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Vorwort zu diesem Kapitel:
Titel: „Wörter für schöne Dinge“. Komplett anzeigen

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Parole per cose belle

„Sie schicken mich wieder weg“, hatte Feliks gesagt, durch die geschlossene Tür hindurch.

„Warum?“, hatte Feliciano schrill erwidert. „Wohin denn, Feliks? Was passiert jetzt?“

„Wieder zurück nach Hause. Ich werde Liet wieder sehen.“ Er hatte kurz gestockt. „Ich... ich hab dich gern, Feli, gar keine Frage. Aber ich konnte Liet nicht im Stich lassen, oder? Es war alles um seinetwillen.“

„Aber du kannst mich nicht hier allein lassen, Feliks! Ich habe Angst! Ich weiß nicht, was...“

„Ich weiß es auch nicht, Feli. Verhalte dich ruhig und mach keine Probleme, dann werden sie dir sicher nichts tun.“

Er hatte nichts mehr gehört bis auf Feliks' Schritte, die sich einen Gang hinunter entfernt hatten. Seitdem hatte er mit niemandem mehr gesprochen, und es machte ihn fast wahnsinnig. Er wusste nicht, welches Datum mittlerweile war. Nachdem er in Feliks' Hotelzimmer das Bewusstsein verloren hatte, aus einem Grund, den er sich noch immer nicht erklären konnte, war sein Zeitgefühl völlig durcheinander. Kurz nach seinem Abschied von Feliks war er noch einmal außer Gefecht gesetzt worden, mit irgendwelchen Tabletten, die neben seinem Essen gelegen hatten und die er geschluckt hatte, ohne darüber nachzudenken. Mach keine Probleme, dann werden sie dir sicher nichts tun. Daraufhin hatte er noch einmal den Standort gewechselt, so viel stand fest. Wo mochte er nur mittlerweile sein? Würden Romano und Antonio ihn je wieder finden? Diese ganze Situation machte ihm Angst. Wenn ihm etwas Angst machte, wollte er normalerweise weinen, eine weiße Fahne schwenken und um Gnade betteln. Leider war niemand da, den er hätte anbetteln können.

Der Raum, in dem er vor einigen Tagen aufgewacht war, sah nicht mehr so sehr nach einer Zelle aus, sondern einfach nach einem schlichten Raum ohne Fenster, den man zur Zelle umfunktioniert hatte. Er wusste nicht, ob ihm das Mut machen sollte. Bevor er noch länger darüber nachdenken konnte, hörte er Schritte draußen vor der Tür. Erschrocken kauerte er sich auf dem Bett zusammen und zog die Knie an.

Eine hohe Stimme erklang, die irgendetwas schrie. Die Tür wurde geöffnet, was einige Zeit dauerte und einige verdächtige Geräusche verursachte. Das Schloss musste kompliziert sein, dachte Feliciano. Gab es irgendeine Chance, es dennoch von innen zu öffnen? Selbst wenn, hätte er nicht gewusst, ob er den Mut dazu gehabt hätte. Auch jetzt blieb er nur leicht zitternd, wo er war.

Die Tür wurde aufgestoßen und jemand stürzte in den Raum. Es war ein Kind, das stolperte und auf dem Boden landete. Hinter ihm trat ein Mann ein, den Feliciano nicht kannte.

„Stell das da mal ruhig“, sagte er ungehalten zu Feliciano und machte mit der Waffe in seiner Hand einen Schlenker in Richtung des Kindes. „Ist ja nicht auszuhalten.“

Damit ging er hinaus und schloss die Tür wieder. Erschrocken betrachtete Feliciano das Kind, das sich gerade wieder vom Boden aufrappelte. Er rutschte vom Bett und ging hinüber.

Ehi... wer bist du denn, bambino? Was haben die bösen Männer mit dir gemacht?“

Das Kind starrte ihn an. Seine Haare hingen ihm wirr in sein rotes, verweintes Gesicht. Rechts an seiner Stirn war eine gerötete Hautabschürfung zu sehen.

„Vee! Haben sie dir wehgetan, bambino?“, fragte Feliciano erschrocken. „Wer bist du? Was ist denn passiert?“

„Ich habe mich gestoßen“, erwiderte das Kind und überlegte einen Augenblick lang. „Und ich heiße Toris.“

„Gestoßen? Aber wie... Moment. Toris?“ Verwirrt beäugte Feliciano das Kind vor sich. „Aber warum bist du dann so klein?“

„Ich bin gestorben“, sagte Toris. „Aber Feliks hat mir gesagt, wer ich bin, und jetzt bin ich wieder da.“

„Oh, Feliks hat mir erzählt, dass du hier bist... er hat gesagt, die Männer hätten gedroht, dir etwas zu tun.“ Erneut betrachtete Feliciano besorgt die Wunde an Toris' Schläfe. „Haben sie...?“

„Ich habe mich gestoßen“, sagte Toris noch einmal. „Raivis war verletzt und konnte mir nicht helfen, und sie wollten mich ins Auto zerren, aber ich habe mich gewehrt, und da habe ich mich gestoßen. Oben an der Tür. Aber sie hätten mir wehgetan“, fügte er trotzig hinzu. „Und ich konnte nicht einmal mehr sehen, was mit Raivis passiert ist. Was, wenn er...“ Tränen stiegen in seine Augen. „Was, wenn er...“

„Nicht weinen!“, sagte Feliciano erschrocken. „Nicht weinen, Toris. Es wird alles gut, ja? Alles wird gut.“

Er führte Toris hinüber zu dem schlichten Bett, hob ihn hinauf und setzte sich daneben. „So... nicht weinen“, sagte er tröstend und wischte seine Tränen ab. „Es wird alles wieder gut. Ich habe meinen großen Bruder Romano und Antonio und... und viele, die mir helfen werden. Sie werden alle versuchen, uns hier heraus zu holen. In Ordnung? Es wird alles wieder gut.“

Toris zog die Nase hoch und schwieg.

„Und Feliks wird auch alles daran setzen, dich in Sicherheit zu bringen“, plapperte Feliciano munter weiter, um ihn abzulenken. „Er mag dich sehr, weißt du? Er hat mir gesagt, dass du hier bist und dass er alles tun wird, damit dir nichts passiert. Er nennt dich Liete.“

„Liet“, korrigierte Toris unsicher. „Ohne E am Ende.“

„Ich mag Wörter nicht, die auf Konsonanten enden“, erklärte Feliciano schulternzuckend. „Ich kann dich Liete nennen oder Lieto... hey, lieto!“ Er lachte.

„Was ist so lustig?“

Lieto, wie „fröhlich“! Ich nenne dich Lieto.“

Toris lächelte tapfer. „Naja... das ist wohl kein schlechter Name.“

„Ich heiße Feliciano. Felice bedeutet auch fröhlich, wusstest du das?“

„Warum hast du so viele verschiedene Wörter für ein und dieselbe Sache?“

„Warum nicht? Für schöne Dinge kann man nie genug Wörter haben!“, erwiderte Feliciano überzeugt. Toris lächelte und sah sich blinzelnd in dem Zimmer um.

„Wo sind wir hier?“

„Das weiß ich auch nicht genau“, gab Feliciano zu. „Aber Romano und Antonio werden uns finden. Mach dir keine Sorgen.“

„Ich frage mich nur, was mit Raivis passiert ist“, sagte Toris besorgt. „Er wurde von einem Auto angefahren. Ich glaube, er war verletzt.“

„Ihm wird schon nichts passiert sein.“

„Ich weiß trotzdem nicht, ob er kommen wird, um mich hier heraus zu holen. Oder Feliks. Sie wissen doch gar nicht, wo wir sind.“

„Sie werden es herausfinden“, sagte Feliciano schnell.

„Wie denn?“

Ihm fiel nicht ein, was er darauf sagen könnte. „Sie werden es herausfinden“, wiederholte er.

„Und wenn sie uns finden, wie holen sie uns dann hier raus? Die Männer hier haben Gewehre.“

„Oh, damit kann Romano auch gut umgehen. Und Feliks. Und...“

Er brach ab und biss sich auf die Lippe. Überrascht sah Toris ihn an.

„Und?“

„Ach... niemand“, murmelte Feliciano. „Ich musste nur gerade an jemanden denken. Jemanden, der versucht hat, mir das Schießen beizubringen. Jemanden, den ich... kannte.“

Toris blinzelte. „Ein Freund von dir?“

„Ein Freund“, wiederholte Feliciano leise. „Ja. Ein großer, starker, kluger Freund. Ich bin sicher, er könnte uns beide hier heraus holen.“

„Dann wollen wir hoffen, dass er kommt“, sagte Toris. „Oder?“

„Ich weiß nicht“, murmelte Feliciano und wandte in einem Anflug von Angst den Blick ab. Es war ein seltsames Flattern in seiner Magengegend, das er fürchtete – er fürchtete sich vor seiner eigenen Angst. „Ich weiß nicht, ob ich will, dass er kommt.“

„Warum denn nicht? Ist er nicht dein Freund?“

„Das weiß ich eben nicht. Er hat... ah, du kannst das nicht verstehen, bambino.“ Feliciano seufzte leise. „Er... er hat mir etwas Böses angetan. Etwas, das mich sehr... traurig gemacht hat.“

Toris sah ihn mit großen Augen an. „Und er war dein Freund?“, hakte er nach.

„Vorher, ja“, sagte Feliciano und lachte unsicher. „Aber ich weiß nicht, ob er es jetzt noch ist.“

Toris dachte einen Moment lang nach. „Er hätte dir nichts Böses tun dürfen. Vielleicht ist er nie dein Freund gewesen.“

„Doch, doch!“, sagte Feliciano und nickte heftig. „Irgendwann einmal war er mein Freund. Ich bin ganz sicher.“

„Dann denke ich, du solltest ihm verzeihen“, sagte Toris nachdenklich. „Das macht man doch unter Freunden, oder?“

Feliciano starrte ihn an.

„Du solltest ihm eine Chance geben“, sagte Toris ernst. „Er hat dich bestimmt nicht mit Absicht verletzt. Das tut man nicht mit Freunden.“

Mit einem leisen Schluchzen drückte Feliciano ihn an sich und schüttelte den Kopf. „Du verstehst das nicht, bambino“, brachte er hervor. „Es war eine... eine Angelegenheit von Erwachsenen.“

„Sind Erwachsene denn anders befreundet?“

„Ich... ich weiß nicht. Eigentlich... nein, eigentlich nicht.“

Toris schwieg einen Moment lang. „Warum machen wir es nicht so“, sagte er dann. „Wenn dein Freund kommt, um dich zu retten, heißt das, dass er will, dass du glücklich bist. Dann kannst du ihm verzeihen. Wenn er nicht kommt, liegt ihm wohl gar nichts daran, dass du ihm verzeihst – und dann kann er dir egal sein.“

Feliciano schluchzte auf und strich über seinen Kopf. „Du bist ein... ein ungewöhnliches Kind. Wirklich.“

„Machen wir es also so?“, fragte Toris.

„Ja“, flüsterte Feliciano und versuchte, seine Angst zu verdrängen. „Versuchen können wir es ja zumindest.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Alle, die im ersten Teil zwischen Feli, Feliks und Feliciano nicht den Faden verloren haben, dürfen sich jetzt auf die Schulter klopfen. Lieto wird zwar in anderen Zusammenhängen gebraucht als felice, aber im Grunde bedeutet beides fröhlich oder glücklich. Im Italienischen endet kaum ein Wort auf einen Konsonanten, weshalb Italiener manchmal dazu neigen, kurze „E“s an Wörter zu hängen, wo gar keine hingehören. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Edhasi
2012-05-16T20:30:48+00:00 16.05.2012 22:30
*klopft sich erst mal selbst auf die Schulter* <- Das ist immerhin ein Zeichen, dass du es verständlich formuliert hast xD

Ein wirklich schönes Kapitel. Ich musste bei der Stelle mit dem, nunja, "Italienischen Spitznamen" für Toris wirklich grinsen. Bei dir lernt man immer noch was dazu ;D


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