamburgern. Können wie nicht einfach zu dir nach Hause gehen und… wir können uns ja eine Cola mitnehmen. Ich kann Kürbissaft langsam nicht mehr sehen.“
 

Onkel Vernon verzog das schwammige Gesicht, wurde augenscheinlich leicht rot und drehte sich halb von ihr weg. „Lieber nicht, ich… ich hab nicht aufgeräumt.“
 

„Ach was, ist mir doch egal… Du hast doch Kreacher. So schlimm wird’s schon nicht sein.“
 

Onkel Vernon zuckte die Achseln. „Ja, weißt du, Kreacher ist… also der kommt nur ab und zu vorbei, um zu putzen. Ich äh… eigentlich ist er fast die ganze Zeit in Hogwarts. Ich bin lieber ohne ihn. Also aufräumen und so…. ich kann ja zaubern. Ich vergesse es nur manchmal und… ja… also, jetzt gehen wir ins McDonalds. Komm!“
 

Allem Protest zum Trotz, fand sich Hermine eine halbe Stunde später in der hintersten Ecke eines Fast- Food-Restaurants wieder und saß einem Harry gegenüber, der auch wie Harry aussah. Wenn auch einer selbst für seine Verhältnisse ungekämmten, unrasierten Version davon.
 

„Lange Nacht?“, fragte sie mitfühlend und bemerkte besorgt, wie dunkel die Ringe unter seinen Augen waren.
 

Er nickte und stöhnte gequält. „Wir hatten Einsätze bis um drei Uhr morgens. Danach war ich… naja… ich hab nicht viel geschlafen. Aber… nein, guck nicht so… ist okay. Ich bin eh immer früh wach, ich kann nie gut schlafen… Ginny ist eh in Hogwarts und was soll ich samstags auch sonst machen?“
 

„Triffst du dich nicht mit Freunden? Kollegen?“
 

„Ich treffe mich mit dir“, gab er lächelnd zurück. „Bist du nicht beides?“ Als keine Antwort erfolgte, seufzte er und schüttelte den Kopf. „Die Leute, die ich sonst so kennenlerne, die schleimen nur um mich herum, weil ich berühmt bin. Weißt du, deswegen gehe ich nicht so gerne weg. Immer wieder soll ich die gleichen Geschichten erzählen. Naja, und meine Kollegen… Die seh‘ ich ja während der Arbeit und… wir gehen manchmal zusammen was trinken, aber… immer die gleichen Gespräche und Themen, weißt du? Ich bin eigentlich gerne alleine zuhause, da hab ich meine Ruhe. Ginny… ja… naja, sie ist ja bald mit der Schule fertig. Musst dir keine Sorgen um mich machen, die ist dann öfter bei mir… denke ich.“
 

„Neville…“
 

„Ist auch in Hogwarts.“
 

„Besuch ihn doch.“
 

Harry wurde rot, ganz sicher, feuerrot sogar und schüttelte verlegen den Kopf. „Ich bin da nicht gern… Da sind auch die anderen Ordensleute und… es ist immer irgendwie komisch, dort zu sein. Wenn ich die bei den Ordenstreffen sehe, reicht mir das eigentlich. Ich treffe mich manchmal mit Neville und Luna, und Fred und George besuche ich auch ab und zu, aber… ja… ich brauche auch Ruhe. Egal… schieß los, was genau ist passiert?“
 

So erzählte Hermine ihm von ihrem jüngsten Problem. Lange, ausführlich und tränenreich.
 

„Weißt du?“, presste sie nach mehreren Schluchzern heraus. „Ich fühle mich irgendwie erpresst. Da presst etwas so fest auf meine Brust, dass es richtig weh tut und ich kaum noch atmen kann. Alles… es ist… ich fühle mich dazu verpflichtet, Draco zu vergeben. Ich spüre die moralische Verpflichtung, zu ihm zurückzugehen und… einfach weiterzumachen.“
 

Sie schniefte, nahm dankbar ein von Harry dargebotenes Taschentuch und schnäuzte sich. „Es ist, als würde es irgendwo ein Gesetz geben, das sagt, dass ich nicht einfach Schluss machen darf. Es ist… mein Gott, ich weiß doch, dass das schlimm für ihn war. Ich… rein verstandesmäßig weiß ich, dass er das nicht aus freien Stücken gemacht hat… Ich, du hast doch selbst gesagt, dass er bedroht wurde?“
 

Harry zuckte die Achseln und senkte den leeren Blick auf seine Hände.
 

Hermine hätte mit dieser Geste auch dann nichts anfangen können, wenn sie darauf geachtet hätte. Tatsächlich redete sie schon weiter, bevor er sein unbewegtes Gesicht von ihr abwandte. Nichts, was sie in diesem Moment beeindruckt hätte, sie war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
 

Sie schniefte, rieb sich mit dem Zeigfinger unter der juckenden Nase, um den Niesreiz zu vertreiben und sprach mit belegter Stimme weiter. „Ich weiß, dass er dort nur ausgenutzt wurde. Er wurde angelogen und betrogen, damit er mitmachte, später haben sie ihn bedroht, mit Drogen vollgepumpt und… und… haben ihm eine verdammte Gehirnwäsche verpasst, das weiß ich doch!“
 

Ein Druck auf der Kehle, als würde man ihr den Hals zudrücken, brachte sie zum Verstummen. Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, bevor sie weitersprechen konnte. „Ich weiß, dass das nicht auf seinem Mist gewachsen ist und… Herrgott, der Kerl hat vier Selbstmordversuche hinter sich, er kriegt den Tag über mehr Tabletten als Leute aus armen Ländern zu Essen haben und ich… kann nachts doch auch kaum noch schlafen, weil er ständig Albträume hat und schreiend aufwacht und dann… ja… du kennst ja seine Aussetzer. Also… das weiß ich alles, ich stelle mich nicht hin und sage, dass er diese Sachen leichthin gemacht hat und jetzt mit nichts davon kommen will…“ Wieder schniefte sie, putzte sich die Nase und flüsterte: „Die meiste Zeit will er ja gar nicht mehr irgendwo hin kommen.“
 

Ein zaghafter Blick zu Harry. Der hatte sich von ihr abgewandt, die Arme um seine Taille geschlungen und machte ein Gesicht, als hätte er Bauchschmerzen. Er verstand sie zu gut, das war ihr klar, aber mit wem hätte sie sonst reden sollen?
 

„Nur…“, sie hielt inne, schluckte und doch gelang es ihr nicht, die Traurigkeit, die in ihren Worten war, hinunterzuwürgen. „Trotzdem hat er Ron umgebracht… Ron…“ Sie schluchzte und beugte sich vor. Am Rande ihres Bewusstseins nahm sie wahr, dass Harry neben ihr zitterte und die Augen zusammenkniff.
 

„Ron war… mein… unser… nein… er war mein Freund. Der wichtigste Mensch für mich und mein bester Freund und… ich habe ihn geliebt und Draco hat… Ich kann mir hundertmal sagen, dass er gezwungen wurde… aber er hat ihn getötet und das auch noch grausam und dann diese...“ Ihre Hand schnellte vor ihren Mund. Dieses Mal war es wirklich Magensäure gewesen. Ihre Speiseröhre brannte und der bittere Geschmack in ihrem Mund ließ sie erschaudern. Ihr ganzer Körper bebte, atmete krampfhaft und erschauerte. „Und was er sonst noch… was er gesagt hat, was… diese Dinge, die… Ich weiß, ich war dumm, aber ich habe mir immer vorgestellt, dass das ganze etwas… antiseptisches an sich hätte. Sie gehen hin, töten jemanden mit einem Avada Kedavra und gehen einfach wieder. Schnell und…naja… schmerzlos und sauber.“
 

„So ist es nie“, flüsterte Harry, mehr zu sich als zu ihr und schüttelte den Kopf. „Das wollen die Leute gerne glauben, aber meist ist es dreckig, laut und… irgendwie erregend.“
 

Hermines Kopf schnellte herum. Harry war… gelb. Nicht bleich, gelb… eine absolut unnatürliche, kranke Gesichtsfarbe hatte er, seine Augen waren leer und seine Stimme tot. „Es zieht dich mit, es überwältigt dich… zumindest solange du dort bist, fühlst du dich stark und mächtig… schlimm ist es vielleicht vorher oder nachher, aber solange du dort bist, fühlst du entweder gar nichts oder es macht dir Spaß.“ Er seufzte, hob den Kopf und schüttelte wie in Trance den Kopf. „Wirklich… Und man gewöhnt sich irgendwie dran… Ich glaube, manchen fehlt jetzt echt was.“
 

Sie sah ihn stumm an, vielleicht eine Minute lang, unfähig das Gehörte aufzunehmen. Dann schaffte sie es, die Worte zumindest in sich hineinzulassen und beschloss, sich später damit zu befassen. „Ich denke an Greyback“, flüsterte sie voll Abscheu. „Er war so… ekelhaft. Es war einfach nur ekelhaft und es hat wehgetan und ich hatte Angst…so viel Angst…“ Ihre Stimme erstarb, sie schloss für einen Moment die Augen und war von dem Geruch überwältigt, der urplötzlich durch den Raum waberte. Sie hob ihr Taschentuch vor die Nase. Sie tat, als würde sie sich die Nase wischen, aber eigentlich versuchte sie nur, den Geruch von sich fernzuhalten. „Er war so lieb zu mir.“
 

„Greyback?“ Harry schnellte herum und starrte Hermine entgeistert an.
 

„Nein, natürlich nicht. Draco… er war lieb zu mir. Er hat… Rücksicht genommen, mir Zeit gelassen, er hat… wirklich… er war richtig verständnisvoll und… ja… und nun“, ihre Hände fielen auf ihre Oberschenkel, sie schnaufte hart und schüttelte den Kopf, „höre ich, dass er das auch getan hat. Dass er… er war nicht besser, nach dem, was ich gehört hab, wäre die Frau fast gestorben. Ich meine…“ Sie lachte hart und bitter. „Im Vergleich dazu war Greyback richtig rücksichtsvoll. Ja, und… egal, ob er darunter leidet… das weiß ich jetzt.“
 

Sie seufzte, verzog ihr Gesicht und steckte sich einen Pommes in den Mund und nuschelte, noch während sie fertig kaute: „Ich weiß, zu was er fähig ist. Klar weiß ich, dass er…. er im Grunde selbst ein Opfer ist, aber….“ Ihre Hand knallte auf die Tischplatte vor ihr. Einige Leute am Nachbartisch drehten ihr irritiert den Kopf zu, Harry winkte mit der Hand ab und die Leute widmeten sich wieder ihrem eigenen Gespräch.
 

„Ich weiß, dass er diese Dinge gemacht hat und… ich weiß nicht, ob ich es aushalte…Das zu wissen, egal ob er selbst schuld ist oder nicht…ich sehe ihn vor mir, wie er…und ich… Das ist doch keine Beziehung, wenn ich jedes Mal, wenn ich ihn ansehe, an… diese... Dinge denken muss!“
 

Harry zuckte die Achseln und nuschelte etwas, das wie „ich erzähle Ginny sehr wenig von mir“ klang.
 

„… aber wenn ich jetzt Schluss mache, dann... das weiß ich genau… dann versucht er‘s schon wieder. Ich kenne ihn und ich bin wütend deswegen… richtig sauer, weil er mich damit erpresst. Ich bin nicht frei in meiner Entscheidung, denn wenn ich Schluss mache, dann geben mir alle die Schuld an seinem Selbstmord.

Lucius schlägt mich tot, wenn Draco sich was antut. Alle werden mit dem Finger auf mich zeigen und mir die Schuld geben!“
 

Harry beugt sich tiefer über seinen eigenen Teller, schob sich mechanisch einen Pommes nach dem anderen in den Mund und bemühte sich trotzdem, halbwegs deutlich zu klingen. „Das bildest du dir ein. Unsere Leute zumindest sicher nicht.“
 

Hermine verzog das Gesicht und begutachtete die Pommes auf ihrem Tablett, als wären sie nur geschaffen worden, um sie anzuklagen. „Vielleicht hast du recht“, lenkte sie ein und zuckte die Achseln. „Aber… es ist trotzdem so. Wenn ich gehe, wird er es wieder tun. Das weiß ich sicher. Und wie soll ich damit zurecht kommen, wenn er es schafft?“
 

Harry seufzte und murmelte: „Weiß nicht.“
 

„Es ist doch nur… ich will mich nicht dazu zwingen lassen, ihm zu verzeihen. Verdammt noch mal… er hat… er hat mir den wichtigsten Menschen genommen, den ich auf der Welt hatte, er hat… ganz grauenhafte Sachen gemacht und… ja… eben… ist so… seien wir ehrlich… wenn er seine Wutanfälle hatte, dann hat er mich geschlagen. Das… ja… das macht er jetzt seit Monaten nicht mehr und ich weiß, er wollte es eigentlich nicht, aber… ja, er hat mich geschlagen. Mehr als einmal… und er hat anderen Leuten viel Schlimmeres angetan… Warum soll ich bei so jemand bleiben? Ich“, sie pochte mit dem Zeigefinger gegen ihre Brust. „Ich hab sowas nie getan. Hab ich dann nicht verdient, einen Mann zu haben, der genauso… ja… moralisch intakt ist wie ich?“
 

„Weiß nicht… du warst nie in der Position, dass du…“
 

„Ich habe mich geweigert, so einfach ist das“, schnitt Hermine Harry energisch das Wort ab. Der seufzte, richtete sich auf und schob sein Tablett von sich weg. Die halbe Portion war noch darauf. Bei diesem Thema verging ihnen wohl beiden der Appetit. „Man hat es dir leichter gemacht als uns…“ Er machte eine Pause, fixierte sie mit strengem Blick und fügte dann so kalt und trotzig hinzu, als würde er sich gerade selbst vor einer Anklage verteidigen. „Dich hat man ja sofort gehen lassen… Aber so ist es halt nicht bei jedem. Wenn alle von dir erwarten mitzumachen, pausenlos auf dich einreden und… dir dauernd vor Augen führen, was du verhindern musst… dann sagst du nicht einfach nein! Du… immer wieder wird dir gesagt, was du verhindern musst und was deine Pflicht ist und was dann aus dir wird, das interessiert keinen.“
 

Hermines Mundwinkel rutschten von rechts nach links, ihre Augen blieben starr auf Harry gerichtet. „Es geht hier nicht um dich.“
 

„Natürlich geht es nicht um mich“, schnarrte er und gab dem Tablett noch einen weiteren Stoß, so heftig, dass die Geste allein offenbarte, wie viel lieber er stattdessen Hermine geschlagen hätte. „Es geht ja nie um mich, richtig? Es geht immer nur um dich, Ron, Malfoy und um alle anderen. Ich bin ja nur der Idiot, der immer springen muss und der nach getaner Arbeit die Klappe zu halten hat, es geht nie um mich. Ich weiß!“
 

„Harry!“, rief Hermine, als er sich hastig erhob, dem dabei umkippenden Stuhl noch einen weiteren Tritt mit den Fuß versetzte und ohne zurückzublicken in Richtung Tür stürmte.
 

Zurück blieben Hermine und ihr schlechtes Gewissen.
 

Da Hermines schlechtes Gewissen ein ausgesprochen schlechter Gesellschafter war, beschloss sie, es nicht allzu lange alleine in ihrem Kopf zu lassen. Statt also weiterhin in diesem McDonalds zu sitzen und zu brüten, machte sie sich schleunigst auf zurück in die Winkelgasse, gab beim Eulenamt eine Schnell-Eule nach Hogwarts auf und kündigte dort ihr baldiges Eintreffen ein.
 

Sie schrieb an Neville, ganz bewusst nicht an Ginny. Sie wollte über die ganze Sache weiter nachdenken und wenn es schon abzusehen war, dass es Neville unangenehm wäre, mit ihr über Draco zu reden, wie viel schwerer würde es dann Ginny fallen. Vor allem, wenn sie das mit den Drei Besen erwähnte.
 

So fand sie sich also eine Stunde später in Nevilles bescheidenem, kleinem Zimmer wieder, welches ihm als Schulangestelltem zustand. Neben ihm, Luna.
 

Wobei man auch auf, über, unter oder hinter ihm hätte sagen können, so eifrig wie Luna um ihren Freund herum wuselte. So holte Tassen, und streichelte Neville im Vorbeigehen über den Kopf. Er holte die Teekanne und kitzelte Luna im Vorbeigehen hinter dem Ohr. Sie holte Hermine eine Sitzunterlage – angeblich lebte in dem Polstermöbel ein Stamm kleiner Außerirdischer, deren Population Luna genauer studieren wollte, weshalb Hermine sie nicht plattquetschen durfte – und schlug ihm dabei flapsig auf den Po und als sie schließlich zusätzlich noch mit Keksen ausgerüstet vor Nevilles Kamin versammelt waren, führten die beiden ihr Geturtel, Gestreichel und Gekicher weiter fort.
 

Sie hielten Händchen, während Hermine die Situation in groben Zügen schilderte. Sahen sich danach ratsuchend an – nicht ohne sich bei der Gelegenheit einen zarten Kuss zu geben - und seufzten unisono. Hermine hätte wetten können, dass die beiden nun auch noch angefangen hatten, im selben Takt zu atmen. Leicht genervt fragte sie sich, wie sie das machten. Sie könnte nicht simultan mit Draco atmen. Sie wollte das auch gar nicht. Gähnen, wenn er gähnte. Husten, wenn er hustete, sich strecken, wenn er… aber deswegen war sie ja nicht hier, sie war ja viel eher deswegen hier, weil sie überlegte, ob sie mit Draco überhaupt noch irgendetwas machen wollte, simultan und wonnig Händchen haltend oder nicht.
 

„Es ist einfach so“, schloss Hermine den langen Vortrag ihres ganzen Elends. „Ich verstehe, dass das schlimme Zeiten für ihn waren und dass er auch nicht alleine schuld ist. Trotzdem hat er Sachen gemacht, die abstoßend sind!“ Sie schauderte bei der Erinnerung an Greyback und beschloss, sich heute Abend sehr ausgiebig zu duschen, wo auch immer. „Ich kann doch jetzt nicht einfach zu ihm zurückgehen und so tun, als ob nichts wär, als würde mir das nichts ausmachen… Es macht mir was aus. Aber wenn ich jetzt sage, dass ich Abstand brauche… dann… dann versucht er ganz sicher schon wieder sich umzubringen… und dann bin ich dran schuld!“
 

„Unsinn!“ Luna schüttelte bestimmt den Kopf, beugte sich vor, um Hermine die Hand aufs Knie zu legen und sah ihr tief in die Augen. „Du hast Angst, dass sie dich in ihrem Springwurmsumpf stoßen, nicht?“
 

Hermine verdrehte innerlich die Augen. Ein beleidigter Harry hin oder her, was hatte sie sich nur dabei gedacht, hierher zu kommen.
 

Neville nickte eifrig. „Ich glaub, mir würden diese Leute auch Angst machen. Also dort zu wohnen… und das ganze Haus ist doch sicher voll von solchen Fallen!“
 

„Nein, nicht wirklich. Also laut Draco gab es während des Krieges wohl schon einiges Verbotenes im Haus – von einem Sumpf weiß ich allerdings nichts - aber das wurde wohl entfernt. Naja, kommen ja des Öfteren Ministeriumsleute vorbei, um Lucius zu überprüfen, das gehört zu seinen Auflagen, dass er das zulassen muss.“
 

„Ich denke, jemand wie der alte Malfoy ist auch ohne Sumpf einschüchternd“, erklärte Neville und seufzte gleichzeitig mit Luna. „Ja, aber trotzdem, du musst dort nicht bleiben, wenn du nicht willst. Also wegen… Draco. Ich meine, also, ich weiß ja nicht, ob es ihm wirklich so viel ausmachen würde, wenn du nicht da wärst…“
 

Hermine senkte ihre Augen auf die Teetasse in ihren Händen und seufzte leise. „Ganz sicher, er hängt an mir.“
 

„… aber es ist ja trotzdem nicht so, dass er alleine wäre ohne dich. Ich meine, naja, praktisch gesehen hat er immer noch beide Eltern, den…Onkel…“ Luna legte ihm spontan die Hand auf sein Knie und mitfühlend drückte sich an ihn und auch Hermine wurde schmerzhaft daran erinnert, dass Rodolphus und seine Frau Neville die Kindheit gestohlen hatten. „Ja, also… Und er ist doch in der Psychiatrie, nicht? Er geht doch da immer noch hin und… also, ich will damit nur sagen, auch wenn du jetzt nicht mehr willst, ist er nicht alleine. Ganz ehrlich, der hat auch so mehr Helfer um sich herum, als die meisten anderen.“ Er seufzte und nuschelte etwas, das nach: „Der kriegt mehr Hilfe als andere, die das auch brauchen würden und es viel mehr verdient hätten.“ Er räusperte sich und setzte deutlicher hinzu: „Sollen die doch auf ihn aufpassen, man kann von dir nicht erwarten, dass du alles… akzeptierst.“
 

Hermine hob die Augen wieder, um Neville offen anzusehen. „Sei mal ehrlich, bist du… seid ihr sauer, weil ich… bei diesen Leuten wohne und… Draco… Draco und ich…“
 

Luna schüttelte den Kopf und lächelte milde. „Nein, wir sind nicht sauer. Wir verstehen es absolut nicht, wie jemand wie du mit einem Trottel wie Malfoy zusammen kommen konnte, aber… Nein, es war ein Schock, aber das ist jetzt okay. Zumindest, solange du uns nicht irgendwann zum Essen zu euch einlädst.“
 

Neville lachte, es sollte ein Scherz sein. Luna alberte etwas von wegen Springwurmsuppe und Hermine rang sich mühsam ein dünnes Lächeln ab. Das war noch so ein Punkt. Mit Draco zusammen zu sein bedeutete, dass sie in zwei Welten leben musste. Sie würde nie einfach mal so Freunde zu sich nach Hause einladen können. Weder Draco noch ihre Freunde würden das wollen… und sie saß zwischen den Stühlen und musste aushalten, dass beide Seiten eifersüchtig darauf waren, dass sie sich auch um die andere Seite kümmerte.
 

Luna seufzte wohlig, als sie Nevilles Arm um ihre Schultern fühlte, schenkte ihm einen verboten hingebungsvollen Blick und wandte sich wieder Hermine zu. „Hach, das ist so schön mit uns beiden, weißt du? Wir könnten nicht mehr ohne einander leben!“
 

Beide kicherten romantisch und Hermine überlegte, ob sie aufstehen sollte, um sich einen Brecheimer zu besorgen.
 

„… wie ist das denn bei dir?“
 

„Wie ist was bei mir?“, fragte Hermine gepresst, denn langsam machte sie diese romantische Atmosphäre aggressiv.
 

„Naja, mal ganz davon abgesehen, was du heute gehört hast. Kannst du dir denn vorstellen, willst du denn ohne ihn sein?“
 

Hermine stöhnte und rubbelte sich über ihr Gesicht. Ihre Locken kratzten an ihrer Stirn, an ihren Wangen, in ihrem Nacken… eigentlich störte sie im Moment sogar die Kleidung auf ihrer Haut. Sie war so angespannt, dass sie einfach alles nervös machte. Dennoch war dies eine Frage, die von essentieller Wichtigkeit war.

Sie legte den Kopf in den Nacken, nicht ohne sich vorher genau dort gekratzt zu haben. Luna sah das und vermutete, dass die kleinen Bewohner des Polstermöbels eventuell auf Hermine umziehen würden. Darüber dachte Hermine aber nicht nach, als sie angestrengt die Augen schloss. Viel eher darüber, ob und wie viel ihr fehlen würde, wenn sie nicht mehr ins Manor zurück ginge.

Nun, das Manor zurückzulassen, wäre weniger tragisch. Immerhin wäre sie dann ihre Schwiegereltern los.
 

Schwiegereltern, wie das klang. Als ob sie mit Draco verheiratet wäre und wenn sie ehrlich war, kam es ihr auch manchmal so vor. Jeden Morgen gemeinsam aufstehen, immer zusammen sein, gemeinsam essen, schlafen, Sex haben, reden, lachen, traurig sein. Sie war es gewohnt, mit ihm zusammen zu leben und wenn sie ehrlich war, tat sie das eigentlich gern. Es war beileibe nicht immer einfach aber… nein, die Vorstellung, ihn aus ihrem Leben zu streichen, war unmöglich.
 

„Nein“, erklärte sie deshalb für sie selbst überraschend überzeugt. „Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, was er gemacht hat, aber wenn ich ehrlich bin, dann will ich ihn einfach nicht verlassen. Ich… ich hab mich an ihn gewöhnt und… auch wenn ich wirklich nicht logisch begründen kann warum, ich will diese Beziehung.“
 

„Dann mach nicht Schluss“, strahlte Luna, gab Neville einen Kuss und fütterte ihn mit einem weiteren Keks. „Du sagst doch selbst, dass er mit der Zeit dort nicht zurechtkommt und dass er eigentlich viel zu irre ist, um daran selbst schuld zu sein. Und wenn du nicht gehen willst, dann bleibst du eben bei ihm. Deswegen musst du das ja nicht komplett unter den Tisch fallen lassen und so tun, als ob alles in Ordnung wäre.“
 

„Ich will nicht, das alles vorbei ist aber ich will auch nicht einfach zurück gehen. Ich weiß nicht, was soll ich ihm denn sagen, wenn ich ihn wiedersehe? Wegen… diesen Dingen und wegen… Ron!“ Hermine schluckte, fuhr sich mit der Hand über der Kehle, als könne sie dadurch den Druck darauf wegwischen, und zuckte die Achseln. „Und alle anderen… wenn die erfahren, dass er Ron… Ginny, die Weasleys überhaupt und… Harry und…“
 

„Ich denke, Harry weiß doch sowieso schon alles.“ Er räusperte sich verlegen, nahm die Hand von Lunas Schulter, um beide Arme um seinen Bauch zu schlingen. „Er hat gesagt, dass er mit Snape über den Vorfall geredet hat, als ihr die beiden Tage bei ihm wart. Da warst du gerade… irgendwo und Snape hat ihm dann gesagt, was er ihm damals gegeben hat und was in der Nacht passiert ist.“
 

Hermine wurde es augenblicklich kalt. Es begann in ihren Füßen, kroch ihre Beine hoch, breitete sich in Brust und Bauch aus und ließ sie zuletzt am ganzen Körper schaudern. „Du wusstest es auch? Ihr habt es alle gewusst, nur ich nicht?“
 

Luna machte große Augen – eher neugierig als entsetzt - und drehte sich zu Neville. Der rutschte unbehaglich etwas von ihr weg, knetete seine Hände und murmelte verlegen: „Wir waren nicht sicher, wie viel er dir davon gesagt hat. Also Draco… Und… naja… was hätte er auch dazu sagen sollen? Snape hat ihm gesagt, dass sie Draco eine Flasche Wein in die Hand gedrückt haben, damit sollte er dann so ein paar komische Pillen runterspülen und die ganz Bande war wohl so drauf, dass er Zweifel hat, dass die sich überhaupt selbst dran erinnern können, was passiert ist. Ja… und… also weißt du, für uns ändert das wenig.

Du hast von den Kämpfen nicht so viel mitbekommen, aber Harry und ich… vor allem Harry, der hat Draco oft dabei gesehen, wie er andre Leute umgebracht hat. Nicht nur Seamus, das war… naja… nein, eben bei solchen Dingen. Und jetzt... naja… jetzt wissen wir, dass er irgendwo dazu gezwungen wurde und… hmm… weiß nicht. Er ist ein Todesser und die machen sowas.“ Neville räusperte sich unbehaglich, wandte den hochroten Kopf von Hermine ab und fuhr mit belegter Stimme fort. „Es sind so viele schlimme Dinge passiert und wir haben so vieles Schreckliches gesehen. Irgendwie verschwimmt alles zu einem einzigen, abstoßenden Brei. Irgendwann will man da nicht mehr über einzelne Vorfälle nachdenken. Alles war schlimm. Das ist für uns alle nicht leicht und…wir reden alle nicht gern drüber, was wir wissen und was wir erlebt haben. Vor allem Harry kommt damit nicht so gut klar. Du darfst ihm deswegen nicht böse sein… wir wollten dich nicht außen vor lassen, aber… naja… für uns ist das Thema selbst schlimm, verstehst du?“
 

Hermine schüttelte mechanisch den Kopf. „Ihr hättet es sagen sollen! Gibt es denn noch was, was ihr wisst und ich nicht?“
 

„Ich… ich denke nicht. Aber ich weiß ja auch nicht alles. Weißt du, Harry sagt mir auch nicht immer so viel… Also vorher hab ich mich eh zurückgehalten und nachdem ich ausgestiegen bin…“
 

„Wie kam eigentlich deine Familie damit zurecht, dass du damals bei den… Ordensleuten aufgehört hast?“
 

Neville zuckte die Achseln, nahm sich einen weiteren Keks und nuschelte krümelnd. „Ging so. Sie waren wohl etwas enttäuscht aber… ja, sie haben dann gesagt, dass ich ja eigentlich eh noch zu jung wäre und ich glaube, sie waren auch irgendwie erleichtert. Sie meinten, es hätte genug Tote in der Familie gegeben und… ich müsste da nicht unbedingt jeder Gefahr schreiend nachrennen. Also… nachdem diese… Leute vom Krankenhaus mit ihnen gesprochen haben… es war okay. Wirklich!“ Er schluckte den letzten Kekskrümel hinunter, legte Luna wieder den Arm um die Schulter und nickte. Luna strahlte, steckte ein paar Strähnen hinters Ohr und tätschelte ihrem Neville stolz das Knie. „Ich bin auch froh… Nachdem was mir Daddy alles erzählt hat…“
 

„Über die grüne Gehirnpest und den Angriff der Schnarchkackler?“, platzte Hermine heraus, noch bevor sie sich zurückhalten konnte.
 

„Nein!“ Lunas Miene verfinsterte sich. Sie richtete sich auf und schaffte es, innerhalb von Sekunden alle Spleenigkeit, die sonst wie Pech an ihr haftete, aus ihrer Erscheinung zu vertreiben. „Ich habe dir doch gesagt, dass unsere Redakteure umgebracht wurden, nachdem sie ihre Meinung zu offen über du-weißt-schon-wen geäußert haben!“
 

„Oh!“ Hermine hielt sich die Hand vor den Mund. „Entschuldige, ich…“
 

Luna winkte ab. „Ja, ja. Jedenfalls“, sie kicherte wieder und tätschelte Nevilles malträtiertes Knie, „bin ich froh, dass meinem Hasi nichts passiert ist. Es war schon okay, für uns alle, dass er da aufgehört hat, sonst würde ich ja jetzt alleine auf der Couch sitzen, nicht?“
 

Sie kicherte, Neville stimmte ein und Hermine stöhnte innerlich, bei dem innigen Blick den die beiden sich daraufhin schenkten.
 

Hermine legte den Kopf schief, betrachtete gedankenverloren das miteinander turtelnde Paar vor ihr, und dachte darüber nach, dass Harry eigentlich recht hatte.
 

Es ging nie um ihn.
 

Er war zwar für alles zuständig und immer die erste Wahl, wenn irgendjemand eine mühselige Aufgabe hatte, die er selbst – oder zumindest alleine - nicht lösen wollte, doch wann ging es wirklich darum, wie es ihm dabei ging?
 

Wie es ihm bei den Dursleys gegangen war, wusste sie und schämte sich immer noch dafür, nicht wirklich etwas dagegen unternommen zu haben. Sicher, sie war ja selbst noch ein Kind gewesen… aber die anderen Erwachsenen, was hatten die denn getan? Nach Cedrics Tod, nach Sirius‘ Tod, dem Tod von Dumbledore und allem, was danach gekommen war. Man hatte auf all das reagiert, indem man ihm Aufgaben aufgedrückt hatte. Eine Aufgabe nach der nächsten, immer schwieriger und fragwürdiger. Und nun war selbst das vorbei und jetzt… kümmerte sich eigentlich keiner mehr darum, was mit ihm war.
 

Hermine hatte schon lange gemerkt, dass er unzufrieden war. Nicht nur wegen der Antidepressiva in seinem Badezimmerschrank. So vieles wies sonst noch darauf hin. Er war dünner geworden, arbeitete freiwillig fast doppelt so viel wie er musste, wirkte ausgezehrt, zog sich laut Ginny immer mehr zurück und war reizbar.
 

Beschämt von dieser späten Erkenntnis überlegte Hermine, wem sie ihre Sorge als erstes mitteilen sollte. Luna und Neville, eventuell Hagrid, Ginny… den anderen Weasleys?
 

Draco hatte auf eigenartige Weise Glück, zu den „Bösen“ zu gehören. Was er gemacht hatte, war falsch und wurde nach dem Krieg auch genau so benannt. Er war nicht so, wie junge Männer sein sollten und hatte Dinge getan, die junge Männer nicht tun sollten. Deswegen war er in die Klinik eingewiesen, zu einer Psychotherapie gezwungen und mit seiner Familie konfrontiert worden. Mit Leuten, die einen ebenso falschen Weg gegangen waren wie er, so dass die Malfoys nun alle gemeinsam lernen mussten, anders und friedlicher zu sein.
 

Deswegen durfte Draco nun seit fast einem Jahr toben, wüten, schreien, Angst haben und weinen. Weil jeder wusste, dass er schlimme Dinge gesehen und getan hatte und nun damit fertig werden musste.
 

Bei Harry hingegen verhielt sich die Sache anders. Der hatte immer das gemacht, was die moralisch integerere Seite für richtig befunden hatte und was seine Pflicht war. Auf diese Weise hatte man ihn eingefangen, ebenso wie Neville. Doch schon viel früher und viel beharrlicher war ihm nahe gebracht worden, dass er wichtig war und alles tun musste, um das Unheil Voldemorts zu vermeiden.
 

Das hatte er getan. Bis zuletzt, wo er dabei geholfen hatte, den Krieg zu beenden. Ja wirklich, man konnte nicht abstreiten, dass Harrys Arbeit wichtig und zum Besten des Landes gewesen war. Deswegen bewunderten und liebten ihn alle. Trotzdem ging es nicht um ihn, denn niemand fragte, wie es ihm nun dabei ging.

Das war der Punkt, in dem Draco Harry wirklich überlegen war, in dem er es besser hatte. Nicht nur, weil man Draco wirklich dabei half, die Erlebnisse zu verarbeiten, es waren auch einfach Leute da, die sich um ihn kümmerten.
 

Selbst wenn das bei Draco alles dramatischer, brutaler und lauter zuging – das Leid - als bei Harry. Harry litt insgeheim unter ähnlichen Problemen, nur bei ihm interessierte es keinen. Zumindest war niemand da, der es mitbekommen würde. Wo Draco eine Familie hatte, die aufopfernd um ihn herumscharwenzelte und er von einer Armee Hilfswütiger schon fast überrollt wurde, hatte Harry… niemanden.
 

Ja sicher, es gab Ginny… aber er war wohl recht geschickt darin, seine eigenen Probleme vor ihr zu verbergen und vielleicht war Ginny auch so in ihren eigenen Gedanken gefangen, dass sie selbst das, was er andeutete, nicht mitbekam.
 

Zudem war Ginny noch in Hogwarts und sie und er sahen sich nur alle paar Wochen am Wochenende. Wie konnte man sich da schon öffnen? Die Weasleys sah er noch seltener, vor Neville und Luna spielte er Theater und sie… Hermine… hörte nicht zu, weil sie ausschließlich damit beschäftigt war, ihm von Draco und seinen Eltern vorzujammern.
 

Ron fehlte…
 

Nicht nur ihr… und so schwer und bitter diese Erkenntnis auch war, musste sich Hermine doch eingestehen, dass sie nicht die einzige war, die Ron verloren hatte und deswegen auch kein alleiniges Recht auf Trauer um ihn hatte. Mehr noch, dass es vielleicht möglich war, dass andere, Harry und Ginny zum Beispiel, ihn ebenso vermissten und er in ihrem Leben Lücken zurückgelassen hatte, die Hermine nicht in gleichem Maße betrafen.

Und nicht zuletzt, da war Hermine absolut sicher, mit Ron, im Gegensatz zu ihr, hätte Harry geredet. Nur bedauerlicherweise war der einzige Mensch, zu dem er ehrlich genug gewesen wäre, vor zwei Jahren gestorben, während er hilflos zusehen musste.
 

„Wisst ihr, ich finde wir sollten uns mehr um Harry kümmern“, teilte sie Neville und Luna mit, die sich gegenseitig mit Kandiszucker fütterten.
 

„Er sitzt da so alleine in diesem großen Haus und ich glaube, er geht total unter“, führte sie die Sache näher aus, nachdem die beiden voneinander abgelassen hatten und ihr aufmerksam zuhörten.
 

„Weißt du, Hermine, er schreibt mir manchmal“, erklärte Neville mit einem Mal bedrückt. „Klingt immer irgendwie seltsam. Er drückt sich regelmäßig davor was mit uns auszumachen und auch Ginny sagt, dass er immer verschlossener wird!“
 

Luna nickte versonnen. „Ginny sagt, dass er kaum noch mit ihr redet. Irgendwie wirkt er immer gestresst. Wenn sie ihn dann fragt, was los ist, weicht er aus.“
 

Hermine nickte, legte die Hände auf ihren Sessel und drückte sich hoch. „Ich denke, ich besuch ihn jetzt einfach mal. Ich hab ein ganz komisches Gefühl und… ich glaube, ich melde mich später nochmal bei euch.“
 

Sie schämte sich. Hermine gestand so etwas sehr ungern, selbst vor sich selbst, aber an diesem Abend war ihr ihr eigenes Verhalten wirklich peinlich.
 

Harry hatte recht. Immer ging es nur um andere, nie um ihn.
 

Alle hatten ihre Probleme. Die Weasleys hatten zwei Söhne verloren, sie hatte Ron verloren und… nun ja, sie musste die Malfoys ertragen. Neville hatte seine Gewissenskonflikte zu bearbeiten und Luna und alle anderen waren viel offener bedroht worden, als ihr klar gewesen war.
 

Von den Leuten, bei denen sie wohnte… Aber das war im Moment zu schwierig, um darüber nachzudenken. Erstmal ein Schritt nach dem anderen. Nun musste sie sich um Harry kümmern. Der hatte keine Familie, wohnte alleine und wenn sie so darüber nachdachte, wirkte er nicht so, als ob er sich als Jung-Auror wohlfühlen würde… obwohl er ständig Überstunden machte. Fast so, als wolle er sich dort vor dem Rest der Welt verstecken.
 

Sie apparierte auf die oberste Stufe des Grimmauldplatzes, klopfte ein paar Mal an und wartete darauf, dass man sie einlassen würde. Kurz darauf hörte sie hinter der Tür ein träges Schlurfen. Die Tür öffnete sich und Hermine wich instinktiv einen Schritt zurück, weil sie im ersten Augenblick den Eindruck hatte, Mundungus Fletcher gegenüber zu stehen.
 

Vom Geruch her ordnete sie Harry zwischen alten Socken, Billig-Kneipe und schimmliger Pizza ein. Er musste sich an der Tür festhalten, um ihr nicht entgegen zu fallen, seine Kleidung war übersät mit Flecken und aus Gründen, die Hermine lieber nicht genau überdenken wollte, stand seine Hose offen. „Harry…“
 

„Hmm?“ Er hob die müden Augen, ruckte mit dem Kopf nach hinten, als wäre dieser so schwer, dass er ihn kaum halten konnte und lallte träge: „Was willst du denn hier?“
 

„Ich…“ Hermine atmete tief durch und beschloss, zunächst einmal nur das zu sagen, was sie sich zurechtgelegt hatte. „Ich… ja… ich bin immer noch durcheinander wegen dem, was Draco heute Morgen gesagt hat und… ich will einfach nicht im Manor schlafen. Kann ich heute Nacht bei dir bleiben? Ich brauch ein paar Stunden noch Ruhe, um nachzudenken, wie’s weitergehen soll.“
 

Harry nickte lahm, drehte sich um und schlurfte unsicher den Gang wieder hinunter. Er musste eine Hand an die Wand legen, um halbwegs aufrecht gehen zu können. Auf halben Weg rutschte ihm die Hose, als sie in den Knien hing, griff er danach, verlor das Gleichgewicht und kippte fluchend gegen die Wand.
 

Hermine warf die Tür hinter sich zu und eilte zu ihm. Er protestierte schwach, als Hermine ihn auf die Knie zog, um ihm die Hosen nach oben zu ziehen. Müde und schlapp wie er war, schaffte er nicht mehr als einen äußerst armseligen Versuch, sie von sich zu schieben, als sie ihm den Arm um die Schultern legte und ihn wieder nach oben zog. „Merlin, Harry, du bist aber ganz schön voll, was? Und wie sieht’s hier überhaupt aus?“
 

Schlimm! Sie trotteten, so schnell das eben ging, in das warm beleuchtete Wohnzimmer. Die diversen magischen Kerzen, die den Raum in ein warmes Licht tauchten, waren aber auch das einzige Behagliche hier.
 

Wann war sie denn das letzte Mal hier gewesen? War das wirklich bei dem Ordenstreffen gewesen, als sie die Pillen entdeckt hatte? Hermine war einigermaßen entsetzt. Als sie Harry das letzte Mal unangekündigt besucht hatte, war es nur ein bisschen durcheinander gewesen. Und jetzt?
 

Mal abgesehen davon, dass es einfach dreckig war, waren sowohl Wohnzimmer wie Gang komplett zugemüllt. Verpackungen aller Art waren einfach auf den Boden geworfen worden, in der hinteren Reihe des Ganges stand eine Armee geleerter Flaschen, Zeitungen verteilten sich über den ganzen Fußboden von allem, was Hermine sehen konnte und auf dem Tisch lagen… ein dutzend Taschentücher.
 

Hermine dachte an Harrys offene Hose, errötete und beschloss, die auf jeden Fall per Zauberstab und nicht von Hand zu beseitigen.
 

Außerdem stank es. „Wann hast du hier denn das letzte Mal gelüftet?“
 

Unbestimmtes Grunzen folgte. Sie bugsierte ihn mit Müh und Not in Richtung Couch, ließ ihn darauf fallen und bog ihren Rücken durch, um ihr Kreuz zu entlasten. Sie stöhnte und sah sich im Raum um. Hinter ihr scharrte etwas. Sie drehte sich um und sah Hedwig, die im Raum herum stakste und Brösel diverser Essensreste von den herumliegenden Zeitungen pickte.
 

„Seit wann ist eigentlich Kreacher weg?“
 

„Weiß nicht.“ Harry ächzte bei dem Versuch, sich aufzurichten. Er kippte fast auf den Tisch vor ihm, als er saß. Etwas berührte Hermines Bein. Sie sprang entsetzt zur Seite, weil sie einen Moment lang glaubte, eine Ratte zu spüren und polterte gegen den Tisch.
 

Nur Hedwig, Merlin sei Dank. Aber eine Ratte wäre auch kein Wunder mehr gewesen. Hermine stieß mit der Hand gegen eine leere Flasche, die eigenartigerweise trotz des Rucks nicht umgekippt war. Rein interessehalber wollte Hermine sie hochziehen, konnte es jedoch nur mit etwas Kraftaufwand. Dicke, klebrig Schmutzränder hatten den Whisky auf dem Tisch festgehalten.
 

Neben den äußerst suspekten Taschentüchern tummelten sich Zeitungsberichte über die Heldentaten des Ordens, weitere leere Flaschen, halb gegessene Pizzastücke, auf denen teilweise schon der Schimmel wucherte und… Herrenunterwäsche auf dem Tisch.
 

Er schaffte es, sein Glas mit was auch immer leer zu trinken, kippte zur Seite und blieb wie tot liegen.
 

Das hier war… unfassbar. Gott, der Eingangsbereich und das Wohnzimmer waren ein einziges Chaos. Wie sah es denn im Rest des Hauses aus?

Auf ihrem Erkundungstrip durchs Haus fand Hermine immer wieder Zeitungen mit Berichten über Todesser, Lobgesängen auf Harry selbst, Artikel über die mutige Arbeit des Ordens im Krieg und Briefe, Fan-Post offensichtlich, die überall im Haus herum lagen.
 

Weiterhin hatte Harry dreckige Wäsche im ganzen Haus verstreut. Hier eine Hose, da eine Socke, dort drüben getragene Unterhosen und Hemden lagen oben auf dem Schrank. Weitere Flaschen, mal leer, mal voll. Die Küche hätte auch als Fliegenhotel durchgehen können, deren Bewohner freie Auswahl zwischen ungespültem Geschirr, Essensresten und Hedwigs Hinterlassenschaften hatten und in den Badezimmern waren die Toiletten… nun… Hermine würde sie nicht ohne eingehende Reinigung benutzen wollen.
 

Der einzige Raum, der halbwegs ordentlich aussah, war Harrys Schlafzimmer. Da verbrachte er wohl die wenigste Zeit. Überhaupt waren die oberen Räume zwar verstaubt, doch augenscheinlich unbewohnt. Aber unten, da war es… dreckig!
 

Sie wusste gar nicht, so wo sie anfangen sollte nachzudenken. Das Haus war ein einziges Drecksloch und Kreacher musste schon vor Ewigkeiten verbannt worden sein. Mit spitzen Fingern durchstöberte Hermine Harrys klebrige Badezimmerschränke. Das Döschen mit den Antidepressiva stand genau da, wo es das letzte Mal gestanden hatte. Sollte Hermine sich irren, war es noch fast voll… So wie es aussah, hatte er das Medikament auch nicht allzu oft genommen. Stattdessen immerhin eine beachtliche Sammlung leerer Mundwasserflaschen, Päckchen von Stimmungsaufhellern, die man in der Erwachsenenabteilung bei Fred und George unter der Ladentheke kaufen konnte und einen blutbefleckten Rasierer. Nicht einmal den hatte er gewaschen.
 

Hermine krächzte heiser und kippte gegen den Schrank, überwältigt von ihrem Ekel, als sie ihr aus einem anderen Schrankfach eine Sammlung blutiger Taschentücher entgegen kullerte.
 

Nein, das war zu viel. Sie musste handeln. Jetzt!
 

Da es offensichtlich war, dass Harry, warum auch immer, nicht imstande war, auf sich selbst zu achten, würde sie Verstärkung brauchen. Sie hatte es ja bereits angekündigt und nun machte sie ihre Drohung wahr. Sie schickte die ebenfalls etwas tranig wirkende Hedwig mit einer Ladung Briefe los und machte sich schon einmal selbst daran, eine Liste zu erstellen, was hier alles geputzt werden musste.
 

Zunächst einmal ließ sie Harry in sein Bett im zweiten Stock schweben. Andere Menschen schweben zu lassen, war eine sehr heikle Prozedur, bei der es immer wieder zu Verletzungen kam, wenn der Schwebende sich an Türen, Wänden und Möbeln anstieß. Draco wurde von den Männern um ihn herum getragen, wenn er bewusstlos war. Aber das konnte Hermine für Harry natürlich nicht tun und außerdem… so wie er jetzt aussah, fielen ein paar Flecken mehr auch nicht mehr auf.
 

Hermine wurde übel, als sie daran dachte, wie oft Lucius gehöhnt hatte, dass Harry bei den Auroren unangenehm aufgefallen wäre. Er hätte ständig Streit mit Moody, würde an allem etwas auszusetzen haben und hätte schon ein paarmal unentschuldigt auf der Arbeit gefehlt. Bisher hatte sie das immer als Lucius‘ übliches, haltloses Geläster abgetan, mit dem er und Draco sich gerne die Zeit vertrieben.

In diesem Falle hatte er aber wohl recht gehabt.
 

Wenn man dann zusätzlich einige von Harrys eigenen Äußerungen überdachte, dann ging es Harry als Aurorenschüler wohl wesentlich schlechter als er zugeben wollte. Hatte er nicht gesagt, dass er sich um diese Stelle gar nicht beworben hatte? Sie war ihm angeboten worden, weil jeder das von ihm erwartete. Und er hatte gehorcht und… einfach weitergemacht.
 

Natürlich, weil er keine Familie hatte, die für ihn die Notbremse gezogen hatte und die Weasleys… nun… eben die Weasleys, und nicht die Potters waren. Zudem selbst problembeladen und… so hatte Harry eben einfach genauso weitergemacht wie vorher. Egal, ob er mit dem, was im Krieg geschehen war zurecht kam, oder nicht.
 

Offensichtlich nicht.
 

Sie beschloss, dass sie das Ginny sagen würde. Wenn sie käme… aber vorher musste sie Harry ausziehen und zudecken. So, wie er da unten auf der Couch gelegen hatte, sollte ihn seine Freundin nicht sehen. Einsam, deprimiert, betrunken mit nichts als seinen… Taschentüchern. Igitt…

Die Unterhose würde sie ihm anlassen, obwohl die durchaus ein Rendezvous mit der Waschmaschine vertragen konnte. Hermine dachte an die Taschentücher und beschloss, dass das nachher Neville machen sollte.
 

Wenn sie kamen… würden sie kommen? Es war Samstag… Neville, Luna und Ginny waren volljährig, aber… eben in Hogwarts. Ob man sie gehen lassen würde?
 

Nein, aber Neville hatte sie hinaus geschmuggelt, berichtete ihr Ginny wenige Minuten später strahlend. Dann hörte das Strahlen auf. Sie schlug sich die Hände vors Gesicht, als sie sich im Haus umsah. Neville wurde rot, murmelte etwas von „ich hatte ja kein Ahnung“ und stolperte fast über umgestürzte Möbel, die irgendwie sauer rochen.
 

Ginny jammerte und stöhnte, als sie sich umsah. Hermine verstand sie, wenn sie nun… Im Manor würde es nie so aussehen. Draco könnte es noch so schlecht gehen, er würde nie freiwillig seine Hauselfen fortschicken, um selbst zu putzen.

Den ganzen Tag deprimiert auf der Couch liegen, sich im eigenen Elend zu suhlen und sich mit irgendetwas zu betäuben, würde sie ihm aber sofort zutrauen.

Nur… das erlaubte ihm niemand. Weil Draco immer Leute hatte, zumindest jetzt, die sich um ihn kümmerten. Um Harry hatte sich nach dem Krieg niemand gekümmert… der war als einziger ganz alleine geblieben. Das würde sich jetzt aber ändern.
 

Sie stellte den anderen ihren Schlachtplan vor. Das hier konnte man nicht alles mit Reinigungszaubern beheben. Einem Großteil würden sie von Hand zu Leibe rücken müssen. Ihrer Einschätzung nach war Harry erstmal ausgeknockt. Sie flüsterte Neville ins ihr, dass er ihn umziehen sollte und sagte Ginny und Luna laut, wer wo aufräumen und putzen müsste.

Sie brauchten die ganz Nacht, ohne Magie hätten sie wohl Wochen gebraucht, bis das Haus so aussah, dass man zu Stufe zwei von Hermines Plan übergehen konnte.
 

Gemeinsam stürmten sie Harrys Schlafzimmer, setzten sich verteilt neben ihn auf sein Bett und schüttelten ihn. Hermine verschränkte die Arme trotzig vor der Brust und nickte, ihrer selbst und ihrem Ziel absolut sicher. „Aufwachen!“
 

Harry blinzelte träge, er hob sich schützend die Hand vor die Augen und krächzte heiser. „Was machst du denn hier?“
 

„Sie ist seit gestern Abend hier, vergessen?“
 

Harry wirbelte herum, stöhnte über die hastige Bewegung und starrte Ginny überrascht an. Dann, als er sich aufsetzte, sich umsah und die grimmigen Gesichter und… den sauberen Raum bemerkte, wandelte sich die Überraschung in offensichtliche Angst. „Oh, hallo, Ginny!“ Er lächelte matt und wollte sich zu ihr hinüberbeugen, aber statt eines Kusses fing er sich nur eine Ohrfeige ein.
 

„In was für einem Schweinstall lebst du denn hier?“, wetterte Ginny los. Sie stemmte die Hände in die Hüften, stellte sich breitbeinig vor Harry und donnerte los. „Ich werde von Hermine gestern Abend aus der Schule gerufen und dann komme ich hierher. Ja, das ist ja wohl einfach nur eklig, wie es hier ausgesehen hat. Überall leere Flaschen, deine Unterwäsche liegt selbst in der Spüle in der Küche, du bist besessen von Zeitungsberichten über dich selbst und siehst aus wie Mundungus Flechter. Außerdem… du stinkst. Wann hast du dich denn das letzte Mal gewaschen? Steh sofort auf, raus mit dir aus dem Bett!“
 

Harry war… grün. Ihm war offensichtlich speiübel, Widerspruch kam aber keiner. Ginny ging das nicht schnell genug, sie packte ihn am Arm, fuhr Neville an, ihr zu helfen und gemeinsam zogen sie ihn aus dem Bett, bis er auf den Boden plumpste. „Du gehst jetzt sofort duschen!“, krakeelte Ginny weiter. „Dusch dich, rasier dich und komm mir nicht unter die Augen, bis du wieder wie ein Mensch aussiehst!“
 

Harry schien ganz froh, von Neville aus dem Raum geschoben zu werden. Die Tür fiel polternd zu, Hermine hörte ein verräterisches Würgen und einen verlegenen Neville, der hinter sich die Badezimmertür schloss. „Ihm ist… ich glaub ihm ist übel.“
 

Ginny nickte, strich sich die Haare hinter ihre Ohren und legte befriedigt die Arme übereinander.
 

Hermine grinste. „Respekt!“
 

„Ja, alles von meiner Mutter gelernt!“
 

Von Mrs. Weasley… die kurz darauf auch den Grimmauldplatz betrat. Die hatte man nämlich am Morgen ebenfalls angeeult. Gemeinsam mit Mr. Weasley und den Zwillingen musste sie sich anhören, dass das mit Harry so nicht weitergehen könnte und was man tun sollte.

Wie Hermine erwartet hatte, hob Mrs. Weasley den Arm, deutete auf Harry und befahl.

„Du kommst jetzt mit uns. Du wirst nicht mehr allein hier wohnen.“
 

Und so viel er auch polterte, sich wehrte und schimpfte… Gegen Mrs. Weasley und Ginny war er machtlos.

Hermine zog Mr. Weasley beiseite, erzählte ihm von den Antidepressiva („Ich glaube, er hat sie abgesetzt“) , wie schlimm die Wohnung ausgesehen hatte, was Lucius über Harry als Auror sagte, Harrys eigene Aussagen und äußerte, dass man ihm eine Therapie dringend, sehr dringend, nahe legen sollte.
 

Außerdem, und das sollte Mr. Weasley auch Mrs. Weasley, Ginny und allen anderen klar machen, war die Tätigkeit als Auror nicht gut für Harry. Zuviel kam dabei hoch und er würde nie zur Ruhe kommen, wenn er dort weiter arbeitete. Man sollte ihn beurlauben… und ihn dazu überreden, zu kündigen.

Mr. Weasley versprach mit Moody zu sprechen, eine Beurlaubung zu erwirken und… auf Hermines abermaliges Insistieren, auch nach einem Heiler für Harry zu suchen.
 

Der wurde im Kreis seiner Ersatzfamilie abgeführt. Ginny erklärte, so oft wie möglich nach Hause zu kommen, die Zwillinge willigten ebenfalls ein und für den Rest der Zeit wäre ja… Percy auch noch im Haus. Mrs. Weasley lächelte matt, als sie sich verabschiedeten und erklärte. „So viele Tote… da wollte er wieder nach Hause kommen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich wir waren.“
 

Xxx
 

Vielleicht konnte sie es sich wirklich nicht vorstellen. Aber im Moment wollte sie es auch nicht mal versuchen. Sie verabschiedete Luna und Neville und fiel wie tot auf die nach allen Regeln der Kunst gereinigte Couch im Wohnzimmer. Kurz bevor ihr die Augen zufielen, dachte sie daran, dass sie es schon wieder erfolgreich geschafft hatte, vor ihren eigenen Dämonen zu flüchten.
 

Sie schlief wie ein Stein und erwachte erst, als die Sonne schon langsam über den Dächern des Grimmauldplatzes unterging. Sie musste gehen, sie hatte den anderen gesagt, dass sie nur nochmal alle Räume mit einem Anti-Ungeziefer-Zauber belegen, dann abschließen und gehen würde.
 

Sie apparierte zurück zum Manor ohne zu wissen, was sie dort machen sollte. Geschweige denn, wie sie ihre Abwesenheit erklären sollte. Dieses Mal schaffte sie es nicht, eine Eule zu schicken, um die anderen vorzuwarnen. Sie wusste auch nicht, was sie sagen sollte oder ob sie überhaupt in der Lage sein würde zu sprechen, wenn sie Draco wiedersah.
 

Bange dachte sie daran, was das letzte Mal passiert war, als sie einfach ohne etwas zu sagen eine Nacht weg gewesen war. Ob er es wieder getan hatte?
 

Xxx
 

Nein, hatte er nicht. Wenn ihm der Gedanke auch durchaus gekommen war. Da man ihn allerdings überaus großzügig mit Beruhigungsmitteln versorgt hatte, verbrachte er den Rest des Tages in seinem Bett.

Mutter war da. Sie setzte sich zu ihm aufs Bett, streichelte ihm die Haare und versprach ihm, dass zumindest sie ihn nicht wieder alleine lassen würde. Sie war noch nicht einmal beleidigt, als er ihr daraufhin sagte, dass das nicht dasselbe war wie Hermine zu verlieren.
 

War es auch nicht, aus vielen Gründen.
 

Narzissa wuselte um ihn herum, betüttelte ihn nach Herzenslust und Draco ließ sie gewähren, weil er zu müde war, um sich zu wehren und sie ihm, seiner Auffassung nach, sowieso einiges an Aufopferung schuldete.
 

Er konnte sich denken, wie Hermine ihn jetzt sehen musste. Natürlich, er hatte ihr all das ja nicht ohne Grund verschwiegen. So, wie ihn alle anderen sehen würden.
 

Am nächsten Tag schleppte Lucius den Familienanwalt ins Haus, der mit Draco über Einzelheiten des Prozesses sprach. Es war abzusehen, was man ihn fragen würde und so beschlossen sie, seine Aussage im Vorfeld gründlich einzuüben.
 

Draco zuckte die Achseln, willigte zu allem kopfnickend ein und schwieg ansonsten. Was hatte er dazu auch zu sagen? Er würde nichts daran ändern können, dass man ihn zur Schlachtbank schleppen wollte und der Metzger würde sich durch den Protest des Lammes nicht umstimmen lassen. So war das also… er würde öffentlich zerfleischt werden – so oft Lucius und der Anwalt ihm auch sagten, dass er nicht Angeklagter, sondern Zeuge für Voldemorts Grausamkeit gegen die eigenen Leute war – und daran war nun nicht mehr zu rütteln.
 

Nun war doch eh schon alles egal. Das Schlimmste, was er sich denken konnte, war eingetreten und… nun… eigentlich hatte er den Heilern gesagt, dass er die Therapie fortsetzen wollte. Aber… vielleicht… die Idee, dem eigenen Elend ein Ende zu setzen, war speziell an diesem Tag ausgesprochen verlockend.
 

So litt er den Nachmittag über hingebungsvoll vor sich hin, badete in seinem eigenen tragischen Schicksal und verbrachte seine Zeit damit, im Salon auf der Couch zu liegen oder extrem traurige Lieder auf dem Flügel zu spielen. Am späten Abend wurde er von seinen Aufsehern entlassen. Sie ließen ihn ins Bett gehen, wenn ihm auch klar war, das sie sicher trotzdem einige Kontrollbesuche die Nacht über machen würden.
 

Sollten sie. Er schlief ja alleine… jetzt war er ganz alleine.
 

Draco erstarrte zur Salzsäule, als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete und hineinsah.
 

Es war dunkel, der Raum nur von silbrigem Mondlicht erhellt. Die Corona einer Person, die auf dem Bett lag zeichnete sich silbrig gegen das Fenster im Hintergrund ab. Die Person erhob sich hastig, als er den Raum betrat und stand auf. Ungelenk, wie jemand, der gerade kurz vor dem Einschlafen gewesen war und nun erst wieder zu sich kommen musste, um voll und ganz da zu sein. Er sah ein angedeutetes Strecken, denn baute sich die Person mit verschränkten Armen vor dem Bett auf.
 

Er musste kein Licht machen, nicht einmal den Zauberstab musste er entzünden. Wozu auch, so wie eben sah er sie seit fast einem Jahr jede Nacht in diesem Bett liegen.

Vertraut, geliebt und dennoch beängstigender als alles andere, was er sich in diesem Moment hätte vorstellen können. Seine Atmung wurde flach, als sie sich in Bewegung setzte und langsam näher kam. Sein Herz raste. Pochte es so laut, dass sie es schon hören konnte? Nun, falls dies der Fall sein sollte, ließ sie es sich nicht anmerken.
 

Hermines Gesicht, dessen Konturen deutlich wurden, als sie näher kam, war bar jeder Emotion. Draco zitterte, er konnte es einfach nicht verbergen, wie nervös er war. Er hatte den ganzen Tag nach einer Entschuldigung, einer Ausrede, irgendetwas überlegt, was er ihr sagen würde, wenn sie wiederkäme. Falls sie wiederkäme. Vergeblich. Doch selbst wenn ihm etwas eingefallen wäre, dass er ihr hätte sagen können, jetzt im Moment wäre er sowieso nicht dazu imstande gewesen, sich dessen zu entsinnen.
 

Es war schwierig genug, den Mund geschlossen zu halten, um nicht zu hecheln wie ein Hund, so heftig sein Herz auch schlug und so wenig Sauerstoff in diesem Moment auch in seinen Lungen war.
 

Sie machte ihm Angst, wie sie so reglos vor ihm stand, nur zwei Schritte entfernt. Das Gesicht so fremd, ihre Augen so kalt und abweisend. Sie würde Schluss machen. Ganz sicher, deswegen war sie zurückgekommen. Es ging nur darum, ihm zu sagen, dass sie jetzt nichts mehr von ihm wissen wollte.
 

Hermine hob die Hand und Draco verfolgte bange ihre Finger, die sich langsam vor seinem Gesicht hoben. Noch konnte er mit dieser Geste nichts anfangen. Noch, doch schon einen Augenblick später, als sie aushalte und ihm mit aller Kraft, die sie in sich hatte, kräftig ins Gesicht schlug – einmal, zweimal, dreimal - war das Rätsel gelöst.
 

Ihre Hand sank, aber nicht ganz nach unten. Mit beiden Händen stieß sie ihn hart vor die Brust, damit er vor der Tür wegging. „Ich schlafe jetzt nicht mehr hier“, fauchte sie so endgültig und bitterböse, als habe sie ihn mit diesem Satz zum Tode verurteilt.
 

Draco starb nicht, er war höchstens totenstarr, wie er so hinter ihr stand und sie mit großen Augen dabei beobachtete, wie sie an ihm vorbei zur Tür rauschte.
 

Sie war schon in der Tür, als sie auf einmal stehen blieb, die Hand ließ sie jedoch weiter an der Tür, und sich langsam zu ihm umdrehte. „Wieso hast du mich eigentlich nicht umgebracht?“
 

„Wieso… was?“ Draco zog die Stirn in Falten und starrte mit offenem Mund zu Hermine zurück.
 

„Auf Bill und Fleur Weasleys Hochzeit. Ihr habt den Fuchsbau überfallen, wieso hast du mich nicht umgebracht, als du mich gefunden hast?“
 

„Oh!“ Draco räusperte sich, leckte nervös seine Lippen und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Tja… ich… ich weiß nicht, ich sollte aber…“
 

„Wolltest du was von mir? Hast du mich mitgenommen, weil du zuerst Sex wolltest bevor du…“
 

„Nein, natürlich nicht!“ Er atmete tief durch, fuhr sich fahrig durch die Haare und gab sein Bestes, sich nicht anmerken zu lassen, wie eingeschüchtert er in diesem Moment von ihr und der ganzen Situation war. „Ich hab… nein, das… ich hab das doch eh nicht geplant, es war… es… du weißt doch, wie kaputt ich war, als das mit der Frau passiert ist. So weit war ich damals noch lange nicht und… nein, es war…“ Er zuckte hilflos mit den Achseln. „Da war ich… einfach noch anders als später.“ Er wagte ein scheues Lächeln. „Ich konnte dich ja noch nicht mal leiden. Ich wollte ganz bestimmt nichts von dir, ich wollte mich einfach nicht damit abfinden, dass ich wehrlose Leute umbringen soll. Damals, da… da konnte ich noch so denken.“
 

„Mochtest du mich wirklich nicht? Und dann… wegen Ron, sieh mich an, Draco! Hast du Ron… ausgesucht, damit du freie Bahn bei mir hast?“
 

Ein stummes Kopfschütteln. „Nein, natürlich nicht. Ich… wir waren zugedröhnt und Snape hat gesagt, dass wir sofort selbst hingerichtet werden, wenn wir niemanden aussuchen. Ich weiß nicht… ich hab mich einfach über ihn am Morgen geärgert und… er lag einfach zufällig genau vor mir. Irgendjemand musste ich ja wählen, das hatte nichts mit dir zu tun und… es… tut mir leid.“
 

Hermine nickte mit geschlossenen Augen, ihr Kopf sank nach vorne gegen die Tür. Einen Herzschlag noch verweilte sie so, dann riss sie sich mit einem Ruck hoch, drehte sich um und ging endgültig zur Tür hinaus.
 

„Hermine!“, rief er ihr nach. Sie hörte nicht, also musste er seine bis dahin eingeschläferten Lebensgeister wecken, um ihr schnell genug nachgehen zu können und sie einzuholen. „Hermine!“, rief er abermals und legte seine Hand auf ihre Schulter. „Und jetzt… gehst du?“
 

„Ich gehe jetzt schlafen“, teilte sie ihm in gereiztem Ton mit.
 

„Und morgen?“
 

„Ich gehe arbeiten, danach komme ich wieder.“, kam die spitze, kalte Antwort. Sie wischte seine Hand von ihrer Schulter und betrat die Treppe nach oben.
 

Das war… nun… sie war noch da.
 

Wie es nun weitergehen würde, war nicht so ganz deutlich geworden, aber… sie war zurückgekommen.
 

Mehr, als er gehofft, mehr, als er verdient hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Omama63
2012-07-09T17:55:00+00:00 09.07.2012 19:55
Wieder ein klasse Kapitel.
Wenigstens ist sie zurück gekommen. Vielleicht wird es ja mit der Zeit wieder.
Harry braucht auch unbedingt professionelle Hilfe. Da er auch so vieles nicht verarbeiten kann. Ich glaube auch, dass er seinen Job aufgeben sollte.
Bin schon gespannt, wie die Stimmung jetzt bei den Malfoys sein wird.


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