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Retten, was zu retten ist

„Es war ein Unfall. Wir mussten den Älteren zurücklassen, aber wir wissen, in welchem Krankenhaus er jetzt ist. Vielleicht ist das auch gar nicht schlecht so. Wir können ihn überwachen und jeden abfangen, der ihn besucht.“

Der Mann überlegte kurz. „Ich denke nicht, dass das nötig sein wird“, sagte er.

„Nicht? Warum nicht?“

„Ihr habt das Kind und Vargas. Das dürfte fürs Erste genügen.“

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung wurde von Mal zu Mal verständnisloser. „Also gut“, sagte der andere dennoch nach einer Weile, wie er es immer tat.

„Passt gut auf die beiden auf, damit sie nicht wieder entkommen. Sobald ich eure Hilfe wieder benötige, werde ich euch benachrichtigen.“
 

Salut, Angleterre!

Arthur zuckte leicht zusammen und drehte sich um.

„Nun erschreck dich doch nicht so!“, sagte Francis und lachte in sich hinein. „Ich bin's nur.“

„Wenn das mal kein Grund ist, sich zu erschrecken“, knurrte Arthur.

„Oh, nun sei nicht so! Mit wem hast du telefoniert?“

„Mit niemandem.“

„Ach? Du scheinst interessante Gespräche mit niemandem zu führen, deinem Gesicht nach zu urteilen...“

„Lass das“, brummte Arthur, ohne ihn anzusehen. „Ich weiß gar nicht, warum ich hierher gekommen bin. Eigentlich könntet ihr mir alle herzlich egal sein.“

„Ach, komm schon“, säuselte Francis und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Du hast uns alle vermisst.“

Get stuffed. Splendid Isolation is splendid.

„Trotzdem“, beharrte Francis. „Du wolltest mal wieder etwas Neues, wie wir alle.“

„Ich habe bemerkt, dass ihr Hilfe benötigt“, erwiderte Arthur kühl und schüttelte den Arm um seine Schultern ab. „Und als Gentleman, der ich bin, konnte ich euch ja nicht zappeln lassen. Ich hätte es allerdings bevorzugt, wenn du nicht hier wärst.“

„Wie unhöflich, Angleterre! Im Gegensatz zu dir bin ich nur zurückgekommen, um Liebe zu verbreiten!“

Yeah, right.

„Ich hatte Langeweile“, erklärte Francis beiläufig. „Zu viele Partys und zu viele hübsche Mädchen... zu viel Sex, zu wenig Schlaf, du verstehst? Nach so vielen Jahren hat es begonnen, mich zu langweilen.“

„Das sagst du doch nur, um mich neidisch zu machen. Zu deiner Information, ich bin nicht neidisch.“

Mon dieu, non, Angleterre! Es war ein ernsthaftes Problem!“

Shut up“, knurrte Arthur und boxte ihm in die Seite. Francis wich aus und lachte.

„Du bist immer noch der Alte.“

„Du auch, leider Gottes“, sagte Arthur, doch er konnte nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf sein Gesicht stahl. „Und jetzt lass mich in Ruhe arbeiten.“

„Arbeiten?“

„Ich warte auf einen Anruf von jemandem, der mir vielleicht wird sagen können, wo Feliciano steckt.“

„Also arbeitest du nicht“, bemerkte Francis spitzfindig. „Du lässt arbeiten.“

„Was uns immer noch mehr nützt als jemand, der nur herumläuft und seine sogenannte Liebe an den...“

Sie wurden unterbrochen, weil das Handy klingelte.
 

„Jap, alles klar. Sagt mir, wohin, und ich bin dabei.“

„In Ordnung, Feliks“, sagte Antonio und lächelte. „Noch wissen wir nicht, wohin wir müssen, aber...“

„Ich habe die Adresse“, erklang eine Stimme hinter ihm.

Überrascht ließ Antonio den Hörer sinken und sah sich zu Arthur um. „Sogar die Adresse?“

„Ja“, antwortete Arthur ernst.

„Wow. Das ging ganz schön schnell.“

„Meine Leute sind Profis.“

Er hielt Antonio einen Zettel hin. Aufgeregt warf Antonio einen Blick darauf und blinzelte einige Male, als er den unbekannten Straßennamen betrachtete, der für seinen Geschmack viel zu viele Konsonanten enthielt.

„Äh...“

„Das liegt in Polen“, erklärte Arthur. „Im Norden von Warschau, genauer gesagt.“

„Wirklich? Dann weiß Feliks sicher, wie man das ausspricht... oh, Feliks!“

Hastig hob Antonio den Telefonhörer wieder auf, den er einfach hatte fallen lassen, und lauschte dem Nörgeln am anderen Ende.

„...du mich ignorieren möchtest, tu dir keinen Zwang an, ich warte einfach so lange.“

„Tut mir Leid, Feliks. Es gibt gute Neuigkeiten. Wir wissen jetzt, wo sie sind.“

„Wo?“, fragte Feliks.

„In Warschau.“

Einen Moment lang herrschte Stille. „Neee! Ist jetzt nicht dein Ernst!“

„Doch.“

„Naja, macht schon irgendwie Sinn, wenn man's so betrachtet“, murmelte Feliks. „Wenn sie gleich da geblieben sind, meine ich. Müssen sich da ja ein Quartier gesucht haben, wo sie Liet unterbringen konnten, solange sie mich mit ihm erpresst haben.“

„Weißt du, wo sie Toris damals versteckt hatten?“

„Natürlich nicht. Weit weg von der Stadt konnte es nicht sein, aber ich wusste nicht, wo genau. Dass ich ihn befreien konnte, war ein reiner Glücksfall. Ich bin nie selbst da gewesen, wo sie ihn versteckt hatten. Und... naja, keine Ahnung, ob Liet selbst weiß, wo das war. Ich meine, er ist ein Kind. Ich habe auch nicht die Zeit gefunden, ihn danach zu fragen.“

„Ich verstehe. Also, ich gebe dir die Adresse durch“, sagte Antonio und gab sein Bestes, um sich an dem Straßennamen nicht zu verhaspeln. Mit sch-Lauten hatte er ohnehin immer seine Probleme gehabt.

„Da ist ein Hotel in der Nähe“, sagte Feliks, ohne nachzudenken und ohne die Aussprache in irgendeiner Form zu kommentieren. „Etwa zwei Straßen weiter. Bin nie da gewesen, aber es wird schon nicht so schlecht sein.“

„Oha. Gut zu wissen, dass du den kompletten Straßenplan im Kopf hast.“

„Wie treffen wir uns?“, fuhr Feliks fort. „Am Hotel? Am Okęcie?“

„Am was?“

„Das ist der Flughafen.“

„Ach so. Ich... ich denke, das Hotel wäre eine gute Idee?“

„Sag du's mir“, schnaufte Feliks. „Ich dachte, du gibst hier den Ton an.“

„Tue ich das?“ Antonio lachte. „Also gut, Feliks. Du sagst, das Hotel ist ganz in der Nähe?“

„Ich hab den Namen nicht im Kopf. Irgendwas mit... nee, keine Ahnung. Aber es sind keine zehn Minuten zu Fuß.“

„Das klingt ziemlich gut. Weißt du, was das für ein Gebäude ist, wo wir hinmüssen?“

„Es steht leer“, antwortete Feliks nachdenklich. „War irgendwann mal eine Art Büro oder so... die Firma ist nach 1990 Pleite gegangen. Nichts Ungewöhnliches so weit. Nur erstaunlich, dass sie das Ding danach weder weiterverkauft noch abgerissen haben.“

„Also ist es unbewohnt?“

„Und reichlich heruntergekommen, soweit ich mich erinnere.“

Antonio nickte langsam. „Ich verstehe.“

„Also... ich werde sehen, wann ich es schaffe, zu kommen. Ich rufe nochmal an, in Ordnung?“

„In Ordnung. Mach's gut, Feliks. Und wünsche Raivis gute Besserung.“

„Mach ich. Bis dann.“
 

„Sagt mal“, sagte Francis amüsiert, nachdem Antonio alle auf den neuesten Stand gebracht hatte. „Findet noch jemand es erstaunlich, wie gut das alles funktioniert? Rücksichtsvoll von diesen Entführern, sich in der Nähe eines Hotels anzusiedeln.“

„Es ist überhaupt nicht rücksichtsvoll!“, blaffte Romano ihn an. „Es sind immer noch Entführer!“

„Gut, dass Feliks kommt“, sagte Arthur, der offenbar anderes im Kopf hatte. „Es kann nicht schaden, so viel Hilfe wie möglich zu bekommen. Und die, auf die wir uns am meisten verlassen können und die keine dummen Fragen stellen, sind wohl die anderen Nationen.“

„Wir könnten noch Ivan anrufen“, schlug Antonio vor und streckte die Hand nach dem Telefonhörer aus, doch bevor er ihn zu fassen bekam, hatte Gilbert sich dazwischen geschoben und abgenommen.

„Gilbert? Möchtest du gerne bei Ivan anrufen?“

„Unsinn“, knurrte Gilbert. „Ich rufe West an.“

„Ludwig? Warum...“, begann Arthur, verstummte aber, als er den fest entschlossenen Ausdruck auf Gilberts Gesicht sah.

„Diesmal muss er einfach zurückkommen. Wenn er es um Felicianos Willen nicht tut, was muss dann noch passieren?“

Romano knurrte etwas, aber Gilbert achtete nicht einmal darauf, als er die Nummer wählte.

„Ich habe die Nummer noch irgendwo...“, begann Antonio.

„Kann sie auswendig“, unterbrach Gilbert ihn. Seine Bewegungen hatten etwas Hastiges. Seit ihrer überstürzten Abreise aus Amerika hatte er nicht mehr versucht, Ludwig anzurufen, dachte Antonio. Oder etwa doch?

Nachdenklich ließ er sich auf dem Sofa nieder, auf dem sich Francis bereits breit gemacht hatte. Er beobachtete Gilbert, wurde aber aus seinen Gedanken gerissen, als er Francis' leises Lachen hinter sich hörte.

„Nun sieh es dir an. Wir sind wieder zusammen und arbeiten sogar zusammen. War es nicht das, was du wolltest, Toni?“

„Schon“, sagte Antonio und seufzte leise. „Es wäre mir nur lieber gewesen, wenn der Anlass nicht so ernst wäre.“

„Natürlich“, gab Francis zu und senkte den Kopf. „Aber ich glaube nicht, dass Feliciano etwas passiert ist.“

„Warum nicht?“

„Weil ich es nicht glauben kann.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Er hat das Talent, sich Schwierigkeiten zu entziehen, indem er einfach klein bei gibt. Ich... kann nicht glauben, dass ihm etwas passiert ist.“

Dass du es nicht glauben kannst, muss nicht heißen, dass ihm tatsächlich nichts passiert ist, dachte Antonio. Selbstverständlich sprach er es nicht aus. Bevor ihm etwas anderes zu sagen einfiel, erklang ein wütender Ruf von Gilbert.

„Jetzt komm mir nicht schon wieder auf die Tour!“

„Was ist los?“, fragte Francis und hob den Kopf.

Gilbert umklammerte das Telefonkabel so fest, dass Romano missmutig zusah, als warte er nur darauf, dass es riss. Nicht, dass Gilbert es bemerkt hätte.

„Du kannst mich doch hier nicht schon wieder...“

„Ich kann nicht zurückkommen“, sagte Ludwig leise. „Du verstehst es nicht, Gilbert. Du kannst es nicht verstehen.“

„Nicht?“, fragte Gilbert wütend. „Dann erklär es mir, anstatt die beleidigte Leberwurst zu spielen! Was kann ich nicht verstehen?“

Ludwig am anderen Ende der Leitung schwieg.

„Du kannst nicht ewig weglaufen, West! Nenn mir einen Grund, warum du Feliciano nicht helfen willst!“

„Du kannst es nicht verstehen.“

„Wie sollte ich auch, wenn du es mir nicht erklären willst?“, brüllte Gilbert und umklammerte das Telefon. „Verdammte Scheiße, Westen, du...“

„Gib ihn mir“, sagte Romano plötzlich.

„Was...?“

„Gib mir den Hörer“, wiederholte Romano leise, aber scharf. „Ich weiß, was er für ein Problem hat.“

Wütend starrte Gilbert ihn an. „Aber...“

Madonna mia, dammi il telefono!

Bevor Gilbert noch etwas sagen konnte, hatte Romano ihm den Hörer aus der Hand gerissen und wandte sich ab. „Jetzt hör mir mal gut zu, mangia patate“, zischte er. „Ich weiß genau, was du meinem fratellino angetan hast, und du weißt es auch. Wenn du dich jetzt zurücklehnst und zulässt, dass ihm auch nur ein Haar gekrümmt wird, ist er für dich gestorben, capisci? Dafür werde ich schon sorgen. Das hier ist deine letzte Chance, zu retten, was nach all den Jahren noch zu retten ist. Also, wenn dir dein Leben oder das von Feliciano irgendetwas bedeuten, dann tu gefälligst etwas!“

Einen Moment lang herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Ludwig schien einige Male zu schlucken. Er sagte nur noch zwei Worte, bevor er auflegte.

„Ich komme.“

Romano stand noch einen Moment lang da, dann legte er den Hörer auf. „Er kommt“, verkündete er.

„Was? Wie hast du das angestellt?“

„Ich kenne sein Problem“, erwiderte Romano.

„Sag bloß! Wie kommt es eigentlich, dass ich der einzige hier bin, der sein Problem nicht kennt?“, fauchte Gilbert, der noch immer blass war vor Wut.

„Keine Ahnung“, erwiderte Romano trocken. „Vielleicht kann er's dir verraten, sobald er hier ist, bastardo.“
 

(So eine schwere Geburt und so viele kursive Wörter, ich geh kaputt.

Verdammt. Nie in Warschau gewesen und Google Earth hat gestreikt. Das beschriebene Gebäude ist meiner Fantasie entsprungen, Ähnlichkeiten sind nicht beabsichtigt, grobe Unlogik auch nicht (bitte Bescheid sagen, wenn ihr euch besser auskennt als ich). Den Flughafen gibt’s, nur ist er seit 2001 nach Chopin benannt. Anscheinend hat's in Warschau keinen interessiert.

Sinnlose Nebeninformation: Schlagt mal „Warsaw“ im englischen Wikipedia nach. „Warsaw has given its name to the Warsaw Confederation, the Warsaw Pact, the Warsaw Uprising, the Treaty of Warsaw etc. etc.“. Das schaffen Wanne-Eickel oder Neukirchen-Vluyn nicht, wetten?

Und übrigens, Francis zitiert halb aus "Living Hell" von den Ärzten. "Zu viel Sex, zu wenig Schlaf, wofür werd' ich denn nur bestraft? Mein Leben ist die Hölle!")



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