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In Brandyweins Tiefen

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In Brandyweins Tiefen

In Brandyweins Tiefen
 

„Bleibt gefälligst stehen, ihr Diebe!“

Sie hatten es schon wieder getan. Eigentlich benötigten sie die Dinge, die sie stahlen, gar nicht wirklich. Es ging ihnen mehr darum, irgendjemanden zu ärgern. Und vielleicht auch ein wenig um die Spannung, um den Nervenkitzel, wenn sie versuchen mussten, dem Geschädigten zu entkommen.

Seit wann sie ihre Spielchen nun schon trieben, wussten sie schon gar nicht mehr. Es hatte irgendwann einmal angefangen, und sie würden irgendwann einmal mit ihren Streichen aufhören. Aber jetzt war mit Sicherheit nicht der Zeitpunkt dazu.

Lachend eilten die beiden jungen Hobbits Merry und Pippin durch das hohe Getreide des Feldes von Bauer Bandobras, ihre Arme beladen mit Gemüse, das sie sich aus seinem Garten geholt hatten. Sie wussten, dass der alte Mann sie nicht allzu schnell einholen konnte, dennoch behielten sie ihre Geschwindigkeit bei. Zumindest, bis sie an den Abhang kamen, der ein Stückchen weit über den Brandywein-Fluss ragte. Es war kein besonders hoher Vorsprung, dennoch war an dieser Stelle der Fluss besonders tief und entwickelte einen sehr starken Strom, die Felsen, die etwas aus dem Wasser ragten, machten das nicht unbedingt ungefährlicher.

Pippin warf Merry einen unsicheren Blick zu, doch dieser grinste ihn an, meinte nur: „Eins, Zwei und... Hopp!“ und sie beide sprangen mit einem lauten Jauchzen hinab - und verloren dabei ihr sämtliches Diebesgut, was jedoch ohne weiteres zu verschmerzen war.

Nach Luft ringend tauchte Merry aus dem kalten Wasser auf und atmete erst ein paar mal tief durch, ehe er zu lachen anfing. „Hast du sein Gesicht gesehen, Pip-“

Er brach ab, sah sich um. Von seinem Begleiter keine Spur. Verwirrt runzelte er die Stirn, überlegte, ob Pippin ihm vielleicht einen Streich spielen wollte, ob er sich hinter einem der Felsen verstecke und vorhatte ihn zu erschrecken? Vielleicht tauchte er auch nur etwas länger, und würde ihn vermutlich jeden Moment unter Wasser ziehen- Doch Nichts von alldem passierte.

Merry spürte wie er immer unruhiger wurde. War Pippin etwas zugestoßen? Sie waren doch nur ins Wasser gesprungen! War er gegen einen der Steine gefallen? Konnte Pippin überhaupt schwimmen? Er überlegte, warum er sich diese Frage nicht schon früher gestellt hatte. Auf der anderen Seite waren sie als Kinder oft zusammen Schwimmen gewesen. Er schüttelte aufgewühlt den Kopf. All das tat gar nichts zur Sache!

Gekonnt tauchte er unter Wasser, um nach seinem besten Freund Ausschau zu halten. Es war schwer, genügend von der Umgebung unter Wasser zu erkennen, da der Fluss von den Stromschnellen aufgewühlt war. Gerade als der Hobbit wieder auftauchen wollte, um noch einmal Luft zu holen, fiel sein Blick auf eine hauchdünne, rötliche Verfärbung der Wassers, die sich wie ein Faden nach unten zog. Er folgte mit dem Blick der Richtung, wagte es nicht aufzutauchen. Wer konnte schon sagen, ob die kleine, hoffnungsvolle Fährte nach seinem Luftholen noch da sein würde?

Die Spur verlief sich außerhalb seiner Sichtweite und so entschied er, etwas weiter hinab zu gehen, auch wenn sein Atem nicht mehr lange hielt. Er spürte das Pochen seines Pulses am Hals und fragte sich schlagartig, ob er überhaupt noch genügend Luft hätte, wieder aufzutauchen. Allmählich begann seine Lunge zu schmerzen, nach Luft zu verlangen, doch er tauchte weiter ab, immer auf der Suche nach seinem Cousin. Das Wasser wurde noch kälter und undurchsichtiger, als er endlich eine Hand erkannte. Er schwamm schneller, konnte nun Pippins ganzen Körper sehen. Er hatte die Augen geschlossen, hing bewusstlos - womöglich tot? - fast wie schwerelos im Wasser. An seiner Stirn hatte er eine Verletzung, die deutlich erkennbar blutete. Hatte er sich beim Sprung tatsächlich seinen Kopf gestoßen?

Merry beeilte sich, die Hand Pippins zu ergreifen, stellte jedoch fest, dass dieser schwerer war als erwartet. Sein eigener Mangel an Sauerstoff machte die ganze Angelegenheit nicht unbedingt einfacher. Er zog kräftiger, legte sich den Arm seines Cousins um seine Schulter und versuchte unter großer Anstrengung genügend Kraft zu sammeln, um sie beide wieder an die Wasseroberfläche zu bringen.

Seine Lunge brannte inzwischen höllisch, er spürte, wie sich sein Hals zusammenzog und plötzlich konnte er nicht mehr, als den verzweifelten Versuch zu unternehmen zu atmen. Ein Fehler, wie er feststellen musste. Die Luft wurde ersetzt durch Wasser und er wurde panisch, als es seine Luftröhre hinablief, er setzte an zu husten, wusste, was gleich passieren würde, wenn er wiederum einatmen würde- Doch er erreichte die Oberfläche.

Unter einem heftigen Hustenkrampf versuchte er verzweifelt sich und Pippin auf der einen Seite über Wasser zu halten, auf der anderen Seite an Land und damit in Sicherheit zu bringen.

Als er endlich - es kam ihm wie eine Ewigkeit vor - das Ufer erreichte, krallte er sich mit einer Hand daran fest, zog sich allmählich voran, Stückchen für Stückchen auf die rettende, trockene Erde. Mit letzter Kraft schaffte er es Pippin ebenfalls darauf zu hieven, ehe er für einen kurzen Augenblick - halb im Wasser, halb im Trockenen - mit geschlossenen Augen schwer atmend liegen blieb.

Dann wandte er seinen Blick seinem Cousin zu, der sich immer noch nicht rührte. Erneut stieg Panik in ihm auf. Lebte Pippin überhaupt noch? Angsterfüllt zuckte er zusammen, schaffte es, sich aufzurappeln und den Bewusstlosen etwas bei Seite zu ziehen. Er atmete nicht.

„Verdammt, Pippin!“, fluchte er verzweifelt, starrte auf den Hobbit vor ihm, wie er regungslos da lag. Was sollte er tun? Tränen schossen ihm in die Augen, als ihm klar wurde, dass es vielleicht zu spät sein könnte, das Leben Pippins zu retten. Und er war auch noch Schuld daran! Wäre er nicht auf die dämliche Idee gekommen den Abhang hinunter zu springen, wäre das alles nicht passiert!

„Wach auf!“, schrie er hoffnungslos auf und schlug Pippin auf den Oberkörper. Er wusste, dass es nichts helfen würde, aber es ließ ihn sich besser fühlen, „Atme, du Idiot!“

Wie als wolle er der Atembewegung nachhelfen, presste er mehrfach auf den Brustkorb, in der Hoffnung, dadurch irgendetwas auszurichten. Wieder folgte keine Reaktion. Merry holte so tief Luft, wie es ihm seine schmerzenden Lungen erlaubten und blies den Sauerstoff über seinen leicht geöffneten Mund hinein, nur um festzustellen, dass er ihm durch die Nase wieder entgegen kam. Beim nächsten Mal hielt er die Nase zu. Er versuchte es vier, fünf Mal, ohne Reaktion. Es hatte keinen Sinn.

Merry liefen die Tränen inzwischen ungehindert die Wangen herab und er lehnte sich zurück, fragte sich verzweifelt, was er denn noch tun sollte. In einem letzten Aufbäumen der Hoffnungslosigkeit presste er Pippin noch ein paar Mal auf den Oberkörper, setzte seine Atemhilfe fort, immer und immer wieder. Plötzlich bäumte sich der leblose Körper auf, er griff zu, drehte ihn auf die Seite.

Pippin hustete mehrfach hart, spuckte Wasser und sackte dann erneut in sich zusammen. Aber- er atmete. Flach, aber er atmete. Er war am Leben. Das war alles was zählte.

Mit einer Hand vor den Mund kauerte sich Merry neben ihn und fing hemmungslos an zu schluchzen. Das hätte so furchtbar schief gehen können. Vielleicht war es nicht unbedingt das beste Bild, als junger, männlicher Hobbit in nassen Klamotten heulend neben seinem halbtoten Freund zu hocken, aber er wusste sich einfach nicht mehr zu helfen.

Eine Hand berührte ihn an der Schulter und er blickte durch einen Schleier von Tränen auf. Vor ihm stand eine ältere Hobbitfrau. Sie bewegte ihren Mund, doch er verstand nicht, was sie sagte, vergrub sein Gesicht wieder in seinen Armen. Doch die Alte ließ nicht locker und schüttelte ihn an den Schultern. Er blickte erneut auf und mit Tränen verschmiertem Gesicht murmelte er leise: „Bitte... Bitte, helfen Sie mir...“
 

„Und, weißt du eigentlich, dass der Brandywein-Fluss eigentlich einen anderen Namen trägt?“

Seit sicherlich einer Stunde brabbelte Merry nun schon sinnlos alles vor sich hin, was ihm einfiel, in der Hoffnung, dadurch den Kummer zu vergessen, den er hatte, da Pippin immer noch bewusstlos vor ihm im Bett lag. Er selbst saß in einem Sessel etwas abseits und starrte an die Wand, während er hoffte dadurch die Bilder und die schrecklichen Gefühle dieses grausamen Tages zu verdrängen.

Die Frau hatte sie mitgenommen, ihnen trockene Kleidung gegeben und dann seinen Cousin verarztet. Er trug inzwischen einen weißen Verband um seinen Kopf. Sie hatte sie in ihr Gästezimmer gebracht und Merry sogar etwas Warmes gekocht. Vermutlich hatte sie einfach den Anblick eines Häufchen Elends nicht ertragen.

„Das hat mir mal ein Fremder erzählt. Er meinte, das Ganze sei ein Verständnisfehler auf Seiten von uns Hobbits gewesen. Ich glaube eher, dass die Fremden den Fluss falsch von uns abgehört haben. Er in jedem Fall hat behauptet, dass der Brandywein in Wahrheit Baranduin hieße...“

„Nein, das habe ich nicht gewusst.“

Die heisere und erschöpfte Stimme Pippins ließ Merry augenblicklich auffahren und zum Bett eilen. Sein Cousin lag blass und flach atmend vor ihm, blickte ihn aus müden und nur halb geöffneten Augen an und schaffte es sogar sich ein leichtes Lächeln abzuringen.

In Merrys Augen sammelte sich erneut Wasser und er schämte sich dafür, vor seinem besten Freund so emotional zu werden. Aber was sollte er tun? Er packte ihn an den Schultern, zog ihn etwas hoch und umarmte ihn, während ihm die Tränen die Wangen hinab liefen.

„Oh Gott... Ich hab’ geglaubt ich hätte dich verloren...“
 

~*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Sunnight
2016-07-08T12:30:39+00:00 08.07.2016 14:30
Da sieht man mal, das man nicht Klauen soll, denn wäre das alles sicher nicht geschehen. Aber am Ende hatten sie Ja "Glück in Unglück" - es ist immerhin keiner Gestorben (Pippin wäre zwar beinah ertrunken, aber es ging gut aus).
Mein Gefühl sagt mir auch, das Sie es wieder machen.
Sie sind danach Süchtig (...ich hab es mal gegooglet, man nennt es Kleptomanie).

Ich hab mal Herr der Ringe gelesen ein wirlich gutes Buch, dein Gesichte kann da mit halten. Ich werd die Fanfic bei zeiten noch mal´s lesen. (Hab leider nicht das beste Gedächtnis, und das schon seit dem ich Klein bin... frag mich nicht nach woher es kommt... Auf jeden Fall ist das der Grund warum ich zu wenig Fanfic kommentiere.)

Mir gefällt der schreibstill sehr^^
Antwort von:  Phase
08.07.2016 20:25
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar! :-)
Von: abgemeldet
2014-10-05T12:39:49+00:00 05.10.2014 14:39
Eine sehr interessante Geschichte!

Die beiden Halunken hast du sehr gut getroffen. Gerade am Anfang ist die lustige, aber auch für andere eher unlustige Art gut beschrieben (auch wenn ich mich frage, warum sie jemanden beklauen, bei dem sie wissen, dass er zu langsam ist, sie zu fangen...) und es gefällt mir. Gerade am Anfang hatte ich auch überhaupt keine Ahnung, in welche Richtung dieser OS gehen würde, denn er fängt ja sehr leicht und unverfänglich an.

Im Wasser, mit Merry leidend, hatte ich auch erst die vermutung, dass sich am Ende alles in Wohlgefallen auflöst und sich als Streich entpuppt, im "schlimmsten" Fall vielleicht noch als Rache von Beklauten, die den beiden eben selbst einen Streich spielen. Die Tatsache, dass aber wirklich etwas schlimmes geschehen ist, habe ich mit Merry zusammen entdeckt und konnte daher seine Gedanken sehr gut nachempfinden.
Die Szene unter Wasser empfand ich als sehr, sehr schlimm. Ich persönlich finde zu ertrinken als eine der schlimmsten Todesarten und du hast die Szene unter Wasser dermaßen gut beschrieben, dass ich selbst mitgelitten und das Gefühl hatte, selbst gleich zu ertrinken. Es war beeindruckend, aber in gewisser Weise auch sehr erschreckend. Respekt daran, es so gut zu beschreiben!

Obwohl auch mir recht bewusst war, dass du ihn nicht sterben lassen würdest, habe ich auch beim Pippin sehr mitgelitten. Er war wirklich ziemlich lange ohne Sauerstoff, der Arme. Auch hier hast du die Verzweiflung erstaunlich gut getroffen, ohne zu kitschig oder zu unrealistisch zu werden. Das gefällt mir!

Das Ende war sehr süß. Ich freue mich, dass jemand sie gefunden hat (sie hätten sonst wohl noch lange da gelegen...) und dass am Ende alles "gut" war. Ein schöner, runder Abschluss.
Ich hoffe ja irgendwie, dass es ihnen beiden eine Lehre war. Bezweifel es aber gleichzeitig ;)
Antwort von:  Phase
09.10.2014 11:27
Dankeschön für deinen Kommentar!
Es freut mich zu hören, dass man bei der Geschichte mitleiden konnte. Ehrlicherweise ist es mir sehr wichtig, dass man bei den geschichten, an denen ich viel feile, auch mit den Figuren mitfühlen und ihre Lage förmlich spüren kann. Es freut mich also zu hören, dass es mir gelungen ist.
Die beiden haben allerdings vermutlich tatsächlich nichts daraus gelernt... ^^
Dankeschön für deinen Kommentar!
Von:  kleines-sama
2011-08-23T11:11:41+00:00 23.08.2011 13:11
Also, ich finde diese kleine Fanfic total süß! :) Allerdings auch ein bisschen traurig, aber nur ein bisschen.^^ (Ich WUSSTE nämlich die ganze Zeit über, das Pippin noch lebt, keine Ahnung wieso xD.)

Du hast Merry und Pip total getroffen, beide mit ihrer lustig-scherzhaften Art und trotzdem immer besorgt um den anderen.^^
(Ich musste die ganze Zeit an die Stelle im Film denken, wo sie von den Uruk-hais entführt werden und Merry verwundet ist. Und als er wieder aufwacht, sagt er ja zu Pippin, er hätte ihn nur "hereingelegt". Total süß! <3)

Auf eine weitere kleine Hobbit-Geschichte von dir würde ich mich sehr freuen, du hast echt ein Händchen dafür! :)

bye
sb


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