Talks and thoughts
Kapitel 5: Talks and thoughts
Laute Würgegeräusche tönten aus dem Badezimmer.
Besorgt klopfte Will leicht gegen die Tür.
„Kenny! Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt.
Wieder vernahm er Würgegeräusche, erst dann antwortete Kenny.
Ihre Stimme klang gedämpft und matt.
„Ja, es ist alles in Ordnung. Packt schon mal weiter. Ich komm gleich nach.“
Will runzelte die Stirn, vertraute aber auf ihr Urteilsvermögen und ging zurück ins Kennys Zimmer.
Der Umzug war fast geschafft und das noch am selben Wochenende.
Megan und Logan hatten sich bereit erklärt ihnen zu helfen, so waren bereits Kyles und Drus kompletten Sachen bei ihrer Tante.
Jetzt fehlten nur noch Kennys Sachen.
Seufzend betrat Will Kennys Zimmer.
Logan und Megan blickten ihn nur kurz an, dann packten sie weiter Kennys Sachen zusammen.
Doch Will sah sich in Kennys Kinderzimmer um.
Es sah heruntergekommen aus.
Wie so ziemlich alles in diesem Haus.
Will war erst später klar geworden, wie sehr Kennys Zuhause verfallen war.
Es war so komplett anders als sein Zuhause.
Die Außenfarbe des Hauses schien bereits seit einigen Jahren abgeblättert und keiner hatte sich die Mühe gemacht das Haus neu zu streichen und auch ihre Wohngegend war nicht grad die Beste.
Logan hatte es treffen als ganz untere Mittelschicht bezeichnet.
Will fühlte sich hier nicht wohl.
Er konnte einfach nicht verstehen wie Kenny hier leben konnte.
Wie sie hier ihre Schwestern aufziehen konnte.
Will verstand auch nicht warum Kenny nicht zum Jugendamt gegangen war.
Alles wäre besser gewesen als bei John Rivers aufzuwachsen.
Will ekelte sich regelrecht vor diesem Mann.
Nur ungern erinnerte er sich an den Mann, der sich Kennys Vater nannte.
Das vor dreckstehende Hemd, die fettigen Haare, die leeren Alkoholflaschen um ihn herum.
Wie konnte man sich so vernachlässigen?
Wie konnte man seine Kinder so vernachlässigen?
Will konnte es einfach nicht verstehen… Er war so etwas einfach nicht gewohnt.
Er war in einem heilen Umfeld aufgewachsen.
In dem besten Stadtteil der Stadt, in einer heilen Familie, ohne viel Verantwortung.
Kennys und sein Leben waren von Grund auf verschieden, er hätte so jemanden wie Kenny nie als Freundin gehabt.
Und jetzt?
Jetzt bekamen sie ein gemeinsames Kind.
Das Schicksal hatte wohl andere Pläne für sie gehabt.
„Will?“
Der blonde Jugendliche drehte sich verwirrt um und blickte in Kennys braune Augen.
„Ja?“
„Fahr mit Logan doch schon mal zu dir. Die restlichen Sachen schaffen Megan und ich schon alleine“, sagte Kenny müde.
Will blickte sie an.
Sie war leichenblass, ihre Augen und Wangen waren gerötet und sie hatte tiefe Augenringe.
„Meinst du wirklich?“, fragte er unsicher.
Will zweifelte nicht daran, dass Kenny und Megan die restlichen Klamotten einpacken und einladen konnten, er machte sich eher Sorgen um John Rivers.
Er hatte gesehen, wie der Mann reagiert hatte als Kenny ihm von der Schwangerschaft und dem Auszug berichtet hatte.
Hatte gesehen, wie John ausgeholt und seine eigene Tochter geschlagen hatte.
Dieser Schlag war nicht spurlos an Kenny vorüber gegangen, ihre rechte Wange war leicht bläulich verfärbt.
Will war noch immer total geschockt, fassungslos.
Wie konnte man sein eigenes Kind schlagen?
Das ganze Wochenende über hatte er Kennys Vater nicht gesehen.
Das junge Mädchen hatte ihm erzählt, dass ihr Vater nach Mitternacht nach Hause kam und noch vor Sonnenaufgang wieder verschwand.
Was er trieb wusste sie nicht, und Will hatte das Gefühl, dass Kenny es auch gar nicht wissen wollte.
Kenny lächelte ihn beruhigend an.
„Ja, wir schaffen das schon. Fahrt schon mal vor.“
Will nickte.
„Okay… Wir sehen uns dann bei mir.“
Er drückte Kenny einen Stapel ihrer T-Shirts in die Arme und verabschiedete sich auch von Megan.
So auch Logan und gemeinsam gingen sie zu dem großen Mietwagen.
Seufzend schmiss Kenny ihre T-Shirts in den nächstbesten Karton, ihre restlichen Klamotten folgten auf dieselbe Weise.
Megan beobachtete ihre Freundin mit gemischten Gefühlen.
Kenny war schwanger.
Begriffen hatte Megan es irgendwie noch nicht.
Ihre Freundin würde in den nächsten Monat echt rund werden und wahrscheinlich alles Essbare in sich hinein stopfen und sie würde wohl noch weniger Zeit haben.
Es würde sich einiges ändern.
„Ken?“, fragte Megan.
Kenny blickte auf.
„Ja?“
„Wieso hast du mit Will geschlafen?“
Verwirrt wurde Megan angesehen.
„Wie meinst du das?“
„Naja… Es passt einfach nicht zu dir“, gab Megan zu.
Kenny musste lachen und kniete sich zu ihrer Freundin auf den Boden.
„Sex passt nicht zu mir, meinst du? Dir ist schon bewusst, dass das nicht mein Erstes Mal war.“
Auch Megan grinste.
„Klar, weiß ich das. Aber der Sex mit Will, der war so… Ungeplant… So spontan.“
„Ich weiß, aber was genau willst du mir damit sagen?“, fragte Kenny.
Megan seufzte tief.
„Das bist einfach nicht du gewesen, Kenny. Das passt einfach nicht zu dir. Du hast etwas Unüberlegtes getan. Das kenn ich gar nicht von dir.“
Kenny blickte sie einfach nur an.
Ihre beste Freundin hatte Recht.
Alles, wirklich alles in ihrem Leben hatte sie durchgeplant, seit ihre Mutter sie verlassen hatte.
Ihr Stundenplan war soweit wie es ging auf die Stundenpläne ihrer Schwestern abgestimmt, ihre Schichten in „Sams Diner“ waren auf die Freizeitaktivitäten ihrer Schwestern abgestimmt und auf die Pflichten, die sie im Haushalt zu erledigen hatte.
Nachsitzen und spontaner Sex mit einem wildfremden Jungen war eindeutig nicht in ihrem Plan vorgesehen gewesen und doch war es passiert.
Schon oft hatte Kenny sich gefragt, wieso sie sich darauf eingelassen hatte.
Sex in der Schule hatte einen bestimmten Kick, das wusste Kenny, aber warum hatte sie sich darauf eingelassen mit Will zu schlafen, obwohl sie ihn erst seit diesem Tag bewusst wahrgenommen hatte.
Und vor allem ohne Kondom.
Wieso hatte sie sowas getan?
Vielleicht hatte sie unbewusst versucht aus ihrem verkorksten Leben auszubrechen.
Bei ihrem Glück war klar gewesen, dass etwas bei diesem ungeschützten Sex passieren würde, das war Kenny aber erst klar geworden als sie nach Hause gefahren war.
Und jetzt?
Jetzt saß sie in ihrem baldigen alten Zimmer und war schwanger.
Sie würde ausziehen.
Raus aus dieser Hölle von Leben, welches sie seit zehn Jahren lebte.
Wenn Kenny ehrlich war, machte sie sich Sorgen um ihren Dad.
Wie würde es mit ihm weitergehen, wenn sie und ihre Schwestern nicht mehr hier lebten?
Würde es ihm überhaupt richtig bewusst werden oder war es ihm wirklich so egal, wie er vorgab?
Oder war dies vielleicht ein Anstoß sich zu ändern?
Kenny bezweifelte es.
„Sag mal, Kenny“, sprach Megan weiter als Kenny keine Anstalten machte zu antworten.
„Wie machst du das eigentlich jetzt mit der Schule? Wie willst du die Schwangerschaft und die Schule unter einen Hut bringen?“
Kenny grinste.
„So genau weiß ich das noch nicht. Ich wird auf jeden Fall solange wie es geht zur Schule gehen und nach der Geburt so schnell wie möglich wieder zur Schule“, antwortete die Schwangere während sie weiterhin Klamotten in den Karton schmiss.
„Und was ist mit dem College?“, fragte Megan weiter.
Kenny blickte sie ernst an.
„Ich werde nicht aufs College gehen.“
„Warum?“, fragte Megan ehrlich verwirrt.
„Bis vor kurzem war es noch wegen Kyle und Drusilla. Ich hätte sie nicht alleine lassen können mit meinem Dad.“
„Das bedeutet, du wärst weiterhin arbeiten gegangen und hättest Kyle und Dru großgezogen und dich weiterhin um deinen Vater gekümmert?“, fragte Megan.
Kenny nickte.
„Ja… Und jetzt werde ich für das Baby nicht aufs College gehen und für meine Schwestern“, betonte Kenny.
Megan nickte.
„In welcher Woche bist du jetzt?“
Kenny grinste.
„In der achten“, antwortete sie und klappte den letzten Karton zu.
„Komm lass uns gehen. Ehe sich der werdende Papa noch unnötig Sorgen macht“, sagte sie breit grinsend und hob den Karton an.
Megan stand ebenfalls grinsend auf und sagte:
„Sei froh, dass er das nicht gesehen hat.“
Damit deutete sie auf den Karton in Kennys Armen.
„Klar, ich darf ja noch nicht mal mehr meine Schultasche tragen“, lachte Kenny.
Lachend verließen die beiden Freundinnen Kennys altes Zuhause.
Bevor Kenny ins Auto stieg blickte sie sich noch einmal um.
Besah sich noch einmal die abgeblätterte Farbe ihres Zuhauses.
In diesem Haus war sie aufgewachsen und sie hatte nicht erwartet bereits mit 17 von dort auszuziehen, aber es kam ja immer anders als man denkt.
Lächelnd setzte Kenny sich hinters Steuer und startete den Motor.
Von nun an begann ihr neues Leben.
„Wieso müssen wir das Bett eigentlich aufbauen? Es gibt Leute für sowas“, stöhnte Logan und zog die Schraube fester.
„Wegen meinem Dad“, antwortete Will gepresst und sein Kopf hatte eine unnatürlich rote Farbe.
„Er hat gesagt, ich hab mir die sogenannte Suppe eingebrockt und jetzt soll ich sie alleine auch wieder auslöffeln.“
Mit einem lauten Stöhnen gab er es auf die Schraube in Kennys Bett festzuziehen.
Noch einmal stöhnend lehnte er sich gegen das nun aufgebaute Bett, alles was fehlte war die Matratze, die wartete noch unten im Transporter.
„Will?“
„Was?“
„Wieweit war Kenny jetzt noch mal?“
Ein Grinsen schlich sich auf Wills Gesicht während er das Ultraschallbild aus seiner Hosentasche zog.
„Sie ist in der achten Woche“, antwortete er und hielt Logan zum wiederholten Male das Ultraschallbild unter die Nase.
Logan ignorierte das und sagte:
„Ich kann nicht fassen, dass du wirklich Vater wirst.“
Will blickte ihn an.
„Ja, ich auch noch nicht wirklich. Aber ich freu mich auf das Baby“, antwortete er.
Logan blickte ihn an.
„Verrätst du mir, wie du College und Familie unter einen Hut bringen willst?“
Wills Gesicht wurde ernst.
„Gar nicht“, antwortete er nüchtern.
„Wie gar nicht?“, fragte Logan verwirrt.
„Ich wollte eigentlich nie aufs College. Ich will nichts studieren, ich will lieber arbeiten… Und jetzt wo das Baby unterwegs ist, ist es eh besser, wenn ich Geld verdiene.“
„Ja, da hast Recht. Seid ihr eigentlich zusammen? Du und Kenny, mein ich.“
Will runzelte die Stirn.
Waren sie beiden zusammen?
„Ich weiß es nicht…“, gestand er.
Dann dachte er daran wie Kenny den Kuss vor einigen Tagen abgeblockt hatte.
„Nein, ich glaub nicht, dass wir zusammen sind“, sagte er matt.
Logan wollte gerade etwas sagen, doch in diesem Moment sprang Will auf und sagte:
„Los, lass uns den Rest der Sachen holen und dann auf die Mädchen warten.“
Und mit diesen Worten war er auch schon aus Kennys neuem Zimmer verschwunden.
„Tschüss ihr beiden und danke für die Hilfe“, hörten sie Will in der Eingangshalle sagen.
Sie hörten wie die Haustür geschlossen wurde und wie die beiden Jugendlichen die Treppe hinaufgingen.
Maria und Dylan Hastings blickten sich lächelnd an.
Es war noch ungewohnt zu wissen, dass ab jetzt zwei Jugendliche in ihrem Haus wohnen würden.
Sie hatten Kenny das Gästezimmer direkt neben dem von Will gegeben, die beiden Zimmer wurden von dem gemeinsamen Badezimmer verbunden.
Dies war wohl die beste Lösung und die beste Chance sich besser kennen zu lernen für die beiden Teenager.
An den Gedanken Großeltern zu werden hatten sie sich ebenfalls noch nicht gewöhnt.
Nächstes Jahr um diese Zeit würden sie ihr kleines Enkelkind in den Armen halten können.
„Was denkst du über Kenny?“, fragte Maria ihren Mann.
„Hmm… Sie ist ein nettes Mädchen und sie ist bodenhaft. Sie sieht die Dinge, wie sie sind.“
„Ja, das stimmt“, pflichtete ihm seine Frau bei.
„Vielleicht holt sie unseren Sohn endlich von seinem hohen Ross“, murmelte Dylan.
Maria lachte.
„Das wird sie bestimmt. Darauf kannst du vertrauen.“
Auch Dylan musste lachen.
Und sie sollten Recht behalten.
Kenny begann bereits jetzt Will komplett zu verändern.