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Stille.

Im zweiten Teil geht es um Boris. Und um andere Russen.
von

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Stille.

Der Sozialistische Realismus ist eine Mischung aus Romantik und Realismus, kann jedoch eher in Verbindung mit dem Klassizismus gebracht werden. In der Architektur nennt man ihn unter anderem „Stalinschen Zuckerbäckerstil“. Bei „Zuckerbäcker“ musste Yuriy immer an Torten denken, was seiner Meinung nach herzlich wenig mit den sozialistischen Bauten, die er kannte, gemein hatte.

Jemand hatte vergessen, die Tür zum Dach abzuschließen. Nun stand er hier und rauchte. Er mochte die Aussicht, rechts von ihm verlief der breite Prospekt einmal quer durch die Stadt wie ein Riss, flankiert von eben jenen Stalinschen Zuckerbäckerbauten, symmetrisch, klar verstuckt, mit vielen langgezogenen Fenstern und den scharfen Kanten überall. Links gleißten die vergoldeten Spitzen der Zwiebeltürme in der Sonne; es waren ungefähr fünfzehn, so dass es bald wie ein kleiner, stilisierter Wald wirkte, der sich dort über die Straßenzüge erhob. Ein paar hundert Jahre russischer Geschichte auf einen Blick.
 

Es war warm, obwohl, oder gerade weil schwere Wolken tief über der Stadt hingen. Ein warmer Tag Anfang Herbst, mit dunklem Himmel und ewigem Landregen. In der Ferne verschwammen die hellen Hochhäuser. Bei guter Sicht konnte man weit über das platte Land sehen und der Himmel erschien dann groß und überwältigend.

Yuriy meinte, er müsse sich freuen, wieder hier zu sein. Er konnte sich noch nicht entscheiden. Schon bemerkte er wieder einzelne Tropfen, die auf seinen Ärmeln glitzerten, drückte die Zigarette aus und schaffte es noch vor dem nächsten Schauer wieder im Treppenhaus zu sein. Eine große Spinne saß dicht neben seinem Fuß auf dem Boden. Beinahe hätte er sie zertreten. So machte er nur einen großen Schritt über sie hinweg und nahm zwei Stufen auf einmal, bis er im dritten Stock war, wo Boris‘ Wohnung lag. Dumpfer Bass klang aus einem der hinteren Räume, als dieser ihm öffnete und ins Wohnzimmer winkte. „Schön, dass du vorbei kommst. Tee?“ Er goss etwas von dem starken Schwarztee aus der Kanne in zwei Gläser und füllte mit heißem Wasser aus dem friedlich in der Ecke brodelnden Samowar auf. Gegen das kahle Fenster schlug der Regen.

„Danke.“ Yuriy nahm ihm ein Glas ab und setzte sich auf das schmale Sofa. Gleich gegenüber, über dem Fernseher, war ein kleiner Altar in der Schrankwand errichtet worden, ein paar Ikonen und Räucherwerk. Ach ja, Sergeij war orthodox. „Na, ihr habt es euch hier ja schon gut eingerichtet“, stellte er fest. Boris grinste verschwommen. „Großmutter sei dank. Sie hat ein paar Teppiche von ihrem Dachboden geholt und mir den Samowar in die Hand gedrückt.“
 

„Schön“, meinte Yuriy und stieß die Zehen in den dicken roten Teppich, den ein altmodisches, ockerfarbenes Muster schmückte. Boris hatte damit einen großen Teil der alten Auslegware überdeckt. „Hast du schon alle Möbel?“, fragte er nun. Yuriy schüttelte den Kopf. „Aber es gibt da ein günstiges Möbelhaus in der Sabjelina, da geh ich demnächst mal hin.“

„Also wenn du nen Teppich brauchst...“ Boris machte eine einladende Handbewegung und er lachte. „Ich komm drauf zurück.“ Der Tee war wirklich gut. Der Geschmack erinnerte ihn an lang vergangene Winter, in denen sie das Zeug literweise getrunken hatten. Er sollte vielleicht auch einmal über einen Samowar nachdenken. Den konnte man bestimmt irgendwo gebraucht kaufen. Heißes Wasser war schließlich immer gut; und Pulverkaffee konnte man ja auch damit machen.
 

„Mal was anderes“, sagte Boris, „Sergeij und ich haben überlegt, ob wir nächstes Jahr zur Piratskaja Stanzya fahren. Nach Sankt Petersburg. Bist dabei?“ Yuriy runzelte die Stirn. „Das ist aber noch ziemlich lange hin. Wisst ihr überhaupt schon, ob ihr da Zeit habt?“

„Was sollen wir denn sonst vorhaben? Da wird sich ein Tag Urlaub genommen und dann hat sich das.“

Das war natürlich ein Argument. Er dachte nach. Zwar war Drum And Bass jetzt nicht wirklich seine Musikrichtung, aber er konnte es sich schon anhören; außerdem war die Piratskaja Stanzya einfach eine der größten Partys die man sich vorstellen konnte. Aber nächstes Frühjahr, wenn sie stattfand, konnte ja alles schon wieder ganz anders aussehen, als jetzt, und dann würde er vielleicht auf der Karte sitzenbleiben. „Na, kannst ja noch mal drüber schlafen“, meinte Boris. Durch die dünne Wand hörten sie eine Tür schlagen, der Bass hallte jetzt nur noch gedämpft durch die Wohnung. Kurz darauf lugte Sergeij ins Wohnzimmer. „Ah, Yuriy“, sagte er, „Willst du noch zum Essen bleiben, dann mache ich etwas mehr.“

„Äh, nein danke.“ Er schüttelte den Kopf und stellte sein Glas neben den Samowar auf das kleine Tablett, das zu dem Set gehörte. Musste wohl auch ein Erbe von Boris‘ Großmutter sein. „Ich wollte eh gerade gehen.“ Boris hob die Augenbrauen, zuckte dann aber die Schultern, als wolle er sagen „Wie du meinst“.
 

Sie brachten ihn zur Tür, Sergeij sagte noch, er solle Bescheid sagen, falls die Musik ihm einmal auf die Nerven ging, dann stand er wieder allein im Treppenhaus. Draußen war es dunkel geworden und die Lampe flackerte, als er sie anschaltete. Langsam stieg er einen Stock hinauf und zählte die Stufen; eins, zwei, drei...achtzehn, neunzehn, zwanzig. Eine Treppe hatte zehn Stufen, es gab zwei Treppen zwischen den Stockwerken, eine zum Dachboden, elf Treppen insgesamt, das waren einhundertundzehn Stufen. Er hatte mal gelesen, dass Stufenzählen ein Anzeichen für Zwangsneurosen sein konnte.
 

Seine Wohnung lag genau über der von Boris und Sergeij. Er hatte nicht mit ihnen zusammenziehen wollen, aber ihre Nähe war beruhigend. Als er eintrat, empfingen ihn Staub und das dumpfe Donnern von Sergeijs Musik, das jedoch bald verstummen würde, wie er wusste. Es gab einen schmalen Flur, von dem das Bad abging, und einen größeren Raum mit Kochnische. Den Boden bedeckte die gleiche kratzige Auslegware, wie in allen Wohnungen im ganzen Haus. Hier und da hatte sich Flecken in den grauen Stoff gefressen, die sich nicht mehr heraus bürsten ließen. In einer Ecke des Wohnraumes lag eine Matratze, und natürlich war da die einfache Küchenzeile, aber ansonsten war es leer. Von der Decke hing eine Glühbirne, spärlich verdeckt von einem lächerlichen Lampenschirm aus Porzellan.

Yuriy schaltete das Licht ein, hängte den Mantel an der Tür auf, so dass er das Guckloch verdeckte und setzte sich auf die Arbeitsfläche in der Küche.
 

So war es jedesmal. Einmal die Woche besuchte er die beiden unten. Beobachtete, wie sie sich einrichteten und begannen, sich richtig heimisch hier zu fühlen, und dann ging er nach oben und starrte die Raufasertapete an. Er lud sie nicht zu sich ein. Niemand musste wissen, dass seine Wohnung noch so leer war, wie am ersten Tag, wie vor zwei Monaten also. Wirklich schon zwei Monate.
 

Boris und Sergeij hatten eine Zweizimmerwohnung. Sergeij hatte das Schlafzimmer bekommen und Boris schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer. Sergeij war Gerüstbauer und Boris setzte seine Ausbildung zum Elektriker fort. Er fuhr jeden Tag mit einem Kollegen kreuz und quer durch die Stadt, um kaputte Fernsehgeräte zu reparieren. Yuriy war halbtags im einzigen Kino der Stadt angestellt, wo er Karten abriss, Popcorn in Tüten füllte und nach den Vorstellungen im Saal wieder zusammen kehrte. Die andere Hälfte seiner Arbeitszeit füllte er mit Nebenjobs. Das Geld reichte für die Miete, den Einkauf, ja, würde sogar für ein paar günstige Möbel reichen, aber er konnte sich einfach nicht dazu überwinden, sich einzurichten. Das hier konnte es doch jetzt nicht gewesen sein. Nicht, nachdem er die ganze Welt gesehen hatte. Nicht nachdem...ah, die Musik war aus.
 


 

Manchmal schlich er sich heimlich in den Saal und sah sich die Filme an. Das war eigentlich verboten, aber wer sollte es schon kontrollieren? Sie waren nur zu zweit und der Kinobesitzer saß zu dieser Zeit in der kleinen Kammer neben der Filmrolle und passte auf, dass der alte Projektor das Material nicht ankokelte. Nicht viele Filme schafften den langen Weg bis hierher. Den ganz großen Hollywoodproduktionen gelang es natürlich, außerdem einigen einheimischen; das Angebot war jedoch mehr als dürftig. Meistens spielten sie zwei Filme im Wechsel, seltener drei, und das über Monate. Seit Yuriy hier arbeitete war erst ein neuer Streifen hinzugekommen. Aber er sah sie gern mehr als einmal. Er achtete einfach jedes Mal auf etwas anderes. Die Frisur des Helden. Die Kleider der Frau. Die Asynchronen Mundbewegungen. Manchmal konnte er den Englischen Originaltext von den Lippen der Schauspieler ablesen. Neben ihm saß meistens ein sich küssendes Liebespaar, überhaupt war das Kino voll von Liebespaaren, je länger ein Film gezeigt wurde, desto mehr wurden es.
 

„Wie immer bar, Ivanov?“

Es war Anfang Oktober. Michail Alexandrovič, der Kinobetreiber, griff in die Kasse und gab ihm eine Hand voll Rubel. „Danke.“ Yuriy steckte das Geld in sein Portmonee und dieses in die Gesäßtasche seiner Jeans. Michail warf ihm einen nachdenklichen Blick zu und brummte. „Komm mal mit und setzt dich hin“, forderte er auf, winkte ihn zu einer Sitzecke im Empfangsbereich des Kinos und drückte ihn dort auf ein versifftes Sofa. „Du bist ein komischer Junge, weißt du das?“, meinte er. „Erzähl mal, was bedrückt dich?“

„Nichts.“

„Ach, hör auf! Ich kenne so einen Blick. Hast mehr vom Leben erwartet, hm?“ Jetzt sah Yuriy doch von seinen Knien auf. „Vielleicht.“ Michail nickte. „Was hast du noch gleich gemacht? Sport?“, fragte er. „Irgend so eine Amateurweltmeisterschaft, nicht wahr? Ja, na da versteh ich dich. Einmal die ganze Welt gesehen, alles bezahlt gekriegt und ein schönes Leben für ein paar Wochen lang. Ist klar, dass man dann erst einmal enttäuscht wird, wenn man wieder nach Hause kommt.“

„Ja. Kann sein.“ Michail hatte doch keine Ahnung.

„Aber so ist das nun mal. Du kannst nicht immer der junge, knackige Sportler sein. Wenn du das kapierst, kannst du auch ein ordentliches Leben führen, sogar hier.“ Und er beugte sich vor, um Yuriy auf die Schulter zu klopfen. „Machste das?“

„Ja...“, seufzte Yuriy. „Schön. Willst ein Gläschen trinken?“ Michail wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging los und holte eine Flasche Wodka und zwei Gläser. Er goß ihnen ordentlich ein. „Man muss trinken, wenn man Entscheidungen trifft!“
 


 

Drei Tage später war Yuriy besoffen. Es wurde immer schneller dunkel, wahrscheinlich wäre es letzte Woche um die Zeit noch eine Stunde länger hell gewesen, überlegte er, und außerdem würde es sicher auch bald kalt werden. Er wankte den Prospekt entlang, wo noch Verkehr herrschte, ein Autofahrer hatte ihn schon angehupt. Noch eine Straße, dann musste er abbiegen. Neben ihm ragte ein Zuckerbäckerhaus auf, so ein hässliches Ding, das aussah, wie eine Cyborg-Torte. Der Sozialistische Realismus wird auf den Klassizismus...Ach, und er wäre so gern Architekt geworden. Wären nicht das Reisen und der Sport gewesen, er hätte es vielleicht geschafft. Hätte hier sitzen und sich seines Lebens freuen können. Hätte nicht gewusst, was und wen er verpassen könnte. Was hatte Michail gesagt? Er solle sich damit abfinden. Yuriy lachte laut; die alte Frau, die ihm entgegen kam, beachtete ihn gar nicht. Er musste jetzt abbiegen. In der Seitenstraße war es noch dunkler. Der Abstand zwischen den Häusern war nicht mehr so groß. Jaja, man kann sich halt nur eine Prachtstraße leisten. Der Sozialistische... „Scheiße“, murmelte Yuriy, als er sich an einer Laterne anlehnen musste. Er presste die Stirn an das kalte Metall. „Scheiße, Scheiße, Scheiße.“ Mit einem tiefen Atemzug stieß er sich ab, stolperte wieder über das verwitterte Pflaster. Noch ein paar Minuten, dann war er zu Hause, dann konnte er sich auf die Matratze fallen lassen und seinetwegen auch alles vollkotzen; es gab schließlich nichts in seiner Wohnung, das zu schade dafür war. Inzwischen hangelte er sich von Laternenpfahl zu Laternenpfahl. Er hatte das Gefühl, dass der Schwindel in seinem Kopf noch schlimmer wurde. War ja klar, er hatte schließlich zu schnell getrunken. Aber das war doch sein Ziel gewesen, oder?
 

Das Haus kam in Sicht. Kahl, rechteckig, schmutzig. Unter den Fensterbrettern zogen sich graue Schlieren nach unten. Die sah man im Dunkeln zwar nicht, aber er wusste ganz genau, dass sie da waren. Der Knauf an der Tür zu seinem Aufgang glänzte bronzefarben, weil der Lack vom vielen Benutzen schon abgerieben worden war. Kurz darüber hatten Kinder etwas mit einem schwarzen Stift auf den Rahmen gekritzelt. Er schwankte die Treppen hoch, ohne Licht zu machen, eins, zwei...Ach, das war doch jetzt auch egal. Vor seiner Tür blieb er schwer atmend stehen, kramte nach seinem Schlüssel, fand ihn in der Gesäßtasche unter dem Portmonee, traf tatsächlich das Schlüsselloch. Es klemmte. Er drehte nach links und rechts, aber der Schlüssel bewegte sich nicht. Yuriy runzelte die Stirn.

Auf einmal ging die Tür auf und Boris stand ihm gegenüber. Mit einem Blick sah er, wie es um ihn stand. Yuriy verfluchte sich dafür, dass er die Stufen nicht gezählt hatte. „Du solltest rein kommen“, meinte Boris und zupfte ihn am Ärmel.
 

Wieder saß er auf dem Sofa, das Boris schon für die Nacht ausgeklappt hatte. Dort waren ein Kissen und eine Decke in einem alten, geblümten Bezug, die sehr weich aussahen. Am Liebsten hätte er sich hingelegt, aber das würde Boris nicht zulassen. Der brachte ihm jetzt ein Glas Wasser und setzte sich neben ihn, bevor er ihn ansah. „Erzähl“, forderte er auf. Yuriy hob die Schultern und das Glas an die Lippen. Er trank es fast aus, das tat gut, um den Nachgeschmack des Alkohols wegzuspülen. „Nein, ich mein es ernst“, sagte Boris. „Was ist los?“

„Nichts. Ich bin betrunken. Das macht man hier so“, fügte er hinzu. Sein Gegenüber schnaubte. „Tut man nicht.“ Wieder hob er die Schultern. Daraufhin blieb es eine Weile still. Yuriy trank langsam aus, woraufhin sein Freund ihm das Glas abnahm. Er ging damit in die Küche, und man hörte kurz den Wasserhahn. Dann war er wieder da und gab ihm das gefüllte Glas zurück. „Du, wir sind nicht blind“, fing er noch einmal an. „Wir sehen, wenn es dir scheiße geht. Brauchst du Geld oder so was? Du kannst dir was von uns leihen, ist kein Problem, wir wissen ja, dass wirs zurück bekommen.“ Yuriy grinste verschwommen. „Nein, lass, ich hab genug.“

„Aber irgendwas ist doch los!“

„Boris, lass, ich bin total dicht!“

„Ja, das ist es doch“, murmelte Boris. Yuriy verstand ihn nicht richtig, er konnte sich einfach nicht auf seine Stimme konzentrieren, statt dessen sah er die Muster auf dem Teppich an, die hin und her tanzten. „Yuriy, es ist mitten in der Woche, und du bist besoffen, das passt einfach nicht zur dir!“ Er nahm sich zusammen und runzelte die Stirn, als er versuchte, sich voll und ganz auf Boris zu fixieren, zumindest so lange, wie er für seine Antwort brauchte: „Boris. Lass mich einfach in Ruhe. Es geht mir gut.“ Daraufhin zuckte Boris‘ Hand, als wolle er ihn schlagen, er sah es ganz genau. „Ich glaube dir nicht“, sagte Boris, und wieder einmal hob Yuriy nur die Schultern. Ihm war schwindlig. Die Muster auf dem Teppich machten ihn ganz irre. Sie schwiegen sich einige Minuten lang an, Boris ganz in Gedanken und Yuriy den Teppich anstarrend. Hier war es schön warm. Er wollte schlafen.
 

„Sag mal“, begann Boris vorsichtig. Yuriy sah ihn fragend an; er brauchte eine Weile, um sich ihm zuzuwenden. Wenn er jetzt den Kopf still hielt drehte sich die Welt nicht mehr ganz so schnell.

„Hattest du jetzt eigentlich was Ernstes mit Kai?“

Für einen kurzen Moment drehte sich gar nichts mehr. Für einen kurzen Moment war alles leer gefegt. Yuriy starrte Boris an, der seine Frage, nun, da sie einmal heraus war, beharrlich wiederholte. Aber er konnte nicht antworten. Er konnte nicht einmal den Mund öffnen. Statt dessen wollte er den Blick lösen, drehte den Kopf weg und alles drehte sich noch schneller als vorher. Er verlor das Gleichgewicht und landete auf der Seite, das Gesicht in dem weichen Kissen. Nichts würde ihn dazu bewegen können, sich wieder aufzusetzen. Er presste die Lider aufeinander und zog ganz automatisch die Beine an den Körper.

„Yuriy“, sagte Boris und strich ihm über den Arm. „Hier ist doch gar kein Platz.“

Er hätte sich gern bei ihm entschuldigt, aber er konnte nicht. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr; nicht einmal den kleinen Finger konnte er mehr rühren. Schon fühlte er, wie er einschlief, obwohl er das gar nicht wollte. Seine Glieder zogen ihn nach unten. „Yuriy!“ Boris rüttelte an seiner Schulter. Aber das half jetzt auch nicht mehr.
 


 

Er hatte sich ein Radio gekauft. Seine erste wirkliche Anschaffung, seitdem er hier war. Boris war mit ihm in der Sabjelina gewesen und hatte bei fast jedem Möbel versucht, es ihm anzudrehen. Geschafft hatte er es natürlich nicht, aber dieses Radio hatte es Yuriy dann doch angetan. Sergeij hatte sogar einen seiner Kollegen gebeten, ein paar von seinen CDs zu brennen. Selbstverständlich Drum And Bass, jetzt konnte er zurückschlagen, wenn ihm die Musik von unten zu laut wurde. Yuriy war richtig erstaunt, wie tiefgründig die Texte sein konnten, manchmal war es fast unheimlich, wie gut sie zu ihm passten. Ob Sergeij das gewusst hatte?
 

Eine Tasse Kaffee in der Hand saß er auf der Anrichte seiner Küche und strich über die Knöpfe seines Radios. Er fühlte den Bass in dem Kunststoff widerhallen. Gestern hatte er wieder einen seiner Nebenjobs beendet, nun wurde es Zeit, einen neuen zu suchen. In einem Supermarkt suchten sie jemanden zum Einräumen der Regale, und in verschiedenen Cafés wurden Aushilfen gebraucht. Aber vielleicht sollte er erst einmal ein paar Vormittage lang nichts tun. Er summte das Lied mit. Natürlich hatte Boris auch versucht, ihn auf Kai anzusprechen. Dachte wohl, damit hätte er neulich voll ins Schwarze getroffen. Aber Yuriy ließ ihn gegen eine Wand laufen. Das war schließlich alles nicht Boris‘ Problem, der hatte genug zu tun mit den aberduzenden Fernsehgeräten, die überall gleichzeitig den Geist aufgaben. Er drehte hier und da ein paar Knöpfe an dem Radio. Die Musik wurde lauter. Das gefiel ihm, er ließ den linken Fuß im Takt wippen und trank Kaffee. Bis irgendwann jemand an seine Tür klopfte.
 

„Hören Sie, ich hab da oben ein Kind, das seinen Schlaf braucht.“ Die Frau redete auf ihn ein, sobald er geöffnete hatte. Erst dann hob sie den Kopf und sah ihn an, als wären sie einander noch nie begegnet. Anja Orlowa, sie wohnte direkt über ihm und lief jeden Morgen hektisch und ohne zu grüßen an ihm vorbei.

„Entschuldigung“, sagte Yuriy, machte kehrt ohne die Tür wieder zu schließen und schaltete das Radio aus. Als er zurück kam war Anja immer noch da. „Sind Sie neu hierher gezogen?“, fragte sie.

„Ich wohne seit zwei Monaten hier“, antwortete er.

„Oh.“

Sie war eine zierliche Frau und recht klein. Hatte runde, dunkle Augen, wie die Mädchen in den Märchen, die er als Kind gesehen hatte. Ihre Lippen und Wangen waren kräftig geschminkt, und sie trug goldene Ohrringe. „Macht doch nichts“, meinte Yuriy. „Sind Sie allein mit dem Kind?“

„Nein, nicht so, wie Sie meinen. Mein Mann ist Kraftfahrer. Er ist selten zu Hause.“ Sie machte eine Pause, in der sie sich unschlüssig ansahen. „Ich wusste bis heute gar nicht, dass überhaupt jemand hier wohnt“, sagte sie dann, „Sie haben gar kein Schild an ihrer Klingel.“ Überflüssiger weise sah Yuriy hin, er wusste genau, dass das Schild wirklich leer war, aber es schien ihm jetzt zum ersten Mal aufzufallen. „Das sollte ich wohl ändern.“ Oder auch nicht. Eigentlich war es doch nicht wichtig. „Dann sind Sie wohl auch allein, hm?“, fragte Anja, die aus irgend einem Grund nicht mehr ganz so genervt von ihm zu sein schien. „Möchten Sie vielleicht einen Tee mit mir trinken?“
 

Ihre Wohnung hatte den gleichen Schnitt wie die von Boris und Sergeij. Zwei große Räume, die links vom Flur abgingen, und rechts erst das Bad und dann eine kleine Küche. Im Wohnzimmer war es behaglich warm, in einer Ecke lag Kinderspielzeug. „Sie schläft drüben“, sagte Anja, als sie seinen Blick sah.

„Wie heißt sie denn?“

„Darya. Sie ist drei.“

Anja kochte den Tee in einer Kanne, die sie auf dem kleinen Tisch abstellte. Dazu brachte sie zwei große Tassen. Während sie an der ersten nippten, kamen sie langsam ins Gespräch. Anja erzählte von ihrem Mann, Oleg, der mit seinem LKW durch ganz Russland fuhr und sie ständig allein lassen musste. Manchmal lieferte er bis in winzig kleine, sibirische Dörfer; dann hatte er einen ganz speziellen Lastwagen, der auch mit den schlammigen Wegen dorthin fertig wurde, ohne stecken zu bleiben. Sie selbst verstand nicht viel von Technik, sagte sie. Sie arbeitete im Nahen Supermarkt an der Kasse. Darya ließ sie den halben Tag bei einer Tagesmutter, aber die würde in nächster Zeit eine Woche Urlaub nehmen, und sie wusste noch nicht wohin mit dem Mädchen.

„Wenn Sie möchten, passe ich auf die Kleine auf“, sagte Yuriy plötzlich. Das war ein spontaner Einfall. Er hatte noch nie mit Kindern zu tun gehabt. Wahrscheinlich hielt Anja ihn jetzt auch für pervers. Tatsächlich erwiderte sie: „Ich glaube, dazu kennen wir uns noch nicht gut genug. Und, Verzeihung, aber Sie sind ein Mann.“ Yuriy konnte nur nicken. „Ja“, sagte er, „Daran scheitert es oft.“

„Aber Sie können ja noch mal vorbei kommen“, schlug sie vor und sah ihn an. Yuriy kannte diesen Blick von irgendwo her. Wieder nickte er. Sie lächelte verlegen.
 


 

Michail hatte endlich wieder einen neuen Film bekommen. Beinahe andächtig hob er ihn aus dem großen Paket, in dem er geliefert worden war. „Hilf mir mal“, forderte er Yuriy auf, der gerade den Tresen säuberte und die Popcornmaschine angeworfen hatte. Gemeinsam hievten sie die schwere Rolle hinauf in die Kammer hinter dem Vorführraum. „Worum geht es denn?“, fragte Yuriy, während Michail den Film an den Projektor anschloss. „Eine Liebesgeschichte“, antwortete dieser, „Es geht um einen kleinen Jungen, der sich in ein Mädchen aus seiner Klasse verliebt. Dann kommen aber seine Mutter und ihr Vater zusammen, sie sind also praktisch Geschwister. Trotzdem werden sie ein Paar. Sie verbergen es aber vor ihren Eltern. Irgendwann trennen sich die Eltern aber wieder, und sie verlieren sich aus den Augen. Sie werden erwachsen und wohnen in der gleichen Stadt, wissen es aber nicht, und dann wird der Junge irgendwann am Bahnhof aufgehalten, und so wird die Stunde Zeit überbrückt, um die sie sich ansonsten immer verpasst haben und sie treffen sich wieder.“

„Aha.“ Das klang wahrscheinlich komplizierter, als es war, aber man konnte sicher sein, dass ein Film gut war, wenn Michail ihn so gut kannte.
 

Kurz vor Feierabend stand Yuriy mit dem Staubsauger in der leeren Empfangshalle und der Film fiel ihm wieder ein. Auf der Straße draußen war nicht mehr viel los; anders als im Sommer, wo viele noch endlos rauchten, bis sie den Weg nach Hause einschlugen, verschwanden die Leute immer schneller, sobald es gegen Winter ging. Ab und an fuhr ein Auto vorbei, aber ihr Kino lag nicht an einer Hauptstraße, also kamen auch die vorbei holpernden Lichtkegel immer seltener. Yuriy verstaute den Sauger und ging noch einmal zum Tresen. Dort nahm er sich zwei Karten für den neuen Film und legte das Geld dafür in die Kasse. Dann schob er die Hände, die rechte mit den Karten, tief in die Manteltaschen und machte sich auf den Weg nach Hause.
 

Sein Klingelschild war noch immer leer, aber Anja hatte seit ihrem ersten Treffen nichts mehr dazu gesagt. Er lief an seiner Tür vorbei und blieb ein Stockwerk höher – achtundneunzig, neunundneunzig, einhundert – vor ihrer stehen. „Komm rein“, sagte sie freundlich. „Ich habe was zum Trinken in der Küche, aber du musst noch kurz warten.“ Sie ging zurück ins Bad. Er lehnte sich in den Türrahmen und sah zu, wie sie sich abschminkte. Unter der Tusche waren ihre Wimpern ganz hell, wie ihr Haar. Die Haut wurde uneben, aber die Lippen blieben so rot wie zuvor. Er konnte ihre Sommersprossen und die weißen Flecken an ihrem Kinn sehen. Und die kleinen Fältchen um ihre Augen, von denen er sich fragte, ob er sie auch schon hatte und bis jetzt einfach nicht bemerkt hatte; schließlich war sie nur ein paar Jahre älter als er und rauchte nicht. „Kannst du mir die Bürste geben?“, fragte sie und er ging zu ihr, um sie ihr zu bringen. „Vergiss nicht, mir meine Jacke zurück zu geben“, meinte er, als er bemerkte, wie ihr kleiner Körper von dem Kleidungsstück verschlungen wurde. „Ich möchte keinen Ärger mit deinem Oleg.“ Er hatte die Jacke vor ein paar Tagen bei ihr vergessen. Warum sie sie trug, wusste er nicht; wahrscheinlich fand Anja sie bequem. „Ach ja.“ Sie schlüpfte aus den Ärmeln. „Hier, nimm sie, bevor ich’s vergesse.“

Wie immer setzten sie sich dann ins Wohnzimmer. Anja schloss die Tür, und mit der Zeit wurde es sehr warm in dem vollgestellten Raum. „Ich hab noch was für dich“, fiel Yuriy ein. Er gab ihr die Kinokarten. „Du kannst ja mit Oleg hingehen, oder so. Der kommt doch morgen wieder, nicht wahr?“

„Ja, morgen früh“, sagte sie. „Mal sehen, ob er Lust hat. Ansonsten komm ich allein oder mit Darya. Danke, Yuriy.“
 

„Sag mal“, fing sie kurz darauf wieder an. „Willst du eigentlich gar nicht mit mir schlafen?“ Yuriy musste die Tasse, die er gerade erst angehoben hatte, wieder abstellen. Irritiert sah er sie an. „Nein, eigentlich nicht. Wieso?“

„Naja, ich dachte, wenn ein Mann schon riskiert, dass man schlecht über ihn redet, dann hat er auch einen triftigen Grund.“

Er wusste, wovon sie sprach. Nachbarn waren weder blind noch taub. Wenn er, der alleinstehende junge Mann, regelmäßig zur einsamen Anja nach oben stieg, sah es nach einer eindeutigen Sache aus. „Du kannst ihnen ja erzählen, dass ich schwul bin“, meinte er grinsend, aber Anja sah ihn forschend an. „Bist du?“ Er hob die Schultern. „Ich bin gerade nicht in einer Beziehung, das ist alles.“

„Aber du wärst gerne.“

„Findest du?“ Endlich nahm er seine Tasse und trank sie aus. Am Boden blieben ein paar Krümel kleben. „Ich finde tatsächlich, dass es dir guttun würde“, meinte sie. „Damit du endlich mal zur Ruhe kommst.“

„Du willst mich wohl loswerden, was?!“, scherzte er.

„Quatsch, niemand will dich loswerden!“, entgegnete sie so heftig, dass er erschrak.
 


 

Er hatte nicht vergessen, Sergeij und Boris zu besuchen. Ein Tag der Woche war für sie reserviert, für sie und den starken, schwarzen Tee und für Drum And Bass im Hintergrund. Dieses Mal hatte sogar der ewige Regen einmal aufgehört, vielleicht würde es ja noch einen goldenen Herbst geben, zumindest eine Zeit lang. Am Vormittag war er Oleg begegnet, der mit der kleinen Darya vor dem Haus einen winzigen Drachen steigen ließ. Der Mann hatte ihm zugenickt und sich kurz an die Mütze getippt, als hätten sie nichts weiter miteinander zu tun. Vielleicht hatte Anja ihm nichts erzählt, aber das hielt Yuriy für unwahrscheinlich; schließlich war es in diesem Falle besser, sie sagte von sich aus etwas, anstatt dass Oleg es von irgendeiner Nachbarin in einer zum dritten Mal verfälschten Version erfuhr.
 

„Na, woran denkst du?“, fragte Boris aufgeräumt und drückte ihm etwas in die Hand. „Omas hausgemachte Kekse, probier mal!“ Yuriy betrachtete das eckige Gebäck und kostete. „Von wegen Kekse, Boris, das ist Honigkuchen! Macht sie den etwa schon jetzt?“

„Naja, der Teig muss jetzt schon gemacht werden. Und da hat sie halt auch gleich welche gebacken. Extra für mich“, fügte er hinzu und grinste unverschämt unschuldig. Inzwischen besuchte Boris seine Großmutter beinahe an jedem Wochenende. Bevor sie hierher gezogen waren, war es schwer für ihn gewesen, den Kontakt zu halten, aber jetzt hatten die beiden sich richtig lieb gewonnen. Oder jedenfalls hatte Yuriy noch nie erlebt, dass Boris sich für einen anderen Menschen so erwärmen konnte. „Du und deine Oma...“, murmelte er und biss ein größeres Stück von dem Honigkuchen ab. Der weihnachtliche Geschmack wollte gar nicht zu der Herbstsonne passen. Schließlich war bis dahin noch ewig Zeit.

Boris hatte ihn natürlich über Anja ausgefragt. Ob er denn wisse, was er da tue, wenn er mit einer älteren, verheirateten...und da hatte er ihm erklärt, dass es so nicht lief zwischen ihnen. Das gefiel Boris aber genauso wenig, denn kurz darauf hatte er begonnen, ihn den Frauen vorzustellen, die er kannte. Maria, Jelena, Natascha, irgendwie so hatten sie geheißen. Und sie waren auch irgendwie hübsch und nett und attraktiv gewesen, musste sogar Yuriy zugeben, und während dieser Zeit hatte Boris auch aufgehört, ihn über Kai auszufragen, aber trotzdem hatte keine es geschafft. Und so hatte Boris aufgeben müssen.
 

„Hey, Sergeij, setz dich zu uns!“, rief Boris, als dieser an der Wohnzimmertür vorbei kam. Es raschelte noch einmal draußen auf dem dunklen Flur, und Sergeij fluchte leise, weil er wahrscheinlich wieder über einen Schuh gestolpert war, dann betrat er den Raum. Das Teeglas sah zerbrechlich in seiner riesigen Hand aus, als er es nahm und sich schwer auf das Sofa fallen ließ. „Ist das etwa Honigkuchen?“, fragte er und nahm sich ein Stück. „Das kann deine Oma doch nicht machen, Boris!“ Es entstand ein kleines Wortgeplänkel zwischen den beiden, bei dem Yuriy nicht einmal mehr so tat, als würde er zuhören. Er fragte sich, ob Menschen einen Hang dazu hatten, sich über die kleinsten Missstände des Alltags so auszulassen, wenn sie erst einmal irgendwo Wurzeln geschlagen hatten. Für ihn hing das alles zusammen, die Wohnung, die Oma, das aufreizend harmonische Verhalten seiner Freunde. So kannte er sie gar nicht. Manchmal fühlte er sich schon richtig fremd in ihrer Nähe. Er schnaubte und hielt sich das Teeglas an den Mund, als wolle er trinken, um es zu verbergen. Das Geräusch hallte unangenehm wider, denn kurz zuvor war es still geworden. Sie sahen ihn an. „Was?“, fragte er gereizt. „Ach, nichts“, meinte Boris und seufzte betont. „Sag mal, was ist nun eigentlich mit der Piratskaja Stanzya? Kommst du nun mit?“

„Äh“, machte Yuriy. Das hatte er völlig vergessen. Nein, ehrlich gesagt hatte er nie in Erwägung gezogen, weiter darüber nachzudenken. „Ich weiß nicht, am Ende kommt irgendwas dazwischen und ich bleib auf der Karte hocken, das kann ich mir nicht leisten.“ Boris hob die Augenbrauen. „Alter, so eine Karte wirst du garantiert immer los.“

„Naja. Ach, ich weiß halt nicht. Das ist doch noch so lange hin.“ Da griff Boris nach einem der kleinen, bunten Kissen, die auf dem Sofa verstreut lagen und warf es nach ihm. „Könntest du mir bitte mal sagen, was dir an diesem Wochenende dazwischen kommen sollte? Deine Arbeit wird es ja wohl kaum sein!“

„Wieso, kann doch sein! Schließlich ist am Wochenende immer am meisten los.“

„Als ob Michail sein blödes Popcorn nicht selbst machen kann, das hat er die ganzen letzten Jahre schließlich auch geschafft!“
 

„Gott, ich hab halt meine Gründe!“ Er hielt das Kissen in den Händen, knetete es, bis die alberne Blumenstickerei ganz zerknautscht aussah. Boris folgte den Bewegungen seiner Finger, bis er plötzlich aufsprang und ihn am Arm packte. „Komm mit, na los!“ Er zerrte ihn auf die Beine und hinaus ins Treppenhaus. Yuriy blieb nicht einmal die Zeit, das Kissen fallenzulassen; er hatte jedoch noch gemerkt, dass selbst Sergeij völlig perplex war. Boris schubste ihn die Stufen hinauf, wobei er ununterbrochen vor sich hinfluchte. Schließlich blieben sie vor Yuriys Tür stehen. „Nun schließ schon auf“, sagte Boris und stieß ihn nach vorne. „Was zur Hölle soll das?“, fuhr Yuriy ihn endlich an, doch Boris verdrehte nur die Augen und griff ihm in die Hosentasche. „Boris, hör auf!“ Sein Freund hielt den Schlüssel in der Hand und schnaubte triumphierend. „Alter, gib mir den Schlüssel wieder! Boris! Lass das!“ Aber zu spät: Boris schloss auf und griff erneut nach Yuriy, um ihn mit sich in die Wohnung zu ziehen.
 

„Hab ich’s doch gewusst“, sagte Boris. Er stand inmitten des großen, leeren Raumes und sein Blick wanderte über das Telefon, das einsam an der kahlen Wand hing, die nackte Birne an der Decke mit ihrem schiefen Porzellanlampenschirm, die Matratze und das zerwühlte Bettzeug und schließlich die fleckige Auslegware. Yuriy lehnte sich an der Wand im Flur an und sah auf seine Schuhspitzen hinab. Er schämte sich fürchterlich. Ihm hätte doch klar sein müssen, dass er vor Boris, gerade Boris, keine Geheimnisse haben konnte. Irgendwann, vor ein paar Tagen erst, vielleicht, war ihm wohl alles entglitten.
 

Nach einer Weile tauchte Boris‘ Hand in seinem Blickfeld auf, griff nach dem Kissen, in das sich die Finger seiner Linken gegraben hatten, und nahm es ihm weg. „Yuriy.“ Er antwortete nicht. „Und ich hab immer gedacht, du hättest bloß ein Bisschen Liebeskummer.“ Boris hörte sich so anders an, als sonst, er stammelte richtig. Yuriy wollte ihn nicht in diesem Tonfall reden hören, und noch weniger wollte er der Auslöser dafür sein. „Warum hast du nie was gesagt?“ Er konnte es nicht erklären, darum nicht. Es ging ihm einfach nur scheiße. Und jetzt bekam er den Mund nicht auf, es ging nicht. Boris lies das Kissen fallen und umarmte ihn. Yuriys Stirn stieß gegen seine Schulter. Mit einem Mal fühlte sich sein Körper tonnenschwer an.
 


 

Er hockte auf der Anrichte, eine leere Tasse vom Morgen und das Radio neben sich, und äugte zum Telefon. Das war ein gebrauchtes Teil aus billigem, weißen Plastik. Die Schnur, die den Hörer mit dem Gerät verband, hing schlaff herunter. Er hatte das Ding kaum benutzt, denn alle Menschen, mit denen er näheren Kontakt pflegte, wohnten gleich in der Nähe. Er hasste Telefonieren. Das war für ihn keine Art, ein Gespräch zu führen. Er konnte es nicht leiden, nur die Stimme zu hören und nicht das dazugehörige Gesicht zu sehen.

Doch er würde es tun. Jetzt. Er rutschte von der Anrichte und zog eine Schublade auf, in der sich mit der Zeit einige wichtigere Papiere angesammelt hatten. Nach kurzem Wühlen fand er die Klarsichthülle mit den Zetteln darin, auf deren Kopf der Name seines Teams bei den Weltmeisterschaften stand. Hülle und Zettel waren völlig zerknittert und hatten Eselsohren, weil er sie ständig hatte vorzeigen und bei sich tragen müssen. Auf einem, genau auf dem, den er jetzt herauszog, war sogar ein Fettfleck. Langsam streckte er den Arm aus und griff nach dem Telefonhörer. Sein Blick wanderte nervös zwischen dem Zettel und der Tastatur hin und her, während er eine Ziffer nach der anderen eintippte. Dann ein letztes Zögern, der Daumen schwebte über dem „Wählen“-Knopf. Er drückte und hob den Hörer ans Ohr. Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann kam das Freizeichen.
 

„Ja?“ Das klang müde.

„Ja, äh, hallo Kai.“

„Yuriy?“ Am anderen Ende raschelte es. „Gott, hast du die Zeitverschiebung vergessen? Bei mir ist es ein Uhr früh.“

„Oh, ja, hab ich tatsächlich vergessen. Entschuldige.“ Yuriy setzte sich auf den Boden und lehnte den Rücken gegen die Wand unter dem Telefon. „Was willst du denn?“, fragte Kai, dessen Stimme immer noch wirkte, als würde er gleich wieder einschlafen wollen. „Mit dir reden“, antwortete Yuriy schlicht.

„Boah Yuriy, du machst mich fertig, echt. Was haste denn?“

„Ich kann auch wieder auflegen.“

„Nein, nein. Lass. Ich bin wach“, sagte Kai schnell. „Ich freu‘ mich ja, von dir zu hören.“

„Ach ja?“

„Ja.“

Yuriy merkte, dass er grinste. „Aber du hättest dich doch auch bei mir melden können.“ Daraufhin lachte Kai kurz, was durch das Telefon seltsam blechern klang. „Aber Yuriy“, sagte er, „Ich hab deine Nummer nicht.“

Genau in diesem Moment fiel es ihm ein. Natürlich hatte Kai seine Nummer nicht. Er besaß kein Handy oder eine Email-Adresse, und da sie umgezogen waren, besaß er nicht einmal mehr seine aktuelle Anschrift. „Oh, stimmt ja.“

„Na, ich hab sie ja jetzt“, meinte Kai. „Ist alles in Ordnung bei dir?“

„Es geht“, antwortete Yuriy. „Ich glaube, ich vermisse dich. Ein Bisschen. Unter Anderem.“ Er hatte das Gefühl, das klarstellen zu müssen. Wieder das Lachen. Kai lachte nie länger, als ein paar Sekunden, und immer sehr leise. „Das ist schön“, sagte er dann. „Sag mal, wir könnten uns doch irgendwann mal wieder treffen, oder? Also, das ist jetzt keine spontane Idee, ich hab schon länger daran gedacht. Soll ich dich vielleicht mal besuchen kommen?“

„Besuchen?“, stotterte Yuriy, „Echt?“

„Auf jeden Fall! Ich beneide euch drei sowieso. Ihr habt jetzt euer eigenes Leben. Ich fühl‘ mich immer noch so abhängig. Ihr müsst mir dann unbedingt eure Wohnungen zeigen; ihr wohnt doch nicht zusammen, oder? Und dann könnte ich ja bei dir pennen, und wenn du arbeiten musst, seh‘ ich mir derweil die Stadt an, oder so.“

„Äh. Äh, ja, also, wenn du meinst?“ Yuriy hatte nur noch mitbekommen, wie Kai gesagt hatte, dass er ihn beneidete. Um diese Ranzbude, die sich seine Wohnung schimpfte. Um diese irre Mixtur aus Einsamkeit und Stress, die sein Leben war. „Ja, natürlich“, entgegnete Kai. „Aber das muss ja nicht sofort sein. Wir können auch erst mal nur telefonieren. Also, tut mir leid, wenn ich so mit der Tür ins Haus falle. Ich freu‘ mich halt.“

„Ja. Ich, äh, ich muss das erst mal verdauen, glaube ich“, murmelte Yuriy.

„Klar. Wir sollten eh noch mal tagsüber darüber reden. Wenn wir klar denken können. Also, ich könnte morgen Abend anrufen. Ich meine, wenn es bei mir Abend ist. Also nachmittags für dich.“

„Ja, mach das.“

„Gut. Dann, würd‘ ich jetzt auflegen. Du hörst dich leicht überfordert an. Und außerdem muss ich früh raus. Du hast doch nichts dagegen?“

„Oh, nein, kein Problem.“ Er war tatsächlich viel zu verwirrt, um das Gespräch noch mehr in die Länge zu ziehen. Kai hatte ihn gerade völlig überfallen. Sie verabschiedeten sich und Yuriy hängte den Hörer wieder auf. Dann setzte er sich auf die Anrichte und schaltete das Radio an.
 


 

Jemand hatte vergessen, die Tür zum Dach abzuschließen. Yuriy lag neben Anja auf der Decke und sonnte sich. Oleg saß auf einem Klappstuhl, Darya auf dem Schoß, und sah ein Kinderbuch mit ihr an. „Du bekommst sogar langsam Farbe“, meinte Anja und stieß ihm mit dem Zeigefinger in die Wange. „Oh, das ist Sonnenbrand!“

„Wirklich?“ Er hatte gar nicht mitbekommen, wie er sich verbrannt hatte. Der Wind war kalt, deswegen trugen sie schon dicke Mäntel, deren dunkle Stoffe sich im Licht aufheizten. „Pass auf, das verträgt sich nicht mit deinen Haaren!“, kam es von Oleg. Mit einem Grinsen leuchteten seine krummen, jedoch überraschend weißen Zähne in dem schwarzen Bart auf. Yuriy fand das immer wieder faszinierend, was daran liegen könnte, dass er selbst peinlich auf eine gute Rasur achtete. Er war inzwischen gut mit Oleg befreundet. Anja hatte da wirklich ganze Arbeit geleistet. Er hatte keine Ahnung, mit welchen Argumenten sie ihren Mann davon hatte überzeugen können, dass Yuriy nicht mit ihr ins Bett ging, aber ihr Geplänkel über Schwulsein konnte sie dabei nicht erwähnt haben. Oleg war nicht so einer, der das tolerieren konnte. „Kannst du mal die Kleine nehmen?“, fragte er jetzt und hob Darya von seinem Schoß. „Na komm her, Dascha“, sagte Yuriy und winkte sie zu sich. Sie liebte seine roten Haaren und streckte gleich die Hände nach ihnen aus, als er sie auf den Arm nahm und an die Balustrade trat. „Sieh mal, da hinten“ Er streckte den Arm aus und deutete in die Ferne, achtete gleichzeitig darauf, dass er das Mädchen fest im Griff hatte. Heute war die Luft glasklar. „Siehst du, wie es da glitzert? Da ist der See, wo du im Sommer immer baden warst, erinnerst du dich?“ Darya sah hin und nickte schließlich, bevor sie den Kopf wieder zu ihm drehte und ihn anhimmelte. „Die findet dich richtig schick!“, meinte Anja lachend. Darya bekam endlich eine Haarsträhne zu fassen und bearbeitete sie mit ihren klebrigen Fingerchen. „Ich weiß ja, wer sich heute die Haare waschen darf“, meinte Oleg.
 

„Das war übrigens ein schöner Tisch, den ihr da neulich in deine Wohnung getragen habt“, fing Anja kurze Zeit später wieder an. „Ja, fand Boris auch, der hat sich beinahe einen Bruch an dem Teil gehoben“, antwortete er und konnte sich ein gehässiges Grinsen nicht verkneifen. „Massives Kiefernholz. Dazu gibt’s auch Stühle, aber für die muss ich erst wieder sparen. Bis dahin müssen die Leute zum Essen halt auf dem Sofa sitzen. Und hast du eigentlich schon mein Klingelschild gesehen?“ Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Ich wusste gar nicht, dass du Ivanov mit Nachnahmen heißt. Ja, hast du gut gemacht, das Schild. Aber woher der Sinneswandel?“

Er hob die Schultern. So richtig erklären konnte er es nicht. Er dachte an Boris und seine Oma, an Sergeij und seinen Musiktick, an Kai, der so neugierig auf diese Stadt war. Und an die kleine Familie, die sich mit ihm hier versammelt hatte und für die es gerade nichts schöneres gab, als diesen sonnigen Herbsttag. Rechts von ihm klaffte der Prospekt, links glitzerten die Zwiebeltürme.

Ja, dachte er, er würde dem hier eine Chance geben.
 

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(Es wird wahrscheinlich noch einen kleinen Feinschliff geben. Aber so lange wollte ich nicht mehr warten.^^)



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  WeißeWölfinLarka
2019-10-11T20:56:24+00:00 11.10.2019 22:56
D:
Das war so bedrückend zu lesen. Was hast du Yuriy angetan? Ich hab sehr mit ihm gelitten. Mehrmals.
Dieser unstillbare, unterdrückte Wunsch nach mehr… gerade in dem Alter, in dem ich Yuriy in dieser FF vermute… Er tut mir leid. nicht auf die mitleidige Art sondern… ich fühle sehr mit ihm. Verpasste Chancen, er wollte Architekt werden? Und jetzt pennt er auf einer Matratze. immerhin hatte er ein Dach über den Kopf. Die Ratschläge des Kinobesitzers sind auch zum Abgewöhnen <.<

Spannend ist ja, dass er mit dem Kinobesitzer, seinem Chef, trinkt, und dieser sagt, man solle trinken, wenn Entscheidungen getroffen werden.
So. Nächster Absatz: Yuriy ist besoffen. Hat er also eine Entscheidung getroffen?
(Du kennst mich, ich muss immer kommentieren, wenn mir was einfällt, nicht erst zum Schluss)
Eine Entscheidung also… ggf. Schluss mit Kai zu machen? Dass der auf einmal auftaucht, hat mich überrascht. Also so als etwas gegebenes, hey, die waren ein paar (worauf vorher nichts hingewiesen hat) und dann haut Boris das so raus! Fand ich krass. Krass gut.
oh, oder auch nicht? Anya… eine heimliche Affäre? Eine neue Freundschaft? Oho…
Ich mag auch den gewissen Witz in deinen Geschichten. Wie, dass Yuriy anbietet, als Tages“mutter“ auszuhelfen… und Anya sagt, „Sie sind ein Mann“ –„ja, daran scheitert es oft“. Das ist irgendwie… verzwickt komishc. Und dann Anyas entwaffnende Ehrlichkeit… Ich finde es so soannend, dass du sowas aufgreifst wie neugierige Nachbarn, die alles mitkriegen und sich ihre Mäuler zerreißen, und Yuriy, der sich darum nicht schert, und gar kein sexuelles Interesse an Anya hat (was ich irgendwie gedacht hatte. Hoppala. Also so als… Ausgleich, der Einsamkeit entflieen, für beide eine Win-Win-Situation?)
Ach, und ich finde es herrlich, dass Boris eine Oma hat! :D

Ich muss sagen, der Anruf bei Kai… war für mich sehr verwirrend. Ich kam aus diesem lethargischen Erzählstrang, der sehr bedrückend wirkte, den nicht einmal Boris‘ Elan verscheuchen konnte, in dieses Telefonat – und Kai redet einfach so schnell und… mich hat verwirrt, dass er eine Trennung (? Was auch immer du da angedeutet hast, durch Yuriys Apathie schienen sie eine sehr ernste Beziehung geführt zu haben) so leicht genommen hat. Da frag ich mich, was ist wirklich vorgefallen, dass Yuriy ist, wie er ist? Mal abtesehen von der Abtei…die ja vermutlich auch mitreinspielt.
Das Ende des Kapitels ist plötzlich so friedvoll… oder so plötzlich so friedvoll? Ich fand es schön, aber es hat mich auch ein wenig überrumpelt. Ich schau bei Gelegenheit mal, was das nächste Kapitel bringt. Jetzt erstmal schlafen :)

Von: Norrsken
2019-08-07T15:49:35+00:00 07.08.2019 17:49
Beyblade-FF-Support! :D

Ich kam zu dieser FF durch eine Empfehlung und bin sehr froh, dass ich mich rangesetzt habe.

Als jemand der eine sehr feste Vorstellung von Charakteren hat, bin ich fasziniert wie du hier einen ganz anderen Yuriy beschreibst im Vergleich zu Saitenspiel und es sich trotzdem wie Yuriy anfühlt. :O

Mir geht sehr nah, wie du Yuriys Gefühlswelt beschreibst ohne es konkret zu benennen (weil er es ja selbst nicht kann). Ich persönlich würde ihn sehr gerne drücken, auch wenn er das wohl nicht wollen wird. Dass sich sein inneres in seiner Wohnung spiegelt, ist ein gelungener Bogen.
Die Freundschaft von Boris, Sergeij und Yuriy hast du auch sehr schön in Szene gesetzt. Vor allem Boris und Yuriy (Sergeij scheint mir immer so eine Präsenz im Hintergrund zu sein, die Sicherheit gibt).
Die eigenen Charaktere, die du noch eingebracht hast, sind sehr sympathisch. :) Besonders die kleine Darya und wie verliebt sie in Yuriy! Sehr entzückend. ♥ ♥
Ein wenig frage ich mich, was es am Ende war, was Yuriy dazu bewegt hat, Kai anzurufen. Und ich bin erstaunt, dass es wohl eine sehr intuitive Entscheidung war? Zumindest hat er sich das nicht in Gänze überlegt (sonst wäre ihm der Fehler mit der Zeitverschiebung nicht passiert, denke ich). Ich kann seine Abneigung gegenüber Telefonaten und die Nervosität sehr gut verstehen. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, dass Kai so positiv reagiert hat. x3

Meine liebste Stelle ist:
Neben ihm ragte ein Zuckerbäckerhaus auf, so ein hässliches Ding, das aussah, wie eine Cyborg-Torte. Der Sozialistische Realismus wird auf den Klassizismus...Ach, und er wäre so gern Architekt geworden. Wären nicht das Reisen und der Sport gewesen, er hätte es vielleicht geschafft.

Das ging mir sehr unter die Haut und gibt einen tiefen Blick in Yuriys etwas geheimere Sehnsüchte. Am Anfang war ich noch erstaunt wie "romantisch" die triste Umgebung beschrieben wurde, aber mit Yuriys Interesse für Architektur ergab es dann Sinn. Ich mag ihn noch mehr drücken. ♥

Das zweite Kapitel habe ich noch nicht gelesen, aber ich freue mich drauf (vor allem auf Boris *hüstel*).

Lieben Dank an dich für dieses schöne Kapitel. :3 Es war sehr inspirierend. uvu ♥
Antwort von:  lady_j
07.08.2019 20:18
Sollten wir eine Support-Group aufmachen?

Vielen Dank für deinen Kommentar! Sehr interessante Anmerkungen, die mich echt zum Nachdenken bringen... ist Saitenspiel-Yuriy wirklich so anders? Wahrscheinlich hast du recht. Saitenspiel-Yuriy fällt schon ein bisschen aus dem Muster raus, was ich für ihn habe.

Warum er dann Kai angerufen hat? Na da fragst du was :D Ich glaube, er hat in diesem Moment den Punkt erreicht, an dem ihm klar wurde, dass es so nicht weitergehen kann, und seine Probleme ließen sich nicht lösen ohne die Sache mit Kai zu klären. Oder so.

Ich bin gespannt, was du zu Boris sagst, solltest du das Kap. irgendwann lesen. Es zu schreiben hat mir damals unglaublich geholfen, mich ihm zu nähern.
Sergeij soll übrigens nicht im Hintergrund bleiben, ein Kapitel für ihn ist seit Ewigkeit in Planung, nur irgendwie habe ich es nie ausformuliert. Und momentan bin ich noch beschäftigt mit Omniscient und einem WB-Beitrag. Womit wir wieder bei der Support-Group wären :D

Tja also, Danke noch mal!
Antwort von: Norrsken
07.08.2019 22:53
Ooh, wie sähe so eine Group wohl aus?

Die beiden Yuriys haben natürlich auch Parallelen, was ja gar nicht anders geht, wenn man sich am Canon entlang bewegt. Was beide bei dir haben ist eine Leidenschaft neben dem Beybladen, wobei Saitenspiel!Yuriy beides Nebeneinander liebt und meistert, scheint Stille!Yuriy durch Beyblade den Anschluss an seine andere Leidenschaft verloren zu haben und ist darüber auch frustriert. In die Aufarbeitung hängen sich aber beide rein. ♥ Und Stille!Yuriy entscheidet sich bewusst alleine zu leben, während Saitenspiel!Yuriy mit Boris zusammenlebt. Das macht sie doch auch unterschiedlich. (auch wenn Stille!Yuriy in der Nähe seiner Freunde bleibt). Stille!Yuriy ist zwar nicht glücklich, wirkt auf mich aber innerlich freier als Saitenspiel!Yuriy (Freiheit macht nicht automatisch glücklich). Und Saitenspiel!Yuriy merkt man mehr den Team Leader an.
Einiges davon kann natürlich auch einfach aus der Perspektive heraus entstanden sein. :3

Vielen lieben Dank für die Erklärung. ♥ Ich bin froh, dass Yuriy diesen Punkt erreicht und gemeistert hat. x3

Jetzt bin ich auf Boris auch sehr gespannt! Ich muss heute ganz viel vorm Schlafen gehen lesen. *^* Ich näher mich aktuell den Neo Borg auch langsam wieder an und deine FFs helfen ungemein. ♥
Ich schicke dir mental Energie, dass du das Kapitel zu Sergeij auch noch auf Papier bringen wirst. Das wird großartig! Aber ich sehe, du hast viel auf dem Tisch. Auch dafür ganz viel Kraft! òuó9
Antwort von:  lady_j
08.08.2019 11:03
Für mich ist es total wertvoll, zu erfahren, wie andere meine Schreibe interpretieren :o danke für diesen ausführlichen Yuriy-Vergleich :D Ich glaube, am meisten beeinflusst die Charakterisierung, wie sich die Figuren zum Canon verhalten. Und bei Neo Borg gibt's da zwei große Pfade: Entweder sie wenden sich komplett vom Beybladen ab und wollen nichts mehr damit zu tun haben (was ihnen natürlich nicht gelingt) oder sie versuchen, sich damit auszusöhnen (und werden trotzdem immer mit ihrer Vergangenheit konfrontiert). Ich hab ganz lange zu ersterem geschrieben, und jetzt gerade gehe ich eher den zweiten Weg. @_@

Und zur Support-Group: na ich dachte, wir hocken einfach virtuell zusammen und treten uns gegenseitig in den Allerwertesten, wenn das mit dem Schreiben mal wieder nicht klappt. Und führen hochphilosophische Metagespräche über Charakterprogression.
Antwort von: Norrsken
09.08.2019 09:46
Es freut mich ungemein, dass ich dir mit meiner Perspektive auf die Charaktere, etwas wertvolles geben konnte. ♥
Diese beiden Pfade klingen sehr logisch für die Neo Borg. :O So habe ich das bisher noch gar nicht betrachtet (ich hab mich aber auch lange vor den Neo Borg gedrückt). Vielleicht sollte ich mir darüber auch noch einmal Gedanken machen. :3 Etwas neueres habe ich aktuell noch nicht von dir gelesen, aber das werde ich noch nachholen. *^* Ich bin sehr gespannt, wie es bei dir ausschaut, wenn sich die Charaktere mit dem Beybladen aussöhnen.

Aw, das klingt total cool! Ich bin dafür. Auch für's Kommentarspalte zuspammen und Metagespräche sind sowieso immer klasse. 💖
Von: abgemeldet
2011-11-14T05:25:10+00:00 14.11.2011 06:25
Hallo noch mal :)
Ich finde es gerade faszinierend, dass du diesen stalinschen Baustil in so kurzen Worten so treffend beschreiben kannst. Man weiß wie die Gebäude aussehen, ohne dass du dich in weitläufige BEschreibungen ergehen musst. Wobei ich mich gerade frage welche Stadt es wohl ist.
Ich hab jetzt gerade auch extra in meinen Unterlagen die Infos über den Samowar zusammengesucht, das einzige, mir ist aber nur aufgefallen, dass die Kanne mit dem Aufguss meist oben auf den Samowar gestellt wird, damit es besser durchzieht und aromatischer wird. *klugscheiß*
Etwas irritiert hat mich am Anfang, dass die Jungs relativ umgangssprachlich reden, aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran, auch wenn ich persönlich kein Fan davon bin...
Der nächste Punkt wären die Namen. In der Charakterbeschreibung schreibst du die Vatersnamen mit dem c mit Häkchen (ich sollte beizeiten mal nachsehen wie dieses Ding genannt wird), aber beim Kinobesitzer wird ein Michail Alexandrowitsch daraus. Wenn du Vatersnamen einführst, finde ich, solltest du sie einheitlich schreiben, eine total richtige SChreibweise gibt es ja in unserem Alphabet sowieso nicht. Außerdem schreibst du hier Iwanov und vorher hieß er Ivanov. Aufgefallen ist mir auch, dass einer der Jungs (Borja?) Michajlovitsch heißt, du den Michail hier aber mit i schreibst.
Ich frage mich gerade wie viel Yuriy verdient. Klar, es wird nicht der super gut bezahlte Job sein und in Russland verdient man allgemein wenig, aber die Hand voll Rubel klingt nach einem Münzhaufen mittleren Ausmaßes (das ist jetzt keine Kritik, klingt nur in meinen Ohren so, liegt aber eher an der Uhrzeit, dass ich gerade jeden Satz umdrehe).
Irgendwie verstricke ich mich im Augenblick in alle möglichen Details, ich sollte in Zukunft meine Kommentare nicht mehr während dem Lesen, sondern danach schreiben.
Ist Kai im Augenblick in Japan? Ich gehe davon aus, wäre sinnvoll und ein Grund für einen deutlichen Zeitunterschied (ich nehme an, dass die Jungs irgendwo in Westrussland, sprich UTC+4 rumgammeln, sprich 5 stunden hinter japan? dann wäre es bei yuriy acht uhr abends *rumrechnet*)
Alles in allem muss ich sagen, dass mir das Kapitel gut gefallen hat. Man merkt, dass eine Menge Recherche dahinter steckt und du dich mit dem Thema beschäftigt hast. Ich persönlich mag ja die kalte Seite an den russischen Bladern ganz gerne, aber nachdem es ja in der Zukunft spielt, ist es nur logisch, dass sie sich zu einem gewissen Grad verändert haben. Die Geschichte wird wohl auf YuKa hinauslaufen, aber das spielt eigentlich auch nicht so eine große Rolle im Moment, mich begeistert die Beziehung zwischen Yuriy und Boris gerade mehr. Die beiden stehen sich nahe, sind einander wichtig und leben zu einem gewissen Grad doch aneinander vorbei. Du hast die Charaktere gut ausgearbeitet und auch deine OCs passen gut in die Szenarie hinein, auch wenn ich mich jetzt noch an ein paar Namen aufhängen könnte.
Worauf du achten solltest, sind ein paar Fehler. Vor allem alle möglichen Kommata sind nicht dort wo sie sien sollten (ich glaube meistens sind sie eher zu viel als zu wenig gesetzt) und hin und wieder schreibst du Adjektive, die eigentlich klein sein sollten, groß. Ansonsten möchte ich nur auf zwei Sachen hinweisen:
der hatte genug zu tun mit den aberduzenden Fernsehgeräten
ja, die Fernsehgeräte haben jetzt auch die Erlaubnis ihn mit 'du' anzureden ;) 'aberdutzenden'
„Aha.“ Das klang wahrscheinlich komplizierter, als es war, aber auf Michails Urteil ist Verlass. Wenn er einen Film so genau kennt, dann muss er irgendwie gut sein.
hier bist du teilweise ins Präsens gerutscht, ist mir aber sonst nirgends aufgefallen, nur hier.
-> [...] aber auf Michails Urteil war Verlass. Wenn er einen Film so genau kannte, dann musste er irgendwie gut sein.
gut, damit verabschiede ich mich erst einmal :) das andere Kapitel habe ich zwar schon gelesen, Kommentar folgt sobald ich ein wenig geschlafen habe.
Liebe Schreibziehergrüße, Cyre
Von:  Jeschi
2010-10-27T14:36:35+00:00 27.10.2010 16:36
OMG! Die Story ist so wunderschön! =3
Wie du das aufgebaut hast... wahnsinn. Diese Liebe zum Detail. Man ist wirklich von der ersten Sekunde an begeistert!
Und wie du die Architektur beschreibst - wahnsinn!
Und Yuriy ist dir so wunderbar gelungen. Er ist so ein toller Charakter, den man am liebsten einmal ganz fest drücken würde! =3
Und dann auch diese kleine Familie... Ich könnte dahinschmelzen. Vor allem bei Dascha! XD
Dieser Sinneswandel, nachdem er bei Kai angerufen hat - das war so schön! :3
Das ganze harmoiert so schön und wirkt so lebensnah und echt!
ich bin wirklich begeistert! XD
lg
Von: abgemeldet
2010-10-27T13:00:10+00:00 27.10.2010 15:00
Gott,ich liebeliebeliebeliebe...diese Story.Den Aufbau.Deinen Stil. Ich liebe einfach alles. Allesallesalles. (du siehst, wie euphorisch mich dieses Kapitel gemacht hat. Es gibt noch Hoffnung für die Fanfic-Welt!)
Vor allem dass sooo viel ungesagt bleibt, teilweise sogar ungeDACHT. Und die Charaktere. Ich bin ganz verliebt in die ganzen Details, die du deinen OCs UND den Canon-Personen zukommen lässt, das macht sie alles so unglaublich plastisch und greifbar! Auch deine Art, wie du das Umfeld beschreibst-vor allem die Stadt selbst-,man hat dadurch das Gefühl,als würde man selbst dort stehen und alles mit eigenen Augen sehen. Großartig. Ich wünschte,ICH wäre so gut im Beschreiben vom Umfeld!
Ich musste übrigens bei der Erwähnung der Raufasertapete sofort an Bernd das Brot denken und habe daraus resultierend erstmal einen Lachkrampf erlitten,aber dafür kannst du nichts xDD
Und ich fand es super,dass du mich wirklich oft überraschen konntest, zum Beispiel bei der Sache mit den zwei Karten. Ich hab das gelesen und dachte mir: Okay,klare Sache,er lädt Anya ins Kino ein. Aber nein,er gibt ihr BEIDE Karten,das fand ich wirklich wundervoll,weil es eben erstens überraschend war und zweitens nochmal deutlich gemacht hat,dass er keinerlei amouröses Interesse an ihr hat und das ist in Bezug auf die Kai-Thematik einfach nur Zucker. *_*
Überhaupt,ich liebe die Kai-Thematik. Ich liebe es,dass er zuerst nur unterschwellig vorkommt,eigentlich nur zweimal wörtlich-aber dass er doch eigentlich die ganze Zeit über in Yuriys Kopf herumzuspuken und auch Hauptanlass für das meiste von Yuriys Verhalten zu sein scheint.
Ein wunderschönes Kapitel jedenfalls,ich freue mich auf mehr.=)
Lg,
Ree
Von: abgemeldet
2010-10-23T16:06:49+00:00 23.10.2010 18:06
hi j,

wie versprochen, mein kommentar! :)

wie schon gesagt: es ist definitiv nichts, das man einfach mal auf die schnelle wegliest, aber ich denke, das wird dir ohnehin klar gewesen sein. leider ist das vermutlich auch der grund, warum so wenige darüber stolpern bzw. daran hängen bleiben. es ist einfach, mal abgesehen von der länge, (vor allem am anfang) gleich sehr ausführlich und detailliert. dafür schaffst du es allerdings tatsächlich, dass ich mir russland ein bisschen besser vorstellen kann!


zum stil kann ich dir nichts neues sagen: du weißt, ich mag ihn wirklich. alles flüssig und ich bin kein einziges mal an irgendeinem wort hängen geblieben, das mir jetzt wieder mal nicht in den kram passt. *g* (da bin ich ja eigen.)

übrigens ist es mal interessant eine (ernste) story von dir zu lesen, die wirklich in der realität spielt. also nicht fantasy oder so.

wo ich am anfang nur etwas probleme hatte, waren deine russischen begriffe, aber das hat sich dann gelegt.


zur geschichte selber:

die stufenzählerei mochte ich. auf mich wirkt yuriy doch ziemlich kaputt, der arme. ich glaube, diese leere wohnung war das perfekte bild dafür. aber auch so gab's da immer diese kleinen nebensächlichkeiten, die das sehr deutlich gemacht haben.

auch so bin ich überzeugt davon, dass du die personen gut getroffen hast! :P (sicher bin ich mir nur deshalb nicht, weil ich selber eigentlich immer extrem ooc geschrieben habe und die serie so gar nicht mehr im kopf habe. auf alle fälle sind sie interessant. du charakterisierst ja vor allem yuriy sehr genau.)


meine zwei absoluten highlights übrigens:

Michail wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging los und holte eine Flasche Wodka und zwei Gläser. Er goß ihnen ordentlich ein. „Man muss trinken, wenn man Entscheidungen trifft!“

Drei Tage später war Yuriy besoffen.


da musste ich wirklich lachen, die stelle kommt einfach klasse! :D


generell: yuriy besoffen - genial! das waren auch die beschreibungen, die ich fast am meisten mochte. vor allem, dass du‘s eher als kopfsache darstellst und yuriy nicht einfach zu lallen anfängt. irgendwie wirkt sowas meistens unfreiwillig komisch. bei dir sieht man dadurch eher, wie schlecht es ihm wirklich geht.

anya fand ich auch toll. yuriy ist also jetzt vermutlich so (halb)offiziell schwul, ja? *g*


dann, was ich auch mochte (du wirst es ahnen): yuriys gespräch mit kai! ehrlich, da schlägt mein fanherz doch gleich höher, obwohl ich dachte, nicht mehr so sonderlich viel mit den beiden anfangen zu können. das war einfach nur traurig. irgendwie hat man da so richtig gemerkt, wie sie nicht wissen, wie sie miteinander umgehen sollen. :S

aber schön, dass es ein klingelschild gibt, jetzt kann kai ihn zumindest finden! :)


also alles in allem: doch relativ schwere kost (und eher roman als fanfic), aber je länger man liest, desto mehr weiß man sie zu schätzen.

ich bleib auf alle fälle dabei! :) und ich hoffe wirklich, ich bleibe nicht die einzige, die hier kommentiert ...

liebe grüße



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