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Die Hüter des Schattens

von

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Ferien

Der Wecker schob sich lärmend und nervend in Hannas Traum. Ein monotones Piepen wie von einem Feueralarm. Ein Feuer brach in Hannas Kopf aus. Ihr Zimmer stand auf ein Mal in Flammen. Ihr ursprünglicher Traum wurde von dem Feuer verdrängt. Die Flammen leckten ein ums andere mal nach ihren Beinen. Sie schrie und rannte auf ihre Tür zu. Die Tür sprang von alleine auf und Hannah stürzte. Keuchend sprang Hannah auf. Ihr Gesicht war verschwitzt. Der Wecker piepte noch immer. Wütend hieb Hannah so grob auf den Wecker, dass er von ihrem Nachtschrank fiel. Sie atmete auf. Das Piepen verstummte. Ein Traum, nur ein Traum.. sagte sie sich. Was war schon an einem Brand in ihrem Zimmer so schlimm, wenn es nur ein Traum war? Nichts. Sie würde sich einen neuen Wecker kaufen. Ein ums andere mal führte dieser Wecker sie zu Alpträumen. Sie würde Alicia gleich beim Frühstück nach einem Uhrenladen in der Nähe fragen.

Sie sah sich in ihrem Zimmer um. Es sah alles aus wie immer. Die grasgrüne Tapete, der Schrank, ihr Schreibtisch, alles an seiner Stelle. „Blöder Wecker..“ Sie stand auf und tapste ins Bad. Unter der Dusche vergaß sie das Feuer schon fast wieder. Sie trocknete sich ab und sah in den beschlagenen Spiegel. Sie sah aus wie immer. Mittelgroß, wie sie sich gerne nannte, eigentlich war sie ein ganzes Stück zu klein für ihr Alter. Alicia sagte, sie würde einfach ihren Wachstumsschub ein wenig später bekommen, als sie anderen Mädchen. Immer noch die selben grünen Augen, das selbe blasse schmale Gesicht eines Stadtmädchens, die selben strubbeligen, jetzt nach dem Duschen feuchten, hellbraunen Haare. Alles wie immer. Hannah ging zurück in ihr Zimmer und zog sich an. Ihre Lieblingshose, dunkelgrau und recht eng und einen hellen weiten Pullover. Sie sah nicht in den Spiegel. Sie mochte ihr Spiegelbild nicht. Sie fand sich ein ums andere mal zu klein und zu dünn.

Langsam stapfte sie die Treppe zur unteren Etage ihrer Wohnung hinunter. In der Küche angekommen setzte sie sich auf ihren Platz und begann ein Toast mit Butter zu beschmieren. Mehr mochte sie heute morgen noch nicht. Eine stattliche große Frau mit blond gefärbten Haaren und einem gutmütigem Gesicht betrat die Küche. Alicia. Hannas Pflegemutter. Sie hatte Hannah adoptiert , nachdem ihre Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren. Damals war Hannah drei Jahre alt gewesen. Sie hatte nicht viel von all dem mitbekommen und Alicia erzählte nicht viel darüber um Hannah nicht traurig zu machen. Alicia war eine rundliche große Frau mit leuchtenden Augen und immer mit einem strahlendem Lächeln im Gesicht. „Hey Ali“ murmelte Hannah zwischen zwei Bissen Toast. „Guten morgen Schatz“ gab Alicia zurück und begann ihre Einkäufe von diesem Morgen in den Kühlschrank zu laden. „Warum bist du schon so früh auf? Ich dachte du hättest jetzt Ferien?“ fragte Alicia in einem heiterem Tonfall. Hannah sah auf den Kalender. 14. Oktober. Herbstferien, tatsächlich. „Ohhh..“ brachte Hannah hervor. „Da hab ich gar nicht dran gedacht. Du hast recht.“ Sie grinste. Aber das entsprach nicht ihren Gefühlen. Innerlich stöhnte sie. Noch mehr Zeit, in der sie allein war und versuchte Alicia vorzuspielen, ihr leben sei das Beste was man sich vorstellen konnte. Hannah war oft allein. Ihre beste Freundin hatte jetzt einen Freund und betrachtete ihn als um einiges wichtiger als Hannah. Sie war nur eine Freundin. Aber seit dem war Hannah ständig allein. Amy, so hieß sie, war ihr wichtiger gewesen als all die anderen Mädchen, die kichernd den Jungen hinterher starrten.

Wenn man sich einen Schulhof vorstellte, auf dem ein ganzer Jahrgang versammelt stand, dann gab es die Jungen, die in ihrer Ecke standen, sich über 'geile' Mädchen unterhielten und Späße machten. Es gab die Jungen, die nur auf dem Fußballfeld des Schulhofes zu finden waren, und sich auch für nichts anderes als Sport interessierten. Und dann waren da noch die Mädchen. Die Mädchen, die kichernd in Kreisen herum standen und über Jungen, Lehrer und anderes tratschten, die Mädchen, die wie auf dem Laufsteg herumstolzierten und versuchten die Aufmerksamkeit der Jungen zu gewinnen, und dann gab es noch Hannah, sie war die jenige, die all dem überhaupt kein Interesse schenkte und sich in einem Buch vergrub. So sah ihre Welt aus. Sie ignorierte die tratschenden Mädchen fast ebenso gut wie die wenigen Jungen, die ihr hinterher liefen, nur weil sie gut aussah. Sie verbarrikadierte sich in ihrem Inneren und lies niemanden herein. Außer Amy. Aber Amy hatte sie wieder verlassen und Hannah fühlte sich verletzt. Sie war die einzige der Hannah vertraut hatte, von all denen die sie kannte. Und Amy war die, die jetzt an Hannah vorbei sah, wenn diese ihren Weg kreutzte, als ob sie nicht da wäre.

Alles in allem würden diese Ferien wohl einsamer werden, als alle da vorigen. Hannah seuftzte. Dann setzte sie ein Lächeln auf. „Cool! Ich werd dann heute einfach ein bisschen spazieren gehen.“ sagte Hannah mit einem so fröhlich Unterton in der Stimme, dass sie rasch zu Alicia hoch sah, aber die schien es nicht bemerkt zu haben. „Ähm kannst du mir vielleicht einen guten Uhrenladen empfehlen?“ fragte sie ein wenig lahm. Eigentlich brauchte sie jetzt ja gar keinen Wecker mehr, in den Ferien würde sie ihn nie stellen, aber ein neuer konnte ja nicht schaden. Alicia überlegte. „Zwei Straßen weiter ist einer, aber ich weiß nicht ob er gut ist. Ich war nie dort.“ sagte sie dann. „Warum? Brauchst du eine neue Uhr?“ „Mein Wecker mach mir Alpträume.“ Erwiederte Hannah. Alicia lachte. „Wenn das so ist.. Soll ich dir das Geld dafür geben? Du musst das nicht selbst bezahlen, du kannst besser mal mit deinen Freunden ins Kino gehen“ „Ähm nein.. das ist schon okay..“ sagte Hannah schnell. Ins Kino würde sie wenn schon alleine gehen. Oder lieber gar nicht erst. Dann stand sie auf. Der Appetit war ihr vergangen. Alicia nahm sofort ihren Teller und stellte ihn in die Spüle. „Dann wüsch ich dir viel Spaß heute!“ Hannah antwortete nicht. Manchmal fühlte sie sich durch Alicia wie ein Kleinkind behandelt. Sie seufzte, schnappte ihre Handtasche und trat hinaus auf die Straße.



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