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Die Insel der Vier Jahreszeiten

Zwei Hundebrüder, eine Insel und sehr seltsame Sitten
von

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Um der Scheiden Willen

Diese Geschichte spielt vor dem letzten Duell der beiden Halbbrüder. Sesshoumaru hat nur einen Arm und besitzt als Schwert Tenseiga mit dem "Pfad der Dunkelheit".

Die Idee dazu stammt aus dem driten Film, als Miroku meint: Jeder Mann will seinen Vater übertreffen. Und Shippou antwortet: Wenn der Vater zu großartig war hat man ein Problem....
 

1. Um der Scheiden Willen
 

Der junge, weißhaarige Dämon in der vornehmen Rüstung blieb mitten im Wald stehen und musterte einen Magnolienbaum vor sich: „Bokuseno.“

Ein Gesicht erschien im Stamm, das eines alten Baumgeistes: „Sesshoumaru. Es freut mich, dass du den Weg hierher gemacht hast.“ Hoffentlich konnte er ihn jetzt auch überzeugen.

„Deine Botschaft klang eigen. Was ist nun mit Tenseigas Scheide?“

„Mit der Tenseigas und der Tessaigas. Beide stammen aus meinem Holz. Ich schenkte sie einst deinem Vater. Die mystischen Eigenschaften der Scheiden sind die meinen. Und genau darum geht es. Wie du vielleicht weißt, ist die Magie aller Baumgeister miteinander verbunden. Und so kann ich dir sagen, dass etwas nicht mehr stimmt. Zu viele alte Baumgeister gehen in den Wind ein – und es entstehen keine neuen.“ Er bemerkte, dass sein Besucher ein wenig die Augen verengte: „Ich bin bereits bei der Sache. Auf diese Art nimmt die Magie aller Baumgeister, und damit auch meine eigene, ab. Überdies wäre es nur zu leicht möglich, dass auch ich und die anderen letzten meiner Art dieser…sagen wir, Krankheit, zum Opfer fallen und sterben.“ Er bemühte sich, seine Trauer darüber nicht erkennen zu geben, nur zu sicher, dass der Hundeyoukai vor ihm keinerlei Verständnis dafür aufbringen könnte. Ebenso wenig würde ihn die Ursache für das Sterben interessieren.

„Und?“

„In diesem Fall werden auch die magischen Eigenschaften deiner Schwertscheide und der deines Bruders erlöschen. Inuyasha, heißt er, nicht wahr?“

„Was bedeutet das?“

„Haben eure Scheiden nicht mehr die Fähigkeit, eure Schwerter zu behüten, werden diese ihre Macht ausstrahlen.“

„Hältst du mich etwa für unfähig, Tenseiga zu kontrollieren?“

„Das magst du können“, gab der alte Baumgeist zu: „Aber womöglich entscheidet dann Tenseiga auch selbstständig, wann es den Pfad der Dunkelheit einsetzen will. Ebenso, wie sich Tessaiga dann stets in seiner aktiven Form befindet. Letzten Endes könnte das darauf hinauslaufen, dass ein solches Schwert zerstört werden muss.“

Das könnte durchaus geschehen, denn der törichte Hanyou wüsste sicher nicht, wie man mit der mächtigen Klinge umgehen sollte. „Inuyasha interessiert mich nicht.“ Und Tenseiga….Er warf unwillkürlich einen Blick zu seiner Hüfte. Es war kein Schwert, das er eigentlich vermissen würde. Eigentlich. „Weiter.“

„Wenn du dies verhindern willst, solltest du ans Meer gehen, zur Insel der Vier Jahreszeiten. Du erinnerst dich gewiss an sie. In der Quelle des Lebens dort werden Geister geboren. Baumgeister. Tauche deine Scheide hinein und die Eigenschaften bleiben auch nach dem Tod des letzten Baumgeistes erhalten. Diese seltsame Krankheit schreitet rasch fort.“ Bokuseno bemerkte, dass sich sein Gast abwenden wollte: „Du solltest sehen, dass du deinen kleinen Bruder überzeugst, mitzugehen. Ich habe Myouga gebeten, dass er ihn herbringen soll, aber bislang war er nicht hier.“

„Ich sagte bereits, dass mich Inuyasha nicht interessiert.“

„Nun, vielleicht Tessaiga.“ Bokuseno sah seinem Besucher hinterher. Doch, dachte er: ganz sicher Tessaiga.
 

Der kleine Flohgeist hielt sich krampfhaft an den langen weißen Haaren fest: „Inuyasha-sama, jetzt wartet doch einmal! Endlich habe ich Euch gefunden! Jetzt hört mir doch zu…“

„Später!“ Der Hanyou spurtete einen Sandstrand entlang: „Da vorne riecht es nach Menschen und einem Drachen!“

Myouga seufzte und ließ los. In diesem Zustand war mit dem jüngeren Sohn seines Gebieters einfach nicht zu reden. Er würde eben auf ihn warten. Bokuseno hatte nicht den Eindruck gemacht, unverzüglich das Zeitliche segnen zu wollen, so dass es auf die wenigen Minuten, bis der junge Herr die Menschen gerettet hatte, wohl auch nicht mehr ankam. Allerdings war eine so seltsame Krankheit so mächtiger magischer Wesen, wie es Baumgeister waren, mehr als besorgniserregend.

„Wah…“ war alles, was der alte Flohgeist noch herausbrachte, als er sich gerade noch unter den flammenden Füssen der fliegenden Katze wegdrehen konnte, auf der Sango und Miroku saßen. Wo war eigentlich Kagome? Aber das würde er später fragen. Im Moment schienen Inuyasha und seine Freunde wieder einmal auf Rettungsmission zu sein. Er landete im Sand und rieb sich den Kopf. Das hatte er davon, wenn er alten Freunden einen Gefallen tun wollte.
 

Der Hanyou erstarrte, als er die kleine Landzunge erreichte und betrachtete überrascht das Bild vor ihm. Er hatte mit einem Drachen gerechnet, der ein Dorf überfiel, nicht mit einem in Menschenform, der gerade Sand in ein Grab schüttete. Mehrere Gedenksteine waren hier. Ein Friedhof? Aber er fragte doch: „He, was machst du da?“ Seine Hand lag am Schwert.

Der alte Drache blickte auf: „Sieht man das nicht, junger Youkai? Nein, Hanyou, oder?“

„Was dagegen?“

„Dann bist du wohl hier, weil die Bannkreise Wesen wie dich rufen?“

„Hä? Nein. Ich werde nicht gerufen.“

Der Drache sah aus seinen Augenwinkeln verblüfft weitere Besucher heranfliegen: „Deine Begleiter? - Menschen.“

Sango ließ Kirara landen: „Ein Friedhof?“ erkundigte sie sich erstaunt: „Ich wusste nicht, dass Drachen ihre Toten beerdigen.“

„Es sind vor allem Menschen.“ Er hatte seine Arbeit beendet: „Aber was wollt ihr hier?“

Inuyasha entspannte sich: „Du begräbst Menschen? Was soll das denn?“

„Ihr seid fremd in der Gegend, nicht wahr?“

„Ja. Und?“

„Mein Name ist Izumi. Ich bin ein Wasserdrache.“ Er bemerkte Sangos Überraschung: „In der Tat, Jägerin, denn das bist du wohl: ich bin einer jener wenigen meines Volkes, die an Land existieren können.“

Myouga starrte den Wasserdrachen an: „Izumi? Ich hätte dich fast nicht mehr erkannt. Der Herr war doch hier bei dir…“

„Vater?“ staunte Inuyasha, sah dann zu dem Drachen.

„Oh, der zweite Sohn des Inu no Taishou, welche Überraschung. Nehmt Platz.“ Er hatte nur sehr selten Besucher, geschweige denn so interessante. „Und betrachtet euch als meine Gäste.“

„Äh, ja. Ich bin Inuyasha, das sind Sango und Miroku. Myouga kennst du ja wohl.“ Der Hanyou zog sein Schwert samt Scheide aus dem Gürtel und setzte sich: „Eigentlich hatte ich gedacht, dass hier ein Dorf überfallen wird“, gab er zu. Sie hatten in den vergangenen Tagen am Ufer des Meeres nur leere Ruinen und verwilderte Felder gefunden. Schuld an dieser Reise war eigentlich nur die Idee, seinem Gefühl zu folgen, hier in dem Landstrich sei etwas Wichtiges passiert, ein Gefühl, wie er es nie zuvor erlebt hatte.

„Die Dörfer der Gegend sind seit Jahren unbewohnt. Leider. Ich rede gern mit Menschen und anderen Wesen. – Das hat mit der Insel der Vier Jahreszeiten zu tun. Habt ihr schon einmal davon gehört? Sie liegt dort draußen im Meer, geschützt von vielerlei Strömungen in Wasser und Luft. Kein Mensch wohnt dort. Nur Wesen mit dämonischer oder anderer Energie.“ Izumi warf einen unwillkürlichen Blick über das scheinbar so harmlose Meer, ehe er fortfuhr: „Ich lebe hier im Wasser. Als ich noch ein recht junger Drache war, erforschte ich die Insel der Vier Jahreszeiten, so gut es mir möglich war, ja, schwamm sogar ihren Strom zum Binnenmeer. Das gelang mir, da es Süßwasser mit Salzanteil war.“ Der alte Wasserdrache atmete ein wenig tiefer: „Dann geschah es, vor langen Jahren, dass das Binnenmeer austrocknete, das Land des Sommers heißer und heißer wurde. Das Wasser, das aus den Bergen hinunter geflossen war, verlief nur noch unterirdisch, und die Wesen, die dort lebten, mussten sich an eine Wüste gewöhnen. Das Land des Frühlings liegt auf der uns zugewandten Seite der Insel, das des Winters im Norden, das des Herbstes im Süden. Der Mittelpunkt der Insel jedoch ist das Land des Sommers.“

„So bekamen alle den Wassermangel zu spüren?“ erkundigte sich Miroku.

„Keh!“ machte Inuyasha: „Was soll das denn mit den Menschen hier zu tun haben, wenn magische Wesen kein Wasser mehr haben? Das ist doch eine Insel, mitten im Meer. Da haben sie doch genug.“

„Meerwasser kann man nicht trinken, Inuyasha“, erwiderte der Mönch sofort: „Nicht als Mensch und wohl auch nicht als Youkai.“

„In der Tat“, bestätigte Izumi: „Wie gesagt, das Land des Sommers verdorrte. Das Wasser aus den Bergen, vom Regen und den Quellen dort, verlief nun unter der Erde, in Flüssen, die sich schließlich zu dem großen unterirdischen Strom vereinigen, der ins Meer fließt. Die Wüstenbewohner wissen, wo diese Flüsse sind, und nutzen sie. Jeder Stamm hat eine Frau mit der Begabung, dieses Wasser zu finden. In der Regel waren dies wohl Menschenfrauen, die sie ursprünglich vom Land geholt haben.“ Er bemerkte, dass die Blicke seiner Besucher unwillkürlich zu dem Friedhof wanderten: „Nein, das ist eine andere Geschichte.“

„Und warum erzählst du uns sie dann?“ fragte der Hanyou prompt.

„Weil es dazu gehört.“ Der Wasserdrache blieb ruhig: „Die Wesen der Insel versuchten verzweifelt an Wasser zu kommen, wobei die Gebiete wohl unterschiedlich betroffen waren. Es kam zum Krieg.“

„Ein Kampf ums Wasser?“ Inuyasha klang ungläubig.

Izumi sah ihn vorwurfsvoll an: „Wasser ist das Element des Lebens, junger Hanyou! Ohne dieses existiert nichts.“

„Das ist uns bewusst“, meinte Sango entschuldigend: „Und das Land des Sommers traf es noch am besten, weil sie die Wassersucherinnen hatten?“

„Ja. Ich glaube, das Land des Frühlings hat auch heute noch Regen, als einziges Gebiet. Aber alle anderen waren so verzweifelt, dass sie trotz der gefährlichen Strömungen in Luft und Wasser Schiffe aussandten, Frauen und Mädchen aus den Dörfern hier raubten, sicher in der Hoffnung, eine Wassersucherin zu finden. Dies war aber nicht alles. Die Umgestaltungen, die das Wasser der Insel nahmen, hatten auch die Bewegungen im Meer verändert. Die Fische verschwanden, es wurde zu gefährlich sie zu suchen. Die Männer und restlichen Frauen verließen die Gegend. Nur ein Ehepaar, beides Hanyou, blieb hier. Sie sind nun verstorben, wohl aufgrund ihres Alters, und ich habe sie hier bei ihren Nachbarn begraben.“ Er sah zu Miroku.

So nickte dieser: „Das ist sehr freundlich von dir.“

„Ich bin der Letzte der Wasserdrachen in dieser Gegend. Und ohne die letzten anderen Bewohner wird es ein wenig...einsam hier.“

Das erklärte, warum er so redselig war.

„Das heißt, diese Gegend wurde von Menschen verlassen, weil da draußen irgendeine Insel kein Wasser mehr hat?“ fasste Inuyasha zusammen. „Irgendwie ist das doch blödsinnig.“

Der Wasserdrache wurde einer Antwort enthoben.

„Izumi.“

Dieser Name von einer bekannten Stimme ließ den Hanyou aufspringen, die Hand bereits am Schwert: „Was machst du denn hier?“ Warum hatte er diesen Misthund nicht gewittert? Diese salzige Meerluft war wohl Schuld daran.

Izumi blickte auf: „Ein Youkai. Ein Hundeyoukai. – Oh, Sesshoumaru-sama…..“

„Inuyashas Halbbruder“, erklärte Sango leise.

Sesshoumaru beachtete sie nicht, als er den Wasserdrachen ansah: „Bring mich zur Insel.“

„Wie Ihr wünscht. – Ihr wart lange nicht hier.“

„Äh, ihr kennt euch?“ fragte der Hanyou, ein wenig verwirrt über die Tatsache, dass ihn sein Halbbruder ignorierte.

„Inuyasha-sama“, Myouga meldete sich zu Wort: „Die Quelle des Lebens dort auf der Insel…In die müsst Ihr Tessaigas Scheide tauchen, ehe auch noch Bokuseno stirbt!“

„Aha. Und wer soll das sein?“ Inuyasha verstand immer noch nichts. Wie wäre es, wenn ihm auch mal wer was erklären würde?

„Das ist ein alter Baumgeist, von dem Euer verehrter Vater Äste bekam, um daraus die Scheiden Eurer Schwerter herzustellen. Die Baumgeister sterben alle an einer seltsamen Krankheit.“ Der Flohgeist warf einen raschen Blick seitwärts, ergänzte jedoch: „Sesshoumaru-sama scheint diese Information bereits auch erhalten zu haben. Tut Ihr dies nicht, werden die Schwertscheiden zu ganz gewöhnlichem Holz.“

„Na, und?“ fragte der Hanyou: „Sie kann dann nicht mehr Tessaiga rufen, schön. Aber sonst bleibt doch alles beim Alten.“ Oder was war jetzt schon wieder los?

„Törichtes Halbblut.“ So hatte sich Sesshoumaru das gedacht. Das beispiellos Erstaunliche war das phantastische Glück des Bastards, bereits die einzige Transportmöglichkeit zur Insel der Vier Jahreszeiten gefunden zu haben.

„Was soll das heißen?“ fuhr der Jüngere prompt auf, während er die Hand an den Schwertgriff legte.

Myouga beeilte sich weiter zu erklären, ehe die beiden Hitzköpfe noch aufeinander losgingen: „Die Scheiden hüten auch die magischen Kräfte. Es mag sein, dass Tessaiga dann stets aktiviert ist, sich sozusagen selbstständig macht. Und, wir alle wissen, was passiert, wenn Ihr und Tessaiga nicht…beisammen seid.“

Das wusste auch Inuyasha und die Aussicht, sich in eine durchgedrehte Mordmaschine zu verwandeln, sagte ihm nicht sonderlich zu. So meinte er: „Und wo ist diese Quelle? Dann gehen wir eben dorthin.“

Für einen Moment fühlte sich Sesshoumaru dazu gedrängt, sich zu wiederholen, aber der Wasserdrache antwortete bereits: „Das weiß niemand. Sie soll irgendwo im Land des Sommers liegen, aber wie ich zuvor erwähnte, ist das Wasser dort verborgen. Nun gut. Ich kann Euch beide, Sesshoumaru-sama, Inuyasha-sama, zu der Insel der Vier Jahreszeiten bringen.“ Mit einem Blick zu den zwei Menschen fuhr er fort: „Euch allerdings nicht.“

„Wir können auf Kirara fliegen“, bot Sango an.

„Das geht nicht. Diese Insel wird von Wasser- und Luftströmungen geschützt. – Ich weiß, dass auch viele Schiffe, die nach Wassersucherinnen fahndeten, oder Fischerboote nicht zurückkehrten.“ Izumi nickte ein wenig: „Nur diese beiden.“

„Ich suche doch mit dem nicht gemeinsam nach einer Quelle!“ protestierte der Hanyou sofort: „Da bleibe ich lieber hier.“

„Inuyasha-sama!“ seufzte Myouga noch, als auch bereits die Reaktion des älteren Halbbruders kam.

Ein Faustschlag schleuderte den Jüngeren meterweit zurück.

„Wenn du nicht ein noch größerer Idiot bist, als der, für den ich dich bislang halte, hältst du den Mund und kommst mit. Oder du gibst mir Tessaiga.“

„Und wovon träumst du nachts?“ Inuyasha erhob sich mühsam: „Tessaiga gehört mir.“

„Dann kümmere dich auch um seine Scheide“, sagte Miroku. Er begriff nicht so ganz, was hier ablief, aber er wusste, dass es ungewöhnlich genug war, dass sich Sesshoumaru dazu herabließ, etwas mit seinem Halbbruder zusammen zu unternehmen. Es musste wohl wirklich äußerst wichtig sein.

Hatten sich denn hier alle gegen ihn verschworen oder musste er seinen Standpunkt noch deutlicher machen? „Keh! Ich habe keine Ahnung, was das Gerede von diesem Bokuseno, Baumgeistern und den Scheiden soll. Aber ich weiß, dass Sesshoumaru nie etwas tut, von dem er keinen Nutzen hat. – Und ich bin mir verdammt sicher, “ fuhr er an den gewandt fort: „Dass du dich lieber umbringen würdest, als einfach mal eben so mit einem Hanyou spazieren zu gehen. Also?“

Dieser verspürte nicht die mindeste Lust, darauf zu antworten. Es gab einige Gründe, warum er sich das antun wollte, oder eher fast musste. Tessaiga und Tenseiga waren die Erbstücke ihres Vaters. Und er wollte nicht tatenlos mit ansehen, wie auch nur eines von ihnen zerstört werden musste. Überdies waren sie, da hatten Jaken ausnahmsweise etwas Wahres gesagt, Zwillingsschwerter. Sie hingen irgendwie zusammen. Und wenn Tessaiga unkontrollierbar wurde…Ja, da war auch noch der dritte Grund. Er hatte bereits einmal gesehen, wie verrückt der Bastard wurde, wenn sein Youkaiblut nicht vom Schwert kontrolliert wurde. Und den wie einen tollwütigen Hund zu erschlagen war weder eine Herausforderung noch in Vaters Sinn. Und zum vierten: die Insel der Vier Jahreszeiten hatte einige lästige Sitten, da mochte der Hanyou nützlich sein. Aber er sagte nur: „Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.“

„Geh schon mit, Inuyasha“, meinte Sango begütigend: „Es scheint wirklich sehr wichtig zu sein. Du wolltest doch vorhin schon selbst dorthin gehen, sie mit uns suchen. Da kannst du das auch mit deinem Halbbruder zusammen erledigen.“ Und immerhin wäre ein Inuyoukai keine so schlechte Begleitung in unbekanntem Gelände. Überdies hatte ihn der Wasserdrachen erkannt. War Sesshoumaru also schon einmal auf dieser seltsamen Insel gewesen?

„Keh“, machte der Hanyou erneut: „Du bist mir keine Rechenschaft schuldig, stimmt. Aber ich habe auch keine Lust, mich dauernd von dir beleidigen zu lassen.“

„Dann sorge dafür, dass es keinen Grund gibt.“ Das konnte eine mühsame Reise werden. Nun, er hatte sich dazu entschieden und er würde seinem Entschluss Taten folgen lassen. Wie auch immer dieser Idiot sich dazu stellte.

Er würde diesem arroganten Köter schon zeigen, was er drauf hatte. Aber: „Du denkst schon daran, dass du Tessaiga nicht mal anfassen kannst.“

„Wenn ich es könnte, hätte ich mir diese sinnlose Rederei erspart.“

Jeder der Zuhörer wusste, dass er in diesem Fall das Schwert bereits genommen hätte.

„Na schön.“ Inuyasha war sich bewusst, dass es sehr wichtig sein musste, wenn sich sein ungeliebter Halbbruder derart benahm. Er begriff zwar immer noch nicht genau den Grund, aber das würde ja wohl hoffentlich irgendwann herauskommen. „Dann geht ihr zurück zur alten Kaede. Shippou wartet da ja auch auf Kagome. Sagt ihr, dass ich so schnell zurückkomme, wie es geht.“

„Machen wir.“ Miroku war erleichtert, dass dieser Sturkopf nachgab.
 

Izumi war unterdessen zurück zum Meer gegangen, in das Wasser gestiegen, bis es ihm zur Hüfte reichte. Dann nahm er seine schlangenähnliche, wahre Form an und hob die beiden Hände. Zwischen ihnen erschien eine durchsichtige Kugel, die in der Luft schwebte. Er ließ sie hinüber zum Ufer gleiten:

„Steigt ein, ihr beiden.“

„Was ist das denn?“ erkundigte sich der Hanyou misstrauisch. Aber da er sah, wie Sesshoumaru mit einem eleganten Satz dort hineinsprang und darin stehen blieb, folgte er. Er wollte sich doch keine Feigheit nachsagen lassen. Aber ihm dämmerte jetzt, dass sein Halbbruder anscheinend schon einmal hier gewesen war. Izumi hatte ihn erkannt und er wusste anscheinend, wie man von dem Wasserdrachen befördert wurde. Sollte er ihn fragen, was auf dieser Insel los war? Nein, beschloss er dann eigensinnig. Er hatte sich zu diesem gemeinsamen Ausflug überreden lassen. Aber das war auch alles.
 

Sango und Miroku sahen zu, wie sich Izumi abwandte, die schwebende Kugel mit den Halbbrüdern darin zwischen den Händen. Und dann tauchte der Wasserdrache ins Meer ab.
 

Inuyasha hielt unwillkürlich den Atem an, als er sah, dass er unter Wasser war, aber dann merkte er, dass das Unsinn war. Diese Kugel umhüllte ihn - und seinen Halbbruder - schützte sie vor dem Meer. Wie das der Wasserdrache wohl machte? Ein wenig neugierig blickte er sich um. Izumi war sofort auf Tiefe gegangen, tauchte immer weiter entlang des hier steil abfallenden Ufers. Der Hanyou erkannte um sich bunte Pflanzen und Tiere, wie er sie nie zuvor erblickt hatte. Fische, aber auch an dem Steilhang andere Wesen, die dort herumkrabbelten. Ein flüchtiger Seitenblick verriet ihm, dass Sesshoumaru sich nicht für diese vollkommen andere Welt interessierte. Oder zumindest sehr erfolgreich so tat. Der Hundeyoukai stand neben ihm und blickte nur voraus, in die schwarze Tiefe, die sich nun unter ihnen öffnete.

Der Wasserdrachen schwamm immer weiter in diese Unergründlichkeit. Und bald schon dämmerte es, ehe die letzten Strahlen der Sonne um sie erloschen. Es wurde dunkel. Kurz vibrierte die Kugel und die beiden darin spürten, dass die Reise deutlich langsamer wurde.

„Ist etwas, Izumi?“ fragte der Hanyou prompt: „Brauchst du eine Pause?“

„Es sind Strömungen, die diese Insel schützen“, erklärte der Wasserdrache, hörbar ein wenig außer Atem: „Niemand außer mir kommt hier hindurch und selbst ich muss bis auf den Meeresgrund tauchen, um den mächtigsten zu entgehen…“ Er brach lieber ab, um sich auf das Weitertauchen zu konzentrieren.
 

Inuyasha wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, ehe er spüren konnte, dass sie wieder bergauf schwammen, erkennen konnte, dass es wieder heller wurde. Erneut konnte er das fremdartige Leben es Meeres um sich entdecken, spürte dann den Wellengang.

„So“, meinte der Wasserdrache: „Sesshoumaru-sama, Inuyasha-sama. Ihr müsst nun diese Kugel verlassen.“ In diesem Moment durchstieß er die Wasseroberfläche.

Vor ihnen lag eine große Insel, direkt vor ihnen dicht mit Feldern und grünem Wald bewachsen, die sich die Anhöhen emporzogen. Dahinter dehnte sich ein gewaltiges Gebirge, soweit das Auge nach rechts und links reichte. Oben ragten schneebedeckte Wipfel bis in den Himmel. Weiter drüben erkannte der Hanyou eine weiße Stadt, die sich an den Vorhügel schmiegte. Eine Stadt? Irgendwie hatte er damit nicht gerechnet. Aber natürlich. Izumi hatte ja was von vier Ländern erzählt, von Kriegen. Hier wohnten wohl mehr und andere Leute, als er erwartet hatte. Erneut warf er einen neugierigen Blick auf seinen schweigsamen Halbbruder, der ohne weiteres Wort gerade den Satz aus der Kugel auf einen Felsen vor der Küste machte, weiter sprang. So folgte er ihm, willens, zu zeigen, dass er nicht unnütz war, nicht schwächer. Das konnte sowieso noch eine reizende Reise werden.
 

Izumi betrachtete die beiden noch für einen Augenblick, ehe er sich zurück in sein eigentliches Element gleiten ließ.
 

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Izumi hat viel geredet, aber manches auch nur angedeutet.

Im nächsten Kapitel lernt Inuyasha in der Bibliothek die Hauptsitte der Insel kennen - und Sesshoumaru stellt fest, dass man seiner Vergangenheit wiederbegegnen kann.
 

bye
 

hotep

Die Bibliothek

Es freut mich, dass ihr die beiden Hundebrüder wieder einmal auf einer Reise begleiten wollt.

Shisho bedeutet übrigens: Bibliothekar.
 

2. Die Bibliothek
 

Inuyasha sah sich neugierig um, als er neben seinem Halbbruder in Richtung auf die weiße Stadt ging. Das hier war also das Land des Frühlings? Er konnte den Namen sogar nachvollziehen. Felder, lichte Haine boten einen äußerst wohnlichen Anblick. In kleinen Teichen im lichten Schatten schienen Wesen zu baden, die er nicht identifizieren konnte, von denen er aber sicher war, dass er sie nie zuvor gesehen hatte. Um ein Haar hätte er seinen schweigenden Begleiter nach dem Namen gefragt, biss sich aber noch rechtzeitig auf die Zunge. Es war wirklich nicht notwendig, dass er dem arroganten Halbbruder bewies, wie wenig er wusste.

Sesshoumaru bemerkte, wie wissbegierig sich der Hanyou umblickte. Der würde sich noch wundern, dachte er. Als er mit Vater hier gewesen war, hatte auch er die Insel der Vier Jahreszeiten zunächst für einen sehr angenehmen Aufenthaltsort gehalten. Nun, diesmal könnte es sogar angenehmer für ihn selbst werden, mit ein Grund, warum er Inuyasha mitgenommen hatte. Aber das würde der schon noch merken.
 

Inuyasha entdeckte, dass die Wesen auf den Feldern und wohl auch in der Stadt keine Menschen waren, auch, wenn sie deren Form hatten. Youkai oder Oni oder sonst etwas? Aber eigentlich war es gleich. Alles, was er wollte war, diese Quelle des Lebens zu finden, Tessaigas Scheide zu baden und wieder zurück zu gehen, zu seinen Freunden und vor allem zu Kagome, die sicher morgen oder übermorgen aus ihrer Zeit zurückkommen würde. Je kürzer diese gemeinsame Reise mit seinem ungeliebten Halbbruder dauerte, desto besser.

„Du willst in die Stadt?“ fragte er dann doch. Er konnte sich nicht erinnern, den schon einmal in einem Gebäude gesehen zu haben.

Sollte er darauf antworten? Nun, es wäre wohl besser, ehe dieser dämliche Bastard aus seiner üblichen Unwissenheit Tessaiga nutzte: „Zur Bibliothek.“

„Äh…was?“

„Kannst du lesen?“

„Natürlich!“ fauchte der Jüngere prompt: „Aber was willst du da?“ Bibliothek? Was hatte das denn mit Scheiden baden zu tun?

Sollte er wirklich… „Der Bibliothekar ist der Herr der Stadt und des Landes. Er kann Auskunft geben.“

„Wo diese Quelle ist, gut. Dann geht es schnell.“ Diese Auskunft befriedigte den Hanyou ungemein.

Sesshoumaru wagte dagegen zu bezweifeln, dass selbst der Bibliothekar ein so gut gehütetes Geheimnis wie die Quelle des Lebens kannte. Aber womöglich konnte er zumindest Aufklärung geben, wer weiterhelfen könnte, dort im Land des Sommers jenseits der hohen Berge. Sein Blick glitt nachdenklich zum Gebirge.
 

Am Stadttor standen bewaffnete Krieger, die die beiden Neuankömmlinge musterten. Es waren Wildeber, mit gewaltigen Zähnen. Sowohl ihre Helme als auch ihre Schulterrüstungen trugen Dornen, die wohl dazu dienten, Schwerthiebe abzufangen, aber auch dazu, zu beeindrucken.

„Wohin wollt ihr?“ fragte einer.

Inuyasha wollte schon sagen, zur Bibliothek, als sein Halbbruder die Hand hob und leise knacken ließ – eine Kampfansage.

Seine Antwort bestand in einem Satz: „Aus dem Weg.“

Ein älterer Mann unter den Kriegern starrte ihn an, ehe er meinte: „Ich erinnere mich. Ihr wart bereits einmal hier, mit Eurem mächtigen Vater, nicht wahr? Ihr wollt gewiss in die Bibliothek?“ Und da keine Antwort kam: „Gebt den Weg frei für sie.“

Das war ja eigenartig, dachte Inuyasha. Die erinnerten sich an Sesshoumaru - und an Vater? Kamen hier so selten Besucher her oder war damals etwas vorgefallen? Aber das schien ja nur gut zu sein. Dann jedoch blickte er sich wieder neugierig um. In der Stadt lebten verschiedene Wesen, manche nur an den spitzen Ohren als un-menschlich zu erkennen, andere waren eindeutig Youkai der verschiedensten Rassen.

Der Weg vom Tor führte quer durch die Stadt, schnurgerade auf ein großes, weißes Gebäude zu, das von Säulen umgeben war. Stufen stiegen dort hinauf zu einem hölzernen Tor mit zwei großen Flügeln. Er vermutete, dass sich darin diese Bibliothek befinden würde – und behielt Recht. Niemand wunderte sich jedoch anscheinend über die Fremden.

Sesshoumaru schritt langsam die Treppen zur Büchersammlung empor. Er erinnerte sich nur ungern an das, was nun folgen würde. Aber diesmal wäre ja wohl Inuyasha fällig, nicht er. Einen hell gekleideten Mann fragte er: „Shisho?“

„Seine Exzellenz? Wollt Ihr mit ihm sprechen? Gar eine Auskunft?“

„Ja.“

„Kennt Ihr die Bedingung?“

„Ja.“

„Dann folgt mir bitte alle beide.“

Bedingung? Dachte der Hanyou. Was wollten diese Typen denn hier für eine einfache Auskunft haben?

Sesshoumaru bemerkte die Überraschung. Für einen Augenblick kämpfte er mit sich. Sollte er den Bastard vorwarnen? Was, wenn der auf die Warnung hin einfach fortgehen wollte? Sagte er allerdings nichts, würde der doch dann gehen, sich – und damit Vater und ihn - vor dem Bibliothekar blamieren. „Inuyasha.“

„Äh, ja?“ Selten genug wurde er angesprochen.

„Was immer der Bibliothekar dir für eine Aufgabe stellt – löse sie.“

„Nur ich? - Moment mal. Musstest du auch schon so was machen?“

Immer der Rangniedere. Aber Rang und Ehre war sicher nichts, was ein Halbblut verstehen würde. „Tue es.“

„Ja, schon klar…“

Der Ältere war ein wenig beruhigt – bis er erkannte, dass Inuyasha die Hand an Tessaiga legte. Nun gut. Ein Schwert würde ihm bei dieser Aufgabe kaum helfen, da war er sicher. Hoffentlich begriff dieser Idiot das auch. Ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, den hier mitzunehmen? Aber Tessaiga…ja, Tessaiga.
 

Sie wurden in einen Raum geführt, in dem eine Eidechse auf zwei Beinen stand. Das war Inuyashas Eindruck. Allerdings war es eine bemerkenswert große Eidechse, sicher so groß wie Sesshoumaru. Nichtsdestotrotz hatte sie spitze Zähne. Ihre Klauen blätterten allerdings liebevoll in den Papieren vor ihr auf dem Lesepult.

„Shisho.“

„Sesshoumaru-sama!“ Der Bibliothekar richtete sich auf, seine dunkelblaue Robe ein wenig ordnend. „Welche Überraschung. Ich habe Euch nicht mehr gesehen, seit Ihr mit Euren mächtigen Vater hier wart. Wünscht Ihr eine Auskunft?“ Sein Blick glitt zu dem Hanyou: „Ihr kennt die Bedingung. Soll diesmal Euer Sohn...nein, verzeiht, Euer jüngerer Bruder das übernehmen?“

„Ja.“

Beide Halbbrüder verrieten durch nichts ihren Schock, zumindest für einen Augenblick als Vater und Sohn betrachtet zu werden.

Der Bibliothekar nickte ein wenig: „Dann, junger Hund, gehe mit Tomar. Er wird dir zeigen, was du tun sollst. Sobald du die Aufgabe erfüllt hast, steht Euch meine Bibliothek zur Verfügung.“

„Kannst du nicht einfach so eine Frage beantworten?“ fragte der Hanyou mit gewissem Seufzen zurück.

„Natürlich nicht.“ Shishos Blick glitt rasch zu Sesshoumaru, ehe er sich wieder an den Jüngeren wandte: „Ich weiß nicht, wie das ist, wo du her kommst. Aber auf der Insel der Vier Jahreszeiten wirst du niemals etwas geschenkt bekommen.“

„Ja, schon gut….“ Der Hanyou wandte sich ab. Während er Tomar folgte, dachte er nach. War das der Haken? Der Grund, warum ihn Sesshoumaru praktisch aufgefordert hatte, mitzugehen? Damit er einen Idioten dabei hatte, der ihm die Unannehmlichkeiten aus dem Weg räumte? Immerhin hatte der Bibliothekar ja gemeint „diesmal“ sollte er als der Jüngere das tun. Hatte Sesshoumaru die Aufgabe lösen müssen, als er mit Vater hier war? Dann würde er das doch auch hinbekommen. „Wohin bringst du mich eigentlich?“ Sie verließen gerade die Bibliothek und sein Führer bog in eine Seitenstrasse.

„In den Schweinestall.“

Inuyasha schüttelte etwas den Kopf: „Und was soll ich da?“

„Ausmisten.“

Jetzt rang der Hanyou etwas nach Luft. „Ausmisten? Du meinst, das Stroh weg und so?“

„Ja.“

Gut, dachte Inuyasha, also, entweder war sein vorheriger Gedankengang vollkommen falsch gewesen, oder es gab noch einen Haken. Denn er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr Vater das seinem Sohn ohne guten Grund zugemutet hätte. Und eigentlich versagte seine Phantasie bei der Vorstellung überhaupt, dass Sesshoumaru mit einer Mistgabel umgehen konnte, und wenn sein Leben davon abhing. Nein, da musste noch etwas anderes sein.
 

Der Bibliothekar deutete neben sich: „Bitte, nehmt Platz, Sesshoumaru-sama. Ihr habt Eurem Bruder nicht gesagt, was ihn erwartet?“

„Halbbruder.“ Aber der Hundeyoukai setzte sich.

„Aber ein Sohn Eures mächtigen Vaters. Er ist wohl verstorben? Er war ein sehr gelehrter Mann, das muss ich sagen. Und Ihr seid somit nun...“ Aber Shisho erkannte, dass sein Besucher nicht zu einer Unterhaltung aufgelegt war und so schwieg er lieber. Seine Gedanken glitten jedoch in die Vergangenheit, als der Inu no Taishou mit seinem Sohn für einige Tage auf dieser Insel gewesen war, zunächst bei ihm und dann im Land des Sommers, um Wissen zu sammeln. Er selbst hatte damals schon vermutet, dass Sesshoumaru eigentlich nicht wusste, was sein Vater hier suchte. Ob der Inu no Taishou je herausgefunden hatte, was es mit dem Pfad der Dunkelheit alles auf sich hatte? Aber der Bibliothekar wusste, dass ihn das nichts anging.
 

Am Stadtrand blieb Tomar vor einem großen Haus stehen: „Dies hier ist der Schweinestall. Wir werden nun die Tiere hinaus auf die Weiden treiben. Warte hier.“

„Das ist ein Stall?“ Inuyasha wusste, dass er ziemlich dumm klingen musste, aber bislang hatte er Gebäude dieser Bauart und Größe eher als Schloss bezeichnet. Den auszumisten würde ja Jahre dauern…

Nein, sicher gab es eine andere Lösung dieser Aufgabe. Er musste nur daran denken, dass Sesshoumaru es geschafft hatte. Er sah zu, wie Tomar mit andern sprach, diese die Schweine auf eine riesige Wiese trieben. Das waren hunderte. Was machten die hier nur mit den ganzen Tieren? Essen? Nun gut, von irgendwas mussten wohl auch die Wesen hier leben. Sein Geruchssinn verriet ihm jedenfalls nur zu deutlich, dass der Stall wirklich ausgemistet gehörte.

Tomar kehrte zurück: „Komm nun.“

Inuyasha rieb sich über seine Nase, aber er hatte keine Wahl, als zu folgen. Je näher er dem Stall kam - und als sie gar hinein gingen - wurde seine arme Hundenase nur noch mehr malträtiert. Das war ja...

„Macht ihr denn hier nie sauber?“ entfuhr es ihm.

„Das ist ein Problem. Und darum sind wir immer froh, wenn jemand unsere Bibliothek befragen will. Exzellenz Shisho verfügt über die größte Sammlung von Wissen der gesamten Insel, so dass auch aus den anderen Ländern Wesen hierher kommen.“ Tomar blieb stehen: „Und wer eine Auskunft will, muss dies erledigen.“ Er deutete auf die gigantische Halle vor ihnen, dann auf Mistgabeln, die an der Wand lehnten: „Ich gebe zu, dass Wesen mit mehreren Armen hier im Vorteil sind, das geht schneller. – Ich verlasse dich nun. Wenn du fertig bist, komm hinaus.“

Und Sesshoumaru hatte das getan? Unglaublich. „Äh...gibt es noch etwas, das ich beachten muss?“

„Der Mist gehört dort…“ Tomar deutete geradeaus: „Durch das große Portal gebracht. Dazu dienen in der Regel diese Wagen, die du hier siehst. Kleiner Tipp: der letzte Prüfling hat alle beladen und auf einmal durchgezogen. Er war ziemlich stark.“

Irrte sich Inuyasha oder klang das ein wenig spöttisch? Aber das bezog sich doch wohl kaum auf seinen Halbbruder. Nein. Irgendwo gab es etwas, das diese Idioten nicht sagten, man aber tun konnte, da war er sicher. Und Sesshoumaru hatte diesen Trick bestimmt gefunden.

Er bemerkte, dass Tomar ging. Und jetzt? Der Hanyou rieb sich erneut die Nase. Für seinen Halbbruder musste das noch schlimmer gewesen sein. Also war der mit Sicherheit schnell fertig geworden.

Eigenartig. Gewöhnlich hätte er einfach angefangen zu schaufeln, um rasch hier wieder rauszukommen, die Wagen zu dem Tor gezogen, so, wie das dieser Tomar gesagt hatte. Und nur, weil er sicher war, der ach so tolle Herr Hundeyoukai würde niemals eine Mistgabel anfassen, dachte er nun gründlich nach. Er sollte sich doch mal den anderen Ausgang ansehen…

So sprang er mit drei Sätzen zum anderen Ende, öffnete das Portal, so weit es ging, um erst einmal ein bisschen frischere Luft hinein zu lassen. Dahinter dehnte sich eine zweite Ebene, ähnlich der Wiese, auf der sich nun die Schweine befanden. Mehr oder weniger ungeordnet lag der Mist bis zu drei Meter hoch. Na toll.

Hier sollte man doch wirklich mit Tessaiga dreinschlagen!

Mit Tessaiga?

Der Hanyou legte nachdenklich die Hand an den Schwertgriff, spürte dessen Vibrieren. Er sollte hier ausmisten. Das war die Aufgabe. Das Wie hatte ihm niemand befohlen. Und dass dieser Tipp von Tomar keiner in dem Sinn gewesen war, da war er sicher. Hm. Sesshoumaru wäre durchaus in der Lage, in seiner wahren Gestalt, aber auch wohl so, mit dieser ätzenden, grünen Giftsäure den Mist buchstäblich verschwinden zu lassen. Dann wäre er ziemlich rasch fertig geworden und der Stall wäre sauber gewesen. Das könnte ein ordentliches Kaze no Kizu doch auch erreichen. Mit ein bisschen Glück – und gut gezielt, landete der Mist hier draußen. So lief er an den Beginn des Stalles zurück und zog.
 

Sesshoumaru verriet durch nichts, dass er ein wenig angespannt war. Vielleicht hätte er doch Inuyasha sagen sollen, um was es bei dem Handel ging. Nun gut, er war auch ohne Vorwarnung hineingeschickt worden. Aber er war eben auch ein vollwertiger Hundeyoukai und das ein dämlicher Bastard. Im Zweifel würde der tatsächlich Schaufel um Schaufel hinaustragen. Das würde dauern. Immerhin konnte er sicher sein, dass der Hanyou zu starrköpfig war, um aufzugeben. Er würde also die Auskünfte aus der Bibliothek erhalten.

Shisho musterte ihn. Es war offensichtlich, dass die beiden Söhne des mächtigen Inu no Taishou nicht ohne Grund auf die Insel der Vier Jahreszeiten gekommen waren. Ohne sehr guten Grund, denn die Risiken dieser Gegend sollten zumindest dem Älteren bewusst sein. Und einen Stall ausmisten war eine Unannehmlichkeit, die sich von den eigentlichen Gefahren der Insel noch stark abhob. Aber fragen? Sesshoumaru wirkte nicht sehr gesprächig. Das waren also Halbbrüder? Dann war die Mutter des zweiten also eine Menschenfrau gewesen. Interessant. Ob seine Bibliothek auch etwas zum Thema Hanyou zwischen Menschen und Daiyoukai enthielt? Bestimmt. Immerhin konnte er sie nun um die Erkenntnis ergänzen, dass ein solches Kind überleben konnte. Soweit er wusste, waren Hanyou insgesamt nicht sehr häufig, kamen aber immer wieder vor, dort im Lande jenseits des Meeres. Nur dort, leider.

Er sah auf, als die Tür geöffnet wurde, Tomar und Inuyasha hereinkamen. Der Letztere wirkte ein wenig verlegen.

„Nun?“ fragte der Bibliothekar.

„Der Stall ist ausgemistet, Euer Exzellenz. – Ich lasse Bauarbeiter kommen.“ Tomar verneigte sich und verschwand.

„Bauarbeiter?“ Shisho musterte den Prüfling.

Inuyasha rieb sich ein Ohr: „Ich habe ein wenig daneben gezielt. Das Tor ist jetzt doppelt so breit…Aber Tomar meinte, das mache nichts, “ fügte er eilig hinzu.

„Nicht, solange der Stall ausgemistet ist und noch steht. – Setz dich.“

Daneben gezielt? Sesshoumaru war ein wenig verwundert, ehe er begriff. Tessaiga! Dieser hirnlose Bastard hatte es gewagt, das mächtigste Schwert, das die Welt je gesehen hatte, dazu zu verwenden, einen Schweinestall auszumisten? „Dämlicher Mischling!“

„Ach ja“, fauchte Inuyasha prompt: „Hast du dich etwa hingestellt und Mistgabel für Mistgabel rausgetragen?“

Natürlich nicht. Nun gut. Dem Halbblut fehlten eben gewisse Fähigkeiten. „Die Bedingung wurde erfüllt, Shisho.“

„Ja. Damit steht Euch meine Bibliothek zur Verfügung. Was wollt Ihr wissen, Sesshoumaru-sama?“ Ach nein. Verstanden sich die Halbbrüder etwa nicht sonderlich? Und reisten dennoch gemeinsam? Es musste wichtig sein, in der Tat.

„Die Quelle des Lebens.“

„Das weiß auch ich nicht. Ihr wollt sie suchen? – Nun, sie soll in dem Gebirge liegen, das das Mirtal nach Norden begrenzt. Mirtal ist der Name für das Land des Sommers. Welcher Stamm auch immer sie hütet, tut es sehr sorgfältig. Weiter helfen kann Euch wohl nur jemand in der Hauptstadt des Mirtal. Wer, weiß ich nicht. Aber um dorthin zu gelangen, müsst Ihr erst einmal das Gebirge überqueren, das hier hinter uns liegt. Ihr wart bereits dort, Sesshoumaru-sama.“

„Diese Höhle.“

„Ja. Allerdings würde ich Euch nicht raten, sie erneut zu benutzen. Es hat sich einiges verändert, seit Ihr zuletzt hier wart. Und es kamen schon lange keine Besucher mehr über die Berge auf diesem Weg hierher. Ich hörte von einigen meiner Leute, die dort jagten, dass andere in den Höhlen von Karu verschollen sind. Keiner kehrte je zurück. – Der andere Weg von hier über die Berge in das Mirtal ist allerdings mit Sicherheit gefährlich. Er führt durch das Gebiet der Harpyien. Diese wären zwar begeistert, zwei junge Youkai zu fangen, aber dies dürfte kaum in Eurem Sinn sein.“

„Keh“, machte Inuyasha: „Wer uns in den Weg kommt, stirbt.“

Shisho lächelte ein wenig. Eine solche Ansage hatte damals auch sein Halbbruder getroffen: „Unterschätze die Wesen dieser Insel nicht. – Alle anderen Wege sind Umwege und ich bin sicher, Ihr wollt diese Quelle finden, so rasch es geht.“ Er erhob sich: „Ich hole eine Landkarte der Insel, vor allem des Mirtal.“

Kurz darauf rollte er sie vor Sesshoumaru aus. Inuyasha erkannte, dass Gebirge eingezeichnet waren, die sich wie ein Viereck um das Land im Inneren der Insel zogen. So, wie das der Wasserdrache gesagt hatte, musste das das Land des Sommers ein, oder Mirtal, wie es der Bibliothekar genannt hatte. Dieser deutete darauf:

„Hier ist unsere Stadt. Wenn Ihr nun hinauf in die Berge wandert, seid ihr ungefähr bis hierher sicher. Dort endet unser Einflussgebiet. Das ist die Schlucht, die zu den Höhlen von Karu führt. Aber wenn Ihr diesen Weg wählt, so wählt ihr Gefahren, die ich Euch nicht sagen kann. Der andere Weg führt hier entlang, direkt auf die Gipfel zu. Aber dies ist das Gebiet der Harpyien. Und sie töten Fremde, die sich ihrem Horst nähern. – Dies ist Mirtal, das ehemalige Land des Sommers. Und hier ist die Hauptstadt. Sie nennen sie nur „die Stadt“. Sie liegt am einzigen Gewässer, einem Fluss, der noch ein Stück weit an der Oberfläche liegt. Dorthin kommen auch immer wieder Karawanen der Stämme. So könntet Ihr dort jemanden finden, der Euch weiterhelfen kann.“ Mit einem Seitenblick auf Inuyasha ergänzte er: „Natürlich niemals ohne Gegenleistung.“

Der verzog das Gesicht: „Na, toll. Und immer ich?“

„Das ist Sache der Vertragspartner.“

„Sag mal, dieses Land des Herbstes hat doch schon Krieg geführt? Wo ist das?“

„Hier im Süden. Sie besitzen ja keine Cassana….“

„Keine …was?“

„Cassana nennt man die Frauen, deren magische Eigenschaften es ihnen ermöglichen, das Wasser unter der Erde zu finden. Sie suchen sie auf dem Land jenseits des Meeres. Zuletzt vergeblich.“

„Und entführten sie.“

„Ich sagte schon, diese Insel ist gefährlich.“ Der Bibliothekar nickte ein wenig: „Aber ich glaube nicht, dass Ihr mit Leuten von dort in Kontakt kommt. Wie bereits erwähnt, nach Gerüchten liegt die Quelle des Lebens im Norden, wohl hier, in diesem Gebirge. Das Land des Herbstes ist im Süden. Aber die Stämme des Mirtal, das Klima und die anderen Wesen dort werden Euch genug Probleme bereiten. – Nicht wahr, Sesshoumaru-sama? Obwohl, Ihr wart damals ja nur in der Stadt, wo Euer mächtiger Vater…“

„Sei still!“ kam es prompt von Sesshoumaru, sehr zu Inuyashas Leidwesen. Er hätte gern etwas mehr über seinen Vater erfahren.

„Ihr wollt nichts über die Vergangenheit hören, also nichts aus ihr lernen?“ Der Bibliothekar wunderte sich ein wenig: „Bedenkt, dass Ihr dann dazu verurteilt seid, sie zu wiederholen.“

Das wollte Sesshoumaru dann doch nicht hoffen.
 

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Der Herr Hundeyoukai unterliegt schon zwei Irrtümern: die Vergangenheit mag durchaus eine Rolle spielen - und es ist durchaus nicht gesagt, dass er nicht von Bedingungshandeln betroffen wird.

Im nächsten Kapitel lernen die beiden schon einmal die "kleineren" Hindernisse auf dem Weg zu den Höhlen von Karu kennen.
 

bye
 

hotep

Auf dem Weg über das Gebirge

Der Bibliothekar konnte den Halbbrüdern ja nicht wirklich weiterhelfen, warnte sie jedoch vor den Gefahren des Gebirges. Zu Recht?
 

So many times, it happens too fast

You change your passion for glory

Don't lose your grip on the dreams of the past

You must fight just to keep them alive
 

Eye of the tiger, Scorpions
 


 

3. Auf dem Weg über das Gebirge
 

Nachdem der Bibliothekar nochmals versichert hatte, keine Ahnung zu haben, wo sich die Quelle des Lebens befinden könnte, sahen die Halbbrüder selten einig nicht den geringsten Anlass, sich noch länger hier aufzuhalten. So machten sie sich ohne Abschied auf den Weg, aus der Stadt, die Vorhügel empor, hinauf in das Gebirge.

Sesshoumaru war entschlossen, den Weg durch die Höhlen von Karu zu nehmen, wie damals als kaum Halbwüchsiger mit seinem Vater, gleich, welche Gefahren es nun dort geben mochte. Er war schließlich kein Irgendwer und nun erwachsen, und würde gewiss mit allem fertig werden, was sich in den vergangenen Jahren dort angesiedelt hatte. Soweit er sich entsann, war dies der kürzeste Weg auf die andere Seite des Gebirges. Folglich war alles andere Zeitverschwendung.

Er warf einen unwillkürlichen Blick an seine linke Seite, wo Inuyasha ging. War diesem Bastard eigentlich bewusst, was er da tat? Betrachtete der sich wirklich als gleichrangig? Irgendwo konnte er es nicht glauben. Vermutlich hatte der einfach keine Ahnung von der Höflichkeit, die man älteren Familienmitgliedern gewöhnlich zollte. Für einen Moment stieg in ihm der Einfall auf, was wohl seine Mutter dazu sagen würde, würde er ihr das Halbblut zur höfischen Erziehung schicken. Aber das könnte vermutlich kaum gut gehen.
 

Inuyasha blickte sich wieder neugierig um. Noch gab es hier Felder, aber sie wurden weniger, während die Bäume zunahmen. Weiter oben schien es gar keine Äcker mehr zu geben. Irgendwo dort musste das Einflussgebiet des Bibliothekars enden, wie auch immer das zu verstehen war. Außer den paar Kriegern am Stadttor hatte er keinerlei Bewaffnete gesehen. Allerdings wusste er aus Erfahrung nur zu gut, dass es auch andere Methoden gab, sich zu verteidigen, nicht zuletzt Magie. Aber im Grunde würde ihn etwas anderes viel mehr interessieren: „Warum war Vater eigentlich hier?“

Das hatte er, Sesshoumaru, sich selbst schon damals gefragt, ohne dass es ihn freilich sonderlich interessiert hatte. Heute nahm er an, dass es um Verbesserungen an den Schwertern Tessaiga und Tenseiga gegangen war. Aber ihre Eigenschaften mussten sie ja bereits zuvor besessen haben, schon als Toutousai sie herstellte. Dennoch hatte sein verehrter Vater mit diesem Schmied in der Stadt drüben im Mirtal viel gesprochen, auch mit dem Bibliothekar, ja, war auf deren dämliche Bedingungen eingegangen.

Der Jüngere sah seitwärts. Wusste es Sesshoumaru etwa nicht? Oder wollte er nur seinen Atem nicht weiter an einen Hanyou verschwenden? Beides war möglich. Immerhin hatte er zuvor ihm ja doch schon einige Hinweise gegeben.
 

Der Wald veränderte sich. Die Laubbäume verschwanden und wurden durch Nadelbäume ersetzt, und der Weg, dem sie bislang gefolgt waren, endete auf einer Lichtung. Eindeutig hörte hier der Einfluss des Bibliothekars auf. Nun würde es gefährlicher werden, wobei keiner der Hundebrüder auch nur einen Gedanken daran verschwendete, zu sicher, mit allem fertig werden zu können.

So wanderten sie nebeneinander, wenn auch schweigend, ohne Pfad weiter. Sesshoumaru redete nicht, wenn es nichts zu sagen gab, und Inuyasha wollte sich eine Anrede wie „dämlicher Hanyou“ nur zu gern ersparen. Rechts und links von ihnen schimmerten immer größere Kalkfelsen aus dem Boden, durch den lichter werdenden Wald. Bald würden wohl gar keine Bäume mehr wachsen.

Seltsam still war es hier, befand der Hanyou plötzlich. Kein Vogel sang, kein Zweig knackte unter einem Tier. Unwillkürlich versuchte er zu wittern, legte die Hand an sein Schwert. Aber die Gerüche auf dieser Insel waren ungewohnt. Eine Gefahr war so nicht zu erkennen.

Sein Halbbruder hatte bemerkt, dass der Jüngere angespannt wurde. Auch seine Sinne vermochten nichts zu entdecken, aber er musste, wenn auch ungern, zugeben, dass das Halbblut Recht hatte. Irgendetwas war hier, das die Geräusche des Waldes verstummen ließ. Nur, was?

Vor ihnen stiegen steil die ersten Klippen des eigentlichen Gebirges auf, bildeten einen trichterförmigen Bergeinschnitt. Soweit sich Sesshoumaru erinnern konnte, musste man diesem folgen, ehe man zu einer Art kreisrundem Tal gelangte. Dort begann das Schluchtensystem, das zu den Höhlen von Karu führte. Wandte man sich da nach links, nach Norden, würde man in das Gebiet der Harpyien kommen.
 

Sie erreichten gerade den Beginn des Bergeinschnittes, als unvermutet die Falle zuschnappte. Scheinbar aus dem Nichts schossen Fangarme auf sie zu, von der Seite und von oben. Unwillkürlich sprangen die Halbbrüder empor, schlugen mit den Klauen zu und zerteilten einige davon. Dabei stellten sie schmerzhaft fest, dass diese mit Nesseln bewehrt waren.

„Mistvieh!“ knurrte Inuyasha denn auch, nur um fast erschreckt festzustellen, dass aus den Fangarmen, die er soeben zerfetzt hatte, unverzüglich zwei neue entstanden. Er wollte noch sagen: wir müssen hier weg, als er bemerkte, dass der Hundeyoukai bereits nach vorne sprang. So folgte er diesem Beispiel.

Genau das hatte das Wesen beabsichtigt. Ehe die Halbbrüder die Falle erkennen konnten, öffnete sich unter ihnen der Boden und sie fielen in ein Loch, das mit Flüssigkeit gefüllt war. Fast unverzüglich schlossen sich über ihnen die Fangarme, verdeckten den Himmel, um ein Entkommen zu verhindern.

„Igitt“, machte der Hanyou, der sich bis zur Taille in der Flüssigkeit wieder fand und sich nur mit dem Anblick seines gewöhnlich so ordentlich aussehenden Halbbruders tröstete, dem das nicht anders erging. „Das meint dieses Vieh doch nicht im Ernst…“ Er zog Tessaiga.

Sesshoumaru schwieg dazu, nahm auch selbst kein Schwert zur Hand. Es genügte, wenn das Halbblut etwas unternahm, wozu Kraft in einem sinnlosen Versuch verschwenden.

„Kaze no Kizu!“

Die Macht der Windnarbe raste empor und zerfetzte einen Teil der Fangarme, die sich unverzüglich zu regenerieren begannen - in der doppelten Anzahl. Dieses Wachstum verlief so schnell, dass selbst die beiden Hundebrüder keine Chance sahen, hinausspringen zu können.

„Mist“, murmelte Inuyasha denn auch: „Das wird ja noch mehr und dichter...“ Und jeder einzelne Fangarm war mit Nesseln gespickt, die sich ihnen schon schmerzhaft vorgestellt hatten. „Kannst du dieses Mistvieh nicht ins Jenseits befördern? Mit dem Meidou?“

Was für eine Idee! „Da wir uns in ihm befinden, würden wir ebenfalls dort landen.“ Warum erklärte er es ihm eigentlich? Sie mussten jedoch irgendetwas unternehmen, das war klar. Wenn ihn seine Nase nicht trog, war die Flüssigkeit, in der sie standen, zur Verdauung der Beute gedacht.

Dies war auch Inuyasha bewusst: „Dann lass dir mal was Besseres einfallen, nii-chan.“

Unter normalen Umständen hätte ihm diese Anrede mindestens einen Fausthieb eingebracht, erkannten beide.

So kam allerdings nur die sachliche Anweisung: „Schlag einen einzelnen Fangarm ab.“ Weder Klaue noch Dokka-so wirkten gegen die unverletzte Haut des Wesens, dessen war er sich bewusst.

„Und dann?“

Sesshoumaru hob statt einer Antwort die Hand, die im Halbdunkel ihres Gefängnisses grünlich aufleuchtete.

Also wollte er sein Gift einsetzen, um zu verhindern, dass der Fangarm nachwachsen konnte, sich wieder verdoppelte. Nun, einen Versuch war es wert, zumal der Hanyou an seinen bloßen Füssen bereits spürte, dass ihn das Wesen verdauen wollte. So sprang er empor und setzte nur Stahl und Kraft gegen einen Fangarm ein. Während er zurück in die Flüssigkeit fiel, stieg Sesshoumaru an ihm vorbei und blieb oben schweben, während er die giftige, ätzende Säure gegen den verletzten Fangarm sprühen ließ.

„Na also, “ meinte Inuyasha, als er erkannte, dass sich das Wesen zumindest an dieser Stelle nicht regenerieren konnte. So machte er erneut den Satz empor, um einen weiteren Arm abzuschlagen. Irgendwie war es zwar verdrießlich, dass er hier wie ein Ball auf und abhopsen musste, während der Herr Halbbruder da oben schwebte, aber er konnte eben nicht fliegen. Immerhin klebte auch die weite Hakama momentan geradezu peinlich eng an diesem. Und freiwillig schien dieses Mistvieh sie nicht gehen lassen zu wollen.
 

Nur Minuten später war das Loch in den Fangarmen groß genug, dass die Hundebrüder hindurch konnten und auf sicherem Grund landeten. Für einen Moment betrachteten sie noch die Glieder auf dem Boden, die sich nun erst rasch in die Erde zurückzogen, ehe Inuyasha Tessaiga zurück in die Scheide schob. Was für eine nette Gegend das hier war. Langsam verstand er, warum der Bibliothekar gemeint hatte, der Weg über das Gebirge sei gefährlich.
 

Sesshoumaru hatte einen ähnlichen Gedankengang. Derartige Wesen hatten hier früher nicht existiert, und es war davon auszugehen, dass es in der Tat noch andere Überraschungen geben konnte. Dabei waren die Probleme, die sie in der Hauptstadt des Mirtal erwarten mochten, groß genug. Er entsann sich nur äußerst ungern des Kampfes in der dortigen Arena. Und er würde sich eher vierteilen lassen, als seine ungewohnten Gefühle dort irgendjemandem gegenüber zuzugeben. Natürlich hatte sein mächtiger Vater gewonnen, aber zum ersten Mal in seinem Leben war damals die eisige Furcht in ihm selbst aufgetaucht, er könne es nicht schaffen, sie würden beide sterben. Die Magie dieses Kampfplatzes hatte es in sich.

Nun, wenn es irgend ging, würde er auf sie verzichten. Immerhin wollte er ja nichts von dem Schmied, wie Vater damals. Der hatte zur Bedingung für Antworten gemacht, dass sich der Inu no Taishou der Arena und ihren Kämpfen stellte.

Bei ihrer Rückkehr in das Land des Frühlings hatte der Bibliothekar ihnen dann erstaunt erzählt, dass dies kaum je einer in Jahrtausenden überlebt hätte – und sich dem Sieger des legendären Seelenturniers unterworfen.
 

Das trichterförmige Tal wurde immer enger, während die weißen Steinwände immer höher wurden. Bald schon konnten die Wanderer nicht mehr erkennen, was oben war. Entsprechend vorsichtig wurden sie, suchten in Geräuschen und Witterungen nach weiteren Gefahren. Aber dies war eine vollkommen fremde Umgebung und das Wesen zuvor hatte nur zu deutlich gemacht, dass manche Risiken so nicht zu erkennen waren. Daher hielten sie auch Boden und Felswände im Auge, um Bewegungen rechtzeitig zu erkennen. Es war nicht gesagt, dass dieses seltsame Fallenwesen das Einzige seiner Art war.

Inuyasha blickte wieder einmal empor: „Es wird langsam dunkel. Kannst du dich erinnern, wie lange es noch zu diesen Höhlen dauert?“

Dem Hundeyoukai wurde bewusst, dass es für das Halbblut anscheinend einen erheblichen Unterschied bedeutete, ob es Tag oder Nacht sei. Nun gut. Halber Dämon, eben: „Wir gehen weiter.“ Wollte der etwa Pause machen?

„Ja, klar“, fauchte der Hanyou prompt: „Glaubst du, ich will eine Mütze voll Schlaf nehmen? Beantworte bloß nicht meine Fragen, das wäre ja auch zu brüderlich!“

„Warum fragst du dann?“

„Weil mir die Idee kam, dass sich nachts hier vielleicht andere Wesen herumtreiben als am Tag.“

„Du und eine Idee?“ Das klang ungläubig: „Noch dazu eine richtige.“

„Keh!“ Was für ein netter Reisegefährte! Am liebsten würde er diesem Mistkerl einmal die Windnarbe um die Ohren schlagen…Aber immerhin war das der Einzige, der sich hier auskannte und womöglich noch irgendeine Ahnung hatte, wen man nach dieser dämlichen Quelle fragen konnte. Die Alternative dazu bedeutete die Gefahr, dass er zu einem wahnsinnigen Mörder wurde, der alles abschlachtete, das er sah. Und das war wirklich keine Wahlmöglichkeit. „Du wirst noch froh sein, dass du mich dabei hast!“ ergänzte er nur hart.

Sesshoumaru wollte schon „Niemals“ sagen, aber dann dachte er daran, dass er selbst nicht wusste, was es hier an neuen Gefahren gab. Und da mochte Tessaiga eine gute Hilfe sein. „Ich weiß, dass Tessaiga nützlich ist“, gab er nur zurück.

Das Schwert, nicht der eigene Bruder, na schön, Halbbruder. Inuyasha konnte nicht verhindern, dass er sich verletzt fühlte, aber er verdrängte das nur zu bekannte Gefühl. Nein. Irgendwann würde er diesem arroganten Hund zeigen, dass er etwas wert war, dass er nicht nutzlos war. „Immerhin etwas“, antwortete er bloß.
 

Die Dämmerung war langsam der Nacht gewichen, als die Hundebrüder instinktiv stehen blieben. Beide hatten etwas gehört. Aber nicht einmal Sesshoumaru konnte etwas riechen.

„Da ist was...“ flüsterte Inuyasha unbeabsichtigt, die Hand am Schwert. Im nächsten Moment ärgerte er sich darüber. Das hier war nicht Kagome, mit der er unterwegs war, sondern der arrogante Herr Hundeyoukai.

Was für eine sinnvolle Bemerkung, dachte der Ältere unwillkürlich. Aber das Halbblut hatte Recht. Irgendwo um sie war eine Lebensform, die er nicht einordnen konnte. Es war nichts zu wittern, außer den Felsen um sie herum, aber die erste Falle, in die sie gestürzt waren, hatte auch keinen spezifischen Geruch gehabt. Auf der Insel der Vier Jahreszeiten gab es einige seltsame Wesen, die sonst nirgendwo existierten.
 

Im nächsten Moment war ein Surren um sie, als ob sich tausende Mücken auf sie stürzen würden, dann fanden sie sich eingehüllt in einen gewaltigen Schwarm fliegender Wesen, die um sie wirbelten und versuchten, sich auf sie zu setzen. Wo es ihnen gelang, stachen sie unverzüglich zu.

Inuyasha spürte im Schutz seines Gewandes aus Feuerrattenhaaren die Stiche nur an den Händen und im Gesicht, an seinen Ohren, aber das tat weh genug. Sesshoumaru wurde durch seine Rüstung abgeschirmt, selbst die Kleidung war hilfreich, aber er begriff, dass diese Wesen nicht auf diese Art versuchten, ihm Gift einzuflössen, sondern sein Blut zu trinken. Mehrere Klauenangriffe verschafften ein wenig Erleichterung, aber diese Kreaturen waren zu klein und zu flink, um wirklich etwas ausrichten zu können. Sie waren einfach auch zu viele. Wie ungemein lästig.

„Das sind Steinflöhe!“ keuchte Inuyasha plötzlich: „Verdammt, lass uns abhauen!“ Er selbst rannte schon los.

Abhauen? Fliehen? Der Hundeyoukai zögerte für einen Moment, ehe er beschloss, dass dies ja kein Kampf war, aus dem eine Flucht schändlich wäre, sondern nur ein Rückzug vor Ungeziefer. So folgte er dem Jüngeren. Überdies, woher wusste der den Namen dieser Flöhe?
 

Fast tausend Schritte später blieben die beiden halten, als sie das Surren des Schwarms nicht mehr hören konnten. Inuyasha rieb seine Ohren, um den Rest der Steinflöhe von ihnen zu bekommen. Sie schienen sie heiß und innig geliebt zu haben, hatten sie sich doch vorrangig darauf gestürzt. Immer seine armen Ohren…

„Steinflöhe.“ Sesshoumaru hätte eher sonst etwas getan, als nachzufragen, was es mit diesen Wesen auf sich habe und woher sein Halbbruder davon wisse.

Dem war das klar. Aber er war trotz allem zu hilfsbereit, um nicht dennoch zu antworten: „Ich bin ihnen mal begegnet, weit im Norden, als ich noch fast ein Kind war. Myouga nannte sie Steinflöhe. Sie wohnen in Felsen und er meinte, sie können dort ziemlich lange unauffällig leben. Aber wenn dann irgendein Lebewesen, egal, ob Mensch, Tier oder Youkai vorbeikommt, überfallen sie es und trinken sein Blut. Solange, wohlgemerkt, bis es keins mehr hat.“

Myouga hatte mal etwas erklärt und war bei einem derartigen Überfall dabei gewesen? Das klang fast unglaubwürdig.

Der Hanyou fuhr nachdenklich fort: „Er fand mich in ziemlich miesem Zustand, aber ich habe es ja überlebt.“ Und das, so hatte er nicht nur da gelernt, war alles, was zählte.

Zum ersten Mal fragte sich der Hundeyoukai, was sein jüngerer Halbbruder in seinen Kindertagen so alles erlebt hatte. Aber er wandte sich nur zum Gehen. Das konnte ihm gleich sein. Wie er erwartet hatte, war Inuyasha unverzüglich an seiner linken Seite. Immerhin beachtete das törichte Halbblut, dass er so seinen Schwertarm frei hatte. Inuyasha freilich müsste sich im Falle eines Überfalls drehen.
 

„Die Steinflöhe haben im Pass zu den Höhlen von Karu etwas angegriffen, Megaira.“

„Tiere, Youkai oder Menschen?“

„Ich bin mir nicht sicher. Ich flog sehr hoch. Aber sie scheinen ihnen entkommen zu sein.“

„Sie?“

„Zwei Zweibeiner mit weißen Haaren.“

„Dann sind es Youkai. Menschen wären nicht schnell und stark genug, um den Steinflöhen zu entkommen. Schon lange hatten wir keine derartigen Besucher mehr. Wir wollen ihnen ein nettes Willkommen bereiten. – Gib Alarm, dass sich jemand unserem Horst nähert.“
 

Die ersten Strahlen der Morgendämmerung boten gerade genug Licht, um den Hundebrüdern zu zeigen, dass sie sich in einem fast kreisrunden Talkessel befanden. Geradezu führte eine schmale Schlucht tiefer in das Gebirge. Sesshoumaru entsann sich, dass dies der Weg zu den Höhlen von Karu sein musste. Linker Hand öffnete sich ein weites, grünes Tal, scheinbar harmlos und einlandend, aber das würde sich bald ändern, führte es doch in das Gebiet, das die Harpyien für sich beanspruchten. Er hatte nur gehört, dass dies durchaus respektable Gegnerinnen sein konnten, nun, sicher kaum für ihn.

Ein schriller Vogelschrei ließ die Halbbrüder stehen bleiben, zumal, als er von der anderen Seite des Talkessels erwidert wurde. Sie blickten sich um.

„Wer ist das denn?“ fragte der Hanyou niemand Bestimmten, als er das Halbwesen entdeckte, das soeben in der Mitte des breiteren Talausgang landete und die Flügel einzog. So etwas hatte er noch nie gesehen. Es war ein Vogel, ja, ein sehr großer Vogel. Aber ab der Brust aufwärts war es eindeutig ein weiblicher Mensch…Nein, das nun gerade wohl kaum. Aber es sah aus wie eine Frau. Die Brust wurde von einer Rüstung bedeckt. Zwischen der menschlichen Seite und dem Vogelkörper spannte sich ein Ledergürtel, ab dem ein Schwert hing. Eine Hand hatte das Wesen an dessen Griff gelegt. Und, wenn er das so richtig einschätzen konnte, bot das stählern leuchtende Federgewand einen guten Schutz gegen feindliche Angriffe. Er hatte nicht mit einer Antwort gerechnet. So blickte er erstaunt seitwärts, als Sesshoumaru erwiderte:

„Eine Harpyie.“

„Fremde in unserem Gebiet“, stellte diese fest: „Und gleich zwei Youkai.“

„Wieso euer Gebiet?“ erkundigte sich Inuyasha sofort: „Uns wurde gesagt, dass ihr weiter da drüben wohnt. – Wir wollen nur zu den Höhlen.“

„Zu den Höhlen von Karu?“ Die schwarzhaarige Harpyie musterte die beiden abschätzend: „Leichtsinnig oder mutig? Dumm oder stark? Wolltet ihr ins Mirtal?“

„Da wollen wir immer noch hin.“

Sie lachte fast fröhlich auf: „Junger Youkai, du weißt nicht, mit wem du es zu tun hast, nicht wahr? Fremde, die in unser Gebiet kommen, müssen uns zu unserem Horst begleiten.“

„Unsinn.“ Er legte die Hand an Tessaiga: „Wir gehen da weiter. Und du solltest uns besser in Ruhe lassen.“

„Nun, Kleiner, du kannst es dir aussuchen. Entweder ihr begleitet uns zu unserem Horst oder sterbt hier.“

„Keh! Du hast keine Chance gegen mich.“

Erneut lachte die Harpyie auf: „Dein...hm...Bruder scheint es schon bemerkt zu haben…“

„Was?“ Er sah seitwärts, entdeckte, dass Sesshoumaru prüfend den Kopf hob, offenbar witterte. „He, was ist los?“

Dieser sparte sich die Antwort, als sich rund um den Talkessel die Harpyien zeigten, Kopf an Kopf.
 

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Im nächsten Kapitel: "Im Horst der Harpyien" erfahren die Hundebrüder - und ihr -was die Harpyien unter "Entjungferung" verstehen...
 

bye
 

hotep

Im Horst der Harpyien

Zum Glück für unsere Halbbrüder sind die Harpien etwas....nüchterner als ihr. Nichtsdestotrotz sind ihre Sitten ungewohnt.
 

4. Im Horst der Harpyien
 

Diese dämlichen Harpyien hatten sie umzingelt? Inuyasha war bereits im Begriff Tessaiga zu ziehen, als Sesshoumaru sagte: „Lass es.“

„Hä?“

Der ältere Halbbruder hatte gehört, eine Harpyie sei für einen Youkai ein ernstzunehmender Gegner. Nun, mit einer oder auch mehreren würde er gewiss rasch fertig werden, aber ein gesamter Schwarm dieser Größenordnung sah schon bisschen anders aus. Man sollte ein wenig behutsamer vorgehen, auch, wenn Tessaiga in einem Kampf sicher von Nutzen wäre. Ein nutzloses Blutvergießen bedeutete nur Zeitverschwendung auf seinem Weg zu der Quelle des Lebens. „Was wollt ihr?“

„Ah, eine Stimme der Vernunft.“ Die Harpyie lächelte ein wenig: „Mein Name ist Megaira. Ich bin die Führerin des Schwarms. – Folgt uns zu unserem Horst. Erfüllt ihr unsere Bedingungen, könnt ihr weiter zu den Höhlen von Karu gehen. Erfüllt ihr sie nicht, werdet ihr unsere Mahlzeit.“

„Träum weiter!“ zischte der Hanyou prompt.

Sein Halbbruder sah zu ihm: „Halt den Mund.“ Er entsann sich nun erst, dass damals Vater stets alle derartigen Forderungen angenommen hatte. Nur so konnte man auf dieser Insel Dinge in Erfahrung bringen. „Aber auch ich stelle eine Bedingung, Megaira.“

„Und die wäre?“

„Wenn wir eure Bedingungen erfüllt haben...“ Wieso sprach er in der Mehrzahl, dachte er plötzlich, ehe ihm einfiel, dass das auch Vater getan hatte. Nur so galt der Handel für alle – und jeder von ihnen konnte – oder eher zumindest einer musste - die Bedingung erfüllen: „Berichtet ihr uns auch, was sich in den Höhlen von Karu verändert hat.“

„Da kennt sich jemand aus.“ Das mochten zwar Fremde von jenseits des Meeres sein, denn so jemanden hatte sie noch nie gesehen, aber sie wussten um die Bedingungshandel: „Einverstanden. - Wie ist dein Name?“

„Sesshoumaru.“ Er war beruhigt. So weit er sich entsann, war damit nach den Regeln dieser Insel ein gültiger Vertrag geschlossen worden. Und jeder Bewohner würde sich daran halten. So schützten sich die so unterschiedlichen Völker vor Missverständnissen und sinnlosen Streitigkeiten.

„Inuyasha“, sagte der gleichzeitig, wütend darüber, dass ihn hier anscheinend keiner für voll nahm.

„Dann folgt mir.“ Sie wandte sich um: „Hier dieses Tal entlang.“ Sie hob mit schweren Flügelschlägen ab. Ihr Schwarm schloss sich ihr an, fast den Himmel verdunkelnd.

„Das sind aber sehr viele“, konstatierte Inuyasha: „Hast du darum keinen Kampf gewollt?“ Im gleichen Moment begriff er, dass er seinem Halbruder gerade Feigheit unterstellt hatte, und ergänzte eilig: „Nein, natürlich nur wegen der Antworten, die sie uns geben können?“

Der Hundeyoukai ließ tatsächlich die Hand sinken: „ Schon der Bibliothekar sagte dir, dass es hier nichts ohne Gegenleistung gibt.“ Dieser ahnungslose Halbhund würde es noch schaffen, sie in wirkliche Probleme zu bringen – oder ihnen zum Sieg verhelfen. Aber er sollte in der Tat zusehen, dass er ihn einigermaßen unter Kontrolle hatte. Das bedeutete leider allerdings auch Erklärungen, soweit dieser Dickschädel das annahm.

„Das heißt, wir müssen das tun, was sie wollen, dann lassen sie uns laufen und sagen uns, was in dieser komischen Höhle ist.“

Er hatte es begriffen! Bei Gelegenheit müsste er selbst einmal Myouga fragen, was der eigentlich darunter verstanden hatte, sich um Inuyasha zu kümmern. Hatte der das alles Izayoi überlassen? Die hatte nun wirklich nicht mehr lange gelebt. Aber jetzt war es wichtiger, den Harpyien hinterher zu gehen.
 

Der Horst der Harpyien entpuppte sich als felsumrahmte, steinige Mulde inmitten der Gipfel. Von hier aus hatte man einen guten Blick weit über das Gebirge, aber auch in das Land des Frühlings hinunter, bis weit auf das Meer. In der Ferne glaubte der Hanyou noch Japans Küste erkennen zu können, aber das war nur ein dunkler Strich am Horizont und er war nicht sicher. Da der Wasserdrache getaucht war, fehlte ihm jeder Anhalt für die Entfernung.
 

Als die Hundebrüder das Tal betraten wurden sie bereits erwartet. Auf den Felsen und Vorsprüngen reihum saßen Harpyien, alles weibliche Vogelmischwesen, und beobachteten die Besucher neugierig. Inuyasha fühlte sich ein wenig unangenehm, aber er wollte sich keine Blöße geben. Immerhin spazierte Sesshoumaru scheinbar vollkommen gelassen neben ihm. Und falls diese Frauen ihnen komisch kommen wollten, gäbe es immer noch die Kampfoption, Auskunft hin oder her. Denen würde er schon zeigen, was er und Tessaiga so anrichten konnten. Aber im Augenblick wirkten sie recht friedlich.

Der Hundeyoukai wandte sich unterdessen dem Felsen zu, auf dem sich Megaira niedergelassen hatte. Die Anführerin der Harpyien nickte ein wenig. Die Gäste schienen zu wissen, was ein derartiger Vertrag an Bindungen mit sich brachte.

„Ehrbar seid ihr. Gut. – Wir haben schon seit längerem keine...hm… Besucher, seien es Menschen oder Youkai mehr hier gehabt. Unter uns Harpyien ist es üblich, erst dann zu den Erwachsenen zu zählen, wenn man seine Klauen in die Brust eines Mannes aus einer dieser Gattungen geschlagen und sein Blut getrunken hat. Eine unserer Jungen hat dies noch nicht getan. Sie kann daher nicht an den Feiern oder Riten teilnehmen. Die Bedingung, damit ihr diesen Ort verlassen könnt und die Auskunft über die Höhlen von Karu erhaltet, lautet: einer von euch zweien wird ihr Opfer.“

Die Halbbrüder guckten sie mehr als überrascht an. Es hatte doch geheißen, dass sie dann beide gehen konnten?

Inuyasha begriff als erster: „Kein tödliches Opfer, also.“

„In der Tat, kleiner Youkai. - Nein, du bist ja gar keiner. Du bist eines der Wesen, die man Hanyou nennt, nicht wahr? Kind von Youkai und Mensch.“

„Na und, was dagegen?“ fauchte dieser sofort, nur zu gewöhnt an Verachtung.

Die Schwarmführerin blieb ruhig: „Im Gegenteil. Dein Blut ist viel wertvoller als das eines vollblütigen Youkai.“

Der Hanyou bemerkte mit gewissem Vergnügen, dass sein Halbbruder von dieser Feststellung nicht erbaut schien, bedachte dann aber die Konsequenz: „Ich soll mich also zur Verfügung stellen? Und wenn euer Mädchen zu tief reinhaut?“

„Dann bist du tot“, erklärte Megaira prompt: „Aber du hast die große Ehre bei der Entjungferung einer Harpyie gestorben zu sein.“

Warum nur würde er da gern drauf verzichten? Und wieso immer er? Schon um diesen Schweinestall hatte er sich kümmern müssen. War etwa Sesshoumaru dazu genötigt gewesen, als er mit Vater hier war? Nein, bei den Harpyien schienen sie nicht gelandet zu sein. Na schön, immerhin war diese Megaira die Einzige, je behauptet hatte, sein Blut sei wertvoller als das seines Halbbruders. Und feig dastehen wollte er auch nicht. Nein. Er war nützlich und etwas wert, um nicht zu sagen, wertvoll, das war wichtiger als das eigenartige Gefühl in der Magengrube. „Also, einverstanden. Wo ist sie?“

Megaira nickte einigen Harpyien zu, die sich daraufhin in die Luft erhoben: „Sie holen sie. Und du legst dich irgendwo bequem hin und öffnest deine Oberbekleidung.“

Inuyasha rümpfte unwillkürlich die Nase, sah sich aber um. Als er einen Wiesenfleck mitten unter den Steinen entdeckte, schien ihm das noch die angenehmste Stelle zu sein. So ging er hinüber, beobachtet von dem schweigsamen Schwarm.

Sesshoumaru ertappte sich bei dem Gedanken, fast mit ihm tauschen zu wollen. So herabgesetzt hatte er sich schon lange nicht mehr - oder eher noch nie - gefühlt. Für einen Augenblick war er versucht, diesen gesamten Horst samt allen Bewohnerinnen in die Luft zu jagen. Eine derartige Impertinenz zu behaupten, das Blut eines Mischlings sei wertvoller als seines! Aber wenn er dies tat, wäre diese Reise sinnlos, müsste er nicht nur ungewarnt in die Höhlen von Karu gehen, sondern kein anderer Bewohner der Insel würde sich mit ihm mehr auf diesen Bedingungshandel einlassen. Und er würde die Quelle nie finden. So beherrschte er sich und musterte nur mit regungslosem Gesicht seinen Halbbruder, der gerade seinen Oberkörper freimachte, sich anscheinend ungerührt rücklings auf das Stück Wiese legte. Mutig war der Bastard, das musste er ihm lassen. Immerhin wusste der, dass die Sache durchaus auch lebensgefährlich werden konnte, falls die Harpyien falsch spielten. Aber das würden sie wohl nicht, nach den Bräuchen der Insel.
 

Inuyasha versuchte sein gleichmütiges Gesicht zu wahren, als die Harpyien zurückkehrten und in seiner Nähe landeten. Sie hatten jetzt eine Artgenossin dabei, die eindeutig noch ein junges Mädchen war. Er bemühte sich, nur in das halbwüchsige, durchaus hübsche, Gesicht zu blicken und die scharfen Krallen an den Füssen zu ignorieren, als sie langsam zu ihm kam, dann fragend zur Schwarmführerin sah.

Megaira nickte: „Du weißt, was du tun musst, Araba?“

„Ja, natürlich.“ Sie trat zu dem Hanyou, musterte kurz seine Miene, dann seine Brust.

So ist das also, dachte er plötzlich, als er den gelben Augen der jungen Harpyie begegnete. So fühlt es sich an, wenn man schlicht als Beute betrachtet wird, nicht als eigenständiges, denkendes Wesen. Unwillkürlich warf er einen Blick seitwärts und suchte instinktiv seinen Begleiter. Sesshoumaru stand regungslos da, schien völlig gelassen. Dann keuchte Inuyasha unbeabsichtigt unter dem Gewicht der halbwüchsigen Harpyie auf, als diese einen Satz auf seine Brust machte, dabei tiefe Kratzer hinterlassend. Ohne ein Wort zu sagen, stieg sie wieder hinunter und beugte sich über ihn, um das hervorquellende Blut abzulecken.

Der Hanyou konnte seinen Schauder nicht unterdrücken, aber er hoffte, dass es niemand weiter bemerkt hatte. Die Verletzungen an sich waren nicht schlimm und würden heilen. Er war schon viel ärger verwundet gewesen. Es war jedoch ein eigenartiges, um nicht zu sagen widerwärtiges, Gefühl, so als Nahrungsquelle benutzt zu werden. Hoffentlich würden sich die Harpyien wenigstes an ihr Wort halten, und sie mit ein paar neuen Informationen gehen lassen. Aber so, wie schon der Bibliothekar getan hatte, schienen diese eigenartigen Bedingungen und Verträge auf der Insel der Vier Jahreszeiten sehr wichtig zu sein.

„Gut, Araba“, sagte die Schwarmführerin in diesem Augenblick: „Du kannst gehen. Wenn unsere...Besucher…weg sind, werden wir die Einführungsriten beginnen.“ Sie sprang zu dem Hanyou, der sich ein wenig erleichtert aufrichtete: „Du hast die Bedingung erfüllt. Dennoch möchte ich dich zusätzlich um einen Gefallen bitten. Erlaube uns, dein übriges Blut aufzunehmen. Wie ich schon sagte: das Blut eines Kindes aus Mensch und Youkai ist magisch äußerst wertvoll.“

„Na, meinetwegen.“ Inuyasha war zu geschmeichelt darüber, um die Bitte abzulehnen. Überdies hatte er den Ausdruck des Ärgers erhascht, der bei diesem Satz über das sonst so emotionslose Gesicht seines Halbbruders glitt. Allein das war es wert.

Eine ältere Harpyie kam von ihrem Sitzfelsen geflattert und landete neben ihm, ein helles Tuch in der Hand. Fast behutsam wischte sie das Blut von seiner Brust und ließ sich keinen Tropfen entgehen: „Ich habe es, Megaira.“ Sie wich wieder an ihren Platz zurück.

„Gut.“ Die Schwarmführerin trat zu Sesshoumaru, während sich Inuyasha rasch wieder komplett anzog: „Dein Bruder…Halbbruder hat die Bedingung erfüllt. Begleitet mich nun.“ Sie ging zu Fuß aus dem Tal des Horstes, ohne dass sich eine der anderen Harpyien von ihrem Platz bewegte.

Der Hundeyoukai drehte sich wortlos um und folgte ihr. Der Jüngere beeilte sich, hinterherzukommen.
 

Ein Stück von der Horstmulde entfernt, fast schon auf der Höhe des Gipfels, öffnete sich eine schmale Schlucht, die sich tief bis unter den Felsen zu ziehen schien, wohl der Beginn einer Höhle. Gab es hier etwa einen Zugang zu dem Labyrinth von Karu?

Megaira blieb am Beginn der Klamm stehen und nahm einen Stein auf, der dort lag. Zielsicher warf sie ihn gegen eine senkrechte Steinplatte am Beginn der Enge. Zur Überraschung der Hundebrüder ertönte ein Geräusch, das man nur mit einem Gongschlag vergleichen konnte.

Die Schwarmführerin wandte den Kopf: „Hier ist der Eingang zu den Höhlen von Karu, wenn man durch das Gebiet der Erdmenschen will. Sie werden euch sagen können, was sich dort geändert hat.“

„Und die Bedingung der Erdmenschen?“ fragte Sesshoumaru eisig. Das nahm ja kein Ende.

„Ich erfülle die Bedingung aus unserem Vertrag, keine Sorge.“ Der Harpyie entkam ein kleines Lächeln. Der schien sich wirklich auszukennen. Er hatte ja auch gesagt, dass er schon einmal hier gewesen war. „Ah, da ist er schon.“

Ein kleines, menschenähnliches Wesen kam die Schlucht empor geeilt, das die Größe eines fünfjährigen Kindes haben mochte. Es verneigte sich wiederholt schon in der Distanz, sichtbar erschrocken.

„Megaira…ich…“

„Schon gut“, sagte die Schwarmführerin fast eilig: „Ich will diesmal nur eine Auskunft. Ich hatte mit diesen beiden einen Bedingungshandel. – Das ist Takuro, der Sprecher der Erdmenschen.“

Der so Vorgestellte warf den beiden Hundebrüdern einen forschenden Blick zu: „Was wollt Ihr wissen?“ Soweit er wusste, musste man außergewöhnlich dumm oder mutig sein, sich auf einen Handel mit den Harpyien einzulassen – oder in einer ganz üblen Klemme sitzen.

„Was hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten in den Höhlen von Karu geändert?“ fragte der Hundeyoukai unverzüglich.

„Ihr wollt da durch?“ Das klang überrascht.

„Ich bin bereits einmal durchgegangen.“

„Oh, ich verstehe.“ Er sah zu der Schwarmführerin: „Das war ihre Bedingung – und sie haben die Eure erfüllt. Dann machen wir beide einen Handel?“

Megaira hob ein wenig den bekrallten Fuß: „Haben wir das nicht schon?“ meinte sie langsam.

„Ja, natürlich, natürlich...“ Takuro war deutlich erschreckt: „Gut, gut. – In den Höhlen von Karu leben wir schon sehr lange, nun, hier am Rande. Seit einigen Jahrzehnten haben sich aber Wesen ausgebreitet, wie wir sie nie zuvor sahen. Sie fangen uns und fressen uns…töten uns auch nur, wenn sie Mitglieder meines Volkes erwischen. Manche sagen, sie sind wie Youkai, andere sie sind einfach Wesen…Sie leben in den Tiefen der Höhlen, in den unteren Höhlen. Ja. – Wenn Ihr schon einmal hindurchgegangen seid, erinnert Ihr Euch doch gewiss daran, dass es eine große Halle gibt, ehe man zur anderen Seite des Berges kommt. Dort liegt der bodenlose Brunnen, wie man ihn nennt. Wir nennen ihn so. Reisende aus dem Mirtal nannten ihn den Fresserbrunnen. Aber das ist natürlich Unsinn. Beides. Er hat einen Grund und er frisst nichts.“ Er bemerkte, dass die beiden Fremden etwas ärgerlich wurden: „Das gehört dazu“, beteuerte er eilig: „Aus diesem Brunnen kam nämlich der große Schatten. Und die anderen Wesen waren nur in seinem Gefolge. Der Schatten ist an den Wänden der Höhlen, er überfällt uns. Und auch die Reisenden. So kam niemand mehr durch.“

„Ein Lebewesen an den Wänden?“ fragte Inuyasha erstaunt.

„Ja, so ist es…“

„Das euch frisst?“

„Ja…“

„Und warum legt es niemand um?“

„Weil das nicht geht, junger Herr.“ Takuro war lieber höflich. Zum einen waren die beiden Fremden anscheinend mutige Krieger, zum anderen war die Schwarmführerin ihnen im Moment durch den Bedingungsvertrag verpflichtet. Und das Allerletzte, was er für sein Volk wünschte, war, dass die Harpyien den Pakt aufhoben, weil man ihre Bündnispartner beleidigt hatte.

„Quatsch“, meinte der Hanyou unbeeindruckt: „Du sagst, er lebt. Alles, was lebt, kann man umbringen.“

Der Erdmensch unterdrückte gerade noch seine Frage, ob er da aus Erfahrung spreche, als ihm eine Idee kam: „Nun, schließen wir einen Vertrag?“

„Was ist die Bedingung?“ fragte Sesshoumaru sofort.

„Ich...oder ein anderer meines Volkes führt Euch beide Herren durch die Höhlen von Karu. Und Ihr tötet den Schatten.“

„Und wenn wir ihn nicht treffen?“ erkundigte sich Inuyasha.

Takuro zuckte ein wenig die Schultern: „Er wird Euch finden, da bin ich sicher, sobald Ihr in die Tiefen geht oder gar die Halle erreicht.“

„Einverstanden“, sagte der Hundeyoukai. Von hier, der Gipfelregion, aus, war es sicher ein kürzerer Weg durch die Höhlen, als es der Rückmarsch zu der Stelle gewesen wäre, wo sie die Harpyien getroffen hatten, um dann in das Labyrinth der Kavernen zu gehen. Und ein ortskundiger Führer würde die Zeitverschwendung noch einmal in Grenzen halten.

Megaira nickte: „Dann habt ihr einen Vertrag. So ist unserer erfüllt.“ Sie drehte sich um und flog mit schwerem Flügelschlag auf. Allein konnte sie sich das mühsame Zufußgehen ersparen.

Der Sprecher der Erdmenschen warf einen raschen Blick auf seine Besucher. Die sahen sich ähnlich, waren Youkai. Sicher Verwandte, wohl Brüder. „Dann folgt mir. – Das heißt, darf ich um Eure Namen bitten? Für den Pakt?“

„Sesshoumaru.“ Das war wohl immer nötig, so ungern er mit seinem Namen hausieren ging.

„Und Inuyasha“, knurrte der Jüngere sofort. „Sag mal, ist das für euch mit den Harpyien als Nachbarn nicht gefährlich? Ihr lebt zwar unter der Erde, aber…“

„Ja, ist es. Darum schlossen wir ja auch den Bund.“ Takuro wandte sich ab: „Sie lassen die Mitglieder unseres Volkes am Leben, die hier hinauf müssen. Und wir erfüllen unsere Bedingung.“

„Ach, und die wäre?“ Der Hanyou dachte plötzlich an Opfer.

„Wir versuchen immer diese Lebewesen zu fangen, die uns auflauern. Diese bringen wir dann den Harpyien hierher und lassen den Stein ertönen. Als ich ihn hörte, befürchtete ich schon, Megaira sei gekommen, um neue Nahrung einzufordern. Wenn es zu lange dauern, sie hungern, kommt sie. Nun, auch sie wollen leben. Aber wenn wir nicht genug bringen, würden sie den Pakt kündigen.“ Er blieb am Eingang zu der Höhle stehen: „Äh…Ihr seid doch Oberflächenbewohner. So braucht Ihr Licht?“

„Wäre nicht schlecht“, meinte Inuyasha: „Schon, damit wir den Schatten finden können.“

„Ja. Wir haben Licht. Moment.“ Takuro ging seitwärts. Kurz darauf kehrte er mit einer durchscheinenden Laterne zurück, in der ein Stein leuchtete. „Ich…darf ich Euch erst noch zu meinem König bringen? Ich bin nur der Sprecher. Wenn er sagt, dass Euch jemand anderer begleiten soll, ein Krieger…“

„Nein“, erwiderte Sesshoumaru unverzüglich: „Wir haben den Vertrag.“ Wollte sich dieser Takuro etwa aus der Bindung stehlen?

Diesem war das klar: „Ich bin der Sprecher der Erdmenschen. Was immer ich zusage, gilt für das gesamte Volk. Der König ist jedoch dafür zuständig, die Arbeiten einzuteilen. Dies ist unser Brauch, edler Herr.“

„Ja, schon gut“, mischte sich Inuyasha ein und nahm die Laterne aus der Hand des Erdmenschen, um so besser sehen zu können. „Wenn es kein Umweg ist….“

„Äh, nein, junger Herr. Wenn man zu den Gängen will, die zu der Halle führen, muss man bei uns vorbei.“

„Wieso eigentlich zur Halle? Wir wollen nur durch.“

„Dazu muss man dorthin. Nur von der Halle aus kommt man in das Höhlenlabyrinth, das auf die andere Seite des Berges führt. Darf ich nun bitten?“ Takuro wandte sich ab und führte seine Besucher in die Höhlen von Karu.
 

**********************************************
 

Im Höhlenlabyrinth wird sich zeigen, ob Inuyasha mit seiner Vermutung Recht hat, dass man JEDEN, der lebt, auch töten kann.

Ein Hanyou wertvoller als ein vollblütiger Youkai? Sesshoumaru sollte hoffen, dass nur die Harpien diese Ansicht vertreten, sonst könnte die Reise für ihn noch nervender werden....
 

bye
 

hotep

In den Höhlen von Karu

Hütet euch davor, wie die Hundejungen zu denken: was der Bibliothekar erzählt, was die Harpien oder die Erdmenschen sagen, sei egal. Alles kann auf der Insel wichtig sein.
 

5. In den Höhlen von Karu
 

Takuro führte die Hundebrüder einen Gang entlang, der sich schräg immer tiefer in den Berg zog. Hinter ihm hielt Inuyasha die eigenartige Laterne. Warum der Stein darin wohl leuchtete? Der Erdmensch benötigte sie vermutlich nicht, aber es war deutlich angenehmer, sehen zu können, wohin man trat. Obwohl, dachte der Hanyou unwillkürlich, diese kleinen Wesen anscheinend sehr ordentlich waren. Kein einziger Stein lag auf dem Boden. Nun, zumindest hier. Dies schien ein Hauptweg zu sein. Blödsinn, tadelte er sich selbst. Takuro hatte doch gesagt, dass sie die Opfer für die Harpyien hier hinaufbrachten. Natürlich war der Weg dann oft begangen. Er betrachtete die Wände.

„Dieser Schatten…was ist er für ein Lebewesen?“

„Das weiß ich nicht, junger Herr“, antwortete der Sprecher höflich: „Die ihn sahen, sind schon tot.“

„Woher wollt ihr dann wissen, dass er an der Wand ist?“

„Sehr wenige entkamen, weil sie in einer Gruppe waren. Sie redeten von dem schwarzen Etwas an der Wand. Mehr weiß ich nicht.“ Und er hoffte wirklich, dass diese beiden Fremden ihren Teils des Paktes einhalten konnten und diesen Schatten töten konnten. Zu viele seines Volkes waren bereits gestorben.

„Hm.“ Der Hanyou wandte etwas den Kopf: „Sagt dir das was?“ erkundigte er sich. Immerhin war der Herr Halbbruder doch schon einmal auf dieser Insel gewesen.

Sesshoumaru schwieg. Mit einer derartigen Beschreibung konnte doch kein Youkai etwas anfangen.

Irgendwie hatte der Jüngere auch keine direkte Antwort erwartet. So betrachtete er erneut die Wände, suchte in den Gerüchen etwas zu finden. Aber alles, was er wittern konnte, war Felsen, entfernt Wasser und irgendwo vor ihnen ein ähnlicher Geruch, wie ihn Takuro aussandte. Da waren wohl die anderen Erdmenschen. „Wie heißt denn der König?“

„Ryuhito“, entgegnete der Sprecher: „Wie gesagt, er weist die Arbeiten zu. Ich mache die Verhandlungen und Bedingungen nach außen.“

„Ihr teilt euch sozusagen die Regierung?“

„So nennen es wohl die Oberflächenbewohner.“ Takuro bog in einen weiteren Gang ein: „Ich muss mit Euch edlen Herren einen gewissen Umweg machen“, erklärte er: „Wir Erdmenschen sind doch deutlich kleiner…“ Er reichte selbst dem kleineren der Besucher nicht einmal bis zur Brust. „Nicht alle Gänge sind für Euch geeignet.“

„Schon klar.“

Sie wanderten weiter durch das Höhlensystem und den beiden Hundebrüdern wurde klar, dass sie hier allein niemals durchgefunden hätten. Sesshoumaru entsann sich, dass der Hauptweg, den er damals mit seinem Vater gegangen war, deutlich breiter gewesen war. Aber nun erst fiel ihm ein, dass auch dort in gewissen Abständen derartige Laternen befestigt gewesen waren. Die Erdmenschen hatten wohl darauf geachtet, dass Reisenden durch das Labyrinth gehen konnten, solange, bis dieser ominöse Schatten sie vertrieben hatte.

Überdies stellte sich die Frage, was er noch so vergessen hatte. Er sollte zusehen, dass er sich an alles erinnerte, ehe sie in der Hauptstadt des Mirtal angekommen waren, zumal, was die Magie der Arena dort betraf. Er verspürte zwar nicht die mindeste Lust, dorthinein zu gehen, aber wer wusste schon, was noch an eigenartigen Bedingungsverträgen auf sie zukam. Vater war seinerzeit ja auch nur dort angetreten, da ihm dieser Schmied sonst keine Auskunft gegeben hätte.
 

Sie erreichten eine größere Höhle, die von vielen dieser eigenartigen Laternen erleuchtet wurde. Sicher Dutzende dieser Erdmenschen liefen, standen oder saßen dort. Aber alle blickten nun zu ihrem Sprecher und den beiden Gästen. Ein älterer Mann erhob sich.

„Takuro! Was...was wollten die Harpyien?“ Das war das Wichtigste. Bei derartigen Nachbarn musste man vorsichtig sein.

„Das ist Ryuhito, unser König. - Diese beiden Oberflächenbewohner hatten einen Vertrag mit den Harpyien. Und nun mit mir. Wir führen sie durch die Höhlen und sie töten den Schatten.“

Ein Raunen ließ durch die Erdmenschen. Der König setzte sich, sichtlich erstaunt: „Dann seid mir willkommen, Fremde. Ihr habt einen Bedingungsvertrag mit Megaira gehabt?“

„Ja.“ Sesshoumaru betrachtete die kleinen Wesen: „Wir wollen ins Mirtal.“

„Und Ihr wollt den Schatten töten?“

„Die Bedingung.“

„Gut. Takuro, dann führe sie, so, wie es der Vertrag verlangt.“ Ryuhito dachte einen Augenblick nach: „Wenn sie die Bedingung erfüllt haben, kannst du ungefährdet zu uns zurückkommen.“ Wenn nicht, wäre der Sprecher tot. Aber das musste er gewusst haben, als er sich darauf einließ. Warum hatte er so viel Vertrauen zu Oberflächenbewohnern? Aber...hm. Diese zwei waren bewaffnet, schienen auch sehr selbstbewusst. Und sie hatten einen Vertrag mit den Harpyien geschlossen. Allein das war schon bemerkenswert. Die wenigsten waren mutig genug, mit Megaira zu verhandeln. „Ich wünsche dir Glück. Euch natürlich auch…Es wird am besten sein, wenn du sie direkt auf den alten Hauptweg führst und von dort in die Halle. Dort lauert der Schatten meist.“

„Ich weiß.“ Takuro nickte ein wenig: „Und spätestens in der Halle.“

„Was ist das eigentlich für eine Halle?“ erkundigte sich Inuyasha: „So eine Höhle, wie dies hier?“

„Oh nein, junger Herr, “ antwortete der Sprecher prompt: „Viel größer. Und einige uralte Schächte steigen von dort zur Oberfläche empor. Ihr werdet dort ohne Laterne sehen können. Nun ja, Dämmerungslicht eben, aber ich denke, dass Ihr das könnt.“

„Ja, klar.“ Das klang eigentlich nicht schlimm. Er hatte schon mit Lava oder so etwas gerechnet. Und wenn dieser dämliche Schatten klug war, blieb er versteckt. Wenn er sich an ihn wagen würde, wäre er Geschichte. So einfach war das.

Der König nickte etwas: „Dann geh nun, Takuro. Ihr beiden Oberflächenbewohner...ich hoffe, dass es Euch gelingt, den Schatten zu töten. Ich vermute, dass mit seinem Tod auch die anderen Wesen verschwinden, die unser Volk so bedrängen. Sie kamen mit ihm.“

Der Sprecher nickte: „Bitte, folgt mir nun.“
 

Fast eine Stunde später erreichten die beiden Hundebrüder und ihr Führer den alten Hauptgang. Sesshoumaru erinnerte sich, dass er hier mit seinem Vater gewandert war. Freilich war dieser damals erleuchtet gewesen, nun erhellte nur die Laterne, die Inuyasha trug, die Dunkelheit. Er selbst hätte sie kaum benötigt, aber er war sicher, dass der Hanyou in der Finsternis nichts sehen konnte. Andererseits wollte er dazu nichts vor den Ohren des Erdmenschen sagen. Aus irgendeinem ihn selbst überraschenden Grund wollte er den Bastard nicht vor einem Fremden blamieren.

Takuro sah sich ein wenig besorgt um, suchte in der Dunkelheit eine Gefahr durch den Schatten oder eines der anderen Wesen zu erkennen.

„Nichts zu riechen“, tröstete Inuyasha prompt.

„Zu riechen?“ wiederholte der Sprecher ein wenig erstaunt.

„Ja.“ Der Hanyou tippte auf seine Nase: „Wenn sich was ändert, merken wir es.“

„Aha.“ Takuro ging weiter, in der Hoffnung, dass sich sein Vertragspartner nicht irrte.

„Ach, eine Frage…“

„Ja?“

„Wenn dieser Schatten weg ist, betreut ihr wieder hier den Weg? Habe ich das richtig verstanden?“

„Ja. Früher standen hier Laternen, wie Ihr sie tragt, junger Herr. Der edle Herr…“ das bezog sich auf Sesshoumaru: „Wird sich gewiss daran erinnern. Aber als der Schatten und seine Wesen kamen, wurde es für uns zu gefährlich. Darum konnten wir ja auch den Harpyien nichts mehr geben.“

„Hä?“

„Die Reisenden, die hier durchkamen, ließen uns als Dank für unsere Mühe stets einen Teil ihres Proviants. Wir lebten davon und gaben auch den Harpyien, damit sie uns nicht fraßen. So lautete der Pakt. Als dann der Schatten kam und wir weder hier den Gang betreuen konnten noch Proviant bekamen, wurde Megaira zornig. Nun, wir hatten ja auch das Übereinkommen gebrochen. Darum brachten wir ihr dann diese Wesen.“

„Und wenn alles ruhig ist, wieder Reisende hier durchkönnen, seid ihr in Sicherheit und die Harpyien bekommen auch wieder ihren Anteil?“

„Ja.“

Dann war es wirklich an der Zeit, dass der Schatten erledigt wurde. Auch der Bibliothekar hatte ja gemeint, dass schon lange niemand mehr durch diese Höhlen gekommen war. Vermutlich hatten der Schatten und seine Anhängsel die Leute vergrault oder auch schlicht gefressen. Zum Glück hatte sich das Harpienmädchen nicht so tief in seine Brust gekrallt. Die Kratzer begannen bereits zu Heilen und würden ihn in einem Kampf nicht stören.
 

Takuro blickte sich immer wieder besorgt um, aber um sie herrschte nur schweigende Schwärze. Der Sprecher der Erdmenschen war allerdings sicher, dass der Schatten um sie lauerte, wie er das immer tat. Hier war dessen Lieblingsjagdrevier, auch, wenn er sich nicht mehr scheute, weite Vorstöße in das Gebiet seines Volkes zu unternehmen. Hoffentlich wussten diese beiden, wie man mit so etwas fertig werden konnte. Aber er erwartete doch, dass sie sonst keinen derartigen Vertrag geschlossen hätten.

Er blieb stehen: „Dort vorn kommt die Halle…“ flüsterte er.

Beide Hundebrüder hätten das bestätigen können. Obwohl die Luft in den Höhlen von Karu nicht stickig war, konnten sie deutlich wittern, dass sich der Gang dort weitete, frische Luft eindrang.

Nur kurz darauf erkannten sie auch die Ursache. Sie betraten eine gigantische Höhle, deren Decke sich hoch über ihnen spannte. Vereinzelte Schächte ließen dort oben Luft und Licht hinein, genug, dass man den gemauerten Brunnen fast im Zentrum der Halle erkennen konnte. Sonst war nichts zu sehen, nichts Ungewöhnliches zumindest. Aber die Halbbrüder witterten sorgfältig. Ein dumpfer Geruch war wahrzunehmen, der zuvor nirgends in den Höhlen aufgetreten war. Und beide wandten sich suchend um, aber alles, was sie erkennen konnten, war eine Kolonie Fledermäuse an einer Seitenwand. Takuro ging weiter.

„Kommt“, sagte er unbehaglich. Hier war die Gefahr am größten, das wusste er aus den Berichten der wenigen Überlebenden. Und er wollte zumindest den Brunnen erreichen. Aus diesem sollte der Schatten zwar angeblich gekommen sein, aber es war die einzige Deckung auf dem sonst vollkommen flachen Höhlenboden und er fühlte sich gefühlsmäßig dort ein wenig sicherer.
 

Inuyasha ließ die Laterne fallen und fuhr herum. Es war ein rein menschlicher Instinkt, das uralte Gespür dafür, Jagdwild geworden zu sein, der ihn alarmierte. Er hatte Tessaiga bereits aktiviert in der Hand, als er erkannte, dass sich aus der Masse der Fledermäuse hinter ihm eine menschenähnliche Gestalt gebildet hatte, wenn auch vollkommen schwarz und ohne – zumindest bei dem Dämmerlicht - erkennbare Gesichtszüge.

Sicher, dass dies der Schatten sein musste, ließ der Hanyou sein Schwert durch die Luft sausen: „Kaze no Kizu!“

Die Macht der Windnarbe raste auf den Unbekannten zu, zerteilte ihn. Zufrieden mit sich, wollte Inuyasha bereits Tessaiga wegschieben, als er erkannte, dass dieser Schatten buchstäblich wieder zusammenfloss.

„So ein Mist!“ meinte er: „Takuro, geh zum Brunnen, mit der Laterne!“ Und während der Sprecher der Erdmenschen verängstigt gehorchte: „Dann versuchen wir es doch noch einmal!“

Sesshoumaru sah regungslos zu, wie sein Halbbruder erneut die Windnarbe losjagte. Er nahm an, dass das keinen Erfolg bringen würde. Anscheinend war dies kein Lebewesen in dem Sinn, wie es allgemein bekannt war. Es war sowieso erstaunlich, warum ausgerechnet der Bastard als erster mitbekommen hatte, dass sich etwas verändert hatte. Er selbst hatte kein Anzeichen bemerkt. Er konnte allerdings nun wittern, dass der dumpfe Geruch zunahm. Es stank nach Erde und Toten. So wandte er den Kopf. Als er sah, wer, oder eher was, da soeben in die Halle kam, traf er seine Entscheidung, zumal sich der Schatten gerade erholt hatte.

„Inuyasha.“

„Was? Willst du dich etwa in meinen Kampf einmischen?“ fragte der empört zurück. Das war doch wirklich die Höhe! Traute dieser Mistkerl ihm denn gar nichts zu?

„Tessaiga ist dort eher am Platz.“

Der Hanyou erkannte erst jetzt die seltsamen, vermodert aussehenden und nach Toten stinkenden Gestalten, die in die Höhle kamen. Es waren gewiss an die zwanzig. Da hatte Sesshoumaru ausnahmsweise Recht. Gegen so viele Gegner war Tessaiga das Schwert der Wahl, zumal er bislang mit der Windnarbe hier keinen Blumentopf gewinnen konnte. „Was sind das denn für welche?“ erkundigte er sich aber noch, als er sich umdrehte: „Und übernimmst du den Schatten?“

Statt einer Antwort zog der Hundeyoukai Tenseiga.

„Keh!“ machte Inuyasha, beschloss dann aber, den Streit zu verschieben, und rief, bereits im Laufen: „Später sagst du mir aber, wer das war, ja? Ich weiß im Allgemeinen nämlich gern, wen ich umlege.“

Er sah, wie die seltsamen Gestalten anhielten und ihn musterten, und blieb ebenfalls stehen. Ganz eindeutig hatten die jetzt ihn als Ziel auserkoren. Immerhin würden sie sich dann nicht an Takuro vergreifen, dachte er unwillkürlich, während er die modernden Leiber mit Widerwillen betrachtete. Er hob sein Schwert vor sich und suchte die Linien der Windnarbe. Das musste schnell gehen. Sie waren in der Überzahl und wenn es auch nur einer dieser Kreaturen gelingen würde, an ihm vorbeizukommen, war der arme Takuro vermutlich dran. Anscheinend jagte der Schatten nicht für sich oder nur teilweise, sondern für diese Wesen, die dann die Toten fraßen. Anders war der Gestank nicht zu erklären. Außerdem wollte er sich doch nicht vor Sesshoumaru blamieren. Der ach so tolle Herr Halbbruder würde gewiss mit dem Schatten kurzen Prozess machen. Wie ungemein peinlich, wenn er dann hier gegen die Anhängsel länger brauchen würde. Wenn auch bei denen die Windnarbe nicht funktionieren würde, müsste er eben Kongosoha einsetzen.

So schlug er mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, zu: „Kaze no kizu!“
 

Der Sprecher der Erdmenschen duckte sich in panischer Furcht neben den Brunnen, presste sich an die gemauerte Umrandung. Das also war der Schatten und so sahen die Wesen aus, die schon so viele seines Volkes getötet, ja gefressen hatten? Das waren andere als die, die sie den Harpien überbracht hatten. Waren das etwa die Harmlosen gewesen? Die hier waren einfach nur ekelhaft und Takuro wollte sich nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie ihre Krallen in ihn schlagen würden, diese Zähne...oh nein. Er schüttelte sich. Hoffentlich wurden die Oberflächenbewohner mit ihnen fertig - und mit dem Schatten. Er hatte besorgt gesehen, dass die beiden Angriffe des Jüngeren ohne weitere Wirkung geblieben waren. Allerdings hatte jetzt der Ältere übernommen. War der stärker? Er beobachtete besorgt, wie Sesshoumaru mit regungsloser Miene wartete, bis sich der Schatten wieder vollständig regeneriert hatte, das Schwert allerdings bereits in der Hand. Worauf wartete er? Takuro verstand nicht sehr viel von Kämpfen, aber ihm war klar, dass man doch zuschlagen musste, solange der Gegner geschwächt war. Oder?
 

Aus der Schwärze des Schattens drang etwas, das einem Kichern verdächtig nahe kam: „Wie dumm von euch! Ihr kämpft, Oberflächenbewohner, ohne jede Hoffnung. Ich bin unsterblich. Nichts kann mich töten, keine Waffe mich auch nur verletzen. Nun versuchst also du, mich ins Jenseits zu befördern? Vergiss es. Ich kann nicht sterben.“

Sesshoumaru hob Tenseiga seitlich: „Narr!“ gab er zurück: „Wer sagt, dass man tot sein muss, um ins Jenseits zu gelangen?“ Er schlug zu und öffnete damit den Pfad der Dunkelheit.

Zu Takuros – und des Schatten - Entsetzen, bildete sich hinter diesem ein schwarzes Loch, in das er einfach gesogen wurde. Dann verschwand das Loch und der Schatten war weg. Sprachlos, überwältigt, blickte der Sprecher der Erdmenschen zu dem anderen seiner Vertragspartner, nur, um zu sehen, dass eine helle Energiewelle von dessen Schwert ausging, die die angreifenden Wesen schlicht zerfetzte.

„Na also, “ Inuyasha drehte sich um, Tessaiga bereits wegschiebend. Aha. Es war gut gewesen, dass er sich so beeilt hatte. Sesshoumaru war mit dem Schatten schon fertig. „Hast du das Meidou Zangetsu geöffnet?“

Der Hundeyoukai schob Tenseiga in die Scheide. Was für eine Frage. „Gehen wir.“

„Ja, natürlich, edler Herr.“ Takuro bemühte sich, auf die Füße zu kommen. „Äh, ja…“ Er beschloss, sich an den Jüngeren zu halten. Als Inuyasha heran war, meinte er leise: „Der edle Herr meinte, man müsse nicht sterben, um ins Jenseits zu gelangen. War das Ernst gemeint?“

„Ja“, gab der Hanyou ehrlich zurück: „Er öffnet den Pfad der Dunkelheit und der Gegner wird vom Jenseits verschluckt.“

Aha. Der Sprecher der Erdmenschen nahm sich fest vor, dem Erdgott dafür zu danken, dass das seine Vertragspartner und keine Gegner waren. Immerhin war ihm nun auch klar, warum sie sich mit den Harpyien einigen konnten. „Äh….einen Moment, edler Herr?“

Sesshoumaru blieb stehen, ohne sich umzudrehen.

„Darf ich fragen, in welche Gegen des Mirtal Ihr wollt? Davon hängt nun der Weg durch das Labyrinth ab.“

„Die Stadt.“

„Ah ja..“ Takuro eilte voran: „Dann hier entlang...bitte.“ Sollte er darauf hinweisen, dass dort Gefahren warteten? Nein, entschied er dann. Das wussten sie sicher. Ob sie in der Arena antreten wollten? Aber das ging ihn gewiss nichts an, denn es war nicht Bestandteil des Vertrages.
 

Die Wanderung durch die Höhlen von Karu schien kein Ende zu nehmen und Inuyasha hatte sich gerade zur Meuterei aufgerafft, als Takuro stehen blieb und sich umblickte:

„Gleich dort vorn ist der Ausgang….“

„Willst du nicht mit?“ fragte der Hanyou prompt, als er vor sich Tageslicht entdeckte.

„Äh...nein, junger Herr. Ich gehe nur an die Oberfläche, wenn ich verhandeln muss. Für einen Erdmenschen ist es in dem grellen Sonnenlicht nicht sehr angenehm.“ Er verneigte sich etwas vor Sesshoumaru, der gerade an ihm vorbei wollte, nun aber stehen blieb, ohne ihn anzublicken. „Wir haben beiderseits den Vertrag erfüllt. So sind wir nun frei.“

„In der Tat.“ Der Hundeyoukai setzte sich bereits wieder in Bewegung.

Inuyasha war umgänglicher: „Dann komm gut zu den anderen zurück. Aber es gibt jetzt wohl keine Gefahren hier mehr, oder?“

„Nein, junger Herr. Keine, mit der ich nicht fertig werden kann.“ Der Sprecher wandte sich ab und ging, sehr zufrieden mit seinem letzten Vertragsabschluss.

Der Hanyou dagegen beeilte sich, mit einem weiten Satz an die Seite seines Halbbruders zu kommen: „Na also, “ meinte er befriedigt: „Du warst hier schon?“

Sesshoumaru wartete mit der Antwort, bis er sehen konnte, was hinter dem Ausgang war: „Ja.“ Doch, er kannte das steile, mit Geröll gefüllte Tal, durch das ehedem ein Bach in die Tiefe gestürzt war, bevor das Oberflächenwasser im Land des Sommers versiegte. Als er in das Tageslicht trat, erfasste er auch die abgestorbenen Bäume des einstigen Bergwaldes, den Blick in die Tiefe des Steppen- und Wüstenlandes, das heute das Mirtal bildete. Weiter entfernt entdeckte er auch die Schemen der Stadt, von Staub bedeckt und kaum von der Umgebung zu unterscheiden. Hoffentlich würden sie dort jemanden finden, der ihnen den richtigen Stamm, die richtige Wasserhüterin sagen konnte, damit sie endlich die Quelle des Lebens finden konnten. Das dauerte einfach alles so lange. Und der unhöfliche Bastard war auch kein Begleiter, den er sonderlich wertschätzte.

„Na, das sieht ja alles staubtrocken aus…“ meinte Inuyasha. Das war ja geradezu eine Einöde. Erstaunlich, dass da überhaupt noch jemand leben sollte.

Was zu beweisen war: „Das ist das Land des Sommers.“

„Ja, stell dir vor, das weiß sogar ich!“ Immer wurde er missverstanden. „Also, was waren das jetzt für komische Wesen, die dieser Schatten da hatte?“

„Leichenfledderer.“

Das war zwar keine richtige Antwort, aber es war immerhin eine. Und der Hanyou erkannte, dass wohl auch sein großer Bruder nicht mehr darüber wusste. So meinte er nur: „Wir müssen da runter?“

Der Hundeyoukai machte sich bereits wortlos auf den Weg.
 

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Im nächsten Kapitel landen sie in der Stadt. Und der Herr Hundedämon erinnert sich an manches....zu spät?
 

bye
 

hotep

Die Stadt

Mit den Bedingungshandeln schützen sich die so unterschiedlichen Völker der Insel vor sinnlosen Kriegen - und sparen sich Rechtsanwälte...
 

6. Die Stadt
 

Die Hundebrüder stiegen durch das steile ehemalige Bachtal in die Ebene des Landes des Sommers hinunter. Inuyasha bemerkte dabei, dass es hier kein Leben gab. Kein Vogel sang, kein Reh huschte irgendwo über die Hänge. Ob das im gesamten Mirtal so war? Eigentlich hatte er sich ja vorgenommen, zu schweigen, um seinem arroganten Begleiter zu demonstrieren, dass auch er stur sein konnte, aber Sesshoumaru war bereits einmal hier gewesen. Und das auch noch mit ihrem Vater. Der hatte doch sicher seinem Sohn etwas erläutert.

„Gibt es hier überhaupt keine Tiere?“

Sollte er diesem dämlichen Halbblut wirklich etwas erklären? Aber nun gut. Er hatte ihn um Tessaigas Willen mitgenommen, jetzt musste er auch dafür sorgen dass der Idiot nicht aus schierer Unwissenheit Unsinn trieb. „Nur die, die die Stämme besitzen.“ Und den Namen hatte er vergessen. Er hatte nie angenommen, je wieder hier herzugelangen.

„Aha.“

„Inuyasha. Ohne Wasser – kein Leben.“

Das hatte der Wasserdrache auch schon gesagt, erinnerte sich der Hanyou. Es schien zu stimmen. „Das dort ist diese Stadt? Die Hauptstadt?“ Er deutete voraus, wo sich in der Ebene undeutlich erkennbar Gebäude abzeichneten, ebenso gelb von Staub wie die Umgebung.

Das bedurfte keiner Antwort, entschied der Ältere.

So fuhr Inuyasha fort: „Der Bibliothekar meinte, du...und…Vater wart dort?“ Es drängte ihn, etwas über seinen Vater zu hören. Allerdings nahm er zu seinem Leidwesen nicht an, dass Sesshoumaru seit neuestem redselig geworden wäre.

„Ja.“

Na bitte. Er seufzte ein wenig: „Erzähl nur nicht zuviel. Und dann, wenn ich was nicht weiß, behauptest du, ich sei dumm.“

Das stimmte allerdings. Der Hundeyoukai dachte kurz nach, ehe er meinte: „Unser mächtiger Vater wollte etwas über Schwerterklingen erfahren und mit dem Schmied dort sprechen. Dieser machte zur Bedingung für Auskünfte, dass sich mein verehrter Vater dem Turnier in der Arena stellen müsste.“

„Das er natürlich gewann.“ Das war doch wohl klar.

Sesshoumaru zögerte, aus Loyalität zu seinem Vater. Aber es mochte bedeutsam sein: „Er musste am Ende So´unga einsetzen. Nur auf diese Art konnte er das Finale gewinnen.“ Und er hatte zum ersten Mal in seinem Leben wirklich Angst um seinen mächtigen Vater bekommen – und auch um sich, wie er ungern sogar nur in Gedanken zugab, und es selbst unter Folter niemals laut bekannt hätte.

„Aber er hat gewonnen.“ Das war doch das Wichtigste: „Wieso wollte der Schmied das? Ich meine, ich habe das mit diesem Bedingungshandel hier schon mitbekommen, aber was sollte der Schmied davon haben, ob ein Fremder das Turnier gewinnt oder nicht?“

„Er wollte wohl, dass der bisherige Meister verlor.“ Dieser war ein äußerst starker Mann gewesen und er selbst hatte doch ein wenig….beunruhigt… den Kämpfen zugesehen, bis Vater endlich gewonnen hatte.

„Das kann dann also auch von uns einer fordern, wenn wir wissen wollen, wo die Quelle des Lebens ist?“

Daran hatte er auch schon gedacht. Ablehnen einer solchen Bedingung war nicht möglich, wollte man sich nicht auf der gesamten Insel unmöglich machen, für unwürdig eines solchen Handels. Sollte er dem Bastard wirklich berichten, was es mit der Arena auf sich hatte? Nun, ein Hinweis würde nicht schaden: „Wenn dem so ist, töte in der Vorrunde deine Gegner nicht.“

„Häh?“ Inuyasha dachte, nicht recht gehört zu haben. War das nicht der gleiche Typ, der jeden umlegte, der sich ihm auch nur in den Weg stellte? Aber daraus ließ sich nur der Schluss ziehen, dass es wohl wichtig war. So zuckte er die Schultern: „Schon recht.“
 

Das Flachland des Mirtal war nur mit dürrem, vertrocknetem Gras bewachsen. Die Hundebrüder gingen über den gelben Staub in Richtung der Stadt. Beide konnten dort das Wasser des Flusses riechen, an dem diese errichtet worden war. Er war das einzige Fließgewässer des Landes, das zumindest für ein kurzes Stück an der Oberfläche erschien. Die Gebäude der Stadt waren wohl einmal weiß gewesen, aber der Wind, der dauernd den Staub über die ausgedörrte Ebene trieb, hatte sie damit gelb eingefärbt. Mauern schützten die kleinen Gärten, die sich eng hinter die Häuser schmiegten, vor dem Sand.
 

Eine Ansammlung vor der Stadt weckte die Aufmerksamkeit der Halbbrüder.

„Die wollen jemanden hinrichten!“ Inuyasha legte bereits die Hand an sein Schwert.

„Misch dich nicht ein!“

„Ach. Und wieso nicht?“

„Weißt du, ob er schuldig ist?“

Das stimmte natürlich, aber irgendetwas sträubte sich in dem Hanyou nichts zu tun. So meinte er nur: „Wir können ja erst einmal hingehen.“

Sesshoumaru hatte keinen Einwand, zumal sie sowieso in die Stadt wollten. So näherten sie sich der Menge. Wächter hatten einen Mann an einen Pfahl gebunden. Wütende Rufe der Zuschauer verrieten den Grund für die Strafaktion:

„Wasserverschwender, Frevler…“

„Ihr wollt ihn umbringen, weil er Wasser verwendet hat?“ fragte Inuyasha eine Frau, deren menschenähnliches Aussehen nur von den Fühlern auf dem Kopf getrübt wurde.

Sie sah ihn erstaunt an: „Er hat Wasser verschwendet. Fünfzig Beutel hat er genommen, um darin zu baden!“

„Äh, wie badet man sonst?“

„Du bist ein Fremder, das merkt man. Kommst du aus dem Land des Frühlings?“

„Noch von weiter weg. - Und wir haben genug Wasser,“ ergänzte er ehrlich.

„Man badet in Sand! Wasser ist allein zum Trinken da. Und fünfzig Beutel würden einer Familie fast zwei Wochen reichen!“

Sie war so wütend, dass der Hanyou nur nickte: „Darum wollt ihr ihn töten?“

„Nein, wie kommst du denn darauf? Aber er wird hier draußen angebunden. Im Staub und der Hitze wird er lernen, wie wichtig es ist, reines Wasser zu besitzen.“

„Ah.“ Inuyasha war beruhigt. Sesshoumaru hatte wohl recht gehabt und er sollte sich nicht einmischen, ohne zu wissen, was los war. Moment mal. Sesshoumaru hatte RECHT gehabt? Diesen Gedanken hatte er noch nie zuvor besessen.

Die Frau musterte ihn: „Ihr beide seid hier fremd. Ich habe schon lange niemanden von jenseits der Berge gesehen. Was wollt ihr hier?“

Er wollte schon antworten: „die Quelle des Lebens“, als sich sein Halbbruder einmischte:

„Wir suchen Auskunft über eine Cassana.“

„Ah, eine spezielle Hüterin des Wassers? – Geht am besten zu Tawashi. Er hat die Wirtschaft am Stadtplatz. Bei ihm erholen sich die Karawanenmänner aus der Wüste. Dort könntet ihr jemanden finden, der euch Auskunft gibt.“

„He, das ist nett von dir“, sagte Inuyasha prompt.

Beiden Halbbrüdern entging der kleine Youkai, der sie angestarrt hatte, und sich nun eiligst in Bewegung setzte, zurück in die Stadt. Er war sicher, Hitoshi-sama würde ihn für die Information über weißhaarige Neuankömmlinge belohnen.
 

Als die Hundebrüder den großen, quadratischen Stadtplatz betraten, fiel ihnen das große Gebäude zur linken Hand dort auf, sicher der Sitz des Herrn der Stadt. Um den Platz befanden sich Läden, in denen Obst und allerlei andere Waren angeboten wurden. Ein Haus zeigte nur eine Tür. Das Schild darüber konnte keiner der beiden lesen, aber sie waren sicher, dass es sich um das Gasthaus handeln musste, die die Frau gemeint hatte.

Und dann blieben sie abrupt stehen und wandten sich um.

Aus dem Tor des Herrensitzes kamen fünf Reiter, und Inuyasha wusste, dass er derartige Reittiere noch nie gesehen hatte. Ein wenig erinnerten sie ihn an den Bibliothekar im Lande des Frühlings, eidechsenhaft. Sie gingen ebenfalls auf zwei Beinen, stützten sich mit ihren Schwänzen ab, um das Gleichgewicht zu halten. Sie waren allerdings gewiss drei Meter hoch. Um ihre Schnauzen lag ein Halfter mit Zügeln und auf ihren Rücken saßen gepanzerte Krieger. Sie blieben den Halbbrüdern gegenüber stehen.

Ein Fußgänger kam betont lässig an ihnen vorbeigeschlendert, eindeutig in sehr vornehmer Kleidung. Um seinen Hals lag eine goldene Amtskette. Sesshoumaru stutzte. Diese grünen Haare…an irgendwen erinnerte ihn dieser Mann.

Der blieb stehen: „Zwei Hundeyoukai, eindeutig. Welch überaus große Freude. Ich bin Hitoshi, der Herr dieser Stadt. Was wollt ihr?“

„Nur eine Auskunft.“ Der angesprochene ältere Halbbruder war eisig.

„Natürlich. So wie damals dein Vater? Oh, du warst ja mit ihm hier, ich erinnere mich.“ Hitoshi nickte.

Sesshoumaru wunderte sich etwas. War er diesem Kerl wirklich schon einmal begegnet? Aber er wiederholte: „Nur eine Auskunft.“

„Kennst du den Bedingungshandel?“

„Ja.“ Das klang nicht gut.

„Wenn ihr meine Bedingung erfüllt, werde ich jeden Bewohner der Stadt anweisen, euch jede gewünschte Auskunft zu geben.“ Hitoshi lächelte ein wenig: „Einverstanden?“

„Was ist deine Bedingung?“

„Ich habe den Bewohnern dieser Stadt schon lange nur einfache Kämpfe in der Arena bieten können. Seit deinem, nein, eurem Vater war niemand mehr hier, der die Menge wirklich begeistern konnte. Umso größer war meine Freude, als ich hörte, dass ihr angekommen seid. Und ich habe durchaus nicht vergessen, dass es euer Vater war, der den meinen tötete. So werde ich in jedem Fall Genugtuung bekommen.“

Darum. Der Kampfmeister, der dem Inu no Taishou gegenübergestanden hatte, war also Hitoshis Vater gewesen. Aber es half nichts. Ohne diesen Handel würde es keine Auskunft geben. Ein Seitenblick verriet dem Hundeyoukai, dass sein Halbbruder bereits die Hand an Tessaiga hatte. Das wäre keine Option. Kein anderer Bewohner der Insel würde sich noch mit jemandem auf einen Handel einlassen, der einen ablehnte. Und die gesamte Reise wäre sinnlos gewesen. „Ein Turnier?“

„Ja. Also. Seid ihr mit der Bedingung einverstanden? Dann sagt euren Namen.“

„Sesshoumaru.“

„Inuyasha“, ergänzte der Hanyou unverzüglich. Schon wieder? Nun, immerhin schien es nur um Kämpfe zu gehen, die würden sie doch relativ schnell erledigt haben. „Also, wann geht es los?“

„Oh, ein ungeduldiger Welpe…“ Hitoshi lächelte und winkte jemandem, der sich bislang im Hintergrund gehalten hatte: „Das ist der Arenameister Kitano. Er wird dich dorthin begleiten, Inuyasha. – Sesshoumaru, um der alten Zeiten willen, komm mit mir.“

Dem Hundeyoukai wurde klar, dass Hitoshi so verhindern wollte, dass er seinem Halbbruder noch Informationen zukommen ließ. „So sicher, dass er nichts weiß?“ fragte er darum.

Der Herr der Stadt sah Inuyasha und dem Arenameister nach, ehe er antwortete: „Wenn er wüsste, was da auf ihn wartet, wäre er nicht so kampfdurstig.“

Das wagte Sesshoumaru zu bezweifeln. Inuyasha war mutig und er war zusätzlich ein Trottel. Nein. Selbst, wenn er ihm ausführlichst beschrieben hätte, wie die Kämpfe ablaufen würden, wäre der Hanyou mitgegangen. Nun, er selbst war ja auch mit dem Handel einverstanden gewesen, wenn auch notgedrungen, gab er zu: „Und nun?“

„Komm. Auch du darfst in die Arena. Immerhin seid ihr morgen die Attraktion. Es soll euch heute und morgen an nichts fehlen. Wasser, Essen. Und keine Sorge, es könnte etwas vergiftet sein. Wir haben einen Handel.“

Und niemand im Mirtal würde noch auf Hitoshi hören, würde er bei einem Bedingungshandel betrügen, erkannte der Hundeyoukai. „Ich weiß.“

„Hm. Eigentlich sollte ich nicht fragen, aber ich tue es doch: über was wollt ihr Auskunft haben? Für den Fall, dass ihr die Vorrunden und das Finale überlebt, sollte ich jemanden da haben, der eure Fragen beantworten kann.“

„Eine Cassana.“

„Eine Hüterin des Wassers? Eine spezielle Stammesführerin oder allgemein?“

„Allgemein, aber auch eine spezielle.“

„Warum...nein. Wir haben einen Handel. Ich werde sehen, dass ich jemanden finde.“ Hitoshi sprach es nicht aus, aber das war für seine Ehrbarkeit zu wichtig. Würde er nach seiner Überzeugung gehen, dass keiner der beiden das Finale überleben würde, und keine Vorbereitungen treffen, seinerseits ihre Bedingung zu erfüllen, würden ihm nicht nur die Bewohner der Stadt leicht Betrug bei einem Ehrenhandel vorwerfen können. Und das war das zumindest moralische Todesurteil im Mirtal. Überdies hatte er nicht vergessen, dass ihr Vater triumphiert hatte. Allerdings hatte ihm ein Blick verraten, dass keiner der beiden das höllische Schwert trug, das diesem damals den Sieg gebracht hatte.

Das verlangte nach keiner Antwort, entschied der Hundeyoukai.
 

Inuyasha hatte neugierig das gemauerte Rund von außen betrachtet: „Das ist die Arena?“

„Ja. – Ich werde dich zu einem Vorbereitungsraum bringen. Du bekommst alles, was du möchtest, Essen, Wasser, Frauen…“

„Essen?“ Das klang schon mal sehr gut: „Was gibt es denn?“

„Ich werde dir etwas bringen lassen. Und Wasser, nehme ich an.“

„Ja. – Warum bekomme ich das eigentlich?“

„Der Herr hat mit euch einen Bedingungshandel. Niemand soll sagen, er will dich, euch schwach sehen.“

Der Hanyou nickte. Es war angenehm, etwas zu bekommen, warum auch immer. Und anscheinend wollte dieser Hitoshi die ganze Sache ehrlich angehen. Nun gut. Er würde sowieso gegen jeden Gegner siegen, da war er sicher. „Sag mal, warst du damals auch hier, als mein…als unser Vater gewann?“

„Nein, das war vor meiner Zeit.“ Der Arenameister überlegte kurz, entschied dann aber, dass es eine überflüssige, oder möglicherweise auch für den Bedingungshandel gefährliche Auskunft gewesen wäre, hätte er gesagt, dass Hitoshis Vater damals seine Aufgaben übernommen hatte.

„Aber du weißt, wie so ein Turnier abläuft?“

„Ja, natürlich.“

„Und?“ fragte Inuyasha ungeduldig.

„Jeder von euch muss zwei Vorrunden bestehen. Allein. Erst im Finale wirst du deinen Bruder wieder sehen, wenn er noch lebt. Und du natürlich auch.“

Davon ging der Hanyou doch aus. Weder er selbst noch Sesshoumaru waren Leute, die man mal eben so um die Ecke bringen konnte, egal, wer auch immer ihnen gegenübertreten würde. „Und die Gegner haben hier schon öfter gekämpft? Ich meine, sie können wenigstens was?“

Der Arenameister hätte sich fast verschluckt, antwortete aber nur sachlich: „Ich bin sicher, dass der Herr euch die besten Krieger entgegenschickt, die wir zu bieten haben. Und Bewohner des Mirtal, gleich, ob Männer oder Frauen, verstehen zu kämpfen.“ Was war das denn für ein arroganter Junge? Oder war der nur so naiv? Er sah so freundlich, ja, fast unschuldig aus. „Komm, hier entlang. Ich darf dir nicht genau sagen, wie diese Kämpfe ablaufen, “ meinte Kitano nur noch.
 

Inuyasha sah sich in dem zugewiesenen Raum um. Das war ja geradezu luxuriös. Ein Bett mit weichen Decken, ein Tisch mit einem Becher und einer großen Kanne Wasser, und der Arenameister hatte noch gesagt, dass er etwas zu Essen bringen lassen würde. Dieser Hitoshi schien sich nicht lumpen lassen zu wollen. Mit einem Satz sprang der Hanyou auf das Bett, zog sich das Schwert samt Scheide ab und warf sich in die Kissen. Das war mal etwas Angenehmes. Sehr schön. Das Einzige, was ihn ein wenig ärgerte war, dass sie getrennt worden waren. Zu seiner eigenen Überraschung wäre es ihm lieber gewesen, den Halbbruder bei sich zu haben. Warum auch immer Hitoshi sie erst wieder im Finale zusammenkommen lassen wollte, es wäre irgendwie besser gewesen, einen, wenn auch schweigsamen, Begleiter zu haben. Überdies hätte er gehofft, noch etwas über ihren Vater in Erfahrung bringen zu können. Aber was nicht war, konnte ja noch werden, wenn dieses Turnier vorbei war.
 

„Ah, Kitano, “ begrüßte der Herr der Stadt den zurückkehrenden Arenameister: „Sie sind in den Vorbereitungszimmern?“

„Ja. Dieser Sesshoumaru wollte allerdings weder Wasser noch Essen.“

Hitoshi zuckte ein wenig die Schultern: „Jedem das Seine.“

„Ich habe bereits Männer ausgesucht, die gegen sie antreten werden.“

„Hm. Sesshoumaru hat damals zugesehen, als sein Vater kämpfte, und er wird sich daran erinnern, was geschieht, wenn man in der Vorrunde die Widersacher tötet. Er sollte keinen sterblichen Gegner bekommen.“

„Die Maschine?“

„Die Maschine, ja, und zuerst vielleicht etwas zum …Spielen. Man muss den Zuschauern etwas bieten.“

„Ich werde es veranlassen, Hitoshi-sama. Und gegen den Jüngeren eine Überzahl? Das könnte das Publikum allerdings als…hm…unfair auslegen.“ Es wurde ja in der Stadt bereits verbreitet, dass im Rahmen eines Bedingungshandels gekämpft wurde. Das würde eine Menge Zuschauer anlocken.

„Ja. Wer ist zurzeit dein bester Kämpfer?“

„Miho, der Kampfstier.“

„Gut. Er zuerst. Und falls er verliert, dann eine Überzahl in der zweiten Runde. Eine deutliche Überzahl, je nach dem, wie fähig sich dieser Inuyasha erweist. Wir wollen doch im Finale etwas sehen.“ Hitoshi lächelte ein wenig: „Ich bin sicher, dass er nicht weiß, dass man diese Arena auch Seelenarena nennt. Sein großer Bruder scheint es ihm nicht gesagt zu haben. Das war ein Fehler.“

„Und wenn er es doch weiß, Hitoshi-sama?“

„Dann haben wir keine lebenden Toten im Finale, das ist wahr. Nun, dann schicken wir ihnen eben alle Kämpfer, die du dann noch hast, auf den Hals.“

„Gut. – Soll ich gegen den Älteren als erstes vielleicht die Serpentina aufrufen? Er wird sie nicht töten wollen….“

„Er wird es nicht einmal können, wenn er es versucht. Und ihr Gift könnte ihn langsamer machen oder gar lähmen. Das wäre tödlich für ihn gegen die Maschine. Ja, gute Idee. Die unsterbliche Serpentina gegen Sesshoumaru als erste Runde, dann gleich die Maschine. Und dann Inuyasha gegen Miho, anschließend gegen die Überzahl. Hm…nein. Andersherum. Erst der Jüngere. Das Publikum wird mit ihm mitfiebern, und das lässt die Wetten für Sesshoumarus Kämpfe hochschnellen, da bin ich sicher. Das werden gute Einnahmen, morgen.“ Der Herr der Stadt nickte: „Gut, Kitano, du kannst gehen. – Falls sie wieder Erwarten siegen, werde ich ihnen jemanden suchen müssen, der ihnen Auskünfte geben kann.“ Bedingungshandel war Bedingungshandel. Und man musste dazu stehen.
 

Sesshoumaru stand am Fenster und blickte in den morgendlichen Himmel. Er hatte gehört, dass die Zuschauer in die Arena kamen, Platz nahmen. Bislang hatte ihn Kitano nicht abgeholt und so vermutete er, dass Inuyasha als erstes dran wäre. Hoffentlich besaß der törichte Hanyou soviel Erinnerungsvermögen, dass er seine Gegner in der Vorrunde nicht umbrachte. Die Magie der Arena würde sonst dafür sorgen, dass sie im Finale ihm erneut gegenüberstehen würden, allerdings als Untote. Kämpfen konnten sie freilich immer noch – und waren dafür nicht umzubringen. Vater hatte das nur zu deutlich zu spüren bekommen. Erst der Einsatz des Höllenschwertes hatte ihm den Sieg gegen diese Gegner gebracht. Nun, es blieb abzuwarten, was Hitoshi ihm, Sesshoumaru, an Widersachern entgegenstellen würde. Siegen würde er sicher.

Er hörte den Aufschrei des Publikums. Anscheinend war nun Inuyasha auf dem Weg in die Arena.
 

Dies entsprach den Tatsachen. Der Hanyou folgte dem Arenameister durch die Gänge, bis er vor sich ein Gitter erkannte, dahinter ein Rund, das mit Sand gefüllt war. Die Tribünen waren mit Zuschauern der verschiedensten Gattungen gefüllt.

Kitano nickte ein wenig: „Die Arena ist ausverkauft. Sehr viele Leute wollen euch sehen.“

„Da hatte Hitoshi ja direkt Glück, dass wir hier vorbeikamen.“

„Ja, so sieht er das auch. So.“ Kitano blieb stehen, als draußen der Sprecher bereits den Herausforderer ankündigte: „Du gehst jetzt dort hinaus, Inuyasha. Die erste Vorrunde wird gleich beginnen.“ Er öffnete das Tor: „Sobald du deine beiden Vorrunden überstanden hast, kannst du hier wieder hineingehen.“

„Wo ist denn Sesshoumaru?“

„In seinem Zimmer. Vermisst du deinen Bruder?“

„Keh! Ich hätte ihm nur gern gezeigt, was ich kann.“ Der Hanyou blieb für einen Moment im Tor stehen und atmete tief durch. Hier also war Vater gestanden, hier hatte er gekämpft…Es war ein eigenartiges Gefühl, das zu wissen, vollkommen ungewohnt.

Der Arenameister deutete sein Zögern falsch: „Keine Angst. Es wird schnell gehen.“ Gegen Miho hatte der Junge doch keine Chance.

„Das weiß ich doch!“ Inuyasha meinte das allerdings andersherum. Langsam ging er hinaus in die Arena, sich nur zu bewusst, dass hunderte Augen auf ihn gerichtet waren. Das war ihm noch nie widerfahren und er spürte eine unwillkürliche Nervosität. Er hörte, dass Kitano das Tor hinter ihm schloss. Im gleichen Moment entdeckte er ein gleichartiges auf der anderen Seite des Runds, das gerade geöffnet wurde.

Der Arenasprecher schrie: „Und hier kommt die erste Bewährungsprobe für Inuyasha: der mächtige Miho!“

Aus den Schatten des Tores tauchte eine sicher zwei Meter große, menschenähnliche Gestalt auf, ein Schwert an der Seite, teilweise gepanzert und Inuyasha erkannte einen Stieryoukai.
 

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Im nächsten Kapitel wird sich erweisen, wie einfach oder wie unmöglich es ist, dem halbherzigen Tipp des Herrn Halbbruders zu folgen, niemanden zu töten - und trotzdem zu gewinnen.
 

bye
 

hotep

Die Vorrrunden: Teil 1

Die Halbbrüder haben sich auf einen riskanten Bedingungshandel eingelassen, als sie sich bereit erklärten, in der Arena zu kämpfen. Denn nur einer hat auch nur eine Ahnung von der Magie dieses Kampfplatzes. Aber Papa hat da ja gewonnen....
 

7. Die Vorrunden – Teil 1
 

„For all these years I always knew, that I was born to fight“

Domine: “Stormbringer Ruler”
 

Inuyasha sprang etwas zurück, bereit, Tessaiga zu ziehen, als er seinen Gegner in das Rund der Arena kommen sah. Miho, hatte den der Sprecher genannt? Das war ein zwei Meter großer menschenähnlicher Youkai aus einer Rinderfamilie, sicher stark. Aber das war eigentlich egal. Er würde diesem Kerl die Windnarbe um die Ohren…

Moment, dachte er. Sesshoumaru hatte ausdrücklich gesagt, er solle in der Vorrunde niemanden töten. Und da der Herr Halbbruder eigentlich nicht zu irgendwelchen Mitgefühlen neigte, würde es sicher einen guten Grund geben. Aber wie sollte er dann mit diesem Kerl fertig werden? Er nahm allerdings die Hand vom Schwert.
 

Das Publikum begrüßte den bekannten Favoriten mit lauten Anfeuerungsrufen und Miho hob dankend die Arme, ohne jedoch den Fehler zu begehen, seinen Gegner aus den Augen zu lassen. Der hatte seine Waffe freigegeben. War er schon so geschockt über seinen Anblick? Er war ja auch noch sehr jung, ein Halbwüchsiger. Warum der sich wohl auf einen Bedingungshandel eingelassen hatte? Tja, das ging ihn nichts an. Das war ein Hundeyoukai, nein, nicht einmal das. Das war ein Halbblut, ein Mischling, genau. Eines von diesen eigenartigen Wesen, die so mancher Stamm wertschätzte. Nun, draußen in der Wildnis. Umso einfacher war er doch von einem vollwertigen Youkai zu besiegen. Nein, dafür würde er nicht einmal sein Schwert brauchen. Zumindest erst dazu, diesem Bastard am Ende die Kehle durchzuschneiden.
 

Inuyasha bemerkte, dass auch Miho nicht zog. Wollte der sich mit ihm auf einen Nahkampf einlassen? Nahm er an, dass er selbst davon keine Ahnung hatte? Da hatte er sich freilich geschnitten. In den langen Jahren seiner einsamen Wanderungen nach dem Tod seiner Mutter, ehe er Tessaiga fand, hatte er sich gegen andere Youkai, aber auch Menschen, nur mit seinen Krallen und Fäusten wehren können. Dieser Stier sah stark aus, die braune Haut spannte sich über massigen Muskeln. Die Zuschauer schienen den Kerl auch zu kennen. Vermutlich hatte er schon öfter hier gekämpft und anscheinend immer gewonnen. Na ja, er hatte es ja auch noch nie mit ihm zu tun bekommen.

„Erbärmlicher Schwächling“, sagte Miho laut. Immerhin sollte er dem Publikum etwas bieten: „Lauf weg oder bleib stehen, aber ich werde dich in der Luft zerreißen:“

„Keh! Und von was träumst du sonst noch?“ Der Hanyou hob die Hand und ließ die Finger knacken. Der Idiot hatte anscheinend immerhin bemerkt, dass er kein Youkai war. Wenn er allerdings annahm, deswegen im Vorteil zu sein, müsste er ihm diesen Irrtum aus dem Schädel schlagen. „Du bist ein Stieryoukai, ja, und? Ich gewinne immer gegen solche Blödmänner wie dich.“

„Mit Glück. Und das endet hier und jetzt.“ Miho bewegte ein wenig die Finger, die Arme, als freue er sich schon darauf, seinen Gegner wirklich zu zerreißen. Dann schoss er mit einer Geschwindigkeit auf Inuyasha zu, die für eine so massiv aussehende Person erstaunlich war.

Der Hanyou hatte allerdings, was Schnelligkeit betraf, einen anderen Maßstab. Ohne weiter nachzudenken schlug er mit der Faust zu, gegen das Kinn Mihos zielend. Das sollte doch ausreichen, selbst diesen angreifenden Stier zu stoppen.

Der Kämpfer nahm den Schlag an, ohne mit der Wimper zu zucken. Nur seine etwas verlangsamte weitere Handlung verriet, dass er überhaupt getroffen worden war. Dann jedoch packte er mit beiden Händen Inuyashas Handgelenk und fing es so ab.

Der Hanyou begriff in dieser Sekunde bereits, dass ihm das Gelenk gebrochen werden sollte, und wollte nicht abwarten, ob Miho wirklich kräftig genug dafür war. Mit einem plötzlichen Satz sprang er empor, in einen hohen Überschlag, und riss damit die Hände des Stieres mit sich. Der Ruck richtete sich gegen Mihos Daumen, die an der Oberseite seines Arms lagen, den schwächsten Punkt des Griffes. Der Youkai sah sich gezwungen loszulassen, um sich nicht die Finger ausrenken zu lassen.

Als Inuyasha ein Stück entfernt landete, hörte er noch das Raunen des Publikums, das anscheinend mit einem solchen Satz bei einem Hanyou nicht gerechnet hatte. Dann allerdings dachte er nicht mehr an die Zuschauer, denn Miho schien nun wirklich wütend zu sein und stürmte erneut auf ihn los.

„Sankontessou!“ Er nahm zwar nicht an, dass der Klauenangriff diesen massiven Gegner töten würde, aber er müsste ihn doch verletzen, außer Gefecht setzen. Dann hatte er die Vorrunde gewonnen. Die erste zwar, aber immerhin.
 

Im nächsten Augenblick begriff er, dass er sich zu früh gefreut hatte. Noch während seine Energie durch die Luft flog, auf Miho zu, schnellte dieser seitwärts, rollte ab und stand wieder.

„Fast, Kleiner, “ sagte er ruhig, durch nichts zu erkennen gebend, dass ihn diese Kraft bei einem solchen Jungen überrascht hatte. „Aber das wird nicht wieder vorkommen.“

„Stimmt. So viel Glück hast du nicht noch einmal.“ Mist, dachte der Hanyou. Jetzt wusste Miho, was er so drauf hatte und würde sich vorsehen. Er müsste sich irgendetwas einfallen lassen. Nur, was? Er konnte nicht weiter nachdenken, denn der Stieryoukai kam erneut auf ihn zu und etwas in der Art, wie er das tat, verriet Inuyasha, dass der zur Sache kam. Er wollte das Duell beenden. Das hieß, er wollte ihn töten.

„Glück? Oh, komm schon.“ Miho zwang sich mühsam zur Ruhe. Er musste dem Publikum noch etwas bieten, damit der Arenameister ihm einen Bonus zahlte, oder gar der Herr der Stadt. Noch durfte er diesen Kampf nicht beenden. „Bisher hast du mir noch nichts gezeigt. Angst?“

„Blödmann!“ fauchte der Hanyou: „Ich mache mich gerade warm.“ In diesem Moment durfte er einem raschen Faustschlag ausweichen, der gegen sein Gesicht gezielt wurde. Nun ja, dachte er irgendwo noch: Sesshoumaru ist schneller. Dem konnte er so gut wie nie entkommen.

Mit einem Seitwärtssprung war er ausgewichen und setzte sofort zum Gegenangriff an. Dieser Miho durfte nicht ins Spiel kommen. Er zielte mit den Krallen der linken Hand gegen den durch die Rüstung ungeschützten rechten Oberarm des Youkai, der unverzüglich versuchte, erneut seinen Arm zu fassen zu bekommen. Mit einem Schlag der Rechten verhinderte Inuyasha dies, konnte allerdings nicht mehr abwehren, als sich Mihos Faust in seinen Magen bohrte. Nur die Tatsache, dass sein Gewand aus Feuerrattenhaaren ihn wie eine Rüstung beschützte, verhinderte, dass er zu Boden ging. Auch so gelang es ihm nur etwas mühsam, zurückzuspringen und nach Luft zu ringen.

„Du bist wirklich eine Versager, “ kommentierte Miho laut: „Warum du dich nur auf diesen Handel eingelassen hast? Hast du es so eilig zu sterben?“ Er war nun noch siegessicherer als am Beginn. Der Bastard hatte schon einige Treffer kassiert und war angeschlagen. Und es sah nicht so aus, als ob der einen guten Plan hätte, geschweige denn auch nur eine Ahnung von Kämpfen.

„Keh!“ Inuyasha war klar, dass er sich längst etwas hätte einfallen lassen müssen, aber Pläne schmieden war seine Sache noch nie gewesen. Was sollte es. Er würde einfach so lange weiter seinen Klauenangriff einsetzen, bis er eine Idee hatte. Und irgendwann müsste doch auch mal ein Treffer durchkommen. „Sankontessou!“

Miho fand seine Einschätzung bestätigt, dass dieser Junge keine Ahnung vom Kämpfen hatte. Der hätte doch mitbekommen müssen, dass er schnell und gewandt genug war, diesem, durchaus interessanten, Klauenangriff auszuweichen? Allerdings kamen die Sankontessou- Ausfälle nun in einem Tempo, dass er nur noch reagieren konnte, sich schützen konnte. An Angriff war nicht zu denken. Verdammt. Dieser Bengel brachte es fertig, ihn in die Defensive zu drängen, ihn, Miho, den besten Kämpfer der Arena! Auf diese Art würde er keinen Bonus bekommen. Nein, er musste sich schleunigst etwas einfallen lassen. Doch das Schwert ziehen? Aber wie sah das gegen so einen Jugendlichen aus, der selbst nicht zog? Er hatte doch schließlich einen Ruf zu verlieren. Mit einem gewaltigen Satz zurück brachte er sich vor den nächsten Angriffen in Sicherheit und drehte sich um. Jetzt reichte es wirklich.

Mit einem schnaubenden Atemzug zwang er sich erneut zur Ruhe. Nein. Jetzt würde er wirklich nicht mehr spielen, Bonus hin oder her.
 

Inuyasha hatte zwar bemerkt, dass er den Stieryoukai ziemlich unter Druck gesetzt hatte, aber ihm fiel einfach nichts ein, wie er den nur bewusstlos bekommen konnte. Sesshoumaru hatte gesagt, er solle keinen Vorrundengegner töten und auch, wenn das bloß sein ungeliebter Halbbruder war, so nahm er doch an, dass es einen guten Grund für diese Warnung gegeben hatte. Welchen, war ihm in diesem Moment egal. Wie konnte er diesen Miho kampfunfähig machen, ohne ihn zu töten? Mit den Sankontessou-Angriffen hatte er immerhin verhindern können, dass ihn dieser erneut packte. Und er hatte schon mitbekommen, dass die Hände des Stieres äußerst stark waren. Wenn die ihn einmal richtig zu fassen bekommen würden, wäre er dran.

Die Hände.

Genau.
 

Zum ersten Mal duckte sich der Hanyou ab und glitt voran. Er ignorierte, dass Miho seine Hände spreizte und senkte, um seine empfindlicheren Körperteile zu schützen, soweit er dort keine Rüstung trug, kümmerte sich auch nicht um das erstaunte Raunen der Menge. Ihm war aus jahrhundertelanger Erfahrung in Kämpfen auf Leben und Tod klar, dass er nur einen Versuch haben würde, ehe der Stieryoukai mitbekam, was er plante. Bislang hatte er außer mit dem Klauenangriff nur mit der Faust zugeschlagen und er hoffte, dass dieser Typ denken würde, dass das alles wäre, was er konnte. Es musste einfach klappen. Wie stünde er vor Sesshoumaru da, wenn er nicht mal den ersten Kampf der Vorrunde gewinnen würde? Und das noch gegen so einen Kampfochsen?

Ohne Vorankündigung sprang er vorwärts, in eine Rolle hinein. Miho sah es und rechnete damit, dass dieser unerfahrene Junge versuchen würde, ihm gegen die Beine zu rollen, ihn so aus dem Gleichgewicht zu bringen, und machte einen Ausfallschritt um einen besseren Stand zu bekommen. Dann erst erkannte er, dass sich der Hanyou bereits mit den Händen abstützte und seine Füße gegen ihn schleudern ließ – genau dorthin, wo er seine Finger hatte, die nun gegen die Rüstung gequetscht wurden. Knochen knirschten.

Inuyasha schnellte seitwärts und stand wieder. Auch er hatte das Brechen der Fingerknochen gehört, erkannte jetzt den schmerzlichen, verwunderten Ausdruck auf dem Gesicht seines Gegners. Das war die Chance, die er erhofft hatte. Ohne jedes Zögern machte er einen gewaltigen Satz, um nun hinter Miho zu gelangen. Noch ehe der begriff, dass bereits eine weitere Attacke eingeleitet wurde, und sich umdrehen konnte, schlug der Hanyou mit der Faust in das Genick des Stieres. Das würde den schon nicht umbringen, hoffte er zumindest schwer.

Miho brach zusammen, ohne auch nur noch eine weitere Abwehrbewegung gemacht zu haben. Etwas außer Atem richtete sich Inuyasha auf, beobachtete ihn allerdings noch vorsichtig. Nicht, dass das ein Trick war.
 

Die Zuschauer jubelten, getragen von der Sympathie für einen Außenseiter, der gewonnen hatte – und dazu noch so jung war, und zumindest in den Augen der weiblichen Zuschauer niedlich aussah.

Der Herr der Stadt bemerkte es zufrieden. Die Wetteinsätze für Inuyashas nächsten Kampf und die Zweikämpfe seines Bruders würden in die Höhe schnellen. So winkte er dem Sprecher, der lautstark verkündete, dass der Herausforderer gegen den mächtigen Miho gewonnen habe. Und sich nach nur fünf Minuten Pause der zweiten Vorrunde stellen müsste.

Das war dem Hanyou allerdings gleich. Ihm war es wichtig, dass nun Männer, die wohl bei der Arena angestellt waren, herankamen, feststellten, dass Miho noch lebte, und den vorsichtig hinaustrugen, während der bereits wieder einigermaßen zu Bewusstsein kam. Er hatte gewonnen, ohne ihn umgebracht zu haben. Das war sehr gut und er erlaubte sich ein gewisses Grinsen. Das sollte der Herr Halbbruder doch erst mal nachmachen.
 

Sechs Minuten später sank sein Optimismus, als sich wiederum die gegenüberliegende Tür in die Arena öffnete und seine neue Herausforderung das Rund betrat. Da hatte wohl jemand keine Lust gehabt, auf den Bedingungshandel einzugehen. Oder Hitoshi war derartig von seinem Sieg gegen Miho beeindruckt gewesen.

Denn da kamen gleich zwanzig Youkai in die Arena, alle mit Rüstung und alle bewaffnet. Die ausnahmslos zu besiegen, ohne Tessaiga zu benutzen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Außerdem wusste er aus leidvoller Erfahrung, dass es hin und wieder Gegner gab, die die Windnarbe erkennen oder einen Bannkreis gegen sie errichten konnten. Da würde dann nur Kongosoha helfen, aber das wäre ein eindeutig tödlicher Angriff.

Was sollte es.

Er wollte schließlich nicht draufgehen. So zog er sein sich rasch verbreiterndes Schwert, während sich die zwanzig Krieger im Halbkreis vor ihm aufstellten. Sie wirkten sehr selbstsicher und siegesgewiss. Nervend.

„Oh, ich bin beeindruckt. Gleich zwanzig geben mir die Ehre!“ Er konnte sich denken, warum sie so grinsten. Er mochte Miho besiegt haben, aber nun war er eindeutig in der Unterzahl. Überdies bezweifelte er keinen Moment, dass die einen gemeinsamen Plan hatten. Sollte er den abwarten?

„Zwanzig Youkai gegen einen Hanyou“, gab einer zurück: „Und du ziehst tatsächlich noch dein Schwert?“ Auch er nahm, ebenso wie seine Kameraden, nun die Waffe zur Hand.

Ein anderer meinte: „Eben. Gib lieber gleich auf, Junge.“

„Keh! Das hättet ihr wohl gern. Aber im Unterschied zu einem Youkai gibt ein Hanyou eben nie auf.“ Er hob Tessaiga. Nein, er musste den ersten Schlag führen. Wer wusste schon, was die anderen so drauf hatten: „Kaze no kizu!“ Die Macht der Windnarbe raste strahlenförmig auf die Youkai zu, die sehr unterschiedlich darauf reagierten. Einige versuchten, weg zu springen, einige bauten einen Bannkreis auf.

Das Publikum schrie auf, vor Überraschung und Begeisterung. Seit so langen Jahren hatte es niemanden mehr gegeben, der die Zuschauer derart mitriss. Hitoshi hörte es zufrieden, sah aber zu seinem Arenameister:

„Wen hast du da ausgesucht? Freiwillige?“

„Auch. Aber auch einige, denen sonst die Todesstrafe gedroht hätte. Wie immer, eben.“

„Kennst du die Technik, die er da eingesetzt hat?“

„Nein. Aber sie ist äußerst mächtig. Es sind einige bereits tot.“

„Er wird sicher überrascht sein, sie wieder zu sehen.“ Hitoshi erlaubte sich ein Lächeln: „Gut. Lass die Wetten für den älteren Bruder anfangen, solange Inuyasha noch lebt…ich meine, der Herausforderer ist. Das wird sie steigern.“ Geld war das Wichtigste, daneben natürlich das Ansehen, gute Kämpfe bieten zu können. Nun ja. Das war auch der Grund gewesen, warum sein Vater gegen den Inu no Taishou selbst als Arenameister angetreten – und gestorben - war. Diesen Fehler hatte er daher nie wiederholt.

„Sicher. Ich werde…“ Kitano brach ab.

Der Herr der Stadt blickte eilig in die Arena. Einer seiner Kämpfer hatte einen Gegenschlag geführt. Eine ungeheure Energiedruckwelle lief auf den Hanyou zu, der offenkundig nicht zu fliehen versuchte, sondern sich eher einen festeren Stand suchte und so den Angriff erwartete.

„Idiot!“ war sein Kommentar, als er Tessaiga herumwirbelte, die Mitte der Attacke suchte: „Bakuryuuha!“

„Was ist das?“ war alles, was Hitoshi noch fragen konnte, als die gesamte Energie des Angreifers auf diesen zurückgeschickt wurde, nein, noch mehr als zuvor. „Wieder einige …hm...Tote. Die Arena der Seelen wird ihrem Namen entsprechen. Zu schade, dass Inuyasha davon anscheinend keine Ahnung hat.“ Einige Youkai wurden mit in den Tod gerissen, da sie gleichzeitig einen, offenbar unabgesprochenen, Angriff auf den Herausforderer versucht hatten.

„Dennoch ist er für seine Jugend ein beeindruckender Kämpfer.“

„Ich hoffe doch mal, dass das der ältere Bruder auch ist. Ihr Vater ist hier bis heute eine Legende. Und er hat bis zum Finalkampf gegen die Untoten kein Schwert gebraucht. So gesehen sind die Söhne...also, zumindest der da, noch schwächer.“

„Alles ist relativ, Herr“, antwortete Kitano, der trotz der ihm nur zu bekannten Magie der Arena ein gewisses Bedauern über den Tod seiner Kämpfer nicht unterdrücken konnte.
 

Inuyasha wich ein wenig zurück und sah sich eilig um. Tatsächlich hatte er es fast geschafft. Nur noch einer seiner Gegner stand. Was für eine Verschwendung von Leben, dachte er unwillkürlich. Aber wenn er hier überleben wollte, durfte er sich derartige Gefühle nicht leisten.

Der Youkai hatte einen ähnlichen Gedanken. Wenn er das hier bestehen wollte, musste er den Hanyou töten. Und der Mischling war beeindruckend stark.

„Nicht schlecht, Junge, “ gab er daher offen zu: „Und du hast ein Schwert, das die Windnarbe findet. Das hilft natürlich.“

„Oh, du kannst sie sehen?“ Inuyasha stellte sich erneut in Kampfposition. Dann war das ein schwerer Gegner.

„Selbstverständlich. Und ich kann sie abwehren.“

„Tatsächlich? – Kaze no kizu!“

Wie der Hanyou fast befürchtet hatte, schlug sein Widersacher mit dem Schwert einen Kreis. Eine Scheibe aus dämonischer Energie entstand, an der sich die Macht der Windnarbe brach. Das würde in der Tat kein Spaziergang werden. Aber er musste es schaffen. Vater hatte hier gekämpft und gewonnen, Sesshoumaru war diesen Bedingungshandel eingegangen, weil er darauf vertraut hatte, dass er, Inuyasha, seinen Teil übernehmen konnte…nein. Er würde doch den beiden keine Schande machen. Er würde es nochmals mit der Windnarbe versuchen, wenn das nichts half mit der Kongosoha, obwohl er sich diesen Angriff gern als Überraschung bis zur Finalrunde aufgehoben hätte. Wer wusste schon, was da noch so alles kam. So schlug er erneut zu.

Der Youkai lächelte und schwang seine Klinge in einem Kreis. Zur bösen Überraschung des Hanyou wurde diesmal seine Attacke reflektiert. Er sprang hastig beiseite, wurde aber dennoch von den Ausläufern seines eigenen Angriffs getroffen und prallte rücklings zu Boden.

„Ich habe dir gesagt, dass sich sie abwehren kann“, erklärte der Arenakämpfer.

„Na und?“ Inuyasha sprang bereits wieder auf, bemüht, kein Nachsetzen des Gegners zu erlauben. Die Windnarbe funktionierte also nicht. Also doch die Kongosoha? Oder einfach Stahl auf Stahl?

Er brach hastig seine Überlegungen ab, als der Youkai einen weiten Satz auf ihn zumachte, seine Klinge erhoben. Er konnte gerade noch Tessaiga empor reißen, um diesen direkten Angriff zu parieren.

„Mehr hast du nicht zu bieten?“ fragte der Kämpfer, ohne erkennen zu geben, dass er sich deutlich mehr anstrengen musste, als er zuvor gedacht hätte. Mit aller Kraft stieß er Inuyasha zurück, in der Hoffnung, den zu Boden zu bekommen, aber der Hanyou fing sich gerade noch ab.

„Warts doch einfach ab, Blödmann“, gab er zurück. Also schön, so ging das nicht. Stahl auf Stahl war ihm dieser Typ offenbar überlegen. Er musste sich entweder noch etwas anderes einfallen lassen oder doch Kongosoha….Oder sich in den Augen seines Halbbruders und ihres Vaters unsterblich blamieren. Nein. Letzteres würde er niemals tun: „Kaze no kizu!“ Erst mal den Youkai auf Distanz halten.

Der Kämpfer sprang eilig zurück, um Platz für seine Abwehr zu bekommen und ließ sein Schwert hochzucken, parierte den Angriff nur mehr mit Mühe, da Inuyasha aus Zorn diesmal mit aller Kraft zugeschlagen hatte.

Als die Windenergie nun wieder auf ihn zuraste, reagierte er rein instinktiv: „Bakuryuuha!“ Und darauf fand der Youkai diesmal keine Antwort.
 

Sesshoumaru wandte sich um, als die Tür zu seinem Zimmer geöffnet wurde. Der Arenameister trat ein:

„Du bist dran.“ Und da der Hundeyoukai schweigend zu ihm kam, fuhr Kitano fort: „Willst du nicht wissen, wie es deinem Bruder ergangen ist?“

„Er hat gewonnen.“ Sonst wäre der Bedingungshandel bereits abgeschlossen.

„So sicher? Ja, hat er. Sogar einen Ringkampf mit dem besten meiner Kämpfer.“

Immerhin hatte sich der Bastard nicht blamiert – und vor allem nicht ihren mächtigen Vater. Sesshoumaru spürte ein eigentümliches Gefühl, als Kitano ihn durch die Gänge zum Tor der Arena führte. Das letzte Mal, als er hier war, war sein verehrter Vater diesen Weg gegangen. Und er hatte nur von oben zusehen können. War dort nun Inuyasha? Gleich. Er würde sehen, welche Gegner ihm Hitoshi gegenüberstellte – und er durfte sie nicht umbringen, was die Sache doch deutlich erschweren würde.

Der Arenameister schloss das Tor auf: „Geh hinaus. Wenn du deine beiden Vorrundenkämpfe überlebt hast, wird es wieder geöffnet.“ Draußen kündigte der Sprecher bereits den zweiten Herausforderer an und das Publikum brach in Jubel aus.

Als der Hundeyoukai über den Sand in die Mitte der Arena schritt, spürte er die Blicke der Zuschauer fast körperlich. Er empfand das als ungemein peinlich. Ob das Vater ebenso getan hatte? Die Rufe waren nun verhallt, und so hörte er nur zu deutlich, wie der Sprecher sagte: „Und hier kommt die erste Gegnerin für unseren zweiten Herausforderer: die unsterbliche, unverwundbare Serpentina.“
 

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Man wird im nächsten Kapitel sehen, welches dieser Attribute tatsächlich zutrifft.
 

bye
 

hotep

Die Vorrunden: Teil 2

Jetzt ist also der Herr Halbbruder dran. Und Hitoshi hat sich ja vorgenommen, es ihm in Gedenken an ihre Väter nicht so einfach zu machen.

Adamant ist übrigens ein fiktives, äußerst hartes Material, manchmal als Mineral, manchmal als Metall gedacht, das in Fantasy-Geschichten verwendet wird. Im Herrn der Ringe besteht der Turm Saurons aus diesem Material.
 

8. Die Vorrunden Teil 2
 

Sesshoumaru stand regungslos in der Mitte der Arena. Seine Gegnerin war als „unsterblich und unverwundbar“ angekündigt worden. Nun, er sollte sie nicht töten, um ihr nicht im Finale als Untoter wieder zu begegnen, aber was das „unverwundbar“ betraf, würde er sicher das Gegenteil beweisen.

Das gegenüberliegende Tor der Arena wurde unter den Anfeuerungsrufen der Zuschauer geöffnet und er war ein wenig überrascht, dass einige davon auch ihm galten. Nicht, dass er es nötig gehabt oder es ihm gar gefallen hätte, er hatte jedoch angenommen, dass das Publikum ausschließlich auf Hitoshis Seite stand.

Seine Gegnerin kam aus den Schatten und er erkannte eines der eigenartigsten Lebewesen, das er je gesehen hatte. Serpentina war eine Schlange mit bläulich schimmernden Schuppen und gewiss an die zwanzig Meter Länge. Aber statt eines Schlangenkopfes trug sie einen menschlichen auf einem ebensolchen Hals. Allerdings waren ihre Augen geschlitzt und lidlos, und zwischen den beiden spitzen Vorderzähnen zeigte sich eine gespaltene Zunge.

Er musterte rasch den langen Körper, der lautlos über den Sand glitt. Diese Schuppen waren in der Tat aus sehr hartem Material und würden sie wie eine Rüstung schützen. Nun, zunächst ein Klauenangriff und später eine Giftattacke sollten zeigen, in wie weit sie tatsächlich gegen ihn gefeit war. Er blieb gelassen stehen, als sie sich keine fünf Meter vor ihm zusammenringelte und ihn buchstäblich von oben herab musterte.

„Ein Hundeyoukai, also, “ stellte sie sachlich fest: „Ich habe noch nie einen getötet.“

„Natürlich.“ Für was hielt sich dieses törichte Reptil? Er warf nur einen raschen Blick hinauf zu ihrem eigenartigen Kopf, ehe er empor sprang und seine Hand versteifte. Er erwartete nicht, dass dieser Klauenangriff durchkommen würde. Sie war gut geschützt und so ganz umsonst war die Ansage des Arenasprechers gewiss nicht gewesen. Aber einen Versuch war es wert.

Als er mit einem eleganten Überschlag rückwärts landete, hörte er das Lachen in Serpentinas Stimme: „Hast du wirklich geglaubt, mich damit zu verletzen?“

„Nein.“

„Also nur ein Test, ob meine Schuppen wirklich so hart sind? Dann lass mich dir sagen, dass sie aus Adamant sind. Keine Macht der Welt kann sie zerstören.“ Sie richtete sich etwas auf: „Was man von deinem Körper nicht behaupten kann. Dir fehlt ja bereits ein Arm. Und mein Gift wird das seine tun.“

Gift also. Sesshoumaru warf erneut einen raschen Blick empor zu den Zähnen. Der Kopf wirkte seltsam klein im Verhältnis zu dem Leib, aber das besagte nicht viel. Sie würde ihn beißen wollen. Nicht, dass er nicht gegen das meiste Gift der Welt immun gewesen wäre, aber die schiere Menge könnte ihm vorübergehend ein Problem bereiten. Lange genug, dass sie ihn anders töten konnte. Das sollte er folglich verhindern. „Du bist nicht die Einzige, die über Gift verfügt“, sagte er allerdings nur, ehe er die Hand hob und leise knacken ließ.
 

Inuyasha, dem man einen Platz neben dem Herrn der Stadt angeboten hatte, flüsterte: „Keh!“, als er das grünliche Leuchten um die Finger seines Halbbruders entdeckte. Das ätzende, tödliche Gift kannte er nur zu gut. Immerhin gehörte er zu den wenigen, um nicht zu sagen, er war der Einzige, der mehrere Bekanntschaften damit überlebt hatte.

Hitoshi sah neugierig zu ihm, blickte aber wieder hinunter. Für sein Ansehen in der Bevölkerung war es überaus wichtig, ehrenhaft diesen Bedingungshandel zu erfüllen. Und der Jüngere hatte auch gut zur Unterhaltung des Publikums beigetragen. Aber was plante nun der Ältere? Gegen Serpentina würde ihm keine Waffe der Welt helfen. „Was wird das?“ fragte er dennoch.

„Dokka-so.“

Der Herr der Stadt wollte noch „Was?“ fragen, als der Hundeyoukai bereits erneut an dem Schlangenkörper empor sprang und mit diesen seltsam grün leuchtenden Fingern zuschlug.

Serpentina zuckte zusammen, als sie zwischen den Schuppen spüren konnte, dass eine ätzende, scharfe Flüssigkeit sie traf. Dieser Hund verfügte in der Tat über ungewöhnliche Fähigkeiten. Sie hatte nie zuvor gehört, dass so jemand Gift besaß. Aber das machte ihr nichts aus. Es schmerzte ein wenig, würde ihr aber keinen Schaden beibringen. „Sinnlos“, meinte sie daher.

Nicht ganz, dachte Sesshoumaru, als er landete. Sie hatte gezuckt. Also hatte sie es gespürt. Das mochte wichtig werden, wenn er sie einmal ablenken wollte. Aber in einem hatte sie Recht: weder sein Klauenangriff noch sein Gift würden sie verletzen, geschweige denn töten können. Ob er doch Tenseiga einsetzen sollte? Den Pfad der Dunkelheit öffnen? Eigentlich hatte er sich das in den Vorrunden sparen wollen. Vater hatte So´unga auch erst im Finale gezogen und er wollte doch dessen Kampfniveau erreichen. Überdies bestand die Möglichkeit, wenn er sich so langsam recht erinnerte, dass das Meidou unter der Magie der Seelenarena nicht funktionierte. Aber wie konnte er dann dieses törichte Reptil besiegen? Zumal er es besser nicht töten sollte?

In diesem Moment bemerkte er, dass der Kopf Serpentinas auf ihn zuschoss, das Maul weit geöffnet zum Biss.

Mit einem weiten Sprung brachte er sich in Sicherheit und fuhr sofort herum. Soweit er wusste, waren Schlangen äußerst schnell – und seine Gegnerin bewies es soeben. Noch während sie realisierte, dass der Biss danebenging, ringelte sie ihren mächtigen Körper erneut wie eine Sprungfeder zusammen, um unverzüglich erneut loszuschlagen.
 

Das war kein Kampf, sondern eine Hetzjagd, dachte Inuyasha, als er zusah, wie sein Halbbruder ein ums andere Mal den zupackenden Giftzähnen entkam. Was sollte das? Warum unternahm der nichts? „Keh“, murmelte er: „Auf was wartet er?“

„Auf seinen Tod.“ Der Herr der Stadt lehnte sich genießerisch zurück: „Er ist schnell, das muss ich zugeben. Und er hetzt sie ganz schön. So lange hat sie noch nie gebraucht.“

„Blödsinn.“ Der Hanyou war sicher, dass Sesshoumaru einen Plan hatte. Er wusste zwar nicht welchen, aber er hatte bestimmt einen.

„Lieber Inuyasha“, meinte Hitoshi freundlich, überzeugt, dass er in wenigen Minuten aus dem Handel mit den beiden war: „Serpentina ist schnell, unverwundbar und unsterblich.“

„Na und? Er wird gewinnen.“

„So ein Vertrauen in deinen Bruder? Ich fürchte nur, er wird gleich verlieren.“

„Lies es mir von den Lippen ab, wenn du es anders nicht kapierst: wir werden siegen.“ Und diese Aussage, dachte Inuyasha plötzlich, traf er mit Sicherheit zum ersten Mal: Wir.
 

Sesshoumaru hatte sich gezwungen zu sehen, immer wieder den Schlangenzähnen in diesem so menschenähnlichen Kopf auszuweichen. Serpentina war ungemein schnell. Sie besaß Gift, das gewiss auch ihn lange genug beschäftigen würde, dass sie ihn töten konnte. Seine Klauenattacke war ebenso wirkungslos wie seine Dokka-so. Ihm musste etwas anderes einfallen. Tenseiga war natürlich noch eine Option, aber er zögerte, dies einzusetzen. Zum einen, weil er doch nicht vor seinem verehrten Vater schwächlich dastehen wollte, und zum zweiten, weil man erst im Finale zeigen sollte, was man wirklich vermochte. Hitoshi wäre sonst in der Lage, die passenden Gegner auszusuchen. Und, zum dritten, wenn er sich so richtig an Vaters – damals als Kind gern überhörte – Unterhaltung mit diesem Schmied erinnerte, verhinderte die Magie der Arena, dass die Seelen das Rund verließen. Also würde selbst der Pfad der Dunkelheit, der Wesen mit Seele direkt in das Jenseits schickte, nutzlos sein. Immerhin hatte der Schmied als Fachmann über das Meidou irgendetwas davon erwähnt, als er seinen Teil des Bedingungshandels mit dem Herrn der Hunde nach dessen Sieg erfüllt hatte.

Aber was konnte er nur tun? Töten sollte er sie besser nicht, wollte er sie nicht noch schneller und mächtiger als Gegnerin im Finalkampf haben.

Plötzlich erkannte er ihren fatalen Schwachpunkt. Natürlich. Warum hatte er das nicht schon vorher gesehen? Mit einem weiten Sprung zurück brachte er sich außer Reichweite der Fangzähne, die nur knapp vor ihm aufeinander schlugen – und sofort zurückgezogen wurden, für eine erneute Attacke.

„Das wird langweilig, Serpentina“, sagte er, um sie dazu zu bringen, ihre dauernden Angriffe zu unterbrechen.

Tatsächlich rollte sie sich zusammen: „In der Tat. Bleib doch einfach mal stehen.“

„Wie du willst.“

Er sprang hoch, stützte sich kurz mit den Füßen auf einer Kurve ihres Schlangenkörpers ab, ehe er weiter empor flog. Sie betrachtete ihn wirklich nicht als ernste Bedrohung, dachte er, als sie nicht reagierte – oder erst, als sie die bekrallte Klaue um ihre Kehle spürte. Er packte zu, so fest er mit einer Hand konnte.

Der Körper unter ihm bäumte sich auf, als sie begriff, dass er vorhatte, ihre Luft abzuschnüren. Ihr Kopf, ihr Hals waren nur so groß wie der eines Menschen und so war Sesshoumaru in der Lage, sie zu drosseln.
 

Den faszinierten Zuschauern bot sich ein bizarrer Tanz: der mächtige Schlangenleib, der sich in immer neuen Schlingen wand, bemüht, den Hundeyoukai zu erreichen, in eine tödliche Einkreisung zu bekommen, während dieser gleichzeitig neben dem Kopf Serpentinas schwebte, auswich, gleichzeitig seine Finger in eisernem Griff um ihre nur menschengroße Kehle, Millimeter um Millimeter fester zudrückend, ihr so die Luft abschnürend.
 

Panik stieg in ihr auf. Die bekrallten Finger schmerzten und drosselten sie immer weiter. Schon lange hatte sie den Mund geöffnet. Die schmerzenden Lungen zwangen sie nach dem letzten Rest von Sauerstoff zu suchen, den sie noch ergattern konnte. Und keine der Windungen, der immer schwächer werdenden Bewegungen, die sie noch durchführen konnte, veranlasste ihn dazu, den Griff zu lockern. Im Gegenteil.

Nie gekannte Todesangst war noch alles, was sie empfinden konnte. Todesangst und Schmerz. Das war doch unmöglich! Sie war unverwundbar!
 

Sesshoumaru presste seine Finger nur noch enger zusammen. Jetzt hatte er sie. Würde er sie aus dem Griff geben, wäre der Überraschungseffekt vorüber und sie würde ihn nie wieder so nahe an ihre ungeschützte Kehle lassen. So könnte er sie töten, aber das wollte er nicht. Die Arena der Seelen hatte Nebenwirkungen, wie sein verehrter Vater hatte lernen müssen. Er konnte fühlen, wie ihre Verzweiflung anstieg, ihre Todesangst, aber das war gleich. Sollte sie nur glauben, sterben zu müssen. Wichtig war bloß, dass sie besinnungslos wurde, er damit gewonnen, die erste Vorrunde bestanden hatte.

Serpentina hieß die erste Bewusstlosigkeit ihres Lebens willkommen.
 

Sesshoumaru landete im Sand neben dem zusammengesunkenen Schlangenkörper, bereit, nochmals nachzusetzen. Aber Serpentina bewegte sich nicht mehr. So war er nicht überrascht, als der Arenasprecher unter dem ihm geltenden Jubel des begeisterten Publikums seinen Sieg bestätigte. Und natürlich die zweite Runde in nur wenigen Minuten ankündigte. Während Helfer die Verliererin mühsam aus dem Rund brachten, suchte er mit einem raschen Blick Inuyasha. Ein ihn selbst erstaunender Impuls. Aber natürlich war es nur, um zu überprüfen, wie kampffähig oder verwundet der Bastard war.

Er schien unverletzt. Gut. Das würde im Finale sicher wichtig sein. Überdies würde doch ein vollwertiger Hundeyoukai doch dort siegen, wo es ein Halbblut unversehrt geschafft hatte. Und die Tatsache, dass Inuyasha neben dem Herrn der Stadt saß, bedeutete, dass sich Hitoshi an die Abmachung halten würde. Allerdings, nach allem, was er über diese Insel wusste, käme alles andere Selbstmord gleich.

Er hörte, wie der Sprecher die zweite Runde ankündigte, ohne einen Namen oder eine Gattung zu sagen und vernahm das Raunen, das daraufhin durch die Zuschauer lief, die anscheinend wussten, was da auf ihn zukam. Nun, schlimmer als eine unverwundbare Schlange konnte es nicht werden.

Und dann sah er, was da unter dem Aufschrei des Publikums in die Arena rollte.
 

Es war kein Lebewesen, das konnte er wittern. Es musste sich um eine Maschine handeln, wie sie Menschen erfanden. Aber so etwas hatte er noch nie gesehen oder auch nur in die Nase bekommen. Inuyasha hätte ihm sagen können, dass derartige Maschinen in Kagomes Zeit Bagger genannt wurden und auf so genannten Raupenketten liefen. Allerdings war dies kein Bagger, der zum Bauen eingesetzt werden sollte. Vorn an der Schaufel, und an den Ketten glitzerten äußerst scharfe Klingen. Sesshoumaru erkannte, dass der Hauptteil der Maschine aus dem gleichen Material hergestellt worden war, aus dem Serpentinas Schuppen bestanden, das sie so schützte. Das sollte also kein ehrlicher Kampf sondern eine Jagd auf ihn werden. Eine Maschine würde nicht ermüden, er hingegen irgendwann schon, wenn auch erst nach sehr langer Zeit.

Dachte dieser Hitoshi wirklich, er wäre so leicht zu besiegen? Er musste sich nur etwas einfallen lassen. Er warf einen Blick herum. Nun erst fiel ihm auf, dass auch die Mauern der Arena aus diesem Adamant bestanden. Verständlich. Hier kämpften Youkai, hier wurden hohe Energiemengen freigesetzt und die Bewohner der Stadt wollten sicher nicht nach jedem Turnier ihre Arena neu aufbauen.

Huh.

Glaubte Hitoshi wirklich, er könnte sich so einfach aus dem Vertrag winden? Nein. Es mochte zwar sein, dass selbst er, Sesshoumaru, die Maschine nicht mit einem Klauenangriff zerstören konnte. Aber es gab immer mehrere Möglichkeiten. Immerhin unterlag ein künstliches Gebilde nicht der Seelenmagie der Arena. Er würde sie also „töten“ können.

Das Zentrum war aus Adamant, aber eben nur das Zentrum. Die Klingen könnten auch ihn verletzen, wäre er nicht schnell genug, was er selbstverständlich war. Aber…

Er ging langsam rückwärts.

Wer auch immer die Maschine steuerte, fiel auf sein allmähliches Zurückgehen herein. Etwas darin heulte förmlich auf, ehe das Gefährt mit deutlich höherer Schnelligkeit auf ihn zu rollte.
 

„Er hat Angst“, stellte Hitoshi fest: „Noch jeder Youkai bekam Angst, wenn er etwas gegenüberstand, das er nicht kannte.“

„Blödsinn!“ fauchte Inuyasha prompt.

„Ach? Er weicht bis an die Wand zurück, wo er in der Falle ist. Solche Fehler macht man nur aus Angst.“

„Ich hab keine Ahnung, was er hat, aber nicht Angst!“ Der Hanyou war sicher, dass sein Halbbruder das Gefühl nicht einmal kannte. Der verstand sowieso nicht viel von Emotionen, aber von solchen gewiss gar nichts.

„Was für ein treuer, kleiner Bruder.“ Der Herr der Stadt blickte lächelnd in die Arena, wo der Hundeyoukai nun dicht vor der Wand stand und die spitzen Klingen an der Schaufel auf ihn zurasten, ohne, dass der sich bewegte. Die Maschine hatte noch jeden noch so arroganten Youkai verschreckt, in Panik versetzt, so dass sie sich dem Tod ergeben hatten. Und selbst die wenigen, die sich noch hatten wehren wollen, waren an dem schützenden Material gescheitert.
 

Sesshoumaru hörte mit gewisser Verachtung, wie das Publikum schrie. Er konnte sogar unterscheiden, dass ihn einige aufforderten, zu fliehen. Was für ein Wort. Hatten sie seinen Plan nicht verstanden? Gut. Dann hatte es gewiss auch der Fahrer dieser Maschine nicht, die gerade mit Aufheulen auf ihn zufuhr. Es wurde zugegeben knapp, aber er musste warten, bis es keine Ausweichmöglichkeit mehr gab.

So blieb er stehen, als sei er zu Stein erstarrt, bis die spitzen Klingen keine Handbreit mehr vor ihm waren. Erst dann sprang er mit aller Kraft empor und blieb für einen Moment schweben, ehe er seitwärts landete. Der Fahrer hatte bereits abgebremst, um nach dem vermeintlich sicheren Tod des Opfers wenden zu können, aber es war zu spät. Die Klingen brachen knirschend an der adamantenen Wand der Arena, der heftige Ruck zerstörte die vordere Schaufel.

Sesshoumaru war zufrieden. Die Teile, die nicht besonders geschützt waren, hatte er zerstören können. Nun blieben nur noch die Klingen an den Raupenketten, dann war diese Maschine so gefährlich wie ein zahnloser Youkai. Allerdings würde der gleiche Trick nicht noch einmal funktionieren. Wer auch immer das Gefährt steuerte, war nun sicher auf der Hut und erwartete eine weitere Falle. Die Maschine wurde rückwärts gesetzt. So ging er wieder in die Mitte der Arena.

Nein, dachte er plötzlich. Warum sollte er das nicht beenden, wie es jemandem seiner Macht ziemte? Mit einem Schlag, der die Stärke demonstrierte? Zerstörung war nicht notwendig, nur Kampfunfähigkeit.

So wartete er, bis das Gefährt herumgedreht war, ihm wieder gegenüberstand. Anscheinend wollte der Fahrer nun eine wirkliche Hetzjagd beginnen, wütend über den Fehler, den er begangen hatte. Sollte er nur glauben, dies tun zu können. Er selbst würde jetzt Schluss machen.

Die Menge der Zuschauer schrie wie ein Mann auf, als nur wenige noch erkennen konnten, was geschah. Der Hundeyoukai sprang mit einem Satz voran, landete direkt neben der Maschine. Der Fahrer begriff es und versuchte, das Gefährt auf der Stelle zu drehen, um den Gegner so mit den Klingen zu treffen und zu verletzen. Es sollte beim Versuch bleiben, denn Sesshoumaru war bereits wieder unterwegs. Seine Füße trafen den oberen Seitenteil des gepanzerten Führerhauses mit solcher Gewalt, dass dies zu kippen begann. Noch während er auf der anderen Seite landete, senkte sich die Maschine, stürzte seitwärts in den Sand. Die Raupenketten rotierten jetzt hilflos, konnten den Bagger aber nicht mehr aufrichten.

Der Hundeyoukai drehte sich nicht einmal mehr um, sondern blieb regungslos stehen und sah zu Hitoshi auf.
 

Der Herr der Stadt winkte daher auch dem Sprecher. Dieser sagte: „Damit hat auch dieser Herausforderer die Vorrunde bestanden. Nach einer kleinen Pause kommt das Finale.“

Hitoshi blickte seitwärts: „Dann geh hinunter, Inuyasha.“

„Wie viele Runden hat denn das Finale?“ erkundigte sich der Hanyou, während er aufstand.

„Nur eine, wenn du so willst.“

„Will ich?“ Was sollte denn der Unsinn?

„Sie endet, wenn entweder ihr beide tot seid oder alle eure Gegner...hm…verschwunden.“

Das klang etwas eigenartig, dachte Inuyasha unwillkürlich, aber was sollte es. So ging er die Stufen der Tribüne hinunter, vorbei an ihm zujubelnden Zuschauern, die vor Begeisterung versuchten, ihn zu berühren, ehe er mit einem Satz von der Absperrung hinunter in den Sand sprang. Wie er fast erwartet hatte, hatte sich sein Herr Halbbruder natürlich noch immer nicht mal umgedreht, um zuzusehen, wie Helfer die Maschine wieder aufrichteten, um die Arena leer zu bekommen. „Du kommst auf Ideen“, meinte er. „Jetzt noch das Finale, dann können wir endlich weiter. Diese Bedingungshandel gehen mir auf die Nerven. – Oder müssen wir dann bei diesen Stämmen auch so was machen?“

„Möglich.“ Diese Handel waren auf der gesamten Insel verbreitet, soweit er sich entsann.

„Na, toll….“ Inuyasha sah, dass die Maschine aus dem Rund geschleift wurde: „Jetzt sind wir gleich zu zweit. Sag mal, wir müssen aber nicht gegeneinander kämpfen?“ erkundigte er sich dann, als ihm diese Möglichkeit in den Sinn kam.

„Nein. Hitoshi hat mit uns beiden den Vertrag.“

Das war ja direkt mal eine Erklärung! „Umso besser“, meinte der Hanyou aber ehrlich.

Der Sprecher meldete sich zu Wort: „So, nun da unsere Arena wieder leer ist und unsere beiden verehrten Herausforderer bereit sind, beginnt das große Finale! Schon seit so langer Zeit war die Magie der Seelen nicht mehr in Gebrauch. Freuen wir uns auf einen grandiosen Kampf!“

Während die Zuschauer begeistert aufschrieen, fragte Inuyasha verwirrt: „Magie der Seelen?“ Er begegnete einem eisigen Blick: „Was ist?“

„Kannst du dämlicher Bastard nicht einmal das tun, was man dir sagt?“

„Was meinst du? Ach, wegen dem, ich soll in der Vorrunde niemanden töten? Das hättest du denen sagen müssen!“ fauchte er zu seiner Verteidigung: „Das waren zwanzig Youkai und keine Anfänger!“ Allerdings wurde er nun doch besorgt, was er damit ausgelöst haben könnte. Magie der Seelen klang nicht so angenehm: „Und was jetzt?“

„Jetzt bekommen wir es mit denen zu tun, die du getötet hast.“ Was geschehen war, was geschehen und im Moment musste er damit leben.

„Die ich...?“ Aber da bemerkte auch der Hanyou, dass der Sand der Arena an verschiedenen Stellen zu beben begann, sich dann öffnete. Aus den Löchern krochen die verrenkten Leiber derer, die er in der Vorrunde umgebracht hatte. „Untote.“

Na reizend.
 

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Im nächsten Kapitel: Arena der Seelen, sollten sich die beiden Hundebrüder etwas Gutes einfallen lassen, wenn weder Tessaiga wirksam ist, noch Tenseiga den Pfad der Dunkelheit öffnen kann.

Das nächste Kapitel wird u.u. erst Mittwoch kommen, da ich wegfahre.
 

Frohe Ostern
 

hotep

Arena der Seelen

Wenn nur einer etwas weiß und mit Informationen sparsam umgeht, sollte er sich nicht wundern, wenn sein Halbbruder raten muß:
 


 

9. Arena der Seelen
 

They stack the odds 'til we take to the street

For we kill with the skill to survive
 

Scorpions: Eye of the Tiger
 

Inuyasha beobachtete unangenehm berührt, wie aus dem Sand der Arena untote, sichtlich verletzte, Leiber krochen, die er schon zuvor lebendig gesehen hatte – und er hatte sie getötet. Zwar in Notwehr, aber doch. Jetzt war ihm auch klar, warum Sesshoumaru gemeint hatte, er solle in der Vorrunde niemanden umbringen. „Du hättest mir auch sagen können, was passiert“, murrte er prompt.

„Ich sagte, du sollst niemanden töten.“ Der Hundeyoukai stand regungslos.

„Den einen hab ich ja so geschafft, aber gegen zwanzig sah das eben schon anders aus. – Wie kann man die umlegen?“

Wenn ich das wüsste, wollte sein Halbbruder schon antworten, meinte jedoch nur: „Vater setzte So´unga ein, um die untoten Seelen zu beherrschen und dann direkt das Jenseits zu öffnen. Wenn man sie anders töten will, kann man sie nur zerlegen.“

„Und sie kommen immer wieder? Na, wie unterhaltsam!“ Der Hanyou warf einen Blick seitwärts: „Tenseiga? Das kann Seelen doch zurück in den Körper bringen?“

„Diese Untoten besitzen ihre Seelen bereits wieder, allerdings unter der Magie der Arena.“ Warum erklärte er ihm das alles eigentlich? Sollte dieser dämliche Hanyou doch ernten, was er gesät hatte. Vielleicht lag es daran, dass nun gut zwanzig Zombies um sie hielten, die alle Verletzungen aus dem Kampf mit dem Bastard trugen – und gewiss darauf brannten, sich dafür zu revanchieren.

Auch Inuyasha hatte bemerkt, dass er im Zentrum der Aufmerksamkeit stand: „Der Kerl dort kann die Windnarbe sehen…“

„Das ist keine Kunst“, war der prompte Kommentar.

„Aber er kann sie reflektieren.“

Hm. Langsam verstand Sesshoumaru, warum sich der Jüngere nicht an die Anweisung gehalten hatte, keinen Widersacher zu töten. Es war ihm wohl schlicht nicht möglich gewesen, mit den begrenzten Fähigkeiten, über die ein Hanyou nun mal verfügte. Er drehte sich ein wenig seitwärts, um die Untoten im Auge zu behalten, die jetzt einen Kreis um sie gebildet hatten, so gleichzeitig dafür sorgend, dass Inuyasha in seinem Rücken war.

Auch dieser wandte sich um, damit sie sich gegenseitig decken konnten. „Also, wenn ich sie mit Tessaiga angreife, kommen sie immer wieder?“ vergewisserte er sich noch einmal

„Ja.“

„Keh! Wir werden trotzdem gewinnen.“

Das stand außer Frage.
 

Hitoshi blickte in die Arena, wo die Halbbrüder den ersten Angriff der Zombies abwehrten: „Sie sind in der Tat stark. Aber gegen Wesen, die nicht mehr sterben können….“

„Wesen, mit Verlaub, Herr“, ergänzte der Arenameister höflich: „Die mit jedem Mal, das sie so...sterben…stärker werden.“

„Das ist wahr. Und das werden die beiden nur zu bald feststellen. Aber, was ich sagen wollte: gegen derartige Wesen ermüdet auch ein noch so starker Kämpfer irgendwann. Und keiner der beiden trägt dieses seltsame Schwert ihres Vaters, das sicher der Hölle selbst entstammte. Also werden sie verlieren.“ Und er war ehrenhaft aus dem Bedingungshandel. Außerdem war mit diesen Kämpfen heute ein Ansehen bei der Stadtbevölkerung gewiss gestiegen. Überdies hatten ihn seine Kassierer schon benachrichtigt, dass die Arena ausverkauft war – und die Wetten ungeahnte Höhen erreicht hatten.

Kitano nickte ein wenig, während er beobachtete, wie sich die ersten Untoten regenerierten.
 

„Das kann ja ewig so weitergehen“, meinte Inuyasha, der das ebenfalls sah. Wie konnte man sich nur solche Krieger vom Hals schaffen?

„Ich habe keinen Gegner getötet.“

„Ja, schon gut. Ist eben passiert!“ Er ließ erneut die Windnarbe losjagen, ehe er ergänzte: „Vater hat hier also mit So´unga gewonnen? Ich hätte nie gedacht, dieses blöde Stück mal zu vermissen.“

Ein wahres Wort, dachte Sesshoumaru nur, der Stahl auf Stahl parieren musste. Zum Glück war Tenseiga neben seinen sonstigen, durchaus widersprüchlichen, Fähigkeiten, auch aus erstklassigem Material geschmiedet.

„Was mich dran erinnert…Was ist mit dem Pfad der Dunkelheit?“ Der Hanyou hoffte noch immer auf eine gute Idee.

Eisig kam die Antwort: „Wie willst du etwas ins Jenseits schicken, in einer Arena, deren Magie genau diesen Weg verbaut?“

Hm? Inuyasha musste kurz nachdenken, ehe er begriff: „Niemand, der in dieser Arena stirbt, kommt ins Jenseits? Aber, was passiert, wenn die uns umlegen? Nur mal angenommen?“ Das würde doch nicht passieren. Schließlich konnten sie sich nur gegenseitig besiegen.

Der Hundeyoukai gab zu seinem eigenen Erstaunen erneut Auskunft, für wie unwahrscheinlich er das Letztere ebenfalls hielt: „Dann würden wir als Untote gegen irgendwelche Gegner antreten müssen, solange es Hitoshi gefällt. Außer, wir würden anders in das Jenseits befördert, als es die Magie der Arena vorsieht.“

„Klasse!“ Der Hanyou fuhr herum und jagte einmal die Windnarbe an seinem Halbbruder vorbei, als er dessen Aussage so richtig begriffen hatte. Erstens: das bedeutete, dass Sesshoumaru gegen diese Gegner praktisch wehrlos war, sah man von Stahl und Klauen ab und zweitens: sie durften nicht sterben, wollten sie nicht in hundert Jahren noch Hitoshi Vergnügen bereiten.

Sesshoumaru hatte ein wenig ärgerlich die Rettungsmission bemerkt, aber er konnte kaum etwas dazu sagen. Es hatte ihm etwas Luft verschafft, da sich einige seiner Gegner nun erst einmal buchstäblich die Knochen sortieren mussten. Und so kam er zum Nachdenken. Es gab doch eine Option gegen den Zauber der Arena der Seelen, auch, wenn dies bedeutete, dass er mit diesem Halbblut zusammenarbeiten musste:

„So´unga.“

„Was ist mit diesem dämlichen Teil?“ fragte der Hanyou verständnislos, ehe er erneut einige Widersacher zerlegte. Leider regenerierten die sich immer schneller und wurden immer stärker. Das könnte doch noch irgendwann ein paar Probleme geben.

„Vater hat hier mit So´unga gewonnen. Aber wir haben So´unga bezwungen.“

„Ja, klar. Mit diesem gemeinsamen Angriff.“ Inuyasha nickte etwas: „Mal eine wirklich gute Idee, nii-chan.“ Und da er sich denken konnte, wie diese Bemerkung aufgenommen werden würde: „Ich meine, Sesshoumaru. Aber dazu müssten diese Idioten alle an einem Platz stehen.“

Der Ältere bedauerte in diesem Moment zutiefst die Magie der Arena der Seelen. Aber wenn er sich nicht diesen Narren als zusätzlichen Zombie auf den Hals jagen wollte, musste er ihn am Leben lassen. Überdies brauchte er ihn, so schwer das auch zuzugeben war, um den gemeinsamen Angriff der Zwillingsschwerter durchführen zu können. Und die letzte Bemerkung hatte sogar geradezu Sinn gemacht. Ungewohnt bei dem Halbblut. „Dann kümmere dich um ihn.“

Um wen, wollte sein Halbbruder schon fragen, als er verstand. Er sollte sich um den Kerl kümmern, der die Windnarbe zurückschlagen konnte, den er in der Vorrunde getötet hatte. Warum? Egal. Er würde seinen Part übernehmen. Sesshoumaru würde schon noch sehen, was ein Hanyou drauf hatte.

Er sprang daher ein wenig vor, um sich direkt vor den Untoten zu stellen, der mit einem sehr un-menschlichen Lächeln sein Schwert hob. Dieser hatte als Lebender die Windnarbe sehen und reflektieren können. Nun zeugten Risse, Löcher in dem eigentlich toten Leib, dass er durch sie, nun, eher durch die Bakuryuuha getötet worden war. Ob der sich daran noch erinnerte?

„Du bist wirklich lästig“, meinte er aber nur.

Der Zombie schien antworten zu wollen, konnte es aber nicht. Er hob allerdings seine Klinge in einer Art, die anzeigte, dass er bereit war. Inuyasha schlug mit Tessaiga auf der Linie der Windnarbe zu. Wie er erwartet hatte, reflektierte sein Gegner sogar als Toter diese. Nun gut. Das konnte er auch.

„Bakuryuuha!“

Zu seiner unangenehmen Überraschung sprang der Untote der Energie entgegen und warf diese zurück. Mit einem gewaltigen Satz entkam der Hanyou gerade noch dem Rückschlag seines eigenen Angriffs. Dieser raste weiter durch die Arena, auf die Stelle zu, wo sich inzwischen fast alle anderen der Untoten um Sesshoumaru versammelt hatten. Der Hundeyoukai erkannte, dass genau das passiert war, was er vermutet hatte, und schnellte empor, so hoch er es vermochte. Unter ihm zerlegte der zweimal gespiegelte Angriff die Krieger. Natürlich begannen diese sofort, sich erneut zusammenzusetzen, aber das hatte zwei Folgen. Leider eine negative, da sie mit jedem „Tod“ stärker wurden, aber auch eine positive: ihre Körper wurden immer zerrissener, wiesen immer mehr Verletzungen und Löcher auf. Irgendwann würden sie schlicht darum nicht mehr kämpfen können.

Er landete näher bei Inuyasha: „Törichter Hanyou.“ Er hatte erwartet, dass der diese beiden Angriffe einsetzen würde, aber deswegen war es dennoch unsinnig, die gleiche Attacke, die bereits einmal unter der Seelenmagie versagt hatte, einzusetzen. Aber sicher, Inuyasha wusste so gut wie nichts über diese Arena.

„Ach ja?“ fauchte der prompt, ohne die Augen von seinem Gegner zu lassen, der soeben mit erhobenem Schwert auf ihn zurannte: „Was hättest du denn anders gemacht?“

Nichts, aber das musste er ihm nicht sagen: „Lock ihn zu den anderen!“

Aus angelernter Trotzreaktion wollte Inuyasha schon das genaue Gegenteil tun, aber er hoffte doch irgendwo instinktiv, dass der große Bruder eine gute Idee hatte. So parierte er den Angriff des Zombies Stahl auf Stahl, wich aber immer weiter zurück, wo sich die anderen Untoten regenerierten. In diesem Moment merkte er, dass sein Gegner einiges an Stärke zugelegt hatte, seit er gestorben war. Das war schlecht. Er hatte ihm zuvor schon kaum direkt Klinge auf Klinge Widerstand leisten können. Daher machte er einen gewaltigen Sprung rückwärts – nur, um festzustellen, dass er mitten in den sich erholenden Untoten gelandet war. Ein hastiger Schwenk mit seinem Schwert und zumindest die ihn Nahestehenden hatten erneut Probleme, sich auf den Beinen zu halten oder gar zu kämpfen. Sein eigentlicher Gegner kam auch schon wieder auf ihn zu. Lästiges Volk.

„Inuyasha!“

Der Angesprochene dachte, dass bei dem Tonfall in der Stimme sicher selbst ein Fledermausyoukai das Gruseln lernen konnte. Was hatte er denn nun schon wieder falsch gemacht? Er hatte doch alle auf einen Haufen locken sollen? Dann erst bemerkte er, dass der Hundeyoukai bereits angriffsbereit da stand, Tenseiga leicht seitwärts haltend. Mit einem gewaltigen Faustschlag der Linken ließ er seinen Angreifer zurücktaumeln, ehe er einen weiten Satz zu seinem Halbbruder machte.

„Immer diese Hektik!“ murrte er, um zu verbergen, dass er daran nicht gedacht hatte, sich beeilen zu müssen, solange die Untoten sich alle an einem Ort befanden. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, sprang er empor und ließ die helle Energie der Windnarbe erneut auf die Zombies losjagen. Warum nur war er nicht überrascht, als sich fast unverzüglich Tenseigas blaue Macht anschloss? Mit seltsamer Faszination sah er zu, wie sich die beiden Wirbel umschlangen, ehe sie gemeinsam auf die Untoten zurasten. Es gab eine blendende Explosion, die jeden in der Arena zwang, die Augen zu schließen.

Und dann standen sie nur noch zu zweit im Sand des Turnierplatzes. Die Zuschauer brachen in frenetischen Jubel aus.
 

Der Arenameister sah seitwärts: „Herr…sie haben die Untoten besiegt.“

„Ich bin nicht blind!“ Hitoshi starrte hinunter: „Keiner der beiden hat doch das Schwert ihres Vaters, das wohl die Hölle selbst öffnen konnte. Was ist jetzt passiert?“

Kitano musste nicht nachdenken, vertraut mit der Magie seines Arbeitsplatzes:„Es gibt nur eine Möglichkeit…sie müssen irgendwie mit diesem letzten Angriff den Weg in die andere Welt geöffnet haben. Denn nur auf diese Art entkommen die Seelen dieser Arena.“

„Gleich. Sie haben gewonnen. Damit haben sie ihre Aufgabe erfüllt. Geh hinunter und nimm sie in Empfang.“ Der Herr der Stadt atmet tief durch, ehe er aufstand und winkte. Ein Trompetenstoß ließ sowohl die Hundebrüder zu ihm aufsehen, als auch die Menge schweigen. „Sesshoumaru, Inuyasha, ihr habt meine Bedingungen erfüllt“, sagte er laut: „Und ich muss zugeben, dass das der interessanteste Bedingungshandel seit langem war.“ Gleichzeitig der ertragreichste, aber das brauchte er ihnen ja nicht zu sagen: „Ich werde jetzt eure Bedingungen erfüllen. Folgt dem Arenameister. Er kommt euch abholen. – Für die Zuschauer gibt es nun eine Pause, ehe die Ligakämpfe weitergehen.“

Heftiger Beifall des Publikums bestätigte seine Meinung, dass sein Ansehen in der Stadt wohl mit dem heutigen Tag gestiegen war.
 

Die Halbbrüder sahen ein wenig erleichtert, dass sich das Tor der Arena öffnete und Kitano dort stand, ihnen winkte. Als sie sich umwandten, um den Turnierplatz zu verlassen, brandete erneut ein Beifallssturm und Jubel auf, als sich die Zuschauer von den Sitzen erhoben, eindeutig zu Ehren der beiden Sieger. Inuyasha war versucht, zurückzuwinken. Immerhin war dies das erste Mal, dass eine derartige Menge an Wesen verschiedenster Gattungen ihm zujubelte. Aber dann ließ er es doch sein, da sein Halbbruder mit eisiger Miene neben ihm ging und er sich nicht blamieren wollte. Dennoch konnte er ein eigenartiges Gefühl bei dem Gedanken nicht unterdrücken, dass er hier gewonnen hatte, wo einst sein, ihr, Vater kämpfte und siegte. Das klang so nach einer Familie…
 

Die Hundebrüder folgten dem Arenameister zu einem Raum, in dem sie Hitoshi und ein weiterer Mann erwarteten.

Der Herr der Stadt setzte sich in einen Sessel – dem einzigen in diesem Zimmer: „So, Sesshoumaru, Inuyasha: zu unserem Bedingungshandel. Dies ist Tawashi. Er kann euch eure Fragen zu den Cassana beantworten.“ Hoffte er. Denn sonst musste er weiter suchen. Er war nun gezwungen, ihre Bedingungen zu erfüllen.

„Was genau macht eine Cassana?“ erkundigte sich Inuyasha prompt.

Tawashi nickte ein wenig: „So nennen die Stämme des Mirtal ihre jeweilige Hüterin des Wassers, die Hüterin des Lebens des Stammes. Mit den Fähigkeiten einer Cassana wird man geboren. Diese auserwählten Frauen können das Wasser unter dem Boden finden, die unterirdischen Flüsse, auch, wenn sie ihre Richtungen ändern. So sichern sie das Überleben ihres Stammes.“

Tawashi? Der Name kam ihm eigentlich bekannt vor. Doch, das musste der Wirt sein, von dem die Frau vor der Stadt gesprochen hatte. Er sollte sich mit den Stämmen auskennen: „Aha. Und wo kann man sie finden?“

„Immer bei ihrem Stamm. Jeder hat nur eine Hüterin. Und deren Nachfolgerin, wenn schon eine geboren wurde. Ein Mädchen mit diesen Fähigkeiten wird immer von der derzeitigen Hüterin ausgebildet, um bei deren Tod ihren Platz einnehmen zu können.“

Ein rascher Seitenblick verriet dem Hanyou, dass er wohl weiterfragen sollte. Direkt ungewohnt, so ein Vertrauen, dass ich nichts falsch mache, dachte er unwillkürlich: „Hast du schon einmal von einer Quelle des Lebens gehört? Ist das dann die wichtigste Cassana, die ranghöchste?“

„Da bin ich mir nicht sicher, ich dachte immer, sie sind alle gleichrangig. – Genaue Auskünfte über die Quelle des Lebens kann euch aber sicher nur die Cassana geben, die sie hütet. Und wer das ist, wo sie lebt, wissen nur die anderen Hüterinnen. Und natürlich der eigene Stamm.“

„Wie viele Stämme gibt es denn?“

„Zwölf bis vierzehn. Genau weiß ich es nicht, denn die Stämme im Süden kommen nicht hierher, sondern wenden sich nach Süden, zum Land des Herbstes.“

„Wo können wir die nächste Cassana finden?“ erkundigte sich Sesshoumaru nur noch.

„Hm. Immer bei ihrem Stamm. - Ich habe einen Gast aus dem Mirtal, der heute, nach eurem Kampf in der Arena, nach Hause wollte. Sein Stamm lebt nördlich von hier. Womöglich nimmt er euch mit.“

„Och, nicht schon wieder so ein Bedingungshandel, “ ächzte Inuyasha. Diese Sitte der Insel der Vier Jahreszeiten ging ihm ziemlich auf die Nerven.

„Das ist eine Sache zwischen euch und ihm.“ Tawashi blickte rasch zu Hitoshi, ehe er meinte: „Soll ich ihn herholen?“

„Ja.“ Der ältere Halbbruder hatte sich entschieden. So würde es schneller gehen, einen Stamm zu finden. Und womöglich konnte ihnen dessen Cassana weiterhelfen – wenn auch sicher nicht ohne Bedingungshandel. Aber das war hier eben so.

Tawashi nickte: „So werde ich ihn suchen. Es mag aber dauern, denn er wollte, wie gesagt, heute in die Arena den Kämpfen zusehen.“ Und bei der Menge der Zuschauer war es schwierig, jemanden aufzutreiben. Aber er würde den Arenasprecher bitten, den Gesuchten auszurufen. Als Wirt kannte er dessen Namen.
 

In der Zwischenzeit ließ der Herr der Stadt Getränke und Essen bringen und auf den Tisch stellen, was zumindest Inuyasha mit gewisser Begeisterung annahm. Ihn störte dabei auch nicht die Tatsache, dass er im Stehen essen sollte, während Hitoshi saß. Es gab nur einen Sessel in diesem Raum. Dass der Herr der Stadt auf diese Weise seine Macht demonstrieren wollte, bemerkte der Hanyou nicht einmal. Sein Halbbruder stand am Fenster und blickte schweigend hinaus, auf die Häuser der Stadt.

Hitoshi nahm das Desinteresse seiner beiden Besucher an seiner Person schweigend zur Kenntnis. Er hatte zum einen noch immer einen Handel mit ihnen, zum zweiten waren sie bald wieder verschwunden. Er musste sich mit ihnen nicht herumärgern.
 

Erst, als Tawashi mit einem Mann zurückkehrte, drehte sich Sesshoumaru um. Der Wirt deutete auf die Hundebrüder: „Hier sind sie.“

Der Neuankömmling betrachtete die Vorgestellten mit gewisser Neugier. Er hatte sie zuvor nur aus der Distanz gesehen: „Mein Name ist Ripchin. Ihr wollt zu meinem Stamm und mit unserer Cassana sprechen?“ Der Mann der Wüste trug nicht die eng anliegende Kleidung der Städter, sondern weite, mehrlagige Stoffschichten und eine aus einem Tuch gewundene Kopfbedeckung. Die beiden Gäste erkannten sofort, dass er nicht nur ein Schwert an der Hüfte trug, sondern auch sich unter der obersten Stoffschicht eine Rüstung abzeichnete. Ein Krieger.

Da Sesshoumaru schwieg, meinte Inuyasha: „Ja. Nimmst du uns mit?“

„Wenn ihr beide mir zuschwört, dass ihr nichts gegen meinen Stamm und nichts gegen die Cassana unternehmen werdet.“ Er hob ein wenig die Hand. Dabei fiel der Ärmel etwas zurück und die Halbbrüder entdeckten eine weitere Waffe: an seinem Handgelenk war ein Dolch festgeschnallt.

Der Hanyou zuckte die Schultern: „Sicher nicht, wenn sie uns nichts tun.“

Ripchin nickte etwas zu dieser Einschränkung: „Ihr seid meine Gäste und niemand wird etwas gegen euch unternehmen. - Allerdings kann es sein, dass ihr bestimmte Bedingungen erfüllen müsst, um eure Fragen beantwortet zu bekommen.“

Der Hanyou stöhnte ein wenig auf. „Dieser Bedingungshandel, ja. – Willst du auch was, damit du uns mitnimmst?“

„Nein. Ihr beide habt mir den interessantesten Nachmittag in der Arena beschert, an den ich mich erinnern kann.“ Jeder im Raum hörte die unterschwellige Anerkennung der Tatsache, dass er sich kaum gegen sie im Kampf stellen wollte. Sieger eines Seelenturniers waren äußerst selten. Wie schon ihr Vater würden auch sie hier zur Legende werden.

„Dann gehen wir.“ Der Hundeyoukai sah keinen Grund, sich auch nur Minuten länger als zwingend notwendig hier aufzuhalten.

„Gut, wie ihr wollt. - Ich habe alles bereits dabei, was ich benötige.“ Ripchin wandte sich um und ging, ohne den Herrn der Stadt auch nur begrüßt zu haben, ein eindeutiger Hinweis darauf, dass sich die freien Bewohner des Mirtal für höher stehender hielten als die Städter.

Hitoshis Macht beschränkte sich auf die Stadt. Außerhalb galten andere Regeln. Und die Sieger eines Turniers in der Arena der Seelen genossen bei den Kriegern der Wüste eindeutig das höhere Ansehen.
 

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Lebende Legenden, also. Aber das wird sie nicht davor bewahren, sich auf Handel einlassen zu müsssen.

Im nächsten Kapitel treffen sie immerhin eine Cassana - und deren Prüfung.
 

bye
 

hotep

Die Prüfung der Cassana

Im Verlauf des Seelenturniers haben die Hundejungen schon einmal gelernt, dass Zusammenarbeit nützlich sein kann - und sich einen gewissen Ruf erarbeitet. Das mag noch hilfreich sein.
 


 

10. Die Prüfung der Cassana
 

Die Hundebrüder folgten Ripchin durch die Stadt. Bei einem großen Haus, kurz vor dem Stadttor, blieb der Wüstenkrieger stehen: „Wartet einen Moment. Ich hole mein Lasttier.“ Er verschwand durch das offene Portal. Beide konnten darin einen dumpfen Geruch ausmachen.
 

Aber als Ripchin zurückkehrte, starrte Inuyasha das Etwas an, das er am Zügel führte: „Was ist das denn?“

„Mein Lasttier.“ Er klang verwundert, ehe er sich daran erinnerte, dass die beiden nicht von der Insel stammten und wohl noch nie ein derartiges Lebewesen gesehen hatten: „Ein Sandwurm.“

„Äh, ja, “ machte der Hanyou nicht sonderlich intelligent. Dass das ein Wurm war, hatte er auch gesehen. Allerdings von immerhin drei Metern Länge und mit diversen Gepäckstücken beladen. Überdies war er von Kopf bis Schwanz mit einem dichten, rötlichen Fell bewachsen.

„Kommt nun.“ Ripchin setzte sich in Bewegung und die beiden folgten ihm.
 

Auf dieser Seite der Stadt dehnte sich eine scheinbar endlose Ebene. Kleine Kiesel und zerfallenes Geröll bildeten den Untergrund. Allerdings war eine Art Weg zu erkennen, der nach Norden führte. Sicher kamen hier öfter Händler aus dem Mirtal in die Stadt.

„Wie lange brauchen wir zu deinem Stamm?“ erkundigte sich Inuyasha.

„Das hängt von euch ab. – Könnt ihr bei Nacht weitergehen?“

„Ja, klar.“ Auch, wenn er für sich zugab, dass er nach den Kämpfen in der Arena gern eine Runde geschlafen hätte. Aber diese Blamage vor einem Fremden und Sesshoumaru konnte er sich ersparen. Es würde noch ein bisschen dauern, ehe er wirklich ausruhen musste.

„Dann werden wir morgen Abend dort sein.“

Der Hanyou war in diesem Moment dankbar, dass er nach dem Arenaturnier noch etwas zu essen und zu trinken bekommen hatte. Wer wusste, wann er wieder etwas bekommen würde. „Gut“, sagte er aber nur.
 

Ohne Pause wanderten die drei immer tiefer in das Mirtal. In den letzten Strahlen der untergehenden Sonne entdeckte der Hanyou, dass sie sich von dem Weg, wenn man das so nennen konnte, entfernten, weiter direkt nach Norden gingen. Schon zuvor war ihm aufgefallen, dass immer wieder Spuren abbogen. Die Besucher der Stadt waren wohl immer allein unterwegs. Eigenartige Gegend, eigenartige Leute und noch eigenartigere Tiere. Er betrachtete den Sandwurm, der neben ihm herglitt. Ein haariger Wurm, so etwas hatte er wirklich noch nie gesehen. Andererseits mochte es nützlich sein, sich hier zu bedecken.

Mit einem Seufzen dachte er plötzlich an seine Freunde. Sicher war Kagome inzwischen schon wieder zurückgekehrt und würde sich wundern, wo er steckte. Ganz bestimmt machte sie sich Sorgen um ihn. Hoffentlich fand diese Reise bald ein Ende und würden sie diese komische Quelle finden. Warum hatte er sich auch nur breitschlagen lassen, hierher mitzugehen? Außer dämlichen Bedingungshandeln und blöden Sprüchen seitens seines Herrn Halbbruders hatte diese Insel doch nichts zu bieten.
 

Wie Ripchin vorhergesagt hatte, erreichten die drei Reisenden am späten Nachmittag des folgenden Tages das Lager seines Stammes. Mehrere große Zelte standen dort im Kreis, eindeutig aus den Haaren von Sandwürmern gewebt. Diese Tiere schienen den Bewohnern des Mirtal nicht nur als Tragtiere von Nutzen zu sein.

Ripchin wandte den Kopf: „Ich muss euch bitten, hier auf dem Platz kurz zu warten.“

Sesshoumaru blieb stehen und so tat es auch Inuyasha, auch, wenn sich der Jüngere neugierig umsah. Männer und Frauen trugen hier anscheinend die gleiche Tracht, diese weiten Gewänder. Und die Stammesleute musterten ihn und seinen Halbbruder mit der gleichartigen Neugier. Nicht weiter verwunderlich, sah man ihnen die Fremden doch wohl an. Ripchin übergab die Zügel seines Sandwurms einem anderen Mann, ehe er selbst in ein Zelt ging, das deutlich kleiner war als die anderen. Kurz darauf kehrte er mit einer Frau mittleren Alters zurück, in der die Hundebrüder zu Recht die Cassana, die Hüterin des Wassers, vermuteten. Sie trug die gleiche Kleidung wie alle anderen Frauen. Nur um ihren Hals lag eine Kette mit einem großen, blauen Anhänger daran, wohl das Zeichen ihres Status. Sie musterte die Halbbrüder.

Ripchin hob ein wenig die Hand: „Dies ist Sesshoumaru und dies Inuyasha, Cassana. Wie ich bereits erwähnte, stellten sie sich dem Turnier der Seelen und gewannen, nur, um eine Auskunft über die Hüterinnen des Wassers zu bekommen.“

„Was bedeutet, dass es euch beiden sehr wichtig ist.“ Sie betrachtete sie erneut: „Youkai, Hundeyoukai von jenseits des Meeres, vermute ich. Was wollt ihr wissen?“

„Wo finden wir die Quelle des Lebens?“ fragte Inuyasha prompt.

Die Cassana zog ihre Brauen hoch: „Gleich das höchste Ziel im Auge, junger Hund? Wollt ihr darin baden?“

„Wir weniger“, gab er zu: „Nur die Schwertscheiden.“

Das Erstaunen der Hüterin war deutlich sichtbar: „Eure Schwertscheiden? Sie sind aus Holz…aber aus besonderem Holz, nicht wahr?“ Sie blickte zu dem Älteren.

„In der Tat,“ bestätigte Sesshoumaru, um zu verhindern, dass Inuyasha noch in ein Fettnäpfchen ungeahnten Ausmaßes sprang. Was meinte die Cassana mit dem „höchsten Ziel“? „Die Scheiden stammen aus dem Holz des Baumgeistes Bokuseno. Und dieser gab uns den Rat, sie in das Wasser der Quelle zu tauchen, ehe er stirbt.“

„Ich verstehe.“

„Dieser Bokuseno“, ergänzte der Hanyou, ärgerlich, übergangen zu werden: „Meinte noch, in dieser Quelle würden Baumgeister geboren. Deswegen. Also, wo ist sie? Oder weißt du das nicht?“

„Niemand außer der Cassana, die sie hütet, weiß das. – Ich könnte euch jedoch einen Hinweis geben, wenn ihr meine Bedingung erfüllt.“

Die Hundebrüder unterdrückten ihr Seufzen. Konnte auf dieser Insel nichts ohne das gehen? Aber Sesshoumaru sagte nur: „Weiter.“

„Einer von euch beiden – und ich wäre für dich – stellt sich einem Duell mit einem von mir ausgewählten Kämpfer. Siegst du nach unserem Recht, werde ich euch die Auskunft nicht verweigern.“

„Und ich?“ fragte Inuyasha prompt.

„Du willst auch kämpfen? Hat dir die Arena nicht gereicht?“

„Keh! Traust du mir nichts zu?“

Die Cassana lächelte ein wenig: „Doch. Und genau darum soll dein Bruder kämpfen.“

Die Halbbrüder sahen sich an, selten einig in der Ansicht, dass sie kaum genauere Auskunft bekommen würden.

Daher fuhr sie fort: „Ripchin, bitte lass einen Kampfplatz abtrennen. Sesshoumaru, der Kampf muss nach unseren Regeln stattfinden. Darum lege dein Schwert ab und kämpfe mit dem Dolch. Es mag schwerer für dich sein, aber so lautet die Bedingung.“

Statt einer Antwort zog der Hundeyoukai Tenseiga samt Scheide aus seinem Gürtel und reichte beides Inuyasha.

Die Cassana nickte: „Eine weitere unserer Regeln lautet, dass ihr gefesselt kämpft. Deine Hände, und die deines Gegners werden jeweils mit Ketten aneinander gebunden…oh…verzeih.“ Sie hatte nun erst festgestellt, dass ihr Vertragspartner nur einen Arm besaß. „Bitte, entschuldige.“

Sesshoumarus Augen schienen aus Eis zu sein: „Weiter.“

„Hm. Man könnte deine Hand an eine Kette um deine Taille legen, so dass auch du nur eingeschränkt kämpfen kannst. Gewöhnlich liegen die Handgelenke ungefähr fünfzig Zentimeter auseinander. Wärst du damit einverstanden?“

Bei einem Kampf mit einem Dolch wäre es ein zusätzliches Hindernis, die Hand nicht weiter als fünfzig Zentimeter von der eigenen Taille entfernen zu können. Sein Gegner hätte zwar die Hände ebenfalls nur so weit auseinander, könnte aber die Arme frei bewegen, auch mit der Faust zuschlagen.

„Wenn mein Gegner ebenfalls die Hände an der Hüfte befestigt.“

„Gut. So lautet unser Vertrag. Siegst du nach unseren Regeln, werde ich euch keine Auskunft verweigern.“

Ein Raunen lief durch die Umstehenden, das sich die Hundebrüder nicht ganz zu erklären wussten. War es so selten, dass eine Hüterin Fremden Auskunft gab? War das Vorfreude auf einen interessanten Kampf? Aber warum betonte die Cassana immer, dass es nach ihren Regeln gehen sollte?

Gleich, dachte Sesshoumaru. Er würde siegen. Wenn er mit dem Dolch nicht zu Rande kam, blieb ihm immer noch seine Giftklaue. Oder, Moment mal. Durfte er die nach den Regeln nicht einsetzen? „Eine Frage.“

„Nun?“

„Verbieten eure Regeln den Einsatz von Gift?“

Sie musterte ihn erstaunt: „Ein Hundeyoukai mit Gift? Ja, das wäre gegen die Regel. Siege mit dem Dolch oder mit der Hand. Aber ohne Gift.“

Hatte er es sich doch gedacht, dass es da einen Haken gab.
 

Ripchin kehrte zurück: „Es ist vorbereitet, Cassana. Wer soll der Gegner sein?“

„Ripo.“ Sie sah sich um: „Wärst du so freundlich?“

Ein Youkai, sicher einen Kopf größer als Sesshoumaru, trat hervor und verneigte sich: „Ja, Cassana.“

„Gut. Dann geh mit Ripchin hinüber. Oh, die Art der Fesselung ist diesmal ein wenig anders, Ripchin, da Sesshoumaru nur einen Arm hat.“ Sie erklärte es rasch: „Wenn die beiden bereit sind, werden wir zum Zusehen kommen.“

Inuyasha sah seinem Halbbruder hinterher. „Keh“ machte er leise.

Die Hüterin blickte zu ihm: „Was meinst du?“

„Dieser Kampf ist unfair, und das weißt du auch.“

„Wegen der Art der Fesselung? Du hast in gewisser Weise Recht. Ripo hat auf diese begrenzte Art schon gewonnen, dein Bruder hat jedoch nie zuvor so beengt gekämpft. Aber es ist nicht einfach, die Quelle des Lebens zu finden, selbst, wenn du nicht darin baden willst.“

Was sollte diese Bemerkung? „Und warum darf ich nicht? Ich hätte immerhin zwei Hände….“ War genau das der Grund? „Oder willst du nicht du nur nicht, dass ein wertloser Hanyou gegen einen Youkai kämpft?“

Das fassungslose Erstaunen der Cassana war echt: „Eigentlich eher im Gegenteil“, sagte sie dann langsam: „Ich würde nie das kostbare Blut eines Hanyou auch nur im Ansatz vergießen.“

Inuyasha fiel nun ein, dass auch schon die Harpyien davon gesprochen hatten, wie wertvoll sein Blut sei. Hatten Mischlinge auf dieser Insel etwa einen besonderen Status? Dann wäre der Trip hierher doch recht amüsant. Zu schade, dass das der Herr Halbbruder nicht gehört hatte. Der war schon bei den Harpyien alles andere als begeistert über diese Aussage gewesen.

„Komm nun, gehen wir, Inuyasha. Ripchin hat gewiss schon die Ketten angebracht.“ Der Rest des Stammes schloss sich ihnen an.
 

Außerhalb des Lagers standen Ripchin und die beiden Duellanten. Beide trugen nun eine schmale Kette um die Taille. Eine fünfzig Zentimeter lange Fessel verband ihre Handgelenke damit. Alle zwei hatten den Dolch als Waffe.

Inuyasha betrachtete seinen Halbbruder. Er war stark, das wusste er, aber soweit er sich erinnern konnte, hatte der doch noch nie mit einem Messer gekämpft? Nun, er auch nicht. Aber es war davon auszugehen, dass man das von diesem Ripo nicht behaupten konnte. Und er war größer und breiter als Sesshoumaru. Das war jedoch gleich. Der war schließlich kein Youkai vom letzten Haken. Er würde gewinnen.

Die Cassana hatte den Blick bemerkt. Da sie keinerlei Besorgnis darin fand, meinte sie: „Du vertraust darauf, dass dein Bruder...Halbbruder siegt. Ich weiß, dass ihr in der Arena der Seelen bestanden habt. Aber dies ist etwas anderes.“

„Kampf ist Kampf.“

„So sicher?“

Inuyasha sah sie an: „Hast du etwa eine Falle eingebaut?“

„Nein, natürlich nicht.“ Sie war gekränkt: „Das ist ein Bedingungshandel!“

„Aber?“

„Ich sagte, dass er nach unseren Regeln gewinnen muss.“

„Äh, und du hast nicht alle gesagt?“

„Nur eine nicht. Die entscheidende, warum nicht du, der Hanyou, sondern der Youkai kämpfen soll.“

„Ach. Und?“

Sie bemerkte, dass er wütend wurde: „Inuyasha, bitte. Ich kann dir doch die entscheidende Frage nicht sagen, oder? Du würdest es sofort deinem Bruder mitteilen. Was wäre das für eine Prüfung?“

„Eine Prüfung.“ Dann sollte das gar nicht tödlich enden? Ach du Schande, dachte er dann. Sesshoumaru erledigte doch jeden, der es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Dieser Ripo war schon so tot, wie nur wer. Dann würde die Cassana ihnen keinen Hinweis geben und sie müssten weitersuchen…

„Du hast es erfasst.“ Die Hüterin hatte sein Gesicht aufmerksam beobachtet. „Die Quelle des Lebens soll sicher niemand finden, der Vergnügen am Töten hat. Und ein Hanyou hat ein menschliches Herz. Du hättest eher ohne Mord gewonnen, nicht wahr? Ripo hätte dir Leid getan.“

„Ja, aber warum kämpft er dann, wenn er weiß, dass er sterben wird?“

„Oh, Inuyasha. Ripo wird natürlich gewinnen. Auch, wenn ihr in der Seelenarena bestanden habt, wie ich schon sagte: das ist ein anderer Kampf. Hier zählt die Technik mit dem Messer und der Fessel umzugehen. Nichts anderes. Und da ist Ripo sicher deinem Halbbruder überlegen.“

„Keh“, wiederholte sich der Hanyou: „Ich weiß nicht, was der Typ draufhat. Aber Sesshoumaru verliert nie. - Außer gegen mich, “ ergänzte er ehrlich.

„Wir werden es gleich sehen.“ Die Cassana wandte sich dem Duell zu, wo Ripchin zur Seite gewichen war.

„Nun gut“, rief er, um auch von den Zuschauern verstanden zu werden: „Dann möge der Kampf beginnen.“
 

Ripo duckte unverzüglich ab und hob ein wenig das Messer, so weit es die Kette zuließ, bereit, abzuwehren oder anzugreifen.

Sesshoumaru blieb aufrecht stehen. Er hatte noch nie mit einem Dolch gekämpft und eigentlich wollte er es auch nicht. Ein Schwert war die ihm ziemende Waffe. Aber es musste wohl sein. Würde er es fallenlassen, einen Klauenangriff starten, müsste dieser trotz der Behinderung durch die Kette seinen Gegner zerfetzen, ehe der mit dem Messer angreifen konnte. Hm. Wie stark und beweglich war dieser Ripo? Die Cassana hatte ihn sicher nicht ohne Grund bestimmt. Und ganz gewiss besaß er Erfahrung mit dieser gefesselten Kampfart. Was tun? Das Messer fallen lassen und einen Klauenangriff losjagen? Damit begab er sich womöglich freiwillig in Nachteil. Diese Ketten waren zwar nicht unzerreißbar, er hätte sich befreien können, aber dann war der Bedingungshandel gewiss nicht erfüllt.

Plötzlich sprang Ripo vor, der die Nachdenklichkeit seines Widersachers bemerkt hatte und schlug mit der Faust der freien, linken Hand zu. Es war schnell, fast erschreckend schnell, aber Sesshoumaru legte nur in kühler Überlegung den Kopf auf die Seite. Alle, was er spürte, war der Luftzug. Ripo setzte jedoch sofort nach, stand er doch nun direkt vor seinem Gegner und stieß diesmal mit dem Messer nach seinem Kontrahenten, gegen den durch die Rüstung nur teilweise geschützten Oberschenkel. Der Hundeyoukai riss den rechten Arm herunter, schlug Unterarm gegen Unterarm und lenkte so den Stoß seitlich neben ihm hinweg, ehe er zurücksprang. Das war knapp gewesen. Ein wenig tiefer und seine Kette hätte nicht mehr ausgereicht, die Attacke abzuwehren. Diese Fesselung war ein eindeutiges Problem. Die Hüterin des Wassers hatte sich in der Tat eine schwere Aufgabe ausgedacht. Wenn natürlich nicht unlösbar.

Moment.

Die Hüterin des Wassers, die Hüterin des Lebens nannte man die Cassana. Warum sollte eine dieser Frauen einen Kampf auf Leben und Tod als Bedingung setzen? War das der Haken? Hatte sie darum immer so betont, nach ihren Regeln? Dann durfte er Ripo nicht töten. Und dieser wollte ihn nicht umbringen. Wohl darum auch der Stoß gegen den Oberschenkel, nicht gegen den Kopf oder Hals.

Ripo war etwas zurückgewichen und Sesshoumaru betrachtete ihn kühl. Natürlich. Das war der Haken an diesem Bedingungshandel. Und dann gab es für ihn nur eine Lösung.

Er hob den rechten Arm, soweit es die Fessel zuließ, ehe er einen Sprung nach vorne machte. Es sah elegant aus, war aber nichts desto trotz sehr gut berechnet. Die gespannte Kette war genau in Höhe von Ripos Hals. Der Hundeyoukai landete schräg hinter seinem Gegner, riss seinen Arm zu sich zurück, damit das Metall um die Kehle des Wüstenkriegers schließend. Unter dem Druck, dem überraschenden Würgegriff, fiel Ripo zurück, fing sich gerade noch zum Knien ab. Er war jedoch ein zu erfahrener Kämpfer, um nicht doch noch unverzüglich zu versuchen, den Würgegriff zu brechen. Er stieß mit dem Messer zurück. Sesshoumaru hatte seines bereits fallengelassen und fasste nun das Handgelenk in eisernem Griff. Damit zog er gleichzeitig die Kette zwischen seiner Hüfte und seinem Arm straffer um die Kehle seines Widersachers. Ripo rang nach Luft, aus Atemnot durch das Metall um seinen Hals, aber auch durch den Schmerz in seinem Handgelenk, dessen Knochen knirschten.

Sesshoumaru blickte zur Cassana: „Genug?“

„Genug“, sagte diese, ebenso fassungslos wie ihr Stamm. Nie zuvor hatte jemand aus der Fessel eine Waffe gemacht. Kein Wunder, dass diese beiden die Arena der Seelen überlebt hatten. „Du hast gewonnen, meine Bedingung erfüllt. Ein Youkai vom Festland, der nicht tötet…“

Der Hundeyoukai gab Ripo frei, der keuchend nach vorn fiel, sich abstützte. Dann war sein Einfall in der Tat richtig gewesen. Eine Hüterin des Lebens wollte kein Stammesmitglied tot sehen. Dieser Kerl hier war allerdings ein hohes Risiko eingegangen. „Ripchin.“

Der Angesprochene verstand das richtig und kam heran, um die Kette zu lösen. „Nicht schlecht“, meinte er dabei leise: „Du, oder wohl eher, ihr beide, seid wirklich ungewöhnlich.“

Sesshoumaru fand, dass dies keiner Antwort bedurfte, und drehte sich zur Hüterin um. Diese nickte.

„Kommt, folgt mir in mein Zelt. Ich werde euch den gewünschten Hinweis geben.“ Sie ging, gefolgt von den Halbbrüdern.
 

Das Innere ihres Zeltes war mit Decken ausgelegt, ebenfalls aus den Haaren eines Sandwurms gewebt. Einige Dinge hingen an den Zeltstangen, die Inuyasha nie gesehen hatte und er musterte sie neugierig.

„Nehmt Platz.“ Die Cassana ließ sich nieder und deutete vor sich. „Ihr sucht die Quelle des Lebens, um darin die magischen Fähigkeiten eurer Schwertscheiden zu erhalten. Was geschieht denn, wenn sie sie verlieren?“

„Dann müssen die Schwerter zerstört werden“, antwortete der Hanyou ehrlich. „Und in meinem Fall würde ich wahnsinnig werden, alles um mich töten und am Ende selbst draufgehen.“

„Ich verstehe. Darum macht ihr euch diese Mühen. – Ich weiß nicht genau, wo der Stamm der Hüterin der Quelle des Lebens nun weidet, da sie ebenso wie wir herumziehen. Aber um in die Gegend zu kommen, in der dieser Stamm lebt, müsst ihr von hier aus gerade nach Osten gehen.“ Sie bemerkte das unwillkürliche Aufatmen Inuyashas und schüttelte ein wenig den Kopf: „Freu dich nicht zu früh. Dieser Weg ist gefährlich, denn er führt durch die Salzwüste. Dort, wo einstmals das Binnenmeer lag. Heute ist dort nur Salz – und der Tod. Kaum ein Bewohner des Mirtal wagt sich dorthin, wir nehmen lieber einen sehr großen Umweg in Kauf, wenn man etwas in der jeweils entgegengesetzten Richtung sucht. Aber ich vermute, dass ihr den kürzesten Weg gehen wollt und müsst, um zu verhindern, dass dieser Baumgeist stirbt, ehe eure Scheiden im Wasser des Lebens waren.“

„Und wie weit ist es?“

„Das Herz des Mirtal ist tot.“ Die Hüterin des Wassers klang traurig: „ Aber es war einst ein großes Herz. Ihr habt von der Stadt bis hier zwei Tage und eine Nacht benötigt. Von hier bis an das andere Ende der Salzwüste sind es für euch dann gewiss vier Tage.“

Die Halbbrüder sahen sich unwillkürlich an. Sie waren mit Ripchin hergekommen, hatten sich daher dessen Tempo angepasst. Sie konnten auch weitaus schneller sein.

Die Cassana fuhr fort: „Wenn euch nichts aufhält. Das Wetter gerade dort ist unberechenbar. Und die Stürme dort können auch einem starken Youkai gefährlich werden. Ich weiß von einigen, die sich dorthin wagten und nicht wieder zurückkehrten. – Wollt ihr die Nacht hier bleiben oder unverzüglich euch auf den Weg machen?“ Da Sesshoumaru bereits aufstand und sein Halbbruder diesem Beispiel folgte: „Nun gut. Genau nach Osten müsst ihr euch halten, denkt daran. Wenn ihr zu weit nach Süden abtreibt, besteht die Gefahr, dass ihr euch in den Weiten der Salzwüste verlauft.“ Sie erhob sich ebenfalls und begleitete die beiden aus dem Zelt: „Dann ist unser Bedingungshandel abgeschlossen. – Möget ihr euer Ziel erreichen.“

Sie sah den Hundebrüdern hinterher, als Ripchin zu ihr trat: „Du hast ihnen gesagt, dass das tote Herz des Mirtal gefährlich ist und dennoch gehen sie?“

„Ja. Aber sie haben wohl nur die Wahl, das Ziel rasch zu erreichen oder anders zu sterben.“

„Es wird ein Sturm kommen.“

„Ich weiß. Aber das ist ihr Weg und sie gehen ihn.“
 

*********************************
 

Gut, dass Sesshoumaru auch mal auf Mord verzichten kann, wenn es sinnvoll ist. Und besser für seine Nerven, dass er das erneute Lob über Mischlinge nicht hörte.

Aber Sturm in einer Salzwüste klingt nicht sonderlich verheissungsvoll. Das nächste Kapitel heisst: Wege in der Wüste.
 

Der behaarte Sandwurm hat übrigens als kleineres Vorbild Meeresborstenwürmer.
 

bye
 

hotep

Wege in der Wüste

Gegen eine Salzwüste und einen aufkommenden Sturm haben auch noch so starke Youkai ein Problem.
 


 

11. Wege in der Wüste
 

Die Wüste, durch die die Hundebrüder nun unter der glühenden Sonne wanderten, war eine vollkommene. Anders konnte es Inuyasha nicht beschreiben. Die Cassana hatte gesagt, hier sei früher das Binnenmeer gewesen – aber einen krasseren Gegensatz zu Wasser gab es nicht. Sie waren eine Weile abwärts gelaufen, wohl in das frühere Meeresbecken hinein. Hier aber war nun nichts mehr außer Salz. Salz bedeckte den Boden, spitze, gewiss drei bis fünf Meter hohe Nadeln aus Salzablagerungen ragten in den wolkenlosen Himmel. Sie alle zeugten noch davon, dass hier einst ein Meer gewesen war, in das die umliegenden Flüsse gemündet hatten, ehe sich das Wasser in die Tiefe zurückzog. Aber nun war hier nichts mehr außer Salz und Tod. Selbst der Wind, der stetig um die Nadeln streifte, brachte keine Nachricht von Leben. Wenn hier wirklich noch etwas existierte, war es zumindest am Tag gut verborgen. Aber die Abenddämmerung näherte sich. Immerhin würden Mond und Sterne ihnen den Weg zeigen, war der Himmel doch unbewölkt.

Sie wanderten nebeneinander durch die beginnende Dunkelheit, prüften immer wieder vorsichtig die Luft. Aber nichts verriet irgendein Lebewesen, oder eine Gefahr. Der Wind frischte auf, brachte Abkühlung, zunächst willkommen, doch dann mit Beginn der Nacht wurde es bitterkalt. Der Unterschied zur Hitze des Tages war fast unerträglich, aber keiner der beiden verlor ein Wort darüber. Es war eben so und sie mussten hier durch.

Inuyasha spürte im Laufe der Stunden, dass das Salz begann, selbst seine abgehärteten Fußsohlen zu verätzen, aber er schwieg dazu. Es gab kein Zurück, nur ein Vorwärts, und noch war der Schmerz nicht unerträglich. Genau das hätte er sein müssen, ehe er sich so blamierte, den Herrn Halbbruder um eine Pause zu bitten.
 

Mit Beginn der Morgendämmerung erkannten sie, was die Nasen in der Nacht schon angedeutet hatten: die spitzen Salznadeln hatten aufgehört. Um sie dehnte sich nun eine ebene, weiße Fläche, scheinbar endlos, in alle Richtungen bis zum Horizont. Nur Salz und andere Mineralien waren zu riechen, aber sie hatten bereits gestern rasch gelernt, nicht mehr so tief wie gewöhnlich einzuatmen. Das ätzte nur die Schleimhäute.

Der Hanyou warf einen raschen Blick seitwärts, ehe er meinte:

„Was für eine abwechslungsreiche Gegend! Aber das sollte die Mitte dieses Meeres sein.“

Sesshoumaru schwieg dazu. Das nahm er auch an. Sie waren schneller vorangekommen, als sie es mit diesem Ripchin getan hatten. Schwach war das Halbblut wirklich nicht. Aber das bedeutete, dass sie hier wirklich mitten im Herzen des Mirtal waren. Und er hatte das unbehagliche Gefühl, als ob ihnen die Cassana irgendeine Kleinigkeit nicht gesagt hatte, sei es, weil das schlicht nicht zum Bedingungshandel gehört hatte, sei es, weil sie es vergessen hatte. Er konnte jedoch keine Falle erkennen. Womöglich war hier doch nichts. Er bemerkte, dass sich Inuyasha während des Gehens bückte, um die Kruste von seinen Füßen zu entfernen. Natürlich. Der hatte ja keine Schuhe an, musste das Salz und die anderen Mineralien direkt spüren. Das war gewiss schmerzhaft für solch einen halben Hund. Umso interessanter war es, dass dieser nichts sagte, sich nicht beklagte. Er blieb stehen.

„Hm?“ Unwillkürlich legte der Hanyou die Hand an Tessaiga und sah sich um. Hatte der Herr Halbbruder etwa eine Gefahr bemerkt?

„Entferne das Salz.“

Sollte das etwa heißen, dass der Hundeyoukai nicht nur bemerkt hatte, dass er Probleme hatte, sondern wegen ihm eine Pause einlegte? Das war ja fast nicht zu glauben. Aber er beeilte sich, der Aufforderung zu folgen. Auch seine Ohren hatten einiges abbekommen, da der Wind stets Teilchen mit sich trieb und sie leider nach vorn hin offen waren. Als er fertig war, blickte er seitwärts.

Sesshoumaru stand aufrecht da, aber, wenn er sich nicht täuschte, hatte auch der den Halt dazu genutzt, Ohren und Gesicht zu säubern. Zu schade, dass er das nicht gesehen hatte. Er war allerdings mit sich selbst beschäftigt gewesen.

„Ich kann weiter“, meinte er aber nur.

Der Hundeyoukai ging ohne ein Wort los. Er kannte sich in einer derartigen Wüste nicht aus, aber seine Sinne verrieten ihm, dass sich irgendwo ein Sturm zusammenbraute. Es war nicht gesagt, dass dieser überhaupt in ihre Richtung oder gar bis zu ihnen kommen würde, aber hier gab es keinerlei Deckung. Und der gewöhnliche Wind allein war schon lästig, ein Sturm würde es zweimal sein.

Die Sonne stieg immer höher und die Halbbrüder bemerkten eine weitere negative Folge der Wüstenwanderung. Das helle Sonnenlicht wurde von dem Salz reflektiert, gespiegelt und in vielerlei neue Strahlen gebrochen. Ihre Augen waren das nicht gewohnt und begannen zu schmerzen. Blinzeln, die Augen zusammenziehen half nur sehr bedingt. Dabei stellte Inuyasha fest, dass es ihm wohl noch am besten von beiden erging, denn er hatte Tränen und konnte so seine Augen ein wenig schützen. Aber auch er hob immer wieder den Ärmel vor das Gesicht, suchte ein wenig Schatten. Ebenso im Kopf spürte er die Hitze immer deutlicher. Wenn das noch lange so weiterging, würde er wirklich etwas zu trinken benötigen. Warum hatte er nur zuvor nicht daran gedacht? Auch diese dämliche Cassana hätte ihn doch darauf hinweisen können. Aber noch war es nicht unerträglich. Und womöglich waren sie bis zum Abend schon aus diesem Becken des ehemaligen Binnenmeeres.
 

Es war schon früher Nachmittag, als der Hanyou stehen blieb. Ein wenig erstaunt tat dies auch der Ältere. Konnte das Halbblut schon nicht mehr weitergehen?

„Da kommt ein Sturm“, stellte Inuyasha fest: „In unsere Richtung…“

„Auch schon bemerkt?“

„Ach ja…seit wann weißt du es?“

„Heute Morgen.“

Das konnte man glauben oder auch nicht. Aber der Hanyou nahm doch an, dass der Herr Halbbruder ihn nicht anlügen würde. So meinte er nur: „Keh. Dann gehen wir lieber weiter…“ Er wusste nichts von Wüsten, schließlich war er nie zuvor in einer gewesen, aber ein Sturm ohne Schutz war immer eine äußerst lästige Sache. Mit einer raschen Handbewegung streifte er erneut die Salzkruste von seinen Füßen.

Da hatte der Bastard ausnahmsweise Recht. Mit ein bisschen Glück sollten sie wenigstens wieder das Gebiet der Salznadeln erreichen, das anscheinend den Rand des ehemaligen Meeres bildete, ehe der Orkan losbrach und so ein wenig Deckung finden.
 

Im Verlauf des Nachmittags stellten sie jedoch fest, dass dieses Glück ihnen versagt blieb. Sie wanderten noch immer über die scheinbar endlose, weiße Salzebene, weit und breit waren nicht einmal diese eigenartigen Gebilde der Salznadeln in zunehmend schlechterer Sicht zu erkennen. Der Wind war immer mehr aufgefrischt, nun bereits zum Sturm geworden, der die Salzkristalle und andere ätzenden Mineralien mit sich führte. Die Halbbrüder bemühten sich, mit vorgehaltenen Armen wenigstens Augen und Nasen zu schützen, aber das half kaum. Das Atmen war zur Qual geworden, die empfindlichen Nasen und Ohren brannten bereits unter dem dauernden Bombardement. Aber nirgendwo war eine Deckung, nicht einmal eine Düne, die zumindest etwas Windschatten geboten hätte. Der Orkan wurde immer heftiger, wirbelte immer mehr Teilchen empor. Es wurde unmöglich, etwas in auch nur einigem Abstand zu wittern oder weiter als einen Schritt zu sehen.

Sie wechselten sich nun immer wieder ohne ein Wort ab, stets einer voran, der andere eng dahinter, um einigermaßen geschützt zu sein. Inuyasha nahm an, dass es für seinen Halbbruder noch ärger sein musste, als für ihn, besaß der doch die empfindlicheren Organe, war näher am Hund als er selbst. In diesem Augenblick lief er praktisch in den Hundeyoukai, der stehen geblieben war.

„Was ist?“ brüllte er daher gegen den Sturm an.

„Stein!“ Er hatte nur einen Hauch davon zwischen den beißenden Kristallen wittern können, aber Stein, Fels konnte Deckung bedeuten. Und allzu lange würden sie hier nicht mehr ohne Schutz bleiben können. Immer mächtiger wurde der Sturm, riss immer mehr scharfkantige, ätzende Steinchen und Sandkörner mit sich. Ohne weiter zu warten, bog er daher nach links, in die Richtung, aus der er den Geruch wahrgenommen hatte.

Inuyasha folgte ihm. Hoffentlich war der Stein einigermaßen groß genug. Er bekam kaum noch Luft und wenn er sich nicht täuschte, wurde der Sturm nur noch heftiger. Das konnte ja noch heiter werden, zumal, da es in dieser Wüste auch nachts nicht windstill wurde.

Nachts.

Er erstarrte unmerklich, als ihm bewusst wurde, was das für eine Nacht werden würde. Neumond. Und er verwandelte sich in einen Menschen. Dann wäre dieser Sturm ohne jede Deckung mit Sicherheit sein Ende.
 

Aber die Wüste des Mirtal bot für unaufmerksame oder abgelenkte Fremde noch andere Drangsale als das Wetter. Es war ein uralter Instinkt der Warnung vor einer Gefahr, der Sesshoumaru zurückweichen ließ, als er erneut seinen Fuß vorangesetzt hatte. Es war jedoch bereits zu spät. Er hatte die Falle aktiviert. Unter dem Sand verborgen lebte eine Kolonie seltsamer Wesen, die nur darauf warteten, dass endlich Beute vorbeikam. Hunderte von spitzen Stacheln schossen aus dem Boden. Einige verwehte der Sturm, andere trafen durch die Hosenbeine, in die Haut. Und der Hundeyoukai erkannte, dass sie vergiftet waren.

Gift gegen ihn wäre an sich fast lächerlich, aber es handelte sich um Nervengift. Das würde sogar ihn lähmen und langsamer machen. Natürlich würde er sich erholen, aber das dauerte etwas. Und bei dem Sturm…

Inuyasha hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Ohne weiter nachzudenken, trat er neben seinen Halbbruder, bückte sich und musterte die Stacheln, die sich in dessen Beine gebohrt hatten.

„Gift?“ brüllte er.

Sesshoumaru wollte noch sagen, dass er das schon hinbekommen würde, aber er stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er nicht mehr sprechen konnte. Dieses Nervengift schien äußerst schnell wirkend zu sein. Auch der Versuch, noch einen Schritt seitwärts zu machen, um diese Falle zu umgehen, war zum Scheitern verurteilt. Mit Mühe stand er überhaupt noch gegen den Wind, musste dagegen ankämpfen, nicht vornüber zu fallen, wo sich diese Wesen unter dem Salz aufhielten. Die warteten vermutlich nur darauf, dass ihr Gift wirkte, um ihre Beute…. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Er war doch kein Niemand! Und dann, vergiftet von irgendwelchen Unbekannten, mitten in einem Sturm draufzugehen…nein, das würde alles übertreffen, selbst Vaters schmähliches Ende.
 

Inuyasha hatte unterdessen einen einfachen Schluss gezogen: er wurde ein Mensch, sobald die Sonne unterging. Ohne Deckung wäre er dann tot. Sesshoumaru war mit irgendetwas vergiftet worden. Dagegen käme der sicher an, aber das würde dauern. Und Zeit war genau das, was sie nicht hatten. Nicht mit diesem Sturm, nicht in der Neumondnacht. Er versuchte, in den Salzwirbeln das Gesicht seines Halbbruders zu erkennen.

Sollte er ihn fragen, wie es ihm gehe? Oder ihm den Arm um die Schultern legen um ihn zu stützen? Das wäre für den sicher peinlich. Es sah allerdings nicht so aus, als ob der sich noch großartig fortbewegen konnte, eher, dass er mit allen Mitteln dagegen ankämpfte, nicht zu stürzen. Aber er konnte ihn doch auch unmöglich hier so zurücklassen, allein diesen Stein oder Felsen suchen, um Deckung zu bekommen. Erstens hätte der Sturm dann leichtes Spiel, den anscheinend bewegungsunfähigen Youkai zu töten, und zweitens hätte Inuyasha nie einen Gefährten im Stich gelassen - und schon gar nicht seinen eigenen Bruder, mit dem er immerhin schon einige Kämpfe gemeinsam bestanden hatte, seit sie auf diese Insel gekommen waren.

Es gab nur eine einzige Lösung – und für die würde ihn sicher Sesshoumaru in Stücke reißen wollen, wenn er sich wieder bewegen konnte.

„Wir müssen hier weg“, schrie er: „Und das weißt du doch auch.“

Ohne weitere Nachfragen, die bei dem Heulen des Windes sicher auch unmöglich gewesen wären, packte er zu und hob den Hundeyoukai vor sich in beiden Armen wie eine Puppe auf, dabei die Dornen der Rüstung durch dessen Fell meidend. Anscheinend konnte der sich wirklich nicht mehr bewegen, nicht einmal das Gesicht von dem ätzenden Sturm abwenden Mit den Händen unter den Kniekehlen und um die Schultern seines Halbruders drückte er diesen wie ein Kind gegen seine Brust.
 

Sesshoumaru konnte nichts tun, nichts gegen diese Art der Behandlung, nichts gegen die tobende Wut in ihm. Das durfte doch schlicht nicht wahr sein! Er wurde nicht nur wie eine Puppe hier spazieren getragen, nein, musste auch noch dauernd den intensiven Geruch des Bastards einatmen? Gab es noch eine Steigerung einer derartigen Schmach?

Ja, erkannte er kurz darauf, als er spüren konnte, wie sehr sich Inuyasha anstrengen musste, sein Gewicht mit gegen den Wind zu tragen, Schritt um Schritt sich weiter voran zu kämpfen. Er selbst war vollkommen hilflos. Wenn der Bastard nun zusammenbrach, nicht weiter konnte, würden sie alle zwei hier sterben. Er vermutlich unter dem begraben. Was für ein Tod!

Aber eigentlich handelte sein Halbbruder nur logisch. Nur gemeinsam würde es ihnen gelingen, die Quelle des Lebens zu finden, wohl auch, die Bedingungen der dortigen Cassana zu erfüllen. Und beiden Schwertscheiden die magischen Fähigkeiten zu erhalten. Er spürte, wie sein Zorn nachließ.

Aus welchem Grund auch immer Inuyasha ihm hier half, eines musste er ihm lassen: er war ihm gegenüber ausgesprochen loyal. Und das war etwas, das Sesshoumaru schon immer zu schätzen gewusst hatte.
 

Der Hanyou hatte das Gefühl, dies sei der härteste Kampf seines Lebens. Er konnte seine Sinne nicht mehr gegen den Sturm abschirmen. Jeder keuchende Atemzug sog ätzende Kristalle und Salzkörner in seinen Mund, die dort kleben blieben, eine dichte, brennende Schicht bildeten. Seine Nase war sowieso schon verstopft. Seine schmerzenden Ohren konnten außer dem Wind nichts mehr vernehmen. Die Augen tränten und er bemühte sich verzweifelt, eine neue Giftfalle auf dem Boden zu erkennen oder auch ihre Hoffnung, einen größeren Stein.

Irgendwo in seinem Hinterkopf stellte er noch fest, dass er tatsächlich Sesshoumaru tragen konnte. Der musste weniger wiegen, als er je gedacht hätte. Aber nun gut, eigentlich konnte der ja auch fliegen…

Als ob das in diesem Moment noch wichtig gewesen wäre.

Noch einen Schritt, beschwor er sich...

Noch einen…

Es wurde immer beschwerlicher.
 

Und da erkannte er vor sich schwarz im Wirbel des Windes eine hohe Felsnadel, nein, zwei. Die Rettung. Und obwohl er niemandem hätte sagen können, woher er noch die Kraft schöpfte, gelang es ihm, die dunklen Nadeln zu erreichen. Zwischen den beiden, etwas abgeschirmt vom Wind, ließ der Schmerz sofort nach.

Vorsichtig legte er seinen Halbbruder ab, ehe er hastig begann, die Salzkruste von sich abzustreifen, zumindest Nase, Mund Augen und Ohren einigermaßen wieder gebrauchsfähig zu bekommen. Kurz darauf konnte er mit den schmerzenden Augen einen Spalt in einer der schwarzen Felsnadeln erkennen – eine Höhle? Zumindest eine Grotte?

Er raffte sich auf, um nachzusehen. Hier waren sie zwar im Windschatten und es war deutlich angenehmer, aber noch immer flirrten diese ätzenden Teilchen um sie.

Ohne weiteres Nachdenken bückte er sich, um Sesshoumaru erneut aufzuheben. Das mörderische Funkeln in dessen Augen nahm er dabei nicht einmal wahr.
 

Die Höhle erwies sich als trocken und übersichtlich, nicht zu groß. Vor allem führte kein Gang irgendwohin, aus dem unerwünschter Besuch hätte kommen können. Der Jüngere ließ den Hundeyoukai zu Boden, ehe er sich umwandte und Tessaiga mitten in den Eingang der Höhle steckte. Der Bannkreis sollte sie doch ein wenig beschützen…

Er konnte bereits spüren, dass die Verwandlung einsetzte. Irgendwo jenseits des Sturmes ging wohl die Sonne unter. Das war knapp gewesen. Als Mensch hätte er weder Sesshoumaru noch tragen, ja nicht einmal gegen den Sandsturm bestehen können.

Mit einem gewissen Seufzen ließ er sich fallen und lehnte sich an die Wand. Es war irgendwie peinlich, sich vor dem Misthund zu verwandeln, aber eigentlich war er viel zu erschöpft, um sich noch groß Gedanken darüber zu machen. Er schloss die Augen, als er spürte, dass die Verwandlung abgeschlossen war, müde, wie sonst nur nach einem äußerst schweren Duell.
 

Sesshoumaru hatte zum ersten Mal direkt beobachtet, wie die Verwandlung ablief. Jetzt verriet ihm seine Nase, soweit er durch das Salz, die Ablagerungen darin noch etwas riechen konnte, dass Inuyasha wirklich ein Mensch war. Darum also hatte sich der Bastard so bemüht, schnell noch Deckung zu finden, sich deshalb so verausgabt.

Hm. Ohne die Hilfe….wenn man das so nennen wollte… des Halbblutes, würde er selbst noch immer draußen im Sturm liegen, in der Nähe dieser unbekannten Wesen, mit Sicherheit sogar für ihn eine schwierige Lage. Natürlich nicht gefährlich. Aber für Inuyasha wäre das sicher tödlich geworden. Ein kläglicher, menschlicher Körper hatte gewiss dem Sturm nichts entgegen zu setzen.

Nun gut. Sie waren hier jetzt geschützt und er konnte in Ruhe anfangen, das Gift zu neutralisieren. In wenigen Stunden wäre er wieder vollkommen erholt. Bei Morgengrauen würde sich der Mischling wieder in einen Hanyou verwandeln. Und irgendwann musste doch auch dieser Sturm einmal aufhören….

Er betrachtete Inuyasha, der sich seitlich niederlegte, bereits zu schlafen schien. Ein derart schwächlicher, menschlicher Körper forderte gewiss seinen Tribut. Seltsam, wie jung der Hanyou aussah, wenn er so entspannt dalag, wie wehrlos….

Irgendwie erinnerte er ihn fast an Rin, aber er unterdrückte diesen Gedanken schleunigst wieder. Es war wichtiger, sich zu erholen, das Gift zu vertreiben, und so schloss auch er die Augen.
 

Inuyasha erwachte abrupt, als ihm einfiel, dass er nicht gerade in Sicherheit eingeschlafen war. Er setzte sich auf und blickte sich rasch um. Draußen blies noch immer ein heftiger Wind durch die Nacht und er war froh, in dieser schwachen Form nicht ungeschützt mitten in der Wüste zu sein, auch, wenn der Sturm anscheinend nachgelassen hatte. Sesshoumaru schien ebenfalls zu schlafen, wenn man das von einem Youkai je behaupten konnte, vermutlich wollte er das Gift so schnell wie möglich loswerden. Na schön.

Das war eine eigenartige Lage. Gemeinsam mit seinem so wenig geliebten Halbbruder mitten in einer Salzwüste in einer Höhle zu sitzen und darauf zu warten, dass zum einen der Sturm endlich nachließ und zum zweiten darauf, dass er wieder er selbst wurde…

Nun, im Moment waren sie beide praktisch wehrlos. Immerhin war die Höhle eine sichere Zuflucht vor dem Sturm gewesen.
 

In diesem Moment spürte er, wie Tessaigas Scheide an seiner Hüfte pochte. Das war eine Warnung, und ihm wurde klar, dass diese Grotte wohl wirklich nur eine Zuflucht vor dem Wind bot. Eilig stand er auf und ging zum Höhleneingang, um hinauszuspähen. Gleichzeitig zog er instinktiv sein Schwert aus dem Boden. Selbst mit seinen menschlichen Augen erkannte er durch den Wind und die Dunkelheit die riesige Gestalt, die sich langsam näherte. Menschlich und doch zugleich nicht. Na, wunderbar. Und jetzt?
 

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Gute Frage.
 

The road is long

With many a winding turn

That leads us to who knows where,

Who knows when

But I'm strong,

Strong enough to carry him.

He ain't heavy, he's my brother
 

The Hollies
 

bye
 

hotep

Der Fluch des Sphinx

Murphys Gesetz...
 

12. Der Fluch des Sphinx
 

Inuyasha hatte instinktiv Tessaiga aus dem Boden gezogen, auch, wenn ihm klar war, dass das Schwert in seiner augenblicklichen Menschenform nur ein Stück Metall war. Aber einfach aufgeben war noch nie sein Ding gewesen. Und was auch immer da durch die Nacht und den Sturm auf ihn zukam, sah nicht sonderlich freundlich aus. Überdies war dort in der Höhle Sesshoumaru und der war mit Sicherheit weder regeneriert noch gar kampffähig. Kurz, es hing von ihm selbst ab.

Der Hanyou versuchte zu erkennen, ob das Wesen bewaffnet war oder nicht, vielleicht doch freundlich wäre. Aussehen tat es nicht so, das musste er zugeben, als er es genauer identifizieren konnte. Menschenähnlich, ja, was den Körper und dessen Panzerschutz betraf. Aber das Gesicht wirkte eher katzenähnlich, wurde auch von einer prächtigen Mähne umhüllt, die sich vollständig um den Kopf des Wesens ausbreitete. Und es trug ein Schwert.

Der Unbekannte blieb stehen: „Du hast die Grotte entweiht.“

„Äh, was? Falls du es noch nicht bemerkt hast, hier war ein ziemlicher Sturm, schlimmer noch als jetzt.“ In diesem Moment erkannte der Hanyou, dass sich hinter dem großen Fremden ein zweiter Schatten aus der Nacht löste, eindeutig kleiner, aber das lag wohl nur daran, dass dieses Wesen auf vier Beinen ging. Das war wohl irgendwie der Gegenpart, dachte er unwillkürlich, als er den Menschenkopf auf dem Körper einer Raubkatze erblickte. „Und ich brauchte Schutz. Wie du vielleicht sehen kannst, bin ich ein Mensch!“

„Gerade darum, du erbärmlicher Wurm ohne Energie!“ donnerte der Fremde. „Kämpfe mit mir.“

Oh, oh, dachte Inuyasha: „Gern, wenn die Sonne aufgegangen ist.“

„Sofort. Oder ich töte dich ohne Gegenwehr.“

„Na, toll.“

„Ein Mensch in Begleitung eines echten Youkai?“ Der Unbekannte klang außer sich.

Youkai? Unwillkürlich wandte der Hanyou den Kopf und fluchte in Gedanken. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war Sesshoumaru aus seiner Trance erwacht und hatte wohl mitbekommen, dass es Schwierigkeiten gab. Und statt in der Grotte versteckt zu bleiben, war er mit den bereits gesammelten Kräften irgendwie aufgestanden und herausgekommen. Jetzt allerdings brach er am Grotteneingang zusammen, offenkundig wieder vollkommen gelähmt.

„Verdammt“, knirschte Inuyasha: „Ist es dir wirklich so zuwider, dass ich dich beschütze?“
 

Ja, wollte der Ältere sagen, noch dazu in dieser erbärmlichen Form.

Aber er konnte nicht mehr sprechen. Dieser kurze Weg hinaus hatte ihn alle Kraft und Beweglichkeit gekostet, die er bislang erreicht hatte. Er musste das Gift schneller neutralisieren, um selbst mitkämpfen zu können. Hatte er zuvor schon gedacht, es sei peinlich, von einem Halbblut getragen zu werden, so war der Gipfel nun erreicht. Hilflos hier sitzen und zusehen zu müssen, wie ein Mensch, ein mickriger Mensch, gegen einen übermächtigen Gegner um ihrer beider Leben kämpfte. Nein. Das war eine kaum zu ertragenden Schande.
 

Der Unbekannte musterte den Menschen. War der lebensmüde oder so verzweifelt? Oder besaß der eine der legendären Fähigkeiten, die man manchen seiner Gattung nachsagte? Das andere war ein Youkai, und soweit er wusste, hielten die vom Festland nicht viel von der anderen Art. Wenn der hier daher in Begleitung eines echten Youkai war….

„Nun, machen wir es anders“, erklärte er daher: „Ich halte dich für einen ernstzunehmenden Gegner. Darum wirst du die Ehre haben, meiner Fusion beizuwohnen, wie es nur wenige zuvor taten.“

„Muss ich das gerade verstehen?“

„Blut zu Blut.“ Er hob die Hände.

Inuyasha umklammerte Tessaiga fester. Das klang nicht gut. Und was, bitteschön, war eine Fusion?
 

Im nächsten Moment erfuhr er es. Ein Wirbelwind im nächtlichen Sturm entstand, der eindeutig von dem Unbekannten ausging, diesen und dessen vierbeinigen Partner umfasste, dann sich abrupt ausdehnte, auch ihn und Sesshoumaru packte. Es fühlte sich unheimlich an, als ob ihn ein Riese fassen würde. Und in dieser Menschenform, ohne das aktivierte Tessaiga hatte er nichts entgegen zu setzen. Was geschah nur? Sein gesamter Körper schmerzte, es fühlte sich an, als ob er förmlich halbiert werden würde.

In der Dunkelheit vor sich erkannte er nun, dass aus den beiden Besuchern wohl einer geworden war. Vor ihm stand ein vierbeiniges, riesiges Wesen mit dem Körper einer Katze. Daraus ragte der Oberkörper eines Mannes, darauf war nun ein Menschenkopf, dessen Mähne allerdings noch immer die des Unbekannten war. Dieser starrte ihn an – oder knapp an ihm vorbei? Was war jetzt passiert?

Er saß auf dem Boden und fühlte sich einfach schlecht. War Sesshoumaru auch etwas zugestoßen? Er wandte unwillkürlich den Kopf – und spürte, wie eine eisige Hand seinen Magen zu umkrampfen schien. Mit dieser Bewegung berührte er praktisch bereits das Ohr seines Halbbruders. Und er erkannte erschreckt, was der Auslöser war: ihre Köpfe waren so nahe beisammen, weil sie nur noch einen Körper besaßen! Eine Hälfte seines Körpers war noch vorhanden – und die andere war die des Hundeyoukai. Sesshoumaru sah auch nicht sonderlich glücklich aus. Überdies konnte er spüren, wie nun das vergiftete Blut des Youkai durch seinen Menschenkörper floss – und ihn ebenso lähmte. Womöglich konnte es ihn in dieser Gestalt auch noch umbringen.

„Verdammter Mistkerl, was hast du gemacht?“ brachte er hervor.

Der Unbekannte schien geradezu fassungslos: „Meine Fusionsmagie hat euch mitgetroffen. Aber, wie ist das möglich? Mensch und Youkai…das ist undenkbar! Solch eine Fusion funktioniert nur, wenn beide das gleiche Blut haben….“

„Na, herzlichen Glückwunsch….“ Der Hanyou fühlte, wie er von Sekunde zu Sekunde matter wurde – obwohl er nun ebenso spüren konnte, dass der Körper...nein, die Körperseite seines Halbbruders das Gift neutralisierte: „Und wie macht man das rückgängig?“

„Die Fusion löst sich nach zwölf Stunden von allein.“
 

Zwölf Stunden mit DEM einen Körper teilen? Niemals!

…war der selten einmütige Gedankengang der Halbbrüder.
 

Sesshoumaru stellte fest, dass nun das menschliche Blut dieses jämmerlichen Halbblutes durch seine Adern rann. Das war das Erniedrigendste, was er je erlebt hatte.

Oh nein, dachte er nur. Ich werde nicht sagen, dass es nicht noch schlimmer kommen könnte. Immer, wenn ich das in den letzten zwölf Stunden gedacht habe, wurde es noch peinlicher.

Aber was nun? Er fühlte nur zu deutlich, dass der menschliche Körperanteil immer schwächer wurde, sich Inuyasha zusammenreißen musste, um überhaupt noch Tessaiga zu halten. Nur noch kurze Zeit, dann war der mindestens so hilflos wie er selbst – oder er würde gar an dem Gift sterben. Und das wäre dann in dieser kombinierten Form wohl auch sein Ende. Wie beschämend, wie erniedrigend, wie peinlich!
 

„Aber du bist doch ein Mensch…?“ erkundigte sich der Fremde.

„Ja, bis die Sonne aufgeht“, keuchte der Hanyou: „Dann verwandele ich mich.“

„Du bist ein echtes Halbblut! Und ihr beide seid Halbbrüder. Darum hat die Fusionsmagie auch euch erfasst. – Das tut mir Leid. Hätte ich gewusst, dass du ein Hanyou bist, hätte ich dich selbstverständlich nicht angegriffen. Nur Wesen ohne dämonische Energie dürfen hier nicht sein. Die ist unsere Heilige Grotte“

„Das hilft jetzt wenig…“ keuchte Inuyasha, der nur zu deutlich das Gift fühlte. Verdammt, er konnte sich ebenfalls kaum mehr bewegen. Und wenn nicht bald die Sonne aufging, würde er draufgehen. Diese mondlosen Nächte sollten verflucht sein. Was würde dann eigentlich mit Sesshoumaru passieren?

„Du wirst schwächer, ich sehe es. Und du hast Schwierigkeiten, dich zu bewegen, Youkai. Hast du die Bekanntschaft der Stachelsalzler gemacht? Sie schießen auf jeden, der vorbeikommt. Ihr Gift lähmt das Opfer und sie fressen es. Aber du scheinst nicht in ihre Kolonie gestürzt zu sein. Du musst recht stark sein, diesem Gift Widerstand zu leisten.“
 

Sesshoumaru wandte ein wenig mühsam den Kopf. Der Sturm hatte nachgelassen, war nur mehr ein erfrischender Nachtwind in der Wüste, und er hoffte, irgendwo dort im Osten den ersten Strahl der Sonne aufgehen zu sehen.

Inuyashas Körper, Körperhälfte, war kaum mehr in der Lage sich zu bewegen. Das war einfach unsäglich.

Er, einer der mächtigsten Youkai, die es je gegeben hatte, und würde verschmolzen mit einem Menschen sterben? An Gift, das ihm irgendwelche niederen Tiere verabreicht hatten? Und um das zu verhindern, musste er beten, dass die Sonne rechtzeitig aufging?
 

„Ich werde euch zu dem Stamm der Togol bringen. Ihre Cassana kann mit dem Gift umgehen. - Mein Name ist Che-sepsis.“ Ohne weiter abzuwarten kam der riesige Fremde heran und fasste nach den Halbbrüdern in einem Körper und setzte sich diesen auf den Rücken. „Es ist meine Schuld, dass ihr in dieser Lage seid.“
 

In der Tat, dachte Sesshoumaru. Und gewöhnlich würdest du meine Klauen zu spüren bekommen.

Aber er drehte den Kopf zu dem menschlichen neben ihm. Inuyasha umklammerte Tessaiga und benötigte anscheinend alle Kraft und Beweglichkeit, die er noch hatte, um die Klinge in die Scheide zu stecken. In die richtige, denn da sie nur einen Körper besaßen, trug dieser nun zwei Schwerter, die Zwillingsschwerter, Seite an Seite und der Hundeyoukai hätte wetten mögen, dass Tenseiga das zusagte.

„Verdammter Mist…“ murmelte der Hanyou: „Geht die Sonne denn nicht bald auf?“

Sesshoumaru sparte sich die Antwort. Sie musste es. Sonst würde er den beschämendsten Tod sterben, den je ein Youkai gestorben war.

Che-Sepsis hielt seinen bewegungsunfähigen Reiter mit einer Hand, als er loslief.

„Wie lange brauchst du…eigentlich…um dieses Gift loszuwerden?“ erkundigte sich Inuyasha mühsam. Er spürte nur zu deutlich, wie Sesshoumarus Körperseite daran arbeitete – aber für seinen menschlichen Körper war das noch immer viel zu viel.

„Nicht mehr lange.“ Der Hundeyoukai warf wieder einen Blick zu Horizont. Wenn die Sonne nicht bald aufging, würde es dieser Bastard nicht schaffen – und was dann aus ihm wurde, wollte er sich nicht vorstellen.

„Keh!“ Inuyasha wollte ebenfalls nach der Sonne sehen, aber sein Kopf fiel vornüber. Zu seinem Erstaunen fühlte er fast unverzüglich Krallen unter dem Kinn, Finger, die ihn emporhoben.

„Wage es nicht, jetzt schwach zu werden!“

„Was du Vollidiot…vielleicht nicht weißt: ich gebe nie auf…“ Das Reden wurde langsam unmöglich – und das, wo er doch spüren konnte, dass das Gift abnahm. Aber allein das reine, mächtige Youkaiblut seines Halbbruders würde ihn wohl in diesem Zustand umbringen. Was für eine Ironie, dass mit den ersten Strahlen der Sonne das wirklich wieder zur Hälfte sein eigenes war….

Jetzt übertraf der Schmerz fast die Lähmung. Gift oder Youkaiblut? Gleich. Es würde ihn bald geschafft haben. Irgendwie war es schön, sein Kinn auf eine Hand legen zu können, sehen konnte er nichts mehr. Und das Rauschen in seinen Ohren war das seines Blutes…ihres Blutes?

Sesshoumaru konnte buchstäblich mitfühlen, wie sehr sich Inuyasha anstrengen musste, sich zusammennahm. Zum ersten Mal in seinem Leben erkannte er, dass es auch noch andere Kämpfe gab, als die, die mit einem Schwert ausgefochten werden konnten. Und widerwillig musste er zugeben, dass der Hanyou recht hatte: aufgeben war nicht dessen Sache. „Ich weiß.“

Der jüngere Halbbruder hatte es gehört – aber er traute seinen Ohren nicht. Das Denken fiel sowieso immer schwerer…

In diesem Moment zeigte sich der erste Lichtschimmer am Horizont, der erste Sonnenaufgang, den der Hundeyoukai in seinem Leben bewusst begrüßte. Hoffentlich würde das noch reichen.
 

Beide spürten, wie sich die Körperhälfte des Hanyou zu wandeln begann. Seine Haare wurden weiß, die Hände zu Klauen. Aber diese äußerlichen Wechsel waren beiden gleich. Wichtiger war es nun, dass sich auch das Blut verändert hatte, die dämonische Energie wieder da war. Denn nun konnte das Sesshoumarus Youkaiblut freier durch die andere Körperhälfte wandern, vergiftete diese nicht mehr zusätzlich. Und ihm wurde klar, dass er mit dem Gift dieser Stachelsalzler so viel leichter zu Rande käme.

Inuyasha stellte dagegen fest, dass der Schmerz, die Erschöpfung deutlich nachgelassen hatten. Seine Selbstheilungskräfte kehrten zurück und er war sicher, dass jetzt zu überleben.

Che-Sepsis wandte den Kopf zu seinem Reiter: „In der Tat. Ein echter Hanyou….Ich bedauere zutiefst, dass ich an diese Möglichkeit nicht dachte. Wir sind bald am Lager der Togol.“

Das klang gut, befand Inuyasha. Ein wenig ausruhen. Hoffentlich war dieser Stamm auch so freundlich, mal was ohne diesen Bedingungshandel zu machen. Im Moment wäre er kaum kampffähig – nein, wären sie kaum kampffähig.
 

Die aufsteigende Sonne brachte auch wieder höhere Temperaturen in die Salzwüste. Der Wind flaute ab. Vor sich entdeckten die zusammengeschweißten Halbbrüder nun ein Lager, dessen Zelte ebenfalls aus den Haaren dieser seltsamen Würmer gewebt worden waren. Ganz sicher war dies ebenfalls ein Nomadenlager, wohl das der Togol. Die Gestalten, die dort zu erkennen waren, trugen die gleiche Kleidung, wie die des letzten Stammes, den sie getroffen hatten. Allerdings sahen sie anders aus. Waren die Mitglieder dort dem Äußeren nach Menschen gewesen, traf das hier sichtbar weniger zu. Soweit die Halbbrüder erkennen konnten, war zwar die Gestalt menschenähnlich, aber die Haut war grün. Sie besaßen keine Nase, sondern nur zwei Nüstern, dafür aber ein deutlich ausgeprägtes Gebiss mit langen, spitzen Zähnen. Haare schienen sie auch keine zu besitzen.

Verdammt, dachte Inuyasha. Hatten sie sich von diesem Mistkerl etwa genau in eine Falle bringen lassen? Diese Togol sahen nicht sehr angenehm oder auch nur freundlich aus. Und ihr Gebiss ließ ihn wünschen, Tessaiga ziehen zu können, was noch immer ein Ding der Unmöglichkeit war, zumindest noch für einige Minuten.

Einige wurden auf Che-Sepsis aufmerksam und als dieser bei den ersten Zelten angekommen war, stand eine junge Frau bereits wartend dort, deren Kette die Cassana vermuten ließ. Sie sah eindeutig menschenähnlicher aus, als der Rest des Stammes. War sie hier gar nicht geboren worden? Beriefen die Stämme ihre Hüterinnen des Wassers nur nach der Fähigkeit?

Sie neigte ein wenig den Kopf: „Welch Besuch…“

Che-Sepsis blieb stehen: „Cassana, ich bitte dich um Hilfe für diese beiden. Ich habe einen großen Fehler begangen. Als ich zu unserer Heiligen Grotte kam, traf ich dort einen Menschen.“ Er bemerkte, dass ihr Blick überrascht zu seinem Reiter glitt: „Einen Menschen“, betonte er darum: „Und einen Youkai. Menschen dürfen dort nicht hin, wie du weißt, und ich wollte gegen ihn kämpfen. Darum verwandelte ich mich in diese Form. Was ich nicht wusste, nicht bedachte, war, das dies ein Hanyou ist, ein wirklicher Hanyou. Er verwandelte sich erst im Morgengrauen zurück. Aber meine Fusionsmagie bewirkte, dass nun diese Halbbrüder zu einem Körper verschmolzen sind. Noch gut zehn Stunden wird der Zauber anhalten. Der Youkai wurde von Stachelsalzlern verletzt. Sag deine Bedingung.“

„Ein richtiger Hanyou!“ Die Hüterin des Wassers klang fast ehrfürchtig: „Ich werde ihm...ihnen helfen. Es ist mir eine Ehre. Che-Sepsis, meine Bedingung lautet, dass du mich in einer Woche begleitest. Ich werde Stämme im Süden aufsuchen, Handel vereinbaren.“

„Einverstanden, Cassana.“

Er ließ seine noch immer kaum bewegungsfähigen Reiter hinunter gleiten, dessen beide Bewohner gleichermaßen erstaunt waren. Warum war ein Hanyou hier etwas Besonderes, ja anscheinend Wertvolles? Nun, auch die Harpyien hatten etwas von wertvollem Hanyoublut gesagt, aber in der Stadt hatte niemand mehr etwas davon erwähnt. Aber sie waren beruhigt. Mit diesem Bedingungshandel zwischen der Hüterin und Che-Sepsis waren sie mit Sicherheit in keiner Falle.

Die Cassana nickte ein wenig, ehe sie den Kopf drehte: „Bringt ihn…oder sie in mein Zelt.“ Und an ihre Gäste gewandt: „Das Gift der Stachelsalzler lähmt auch noch so mächtige Wesen. Man muss sehr stark sein, das zu überstehen. Und noch dazu war gestern der Sturm. Willkommen in unserem Lager.“
 

So halfen zwei der Togol den zusammengeschlossenen Hundebrüdern durch das Lager. Sesshoumaru sah sich gezwungen, das zu dulden. Noch immer war er bei weitem nicht fähig, sich mit gewohnter Kraft und Schnelligkeit zu bewegen. Und er konnte fühlen, dass Inuyasha noch größere Schwierigkeiten hatte. Dessen Körperhälfte war noch immer deutlich gelähmter, obwohl er das Gift nun fast vollständig neutralisiert hatte. Eben doch nur ein halber Youkai…Obwohl das im Augenblick für ihn buchstäblich auch zutraf, eine bittere Erkenntnis.
 

Im Zelt ließen die Männer sie auf einer Decke nieder. Ohne weitere Absprache blieben die Halbbrüder sitzen, beide in seltener Eintracht unwillkürlich bemüht, sich nicht noch weiter zu blamieren.

Die Cassana nickte ein wenig: „Mein Name ist Komla.“ Sie setzte sich: „Die Fusion eines Sphinx zu sehen ist schon etwas Seltenes. Ich hörte nur davon. – Und dass es euch nun mitgetroffen hat, ist Che-Sepsis vermutlich ungemein peinlich gewesen. Ein Hanyou, ein echter Hanyou….wohl vom Festland?“ Sie klang begeistert.

„Ja,“ erwiderte Inuyasha, der zu seinem gewissen Vergnügen feststellte, dass sein Bruderherz nicht sonderlich erbaut über diese Höflichkeit einem Mischling gegenüber war.

„Du...ihr beide sehr so aus, als ob ihr euch bereits von dem Gift der Stachelsalzler erholt. So benötigt ihr keine meiner Medizinen?“

„Nein.“ Sesshoumaru klang kühl.

Sie nickte erneut: „Du bist in der Lage, das Gift selbst zu neutralisieren. Eine bemerkenswerte Eigenschaft, zumal bei diesem. Du bist gewiss ein sehr starker Youkai. – Halbbrüder seid ihr also. Dann bist du gewiss auch ein sehr mächtiger Hanyou. War dein Vater oder deine Mutter ein richtiger Mensch?“

„Äh, meine Mutter. – Gibt es hier keine Hanyou?“

„Echte schon lange nicht mehr. Das Menschenblut wurde immer weiter durch Youkaiblut verdünnt.“ Sie schien noch etwas sagen wollen, schwieg dann aber und betrachtete ihre Gäste.

Sesshoumaru musste sich zwingen, seinen Zorn zu unterdrücken. Menschenblut, jämmerliches Menschenblut, werde durch Youkaiblut verdünnt? Was war das denn für ein Unsinn, der sich hier auf der Insel breitgemacht hatte? Schon die Harpyien hatten etwas von „wie wertvoll das Blut“ des Bastards sei, gesagt.

Da sie in einem Körper waren, nahm der Hanyou die Verärgerung nur zu deutlich wahr. Aber das klang einfach zu schön, als dass er nicht doch noch einmal nachgefragt hätte: „Die Harpyien meinten auch, mein Blut sei wertvoll.“

„Ihr habt Harpyien getroffen?“ Sie war erstaunt. Im Allgemeinen hieß es, dass junge Männer diese Begegnung nicht überlebten.

„Äh, ja. Wir...wir hatten einen Handel mit ihnen.“

„Ich verstehe.“ Das war natürlich etwas anderes – allerdings bedeutete das auch, dass diese beiden in der Lage gewesen waren, die Bedingung der Harpyien zu erfüllen. „Wohin wollt ihr beiden? Das Herz des Mirtal ist eine gefährliche Gegend für Fremde.“ Wieder sprach sie Inuyasha an.

„Wir suchen die Quelle des Lebens.“

Sie hob die Brauen: „So egoistisch?“

„Wieso?“ erkundigte sich der Hanyou verwirrt: „Wir sollen da unsere Schwertscheiden drin baden, sagte dieser…na, so ein Baumgeist. Darum sind wir ja überhaupt auf diese…diese Insel gekommen.“ Er hatte sich gerade noch korrigiert.

„Oh, ich verstehe.“ Komla lächelte ein wenig. Baumgeister lebten also noch, dort auf dem Festland? Das erklärte auch in der Tat, warum sie die Quelle suchten. Magische Schwertscheiden, also, und gewiss auch für magische Schwerter.

„Eine Frage.“ Das wollte er jetzt doch noch wissen: „Du sagst auch, wie die Harpyien oder die letzte Cassana, dass mein Blut etwas besonderes sei. In der Stadt war das diesem Typen vollkommen egal, als er uns in der Seelenarena kämpfen ließ.“

„Städter!“ Darin lag die gesamte Verachtung einer Bewohnerin des Mirtal für diese: „Hitoshi versteht nichts.“ Aber das ließ einen anderen Rückschluss zu: wenn diese beiden hier vor ihr saßen, mussten sie das Turnier der Seelenarena bestanden, gewonnen haben. Das waren mit Sicherheit wirklich ungewöhnliche Jungs. „Ich mache euch einen Vorschlag.“

„Bedingungshandel?“ fragte Sesshoumaru nur. Irgendwie war er froh, dass die Rede auf etwas Konkretes und weg von diesem Mischlingsgerede kam.

„In der Tat. – Ich werde euch den Weg zu der Hüterin der Quelle des Lebens und ihrem Stamm sagen. Und ihr tötet jemanden für mich, sobald ihr wieder zu zweit seid.“

„Hältst du uns für Auftragsmörder?“ fauchte Inuyasha sofort, während sich die Hand seines Halbbruders anspannte.

Sie hob die Hand: „Lass mich bitte ausreden. Ich will dich, euch, nicht beleidigen. In den Bergen, die gut einen Tagesmarsch von hier im Norden liegen, lebt seit einiger Zeit ein Wesen, das die Togol jagt und frisst. Wir wissen nicht, woher es kam.“

„Auch mit so stinkenden Anhängern?“ Inuyasha bemerkte die Verwunderung: „So jemanden trafen wir in der Höhle von Karu.“

Und sie hatten offenkundig auch diese Begegnung überlebt. „Ich weiß es nicht. Aber selbst unsere kampferprobten Krieger konnten nichts gegen dieses Wesen ausrichten. Beim letzten Versuch, es zu vertreiben oder zu töten, starben zehn, um den anderen die Flucht zu ermöglichen.“ Sie seufzte: „Das Leben im Mirtal ist auch ohne derartige Wesen hart genug.“

„Warum geht ihr dann dahin?“

„Dort liegt die reinste Quelle unseres Wassers.“

„Einverstanden“, sagte Inuyasha und bemerkte im gleichen Moment, dass sein Halbbruder nickte.
 

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Im nächsten Kapitel: Im Lager der Togol haben die unfreiwilligen siamesischen Zwillinge Zeit zum Reden. Theoretisch. Immerhin können sie sich nicht gegenseitig umbringen....
 

bye
 

hotep

Im Lager der Togol

Euer Mitleid mit Sesshoumaru hält sich deutlich in Grenzen. Immerhin kommen die Halbbrüder so zu der Gelegenheit eines Gespräches...
 

13. Im Lager der Togol
 

Die Cassana erhob sich, sobald sie den Bedingungshandel abgeschlossen hatte: „Darf ich noch um eure Namen bitten? Meinen kennt ihr ja.“

„Ich bin Inuyasha. - Sesshoumaru.“

Als sie unter sich waren, drehte der Hanyou etwas den Kopf. Allein mit dieser Bewegung berührte er fast schon das Ohr des Älteren, so dass er daran denken musste, leise zu sprechen: „Also schön, dann legen wir das Wesen um und bekommen dann endlich den richtigen Weg gezeigt.“

Sesshoumaru schwieg. Was sollte man darauf auch sagen. So lautete der Handel, den sie eingegangen waren. Und solange sie in dieser unsäglichen Gestalt als eine Person mit zwei Köpfen herumsitzen mussten, war es nicht möglich, ihren Teil der Bedingungen zu erfüllen. Also musste er hier noch neun Stunden gemeinsam mit dem Bastard in einem Körper im Zelt der Cassana verbringen. Wenn ihm das je zuvor einer gesagt hätte….nun, er gab zu, der hätte kaum ausgesprochen gehabt, wäre er schon im Jenseits gewesen.

„Immerhin scheinen die Leute hier eine richtig schöne Auffassung von Hanyou zu haben.“

„Halt den Mund.“

„Weißt du, mein Lieber“, triumphierte Inuyasha: „Du kannst im Moment weder vor mir weglaufen noch mich umbringen.“

Das entsprach frustrierenderweise den Tatsachen. Er konnte diesem Bastard erst den Hals umdrehen, wenn sie wieder zu zweit waren. Alles, was er vermochte war, den weder anzusehen noch mit ihm zu sprechen.

Wertvoller Hanyou, dass er nicht lachte. Alles, was der konnte, war dumm herumzureden….

Aber er konnte die kleine Stimme in seinem Hinterkopf nicht zum Verstummen bringen, dass dieses Halbblut ihm vergangene Nacht wohl das Leben gerettet hatte.
 

Da sie im Augenblick nur einen Körper besaßen, war Inuyasha die mörderische Stimmung seines Halbbruders nur zu deutlich klar geworden. Irgendwie war es auch nicht gerade nett, die Lage so auszunutzen. Immerhin hatte ihm Sesshoumaru in den letzten Tagen zwar Beleidigungen an den Kopf geworfen, aber sie hatten doch einige Probleme gemeinsam bestanden, nicht zuletzt die Seelenarena. So meinte er: „Schon gut. Ich kann dir aber sagen, dass es mal verdammt gut tut, als Hanyou in den Augen von irgendjemandem außer der eigenen Mutter etwas wert zu sein.“

Der Hundeyoukai wusste selbst nicht, warum er korrigierte: „In den Augen der eigenen Eltern.“

Der jüngere Halbbruder öffnete den Mund, war jedoch sprachlos. Hatte er da gerade richtig gehört? Sollte das heißen, sein Vater hätte ihn auch wert geschätzt? Auch, wenn er ein so mächtiger Youkai gewesen war? Mama hatte das zwar auch gemeint, aber er hatte doch gelernt, daran zu zweifeln. Er hatte langsam angenommen, für seinen Vater mehr eine Art Unfall dargestellt zu haben, um den man sich eben der Ehre halber kümmern musste. Aber diese Aussage war nicht anzuzweifeln. Immerhin traf sie jemand, der Vater gekannt hatte, mit ihm gesprochen hatte…Und, der ihn selbst eben nicht gerade werthielt.

Ohne ihn ansehen zu müssen, spürte er doch das Erstaunen buchstäblich körperlich, ergänzte Sesshoumaru ungehalten: „Er starb um deinet-, euretwillen!“

„Das habe ich mir nicht ausgesucht! Meinst du nicht, mir wäre es auch lieber gewesen, mit beiden Eltern aufzuwachsen?“

Sesshoumaru stellte sich in diesem Moment das traute Familienleben seiner beiden Eltern vor – und erkannte, dass seine Phantasie dabei versagte. Seine Mutter war sicher zufrieden damit, von einem der mächtigsten aller Youkai einen Sohn zu haben, aber das war es auch schon. Wie dachte sich dieser idiotische Bastard denn das Leben von Youkai? Nun ja, er wusste nichts darüber, das musste er zugeben. Und sein verehrter Vater...ja, der war für ihn eine Respektsperson gewesen, sein Maßstab, den er eines Tages erreichen ja, übertreffen wollte. Respekt war das Höchste, das sich Youkai entgegenbrachten – keine Zuneigung. Zum ersten Mal beschlich ihn der Gedanke, dass das eine der Ursachen gewesen sein könnte, warum sich Vater einer Sterblichen zugewandt hatte. Wenn er an Rin dachte…
 

Inuyasha seufzte etwas. Keine Antwort war auch eine. Vater wäre vermutlich nie zu seiner Mutter gezogen oder umgekehrt. Aber immerhin hätten ihn dann doch wohl die anderen Youkai in Ruhe gelassen, Menschen gewiss auch. Wer hätte sich denn mit Vater anlegen wollen? Der musste ja bestimmt so stark wie Sesshoumaru gewesen sein – und dem ging gewöhnlich schon jeder aus dem Weg, der auch nur einen Funken Selbsterhaltungstrieb besaß. Wenn man nicht gerade sein jüngerer Halbbruder war und einfach überleben wollte… Aber er meinte nur: „Youkai kennen also kein Familienleben, wie Menschen?“ Und da Schweigen als Antwort kam: „Dann verstehe ich das erst recht nicht.“

Jetzt wandte ihm Sesshoumaru doch das Gesicht zu – eine Aufforderung, zu erklären.

„Warum du mich so verachtest. Du sagst, ich sei eine Schande für die Familie…das ist doch dann unlogisch.“

Na, bitte. Was verstand ein Bastard schon von Ehre! Sollte er es ihm wirklich sagen? Er konnte die Gefühle spüren, die Inuyasha gerade empfand: Enttäuschung, Verwirrung. „Deine Mutter war ein Wesen minderer Art. Keine Youkai.“

„Wenn sie eine Youkai gewesen wäre, hättest du mich als Bruder sehen können?“ Das klang ungewohnt schüchtern.

„Wenn sie stark genug gewesen wäre.“ Seine eigene Mutter konnte gewiss kaum jemand erreichen.

„Immer nur Macht und Stärke….“

„Das allein zählt.“

Das klang allerdings auch nicht so, als ob der ach so tolle Herr Hundeyoukai mit seiner Mutter je gekuschelt hatte. Und Inuyasha, der sich an die liebevollen Umarmungen der seinen erinnerte, ertappte sich zum ersten Mal in seinem Leben bei dem Gedanken, ein gewisses Mitleid mit seinem Halbbruder zu empfinden.
 

Die nächsten Stunden schwiegen sie sich an.

Jeder hing seinen Gedanken nach, die das Gespräch zuvor bei Sesshoumaru in die Vergangenheit gelenkt hatte.

Inuyasha stellte dagegen für sich fest, dass er seine Freunde, vor allem Kagome vermisste. Ihr Lächeln, sogar ihre wutfunkelnden Augen. Was sie wohl zu dieser „Fusion“ mit seinem Halbbruder sagen würde? Wie würde sich eigentlich ein „Osuwari“ im Moment auswirken? Er trug die Bannkette nur um seinen Hals….aber das wäre ein Körper.

Kagome, ja. Se würde sich sicher schon wieder große Sorgen um ihn machen, wenn ihr Sango und Miroku erzählt hatten, dass er mit seinem Halbbruder auf eine mysteriöse Insel gereist war. Ach, sie sollte sich doch nicht immer Sorgen um ihn machen. Aber es war ein schönes Gefühl, das zu wissen, musste er zugeben.
 

Komla, die Hüterin des Wassers, kam in das Zelt: „Habt ihr das Gift neutralisieren können?“ Und da Sesshoumaru sie ansah: „Gut. Die Fusion müsste in zwei Stunden aufgehoben sein. Ich würde vorschlagen, dass ihr dann esst und trinkt, so ihr dessen bedürft. Und ich werde euch euren Begleiter vorstellen, der euch führen soll. Sein Name ist Gomre.“

„Ja, was zu essen und zu trinken wäre nicht schlecht“, gab Inuyasha zu: „Aber warum nicht gleich? Oh…“ Er blickte zu seinem unfreiwilligen zweiten Ich: „Du müsstest mitessen, oder?“

Sesshoumaru starrte geradeaus.

„Ja, darum, “ meinte die Cassana: „Aber so eilig ist es ja auch nicht. Oder hast du schon großen Hunger?“

„Nein, das...das geht schon.“ Der Hanyou hatte das sichere Gefühl, wenn er seinen Halbbruder jetzt dazu zwingen würde, etwas mit ihm gemeinsam im Magen zu haben, wäre ihr Verhältnis, das sich in den letzten Tagen zumindest auf neutraler Ebene bewegt hatte, endgültig wieder auf der: Es-kann-nur-einen-geben-Schiene. Und das musste eigentlich auch nicht sein.

„Gut. Dann gibt es in zwei Stunden etwas für dich.“ Sie verließ wieder das Zelt.

„Du isst nie, oder?“

Sesshoumaru antwortete nicht. Benötigte Inuyasha im Moment etwas zu essen? War dieses seltsame Gefühl, das er im Augenblick im Magen verspürte, das, was Rin empfand, wenn sie meinte, sie hätte Hunger? Er ließ sie dann in der Regel sich etwas suchen. Wenn es sicher genug war. Ein seltsames, nagendes Gefühl war es. Unangenehm, zumal er vermutete, dass es noch ärger werden würde. Immerhin hatte sich Inuyasha ohne weiteres auf eine Frist von zwei Stunden eingelassen. Wie musste das Rin empfinden, wenn er sie nicht gleich gehen ließ, aus welchem Grund auch immer? Natürlich gehorchte sie, aber er müsste wohl bedenken, dass sie besser unverzüglich etwas bekommen sollte.

Er wandte ein wenig den Kopf. Der Hanyou hatte die Augen geschlossen und lehnte an einer Zeltstange. Anscheinend hatte er begriffen, dass er nicht weiter mit ihm reden wollte.

Rin. Wenn sie schlief wirkte sie so friedlich – und Inuyasha hatte, als er in Menschenform in der Grotte geschlafen hatte, so einen ähnlichen Gesichtsausdruck gehabt. Vollkommen entspannt und friedlich. Auch jetzt sah er so….ja, so jung aus, ruhig und wehrlos. Fast wie Rin, auch, wenn sie ein Mensch und das ein halber Youkai war.

Was dachte er da nur für einen Unsinn.

Seine Rin hatte doch nichts mit diesem dämlichen Bastard zu tun, keine Ähnlichkeit, kein gar nichts.

Er blickte wieder gerade aus – nur, um nach einer kurzen Zeit erneut etwas den Kopf zu drehen. Er hatte sich nicht geirrt. Inuyasha sah so jung aus….

Dieser bemerkte die Beobachtung und öffnete die Augen, guckte zu seinem Nachbarn: „Äh…was ist?“

Das brauchte er wirklich nicht zu wissen.

Der Hanyou zuckte mit der Schulter seiner Körperhälfte. Was für ein arroganter Typ das doch war. Obwohl, als er aufgesehen hatte, hatte er für einen Moment fast etwas wie ein Gefühl in den Augen erkannt…Nein. Sicher hatte er sich geirrt. Und an einer Unterhaltung war der Herr Halbbruder ja offenbar auch nicht interessiert. So schloss er wieder die Augen und lehnte den Kopf an die Zeltstange. Immerhin war es Nacht.
 

Genau zwölf Stunden, nachdem Che-sepsis die Fusionsmagie eingesetzt hatte, spürten die Halbbrüder in dem gemeinsamen Körper ein Ziehen, einen Schmerz, der sie unangenehm daran erinnerte, wie sie verschmolzen waren. Aber diesmal waren sie froh drum, bedeutete das doch sicher, dass sie endlich auseinander kämen. Zudem wusste Inuyasha, dass er nun etwas zu essen bekommen würde, seinen Hunger stillen könnte – und Sesshoumaru war klar, dass er dieses nagende Gefühl im Magen loswerden würde. Hunger war nichts, dass er noch einmal haben müsste. Er würde auf Rin besser aufpassen, nahm er sich vor.

Das Ziehen wurde immer intensiver, bis sie beide das Gefühl hatten, buchstäblich auseinander gerissen zu werden. Ein helles, grelles Licht ließ sie geblendet die Augen schließen, ehe sie seitwärts fielen – jeder wieder als er selbst.

„Na also!“ sagte Inuyasha und setzte sich auf, betrachtete sich: „Das brauche ich nicht noch einmal…“ Er sah wieder ganz wie er selbst aus.

Als ob er scharf auf eine Wiederholung dieser unsäglichen Lage wäre. Sesshoumaru stand bereits, warf aber ebenfalls einen unwillkürlichen Blick an sich hinunter.

Die Cassana betrat ihr Zelt: „Ah, wie zu erwarten war…Gut. Wie fühlt ihr euch? Wer möchte nun etwas essen?“

„Ich“, sagte der Hanyou prompt: „Und etwas trinken.“ Wer wusste schon, wann er wieder dazu kommen würde.

„Gut. - Du nicht?“ Komla erkannte, dass ihre Frage überflüssig gewesen war und drehte sich um, um das Gewünschte zu holen. Sie hatte mit den beiden einen Bedingungshandel.
 

Nachdem der Hanyou gesättigt war, stand er ebenfalls auf: „Dann können wir gehen.“

Endlich, dachte sein Halbbruder, aber er sagte nichts dazu. Nach den Gefühlen, die er in den vergangenen Stunden erlebt hatte, verstand er jetzt besser, warum Menschen, nun, wohl auch Halbblüter, so viel Wert auf regelmäßige Mahlzeiten legten.

Die Cassana nickte: „Dann folgt mir bitte zu Gomre. Er wird euch führen“

Sie begleitete die beiden Besucher durch das nächtliche Lager. Die meisten der Togol schliefen wohl, denn es herrschte Ruhe. Nur in einem kleinen Zelt brannte eine Kerze. Dort wurden sie erwartet.

Komla nickte: „Gomre, ich möchte dir diese beiden vorstellen. Sesshoumaru und Inuyasha. – Ich werde euch nun verlassen. Wenn ihr euren Teil des Bedingungshandels erfüllt habt, werde ich euch die gewünschte Auskunft geben.“

Sie ging, während sich die Hundebrüder zu ihrem neuen Bekannten drehten.
 

Gomre war ein Togol, das war ihm deutlich anzusehen. Wie alle seine Stammesangehörigen besaß er eine grüne Hautfarbe, dunkle Augen, nur Nüstern und ein beachtliches Gebiss. Da er seine Kopfbedeckung abgelegt hatte, erkannte man deutlich, dass er weder Haare noch Ohren besaß. Er wirkte nicht sehr freundlich, aber das mochte täuschen. Er nickte ein wenig: „Die Cassana hat mir von eurem Bedingungshandel erzählt. Ich werde euch dorthin führen, wo wir zuletzt überfallen wurden.“

„Was ist das für ein Wesen?“ erkundigte sich Inuyasha: „Sie sagte, es frisst euch.“

„Vielleicht dich auch, wenn es dich findet. Ich weiß es nicht. Das machte einen Kampf ja so schwierig. Es kam in einer Wolke aus Staub und Flammen. Man konnte es nicht sehen, nicht erkennen. Die Wolke fasste nach den Kriegern, hüllte sie ein. Und als sie sie frei gab, lagen sie tot auf dem Boden, mit Wunden, die von einem Schwert stammen könnten. Wir…wir flohen.“ Das auszusprechen war für den Wüstenkrieger sichtlich schwer. „Als wir zurückkamen, waren von ihnen nur noch Knochen da.“

„Klingt ja nach einem reizenden Typen.“ Der Hanyou zuckte ein wenig die Schulten: „Und wann gehen wir?“

Gomre sah zu dem älteren Halbbruder: „Unverzüglich? Dann können wir durch die restliche Nacht gehen und entgehen der größten Tageshitze.“ Da er ein gewisses Nicken zu erkennen glaubte, erhob er sich und wickelte sich seine Kopfbedeckung um den kahlen Schädel, ehe er sein Schwert in den Gürtel steckte. „Dann folgt mir.“
 

Der Togol schritt voran durch die Nacht, die Halbbrüder folgten ihm. Inuyasha hatte sich wieder an die Seite des Älteren gesetzt, dachte aber nach.

Die Zeit in dem gemeinsamen Körper hatte ihm nicht gefallen, das war nur zu wahr. Aber er hatte da etwas mitbekommen, das ihn sehr nachdenklich gestimmt hatte, Gefühle, die anscheinend von Sesshoumaru ausgegangen waren. Er hatte eigentlich nicht gedacht, dass der so etwas überhaupt besaß, nun, vor allem positive nicht. Aber da war auf einmal eine Wärme gewesen, ja, Zuneigung, um nicht zu sagen, ein Beschützergefühl. Hatte der Hundeyoukai da an Rin gedacht? Denn dass der auf einmal brüderliche Gefühle entdeckte, war auszuschließen. Warum hätte er das tun sollen. Alles, was sonst an Emotionen durch den gemeinsamen Körper geströmt war, war ein kaltes Gefühl der Einsamkeit. Und obwohl Inuyasha das selbst nur zu gut kannte, wunderte es ihn doch. Er hatte nicht angenommen, dass jemand wie der ach so mächtige Sesshoumaru sich einsam fühlen konnte, geschweige denn, es tat. Da war jedoch auch der Eindruck gewesen, dass den seine Mutter nie umarmt hatte…

Hatte der Herr Halbbruder etwa auch nicht gerade das hinter sich, was man eine tolle Kindheit nannte? Keine Mutter, die bei ihm saß, ihn umarmte, ihm erzählte, vorsang? Macht, Stärke, hatte er gesagt, nur darauf käme es an. Hatte seine Mutter ihm das so beigebracht? Vater schien ja doch anders gewesen zu sein, wenn er an die Erzählungen seiner eigenen Mutter dachte. Gab es auch unter den Youkai verschiedene Typen?

Er warf einen raschen Blick seitwärts. War es das, warum der diese nervige Kröte und das kleine Menschenmädchen bei sich hatte? Weil er damit nicht mehr so einsam war? Er selbst hatte nach den langen Jahren der Wanderung Kikyou gefunden, jetzt Kagome und die anderen. Waren sie etwa beide allein gewesen - und hatten darunter gelitten? War das möglich?

Er hatte in seinem Halbbruder immer ein sehr mächtiges Wesen gesehen, dass zu sehr von sich eingenommen war, um sich anderen anschließen zu können. Womöglich stimmte das nicht, zumindest nicht so, wie er sich das immer vorgestellt hatte. Da waren Jaken und vor allem Rin….
 

Auch Sesshoumaru dachte nach.

Warum eigentlich hatte der Hanyou ihn durch die Nacht und den Salzsturm getragen? Er musste gewusst haben, dass er sich in einen erbärmlichen Menschen verwandeln würde - und dass das sein Tod wäre, fände er keine Deckung. Warum hatte er dann die letzten Energien darauf verschwendet, jemanden retten zu wollen, der ihn töten wollte? Allein wäre er sicher schneller an der schützenden Grotte gewesen.

Mitgefühl? Eine recht menschliche Emotion, in der Tat. Ein Youkai hätte ihn sich allein überlassen. Es gab keinen vernünftigen Grund – wenn man davon absah, dass es zu zweit leichter wäre, die Quelle des Lebens zu finden und die Schwertscheiden darin zu baden. War dies der Grund gewesen?

Aber wenn er so recht überlegte: Inuyasha hatte ihn wieder beschützen wollen, als Che-Sepsis aufgetaucht war. Er hatte sich zu diesem Zeitpunkt sehr darüber geärgert, das als peinlich empfunden, aber wenn er nun darüber nachdachte – der Bastard hatte wissen müssen, dass er hoffnungslos unterlegen wäre, hatte aber nicht aufgegeben. Nun, er war stur, das wusste er, nicht zuletzt aus den Kämpfen, die sie gegeneinander bestritten hatten. Aber dieses Beschützen-Wollen war eine wirklich nervige Eigenschaft, die eindeutig seiner menschlichen Seite zuzuschreiben war. Ein Youkai beschützte niemanden. Der Starke war am mächtigsten allein. So war es.

Nun gut, Tessaiga konnte einen gewissen Nutzen mit sich bringen, das gab er gern zu. Und da er selbst dieses Schwert dank Vaters törichtem Plan nicht führen konnte, musste er eben auch mit dessen missratenem Besitzer leben….
 

Der Togol blieb stehen. Als die Halbbrüder neben ihm waren, meinte er leise: „Die Sonne wird gleich aufgehen. Wir werden noch gut drei Stunden benötigen, ehe wir die Berge erreichen in denen unsere Wasserquelle liegt. Es handelt sich um zwei Berge, die sich mitten in der Ebene befinden, dazwischen ein breites Tal. Wir nennen sie die Wasserberge. Danach muss man noch zwei Tage nach Norden gehen, um das große Gebirge zu erreichen, das das Mirtal vom Land des Winters trennt. Wir vermuten, dass das seltsame Wesen aus diesem Gebirge kam. Unter solch alten Bergen leben manchmal Dinge, die besser dort bleiben sollten…“ Gomre ging weiter.

Inuyasha zuckte ein wenig die Schultern, folgte ihm aber, zumal das Sesshoumaru auch tat. Was sollte diese Erklärung denn? Sie hatten einen Bedingungshandel, da brauchte der Togol doch nicht so mystisch daherreden.

Sein älterer Halbbruder war der gleichen Ansicht, bedachte aber die neue Information. Unter solch uralten Bergen lebten manchmal auch sehr mächtige Lebewesen. Nun, er würde es natürlich töten, aber das könnte den seltsamen Schatten und seine Anhänger in den Höhlen von Karu ebenfalls erklären. Die Erdmenschen dort hatten ja auch keine Ahnung gehabt, woher der gekommen war. Hm. Das Wasser der Insel war verschwunden, aber dafür tauchten seltsame Wesen auf, die kein Bewohner der Insel kannte. Was war geschehen? Eigentlich konnte es ihm ja gleich sein, er hatte jedoch das unbehagliche Gefühl, dass das noch Ärger geben könnte.
 

Die Sonne war eine Handbreit über dem Horizont, als die Hundebrüder vor sich zwei felsige Berge erkennen konnten, die sich dort aus der Ebene erhoben. Sie wirkten durch das breite Tal zwischen ihnen fast wie ein Tor.

Gomre blieb erneut stehen: „Das letzte Mal waren wir ungefähr hier, als wir angegriffen wurden. Die Quelle zu unserem unterirdischen Fluss befindet sich in diesen beiden Bergen. Mehr braucht ihr nicht zu wissen.“

„Von wo kam der Typ?“ erkundigte sich Inuyasha und sah sich um. Aber nichts war zu erkennen.

„Durch das Tal“, antwortete der Togol.

„Weiter“, befahl Sesshoumaru. Wenn dieses Wesen nicht hierher kam, müsste man es eben aufsuchen. Womöglich hatte es erkannt, dass es hier keine Chance hatte.

Gomre gehorchte, wenn auch immer wieder den Kopf drehend. Er hatte die Schreie seiner Stammesangehörigen noch im Ohr. Und das waren Krieger gewesen, Bewohner des Mirtal. Warum nur setzte die Cassana auf diese beiden Jungen vom Festland? Sie hatte gesagt, diese beiden hätten das legendäre Seelenturnier gewonnen, aber das konnte er fast nicht glauben. Hatten sie es wirklich, dann waren sie lebende Legenden. Sie wirkten jedoch so harmlos, zumal der Jüngere.
 

Das breite Tal war bis auf kleinere Steine ebenfalls vollkommen eben, wie das gesamte Mirtal um die beiden Wasserberge. Der Togol blieb stehen, drehte sich um.

„Hierher kam es.“

Die Halbbrüder prüften erneut die Luft. In der trockenen Hitze des Landes des Sommers waren nur wenige Gerüche zu erkennen. Ein entfernter Laut im Wind, mehr geahnt, als gehört, ließ beide unwillkürlich an die Schwerter fassen. Im nächsten Augenblick schoss eine Wolke aus Staub und Feuer das gesamte Tal entlang, mit einer Geschwindigkeit, die nur wenige erkennen, geschweige denn, mithalten konnten.

Gomre entdeckte sie entsetzt und wollte noch zu seinem Schwert greifen, aber im nächsten Moment würde ihn diese Wolke erreicht haben, würde er so enden, wie seine Stammesbrüder…

Er erkannte etwas Rot-weißes vor sich, hörte: „Kaze no Kizu!“
 

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Im nächsten Kapitel bekommen die Hundejungen ein wenig Gelegenheit, Dampf abzulassen. Sie lernen das Togol-fressende Wesen kennen und treffen jemanden, der sich als "Herrn der Hunde" bezeichnet...
 

bye
 

hotep

Der Herr der Hunde

Wenn man sich selbst einen Titel zulegt, sollte man aufpassen, wem gegenüber...
 

14. Der Herr der Hunde
 

„Kaze no Kizu!“

Die Macht der Windnarbe fegte der heranrasenden Wolke aus Staub und Feuer entgegen. Inuyasha hatte bemerkt, dass das Ziel des Angriffs der Togol war und war unverzüglich mit einem gewaltigen Satz vor diesen gesprungen.

Beschützerinstinkt, dachte Sesshoumaru nur, den das an seinen Gedankengang bei der nächtlichen Wanderung erinnerte. Fast ein wenig neugierig, was Tessaigas Attacke hatte anrichten können, beobachtete er, wie die Windnarbe die Wolke buchstäblich auseinander trieb. Für einen langen Augenblick herrschte Stille, dann erkannte man drei Gestalten, die sich darin verborgen hatten. Zwei davon waren eindeutig menschenähnliche Geister, wohl die, die den Staub und die Flammen beigesteuert hatten. Die dritte jedoch….Er umfasste seinen Schwertgriff fester.
 

Inuyasha war ebenfalls ein wenig erstaunt über den Erfolg seines Angriffs gewesen. Nicht nur ein Wesen, sondern gleich drei? Zwei davon waren einfach gekleidet. Der dritte Mann hatte sich eher nobel angezogen. Er trug ein Schwert und eine Rüstung. Und, was den Hanyou am meisten verblüffte: das war ein Hundeyoukai. Freilich niemand, der seinem Halbbruder ähnlich sah. Irgendwie erinnerte ihn der mehr an diesen Hund, den er mit Kagome in ihrer Zeit einmal gesehen hatte. Wie hatte sie das genannt? Eine Bulldogge. Was bei Sesshoumaru aristokratisch und elegant wirkte, war bei diesem massig und kraftvoll. Schwarze lange Haare fielen seinen Rücken hinunter, gleich daneben ein grauer Fellstreifen, wenn auch schmäler und kleiner als das seines Halbbruders. Hatte das etwas zu bedeuten?
 

Der Fremde hatte unwillkürlich ebenfalls zu seinem Schwert gegriffen, sichtlich überrascht.

„Ein Hundeyoukai vom Festland“, sagte er: „Damit habe ich auf dieser Insel wirklich nicht gerechnet. – Du willst mit mir kämpfen, du Narr? Mein Name ist Nadare.“ Und da ihn Sesshoumaru nur regungslos musterte: „Hel, Acer, der Togol und dieser Junge gehören euch. Ich nehme mir den verrückten Hund hier vor, der es wagt, mich, den Herrn aller Hunde, herauszufordern.“

Jetzt begegnete er gleich zwei Paar goldfarbenen Augen, die ihn mehr als eisig musterten. Plötzlich begriff Nadare.

„Ihr seid seine Söhne….“

Dieser verdammte Mistkerl von Inu no Taishou und sein höllisches Schwert! Als er ihn herausgefordert hatte, nun gut, das Duell verloren hatte, hatte der Idiot ihn leben lassen – als Mahnung für die anderen, wie der so höhnisch gesagt hatte. Nun, er war danach auf die Insel der Vier Jahreszeiten gegangen. um sich hier neue Verbündete, andere Krieger zu suchen. Und was machte dieser Kerl? Tauchte hier ebenfalls auf und gewann auch noch dieses ominöse Seelenturnier. Niemand auf der Insel war danach bereit, ihn, Nadare, noch zu unterstützen. Endlich hatte er es jetzt, nach so langer Zeit, geschafft, sich diese zwei mächtigen Geister dienstbar zu machen. Und dazu hatte er in einen wahren Abgrund aus Feuer unter den Bergen gehen müssen. Mit ihnen war ein Anfang gemacht und er konnte womöglich bald nach Japan zurückkehren, sein Recht einfordern…

Mit einem gewissen Lächeln zog er.

„Nun, dann töte ich eben die Söhne an Stelle des Vaters. Auch dies wird mir Vergnügen bereiten, ihm vor seinem Tod noch Leid zuzufügen.“

„Idiot“, kam es prompt von Inuyasha: „Er ist tot.“

„Umso besser.“ Nadare nickte ein wenig, als er sah, dass Sesshoumaru ebenfalls zog. „Ja, kämpfen wir beide. Um den Titel, der mir zusteht, schon immer zugestanden hat!“ Und der älteste Sohn hatte anscheinend auch nicht das höllische Schwert zusätzlich zu dem Titel geerbt. Wo das wohl war? Nun, umso besser war es für ihn selbst.

„Keh!“ machte der Hanyou, ohne seine Position zwischen den beiden Geistern und dem erstarrten Gomre zu verlassen: „Keine Ahnung, wie du auf die schwachköpfige Idee kommst, mit uns mithalten zu können. Jämmerlicher Abschaum…“ Ihm war nicht bewusst, dass seine Wortwahl der seines Halbbruders in diesem Moment sehr ähnelte.

Sesshoumaru hatte es bemerkt – und überrascht zur Kenntnis genommen. War das etwa eine Folge ihrer stundenlangen Vereinigung? Hoffentlich nicht, denn sonst konnte er abwarten, was er sich von dem Bastard eingehandelt hatte. Allerdings musste er ihm Recht geben, so eigenartig das auch klingen mochte.
 

In diesem Augenblick bemerkte Inuyasha, dass sich die beiden Geister sehr nahe beieinander aufhielten, ja, verschmolzen, Verflixt. Konnte denn jeder auf dieser dämlichen Insel mal eben fusionieren, oder wie das hieß? Immerhin schien das diesmal keine Auswirkungen auf ihn zu haben. Für einen Augenblick betrachtete er das Lebewesen, das nun vor ihm stand und sich offenkundig mit ihm auf einen Kampf einlassen wollte. Er war schon an einem Vulkan gewesen und kannte Lava. Dieses Wesen aus glühendem Staub schien direkt aus einem solchen zu kommen. Würde es wieder mit Wind und Funken angreifen? Dann war die Windnarbe sicher hilfreich. Bakuryuuha konnte er wohl vergessen. Das war kein Youkai, der mit dämonischer Energie attackierte. Nun, er hatte noch so einiges auf Lager mit seinem Tessaiga…

Dann verschob er das Denken auf später, als die Fusion aus Feuer und Staub den Mund öffnete und ihm eine heftige Böe aus glühenden kleinen Steinchen entgegenschickte. Erneut ließ er die Windnarbe los und stemmte sich damit gegen diese Attacke. Gomre stand hinter ihm, und auch, wenn die Krieger des Mirtal angeblich erfahren waren, so wagte er doch zu bezweifeln, dass sie mit so etwas zu Rande kämen. Immerhin waren hier schon einige der Togol gestorben.
 

Gomre hatte sich endlich aus der Erstarrung gelöst, zog nun ebenfalls sein Schwert und blickte überrascht auf den Rücken des weißhaarigen Jungen vor ihm, der und dessen Klinge den Angriff aus Feuer rechts und links an ihnen vorbeilenkten. Der sollte das Turnier der Seelenarena bestanden haben? Langsam glaubte er es. In dieser feurigen Wolke waren seine Stammesmitglieder gefangen worden, ohne sich auch nur wehren zu können. Kriegerstolz und Ehre ließen ihn allerdings sagen: „Geh einen Schritt beiseite. Ich übernehme meinen Part.“

„Keh!“ machte Inuyasha nur: „Das wird kaum klappen.“

„Ich...wie soll ich der Cassana erklären, dass dir, einem echten Hanyou, etwas zugestoßen ist?“

„Eben deswegen solltest du so was wie Vertrauen in mich haben...ah!“

Durch die Rederei abgelenkt, hatte ihn ein erneuter Angriff aus feurigem Staub getroffen und rücklings zu Boden geschleudert. Nur die Tatsache, dass seine Kleidung feuerfest war, hatte ihn vor einer heftigen Verletzung bewahrt. Im nächsten Augenblick war er bereits wieder aufgesprungen, um die folgende Attacke abzufangen.

„Halt die Klappe, Gomre!“ befahl er danach.

Und der stolze Wüstenkrieger sah sich nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als zu gehorchen. Jemand, der diesen Angriff unbeschadet überstehen konnte…..Sein Blick glitt hinüber, wo die beiden Hundeyoukai einen Schwertkampf begonnen hatten, sich mit gewaltigen Sprüngen die Wasserberge empor, dann abwechselnd durch das ganze Tal trieben, mal Stahl auf Stahl, mal mit Energieangriffen.

In dem Moment, in dem er hinübersah, hatte sich um Nadares Schwert eine Spirale aus rotem Youki gebildet, die er auf seinen Gegner zujagte. Sesshoumaru erwartete den Angriff in fast fünfzig Schritt Entfernung regungslos und schien sich nicht verteidigen zu wollen. Was war nur los? Gomre wurde besorgt, zumal, als sich die Spirale um diesen schloss, einen wilden Wirbel aus roter Dämonenenergie bildend. Hatte er etwa verloren, die Cassana mit den Falschen einen Bedingungshandel geschlossen? Im nächsten Augenblick schossen aus der roten Energiesäule bläuliche Blitze, ließen diese in sich zusammenfallen. Sesshoumaru stand nicht nur unversehrt, sondern schien dem Togol ein wenig ärgerlich, soweit er das bei der regungslosen Miene einschätzen konnte.
 

„Nicht schlecht“, meinte Nadare fast belustigt: „Wie man es von einem Sohn des Inu no Taishou erwarten konnte. Nun, das wird nicht reichen. Mein Schwert ist der Inbegriff der Zerstörung. Und du wirst bald das Jenseits kennen lernen. Aber zunächst amüsieren wir uns noch ein wenig. Natürlich auf deine Kosten.“ Er jagte erneut eine Youkiattacke los, diesmal allerdings aus einzelnen Energiekugeln bestehend.

„Jämmerlich!“ Ungerührt zerschlug der ältere der Halbbrüder die rötlich leuchtenden Bälle, ohne auch nur seinen Standort zu verlassen. Er hatte sich ein wenig abreagieren wollen, nach all den Unbilden der letzten Tage, den lästigen Bedingungshandeln und Salzwüsten, dem törichten Seelenturnier, von der unsäglichen Fusion ganz zu schweigen, aber anscheinend war das – leider - kein passender Gegner.

Nadare sprang auf einen Felsen, um Schwung für einen direkten Klingenangriff zu holen und schlug in jähem Zorn zu: „Wir werden sehen, wer der wahre Herr der Hunde ist!“

Sesshoumaru parierte Stahl auf Stahl, hielt so Kraft gegen Kraft, als er seinem Widersacher in die Augen blickte: „Ich weiß es.“

„Oh, ja?“ Genau so hochmütig wie der Vater. Nadare drehte sich und machte einen Satz den Berg empor. Der Junge war in der Tat stark, und enorm selbstsicher, nun, immerhin hatte er es geschafft, seinen ersten Youkiangriff zu zerstören. Aber wenn dieser Idiot annahm, das sei schon alles gewesen, was er, Nadare, aufzubieten hätte, unterlag er einem tödlichen Irrtum. Diesmal würde es mehr Energie werden. Seine Klinge schlug scheinbar harmlos auf dem Boden auf, aber eine Wolke aus Staub und Youki grub einen fast zwei Meter tiefen Kanal in die Erde, als sie auf Sesshoumaru zuraste.

Dieser sprang überlegt nur ein wenig beiseite und ließ die Attacke an sich vorbeilaufen. „Du bist weder mein Schwert noch meinen Atem wert“, stellte er sachlich fest. Und er würde diesem anmaßenden Hund nicht das Vergnügen bereiten, ihn mit seiner stärksten Attacke, dem Pfad der Dunkelheit, ins Jenseits zu befördern. In der Tat. Inuyasha hatte Recht gehabt. Jämmerlicher Abschaum. Und ebenso würde er ihn vernichten.

„Eingebildet sind wir ja wohl gar nicht…Guck nur, dein Bruder tut sich gegen die Fusion von Hel und Acer auch ziemlich schwer. Bald wird er zu ihrem Futter werden. Und natürlich der Togol auch, wie ich es ihnen versprach.“ Erneut suchte er sein Youki.

Sollte es dieser dämliche Inuyasha etwa schaffen, mit einem der mächtigsten Schwerter, das die Welt je gesehen hatte, gegen zwei hergelaufene Geister zu verlieren? Dann sollte er hier erst recht keine Zeit mehr verschwenden. Sie hatten einen Bedingungshandel.
 

Inuyasha hatte unterdessen mit gewisser Überraschung festgestellt, dass sich sein Schwert verwandelt hatte. Was sollte denn das schuppige Tessaiga hier? Damit konnte er nicht die Windnarbe schlagen – allerdings das Youketsu seines Gegners zerstören, die Quelle dessen Energie. Aber die Geister hatten doch keine? Er war allerdings gewohnt, dass sein Schwert wusste, warum es was tat, und dachte kurz nach. Er sah kein Youketsu, aber das hieß natürlich nicht, dass es keins gab….

Allerdings war es so härter, die Angriffe, die in immer rascherer Reihenfolge auf ihn und Gomre geschickt wurden, zu parieren. Verflixt, wo war diese Energiequelle? Er warf einen raschen Blick um sich, fand allerdings immer noch nichts.

„Was meinst du denn, Tessaiga?“ erkundigte er sich.

Im gleichen Moment entdeckte er es. Bei der Fusion waren auch die beiden Energiequellen verschmolzen, waren zu einer einzigen geworden. Und die steckte nun auf der Linie, wo die beiden zusammenhingen, mitten in der Brust seines Gegners. Na, dann….

Ohne weiter nachzudenken, oder gar auf den überraschten Gesichtsausdruck der fusionierten Geister vor ihm zu achten, deren Erstaunen sich endlich in einem Feuerangriff löste, stürmte er voran, die Hitze und den Staub ignorierend. Dort war sein Ziel, die Energiequelle der Geister, und er würde sie mit dem geschuppten Tessaiga durchbohren.

Sowohl auf Gomre als auch Hel und Acer wirkte diese Attacke allerdings wie eine letzte Verzweiflungstat.
 

Sesshoumaru war stehen geblieben, Aus gewissem Zorn heraus ließ er sein volles Youki aufflammen, eine Menge an bläulich leuchtender Energie blitzte um ihn. Nein. Dieser erbärmliche Nadare war keinen ehrlichen Kampf wert. Er würde ihn nicht nur ins Jenseits schicken, sondern buchstäblich von der Erde verschwinden lassen. Ruckartig hob er Tenseiga vor sich, das sich mit seiner Macht verband.

Nadare sah es und erwartete eine Attacke, ähnlich der, die er selbst zuvor durchgeführt hatte und richtete seine Klinge auf, um sie mit seinem Youki zu verbinden und so zu antworten. Verwirrt erkannte er dann jedoch, dass sein Gegner die Spitze seines Schwertes in den Boden stieß, die Energie dort hinein sandte. Einige bläuliche Strahlen rasten über den Boden der Talebene auf ihn zu. Er musste nur kurz empor springen, um ihnen auszuweichen, ehe er wieder landete. „Na, das war wohl nichts, mein Junge“, meinte er spöttisch. „Du bist stark, das gebe ich zu. Aber zielen ist anscheinend nicht deine Stärke.“

Sesshoumaru ignorierte ihn und wandte sich ab.

Nadare wollte dazu noch etwas sagen, als er erstarrte. Da war doch…unter ihm…aus den Tiefen der Erde?

Im nächsten Moment riss der Talboden auf und entlud sich. Aus ihm schoss eine Säule aus blau leuchtendem Youki empor, eine Masse an Energie, wie Nadare es sich nie zuvor hätte auch nur vorstellen können. Er starb in ihr, noch ehe er begriffen hatte, dass er es musste.
 

Inuyasha hatte unterdessen seinen Ansturm gegen die Geister vorgebracht, sämtliche Feuerangriffe ignorierend, und rammte mit aller Kraft das geschuppte Tessaiga in die Brust seines fusionierten Gegners, genau dorthin, wo er die Quellen der Energie erkannte. Der verbundene Geist brach zusammen und verschwand, als habe es ihn nie gegeben.

Der Hanyou drehte sich um, stolz auf sich, und nicht im Zweifel, dass Sesshoumaru diesem dämlichen Hund von Nadare gezeigt hatte, wer hier was war.

Dieser trat auch langsam auf ihn zu, Tenseiga bereits wieder in der Scheide.

„Was für Idioten“, murrte der Jüngere. „Was ist mit diesem Nadare? Oh, sag nichts…das ist eine Frage, die nur Izanami beantworten könnte?“

Etwas erstaunt, dass sein Halbbruder den Namen der Göttin der Unterwelt kannte, nickte der Hundeyoukai ein wenig, ehe er zu Gomre blickte.

Der Togol starrte fassungslos in das Tal - so fassungslos, dass sich die Hundebrüder umdrehten, um nach einer neuen Herausforderung Ausschau zu halten. Stattdessen betrachteten sie ein Wunder.

Durch die Energie, die Sesshoumaru in die Tiefe geschickt hatte und die Explosion, die sie bei ihrem Zusammenprall mit Nadares Youki ausgelöst hatte, war ein ganzes Stück des Talbodens abgefallen und tief eingerissen, Und dieses neue Becken füllte sich nun mit Wasser.
 

Gomre löste sich aus seiner Erstarrung und rannte zu dem Teich, der sich sicher bald zu einem kleinen See ausweiten würde.

„Wasser…“ brachte er hervor: „Reines Wasser!“ Die Cassana – und nicht nur sie - würde begeistert sein. Der unterirdische Fluss, den der Stamm bislang benutzte, trug nur Wasser mit sich, das leicht nach Schwefel schmeckte. Er brach in die Knie und berührte behutsam, ehrfurchtsvoll die kostbare Flüssigkeit.

Inuyasha warf einen Blick auf seinen Halbbruder. Das war doch keine Absicht gewesen? Oder? Irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen. Fragen war wohl auch keine gute Idee. In jedem Fall war der Stamm nun nicht nur diese Togol-fressenden Geister los, sondern hatte auch noch besseres Wasser.

„Gomre!“ sagte der Hundeyoukai. Und da dieser ihn fast ehrfürchtig anblickte: „Gehen wir.“

„Ja, natürlich, Sesshoumaru-sama, Inuyasha-sama.“ Sie hatten das Turnier der Seelenarena gewonnen, wie hatte er nur daran oder gar an ihnen zweifeln können. Er hatte lebende Legenden vor sich gehabt und sie nicht erkannt – und wohl die sagenhaften Herren des Wassers. Von dieser Begegnung könnte er noch seinen Enkeln erzählen. Aber er war Wüstenbewohner und so füllte er noch seine Trinkflasche mit dem neuen Wasser, ehe er aufstand.
 

Zurück im Lager der Togol prüfte die Cassana dieses wertvolle Mitbringsel:

„Reines Wasser aus der Tiefe…Ihr habt uns ein großes Geschenk gemacht, “ sagte sie zu den Hundebrüdern. „Darum werde ich euch nicht nur den Weg zu Hane beschreiben, sondern euch ein Schreiben an sie mitgeben. Bitte, wartet einen Moment hier auf mich. – Gomre, sag inzwischen dem Stamm, dass sie die Zelte abbrechen sollen. Wir werden das reine Wasser behüten müssen.“

Es würde sicher den einen oder anderen Stamm geben, dessen Cassana dieses spüren konnte. Und verständlicherweise würden Späher und Krieger dorthin gesandt werden. Lag das Lager der Togol dann bereits an der offenen Quelle, würden Kämpfe vermieden werden, zumal es sich um ihr Gebiet handelte.
 

Während die Halbbrüder regungslos in der Mitte des Lagers warteten, entwickelten die Togol um sie hektische Aktivität. Inuyasha war erstaunt, in welcher Geschwindigkeit die orangefarbenen Sandwürmer geholt und gesattelt wurden, die Zelte zusammengelegt. Aber da kehrte auch schon Komla mit einem versiegelten Schreiben zurück und überreichte es ihm.

„Hier. Gib das Cassana Hane. – Der Stamm, zu dem ihr wollt, lebt im Osten von hier, jenseits der Sandwüste. Fast genau im Osten, soweit, dass ihr bereits im Norden und Osten die hohen Berge sehen könnt. Dennoch solltet ihr euch von hier aus südöstlich halten, um den Ubi zu entgehen. Nicht, dass ich eure Kampffähigkeiten anzweifle, “ unterstrich sie: „Aber sie sind ein sehr…seltsames Volk. Als einziges auf der Insel kennen sie keinen Bedingungshandel. Sie leben in einer Felsgruppierung, die von hier aus im Nordosten liegt. Von dort aus streunen sie in einem gewissen Umkreis durch die Umgebung, auf der Suche nach Beute und Nahrung. Wer sie trifft, ist verloren, denn sie haben besondere Waffen. Diese wirken gegen jedes Lebewesen, das magische Fähigkeiten oder Youki hat, verletzt oder tötet sie gar. Und sie funktionieren bereits aus Distanz. Jeder andere Bewohner des Mirtal bemüht sich, nicht in dieses Gebiet zu gelangen, selbst, wenn es Kriegertrupps sind. Ihr wärt sicher schneller an der Quelle, geht ihr den Umweg.“ Sie nickte, um die Sache zu betonen: „Und bedenkt eines: wer zu der Quelle des Lebens will, kann dies nicht ohne guten Grund. Ihr werdet bestimmt eine Prüfung ablegen müssen, ehe euch die Cassana dorthin lässt, ja, lassen darf.“ Sie lächelte ein wenig, als die Gesichter ihrer Besucher ausdruckslos blieben: „So ist unser Handel nun abgeschlossen. Der Stamm der Togol wird euch nie vergessen.“

„Äh...nett“, meinte Inuyasha noch, ehe er bemerkte, dass sich sein Halbbruder bereits umgedreht hatte und ging. So folgte er ihm.

Komla wandte sich um, da sie Gomre bemerkte: „Was meinst du?“

Der Wüstenkrieger sah den beiden nach: „Sie werden durch das Land der Ubi gehen. Dass du sie gewarnt hast, ist ihnen vollkommen gleichgültig.“

„Die Ubi können selbst noch so starken Youkai gefährlich werden. Je näher man an ihrem Sitz ist, um so mehr wirkt die Magie.“

„Ein echter Hanyou und der Herr des Wassers. Womöglich haben sie eine Chance selbst gegen die Magie der Ubi. Immerhin gewannen sie in der Seelenarena.“

„Und das bedeutet auch, dass sie Zauber beherrschen. Nun, ich hoffe, meine Mutter kann ihnen weiterhelfen. Natürlich erst, wenn sie die Prüfung bestanden haben.“

Gomre lächelte ein wenig: „Zweifelst du daran? Wenn sie an den Ubi vorbeikommen.“

„Falls.“ Komla sah den beiden nach: „Aber wenn ja….“

„Sind sie nicht jetzt schon Legende?“
 

Die Hundebrüder stellten fest, dass sich die Ebene des Mirtal um sie veränderte. Die Steine wurden zu Kieseln, diese zu Sand. Der Wind, der stetig, wenn auch wenig wehte, türmte diese stellenweise zu Wellen auf, zu Dünen. Die Sonne ließ die Sandkörner blendend hell aufstrahlen. Aber sie waren durch die Salzwüste gewandert, dagegen war dies hier fast angenehm. Zumal sie immer wieder im Schatten einer Düne bleiben konnten. Sesshoumaru hielt die Richtung nach Osten. Falls es diese Ubi wagen sollten, sie anzugreifen, würden sie schon sehen, was sie davon hätten. Was sollten die schon für eine Waffe haben, die ihm gefährlich werden könnte? Und selbst der Bastard verfügte schließlich über gewisse Fähigkeiten.

„Mann, dieses Mirtal ist wirklich eine öde Gegend…“ Inuyasha hatte keine Antwort auf diese Bemerkung erwartet, und war erstaunt, eine zu bekommen:

„Kein Wasser.“ Früher, als das Binnenmeer noch existierte, musste es hier anders ausgesehen haben. Warum nur war es verschwunden, zu der öden Salzwüste geworden? Warum war das gesamte Wasser nun überhaupt unterirdisch?

„Ja, aber früher war hier welches…“ Der Hanyou war dem gleichen Gedankengang gefolgt: „Schade eigentlich, dass man den Leuten hier nicht so richtig helfen kann. Naja, du hast es ja mit der Quelle anscheinend bei den Togol getan.“

Das war keine Absicht gewesen.
 

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Lebende Legenden? Die Herren des Wassers? Unerwarteter Ruhm und Ehre.
 

Im nächsten Kapitel treffen die Hundejungen die Ubi und es wird sich zeigen, ob die Warnung berechtigt war.
 

bye
 

hotep

Der Überfall der Ubi

Da sich einige nach der Namenbedeutung erkundigten: Nadare bedeutet Lawine, Hel ist der Name der germanischen Unterweltsgöttin und Acer, ja, ich weiß, so heisst auch eine Computerfirma, aber ich dachte an den lateinischen Begriff zu Ahorn. Die Ubi in diesem Kapitel haben auch nichts mit dem lateinischen Wort für "wo?" zu tun, sondern sollen an die Tibbu erinnern.
 


 

15. Der Überfall der Ubi
 

Went the distance,

Now I´m back on my feet,

just a man

and his will to survive…
 

Survivor: Eye of the tiger
 

Während die beiden Hundebrüder durch die Sandwüste nach Osten wanderten, senkte sich die Sonne bis zum Horizont, und ihre dritte Nacht im Mirtal brach an. Beide schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Das ungewohnte, unangenehme Erlebnis, nur einen Körper zu besitzen, die Gefühle, wenn schon nicht Gedanken, des anderen mitverfolgen zu können, hatte selbst Sesshoumaru mehr berührt, als er je gedacht hätte.

Die ungewohnte Empfindung des Hungers, die impulsive, aufbrausende Art, wie Inuyashas Emotionen durch seinen, eher ihren, Körper geströmt waren...Das alles war fremdartig. Und doch war der Bastard sofort bereit gewesen, auf sein Essen vorerst zu verzichten, nur, damit er selbst nicht mitessen musste. Beschützergefühl sogar ihm gegenüber? Das war mehr als eigenartig. Es gab eigentlich niemanden, wenn man von seiner frühesten Kinderzeit absah, der ihn je hatte beschützen wollen oder gar müssen. Jeder war sich selbst der Nächste, und wer zu dumm oder zu schwach war, starb eben. So war das Leben, so war er erzogen worden. Und dann kam ausgerechnet eine derartige Mischung auf den Einfall…
 

Inuyasha dagegen grübelte über zwei Dinge, die er bei seinem Halbbruder mitbekommen hatte: das Gefühl der Einsamkeit und diese Wärme, dieses Beschützergefühl, was da auf einmal aufgetaucht war. Sicher hatte er in diesem Moment an Rin gedacht, aber das bewies immerhin, dass auch dieser sonst so eiskalte Mistkerl irgendwo einen Funken Empfindung besaß. Und dass er sich allein fühlte…Nun ja, Vater war tot, mit dem er wohl zumindest hier auf dieser Insel gewesen war. Ob Sesshoumarus Mutter noch lebte? Wenn ja, hatte er wohl nicht gerade ein tolles Verhältnis zu ihr. Sie schien recht kühl zu sein, vielleicht sogar noch mehr als ihr Sohn, wobei sich der Hanyou das fast nicht vorstellen konnte.

Es hätte ihn interessiert, ob die Tatsache, dass sie hier gemeinsam durch die sternklare Nacht spazierten, bei seinem Halbbruder ebenso ein gewisses angenehmes Gefühl der Nicht-Einsamkeit weckte wie bei ihm selbst. Natürlich waren da auch seine Freunde, allen voran Kagome, die auf ihn warteten, aber irgendwie war es schon etwas anderes. Nicht nur, weil sie bereits gegenseitig versucht hatten sich umzubringen, sondern aus einem vollkommen gefühlsmäßigen Grund: es war ein Familienmitglied, es war der Bruder. Aber Inuyasha war klar, dass er das gar nicht zu fragen brauchte, wollte er keine scharfe Antwort erhalten.
 

Sie blieben beide abrupt stehen und suchten im auffrischenden Nachtwind nach der Bestätigung der Tatsache, dass sich ihnen jemand näherte, wie sie es soeben gewittert hatten. Sie hatten die Warnung vor den Ubi nicht vergessen, auch, wenn sie eigentlich sicher waren, mit jedem Gegner zu Rande zu kommen.

Auf einer Düne waren mehrere Wesen erschienen, die sich anscheinend vollkommen verhüllt hatten, noch mehr, als es die anderen Bewohner des Mirtal taten. Sie hatten längliche Gegenstände in der Hand, die die Hundebrüder zunächst für Stäbe hielten. Beide legten die Hände an die Schwerter um zu ziehen, als sich bereits aus diesen Gebilden helle Kugeln lösten, die auf sie zuschossen.

Sesshoumaru wollte mit seiner Klinge abwehren, aber die Geschwindigkeit war so hoch, dass er zwar noch ziehen konnte, aber mehr nicht. Die helle Kugel drang durch seine Brustpanzer, als würde er nicht existieren, in seine Schulter. Er konnte sofort fühlen, dass sein Youki angegriffen wurde, dies eine Art der Läuterung war. Unsinn! Wer sollte mit ihm mithalten…?

Die Warnung der Cassana vor der seltsamen Magie der Ubi fiel ihm ein.

Jetzt begriff er sie. Das war kein Zauber dieser Welt, sondern der anderen, wie er es so nur von seinem Schwert kannte. Kein Wunder, dass die Bewohner des Mirtal da nicht mithalten konnten. Aber dann müsste Tenseiga auch…

Weitere Kugeln waren bereits losgejagt worden. Er wollte sein Schwert heben, um sie abzuwehren, aber er musste feststellen, dass er deutlich langsamer geworden war. War das schon der Effekt dieser Läuterung oder noch immer das Gift der Stachelsalzler? Im nächsten Moment erkannte er Inuyasha direkt vor sich, der mit seinem Körper zwei weitere der Kugeln abfing, die anscheinend zunächst alle auf den vollblütigen Youkai gezielt gewesen waren.

„Verschwinde, du Narr, “ wollte er sagen, aber er konnte es nicht mehr. Das Letzte, das er noch mitbekam, war, dass der Hanyou vor ihm zusammenbrach, dann wurde es auch um ihn schwarz.
 

Der Hundeyoukai erwachte mühsam.

Derart bewusstlos war er nie zuvor gewesen und er benötigte einige Zeit, ehe er erkannte, dass er im Sand lag, noch immer an der Stelle des Überfalls, Tenseiga in der Hand. Er sprang auf – und schob sein Schwert in die Scheide.

Er war allein. Die Ubi hatten den Bastard mitgenommen, sei es, weil dieser ja ein ach so wertvoller Hanyou war, sei es, weil diese Trottel ihn selbst für tot gehalten hatten.

Inuyasha, ja. Warum hatte sich dieser verdammte Narr vor ihn geworfen, hatte ihn schützen wollen? War er etwa der Meinung, jemand wie er, Sesshoumaru, würde mit diesem jämmerlichen Läuterungsversuch nicht klar kommen? Hatte er etwa angenommen, ein halber Dämon könnte das besser?

Das hatte dieser Dummkopf bestimmt tatsächlich gedacht. Natürlich. Inuyasha konnte davon ausgehen, dass, wenn sein Youki verschwunden war, er zumindest immer noch ein Mensch blieb. Das musste der Grund für diesen geradezu törichten Versuch gewesen sein.

Und jetzt hatten ihn die Ubi, davon war auszugehen, zu welchem Zweck auch immer.

Eine unhaltbare Situation.

Schön, er war sein nichtswürdiger Halbblutbruder, eine Schande für die Familie, aber er war SEIN Bruder und niemand vergriff sich ungestraft an seinem Eigentum oder auch nur seinem Begleiter. Schon gar nicht, wenn er zugeben musste, dass der zumindest versucht hatte ihn zu beschützen, gleich, wie lächerlich dies auch gewesen sein mochte.

Er prüfte rasch seinen Körper. Nein. Keinerlei Auswirkungen des Giftes oder gar dieses Läuterungsversuches waren mehr zu erkennen. So begann er, der kaum mehr wahrnehmbaren Geruchsspur durch die Nacht zu folgen.
 

Ein großer, felsiger Berg stieg aus der nächtlichen Sandwüste auf. Davor lagen kleinere und größere Felsbrocken, als ob ein Riese sie vom Gipfel des Berges geworfen hätte. Zwischen zwei Ausläufern des Berges befand sich ein Lager, in dem wenige Feuer noch glühten. Die Zelte waren ebenfalls aus den orangefarbenen Haaren der Sandwürmer gewebt worden.

Auf den Hügeln um das Lager standen Krieger Wache und musterten die Nacht um sich. Einer der Wachposten erkannte einen weißen Schemen in der Dunkelheit. Noch ehe er reagieren oder schreien konnte, spürte er Krallen an der Kehle – das Letzte, was er fühlte. Sesshoumaru blieb neben dem Toten stehen und musterte das Lager. Interessant, dass es meist Diebe waren, die sich am besten absicherten. Die nächsten Wachposten hatten allerdings noch nichts bemerkt. Das musste auch nicht sein, ehe er wusste, wo Inuyasha steckte. Wenn er sich alles so im vagen Schein der Lagerfeuer betrachtete, gab es noch einmal zwei Wächter dort drüben an einem durch Felsbrocken abgeschirmten Platz. Es bot sich an, dort einen Gefangenen unterzubringen. So drehte er sich um und verschwand wieder in der Dunkelheit.
 

In einer schmalen Spalte zwischen zwei riesigen Felsbrocken blieb er erneut halten. Drei dieser vermummten Gestalten standen in dem kleinen eingekesselten Platz vor ihm, einer trug eine Fackel.

Sie betrachteten den Hanyou, der ausgestreckt auf den Boden gefesselt worden war. Um dessen Bande glühte auch die Magie der Ubi, läuternd und wohl schmerzhaft. Sesshoumaru konnte wittern, dass Inuyasha fieberte. Hatte diesem Idioten die Läuterung doch mehr ausgemacht? Weil er eben nur ein Halbblut war oder weil er die Kugeln abgefangen hatte, so mehr von dieser Energie mitbekommen hatte? Gleich. Immerhin hatten sie ihm noch Tessaiga gelassen. Sogar diese Narren hatten anscheinend erkannt, dass es sich um ein magisches Schwert handelte, dass man erst nach dem Tod des Besitzers an sich nehmen konnte und sollte.

Der Anführer meinte gerade: „Ich stelle meine Fragen noch ein letztes Mal. Du bist ein Hanyou, ein echter Hanyou. War dein Vater oder deine Mutter ein Mensch? Kommst du vom Festland? Wer bist du?“

„Keh!“ machte Inuyasha matt: „So viele Fragen. Und wieder nur eine Antwort: ich bin jemand, der Raubmördern keine Auskunft gibt.“

Sesshoumaru wurde klar, dass ihn sein Halbbruder für tot hielt. Und dennoch - oder deswegen - war er vorlaut? Nun, Sturheit und gewissen Mut hatte er ihm noch nie absprechen können.

„So sicher?“ Der Anführer schien zu lächeln: „Du scheinst nicht zu wissen, dass es Mittel und Wege gibt, deine Zusammenarbeit zu bekommen. Hier, mein guter Wobi, ist Spezialist für derartig hartnäckige Fälle. Du bekommst noch ein wenig Bedenkzeit. Bis die Sonne aufgeht. Und dann wirst du mir alle Rätsel lösen - oder ich überlasse dich ihm. Glaube mir, am Schluss wirst du jede Frage beantwortet haben, die du nur beantworten kannst, über das Festland, andere Hanyou dort…alles. Und du wirst für uns arbeiten. Alle Stämme des Mirtal werden uns wertvolle Gaben bringen, um deine Fertigkeit zu sehen.“

Sesshoumaru spürte die nachdrückliche Versuchung, diese drei zu töten. Dort vorne konnte er allerdings wieder Wachen wittern. Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte, das gesamte Lager umzubringen, schon, um sich ein wenig abzureagieren, aber Inuyasha wirkte im Moment nicht sonderlich kampffähig. Und er würde ihn beschützen müssen.

Müssen?

Doch, erkannte er. Schließlich war er genau deswegen hergekommen.

Die drei gingen – eine Tatsache, die ihnen das Leben rettete.
 

„Keh!“ machte der Hanyou leise erneut, als er ihnen nachblickte.

Das waren keine guten Aussichten für den Morgen. Diese schmerzenden Fesseln konnte er nicht loswerden. Er fühlte sich sowieso so schwach wie nur selten nach einer Verletzung, fast, als ob er wieder Gift bekommen hätte oder hohes Fieber. Hatte diese dämliche Läuterung wirklich solch einen Erfolg gehabt?

Aber er musste nur daran denken, dass selbst Sesshoumaru dem Angriff keinen Widerstand hatte leisten können. Die Ubi hatten ihm gesagt, er sei tot, das aber nicht bedauert. Mit ihm, dem Hanyou, hatten sie einen hochgeschätzten Fang gemacht - so wertvoll, dass sie sogar darauf verzichtet hatten, die Rüstung seines Halbbruders oder Tenseiga mitzunehmen, wie sie es gewöhnlich taten.

Diese verdammten Mörder!

Er hatte nicht gedacht, dass es so wehtun würde, zu erfahren, dass der einzige Verwandte, den er besaß, tot wäre.

Sesshoumaru…

Sein Bruder….

Er stand jetzt neben ihm und betrachtete ihn….

Ein weißer Geist in der Dunkelheit.

Das ließ eigentlich nur einen Schluss zu: er wollte ihn abholen. „Ich...ich bin auch tot...?“ Er hätte doch geglaubt, dass man es merken würde, stürbe man.

„Noch nicht.“ Zwei rasche Bewegungen mit Tenseiga ließen die Fesseln mit der Magie des Jenseits zerreißen. „Komm.“ Er schob sein Schwert in die Scheide.

Verwirrt versuchte der Hanyou aufzustehen, aber seine Füße, seine Hände waren taub. Er brach wieder in die Knie. Eine feste Hand zerrte ihn empor.

„Nii….“ war alles, was er hervorbrachte. Der war am Leben? Und hatte auch noch Zeit damit verschwendet, nach ihm zu suchen?

„Komm.“ Der Jüngere war so geschwächt, dass er besser nicht mehr in die Hände der Ubi fallen sollte.

Taumelnd, aber bemüht, nicht aufzugeben, folgte Inuyasha dem weißen Schemen durch die Nacht. Träumte er oder war er doch wach? Aber er konnte sich, wenn auch so mühsam, bewegen….

Wenige Minuten später brach er zusammen. Die taub gewordenen Gliedmassen hatten zu schmerzen begonnen, als das Blut wieder kreisen konnte, und trugen ihn endgültig nicht mehr.

Der ältere Halbbruder blieb stehen. Ohne sich umzudrehen sagte er: „Du bist schwer zu retten.“

„Keh!“ Aber Inuyasha krabbelte mühselig auf allen Vieren voran. Lieber so, als sich weiter schwach anreden zu lassen. Immerhin bewies das, dass es sich um den echten, lebenden Sesshoumaru handelte.

Dieser fuhr fort: „Deine sowieso geringe Selbstbeherrschung hat deutlich gelitten.“

Der Hanyou brach erneut zusammen und fluchte halblaut, ehe er den Kommentar vernahm:

„Was du auch dauernd beweist.“

Dieser Misthund! Wutentbrannt bemühte sich Inuyasha aufzustehen, ehe er begriff, dass der Hundeyoukai wohl genau das beabsichtigt hatte: ihn so wütend zu machen, dass er den Schmerz vergaß. Seit wann war der so besorgt um irgendeinen anderen, wenn der nicht gerade Rin hieß? Dann sollte er ihm zeigen, dass er keinen Schwächling bei sich hatte.

Der Hanyou schwor sich in diesem Moment durchzuhalten, egal, was ihn das kosten würde. Und ganz sicher würde es besser werden, wenn erst einmal das Blut wieder normal in Gang war, nur noch einige Minuten. Seine Selbstheilungskräfte waren schließlich auch ganz in Ordnung. Nur noch einige Minuten…
 

Die Durchblutung kehrte in der Tat bald zurück, wenn auch unter erheblichen Schmerzen, aber Inuyasha war bemüht, weder sie zu zeigen, noch die Tatsache, dass er nun sicher war, auch Fieber zu haben. Er würde bis an das letzte Ende seiner Leistungsfähigkeit durchhalten, dem Herrn Halbbruder zeigen, dass er etwas wert war, dass er keinem Unwürdigen geholfen hatte.

Sesshoumaru konnte dagegen nur zu gut wittern, wie erschöpft der Jüngere war, und konnte nicht umhin, dessen Bemühen anzuerkennen, die Schwächen eines Halbblutkörpers zu überspielen. Aber da war auch Fieber. Warum? Das entstand doch nicht durch eine einfache Läuterung, noch dazu bei einem Hanyou?
 

Die Sonne war eine Handbreit über dem Horizont gestiegen, als Inuyasha langsam sagte: „Wir sind aus dem Gebiet dieser Idioten…“

Erstaunt blieb Sesshoumaru stehen und wandte sich um.

So fuhr der Hanyou fort: „Es…es geht mir immer besser, je weiter ich von diesem Lager wegkomme. Und jetzt war es eben, als ob ich...ja. durch eine Tür gegangen bin. Bestimmt haben sie hier keinen Einfluss mehr.“

Das wurde ja immer überraschender. Ein denkender Inuyasha? Noch dazu zum Thema Magie?

Das war immerhin eine vernünftige Erklärung. Und Komla hatte ja auch gesagt, dass diese Ubi nur ein bestimmtes Gebiet kontrollieren würden. Nun, dann sollte die Wanderung bald schneller voran gehen, wenn sich der Hanyou erholt hatte. Ohne ein Wort drehte er sich um und ging weiter.
 

Nur wenige Minuten später brach Inuyasha zusammen. Sein Wille, der ihn bis hierher getragen hatte, half nichts mehr. Zwar war dieses Gefühl mit den Ubi verbunden zu sein verschwunden, aber seine Schwäche, sein Fieber war immer stärker geworden. Er fiel in Ohnmacht.

Sesshoumaru hatte den Sturz gehört und drehte sich um. Mit ihm selbst ein wenig überraschender Besorgnis erkannte er die Schweißperlen auf der Stirn, die unnatürliche Blässe. Er hatte nie zuvor einen Youkai in solch einem Zustand gesehen, geschweige denn einen Hanyou. Was war jetzt los? In jedem Fall sollte der Bastard hier nicht in der Sonne und im Sand liegen bleiben. So hob er ihn auf und klemmte ihn sich buchstäblich unter den Arm. Als er weiterging, dachte er mit gewissem Ingrimm, dass er sich nun immerhin für das Getragenwerden im Salzsturm revanchieren konnte.

Im Schatten einer Düne ließ er Inuyasha zu Boden. Was sollte er jetzt tun?
 

Ein Geruch enthob ihn der Antwort. Er drehte sich um. Tatsächlich. Dort war ein Sandwurm, darauf ein Bewohner des Mirtal – und sicher kein Ubi. Eher ähnelte der Ripchin, der sie mit in das Mirtal zu dem ersten Stamm genommen hatte. Der Fremde hatte bemerkt, dass auch er entdeckt worden war und glitt von seinem Tier. Sesshoumaru war bewusst, dass er nie zuvor jemanden auf einem Sandwurm hatte reiten sehen.

Der Wüstenbewohner kam heran und zog sein Gesichtstuch ein wenig herunter. „Fremde in unserem Gebiet.“ Er sah zu Inuyasha: „Ihr hattet eine Begegnung mit den Ubi und habt sie überlebt?“

„Er war gefangen.“

„Hm. – Was führt dich hierher?“

„Wir suchen den Stamm von Cassana Hane. Unter anderem, weil wir einen Brief für sie haben. Von Komla.“ Dieser Mann gehörte sicher dazu.

„Von Komla? Oh. – Mein Name ist Raglah Orna. Willkommen im Gebiet unseres Stammes.“

Soweit Sesshoumaru wusste, war damit ausgeschlossen, dass einer dieses Stammes sie angreifen würde. „Erkennst du, warum….mein Halbbruder so fiebert?“

„Die Magie der Ubi, vermute ich. Darf ich ihn untersuchen?“ Und da der Hundeyoukai wortlos beiseite wich, ließ sich der Wüstenkrieger nieder und zog die Oberbekleidung des Bewusstosen ein wenig auseinander. „Wie ich es vermutet habe. - Aber das ist doch ein echter Hanyou! Wie konnten sich die Ubi unterstehen, ihn töten zu wollen?“

„Was meinst du?“

„Sie haben zweierlei Magie. Eine geht auf den Tod des Opfers aus, eine auf Lähmung. Wie stark muss er sein, die Todesmagie bislang zu überstehen.“

Sesshoumaru entsann sich ungern daran, dass Inuyasha die Kugeln abgefangen hatte, die für ihn bestimmt waren. „Weiter, Raglah.“

„Du kannst mich Orna nennen. – Raglah ist mein Titel.“ Der Wüstenkrieger betrachtete die drei Verletzungen, die bereits am Schließen waren. „Ich vermute, dass es diese Brustverletzung ist, die das Fieber verursacht. Dies war wohl die mächtigste Kugel….hm. Oh, guten Morgen, junger Freund.“

Inuyasha öffnete die Augen und sah verwirrt zu dem Unbekannten neben sich, dann zu seinem Halbbruder auf. Hatte der ihm jetzt auch noch einen Arzt beschafft? Als nächstes würden die Bäume mit den Wurzeln in den Himmel wachsen und Sango Miroku begrabschen.

„Tu, was du kannst“, sagte Sesshoumaru.

„Bedauerlicherweise habe ich nichts hier. Man müsste verhindern, dass sich diese Verletzung nur außen schließt. Bei unseren Kriegern, die das überlebt haben, ist es immer so gewesen. Und die beiden anderen heilen von innen nach außen. Nur diese hier will sich außen bereits schließen. Bis in unser Lager wird es selbst ein so starker Hanyou nicht schaffen. Und ich habe kein Desinfektionsmittel hier, keine Säure….“ Orna brach ab, als der Hundeyoukai die Hand hob, drei Finger starr ausgestreckt. Grünlich leuchtende, ätzende Säure plötzlich darum.

„Oh nein...“ war alles, was Inuyasha hervorbrachte. Das war doch nicht ihr Ernst!

„Eine gute Idee….“ Der Raglah schien fast begeistert, ehe er sich an seinen Patienten wandte: „Junger Hanyou, es ist ein Wunder, dass du noch am Leben bist. Bis in unser Lager wirst du es nicht mehr sein. Die Magie der Ubi ist heimtückisch, selbst, wenn man sie zuerst überlebt. Es wäre besser, du ließest es geschehen.“

Inuyasha schluckte. Aber er konnte und wollte sich nicht Feigheit vorwerfen lassen. Überdies klang dieser Fremde so ernst, dass es hier wohl wirklich um sein Leben ging. So sah er zu seinem Halbbruder auf: „Dann mach.“

„Einen Augenblick.“ Orna rutschte und kniete sich so neben den Kopf des Halbdämons, dass dieser zwischen seinen Oberschenkeln lag, seine eigenen Knie auf dessen Schultern, um ihn so zu halten und packte dessen Handgelenke: „Das wird wehtun, aber du kannst ruhig schreien, junger Hanyou. Ich würde brüllen, dass man es bis in das Land des Herbstes hört.“

„ Ich heiße ...Inuyasha…“ Und er glaubte ihm nicht.

Sesshoumaru ließ sich auf ein Knie nieder, ehe er sich halb über den Körper des Hanyou streckte, um diesen so ebenfalls festzuhalten, bemüht, die Dornen seiner Rüstung von diesem abzuhalten. Was sollte es. Sie waren erst gestern viel enger miteinander verbunden gewesen.

Inuyasha merkte es verwundert. Solche Nähe hatte er noch nie von seinem Halbbruder erfahren, so nahe waren sie sich nie gewesen…nun ja, wenn man dieses peinliche Unglück der Fusion vergaß. Und dann spürte er die Finger des Hundeyoukai an seiner Brust, das ätzende Gift.

Er kannte den Schmerz aus diversen Kämpfen, aber nie zuvor war es ihm so quälend vorgekommen. Die Pein erfasste seinen gesamten Körper. Er holte zischend Luft, fühlte sich wie in einem Schraubstock gehalten. Alles, an was er noch denken konnte, war, nicht zu schreien, um nicht Sesshoumaru zu enttäuschen, der wohl gerade eine Menge Energie und Zeit in seine Rettung gesteckt hatte und doch mitbekommen sollte, dass er etwas wert war.

Dass ein Hanyou etwas wert war.
 

Irgendwann hörte der Schmerz auf, sich zu steigern, er fühlte, dass er freigegeben wurde.

„Du bist tapfer, Inuyasha“, sagte Orna anerkennend. „Keinen Laut hat man gehört. – Eine interessante Fähigkeit. Darf ich deinen Namen erfahren?“

„Bedingungshandel?“ erkundigte sich Sesshoumaru prompt.

„Nein. Ich sagte, ihr seid unsere Gäste. Solange ihr nichts anderes wollt, gibt es keinen Bedingungshandel.“

Das hieß also, es würde ihn geben, wenn sie zu der Quelle des Lebens wollten. „Sesshoumaru.“

„Danke. – Wir werden deinen Halbbruder auf meinen Sandwurm setzen. So kommen wir rasch voran und er kann sich in unserem Lager erholen.“

„Ich bin doch schon…“ protestierte Inuyasha, aber er musste sich zurücksinken lassen. Das konnte in der Tat noch dauern. Peinlich. Hoffentlich würde er morgen wieder auf dem Damm sein.
 

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Im nächsten Kapitel erfahren die Hundebrüder - und ihr, was es mit den "Fähigkeiten eines Hanyou" auf sich haben soll oder hat. Inuyasha muss eine Prüfung bestehen. Und der große Bruder kann nur Däumchen drehen...
 

bye
 

hotep

Die Fähigkeiten eines Hanyou

Die Grundidee zu diesem Kapitel stammt aus dem vierten Film: nur Hanyou können durch den Donnerofen zu Lebensenergie werden. Wasser ist Leben...
 

16. Die Fähigkeiten eines Hanyou
 

Das Lager des Stammes befand sich auf einer Art Insel in einem ausgetrockneten Flussbett. Vermutlich war es dort schon gewesen, ehe das Wasser verschwand, denn es war hoch genug über dem jetzigen Tal. Die Mitglieder des Stammes waren ebenso wie Orna gekleidet, der sich den Halbbrüdern als Raglah vorgestellt hatte, ohne dass einer der beiden nachgefragt hatte, was dieser Titel bedeutete. Sie gingen davon aus, dass er wohl eine Art Heiler sei, hatte er doch Inuyashas Verletzungen zu behandeln gewusst. Er hielt den Sandwurm, auf dem der Hanyou saß, am Beginn des Trockentales an:

„Steige hier ab, Inuyasha. Die Sandwürmer können nicht weiter.“

Dieser gehorchte. Er hatte noch Fieber, das konnte er spüren, aber die Schwäche hatte nachgelassen. Diese dämlichen Ubi. Am liebsten wäre er zurückgegangen, um denen mal zu zeigen, was er konnte, aber selbst er sah ein, dass diese mit ihren speziellen Fähigkeiten in der Tat jemand waren, den man meiden sollte.

Sesshoumaru musterte das Lager. Das war mit Sicherheit aus gutem Grund so relativ abgelegen errichtet worden. Wurde der Stamm öfter angegriffen? Wegen der Quelle des Lebens? Während der Wanderung hatte er unter der Kleidung des Raglah verborgen sowohl ein Schwert und eine Rüstung entdeckt, als auch einen Armreifdolch, wie ihn auch Ripchin getragen hatte, aber niemand der Togol.

Orna ließ den Sandwurm davon gleiten, samt Zügel und Sattel, ehe er sich umwandte, den schmalen, steilen Pfad in das ehemalige Flusstal hinabstieg. Sesshoumaru folgte ihm, dann Inuyasha, der seine Füße recht behutsam setzte. Ausrutschen wollte er wirklich nicht, sich so blamieren – aber so ganz genau sehen, wohin er trat, vermochte er noch nicht. Immer wieder verschwamm das Bild vor seinen Augen.
 

Vom Lager aus waren sie entdeckt worden. Als sie auf dieser Seite emporstiegen, warteten dort mehrere Wüstenkrieger auf sie, aber auch eine ältere Frau, deren blauer Anhänger die Cassana verriet.

Sie sah ein wenig besorgt aus, was ihre ersten Worte bezeugten: „Orna, gab es Schwierigkeiten beim Handel?“

„Raglah“, ergänzte einer der Männer mit der Hand am Schwert.

„Sie sind unsere Gäste, Hane“, erwiderte Orna, was die Männer bewog, unverzüglich die Waffen loszulassen: „Der Handel war erfolgreich. - Die Ubi haben sie angegriffen, der Hanyou, Inuyasha, ist noch durch ihre Todesmagie verletzt.“

Die Cassana warf einen raschen Blick auf ihre Besucher: „Tatsächlich. Ein reiner Hanyou! Verzeih meine Freude, aber so jemanden habe ich noch nie gesehen. Der Raglah hat euch bereits als unsere Gäste begrüßt. So tue auch ich es: willkommen im Lager der Menango. Kommt, begleitet mich. - Orna, wie hast du es behandelt?“

„Die Todeswunde war bereits am äußerlichen Schließen. Sesshoumaru hier besitzt Säure in seiner Hand, die das verhindern konnte.“ Der Raglah schloss sich ihnen an.

„Oh.“ Hane betrachtete die herabhängende Hand des Hundeyoukai, wandte sich dann aber Inuyasha zu: „Dann hast du sicher noch Fieber und fühlst dich schwach. Aber wenn du so stark bist, dass du die Todesmagie der Ubi auch nur Stunden überleben konntest, werden dir einige Stunden weitere Erholung und Wasser wohltuend sein. Morgen wirst du sicher nichts mehr spüren.“

„Das klingt ja schon mal gut“, meinte Inuyasha. „Du bist also Hane? Ich, äh...wir waren bei Komla.“

„Oh, wie geht es ihr?“ Die Freude war unverkennbar.

„Hier ist ein Brief an dich.“ Er zog ihn aus seiner Kleidung.

„Moment, Inuyasha. Hier, kommt in mein Zelt, setzt euch. – Danke.“ Sie nahm den Brief, während sich ihre Besucher niederließen.

Sesshoumaru hoffte nur, dass das hier bald erledigt sein würde. Natürlich würde es noch einen Bedingungshandel geben, damit sie die Quelle erreichen konnten, aber das war es dann auch. Dann nur noch zurück, in das Land des Frühlings, wo dieser Wasserdrache, dieser Izumi, besser daran tun würde, sie wieder zurück aufs Festland zurückzubringen. Dann war er diesen lästigen Begleiter los – und die Scheiden der Schwerter und damit diese waren gesichert, gleich, was aus den Baumgeistern werden würde. Bokusenos Wunsch hatte ihn wirklich schon genug Zeit und Mühen gekostet.

Inuyasha lehnte sich an eine Zeltstange und schloss die Augen. Der Weg hierher war mühsam genug gewesen. In diesem Moment kam auch Orna herein, einen Krug in der Hand.

„Hier, junger Freund“, sagte er: „Wasser.“

Der Hanyou nahm ihn. Nach dem Fieber brauchte er in der Tat etwas.

Der Raglah setzte sich neben die Cassana, was bei den Hundebrüdern den Verdacht weckte, dass sie miteinander verheiratet seien, oder etwas in der Art zumindest. Diese las den Brief, ehe sie ihn Orna reichte und aufsah.

„Unsere Tochter schreibt, dass ihr dem Stamm der Togol Wasser gegeben habt und Geister besiegt habt. Und, dass ihr die Quelle des Lebens sucht.“

„Ja“, gab Inuyasha zu, der den Krug geleert hatte: „Zu allem. Kannst du uns diese Quelle zeigen, damit wir endlich die Schwertscheiden darin baden können?“

„Oh, eure Schwertscheiden?“ Sie betrachtete das Holz: „Magische Scheiden, in der Tat, und sicher für magische Schwerter. Warum haltet ihr das für notwendig?“

„So ein alter Baumgeist…also, aus dessen Holz sind diese Scheiden gebaut worden,“ erklärte der Hanyou: „Und da der meint, die Baumgeister sind am Aussterben, sollen wir die Scheiden baden, damit die Kräfte erhalten bleiben, auch, wenn es keine Baumgeister mehr gibt. Weißt du, wenn meine Scheide nicht mehr funktioniert, tut das auch mein Schwert nicht mehr, und ich verwandele mich in…naja, ein Monster.“

Hane nickte langsam: „Ja, die Baumgeister des Festlandes. Sie hängen mit der Quelle des Lebens zusammen. Ich freue mich zu hören, dass es noch welche gibt, bin aber besorgt, dass sie am Aussterben sind. Eine so alte, magische Rasse…Nun gut. Ich bin in der Tat die Hüterin der Quelle des Lebens. Und ihr scheint würdig zu sein, der Prüfung unterzogen zu werden, sie zu finden. – Nun, nur du, Inuyasha.“

„Der Hanyou“, kam es prompt von Sesshoumaru, der sich wieder unwillkürlich durch die Tatsache gereizt fühlte, dass hier ein Halbblut deutlich mehr zählte als ein wahrer Youkai. Aber gerade darum sollte, musste er Selbstbeherrschung demonstrieren, durfte seinen Mordgelüsten nicht nachgeben.

„Ja, natürlich. Ein echter Hanyou hat gewiss die Fähigkeiten einer Cassana.“ Und da sie bemerkte, dass Inuyashas Gesicht ein einziges Fragezeichen bildete: „Ich werde es erklären. Morgen bist du gewiss erholt und kannst dich der Prüfung des Wassers stellen. – Als Binnenmeer noch existierte, gab es offene Quellen im Mirtal, die die Stämme nutzten. Aber oft genug versiegte eine, eine neue bildete sich. Die Stämme erkannten, dass sie jemanden benötigen würden, der das Wasser finden kann. Auf Umwegen erfuhren sie, dass es solche Wesen, Frauen der Menschen, auf dem Festland gab. Unter großen Gefahren wurden sie gesucht und, wer die Prüfung bestand, mitgenommen.“

„Die Dörfer auf dem Festland sich auch ausgestorben“, murrte Inuyasha prompt.

„Nicht deswegen.“ Hane klang unwillkürlich etwas scharf: „Die wenigen Frauen, die diese Fähigkeiten besaßen, waren auserwählt. Aber andere, die nicht aus dem Mirtal waren, nahmen später wahllos alle Frauen mit. – Jedenfalls die Menschenfrauen, die damals ins Mirtal kamen, lebten nicht lange, wie es eben ihrer Art entsprach. Aber die Stämme stellten rasch fest, dass ihre Kinder, also die Kinder einer Menschenfrau mit einem Youkai. ebenfalls diese Fähigkeiten des Wassersuchens besaßen, ja, oft genug auch noch andere, neue Fähigkeiten. Überdies lebten sie länger. Noch heute hat jede Cassana, wenn auch durch die Zeit mit Youkaiblut verdünnt, das Blut eben der Wassersucherinnen. Reine Hanyou, die als Eltern wirklich die beiden Rassen haben, haben wir nur noch als Legenden gekannt.“

„Darum hieß es auch, mein Blut sei so wertvoll?“

„Ja.“

„Aber Hitoshi weiß davon wohl nichts. Immerhin ließ er uns in der Seelenarena kämpfen.“

„Städter!“ Hane und Orna sagten es gleichzeitig mit offener Verachtung. Der Raglah fuhr fort: „Ihr habt also das Turnier der Seelenarena bestanden.“ Darin lag die bedingungslose Anerkennung eines Kriegers der Wüste. „Der Letzte, dem dies gelang, war ein Hundeyoukai vom Festland, den man den Inu no Taishou nannte. Eine Legende bis heute.“

„Unser Vater“, gab Inuyasha zu.

„Ich verstehe. – Hane, ist die Prüfung wirklich notwendig?“

Die Cassana schwieg einen Moment, ehe sie antwortete: „Je mehr ich höre, umso überzeugter bin ich. Man trifft selten lebende Legenden, wie es Wesen sind, die das Seelenturnier überlebten, Wesen, die Wasser einem Stamm schenken können. Ein Hanyou und der Herr des Wassers, die Söhne des Herrn der Hunde. Nein. Inuyasha muss die Prüfung bestehen. Und ich werde mit keinem Geheimnis zurückhalten. – Die Nacht ist nahe. Morgen, wenn die Sonne aufgeht, werde ich dich für die Aufgabe holen.“

„Na, toll“, murrte der Hanyou, dem es weitaus lieber gewesen wäre, die Cassana hätte auf die Prüfung ganz verzichtet.

Orna nickte ein wenig, ehe er meinte: „Gomre...wie geht es ihm?“

„Äh, gut. Er war ja mit uns da bei diesen Wasserbergen.“ Inuyasha war etwas verdutzt.

Der Raglah mochte es merken, denn er schien unter seinem Gesichtsschutz zu lächeln, den er selbst hier nicht abgelegt hatte: „Dann habt ihr das gar nicht mitbekommen? Gomre ist der Raglah des Stammes der Togol. Der Partner unserer Tochter Komla.“

Also waren immer Raglah und Cassana ein Paar? Sesshoumaru dachte kurz nach, ehe er feststellte: „Der Raglah führt die Männer im Kampf.“

„Ja“, bestätigte Orna: „Und die Cassana bestimmt in Friedenszeiten. Nur durch das Zusammenwirken der beiden kann ein Stamm bestehen.“

„Zur Cassana wird man geboren“, ergänzte Hane: „Zum Raglah durch Wahl des Stammes. – Wir lassen euch nun allein. Erhole dich gut, Inuyasha. Morgen wird es gewiss anstrengend.“

„Keh“, machte der leise. Aber wenn nicht alle Mühen bislang vergebens gewesen sein sollten, musste er sich eben dieser dämlichen Prüfung stellen. Das würde schon irgendwie machbar sein. Immerhin schien sie auf einen Hanyou ausgelegt. Als sie unter sich waren, fiel ihm ein, dass er sich noch gar nicht bei Sesshoumaru bedankt hatte. Das erschien ihm irgendwie zwar auch falsch, aber immerhin war der ihn tatsächlich suchen gegangen, hatte ihn so oder so in Sicherheit gebracht. Kagome oder auch Kikyou hatten ihm immer nachdrücklich angeraten, sich zu bedanken - egal, wie albern er das selbst fand. So meinte er ein wenig zögernd: „Ich …na ja…danke, dass du mich da rausgeholt hast.“

„Jetzt sind wir quitt.“ Der Hundeyoukai sah ihn nicht an.

„Äh, ja, …“ Also darum. Der hatte bei der Sache mit dem Stachelsalzlern mitbekommen, dass er ihn in diese Grotte getragen hatte. Er hatte sich ja eigentlich denken können, dass der Herr Halbbruder einen guten Grund hatte. Und in seiner Schuld, der Schuld eines Bastards, zu stehen, hatte dem sicher nicht geschmeckt. Nun, immerhin war an der Tatsache, dass sie nun quitt waren, sich gegenseitig das Leben gerettet hatten, eine drastische Verbesserung ihres brüderlichen Verhältnisses zu erkennen.
 

Die Sonne war kaum über den Horizont, als Hane ihr Zelt betrat: „Inuyasha, es ist so weit.“

Mit gewissem Seufzen stand der Hanyou auf: „Und woraus besteht die Prüfung?“

„Wie gesagt, du sollst deine Fähigkeiten zeigen.“

Na toll, dachte Inuyasha, der den dumpfen Verdacht hatte, damit meinte sie nicht, wie stark er sei, oder was er mit einem Schwert anstellen könnte. Aber er wollte sich auch nicht blamieren, schon gar nicht vor Sesshoumaru, der sich ebenfalls erhob.

Vor dem Zelt warteten Orna und einige Stammeskrieger. Als die Cassana voranging und ihr Inuyasha folgte, umringten sie diesen. Er wirkte so fast wie ein Gefangener, erkannte der ältere Halbbruder – und irgendwie störte es ihn, ohne dass er einen Grund dafür hätte nennen können.
 

Die Menango und die Hundebrüder wanderten aus dem Lager, durch das Trockental, weiter, wieder in die Wüste. Entfernt weideten anscheinend Sandwürmer und eigenartige Wesen, die Inuyasha zuerst an Schafe erinnerten, hatten sie doch auch solche weiße Wolle – aber Schafe mit einem derartigen Kopf oder gar Ringelschwanz hatte er noch nie gesehen.

Hane hatte seinen Blick bemerkt: „Sandwürmer und Miwos. Wir sind der einzige Stamm, der diese züchten kann. So können wir sie gut verkaufen.“

„Aha“, machte der Hanyou, da er nicht wusste, was er sonst sagen sollte.

„Dort vorne ist es.“ Sie deutete auf einen Felsen, der wie eine Nadel aus der Ebene ragte, abgenagt vom Wind.

„Und dann?“

„Ja, und dann….Du willst dich dieser Prüfung stellen. Dann tue, was ich dir sage.“

„Und das wäre?“

„Du wirst dort auf dem Boden angebunden, in der Sonne. Und du wirst dort erst wieder wegkommen, wenn du die Frage beantworten kannst, was der Herzschlag der Wüste ist. Oder aufgibst.“

„Der Herzschlag der Wüste?“ echote Inuyasha verständnislos. Wie sollte er so eine dämliche Frage beantworten? Oder kam da noch ein Tipp?

Die Cassana nickte: „Jede Wassersucherin kann dies beantworten, wurde der Prüfung unterzogen. Du bist zwar männlich, aber du bist ein reiner Hanyou. So sollte es dir gelingen.“

„Na, vielen Dank. Und wenn ich die Frage nicht beantworten kann?“

„Werdet ihr nichts über die Quelle des Lebens und andere Dinge erfahren.“

Und alles war umsonst? Wie stünde er denn dann vor seinem Halbbruder da? Nein, das durfte einfach nicht passieren.
 

Aber er fühlte sich doch mehr als unwohl, als er mit gespreizten Beinen und Armen an Pflöcke im Boden gefesselt wurde, in der prallen Sonne, während sich die Stammesmitglieder und Sesshoumaru in den Schatten der Felsnadel zurückzogen. Anscheinend war dieser Platz deswegen ausgesucht worden.

Die Sonne stieg immer höher und ihm wurde heiß. Überdies trieb der andauernd, wenn auch nur wenig, wehende Wind Sandkörnchen vor sich her, die sich auf seinem mittlerweile schweißnassen Gesicht ablagerten, in Nase und Ohren drangen. Allmählich bildete sich eine richtige Schicht auf allen Körperteilen, die dem Wind und der Sonne ausgesetzt waren. Er hatte die Augen schon längst geschlossen, um zumindest diese zu schützen, aber das grelle Sonnenlicht drang selbst durch die geschlossenen Lider.

Und diese dämliche Frage konnte er noch immer nicht beantworten. Was sollte denn der Herzschlag der Wüste sein? Alles, was er hörte, war das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren, seinen eigenen Herzschlag. Oder war das doch ein anderer? Nein, so matt war er denn doch noch nicht, dass er Halluzinationen hatte.

Die Zeit kroch endlos dahin, und Inuyasha spürte, dass er Durst bekam. Die Zunge klebte an seinem Gaumen, aber wenn er den Mund öffnete, um mehr Luft zu bekommen, atmete er nur die flirrende Hitze und die Sandkörnchen. Auch dies war keine Option.

Der Herzschlag der Wüste?

Was sollte denn das nur sein?

Sollte er etwa aufgeben?

Nein. Niemals. Er würde sich doch nicht so blamieren. Überdies hatte Hane doch gesagt, dass jede Cassana diese Prüfung durchstehen musste. Also gab es eine Lösung. Irgendeine. Nur - welche? Vermutlich irgendetwas so Dämliches, dass man es einfach übersah.
 

Die Helligkeit nahm etwas ab, es wurde kühler. Verwirrt öffnete er die Augen. Sesshoumaru kniete neben ihm, ihm mit seinem Körper Schatten spendend. War das schon erstaunlich genug, so war er noch mehr verblüfft, als er erkannte, dass sein Halbbruder eine Flasche, wie sie die Wüstenbewohner verwendeten, in der Hand hatte und sie ihm an die Lippen hielt.

„Trink.“

Zu froh um das Wasser, gehorchte Inuyasha mit ungewohnter Fügsamkeit. Was sollte das?

„Die Cassana sagte, du sollst diese Flasche austrinken. Niemand außer mir darf zu dir. - Kennst du die Antwort?“

Was war das denn schon wieder für eine dämliche Regel? Aber immerhin war der Herr Halbbruder bereit, ihn bei dieser Prüfung zu unterstützen. Sicher nur, damit sie hier nicht völlig umsonst über diese blöde Insel gelaufen waren, aber immerhin. Er schluckte gierig das kühle Nass, durch die schmerzende, zugeschwollene Kehle. Nie zuvor war ihm Wasser so wertvoll erschienen.

„Kennst du die Antwort?“ wiederholte der Hundeyoukai ungeduldig. Das dauerte so lange. Und es behagte ihm in keinster Weise, von den wie auch immer gearteten Fähigkeiten des Bastards abhängig zu sein, um sein Ziel erreichen zu können.

Inuyasha wollte schon den Kopf schütteln, als ihm plötzlich etwas auffiel. Das Wasser hatte seine Lebensgeister geweckt, ihm klar gemacht, dass es doch etwas gab, was hier ungewöhnlich war. Er hörte nicht nur sein Blut rauschen….es war etwas, das er nicht benennen konnte. Hörte er es? Eigentlich nicht. Es war auch nicht zu wittern. Und doch war es da. Irgendwie war es Leben…nein, Wellen. Was war das nur für ein eigenartiges Gefühl? Das musste das sein, was die Cassana gemeint hatte, da war er sich plötzlich sicher. „Ja.“

Sesshoumaru war ein wenig erleichtert, ohne es freilich zu zeigen, und stand auf.

Der Hanyou bedauerte es fast. Der Schatten war deutlich angenehmer gewesen.

Aber nur kurz darauf ließ sich Hane neben ihm nieder: „Nun, weißt du, was der Herzschlag der Wüste ist, Inuyasha?“ Das klang wirklich neugierig.

„Du meinst die Wellen des Wassers…“

„Kannst du spüren, wo es ist?“

Er war gefesselt, so drehte er mühsam den Kopf in die Richtung, aus der er diese immer intensiver werdende Empfindung erkannte.

Die Cassana löste die Fesseln: „Zeige es uns.“

Inuyasha raffte sich auf. Zum einen wollte er sich unter keinen Umständen blamieren, zum zweiten hatte das Wasser seine Lebensgeister geweckt. Und so schlimm war es nicht. Sein Maßstab war die Wanderung durch die Wüste mit der tödlichen Magie der Ubi in sich. So ging er in die Richtung, aus der dieses seltsame Gefühl kam.

Hier an der Felsnadel? In dem Gestein?

Nein. Er drehte ab, bemerkte, dass ihm Hane sehr neugierig folgte. Anscheinend hoffte sie wirklich, dass er diesen Test bestand- oder war sie eigentlich sogar sicher? Wo war das nur? Es musste in der Nähe sein. Irgendein Sinn, den er nie zuvor besessen – oder eher erkannt - hatte, sagte ihm, dass es hier Wasser gab. Eine Quelle.

Er bückte sich und grub mit den Händen.

„Lass!“ befahl die Cassana im gleichen Moment, als er feststellte, dass er auf Holz gestoßen war, eine schützende Abdeckung gegen den Sand der Wüste: „Du hast die Quelle mit dem Magnesiumwasser gefunden. In der Tat sind deine Fähigkeiten die einer Wassersucherin.“

„Aber...warum?“ Er richtete sich auf und bemerkte, dass Sesshoumaru und die Krieger herangekommen waren – und dass sein Halbbruder, wenn er den auch nur einigermaßen kannte, trotz der gewöhnlich regungslosen Miene ebenfalls darauf eine Antwort wollte.

„Du bist ein Mischling aus zwei gegensätzlichen Arten. Menschen und Youkai sind vollkommen unterschiedlich. Wenn das Wunder geschieht, dass sie sich verbinden, entsteht ein Wesen, das aus beiden, an sich unvereinbaren, Arten Erbteile besitzt. Und dazu auch etwas vollkommen Neues. – Wir züchten Miwos. Jeder Züchter weiß, dass man nicht nur reinblütige Linien halten kann, weil sie degenerieren, während Mischlinge viel robuster sind, ja, auch vollkommen andere Fähigkeiten entwickeln, als es je einer der Elternteile hatte. Nur so kann eine Entwicklung weiter gehen. – Nun kommt, zurück zum Lager. Du hast die Prüfung bestanden. Und ich werde euch alles erzählen, was immer ihr wissen wollt.“

„Die Quelle des Lebens?“ fragte Sesshoumaru prompt, dem diese Erklärung nicht sonderlich gefallen hatte. Degeneriert, ja? Unsinn. Nur so wurde doch die Macht weitergegeben.

„Dorthin werde ich euch mit Omra und einigen Kriegern führen. Aber zunächst solltet ihr einiges wissen. Zur Quelle, was sie mit den Baumgeistern zu tun hat….“ Hane zuckte ein wenig die Schultern. „Nur wer weiß, wird auch richtig handeln.“

Da hatte sie ausnahmsweise Mal etwas sehr Vernünftiges von sich gegeben, dachte der gepeinigte Hundeyoukai: „Gehen wir.“
 

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Langsam könnte er einem wirklich Leid tun..

Im nächsten Kapitel müssen die Hundebrüder allerdings noch eine "Kleinigkeit" über sich ergehen lassen, ehe ihnen Hane wirklich alles über die Quelle des Lebens erzählt.
 

bye
 

hotep

Die Quelle des Lebens

Die Hundejungen sind nah am Ziel...
 

17. Die Quelle des Lebens
 

Im Lager des Menango-Stammes winkte der Raglah vier Kriegern, ihnen zu folgen, während sich Hane ein Tuch holte und es um ihren Kopf, ihr Gesicht wickelte.

Dann sagte sie zu den Gästen: „Kommt. Und ich erzähle euch auf dem Weg von den Fähigkeiten der Quelle des Lebens – und der einzigen Bedingung, die ihr noch erfüllen müsst, um die Grotte, die uns heilig ist, ebenso wie allen im Mirtal, betreten zu dürfen.“

„Noch eine Bedingung?“ Inuyasha seufzte ein wenig. Er hatte wirklich gedacht, jetzt seien sie am Ziel.

„Du hast die Prüfung bestanden“, erwiderte die Hüterin des Wassers rasch: „Es wird keine weitere geben. Nur …sagen wir, einen kleinen Umstand. Ich werde es erklären. Wie ich versprach, werde ich mit keinem Geheimnis zurückhalten.“ Sie blickte fast aufgeregt zurück, wo Omra mit den vier Kriegern ging, ehe sie erneut nach links zu dem Hanyou und dessen älteren Halbbruder sah: „Die Quelle des Lebens liegt schon seit undenklicher Zeit im Gebiet unseres Stammes. Man sagt, ihr Wasser käme aus der verlorenen Tiefe unter den Bergen, aber nach anderen Sagen auch aus dem Norden, wie fast alles Wasser, aus dem Land des Winters. Nach unserem Wissen werden aus ihr Geister geboren, vor allem Baumgeister. Sie verschwinden dann auf das Festland. Ich nehme an, dass dies noch aus einer Zeit stammt, als die Insel der Vier Jahreszeiten mit dem Festland verbunden war. Das soll schon sehr lange her sein. Aber nun gut, die Geister suchen sich ihren Weg. – Oder sie suchten, denn es werden keine mehr geboren. Und euer...euer Baumgeistbekannter sagte, auch die alten Baumgeister sterben an einer Krankheit? Das ist sehr betrüblich. So eine alte, mächtige, magische Rasse…“ Die Cassana schüttelte bedauernd den Kopf: „Als das Binnenmeer verschwand, wurde das Leben im Mirtal noch härter. Nun, zuvor hatten wir aus dem nur halbsalzigen Wasser des Binnenmeeres zusätzlich Trinkwasser herstellen können, wie alle Wüstenbewohner. Dann blieben uns nur noch die wenigen Quellen und Bäche, die seither zu allem Überfluss unterirdisch laufen.“

„Warum ist das Wasser eigentlich weg?“ erkundigte sich Inuyasha.

„Meine Vorgängerin als Cassana erzählte mir, dass es mehrere schwere Erdbeben gab. Die Bäche und Quellen sind dabei wohl in der Erde verschwunden. Und ohne Wasser, das in das Binnenmeer floss, ist dieses verdunstet. Das Herz des Mirtal starb.“

„Die Quelle des Lebens.“ Sesshoumaru hatte keine Lust, weitere Zeit zu verschwenden. Sie waren auf dem richtigen Weg, jetzt musste anscheinend nur noch eine Bedingung erfüllt werden. Welche?

„Ja, die Quelle des Lebens.. Ihr habt alle Voraussetzungen erfüllt, die man haben muss – bis auf eine einzige. Die Grotte, in der die Quelle liegt, ist, wie gesagt, uns – und auch allen anderen Stämmen des Mirtal - heilig. Nur bestimmte Personen dürfen sie betreten, eine Cassana und ein Raglah.“ Sie bemerkte, dass ihre Besucher mehr als nur versucht waren, die Hände an die Schwertgriffe zu legen, und fuhr eilig fort: „Also müssen wir euch dazu machen. Inuyasha hat die Voraussetzungen erfüllt, eine Hüterin des Wassers zu sein. Er hat die Prüfung bestanden. So kann die Einführungszeremonie erfolgen.“

„Äh…“ sagte der Hanyou nicht besonders intelligent: „Ich dachte, eine Cassana ist immer eine Frau?“

„Inuyasha.“ Der Tadel in der Stimme des Hundeyoukai war unüberhörbar. Was hängte sich der Bastard an derartigen Kleinigkeiten auf, wenn sie endlich der Quelle näher kamen? Sollte er eben irgendeine Zeremonie über sich ergehen lassen.

„Und du, Sesshoumaru…“ fuhr Hane fort und der Angesprochene stellte fest, dass nun er selbst ein eigenartiges Gefühl bekam: „Dich werden wir zum Raglah machen, dem Anführer der Krieger. Unsere Tochter hat erklärt, dass du gut kämpfen kannst. So werden wir auch mit dir die Verbindungszeremonie vollziehen, aus euch auf diese Art ein Paar machen.“

„Ich…den heiraten...?“ war alles, was Inuyasha noch hervorbrachte, entsetzt, wie nie zuvor in seinem Leben.

Seinem erstarrten Halbbruder fehlte zum ersten Mal die Möglichkeit, in seinen eigenen Augen angemessen zu reagieren - und zu töten.
 

„Nein, nein“, sagte Hane eilig: „Nicht so, wie du dir das denkst…das ist nicht einmal zwischen jedem der Paare des Mirtal der Fall. Wie ich schon erwähnte, wird man zur Cassana durch Geburt, zum Raglah durch Wahl. Omra und ich haben uns verliebt, haben eine Tochter, aber das ist nicht bei jedem so. Viele sind einfach nur Partner, um des Stammes Willen. Aber durch diese Zeremonie entsteht die magische Verbundenheit, die den Stamm schützt. Und in diesem Fall euch berechtigt, zur Grotte der Quelle des Lebens zu gehen. Und zu einigen anderen Dingen.“
 

Magische Verbundenheit….

Unwillkürlich sahen sich die Halbbrüder an. Noch vor wenigen Tagen hätten sie sich auf ihre Art allein für diesen Vorschlag „bedankt“. Aber nach der missglückten Fusion des Sphinx erschien ihnen irgendeine angebliche mystische Verbundenheit, die sie jederzeit ignorieren konnten, als harmlos. Immerhin hatten sie sehr deutlich lernen müssen, dass sie wirklich die Hälfte ihres Blutes teilten.

Da Sesshoumaru den Kopf abwandte, dolmetschte Inuyasha das: „Dauert das lange? Wir wollen endlich die Scheiden baden.“

„Nein. Ihr Halbbrüder teilt sowieso einen guten Teil eures Blutes, seid bereits miteinander verbunden. Und ihr werdet keinen Stamm durch Frieden und Krieg führen. So kann ich gewisse Teile der Zeremonie auslassen. Es wird wirklich nicht lange dauern. Die Krieger und Omra helfen dabei, dann bleiben sie zurück.“ Sie zögerte. Aber alles, was es noch zu sagen gab, würde sie besser erst erwähnen, wenn die Zeremonie vorbei war. Nur dann waren die beiden in der Lage, die enorme Wichtigkeit der Tatsache zu verstehen, dass sie die Auserwählten waren, da war sie sicher. Jede magische und mystische Ausbildung, die sie erhalten hatte, deutete darauf hin. So meinte sie nur noch: „Die Höhle der Zeremonie liegt am Fuß des Gebirges. Wir müssen noch einige Zeit wandern, es zu erreichen. Danach werde ich euch jeweils erklären, was nun wichtig ist.“
 

Stunden später erreichte die Gruppe den Rand des Mirtal. Im Norden vor ihnen stieg ein Gebirge auf, das sich quer über den Horizont erstreckte, massiv, hoch und schroff.

Hane blieb stehen: „Die Schattenberge, wie wir sie nennen. Sie begrenzen das Land des Sommers nach Norden. Jenseits ist das Land des Winters mit Schnee und Eis – und viel Wasser.“ Sie ging weiter.

„Ihr könnt es nicht von da holen?“ fragte Inuyasha: „Das ist ja wirklich…“

„Nein. Der Weg ist zu weit. Das Wasser wäre nicht mehr trinkbar. Aber wir handeln mit den Schneeleuten dort. Sie nehmen unsere Miwos. Und sie geben uns andere Dinge, wenn hier die kühlere Jahreszeit ist, sogar Eis.“

„He? Wasser geht nicht, aber Eis?“

Hane lächelte ein wenig: „Du hast dir nie Gedanken darüber machen müssen, nicht wahr, Inuyasha? Eis taut, wenn es warm ist, ja. Aber in der Luft des Gebirges ist es viel kühler als im Mirtal, so dass das Eis erst zu schmilzen beginnt, wenn die Sandwürmer niedersteigen. Das Eis ist gut verpackt, aber es wird dennoch zu Wasser. Wenn der Stamm eine solche Karawane erwartet, ziehen wir bis hierher, um sie zu erwarten. Und alle fangen dann das schmelzende Eis auf – gewöhnlich reicht das Wasser daraus für zwei Wochen. Es ist gutes Wasser, sehr klar.“ Und das waren die Quellen im Gebiet des Stammes durchaus nicht alle. „Es lohnt sich daher, die Gefahren der Berge auf sich zu nehmen.“

„Und die wären?“

„Eben Eis und Schnee im Winter, Lawinen aus Schnee oder Geröll. Und nicht zu vergessen, den Herrn der Echsen. – Aber dieser geht oft auf Bedingungshandel ein.“

„Ach ja, die Bedingungshandel.“ Der Hanyou hatte davon schon genug erlebt, seit er auf die Insel gekommen war. Eine mehr als eigenartige Sitte, wie er fand. Aber dadurch verhinderten die so unterschiedlichen Völker wohl dauernde Kriege. „Und das macht ihr auch mit den Leuten aus dem Winterland?“

„Ja. Sie können keine Haustiere züchten und die Wolle unserer Miwos hält sie warm. Wir tauschen, so oft es geht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, geht der Raglah einen Bedingungshandel ein. So ist es.“ Dieser hatte mit seinen Kriegern aufgeschlossen, nickte nun aber nur. Die Hüterin des Wassers hatte hier die Leitung übernommen. Sie deutete voran: „Dort. Die Grotte, in der die Quelle des Lebens liegt, ist weit oben auf dem Berg.“

Auch das noch, aber immerhin, dachte Inuyasha. Das sah wirklich so aus, als ob diese dämliche Reise mit seinem sturen Halbbruder bald ein Ende finden würde. Obwohl die nicht so schlimm gewesen war, wie er am Anfang vermutet hätte. Nun gut, auf dieses reizende Fusionserlebnis oder die Kämpfe in der Seelenarena hätte er locker verzichten können, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie sich dadurch näher gekommen waren. Sicher, sie würden nie Freunde werden, aber sie waren wohl keine Feinde mehr, die sich mit dem Schwert in der Hand gegenüberstanden.
 

Hane ging weiter: „Aber zunächst müssen wir in die Zeremonienhöhle. Nur noch einige Minuten.“

Die Berge waren weiter entfernt, schätzte Sesshoumaru. Wo war hier die Höhle oder die Quelle? Aber das würde sie am besten wissen. Hoffentlich ging es nun schnell. Am liebsten hätte er durchgegriffen, auf diese letzte Zeremonie und Bedingung verzichtet, aber er vermutete, dass sich Hane und ihre Stammesangehörigen lieber in Stücke schneiden lassen würden, als ausgerechnet bei der Quelle des Lebens einen mystischen Fehler zu begehen. So blieb wohl keine Alternative. – Und dort vorn lag ein großer Felsen, als habe ihn ein Riese von den Bergen bis hierher geschleudert. Seine empfindliche Nase zeigte ihm Feuchtigkeit an. Dort…..?
 

In der Tat zeigte sich auf der dem Wind abgewandten Seite des Monolithen ein schmaler Spalt, gerade groß genug für eine Person. Hane griff hinein und nahm eine Fackel heraus, zündete sie an, ehe sie sie ihrem Partner weiterreichte und sich selbst eine zweite nahm.

„Ich gehe mit den beiden voraus, Omra“, sagte sie: „Folgt uns in einigen Minuten.“ Sie trat in den Spalt und verschwand.

Sesshoumaru bemerkte, dass ihm sein Halbbruder in ungewohnter Höflichkeit den Vortritt überließ und folgte ihr. In dem Stein lag ein Loch im Boden, das tief in die Erde führte. Die Cassana war wohl die Leiter hinab gestiegen. Er sparte sich das und setzte mit einem eleganten Sprung die fast zwanzig Meter hinunter, wo Hane bereits weitere Fackeln anzündete, der Hanyou schloss sich ihm unverzüglich an.

Die Halbbrüder fanden sich in einer steinernen Grotte wieder, in deren Hintergrund eine Quelle mit schwefelhaltigem Wasser lag. Eimer verrieten, dass die Stammesangehörigen wohl hierher kamen, um das Wasser zu schöpfen.

Hane sah zu ihnen: „Zum Ablauf der Zeremonie. Wir führen euch ein, dann erfolgt der Verbindungsritus. – Ich höre Omra und die Krieger kommen. Bitte geht zu der Quelle und kleidet euch aus. Dort werdet ihr baden. Die Krieger werden euch behilflich sein. Danach werde ich bereits in der Lage sein, alles abzuschließen. Und kann euch dann auch die letzten Dinge sagen, die mit der Quelle des Lebens in Verbindung stehen, und die nur eine Cassana und ein Raglah erfahren dürfen.“
 

Einig in der Meinung, diese dämliche Zeremonie so rasch wie möglich hinter sich zu bringen, traten die Hundebrüder an den Rand der Quelle. Inuyasha warf einen unbehaglichen Blick zurück, aber da sich Hane abgewandt hatte und anscheinend irgendwelche Dinge suchte, zog er Schwert und Scheide aus dem Gürtel und legte sie ab. Was sollte es. Omra und die Krieger waren ebenso Männer, wie sein Halbbruder ja wohl auch. Und die Cassana schien auch nicht weiter interessiert. Schamgefühl war da eigentlich nicht am Platze. Seit wann neigte er zu so etwas…wenn es nicht gerade um Kagome ging? Ein äußerst rascher Seitenblick verriet ihm, dass der Hundeyoukai anscheinend weniger Probleme hatte – nun gut, wer kannte auch einen Dämon, der sich schämte? Das war wohl eine äußerst menschliche Eigenschaft. Sesshoumaru, wie auch immer der das geschafft hatte, stand bereits nackt bis auf das Schulterfell bis zur Taille im kalten Quellwasser. Dieses hatte er nun mehrfach um die Schulter gewickelt, so auch den linken Armstumpf verbergend.

Seltsamerweise überkam den Hanyou ein eigenartiges Gefühl. „Nein“, dachte er trotzig: „Der Mistkerl wollte mich umbringen. Und das hat ihm zu Recht einen Arm gekostet. Ich hätte ihm auch mehr abhauen können.“

Um sein Unbehagen zu verbergen, beeilte er sich, ebenfalls in das kühle Nass zu steigen, zumal er sah, dass Omra und die Krieger bereits in die Grotte kletterten. Der Raglah nickte, als er die beiden sah:

„Gut. Die Krieger werden euch nun waschen. Ihr braucht, ja, sollt ihnen nicht helfen. Ich werde mit Hane die weitere Zeremonie vorbereiten. Wie gesagt, wir werden uns beeilen. Ich verstehe, dass ihr mit solchen Dingen nicht gerechnet habt. Aber das ist nun einmal so.“

Und war nicht zu ändern, sollte ihnen die Cassana den Weg zur Quelle des Lebens zeigen. So stand Sesshoumaru ruhig, als zwei der Wüstenkrieger auf seine Seite der Quelle traten, ließ sich ohne jedes innere Widerstreben berühren.

Inuyasha zögerte mehr. Seit ihn in seinen Kindertagen seine Mutter so abgewaschen hatte, hatte dies niemand mehr getan. Erneut fühlte er ein gewisses Schamgefühl, verdrängte es aber rasch. Immerhin wollte er sich nicht blamieren. Und sein Halbbruder tat erfolgreich so, als sei er eine derartige Dienstleistung gewohnt. So bemühte sich auch der Hanyou um eine gelassene Miene, versuchte eher zu erkennen, was die Hüterin des Wassers da heranbrachte. Omra trug ebenfalls etwas – einen Dolch. Er legte ihn auf einem größeren Stein ab, wo Hane bereits zwei kleine Schalen und eine größere abgestellt hatte, nun mit etwas begann, was eindeutig ein Gebet in einer uralten Sprache war. Und keiner der Hundebrüder bezweifelte, dass dies eine Anrufung an das Wasser war. Allerdings hatten sie keine Ahnung, was das kalte Bad und die Waschung hier für Folgen haben sollten. Weder der Youkai noch der Hanyou spürten irgendeine Veränderung in sich.

Nun gut, dachten sie in seltener Eintracht, das war eben etwas, worauf die Wüstenkrieger Wert legten, was aber wohl schlicht keinen Sinn machte.
 

Die Männer beendeten die rituelle Waschung und traten zurück. Omra nickte: „Ich danke euch. Ihr könnt gehen.“ Als die Krieger ohne ein Wort erneut die Leiter emporstiegen, blickte er zu den Gästen:

„Nun kommt zu uns.“ Er wartete, bis die unbekleideten Halbbrüder vor dem Stein standen, durch nichts ihr Unbehagen erkennen gebend: „Während Hane die uralten Beschwörungsformeln spricht, erkläre ich euch, was ihr tun müsst. Das Ritual der Verbindung besteht darin, dass einer von euch zunächst diesen Dolch nimmt und dem anderen eine Verletzung zufügt, aus der Blut austritt. Am besten am Unterarm. Das Blut wird in einer dieser kleinen Schalen aufgefangen. Dann geschieht das wechselseitig. Euer beiden Verletzungen werden miteinander verbunden, ebenso euer Blut gemischt. Dies trinkt ihr.“

Eine Form der Blutsbrüderschaft? Inuyasha wollte bereits einwenden, dass sie doch sowieso schon mehr als genug Blut teilten, als Sesshoumaru die Hand nach dem Dolch ausstreckte, nicht willens mehr Zeit als zwingend notwendig noch auf dieser Insel zu verbringen.

Hane lächelte ein wenig: „Der Raglah.“ Doch, das mussten die Auserwählten sein. Sie wurde sich immer sicherer. Sie begann, die uralten Formeln aufzusagen, während Omra den Dolch übergab.

Na toll, dachte der Hanyou, während er seinen Arm ausstreckte. Der einzige Vorteil, den er erkennen konnte, war der, dass er zum ersten Mal in seinem Leben Sesshoumaru eine Verletzung zufügen konnte, ohne dass der sich auch nur verteidigen würde. Was für ein dämliches Spiel… Aber dann war es wichtiger, keine Miene zu verziehen, als der Hundeyoukai die scharfe Klinge mit ungewohnter Behutsamkeit über seine Haut zog.

Der Raglah hielt eine der beiden kleinen Schüssel darunter und fing das hervorquellende Blut auf, ehe er sie der Cassana reichte. „Danke. Nur gib das Messer….“ Er wollte schon sagen: der Hüterin des Wassers, wollte dann aber den Hanyou nicht beleidigen. Überdies befolgte der ältere Halbbruder bereits die Anweisung und streckte anschließend wortlos den Arm aus.

Inuyasha zögerte einen Moment, wollte sich aber nicht blamieren, So zog er das Messer behutsam über die Haut des Unterarms. Dunkelrot und schwer trat das Youkaiblut hervor – dunkler und dickflüssiger als sein eigenes. Aber so vollkommen fremd war der Geruch nicht.

Omra bemühte sich, es aufzufangen, musste aber dazu den Rand der Schale über die Haut ziehen. Und er war sicher, dass eine solche Berührung gewöhnlich mit dem Tode geahndet wurde, als er die unwillkürliche Anspannung der Finger bemerkte. Zum Glück verfügte dieser Sesshoumaru über genügend Selbstbeherrschung.

Hane nahm auch diese Schale und leerte den Inhalt in die größere, ehe sie ein kleines Fläschchen aufnahm, das zur Hälfte Wasser enthielt, Wasser von der Quelle des Lebens. Sie groß den Rest der wertvollen Flüssigkeit zu dem Blut und verrührte es, ohne dabei die Gebete zu unterbrechen.

Omra dagegen nahm ein Band auf: „Legt nun die Verletzungen aneinander.“

Die Hundebrüder gehorchten mit ungewohnter Fügsamkeit, spürten, wie ihre Arme aneinander gebunden wurden.

Erst fast eine Minute später blickte die Cassana auf: „Hier. Trinkt nun nacheinander aus dieser Schale. Blut zu Blut und das Wasser des Lebens. Einig in Gedanken, einig im Handeln.“

Das würden sie wohl nie…dachte Inuyasha prompt, ließ sich aber die Schüssel an die Lippen setzen und trank. Es schmeckte nicht so widerwärtig, wie er sich das vorgestellt hatte.

Auch Sesshoumaru schluckte das Gemisch.

Als Hane die Schüssel auf den Stein abstellte, löste der Raglah die Verbindung: „Ich danke euch. Nun ist eure Pflicht getan. Ihr könnt euch anziehen. Und ich werde mich verabschieden. Was nun folgt, ist allein die Sache der Hüterin des Wassers.“ Er verschwand, ohne mit irgendeinem Wort zu rechnen. Er hoffte nur, dass seine Partnerin Recht behielt, diese beiden jungen Hunde begriffen, um was es ging, dass sie wirklich die Auserwählten waren. Falls sich Hane irrte, würde es für sie tödlich werden.
 

Die Hüterin des Wassers wandte sich höflich ab und räumte die benutzten Gegenstände weg, um den Halbbrüdern die Gelegenheit zu geben, sich anzuziehen. Als sie sich umdrehte, waren beide bereits wieder vollkommen bekleidet und bewaffnet.

„Was soll das?“ erkundigte sich Inuyasha verwundert.

Denn die Cassana war auf die Knie gegangen und neigte nun den Kopf: „Ich versprach, euch alles mitzuteilen, was die Quelle des Lebens betrifft. Und das, was ich nun zu sagen habe, darf nur ein Raglah, nur eine Hüterin des Wassers erfahren.“ Sie wusste, dass sie jetzt in Lebensgefahr schwebte. Aber sie musste es erklären. Es war ihre Pflicht als Cassana. Was auch immer nun geschehen würde, lag in der Hand dieser beiden. Waren sie die Auserwählten, die den Legenden nach das Wasser in das Mirtal zurückbringen würden, das Binnenmeer? Ihre Tochter hatte geschrieben, dass sie den Togol eine Quelle reinen Wassers gegeben hatten. Das war ein Hinweis. Und ebenso die Tatsache, dass der Hanyou, die reine Blutmischung aus Youkai und Mensch, die Wasserfindefähigkeit besaß. Auch nur die Chance zu bekommen, dem Land des Sommers das Wasser zu bringen, war das Risiko wert. „Ich muss euch mitteilen, dass die Quelle des Lebens dort oben in den Bergen versiegt ist.“
 

Schweigen.
 

„Was?!“ war dann alles, was Inuyasha fassungslos hervorbrachte. Dann war die gesamte Reise umsonst gewesen? Oder sollte das noch eine Prüfung darstellen? Er bemerkte, dass sein Halbbruder die Hand hob und anspannte.

Hane hatte es auch gesehen und schluckte in jäher Todesangst: „Die Quelle des Lebens ist verschwunden. Darum werden keine neuen Baumgeister mehr geboren. Und darum werden die Geister wohl auch krank.“ Sie hatte Mühe das auszusprechen: „Wenn ihr sie zurückbringt, das Wasser zurückbringt….“

„Ach, und wie sollen wir das machen?“ Es war ja nett, wenn einem was zugetraut wurde, aber das war doch zuviel. Außerdem war es mehr als ärgerlich, noch immer nicht am Ziel zu sein.

„Ihr habt den Togol eine Quelle gegeben… Ich bin sicher, dass ihr die Auserwählten seid, von denen die Legenden sprechen…“

Wunderbar, dachte Inuyasha: das hatten sie davon, dass sie sich bis hierher durchgeschlagen hatten. Jetzt hielten die Leute sie hier für irgendetwas Besonderes. Aber er sah seitwärts. Wenn Sesshoumaru so sauer war, dass er die Cassana umbringen wollte, war er der Einzige, der ihn daran hindern konnte. Als er erkannte, dass dieser die Hand sinken ließ, fuhr er ein wenig beruhigter zu Hane fort: „Ich habe keine Lust, zu einem durchgedrehten Monster zu werden, weißt du. Und um das zu verhindern, muss die Quelle wieder her. Also, wo entspringt sie?“

„Das weiß ich nicht. Mir wurde erzählt, tief unter dem Schattengebirge liegt die eigentliche Quelle des Ursprungs. Und das Wasser steigt dann empor. Als die Erdbeben alle Quellen und Bäche versinken ließen, geschah dies wohl auch mit dieser. Ich habe das letzte Wasser, das wir noch aus der Quelle des Lebens besaßen, für eure Verbindung benutzt.“ Hane atmete unwillkürlich etwas auf. Sie hatten sie nicht im ersten Zorn getötet, das ließ sie hoffen. „Ich weiß nur, dass das Wasser der Quellen und Bäche des Mirtal aus dem Land des Winters kommen soll, aus den Bergen, wenn der Schnee schmilzt, vom Regen, der dort als Schnee fällt. Dies sagte mir der Herr der Echsen einmal, bei einem Handel.“

„Dann werden wir den eben ein wenig nachdrücklicher fragen.“ Aber der Hanyou sah seitwärts. Erfahrung aus den Abenteuern der letzten Tage hatte ihn gelehrt dass der Herr Halbbruder manchmal mehr über diese Insel wusste, als er.

Sesshoumaru musterte die Cassana: „Der Herr der Echsen.“ Musste denn alles schief gehen? Aber er war niemand, der vor dem Erreichen seines Zieles umdrehte, niemand, der versagte. Er wollte Tenseigas Scheide in der Quelle des Lebens baden und genau das würde er tun. Und die von Tessaiga gleich dazu.

„Ja. Er lebt hier im Gebirge, am Pass, der von uns in das Land des Winters führt. Wenn wir dort hinüber wollen, müssen wir auf seine Bedingungen eingehen. Meist will er nur Neuigkeiten, “ ergänzte sie eilig.

Inuyasha entnahm dem, dass dieser Echsenherrscher mehr neugierig als gefährlich war – und dass Sesshoumaru den ebenfalls aufsuchen wollte. „Dann bring uns hin.“
 

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Der Herr der Echsen sollte schon im eigenen Interesse ein paar neue Informationen sagen können...

Und dem Interesse des Mirtal.
 

bye
 

hotep

Der Herr der Echsen

So weit gelaufen - und das scheinbar umsonst, könnte auch friedlichere Gemüter wütend machen. Der Herr der Echsen sollte besser ERklärungen und Tipps für die Hundejungen haben...
 

18. Der Herr der Echsen
 

Hane führte die Hundebrüder am Fuß der Vorberge entlang nach Osten, dann auf einem deutlich erkennbaren Pfad immer tiefer und höher in das eigentliche Gebirge der Schattenberge. Seit ihrem Geständnis, dass die Quelle des Lebens versiegt war, hatten die Halbbrüder ihr nur mehr die Anweisung gegeben, sie zum Herrn der Echsen zu führen. Sie verstand die Enttäuschung, den Zorn. Aber sie war auch überzeugt, richtig gehandelt zu haben. Nur einer Cassana und ein Raglah war es erlaubt, derartige Dinge zu wissen. Und natürlich den Auserwählten, die nach den Legenden das Wasser zurückbringen sollten. Sie war sicher, dass diese beiden es wären. Selbst in Rage hatten sie sie am Leben gelassen. Und sie hatten alle Voraussetzungen erfüllt. Hoffentlich würde das auch der Herr der Echsen so sehen, dieser sich mit ihnen zumindest auf einen Bedingungshandel einlassen. Aber selbst Tokage-sama neigte nicht zu irrationalem Handeln. Auch er würde es sicher für seine Untertanen begrüßen, existierte das Binnenmeer wieder.
 

Die Felsen oberhalb des Pfades waren mit Schnee überzuckert, als die Cassana in einem Tal stehen blieb: „Hier in der Nähe liegt das Schloss des Herrn der Echsen. Tokage-sama weiß gewiss, dass wir hier sind. Aber wenn er keinen Boten schickt….“

„Müssen wir ihn eben so suchen.“ Inuyasha sah kein Hindernis – zumindest nicht solange, bis er erkannte, dass sein Halbbruder witternd den Kopf hob. „Was ist?“

„Halber Youkai…?“ kam es prompt fast spöttisch.

Da erst roch auch der Hanyou, dass sich ihnen jemand näherte. Aber das hätte er nie zugegeben: „Keh, da kommt ein Drache, ja. Aber ein bisschen mickrig für den Herrn der Echsen, oder?“

Hane fuhr etwas zusammen. Omra hatte ihr stets berichtet, dass die Zusammentreffen mit Tokage-sama sehr nach dessen Lust und Laune abliefen. Und sie erkannte ein blaues, fliegendes Wesen, groß wie vier Zelte ihres Stammes, mit voluminösen Krallen an den vier Gliedmassen und ebenso bemerkenswert riesigen Zähnen, das sich über den Berghang schwang. Das nannte der verehrte Hanyou mickrig?

Der blaue Neuankömmling landete vor ihnen und faltete seine Flügel zusammen: „Überraschungsbesuch“, meinte er dann: „Mein Herr, Tokage-sama, möchte wissen, was dies zu bedeuten hat. Die Cassana der Menango, ein Hundeyoukai und ein echter Hanyou…“

„Hane hat uns hergebracht“, antwortete Inuyasha prompt, sparte es sich allerdings, die Hand an Tessaiga zu legen. Noch waren keine Feindseligkeiten auch nur angedeutet worden: „Und wir wollen ihn was fragen.“

„In diesem Fall lautet meine Anweisung, euch beide zu ihm zu begleiten. Hane, dir ist der Besuch des Schlosses verwehrt. Oder kannst du dem Herrn der Echsen etwas geben, das eines Bedingungshandels würdig wäre?“

Die Cassana zwang sich dazu, dem fremdartigen Wesen in die Augen zu sehen: „Nun, ich denke, das habe ich soeben getan.“

Unwillkürlich wurden die Halbbrüder misstrauisch. Wollte sie sie ausliefern? Wenn ja, hatte jemand einen großen Fehler begangen. Sie waren beide sicher, mit jeder Echse zu Rande zu kommen, jeder für sich allein – und schon gar zu zweit.

Der blaue Drache schien zu lächeln: „In der Tat. Doch dies ist nun ihre Sache.“

„Die Sache der Auserwählten, ja.“

„Du scheinst dir sicher zu sein. Ich werde es Tokage-sama berichten. Doch nun geh, Cassana.“

Diese nickte.

„Moment“, meinte Inuyasha: „Sie kann doch nicht allein…“

„Danke, doch, das kann ich. Ich verfüge über einige Fähigkeiten. Und ich bin sicher, dass Omra und die Krieger unten bereits auf mich warten.“ Hane lächelte: „Danke für die Sorge, Inuyasha. Ich hoffe, nein, ich weiß, dass ihr in der Tat die Auserwählten seid. Lebt wohl.“ Sie wandte sich ab und begann bereits wieder mit dem Abstieg.

Der Drache musterte die beiden: „Hm. Brüder. Könnt ihr fliegen?“

Statt einer Antwort erhob sich Sesshoumaru in die Luft.

„Ich nicht“, erklärte der Hanyou daher.

„Dann musst du laufen, wenn dich dein Bruder nicht trägt“, meinte der Blaue ungerührt und flatterte selbst bereits wieder empor.

Na toll, dachte Inuyasha. Ehe er den darum bitten würde, ihn mitzunehmen – und eine schroffe Ablehnung erfuhr - schnellte er lieber die steilen Wände hinterher. Immerhin konnte er auf diese Art auch beweisen, wie weit und zielgerichtet er zu springen vermochte. So machte er riesige Sätze, um dem Echsenführer hinter her zu kommen.
 

Das gelang ihm auch – bis sie zu einer weiten, tiefen Schlucht kamen. Zu weit, als dass selbst ein Hanyou sie hätte überspringen können. Jenseits erhob sich ein bestimmt uraltes Schloss vor einer Felswand, steinern, abweisend, wie für die Ewigkeit gebaut. Ein rascher Blick herum verriet dem Hanyou, dass es keine Brücke gab. Und diese dämliche blaue Echse flatterte direkt über den Abgrund auf das Tor zu.

Im nächsten Moment fühlte er etwas Weiches um sich, das ihn emporzog. Er war bereits einige Male in dem Fell seines Halbbruders gefangen gewesen und so erkannte er das Gefühl, noch ehe er begriff, dass er hochgerissen wurde. Eigentlich war er versucht, etwas zu sagen, aber dann schwieg er doch – eine Tatsache, die den Älteren erstaunte.

Seit wann konnte Inuyasha seine Klappe halten, wenn nichts wirklich Wichtiges anlag? Eigentlich wusste er selbst nicht, warum er den Bastard nicht einfach hatte stehen lassen – oder eigentlich wusste er es schon. Was hatte es für einen Zweck, sich selbst anlügen zu wollen. Er war inzwischen in einer seltsamen Weise daran gewohnt, dass jemand bei ihm war, der seinen Part in lästigen Situationen übernahm. Nun, er hatte sich tatsächlich irgendwie an dieses Halbblut gewöhnt. Und es mochte sinnvoll sein, Tessaiga an seiner Seite zu haben. Wer wusste, was dieser ominöse Herr der Echsen an Fallen in seinem Schloss besaß. Natürlich würde er selbst mit allen zurande kommen, aber es wäre doch angenehm, jemanden zu haben, der einem verlässlich den Rücken deckte. Selbstverständlich nicht notwendig, aber angenehm.
 

Der blaue Drache landete zwischen den Torpfosten der Burg, die aus steinernen Lindwürmern bestanden, die die Neuankömmlinge feindselig musterten. Sesshoumaru ließ seinen Halbbruder aus dem Fell frei, sicher, dass der sich aus drei Meter Höhe abfangen konnte.

Inuyasha fand das zwar nicht sonderlich nett, aber immerhin war er über diese Schlucht getragen worden. So war es wohl schlauer, nichts zu sagen. Die Hand an Tessaiga drehte er sich suchend um. Keine anderen Drachen waren zu sehen oder auch nur zu riechen, keine Krieger. War dies etwa so ein Geisterschloss, wie es ihm Kagome einmal in diesem Fernseher gezeigt hatte? Ohne Leben? Dieser blaue Kerl, der sie abgeholt hatte, schien doch ganz lebendig.

Sesshoumaru blieb neben ihm halten, ebenfalls sorgfältig witternd. Das Schloss sah nach einer Falle aus – und man musste nicht sehenden Auges in eine gehen.

Der Bote wandte sich ab: „Mein Name ist Tara. Kommt. Tokage-sama erwartet euch.“

Soweit die Hundebrüder wussten, waren sie damit nach den Sitten der Insel der Vier Jahreszeiten die Gäste. So folgten sie dem blauen Drachen über den Vorhof in das eigentliche Schloss, durch scheinbar endlose Gänge, Räume. Alles war ohne Leben. Da sie selbst lautlos gingen, störten auch sie nicht die vollkommene Stille.

Inuyasha sah sich neugierig um. Warum sich die Echsen wohl so ein großes Schloss gebaut hatten, das nun verlassen war? Wohnte dieser Herr mit Tara etwa nun hier allein? Hatte das auch etwas mit dem Verschwinden des Wassers zu tun?
 

Schließlich erreichten sie ein deckenhohes Tor. Tara stieß es leicht an und es öffnete sich lautlos. Dahinter zeigte sich eine große, fensterlose Halle, erleucht nur von mehreren Feuerschalen. Am anderen Ende befand sich eine Empore. Dort saß eine riesige, braungrün gefärbte Echse auf einem Hocker, gehüllt in eine weite, blaue, mit Gold bestickte Robe. Irgendwie erinnerte dieser Tokage-sama seine Besucher an Shisho, den Bibliothekar im Lande des Frühlings, der allerdings eher so groß wie Sesshoumaru gewesen war.

Der blaue Drache verneigte sich: „Tokage-sama, ich bringe die beiden. Hane ist davon überzeugt, dass sie die Auserwählten sind.“

„Kommt nur näher.“ Die tiefe Stimme klang interessiert: „Zwei junge Hunde auf der Insel der Vier Jahreszeiten haben mich schon seit Tagen neugierig gemacht. Seid in meinem Schloss willkommen.“

Die Halbbrüder folgten der Einladung und näherten sich der Empore, allerdings noch immer vorsichtig bleibend.

Der Herr der Echsen bemerkte die Finger des Hanyou an Tessaiga: „Ich sagte, willkommen.“ Er klang fast beleidigt.

„Woher wusstest du denn von uns?“ fragte Inuyasha, ehe er den etwas finsteren Blick seines Halbbruders bemerkte. Natürlich wollte der wieder als erstes reden. Immer musste er den Älteren heraushängen lassen. Dann erst begriff er, dass die Augen des Hundeyoukai auf seiner Hand am Schwert ruhten. So nahm er sie weg.

„Ich erfahre durch die Echsen und Schlangen unverzüglich alles Neue, was sich auf der gesamten Insel tut. – Und natürlich von Shisho. Es ist manchmal sehr angenehm, kleinere Brüder zu haben.“ Die dunklen Augen glitten zwischen den Halbbrüdern hin und her.

„Er sagte dir, was wir suchen.“ Sesshoumaru nahm doch an, dass sich der Herr der Echsen mit ihnen auf einen Bedingungshandel einlassen wollte.

„Die Quelle des Lebens, in der Tat. Und da ihr nun mit Hane hier in die Schattenberge gekommen seid, nehme ich an, dass ihr sie gefunden habt – und feststellen musstet, dass sie ebenso tot ist wie viele andere. Jetzt kommt ihr zu mir, um mehr zu erfahren.“

„Ja, und wie man das Wasser wiederbekommt“, ergänzte Inuyasha: „Also, sag schon, was willst du für diese Auskunft?“

„So eilig, junger Hanyou? Nun, ihr habt schon Erfahrungen mit dem Bedingungshandel gemacht, nicht wahr?“ Der Herr der Echsen schien zu lächeln: „Fangen wir einmal damit an, was ich über euch hörte: Shisho berichtete mir, dass die Söhne des legendären Siegers des Seelenturniers, des mächtigen Inu no Taishou, vom Festland auf die Insel gekommen waren, um die Quelle des Lebens zu finden. Ich wurde benachrichtigt, dass ihr die Harpyien getroffen habt, die Höhlen von Karu und die Erdmenschen von dem Schatten und seinem Gefolge befreit habt. Dies war schon interessant. Und ihr habt beide das Seelenturnier selbst gewonnen. Damit seid ihr im gesamten Mirtal und darüber hinaus zu ebensolchen Legenden geworden wie einst euer Vater. Überdies habt ihr die Bedingungshandel der Wüstenstämme überstanden, ja, dem Stamm der Togol Wasser gegeben. – Um ehrlich zu sein, eine solche Lawine aus Neuigkeiten, wie ihr sie mir beschert habt, habe ich seit Jahrhunderten nicht erlebt. Darum werde ich euch erzählen, was ich über das Verschwinden der Quelle des Lebens weiß.“ Er wartete einen Moment, aber seine Besucher blickten ihn nur an. So fuhr er fort: „Ihr habt es wirklich eilig, junge Hunde. Wenn ihr erst einmal so alt wie ich seid, werdet ihr wissen, dass Wesen wie wir sehr viel Zeit haben. Nicht die Ewigkeit, aber doch so lange, dass es ihr ähnelt. Nun gut.“ Er richtete sich etwas auf: „Die Stämme des Mirtal suchen das Erz, das sie für ihre Waffen und andere Dinge benötigen, in den Bergen, die das Land des Sommers umgeben. Sie verarbeiten es zu Metall. An manchen Stellen liegt das Erz offen, manchmal graben sie in die Berge. Aber dies tun sie stets waagerecht, nie in die Tiefe. Und sie wissen, warum. Der Vater...oder war es schon der Großvater oder Urgroßvater…des jetzigen Herrn der Stadt, war neidisch auf das Metall der Wüstenstämme, das er von ihnen teuer erwerben musste. So beschloss er, selbst nach Erzen graben zu lassen. Die Städter entdeckten auch eine Stelle, im Nordosten des Mirtal, wo sie Silber fanden – und, als sie tiefer gruben, sogar Adamant. Die Arena ist daraus heute gebaut, wie ihr gewiss bemerkt habt. Adamant, das härteste aller Dinge, geschmiedet tief unter der Erde in glühendem Gestein.“

„Weiter“, drängte Inuyasha: „Was hat das denn mit dem Wasser zu tun?“

„Gleich, junger Hanyou. - Die Städter schürften immer tiefer, immer weiter und nahmen Adamant aus dem Berg. Dabei gruben sie sich bis zu den Wurzeln des Gebirges. Und sie weckten etwas auf, das besser weitergeschlafen hätte. Es war zornig, und verschüttete die Mine der Städter und alle Leute, die darin waren. Ja, das gesamte Mirtal, wie auch das Land des Winters wurde von schweren Erdbeben erschüttert. Das Wasser versank. Und innerhalb kurzer Zeit trocknete auch das Binnenmeer aus.“

Der Herr der Echsen erhob sich und glättete sein Gewand, ehe er die Stufen hinunterschritt. Inuyasha erkannte, dass unten aus der blauen Robe ein Schwanz ragte, der auf dem Boden schleifte.

„Äh, ja…“ sagte er: „Und dann?“

„Es änderte sich vieles. – Auch im Land des Winters. Kommt hier hinüber.“ Tokage-sama trat zu einer Wand. Die Halbbrüder folgten ihm. Er war so groß, dass selbst Sesshoumaru ihm gerade bis zur Hüfte reichte. Erst jetzt erkannten sie im matten Schein der Feuerschalen, dass dort ein Teppich an der Wand hing, eine gestickte Landkarte. Der Herr der Echsen deutete mit einer Kralle darauf: „Hier, dies ist das Schattengebirge, das die Länder des Winters und des Sommers, Ygga und Mirtal, trennt. Und hier liegt mein Schloss. Wenn ihr nun auf der anderen Seite hinabsteigt, werdet ihr den Frost und den Schnee kennen lernen. Irgendwo hier, in den Vorbergen, leben Schneefrauen. Wenn ihr eine findet, müsst ihr sie fragen, wo sich der Magier Shiraga aufhält. Er weiß alles, was im Land des Winters geschieht und geschehen ist. Meist berät er die Schneekönigin, aber er zieht auch immer wieder durch die Lande. Die Yuki Onna wissen jedoch immer, wo er sich aufhält. Soweit ich erfuhr, weiß er auch, wo das Wasser unter den Bergen abgeblieben ist. Aber er wird euch sicher nicht einfach so eine Auskunft geben.“ Erneut schien die Echse zu lächeln: „Nicht jeder ist so leicht zufrieden zu stellen wie ich.“

„Bedingungshandel“, kommentierte Sesshoumaru sachlich. Immerhin hatten sie nun einen weiteren Anhaltspunkt.

„Natürlich. Auch die Schneefrauen wollen gewiss ihren Preis. Nur der Tod ist umsonst, junge Hunde.“

Das hatten die Halbbrüder auf dieser Insel auch schon festgestellt. Aber es half nichts. So meinte der Ältere nur: „Yuki Onna und Shiraga.“

„Ja.“ Der Herr der Echsen sah auf seine Besucher nieder: „Dann geht. – Tara wird euch aus dem Schloss begleiten.“
 

Als der Bote zu seinem Herrn zurückkehrte, saß dieser bereits wieder auf seinem Hocker. Eine kleine, blaue Flamme spielte um seine rechte Klaue, die er interessiert musterte. Aber er blickte auf.

Tara nickte: „Ich habe sie zu dem Pfad zurück begleitet. Sie sind auf dem Weg nach Norden. – Aber das seht Ihr gewiss, Tokage-sama.“

„Natürlich. - Ich muss zugeben, dass ich neugierig bin, ob die Cassana der Menango Recht hat, sie die Auserwählten sind. Allerdings – wenn nicht sie, wer dann.“

„Warum habt Ihr ihnen nichts vom Herrn des Binnenmeeres erzählt?“

„Mein Wissen darüber ist nur Stückwerk. Dies könnte mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Und Shiraga wird ihnen mehr Auskunft geben können.“

„Falls sie ihn finden und er mit ihnen einen Bedingungshandel eingeht. Und natürlich, sie ihn bestehen.“

„Natürlich. – Sage Shisho, meinem kleinen Bruder, was es an Neuigkeiten für seine Bibliothek gibt.“

„Ja, Tokage-sama. Eine Frage noch, wenn Ihr gestattet. Als damals der Inu no Taishou das Turnier der Seelen gewann, hat sich Euer Bruder und damit das gesamte Land des Frühlings ihm unterstellt. Damit ist doch zumindest der Ältere der Erbe, der Herr dieses Landes.“

„Das scheint ihm gleich zu sein.“

„Das meinte ich nicht, vergebt. Nur: was geschieht, wenn sie nicht zurückkehren?“

„Dann ist Shisho wieder allein der Herr. Aber ich nehme doch an, Tara, dass dies nicht der Fall sein wird. Zwei junge Hunde mit derartigen Fähigkeiten…Sehr interessant.“

Der Drache nickte ein wenig. Allerdings waren die beiden befähigt. Man gewann das Seelenturnier nicht ohne Grund – oder bestand die anderen Schwierigkeiten. Dennoch: das Land des Winters bot andere Gefahren als das Mirtal. Und wenn er daran dachte, was sein Herr schon für Bedingungshandel mit dem Magier der Schneekönigin gehabt hatte, so war Shiraga gewiss auch ein Risiko. Aber das war etwas, das nur die Zukunft zeigen konnte. So wandte er sich ab, um seinen Auftrag zu erfüllen.

Der Herr der Echsen blickte wieder in das blaue Feuer um seine Klaue. Dort erkannte er die beiden Hundebrüder, die langsam weiter nach Norden wanderten. Er bemerkte interessiert, dass sie beide anscheinend vorsichtig waren, witterten. Das würde ihnen nicht viel helfen. Die Gefahr, die er vor ihnen wusste, würden sie nur überleben, wenn sie Glück hatten. Die Mächte der Natur waren im Ygga, zumal im Gebirge, ebenso mächtig wie in der Wüste. Aber eine Warnung wäre unangebracht gewesen. Waren sie die Auserwählten, würden sie bestehen. Waren sie es nicht….nun, dann würde das Binnenmeer weiterhin eine trostlose Salzwüste bleiben. Dies lag in der Zukunft. Und nicht einmal er konnte diese sehen.
 

Die Halbbrüder ahnten nichts von der Beobachtung, als sie die Passhöhe erreichten. Der Wind war aufgefrischt, trieb Schneeflocken vor sich her. Vor ihnen dehnte sich noch weit das Gebirge, wenn auch niedriger, eine öde Welt aus Fels und Schnee. Dahinter jedoch schien eine weite, weiße Ebene zu liegen, soweit das Auge reichte.

„Nicht schon wieder eine Wüste“, murmelte Inuyasha. Hier gab es ja auch kein Leben. Nun ja, sicher gab es das. Da waren Schneefrauen und dieser Herr der Echsen hatte etwas von einer Schneekönigin gesagt. Was die hier wohl wieder für komische Sitten hatten? Nun, in jedem Fall wieder diese dämlichen Bedingungshandel. Bei dem Herrn der Echsen waren sie ja noch gut davon gekommen. Zum Glück war der mehr an neuen Geschichten interessiert, als sonst an was. Das erklärte allerdings auch, warum dieser Bibliothekar so viel Wissen angehäuft hatte. Sein Bruder war sicher der beste Informant.

Sesshoumaru sah nachdenklich zum Himmel auf. Es würde bald dunkel werden. Nicht, dass ihn das gewöhnlich in irgendeiner Form gestört hätte, aber seine Sinne verrieten ihm, dass sich irgendwo ein Sturm zusammenbraute. Und wenn er an den in der Salzwüste des Mirtal zurückdachte, war anzunehmen, dass auch ein Orkan in der eisigen Felswüste des Ygga nicht ungefährlich war - für das Halbblut. Immerhin war der diese Nacht kein Mensch. Ohne ein Wort ging er weiter, den schmalen Pfad bergab.

Inuyasha kannte ihn inzwischen gut genug, um sich jeden Protest zu sparen. Irgendetwas war los – und er würde auf Nachfrage nur einen dummen Kommentar erhalten, keine Auskunft. Das war lästig, aber anscheinend nicht zu ändern.
 

Fast eine halbe Stunde später war der Wind so stark geworden, dass in der beginnenden Abenddämmerung kaum mehr etwas zu erkennen war. Auch die Nasen wurden durch die Nässe des Schnees verwirrt, die Kleidung begann feucht zu werden.

Was für eine reizende Insel, dachte der Hanyou, ohne es auszusprechen. Bei dem Geheul des Windes würde ihn Sesshoumaru sowieso kaum hören. Und interessieren würde es den schon zweimal nicht.

Der Pfad bog wieder einmal um eine scharfe Kehre. Dahinter ließ der Wind nach und der vorangehende Hundeyoukai erkannte ein Felsdach, ein Stück oberhalb des Weges, darunter eine Art Grotte. Das konnte Schutz bieten. Er setzte hinauf. Ein wenig überrascht folgte ihm sein Halbbruder.

„Was...?“ begann der.

„Schlaf.“

Unwillkürlich wollte Inuyasha dagegen protestieren, herumkommandiert zu werden, ja, für schwach gehalten zu werden, als ihm plötzlich etwas ganz anderes dämmerte: Sesshoumaru hatte eine Übernachtungsmöglichkeit gesucht? Einen Schutz vor dem Sturm? Würde der etwa noch stärker werden? Nach dem Erlebnis in der Salzwüste legte auch er bestimmt keinen Wert auf eine Wiederholung, selbst, wenn dies keine Neumondnacht war. So setzte er sich: „Wird der Sturm schlimmer?“ Er selbst konnte das schlechter beurteilen.

Ohne eine Antwort drehte sich der Ältere um und sah in die Dämmerung hinaus, musterte die wirbelnden Schneeflocken.

„Keh!“ machte der Hanyou leise. Aber er beschloss, die Situation zu nutzen und tatsächlich eine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Wer konnte schon sagen, wann sein Herr Halbbruder je wieder auf einen so geradezu sensationell freundlichen Gedanken kam.

Eine Zeit später wandte Sesshoumaru den Kopf und betrachtete für einen Augenblick den friedlich Liegenden, ehe er wieder in die Nacht hinausblickte. In der Tat. Wenn Inuyasha schlief, wirkte der so jung, so wehrlos…und erinnerte ihn an Rin. Warum nur brachte er diesen Gedanken nicht mehr aus dem Kopf? Das war nichts als ein wertloses Halbblut, nutzlos, wenn man von den Fähigkeiten des mächtigen Tessaiga absah….

Aber er entsann sich nur zu gut, dass Inuyasha ihn, seit sie auf dieser Insel waren, kein einziges Mal im Stich gelassen hatte. Nein. Treue konnte nicht einmal er ihm absprechen.
 

************************************
 

Was für eine Erkenntnis.

Im nächsten Kapitel: Schneekatzen und -frauen, schlüpft Inuyasha in die "Retter -in- Rot"- Rolle, während Sesshoumaru dem wohl ärgsten Bedingungshandel in die Augen sehen muss.
 

bye
 

hotep

Schneekatzen und -frauen

Euer Mitgefühl mit den Hundebrüdern hält sich deutlich in Grenzen.

Aber wer hat je behauptet, dass es einfach sei, die "Auserwählten" einer Insel zu sein?
 

19. Schneekatzen und- frauen
 

Der Schneesturm tobte mit unverminderter Heftigkeit, als die erhöhte Helligkeit den Sonnenaufgang verriet. Inuyasha richtete sich auf. Er hatte die ganze Nacht ruhig geschlafen, sicher, dass ihn sein Halbbruder informieren würde, drohte Gefahr. Dieser stand noch immer an der Öffnung der Grotte und blickte hinaus. An was der wohl immer dachte, wenn er Statue spielte?

„Äh…Sesshoumaru…“ Eigentlich wollte er sagen, wir können gehen, als er nun erst bemerkte, wie stark der Orkan noch war. Der Hundeyoukai verdeckte ziemlich die Sicht. Außerdem….da war doch eine Witterung…? „Wer ist das?“ änderte er daher. Schließlich wollte er sich nicht als dämlich darstellen.

Oh, dachte der Ältere, tatsächlich ein wenig überrascht: der halbe Hund nimmt das trotz des Sturmes wahr? Denn seit einiger Zeit hatte auch er den Geruch nach Katze in der Nase. Einer eigenartigen Form von Katze, noch dazu erschöpft.

Der Hanyou stand bereits neben ihm: „Die braucht Hilfe.“

Natürlich. Das Halbblut und sein Beschützergefühl. Das war vermutlich eine seiner hervorstechendsten Charaktereigenschaften, sah man von der Impulsivität und der enormen Sturheit ab. „Tu, was du willst.“ Er selbst würde sich gewiss nicht wegen einer Katze in den Sturm hinaus begeben.

Inuyasha war zu überrascht die Freigabe zu erhalten, als dass er sich darüber aufgeregt hätte, dass der Herr Halbbruder annahm, er selbst habe eine Erlaubnis überhaupt nötig. So machte er sich wortlos auf den Weg in den Sturm, dem Geruch folgend. Es war mehr als schwierig, im peitschenden Orkan und den tobenden Schneeflocken etwas zu erkennen. Überdies war er hier an einem Berghang und jeder Schritt konnte in einem Abrutschen enden. Aber immer wieder tauchte die Witterung im Wind auf und leitete ihn. Das war eine Art Katze, da war er sicher – aber das war gleich. Da war jemand vollkommen erschöpft und würde ohne Schutz nicht mehr lange durchhalten.

Immer mehr große Steine legten sich in seinen Weg. Hatte diese Katze versucht, in einem Steinlabyrinth Deckung zu finden? Er stellte fest, dass es auch für ihn besser wäre, zurück zu der Höhle zu gelangen. Selbst seine Kleidung aus Feuerrattenfell, die in der Nacht abgetrocknet war, wurde wieder feucht. Und der Sturm zerrte an seinen Haaren, ließ seine Augen tränen, ihn so immer weniger sehen. Zu hören war außer dem Heulen des Windes sowieso nichts.

Hinter einem Felsen erkannte er dennoch eine schneeweiße Katze, groß wie ein gewöhnlicher Schäferhund.

Sie schien bewusstlos zu sein, aber als er nach ihr fassen wollte, hob sie den Kopf und fauchte, ehe sie versuchte, zuzuschlagen.

„Sei nicht dumm“, schrie er gegen den Wind: „Du musst in Deckung!“ Das war sicher kein Tier, sondern eher eine Youkai oder ein anderes magisches Lebewesen. „Ich bringe dich in die Höhle!“ Er bückte sich und hob sie auf. Sie versuchte, sich zu sträuben, zu wehren, aber er drückte sie fest an sich. „Lass das! Oder willst du etwa hier draufgehen?“

Die Katze erkannte wohl, dass sie weder eine Chance gegen seine Kraft hatte, noch, dass sie hier bleiben sollte, denn sie entspannte sich. Das machte den Rückweg ein wenig leichter für den Hanyou, der sich kaum an die Richtung erinnern konnte. Aber die Witterung seines Halbbruders machte es ihm irgendwann einfacher, den Weg zu halten, die Grotte wieder zu finden. Wartete der tatsächlich immer noch am Eingang?

Allerdings bewirkte die Rückkehr in die Höhlung bei der Unbekannten zwei Dinge: sie erholte sich fast unverzüglich sichtbar, als sie in Deckung war – und sie erkannte die Hunde. Grund genug offenbar, in Panik zu verfallen. Mit gesträubten Haaren und fauchend wich sie zurück an die Hinterwand, sobald Inuyasha sie eilends abgesetzt hatte.

„Oh, Mann!“ stöhnte der Hanyou und rieb sich über das Gesicht, das sie um ein Haar zerkratzt hätte: „Jetzt weiß ich“, sagte er zu seinem Halbbruder: „Was du meintest: von wegen, ich sei schwer zu retten. Das ist die da erst recht!“

„Deine Sache.“ Sesshoumaru sah weiter in den Sturm hinaus. Wenn ihn seine Sinne nicht trogen, würde dieser in gut einer Stunde nachlassen und sie konnten sich endlich wieder auf den Weg machen. Katze hin oder her. Immerhin schien nicht einmal das Halbblut auf die Idee zu kommen, die mitzuschleifen.

„Nein, ihre Sache.“ Inuyasha warf einen Blick auf die Katze, ehe er sich niederließ, nah am Eingang, Tessaiga in der Scheide im Schoss.

Die Unbekannte bemerkte, dass sie nicht direkt bedroht wurde. Allerdings erkannte sie auch, dass der Hundeyoukai und der eigenartige Hund, der sie gerettet hatte, zwischen ihr und dem Ausgang waren. Entkommen war unmöglich. Der Sturm dort draußen war allerdings immer noch heftig. Und sie schien in keiner unmittelbaren Gefahr zu sein. So begann sie sich zu putzen.
 

Tatsächlich ließ nach gut einer Stunde der Wind deutlich nach und es hörte auch zu schneien auf. Inuyasha war wirklich nicht böse darum. Selbst mit seinen abgehärteten Füssen war es unangenehm, durch Schnee zu wandern. So sprang er auf, um zu zeigen, dass sie seiner Meinung nach weitergehen könnten.

„Dann suchen wir mal diese merkwürdigen Schneefrauen…“

Ohne ein Wort setzte sich der Hundeyoukai in Bewegung.

„Einen Moment...“

Die weibliche Stimme ließ die Halbbrüder die Köpfe drehen. Sie hatten alle beide die Katze nicht mehr beachtet. Jetzt lehnte dort ein junges Mädchen an der Wand, mit Haaren, die ebenso weiß waren wie die des Hanyou. Ihre Haut war so hell, dass sie fast durchscheinend wirkte. Auch ihre Kleidung war von der Farbe frisch gefallenen Schnees.

„Willst du mit?“ erkundigte sich Inuyasha prompt: „Kannst du noch nicht allein laufen?“

Sie lächelte ein wenig: „Du würdest mir noch einmal helfen, Hund? Wie ungewöhnlich. Aber ihr stammt auch nicht von hier, nicht wahr?“

„Vom Festland.“

„Hundeyoukai…Mein Name ist Kazari von den Schneekatzen.“ Sie stand ein wenig mühsam auf: „Du hast mich aus dem Sturm geholt, mir geholfen. So werde ich euch nun helfen. Ihr sucht Yuki onna? Schneefrauen? Allgemein? Oder wollt ihr zu einer besonderen?“

„Äh, nein. Uns wurde nur gesagt, dass sie uns den Weg zu dem Magier zeigen können, diesem Shiraga.“

„Oh.“ Kazari betrachtete die beiden. Sie hatte nur gehört, dass die Hunde Katzen jagen würden. Aber anscheinend stimmte das nicht. Sie hatten ihr nichts getan, einer sie sogar gerettet – und jetzt hatten sie sie hier auch einfach sitzen lassen wollen. Und jemand, der Meister Shiraga aufsuchen wollte….hm. Sie mussten sehr mächtig sein, obschon sie so jung waren. „Ich werde euch zu Suigin führen. Sie ist eine Schneefrau, die ich kenne.“

Sesshoumaru wich wortlos beiseite, um ihr den Vortritt zu lassen. Na so etwas. Dann hatte sich diese Rettungsmission des Hanyou direkt ausgezahlt. Statt die Yuki onna suchen zu müssen, wurden sie direkt zu einer gebracht. Und was diese dann für die Auskunft wollte, war deren Sache. Sicher ging es nicht ohne Bedingungshandel ab.

„Darf ich um eure Namen bitten?“ fragte die Schneekatze. Auch, wenn sie keinen direkten Bedingungshandel hatten, war es doch Tradition die Namen der Partner zu kennen, ein Zeichen des Friedens.

„Ich bin Inuyasha. Und das ist mein Halbbruder Sesshoumaru.“

Halbbrüder also. Darum sahen sie sich ähnlich und doch wieder nicht. Der Jüngere hatte wirklich niedliche Öhrchen auf dem Kopf. Aber Kazari nahm an, dass es doch noch Ärger geben könnte, würde eine Schneekatze mit Hundeohren spielen. Schade. Sie trat an dem Hundeyoukai vorbei und erklärte sachlich: „Suigin lebt in den Vorbergen. Wir können gewiss heute Nachmittag dort sein. Leider bin ich noch nicht vollständig erholt, so dass ich nicht schneller bin.“

„Schon klar“, meinte Inuyasha.

Die junge Schneekatze begriff, dass der Ältere wohl das Reden seinem Halbbruder überließ. War das bei Hunden wie bei ihrem Volk? Der Ranghöhere sprach nicht, wenn jemand anderer dies übernehmen konnte - oder nur, wenn etwas äußerst Wichtiges anlag? Waren andere Völker jenseits des Gebirges nicht so fremd, wie sie immer geglaubt hatte? Oder nein…diese beiden gaben an, sogar vom Festland sein, von dem sie bislang nur Legenden gehört hatte. Angeblich war die Insel doch durch Magie vom Festland getrennt. Das würde erklären, warum sie Shiraga suchten. Waren sie ebenfalls Magier? Aber fragen war wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Niemand wusste besser als sie selbst, dass sie dieser Hund...halbe Hund in Sicherheit getragen hatte, als sie sich schon vor Erschöpfung in ihre wahre Form hatte verwandeln müssen. Er hatte ihr das Leben gerettet – und ob er es wusste oder nicht, nach dem Recht der Schneekatzen gehörte damit ihr Dasein ihm.
 

Schweigend folgten die Hundebrüder der Schneekatze durch die schneebedeckten Berge, hinunter in die Vorberge. Immer deutlicher wurde die scheinbar endlose Ebene, die sich jenseits der Schattenberge ausdehnte. Zunächst schien es noch Grasland zu sein, aber dann beleuchtete die Sonne Weiße. Schnee oder Eis oder beides? Aber keiner der beiden dachte daran, dass sie womöglich dorthin gelangen mussten. Erst einmal mussten sie diese Schneefrau namens Suigin finden, hören, was deren Bedingungen waren, ehe sie sich weiter auf die Suche nach dem Magier machen konnten.

Kazari kannte diese gesamten Vorberge nur zu gut. Das hier war das Reich ihres Volkes und jede Schneekatze streifte herum. Es war ihr ein wenig peinlich, zumindest Suigin gegenüber zugeben zu müssen, dass sie sich in einem Schneesturm verirrt hatte. Das passierte einer wie ihr nur sehr selten. Hoffentlich würde die es nicht weitererzählen. Aber das nahm sie denn doch nicht an. Schneekatzen und Yuki onna pflegten gute Nachbarschaft und das wollte Suigin sicher nicht aufs Spiel setzen.
 

Die Sonne berührte nur mehr die schneebedeckten Spitzen der hohen Berge, als Kazari stehen blieb.

„Bitte, wartet einen Moment. Ich werde Suigin informieren, dass ich mit Gästen für sie komme.“ Und um zu beichten, dass einer der beiden ihr das Leben gerettet hatte. Sie verschwand im Schatten eines Felsens. Kurz darauf kehrte sie zurück: „Bitte, folgt mir.“

Es war ein schmaler Spalt in dem grasigen Vorberg, der sich rasch zu einer wohnlichen, mit Heu ausgelegten Höhle öffnete. Ein Feuer brannte in der Mitte, über dem ein Topf hing. Inuyasha roch Fleisch, wollte sich jedoch lieber nicht vorstellen, was dort zubereitet wurde. Soweit er wusste, neigten manche Yuki onna zumindest auf dem Festland dazu, Menschen zu jagen. Eine Frau in Menschengestalt mit langen, schwarzen Haaren und zweilagigem Kimono stand dort und erwartete sie gelassen. Sie schien um die Dreißig zu sein, aber das war gewiss falsch.

Im Hintergrund war ein Lager aus Strohmatten und Heu zu erkennen, daneben auf einem Stein beschriftete Papierrollen, Federn und Tinte. Die Besitzerin dieser Höhle war eindeutig gebildet.

Die Yuki onna neigte grüssend ein wenig den Kopf: „In der Tat. Zwei Hunde vom Festland. Willkommen in meiner Behausung. Kazari sagte mir, dass ihr den mächtigen Magier Meister Shiraga sucht. Wenn ihr diese Auskunft wollt, müsst ihr natürlich meine Bedingung erfüllen.“

Wie es zu erwarten war. Sesshoumaru blickte sie nur an, während Inuyasha sagte: „Und?“

Die Schneefrau lächelte: „Oh, das ist ja noch besser, als ich dachte. Ein reinblütiger Hanyou. Was für eine Seltenheit. – Nun, du hast Kazari-hime gerettet, dafür sind dir die Schneekatzen gewiss sehr dankbar. Und ich werde daher keine Bedingung an dich stellen.“ Man legte sich schließlich nicht ohne äußerst guten Grund mit Nachbarn an, die einen in Stücke reißen konnten.

Prinzessin Kazari? Inuyasha warf einen überraschten Blick seitwärts zu dem Mädchen, war aber unwillkürlich erleichtert. Was auch immer diese Suigin wollte, kam diesmal auf den Herrn Halbbruder zu. Was für eine nette Abwechslung.

„Kazari-hime, würdest du mit deinem Retter draußen warten?“

Diese drehte sich sofort um. Inuyasha warf noch einen flüchtigen Blick zu Sesshoumaru, ging aber ebenfalls. Er konnte sich nicht denken, dass diese Yuki onna eine Bedingung stellen konnte, mit der der nicht fertig werden würde.

Die Schneefrau schob derweil die Hände in die Ärmel. „Und jetzt, Hundeyoukai vom Festland, sage ich dir meine Bedingung. Du kannst sie akzeptieren und ich werde dir erklären, wo und wie du Meister Shiraga finden kannst. Aber natürlich musst du nicht auf einen Bedingungshandel eingehen.“

„Sag sie.“ Sesshoumaru wusste, dass er bei einem Nein auf der gesamten Insel in Schande fallen würde, Sieg im Seelenturnier hin oder her. Einen Bedingungshandel lehnte man hier zu Lande nicht ab. Aber warum hatte sie gewünscht, dass Inuyasha ging? Wollte sie ihm eine Falle stellen? Nahm sie an, dass er allein wehrlos sei und wollte ihn jagen? Dann würde sie einem tödlichen Irrtum unterliegen.

Die Yuki onna lächelte ein wenig: „So. Dein Bruder und die Prinzessin der Schneekatzen sind draußen. Du solltest mir dankbar sein. – Mein Name ist Suigin. Und meine Bedingung, Hundeyoukai, lautet: du, der du so kalt wie Eis bist, zeige Schneefrauen, was Wärme ist.“

Der etwas unwillige Partner beobachtete aufmerksam, dass sich plötzlich auftauchende Schatten aus dem Hintergrund der Grotte lösten: mehrere andere Yuki onna Was sollte das?

Suigin schmunzelte: „Du musst wissen, wir sind Schwestern. Niemand von uns hat allein einen Bedingungshandel. Du kannst allerdings zum Beispiel damit anfangen, mich zu küssen.“

Sesshoumaru erstarrte. In der Tat, im Moment war er froh, dass Inuyasha draußen war. Der hätte sich bestimmt amüsiert. Nun gut, er musste auch zugeben, dass der Jüngere bei der Entjungferung einer Harpyie das Opfer gespielt hatte. Und wenn das der Preis war, dass sie möglichst rasch den Magier finden, die ganze Sache hier abkürzen konnten, war es unsinnig, aus persönlicher Abneigung das Abkommen zurückzuweisen. Zumal mit den gravierenden Folgen, die ein abgelehnter Bedingungshandel auf der Insel der Vier Jahreszeiten hatte. Überdies hatte er noch nie gehört, dass ein Youkai an einem oder auch mehreren Küssen gestorben wäre. So sagte er, den Regeln entsprechend: „Sesshoumaru.“

Die Schneefrau lächelte erneut: „Du kennst Bedingungshandel. Und ich bin sicher, es ist dir wichtig, Meister Shiraga zu finden. Nun, erfülle meine Bedingung.“ Sie wusste ihre Schwestern hinter sich, für den Notfall, aber so war auch die Übereinkunft der Yuki Onna unter sich: jede Nachbarin bekam, was die andere erhielt.

Sie betrachtete ihn, sah, wie er sich ein wenig aufrichtete, langsam näher kam. Ein sehr interessanter Junge, nun, eher junger Mann, gut aussehend und einen Körper wie ein gespanntes Stahlseil. Er war äußerst stark und gefährlich, aber er würde sich dem Bedingungshandel beugen, da war sie sicher. Und sie war ebenso sicher, dass sie oder ihre Nachbarinnen ihm später nie wieder unter die Augen treten sollten, wollten sie am Leben bleiben. Er stand direkt vor ihr, verdunkelte das Licht des Feuers…
 

Inuyasha wartete ein wenig ungeduldig draußen neben der Schneekatzenprinzessin. Was der Herr Halbbruder wohl tun sollte? Wo der Magier zu finden war?

Endlich kehrte der Youkai zurück – und der Hanyou hatte für einen Moment das untrügliche Gefühl, dass sich sein Halbbruder am liebsten in seine Hundeform verwandelt hätte, um sich die Schnauze zu reiben. Außerdem wirkte er eigentlich, als habe er einen harten Kampf hinter sich.

Was da wohl passiert war? Aber es war sicher besser, nicht zu fragen, zumal mit Kazari daneben. Eigenartig, dachte er gleichzeitig. Seit wann konnte er die Gefühle des Youkai so gut nachvollziehen? War das etwa noch immer eine Auswirkung der Fusion? Oder hatte das doch etwas mit dieser Zeremonie zu tun? Aber womöglich täuschte er sich auch.

„Du weißt, wo sich dieser Shiraga rumtreibt?“ erkundigte er sich nur.

Was für eine Frage! Sesshoumaru wandte sich ab, um weiter zu gehen.

„Äh, ja…dann alles Gute, Kazari!“ Der Jüngere schloss sich eilig an. Was auch immer die Bedingung gewesen war – da war einer äußerst sauer. Und Inuyasha kannte ihn und seine Stimmungen zwischenzeitlich zu gut, als dass er nicht gewusst hätte, dass jede weitere Nachfrage in einem Duell geendet hätte, gleich, welche Folgen das sonst haben würde. Das war nicht nötig. Aber aus irgendeinem Grund war er sicher, dass die Bedingung der Schneefrau für seinen Halbbruder äußerst unangenehm gewesen war.
 

Die Hundebrüder wanderten die gesamte Nacht hindurch. Das Mondlicht wurde vom Schnee genügend reflektiert, so dass auch der Hanyou erkennen konnte, wohin er trat.

Langsam reichte ihm die Schweigsamkeit: „Hat sie noch was über diesen Shiraga gesagt?“

Keine Antwort.

Ups. Mit einem leisen Grinsen entschloss sich Inuyasha zu der Erkenntnis, dass die gute Suigin vermutlich nie zuvor so nahe am Tod gewesen war, wie bei diesem Bedingungshandel. Was sie wohl gewollt hatte?

Aber das war letztendlich gleich. Handel war Handel und er war bestanden. Jetzt mussten sie nur diesen dämlichen Magier finden. Hoffentlich konnte der ihnen wirklich endlich sagen, was hier los war und wie sie die Quelle des Lebens wieder zum Leben erwecken konnten.

Wieder warf er einen Blick auf seinen Begleiter. Seit dieser Fusion tat der ihm irgendwie Leid. Obwohl das nicht der richtige Ausdruck war, nicht bei einem derart arroganten, eiskalten Mistkerl und nicht gegenüber seinem Halbbruder. Aber doch…diese Einsamkeit, die er da wahrgenommen hatte...Wie war die Kindheit, die Jugend Sesshoumarus abgelaufen? War dessen ganze eisige Fassade nur ein Schutz? So, wie er sein eigenes Mundwerk einsetzte? Das würde er wohl nie erfahren.
 

Dieser blieb stehen: „Ein Baum.“

„Häh? Klar, sag nur nicht, was los ist.“ Hier war weit und breit nichts von einem Baum zu sehen, ebenso, wie schon Stunden zuvor, oder auch im Mirtal. Die letzten Bäume waren im Land des Frühlings gewachsen.

„Dort die zwei Felsen. Hier soll ein Baum sein.“ Auch er konnte keinen erkennen. Und es war zwar unwahrscheinlich, dass ausgerechnet das Halbblut etwas wittern würde, das ihm entging, aber dieser war immerhin nicht ganz nutzlos gewesen auf der bisherigen Reise.

„Ein Baum?“ Inuyasha guckte um sich. Also, hier war nichts, was auch nur im Entferntesten einem Baum ähnelte. Nun, wenn man von dem Winzling da vorn absah. „So was?“

Sesshoumaru senkte seinen Blick entsprechend dem Zeigefinger seines Halbbruders. Baum? Er hatte mit einem üblichen Baum der gewöhnlichen Größe gerechnet. Dies war eine windgebeugte Tanne, allerdings keinen Meter hoch. Er trat hin. Suigin hatte gesagt, dass man über diesen Baum den Magier rufen könnte, allerdings auch darauf hingewiesen, dass dessen Bedingungshandel nur für Schneefrauen angenehm waren. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er eine Bedingung nicht erfüllen konnte. Und falls dieser Shiraga ganz eigenartige Vorstellungen hatte, so war ja immerhin noch der Hanyou da, dessen Blut angeblich so wertvoll war.

Moment. Hatte er gerade gedacht, das Halbblut sei nützlich? Was war denn mit ihm los? Gleich. Jetzt musste er nur den Magier rufen, dann wäre diese Reise doch wohl endlich bald beendet. Bokuseno würde noch etwas zu hören bekommen. Diese ganzen Unannehmlichkeiten waren nur die Schuld des Baumgeistes. Andererseits musste er zugeben, dass der an sich und das Überleben seines Volkes gedacht hatte – und er selbst hatte die Entscheidung getroffen, zu der Insel zu reisen und noch dazu in dieser Begleitung. Nun, letzteres nur um Tessaigas Willen.

Er legte die Hand an die Spitze des kleinen Baumes: „Shiraga. Wo auch immer du bist – erscheine.“
 

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Das tut der Meistermagier im nächsten Kapitel. Nachdem er zu Sesshoumarus Begeisterung Bedingungshandel mit Schneefrauen lobt, verlangt er natürlich einen gewissen Preis für seine Informationen. Immerhin hat er welche^^.
 

bye
 

hotep

Meister Shiraga

Der Meistermagier des Winterlandes versucht seine "Pflichten" über Bedingungshandel loszuwerden...
 

20. Meister Shiraga
 

Einige Sekunden geschah nichts, ehe eine Böe aufkam. Und dann erschien ein älterer Mann scheinbar aus dem Nichts vor den Hundebrüdern, gekleidet in eine bestickte schwarze Robe, die ihm bis zu den Knöcheln reichte. Darunter zeigten sich Stiefel. Er war ebensogross wie Sesshoumaru, aber von kräftigerer Statur. Um die Schultern lag das graue Fell eines Tieres, das die Hundebrüder nicht kannten. Seine langen, weißen Haare fielen über den Rücken. Er schien ein wenig erstaunt, meinte jedoch:

„Ihr wollt mich sprechen, Jungs?“

Da Sesshoumaru anscheinend schweigen wollte, antwortete Inuyasha: „Wenn du Shiraga bist…“

„Im Allgemeinen spricht man mich mit Meister Shiraga oder Shiraga-sama an, junger Hundeyoukai…oh, ein Hanyou. Wie interessant. Und selten. – Aus der Tatsache, dass ihr hier seid, schließe ich, dass euch eine Schneefrau gesagt hat, wie ihr mich finden könnt. Bedingungshandel mit ihnen sind doch immer recht…reizend.“ Leises Amüsement schwang in seiner Stimme.

Das konnte Sesshoumaru weniger finden, aber er schwieg weiterhin. Hoffentlich würde dieser Kerl nicht vor dem Halbblut ausplaudern, worin Bedingungshandel mit Schneefrauen bestanden. Anscheinend lief das immer derart ab.

Inuyasha guckte nur verständnislos.

So fuhr der Magier fort: „Was wollt ihr?“

Der Hanyou zuckte ein wenig die Schultern: „Äh, na ja…der Herr der Echsen erzählte uns, du kannst uns sagen, wie wir die Quelle des Lebens wieder zum Laufen bringen.“

„Ihr hattet einen Bedingungshandel mit ihm?“ Das klang neugierig. Schließlich waren Bedingungshandel mit diesem nicht ganz ohne.

„Nicht richtig“, gab Inuyasha zu: „Er fand uns anscheinend seit Tagen unterhaltsam und weil die Cassana meinte, dass wir die Auserwählten sind…“

„Die Auserwählten und die Quelle des Lebens also. Hm. Was wollt ihr denn dort?“

„Muss ich das jedes Mal von vorne erklären?“ seufzte der Hanyou, lieferte jedoch einen Kurzbericht: „Und anscheinend halten sie uns jetzt darum für die Auserwählten. Also. Kannst du uns einen Tipp geben oder nicht?“

„Ich kann euch weiterhelfen, ja.“ Der Magier sah sich um: „Kommt einmal mit.“ Er führte sie auf einen Hügel, von dem aus man einen weiten Blick über die Ebene hatte. Mit einer Handbewegung ließ er ein großes Zelt erscheinen. Als er das Erstaunen des jüngeren der Hundebrüder bemerkte, lächelte er: „Hat dir niemand gesagt, dass ich ein Zauberer bin?“

„Schon…“ Aber dennoch hatte er nur sehr selten gesehen, dass so etwas Großes aus dem Nichts erschien.

„Kommt herein und setzt euch.“ Er schob die Zeltbahn beiseite. Es begann zu schneien und da war ein Zelt doch ein angenehmerer Aufenthaltsort.

„Deine Bedingung.“ Sesshoumaru wollte keine Zeit verschwenden. Und nach dem, was die Schneefrau gesagt hatte, waren die Bedingungshandel des Magiers in der Regel für seine Partner unangenehm bis gefährlich.

„Einen Moment, Sohn des Inu no Taishou. Setzt euch.“ Shiraga ließ sich selbst nieder und zog aus seinem Gewand eine schimmernde Kugel von der Größe eines Kinderkopfes heraus, die er zwischen sich und seine Besucher legte.
 

„Sohn des Inu no Taishou“, dachte Inuyasha plötzlich. „Gleich, was er macht, er ist immer Vaters Sohn. Und sogar wenn er das Seelenturnier gewinnt, hat er auch nur mit ihm gleichgezogen…“

Er selbst hatte ihren Vater ja nie kennen gelernt, aber vielleicht war das nicht einmal so schlecht. So war er er selbst, und niemand verglich ihn, schon gar nicht er selbst sich, mit ihm. War es das, was Sesshoumaru so kalt machte? Dass er in Vaters übermächtigem Schatten stand und dem nicht entkommen konnte? Er verdrängte diesen Gedanken wieder. Wichtiger war nun, was dieser dämliche Magier wollte.
 

Shiraga nickte ein wenig: „Ich kann euch in der Tat Auskunft geben, was geschah und den Weg weisen. Aber natürlich gibt es das nicht umsonst. Ihr kennt Bedingungshandel. – Falls ihr jedoch wirklich, wie die Hüterinnen meinen, die Auserwählten der Legende seid, die das Wasser dem Land des Sommers zurückbringen, werde ich euch die Auskunft nicht verweigern. Ich gebe zu, dass einiges dafür spricht, da hatten die Cassanas wohl Recht. Und immerhin schient ihr dem Herrn der Echsen glaubwürdig genug. Seid ihr allerdings nicht die Auserwählten, werde ich nichts sagen.“

„Ach. Und wie willst du das feststellen?“ fragte Inuyasha, den die Spielregeln dieser Insel langsam aber sicher nervten.

„Nur eine kleine Probe.“ Shiraga lächelte ein wenig: „Ihr wollt weiter, merke ich schon, junge Hunde. Aber Ungeduld wird euch nicht schneller an euer Ziel bringen. Seht in meine Kugel. Beide gleichzeitig. Ich werde danach wissen, was ihr seid.“

„Und was soll das?“

„Ihr seht in die Kugel und ich sehe eure Herzen“, erklärte der Magier friedlich: „Ihr habt die Zeremonie der…hm...Heirat, oder eher Verbrüderung von Cassana und Raglah erlebt, zusätzlich seid ihr sowieso Brüder. So sollten eure Herzen gleich sein, ihr einig. Und nur in diesem Fall seid ihr die Auserwählten der Legende.“

Die Halbbrüder tauschten unwillkürlich einen Blick. Sie und so einig, dass das für ihn zählte? Das war selbst nach den Abenteuern der letzten Tage, vor allem dieser unsäglichen Fusion, mehr als unwahrscheinlich.

Daher meinte Inuyasha: „Und wenn dem nicht so ist?“

„Werde ich euch auch keine Auskunft geben. Allerdings wäre ich dann so…hm…nett, allen Yuki onna zu sagen, dass ihr hier seid. Sie freuen sich immer über junge Männer, die ihnen ein wenig Wärme geben, ehe sie zurück ins Mirtal kehren.“ Er erkannte an der unwillkürlichen Verärgerung, dass in der Tat der Ältere schon zumindest zwischen den Zeilen die Ansichten der Schneefrauen über Bedingungshandel und Wärme kennen gelernt hatte. Die Yuki onna würden sich über diese beiden starken Kämpfer sicher mehr freuen als über einen gewöhnlichen Krieger der Wüste, der gegen ihn verloren hatte. In der Regel konnten diese nicht mehr zurücklaufen, sondern mussten auf einer Trage zwischen den Miwos liegen – gewöhnlich mit Erschöpfungszuständen und mit Ermüdungsbrüchen des Beckens. Das musste er den Hundejungen allerdings nicht im Vorfeld sagen, zumal der Ältere wohl durchaus schon einen kleinen Vorgeschmack erhalten hatte. Und er selbst hätte eine Weile Ruhe vor den Schneefrauen.

„Na, wie toll“, murrte der Hanyou. Aber wenn sie wissen wollten, wie sie diese dämliche Quelle des Lebens wieder zum Laufen bringen würden, um endlich die Scheiden baden zu können, waren sie wohl auf die Auskunft dieses Magiers angewiesen.

„Also?“ Shiraga deutete auf seine Kugel.

Widerwillig gehorchten die Hundebrüder und blickten in diese. Sie konnten nichts erkennen, aber sie waren sicher, dass der Magier dies tat.
 

Shiraga musterte seine Kugel, als er tiefer und tiefer in die Herzen seiner Besucher eindrang, immer abwechselnd von einem zum anderen blickend.

Bei beiden fand er Gefühle, die er bei derartigen Kriegern erwartet hatte: Stolz, ja, Arroganz, die aus dem Wissen resultierte, der Beste zu sein, Mut, aber auch eine gewisse Ehrbarkeit. Und ein tief sitzendes Beschützergefühl.

Aber da waren auch Dinge, die ihn überraschten: die Empfindung der Einsamkeit, der Wunsch nach Anerkennung….bei dem Älteren wohl nach der des Vaters, bei dem Jüngeren nach der Wertschätzung des Bruders.

Sie waren sich in der Tat ähnlich. Und, was ihn am meisten interessiert hatte: keiner der beiden hatte auch nur den Hauch eines Wunsches über die Quelle des Lebens Unsterblichkeit zu erlangen, oder auch nur einen Teil oder die gesamte Insel der Vier Jahreszeiten zu beherrschen. Selbst, wer die Schuld am Verschwinden des Wassers trug, ließ sie kalt. Alles, was sie wirklich wollten, war die Scheiden ihrer Schwerter in der Quelle des Lebens zu baden.

Warum? Er suchte tiefer, bis er bei beiden Erinnerungen daran fand, dass sich der Jüngere verwandelt hatte, in eine rasende, blutdürstige Bestie, die nur der Halbbruder mit Gewalt zähmen konnte. Das sollte durch die Quelle des Lebens verhindert werden, würde er doch auf solche Art grässlich umkommen. Und Shiraga gab zu, dass dies ein ehrbarer Grund war, den er nachvollziehen konnte.
 

Er blickte auf: „Nun, so werde ich euch die Auskunft geben, die ihr wollt.“

Erneut tauschten die Hundebrüder einen Blick. Waren sie sich wirklich so einig, so ähnlich? Das konnte keiner von ihnen glauben. Aber gleich, was der Zauberer gesehen haben wollte, wichtiger war, dass er seinen Teil des Handels nun erfüllte.

„Also?“ sagte Inuyasha daher.

„Der Herr der Echsen sagte euch ja schon, dass die Städter des Mirtal nach Adamant gruben, viel zu tief gruben. Dabei störten sie ein Wesen des Abgrundes auf, dessen Magie…nun, fremdartig war und ist. Ihr habt sie bereits kennen gelernt. Zunächst nutzten die Städter, arglos in der Kunst der Zauberei wie sie waren, die Magie, die in dem Adamant eingeschlossen war. So entstanden die Arena und ihr Zauber. Dann jedoch gruben sie noch tiefer und das Wesen, der Herr des Abgrundes, erwachte. Ich weiß nichts weiter über ihn. - Es kam zu den Erdbeben, die das Wasser versinken ließen. Auch Ygga, das Land des Winters war betroffen. Aber dazu später. Der Erwachte suchte nach dem magischsten Platz unter dem Gebirge. Dies war die Quelle des Ursprungs. Dort liegt er bis heute. Und damit liegt er auf dem eigentlichen Ausgangspunkt der Quelle des Lebens, ja, allen Wassers. – Ihr habt die Ubi getroffen? Auch ihre Magie stammt von ihm. Warum auch immer er den Felsturm damit speist, auf dem sie leben. Sie waren bereits früher ein räuberisches Volk im Mirtal, doch seit dem besitzen sie diese Magie, die alle anderen fürchten. Selbst ich käme dagegen nur schwer an. Es ist der Zauber der anderen Welt.“

„Also müssen wir nur hingehen, diesen Typen umlegen und das Wasser fließt wieder?“ fasste Inuyasha zusammen. Warum alle immer so kompliziert daher reden mussten.

„Das dürfte auch für euch nicht ganz so einfach sein, selbst, wenn ihr das Seelenturnier gewonnen habt.“ Shiraga bemerkte durchaus, dass seine Besucher am liebsten schon wieder gehen wollten: „Ich kann euch sagen, wie ihr dorthin kommt. Ungeduldige Hundejungen!“ Er war nicht gewohnt, derartig taktlos behandelt zu werden.

„Ja, und wie kommen wir dorthin?“

„Ich werde euch eine Schneekatze mitschicken, die euch zum Gletscher Hori begleitet. Dort beginnt ein ausgedehntes Höhlensystem, das unter die Berge des Schattengebirges führt. Wenn ihr dort hinuntergeht...nun, ihr seid Hunde, also werdet ihr das Wasser wittern können. Folgt diesem Geruch und ihr werdet zu den Ausläufern eines Sees gelangen, der sich unter fast dem gesamten Ygga erstreckt, allerdings unter einem dicken Eispanzer. Auch dies war eine Folge der Erdbeben und des Erwachens des Abgrundwesens. An dessen Ufer hat sich der einstige Herr des Binnenmeeres des Mirtal mit meiner Hilfe zurückgezogen, als sich sein Wasser in eine Salzwüste verwandelte. Er wird euch den Weg weiter beschreiben.“

„Und wieder was wollen“, murrte Inuyasha.

Shiraga lächelte: „Umsonst ist nur der Tod, junger Hanyou. – Aber ich vermute, wenn ihr ihm sagt, dass ihr vorhabt, die Quelle des Lebens und damit das gesamte Wasser wieder in Ordnung zu bringen, wird er keine weiteren Wünsche haben. Das liegt jedoch allein bei ihm. – Ihr habt bereits eine Schneekatze kennen gelernt, nicht wahr? Prinzessin Kazari?“

„Äh, ja.“

Der Magier hob etwas die Hand. Für die Hundebrüder klang es, als ob von dieser ein schriller Pfiff ausging, der in ihren Ohren schmerzte. Shiraga bemerkte es: „Ich hätte euch vorwarnen sollen. Tut mir Leid. Sie wird gleich da sein.“

„Du kommandierst Schneekatzen?“

„Ich bin der Meistermagier Shiraga, junger Hanyou!“ Das klang nachdrücklich. „Ich bin der Berater der Schneekönigin und jedes Wesen im Ygga, aber auch der Herr der Echsen respektiert mich und meine Fähigkeiten. Wenn ihr nicht die Hoffnung des Mirtal wärt, würde ich euch eure Grenzen aufzeigen.“

„Das hättest du mal lieber bei diesem Abgrundtypen versuchen sollen“, antwortete Inuyasha prompt.

Shiraga stellte für sich fest, dass er in den gesamten Jahrhunderten seit Abschluss seiner Lehrzeit sich so etwas nicht hatte bieten gelassen - oder auch nur bieten lassen müssen. Selbst die Königin sprach ihn mit dem ehrenden -sama an. Entweder diese beiden wollten schlicht nicht wissen, wer und was er war – was er fast glaubte – oder sie waren ihm an magischen Fähigkeiten überlegen. Aber das hätte er bei der Probe feststellen müssen. Was für schlecht erzogene Bengel!

Ein Geräusch vor dem Zelt enthob ihn jedoch einer Antwort, sicher zum Glück des Hanyou.

Kazari blickte herein: „Ihr habt gerufen, Shiraga-sama.“ Ein rasches Lächeln galt Inuyasha.

„Ja, Kazari-hime. Begleite diese beiden zum Gletscher Hori, zum Beginn des Baches und der Höhlen.“

„Natürlich.“ Sie bemühte sich sichtlich, ihre Neugier zu unterdrücken: „Dann folgt mir. Es schneit, aber ich denke nicht, dass das euch viel ausmachen wird….“ Da die Halbbrüder schon aufstanden, sparte sie sich den Rest und ergänzte nur: „Wir werden in fünf Stunden dort sein. - Weitere Wünsche, Shiraga-sama?“

„Nein. Geht nur.“ Der Magier rechnete nach seinen letzten Erfahrungen nicht mit einer Verabschiedung und war nicht überrascht, als er kein „Auf Wiedersehen und danke für die Information“ hörte.
 

Als seine Besucher gegangen waren, verließ auch er das Zelt. Eine Handbewegung brachte es zum Verschwinden. Bewegungen im Schnee lenkten sein Augenmerk auf den Boden. Eine kleine weiße Eidechse eilte durch die Kälte. Noch ehe er sich darüber wundern konnte, wie sie es hier aushielt, veränderte sie sich, wuchs, bis schließlich der riesige Herr der Echsen neben ihm stand.

Shiraga blickte empor: „Du hast diese unhöflichen Jungen zu mir geschickt.“

„Unhöflich? Wenn das das Schlimmste ist, was dir dazu einfällt, mein Lieber.“ Tokage schien zu lächeln: „Sie haben deine Probe also bestanden.“

„Ja. Ich habe sie zum Gletscher Hori geschickt. Von dort können sie unter die Berge gelangen. Ich muss mich deiner Meinung anschließen, dass sie durchaus die Auserwählten sein können. Sie sind gute Krieger – aber keine Eroberer. Sie haben getötet und werden töten – aber nicht aus Blutgier. Und sie haben bislang ihr Blut schon gegeben, um ehrenhaft die Bedingungshandel zu erfüllen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie mit dem Herrn des Abgrundes ebenso fertig werden können, wie mit den Hindernissen bisher ….“

„Sie besiegten die Magie der Seelenarena. Und damit seine.“

„Ein jämmerlicher Abklatsch. Und das weißt du auch.“

Der Herr der Echsen zuckte die Schultern: „Wir werden es ja sehen. In jedem Fall halte ich sie für die größte Hoffung, die das Mirtal – und das Ygga – seit dem Untergang des Wassers je hatten, haben konnten.“

„Da sind wir uns einig. Warum kamst du her? Neugier?“

„Natürlich. Und du weißt selbst, dass es in diesem Land nur wenig Echsen gibt, ich also nur wenig über sie an Neuigkeiten erfahren kann.“

Shiraga nickte etwas: „Darf ich dann fragen, was du vorhast, wenn sie siegen sollten?“

„Du als Meistermagier solltest wissen, dass man keine Pläne schmieden soll, ehe die Tatsache eingetreten ist. Aber natürlich werde ich dann meinen Platz öffentlicher einnehmen.“

„Der beste Herrscher ist der, den man nicht kennt.“

„Ein weises Wort, Shiraga. So hält es auch die Schneekönigin. Und doch weiß jeder, wer sie ist.“

„Ich verstehe. – Kannst du die beiden auch unter dem Gletscher, unter den Schattenbergen beobachten?“

„Ja. Was bietest du mir dafür, wenn ich dich mit zusehen lasse?“

„Eine Neuigkeit.“

„Ich höre.“

„Meine verehrte Königin erwartet einen Erben.“

„Hm. Und der Vater?“

„Mein Bester…“

Tokage hob ein wenig die Klaue, die bläuliches Licht umspielte. In deren Schein waren darin die Hundebrüder zu erkennen, die der Schneekatzenprinzessin über die Vorberge folgten.

Der Meistermagier seufzte fast unmerklich: „Na schön. Du weißt es doch sowieso, nicht wahr?“

„Es gibt im gesamten Land des Winters nur einen Mann, der dem Herzen der eisigen Königin so nahe steht…und der es schafft, alle Yuki Onna zufrieden zu stellen. Herzlichen Glückwunsch. Ich hoffe für dich, dass es ein Sohn wird, mit der Magie seines Vaters.“

„Danke. – Ich werde mein Zelt wieder errichten. Und dann sehen wir, was diese Hundebrüder zustande bringen.“ Shiragas Geste ließ sein Zelt erneut erscheinen. „Eines ist jedenfalls klar: falls sie es schaffen, das Wasser zurückzubringen, sind sie die Helden des Tages auf der gesamten Insel der Vier Jahreszeiten.“

„Legenden für ewig.“
 

Kazari wandte ein wenig den Kopf: „Ich würde euch eine Pause vorschlagen. Nicht, dass ich denke, dass ihr sie benötigt, aber ich möchte euch etwas sagen.“ Sie war lieber höflich. Diese beiden hatten immerhin Bedingungshandel mit einer Yuki Onna überstanden, und offenkundig auch einen mit Meister Shiraga höchstpersönlich.

Sesshoumaru blieb neben ihr stehen. Inuyasha folgte diesem Beispiel, ehe er sagte: „Was denn?“

„Ich hörte, vom Gletscher Hori aus könne man unter das Gebirge gelangen. Dort soll es sehr gefährlich sein. Aber du hast mir geholfen, ja, mich gerettet. Wenn du es willst, werde ich euch auch weiter begleiten.“

„Nein, das ist sicher nicht nötig“, antwortete Inuyasha prompt. „Du brauchst da nicht mit. Wir wollen nur das Wasser wieder zum Laufen bringen. Das ist doch nichts, was eine Schneekatze angeht.“

„Mich geht alles an, was du tust.“ Er hatte ihr Leben gerettet und nach dem Recht ihres Volkes gehörte das nun ihm.

Der Hanyou rieb sich ein wenig über die Nase: „Nein, Kazari…das ist schon in Ordnung.“ Er wusste zwar nicht, welche Fähigkeiten sie hatte, aber er würde sie doch nicht in Gefahr bringen.

„Wie du es willst. – Kommt weiter. Wir sind fast dort.“ Die Schneekatzenprinzessin wandte sich erneut zum Gehen.

Eine halbe Stunde später hielt sie erneut an: „Der Gletscher Hori.“

Die Halbbrüder traten neben sie und musterten ein wenig überrascht die Szenerie vor sich. Von den Gipfeln der Schattenberge schien ein Strom aus Eis geflossen zu sein, erstarrt in seiner eigenen Kälte. Er endete hier am Fuß der Vorberge, streckte sich wie eine Zunge in die Landschaft. Vereinzelt konnten sie weiter oben tiefe Spalten und Risse erkennen. Unten, am Ende des Gletschers vor ihnen, floss ein heller Bach aus dem Eis. Kazari nickte dorthin.

„Kommt. Shiraga-sama sagte, dass ihr unter den Gletscher gelangen sollt. Da gibt es nur einen Weg.“
 

Sie führte die beiden bis zu der Stelle, an der der Bach aus dem Gletscher trat. Unter dem Eis zeigte sich eine weite Höhle, die allerdings nicht dunkel war. Anscheinend drang zumindest zuerst durch das Eis noch genug Licht. Fraglich, wie lange dem noch so war. Den Hundebrüdern wurde klar, dass auf sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Wanderung, ja, ein Kampf in der Dunkelheit wartete. Aber keiner der beiden verlor einen zweiten Gedanken daran. Das war eben so, wenn sie endlich hier fertig werden wollten. Und das wollten alle beide. Je schneller, desto besser.
 

Am Beginn der Höhle blickte sie sich suchend um, ehe sie sich bückte und aus einer Nische eine durchscheinende Laterne nahm. Sobald sie sie berührte, leuchtete der Stein darin hell auf.

„Ah, so was hatten die Erdmenschen in den Höhlen von Karu auch!“ meinte Inuyasha erfreut: „Sehr schön. Gib her.“

„Erdmenschen?“ Aber die Schneekatzenprinzessin überreichte die Laterne.

„Heißen so. Sie leben zwischen dem Land des Frühlings und dem des Sommers.“

„Davon hörte ich nie. Aber ich habe das Ygga auch noch nie verlassen. Für eine Angehörige meines Volkes wäre es im Mirtal zu heiß. Die Wüstenbewohner können sich umgekehrt leichter an die Kälte anpassen.“

„Inuyasha“, unterbrach Sesshoumaru das Gespräch.

„Was denn?“

„Gehen wir.“
 

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Im nächsten Kapitel "Unter dem Schattengebirge" treffen die Hundebrüder auf den früheren Herrn des Binnenmeeres und andere Überraschungen, lästig bis gefährlich...
 

bye
 

hotep

Unter dem Schattengebirge

Die Hundebrüder kommen dem seltsamen Unbekannten immer näher, der eine Menge Ärger auf der Insel verursacht hat, und damit auch ihnen auf die Nerven ging...
 

21. Unter dem Schattengebirge
 

Kazari, die Schneekatzenprinzessin, sah den Hundebrüdern noch nach, als diese in der grünblauen Welt unter dem Gletscher verschwanden. Sie fand beide interessant, den jüngeren, ihren Lebensretter, sogar sehr nett. Aber anscheinend lief hier etwas ab, von dem sie keine Ahnung hatte. Wenn der Meistermagier ihnen half, waren sie wohl ganz besondere Jungs. Schade. Eigentlich…

Sie wandte sich ab, um wieder in der eisigen Welt ihres Volkes zu verschwinden.
 

Sesshoumaru ging neben dem Gletscherbach voran, gefolgt von seinem Habbruder, der wie schon in den Höhlen von Karu die seltsame Laterne trug, deren Stein Licht spendete. Es wurde dunkler, aber noch immer drang das Sonnenlicht durch das Eis des Gletschers.

Am Ende der Höhlung in der Eiszunge öffneten sich drei Gänge, die in die Tiefe führten. Shiraga hatte gesagt, sie sollten den Weg nehmen, der nach Wasser roch und so drehte sich der Hundeyoukai ohne zu zögern nach rechts, wählte diesen Eingang, der sie tiefer unter das Eis führte. Es wurde augenblicklich dämmeriger, aber noch immer erreichten einige Lichtreflexe diesen Ort. Noch war die Laterne überflüssig, aber Inuyasha war sicher, dass sie noch nötig werden würde. Umsonst hatte man sie nicht am Eingang deponiert.

Er betrachtete die Haare und den Rücken seines Halbbruders.

Sei es durch diese dämliche Fusion oder doch die Blutsbrüderschaft als Raglah und Cassana: er war immer sicherer, dass er Recht hatte. Sesshoumaru war einsam. Und es war für den sicher nicht einfach, immer in Vaters Schatten zu stehen. War das der Grund, warum er so besessen von Tessaiga war? Um endlich einmal Vater zu übertreffen? Aber das wäre doch auch Quatsch. Immerhin schien dem ja auch Tessaiga gehört zu haben. Allerdings musste er zugeben, dass selbst dieser arrogante Misthund aufgegeben hatte, ihm sein Schwert wegnehmen zu wollen, als er mitbekommen hatte, was die Folge wäre. Und er war auch bereit gewesen, ihn hier mit auf die Insel zu nehmen…

Warum eigentlich?

Und seit wann machte er sich so viele Gedanken um den?
 

Sesshoumaru folgte dem schrägen Gang immer tiefer unter das Eis. Rechts und links tauchten Felsbrocken auf, die im Gletscher eingeschlossen waren. Und ihm stieg immer deutlicher der Geruch nach Wasser in die Nase, nach einem riesigen Süßwasserreservoir. Dieser Magier hatte ja gesagt, dass sich ein See unter dem gesamten Land des Winters ausdehnen würde – warum auch immer. Der Witterung nach schien es zu stimmen.

Hoffentlich würde ihnen dieser ominöse frühere Herr des Binnenmeeres einmal ohne Bedingungshandel weitere Auskunft geben. Das war wirklich eine nervende Sitte auf dieser Insel. Und hoffentlich würden sie bald dieses Abgrundwesen treffen und töten können. War die Quelle des Lebens wieder da, konnten sie die Schwertscheiden baden und zurück auf das Festland gehen. Und er wäre seinen Begleiter los. Er hatte nicht die Absicht, anschließend gemeinsam mit dem törichten Halbblut nach Naraku zu suchen. Sollten der und seine Menschenbande doch allein ihr Glück versuchen. Der Pfad der Dunkelheit war auch gegen dieses Mischmasch abgehalfterter Dämonen eine mächtige Waffe. Und er, Sesshoumaru, würde Naraku töten, schon, um sich selbst zu beweisen, dass er der bessere war.

Warum sah er einen Hanyou als Konkurrenz an, dachte er gleichzeitig. Inuyasha brachte nur etwas zuwege, wenn er Tessaiga führte. Das Schwert war mächtig genug, selbst mit einem Halbblut eine äußerst gefährliche Waffe zu sein. Auch, wenn er zugeben musste, dass Inuyasha einige durchaus attraktive Fähigkeiten hinzugefügt hatte – sogar, wenn der erst mühsam lernen musste, wie man damit umgeht. Es wäre fast interessant zu sehen, wie der Hanyou den Pfad der Dunkelheit zähmen wollte. Das würde niemals gelingen. Selbst er hatte viele Mühen auf sich nehmen müssen, um das Meidou zu einem vollständigen Kreis zu öffnen.

Warum nur dachte er in der letzten Zeit immer öfter über Inuyasha nach? Weil sie zusammen unterwegs waren? Oder war dies eine Folge dieser überaus peinlichen Fusion? Oder gar dieser eigenartigen Blutsbrüderschaft?

Nein, letzteres war unwahrscheinlich. Immerhin teilten sie von Haus aus die Hälfte ihres Blutes. Leider.
 

Unwillkürlich witterten beide Hundebrüder genauer, als sie einen weiteren Geruch aus der Tiefe des Ganges vor ihnen bemerkten. Ätzend, widerlich geradezu. Inuyasha fühlte sich an den Gestank erinnert, der aus einem Loch im Boden in Kagomes Zeit gedrungen war. Kanalisation hatte sie das genannt. Aber das gab es hier doch wohl nicht? Immerhin wanderten sie nun durch die nur von der seltsamen Laterne in seiner Hand erleuchtete Dunkelheit unter dem Schattengebirge?

Vor ihnen schien allerdings wieder dämmeriges Licht zu sein. Gab es dort abermals Eis, durch das das Sonnenlicht dringen konnte? In jedem Fall begann dort wohl der See. Und irgendwo dort musste auch der Typ sein, an den sie der Magier verwiesen hatte.
 

Kurz darauf standen die beiden am Ufer eines Sees, der unendlich schien. Der Himmel über diesem riesigen Gewässer bestand aus Eis. Im matten, bläulichen Licht sahen sie sich um. Sie befanden sich auf einer Halbinsel. Neben ihnen war Fels, einige Höhlungen. Hier irgendwo sollte doch der ehemalige Herr des Binnenmeeres sein? Stammte dieser scharfe Geruch etwa von ihm?

Sesshoumaru sprang empor, als er etwas Schwarzes erkannte, das auf ihn zuflog – eindeutig eine Quelle der beißenden Witterung. Die weiche Masse schlug auf dem Felsboden auf, wo er eben noch gestanden hatte und brannte sich dort zischend ein. Er landete wieder, die Hand bereits am Schwert.

„He, was soll das?“ fragte Inuyasha dagegen laut: „Begrüßt du immer so Besucher?“ Aber er ließ die Laterne fallen und fasste nach Tessaiga, als er weitere dieser matschigen Gebilde erkannte, die aus einem Felsloch seitwärts von ihnen geschleudert wurden. Es war keine besondere Mühe, ihnen auszuweichen, aber es war mehr als lästig, zumal der Gestank auf diese Art zunahm. Lange war das mit ihren empfindlichen Nasen kaum auszuhalten.

„Ich empfange keine Besucher!“ sagte jemand. „Und schon gar keine Bewaffneten. Verschwindet. Ehe ich wirklich böse werde.“

„Uns schickt jemand namens Shiraga. Schon mal gehört?“ Inuyasha versuchte in der Dunkelheit der Felsspalte den Unbekannten zu erkennen. Da konnte niemand sehr großes hineinpassen, aber wer wusste schon, wie klein der Herr des Binnenmeeres war.

„Das kann jeder sagen. Verschwindet!“ Erneut schossen schwarze, stinkende Kugeln auf die Halbbrüder zu, die beiseite sprangen.

„Inuyasha.“

„Äh, ja?“ Er sah ein wenig irritiert zu Sesshoumaru. Wie hielten das bloß Jaken und Rin aus? Nie kamen irgendwelche Erklärungen….Aber dann bemerkte er, dass sein Halbbruder zu einem weiteren Gang blickte, der sich ein Stück vor ihnen öffnete. Einen Versuch war es wert. Womöglich kam man auf diese Art diesem unfreundlichen Typen in den Rücken. Immerhin sollten sie ihn nicht umbringen, zumindest nicht, ehe sie die notwendige Auskunft erhalten hatten. Wieso ließ sich dieser Idiot denn nur nicht auf einen Bedingungshandel ein wie sonst jeder? Er sprang hinüber zu der Öffnung, so auch weiteren der seltsamen Geschosse ausweichend.

Sesshoumaru zog Tenseiga. Den Pfad der Dunkelheit zu öffnen war sicher keine Option Auskunft zu erlangen. Aber das würde den Unbekannten bestimmt genug ablenken, um selbst Inuyasha die Möglichkeit zu geben, den zu ergreifen. So schlug er zu – bewusst seitlich zielend.

„Wa…“ brachte der Fremde heraus, sichtlich erschüttert.

Im nächsten Moment fand er sich in einem stahlharten Griff wieder, dann am Gürtel einfach hochgehoben.

„Ich hab da was gefunden…“

Inuyasha kam zurück, den Kleineren mit sich tragend, der eine entfernte Ähnlichkeit mit Jaken aufwies, auch, wenn sich Sesshoumaru nicht entsinnen konnte, dass sein Begleiter je einen derartigen Gestank verbreitet hätte. Er betrachtete schweigend den Gefangenen, den sein Halbbruder mit einem Schwenk so vor sich hob, dass er in seine Augen sehen konnte:

„Also, was soll das hier? Dieser Shiraga hat gesagt, dass wir hier den ehemaligen Herrn des Binnenmeeres finden können. Bist du das? Oder warum gehst du uns sonst auf die Nerven?“

„Lass mich los! Sofort!“ Hilflos ruderte der Gefangene mit Armen und Beinen. Auf diese Art sah er sich nicht in der Lage, seine Verteidigungsgeschosse zu aktivieren. Überdies waren die Fremden anscheinend sehr stark. „Was...was wollt ihr denn von…von mir…?“

„Nach dem Weg fragen. Wo können wir das Wesen des Abgrundes finden?“

Der Kleine schien fast an seinem eigenen Atem zu ersticken: „Da wollt ihr hin? In das Reich des Feuers?“

„Na, hört sich ja aufbauend an. Ja, dahin, wenn dieses Wesen da ist. Der Ursprung der Quelle des Lebens.“

Eine tiefe Stimme schien aus dem Fels vor ihnen zu dringen: „Die Quelle des Lebens. – Lasst Hakari frei.“

Inuyasha gehorchte nicht, drehte sich aber um: „Weißt du etwa, wohin wir müssen?“

„Oh nein, “ stöhnte Hakari: „Kingyo-sama! Ich wollte Euch beschützen!“

Daraus gab es nur einen einzigen Schluss. Inuyasha ließ den Kleinen fallen: „Kingyo, du bist dann also der ehemalige Herr des Binnenmeeres?“

„In der Tat, junger Hanyou. – Shiraga schickt euch?“ Der Fels schien sich zu bewegen, als der Bannkreis gelöst wurde. Jetzt erkannten die Hundebrüder einen riesigen Fisch, der in eine helle Blase eingeschlossen war, die ihn wohl in dem Gestein und vor der Austrocknung schützte: „Ihr wollt also den Ursprung finden und befreien?“

„Ja.“

„Warum?“

„Muss ich das jetzt immer jedem erzählen?“ seufzte Inuyasha, lieferte aber eine Kurzfassung: „Wenn wir unsere Scheiden gebadet haben, können wir zurück, gleich, was aus den Baumgeistern dann wird.“

Die Augen des Fisches musterten die Halbbrüder: „Interessant. Sehr interessant.“

„Kann ich dich auch noch was fragen? Ich meine, hier ist ein riesiger See…warum bist du stattdessen in der Wand?“

„Der See besteht aus reinem Süßwasser, junger Hanyou. Das Binnenmeer war halb Süß- halb Salzwasser. Ich könnte darin nicht überleben. Aber die Feuchtigkeit hier ist groß genug, dass ich in meinem Schutz bleiben kann. – Nun gut. Shiraga hat euch ja schon berichtet, dass ein Wesen dem Abgrund entstieg. Es lebt nun dort unten. Hakari wird euch dorthin begleiten.“

„Herr!“ stöhnte der: „Ihr wisst doch, dass es dort gefährlich ist…“

„Wenn die ersten Gegner kommen, kannst du gehen, mein armer Freund. Den Rest müssen sowieso diese Zwei ausführen.“ Kingyo klang fest: „Und ihr beiden….Der Herr des Abgrundes schützt sich durch allerlei Feuergeister.“

„Ach, zwei von der Sorte hab ich schon erledigt“, erklärte Inuyasha prompt: „Die arbeiteten für einen Hundeyoukai.“

„Sei nicht zu selbstsicher. Die Magie des Herrn des Abgrundes entstammt der anderen Welt.“

„Wir haben auch schon das Seelenturnier gewonnen, falls dir das was sagt.“

„Natürlich tut es das.“ Der einstige Herr des Binnenmeeres betrachtete noch einmal seine beiden Besucher: „Und ihr könntet in der Tat die Auserwählten sein, die das Wasser zurückbringen. Nun gut. Ich gebe euch noch weitere Auskunft. Hakari wird euch begleiten, solange er es wagen darf. Die Feuervögel werden auch ihm gefährlich. Nur einmal drang er tiefer vor, als er sich verirrt hatte.“

Sein Diener nickte eifrig: „Die Feuervögel sind schlimm genug. Aber dann gibt es auch noch andere Geister, wie fliegende, feurige Köpfe. Und danach wird es bestimmt noch ärger werden, ehe man bis zum Herrn des Abgrundes vordringen kann.“

„Auch, wenn ihr die Seelenarena überstanden habt: hütet euch vor der Magie des Abgrundes, dem Zauber des Jenseits, “ ergänzte Kingyo: „Nur dann habt ihr auch nur eine Möglichkeit, das Wasser zurückzubringen.“ Und dann wären die beiden Hundejungen, die hier vor ihm standen, auf der gesamten Insel Legenden für alle Zeiten. Und er selbst könnte endlich zurück nach Hause. „Nun gut. Wenn ihr den Herrn des Abgrundes getötet habt, wird die Quelle des Ursprungs wieder fließen. Und oberhalb im Mirtal wird die Quelle des Lebens neu beginnen, alle Quellen neu beginnen. Das ist aber noch nicht alles.“

„Nicht?“ Aber eigentlich war das alles, was ihn interessierte, dachte Inuyasha.

„Junger Hanyou, wunderst du dich nicht über diesen riesigen See?“

„Ja, jetzt, wo du es sagst…“

„Einst war hier ein Fluss aus süßem Wasser. Er floss unterirdisch unter dem Gebirge entlang bis in das Binnenmeer. Nur die Quellen und Bäche des Mirtal hätten nie ausgereicht, ein Meer zu erschaffen. Dieser Fluss war die Nährader meiner Heimat. Er wurde aufgestaut, als der Herr des Abgrundes erschien. Warum, vermag ich nicht zu sagen. Nur: wenn ihr diese Barriere beseitigen könnt, wird der Fluss, wird dieser See wieder das Binnenmeer speisen, die Salzwüste in Brackwasser verwandeln. Und der schwach salzhaltige Fluss aus dem Binnenmeer wird das Land des Herbstes erreichen, dies mit Wasser versorgen. Alle auf der Insel hätten wieder genug Wasser.“

„Alles klar.“ Aber der Hanyou sah zu seinem schweigsamen Begleiter, eine Geste, die seinen Halbbruder fast erstaunte.

Er meinte jedoch nur: „Der Herr des Abgrundes...“

„Wer oder was er ist?“ Kingyo seufzte. „Ein Wesen aus der Tiefe. Unter alten Gebirgen schlummern manchmal Geschöpfe aus den Anfängen der Welt. Alles, was ich weiß, ist, dass sein Auftauchen das Leben der Insel gründlich verändert hat. Und für niemanden zum Vorteil. In seinem Gefolge scheinen auch andere Wesen erwacht zu sein. Ich hörte von einem blutdürstigen Schatten…“

„Den haben wir erledigt“, erklärte Inuyasha sofort.

Die dunkeln Augen des Riesenfisches schienen aufzuleuchten, ehe er entgegnete: „Ihr scheint über gewisse Fähigkeiten zu verfügen, in der Tat. Dann geht mit Hakari.“ Da sich seine Besucher ohne weiteres Wort zu seinem Diener umdrehten und der Jüngere die Laterne aufnahm, ergänzte er: „Glaubt mir, ich habe nie zuvor jemandem so sehr Erfolg gewünscht.“

Irgendwie lag in dem Satz solche Traurigkeit, dass der Hanyou noch einmal den Kopf wandte: „He, ein bisschen Vertrauen ist auch angebracht. Wir sind nicht irgendwer.“ Er begriff plötzlich, dass er nie zuvor sich und Sesshoumaru derart als Einheit gesehen hatte. So oder so waren die letzten Tage doch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Nein, dachte Kingyo. Nicht irgendwer. Womöglich seid ihr wirklich die Auserwählten…
 

Hakari ging voran, gefolgt von Inuyasha. Dieser nahm eigentlich an, dass ihm sein Halbbruder ungewohnterweise den Vortritt gelassen hatte, da er die Laterne trug, aber das war nicht die Wahrheit. Für die empfindliche Hundenase war der Geruch, den der Kleine ausstrahlte, eine Qual. Wenigstens drei Schritte Abstand war da das Mindeste, wollte er bei potentiellen Gegnern überhaupt noch feststellen können, dass sie sich näherten. Aber er war eben notwendig. Diese Höhlen schienen in der Tat ein gewaltiges Labyrinth zu bilden und ohne Ortskundigen war es gewiss ebenso leicht sich zu verlaufen, wie es das in den Höhlen von Karu gewesen war.

Inuyasha war soeben zu dem gleichen Schluss gekommen: „Sag mal, Hakari, wo wartest du denn auf uns, um uns wieder zurückzubringen?“

Der seufzte: „Du bist sicher, dass du gewinnst, ihr gewinnt?“

„Natürlich. Ich…wir können nur gegeneinander verlieren.“ Er wollte nicht lügen, hatte seltsamerweise aber auch nicht das Bedürfnis zu erzählen, dass er derjenige gewesen war, der Sesshoumaru einen Arm gekostet hatte. Seit wann wollte er denn diesen Kerl schützen?

„Das mag bislang so gewesen sein“, meinte Hakari: „Aber das hier ist doch etwas anderes.“

„Erzähle mal.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wir werden bald zu einem Gang kommen, der abwärts führt, recht steil, aber er ist glatt geschliffen, so dass man nicht stolpert. Wenn man diesem folgt, gelangt man in ein weiteres Höhlensystem. Dort muss ich ab und an hin, um für Kingyo-sama…Material zu holen. Und dort trifft man auf die Feuervögel. Sie beschützen diese ….ja, dieses Labyrinth anscheinend. Einmal geriet ich auf der Flucht vor ihnen tiefer, weiter hinab. Und dort waren diese Feuergeister. Sie ..sie sehen aus, als ob sie nur aus einem Kopf bestehen, der glüht und Feuerfunken sprühen. Ihre Augen leuchten und ihre Zähne...oh…“ Er schüttelte sich bei der Erinnerung. „Ich weiß heute noch nicht, wie ich da wieder entkam. Aber ich bin sicher, dass es umso gefährlicher wird, je näher man dem Herrn des Abgrundes kommt.“

„Wer hat den Kerl eigentlich so genannt?“

„Shiraga-sama. Er erklärte meinem Gebieter, dass er den Anstieg der Magie spüren konnte, nachvollziehen konnte, woher der Unbekannte kam. Aber er weiß nichts über ihn. Immerhin konnte er Kingyo-sama helfen.“ In seiner Stimme lag etwas, das die Hundebrüder ahnen ließ, wie sehr er an seinem Herrn hing.

Sesshoumaru fühlte sich wieder an Jaken erinnert.

Inuyasha meinte dagegen nur: „Ja, war sicher toll. Also, wo wartest du nun auf uns?“

„Hier.“ Hakari blieb stehen und deutete vor sich: „Dort beginnt der schräge Gang, der in die Höhle der Feuervögel führt. Ich werde hier warten. Aber nur dreißig Stunden. Dann muss ich zurück und Kingyo-sama versorgen.“

„Dreißig Stunden?“ In der Wiederholung lag schiere Ungläubigkeit: „Sag mal, für was hältst du uns?“

Das sagte Hakari besser nicht: zumindest den Jüngeren für ein absolut arroganten, unwissenden Bengel, der keinerlei Höflichkeit kannte. Allerdings hatte er auch nicht den Eindruck, als ob der Ältere mehr Bescheidenheit an den Tag legen würde. Und beide schienen hochgradig gefährliche Typen zu sein. Wenn ihm etwas zustieß, würde sich doch niemand um seinen armen Herrn kümmern. „Ich werde hier warten“, bestätigte er daher nur.

„Inuyasha.“ Der Hundeyoukai ging bereits weiter. Es gab nichts weiter zu bereden.

„Ja, schon gut.“ Aha, diesmal sollte er wohl wieder hinterherlaufen. Leider waren die Gänge eindeutig zu schmal, um auf einer Höhe zu gehen.
 

Wie es Hakari schon erwähnt hatte, verlief der Gang steil schräg, immer tiefer unter das Schattengebirge. Die Laterne mit dem Stein spendete jedoch genug Licht, dass beide erkennen konnten, dass der Weg tatsächlich vollkommen eben war. Was das Gestein hier so abgeschliffen hatte, fragte sich allerdings keiner der beiden.

Nach knapp einer Viertelstunde erreichten sie eine große Halle. Im Licht der Laterne schien diese Kaverne kein Ende zu nehmen, aber ihre Nasen verrieten ihnen zweierlei: ein wahres Labyrinth von Gängen und ein Geruch nach Feuer. Da war allerdings noch eine Witterung, die Sesshoumaru veranlasste, sich nach rechts zu wenden. Inuyasha war sofort neben ihm.

„Was ist?“ fragte er, unwillkürlich ein wenig leiser.

„Frag deine Nase.“

Der Hanyou zog diese ein wenig kraus, ehe er begriff, dass dieser dumme Hund recht hatte: Dort drüben war die Luft ein wenig dumpfer, verriet, dass es dort weiter in die Tiefe ging. „Keh!“ machte er: „Du willst nicht gegen die Feuervögel kämpfen?“

„Nutzlos.“ Oder wollte ihm das Halbblut etwa Feigheit unterstellen? Das sollte er verhindern, auch, wenn das eine Erklärung bedeutete: „Ich vermeide stets sinnlose Kämpfe. Und das Ziel ist der Herr des Abgrundes.“

„Hm.“ Inuyasha hätte gern etwas zu dem Thema: sinnlose-Kämpfe-vermeiden gesagt, aber die Höhlen unter dem Schattengebirge, zumal mit diesem seltsamen Abgrundwesen vor sich waren wohl kein passender Platz für ein weiteres Duell.

Im nächsten Moment ließ ein Rauschen die Halbbrüder herumfahren. Die gesamte riesige Höhle wurde plötzlich erleuchtet. Die Ursache war so deutlich erkennbar. Etwas wie ein Schwarm Vögel schoss auf sie zu. Noch während der Hanyou die Laterne fallen ließ und zu seinem Schwert griff, dachte er, wie schön sie eigentlich aussahen: bläuliches Feuer umhüllte sie, schien ihre Schwingen zu bilden. Ein Leib war so nicht zu erkennen. Auch über dem, was wohl der Kopf war, stand dieser Energie. Es mochten an die fünfzig Exemplare sein. Und er begriff, dass dieses Feuer kein gewöhnliches war. Damit sollte man nicht in Berührung kommen.
 

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Leichter gesagt als getan. Im nächsten Kapitel: Im Reich des Feuers dürfen sich die beiden mit Feuervögeln, Lampiongeistern und Feuerratten herumschlagen, was ihre Laune nicht gerade hebt...
 

bye
 

hotep

Im Reich des Feuers

Die lieben Brüder - Halbbrüder - nähern sich an. Das könnte hilfreich sein...
 

22. Im Reich des Feuers
 

Die seltsamen, bläulich leuchteten Feuervögel schossen auf die Hundebrüder zu, die einige Schritte auseinander und doch nebeneinander stehend den Angriff erwarteten. Inuyasha warf einen unwillkürlichen Blick zur Seite, ehe er die Windnarbe losrasen ließ. Die Feuervögel schienen dadurch in der Tat verwirrt zu werden. Ihre hell leuchtenden Flügel flatterten ein wenig hilflos, aber zum Leidwesen des Hanyou fingen sie sich rasch und setzten ihren Angriff fort. Das war also wohl keine Option. Im nächsten Moment erkannte er, dass sein Halbbruder einige Sprünge nach vorn machte, auf die Angreifer zu, und mit der Klinge zuschlug. Der Vogel, der so zerteilt wurde, löste sich in einer Wolke von blauen Feuerpünktchen auf, die rasch erloschen.

Inuyasha begriff. Die musste man anscheinend im Nahkampf erledigen. Woher auch immer Sesshoumaru das schon wieder wusste. Es war manchmal, nun, meistens, wirklich nervtötend immer als der dumme kleine Bruder dazustehen. Immerhin, bestätigte er sich selbst, hatte er in den letzten Tagen durchaus auch schon gute Ideen gehabt.

Aber dann ließ er lieber das Denken sein. Die Feuervögel waren schnell und in der Überzahl und er wollte nicht ausprobieren, wie heiß sie waren. Zwar würde ihn sein Gewand aus Feuerrattenhaaren beschützen, aber er besaß genügend Körperstellen, die ungesichert waren. Wenn er die Attacken richtig einschätzte, gingen die Vögel sowieso auf ihre Gesichter, ihre Köpfe los.

Die Halbbrüder mussten dauernd in Bewegung bleiben, um zum einen den Angreifern auszuweichen, zum zweiten zuschlagen zu können. Mit jedem Vogel, den sie töteten, wurde es wieder dunkler in der Felsenhalle, allerdings hatten sie bald gelernt, ebenfalls anhand der Witterung die Feuervögel zu orten. Es erwies sich auch so schon als schwierig genug, dem anderen auszuweichen, den nicht in seinem Kampf zu behindern, etwas, dass beide vollkommen unbewusst beachteten. Sie waren inzwischen zu sicher, dass nicht auch der jeweils andere seinen Part in diesem Streit übernehmen würde.
 

Auf einmal erlosch jede Helligkeit in der Höhle bis auf die Laterne mit dem leuchtenden Stein, die Inuyasha zuvor abgestellt hatte. Die Hundenasen verrieten nur zu deutlich, dass sich die Überlebenden zurückgezogen hatten. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Aber es war nichts anderes zu erkennen.

Der Hanyou hörte, dass Sesshoumaru seine Waffe zurücksteckte und folgte diesem Beispiel, um die Laterne aufzunehmen. Soweit er wusste, war die Nase seines Halbbruders noch feiner als die seine. Wenn selbst der nichts mehr wahrnehmen konnte, hatten sie wohl diesen Teil bestanden.

„Sag mal“, begann er dann: „Woher wusstest du, dass man die Feuervögel nur direkt erledigen kann?“

Der Hundeyoukai zögerte für einen Moment, ehe er doch antwortete: „Ich traf einmal jemanden, der ähnliche als Attacke einsetzte.“

„Ich denke mal, der ist tot.“ Darin lag keine Frage.

„Natürlich.“

„Mit Vater…?“ entfuhr es dem Hanyou, ehe ihm klar wurde, dass er gerade genau das Gleiche getan hatte, wie so viele: er verglich Vater und Sohn. So ergänzte er hastig: „Nein, hier wart ihr ja nie.“

Sesshoumaru wandte sich nur schweigend ab, um weiter, tiefer unter das Schattengebirge zu gelangen. Das verdiente keine Antwort.

Inuyasha folgte ihm wortlos. Selten genug in seinem Leben hatte er ein derartiges Gefühl gehabt, gerade in ein Fettnäpfchen ungeahnten Ausmaßes gesprungen zu sein. Wenn er so etwas bei Kagome fühlen könnte, wäre das wohl rückenschonender. Bei ihr wusste er oft genug überhaupt nicht, was nun schon wieder los war. Oder sie weinte, und er hatte keine Ahnung, warum. Womöglich sollte er nachdenken, ehe er etwas sagte? Aber er war eben impulsiv, das wusste er doch selbst.

Für eine Weile betrachtete er den Rücken seines Halbbruders vor ihm. So stark und mächtig der auch war – er entkam nicht seiner Vergangenheit. Wie er selbst auch nicht. War das der Grund, warum sie sich nicht verstanden? Immerhin liefen sie hier schon seit Tagen gemeinsam ohne großen Streit durch die Gegend und er zumindest konnte langsam verstehen, wie sich der ach so tolle Herr Hundeyoukai fühlte. Nicht zuletzt, dank dieser Sphinx-Fusion. Eigentlich hätte man diesem…wie hieß er doch gleich… Che-Sepsis dafür noch eine verpassen sollen. Aber, das war nun auch schon egal. Sie würden den Herrn des Abgrundes gemeinsam töten, wie sie bislang alles auf der Insel gemeinsam getan hatten. Nun, fast alles. Dann konnten sie endlich die Scheiden baden und zurückkehren.

Die Scheiden und die Schwerter ja…

Das war auch wieder Vaters Werk….

Ohne weiter nachzudenken sprach er doch abermals aus, was er dachte: „Es ist kalt in Vaters Schatten, nicht wahr?“

Er hatte mit keiner Antwort gerechnet und Sesshoumaru ging auch weiter, als sei nichts geschehen, aber der Hanyou glaubte für einen Moment etwas wie Bitterkeit empfunden zu haben - ein Gefühl, das nicht von ihm selbst ausgegangen war.
 

Aber dann war etwas anderes wichtiger. Unter ihnen, vor ihnen, war erneut der Geruch nach Brennendem. Das würden wohl die Feuergeister sein, die nur aus Köpfen bestanden, wie Hakari ihnen erzählt hatte, obwohl sich das keiner der beiden so richtig vorstellen konnte. Andererseits hatten sie schon zu viele magische Wesen gesehen, um sich überhaupt noch über eines mehr zu wundern. Wichtig war nur, dass sie an denen vorbeikamen und weiter zum Herrn des Abgrundes vordringen konnten.

Sie erreichten erneut eine größere Höhle, von der aus vier verschiedene Gänge weiterführten, und blickten sich kurz um. Nichts war zu erkennen, aber auch die Feuervögel waren schnell gewesen – und aggressiv.

Inuyasha hob ein wenig die Laterne: „Vier Gänge zur Auswahl...na toll. Der dämliche Kerl hätte doch ein Schild anbringen können, wo er wohnt…“

„Hat er“, kam die überraschende Antwort, ehe sich Sesshoumaru zu dem Gang wandte, aus dem er den deutlichsten Geruch von Feuer wahrnehmen konnte. Nach Feuer und etwas Lebendigem.
 

Nur Minuten später erreichten sie eine weitere Sohle, eine Halle, die hell erleuchtet wurde von fast zwanzig schwebenden Feuerwesen, die man auf den ersten Blick für Lampions hätte halten können, wären da nicht die Augen gewesen – und die bemerkenswert scharfen und großen Zähne in den Mäulern. Die Halbbrüder zogen unverzüglich, in der Gewissheit, dass das ein weiteres Empfangskomitee des Herrn des Abgrundes war.

Der Hanyou setzte noch die Laterne ab, ehe er fragte: „Kennst du die etwa auch?“

Statt einer Antwort schleuderte Sesshoumaru mit einer harten Armbewegung seine Energie in die Geister. Wer davon getroffen wurde, löste sich, wie schon die Feuervögel, in einem Nebel aus bläulichen Funken auf.

„Na schön…“ murrte Inuyasha. Nie sagte einem einer was. „Kaze no kizu!“

Sie blieben unwillkürlich erneut auf einer Linie stehen, als sich die Feuerwesen aufteilten und versuchten, seitwärts an sie zu gelangen. Keiner der Hundebrüder verspürte die mindeste Lust, Bekanntschaft mit den Zähnen zu machen und so schlugen sie ihre Angriffe weiter.

Nur, um festzustellen, dass sie ihre Gegner unterschätzt hatten.
 

Die Lampiongeister, die sie vernichtet glaubten, waren in Funken aufgestoben. Aber wo die Feuervögel auf diese Art endgültig verschwunden waren, sammelten sich diese nun an einer Stelle, bildeten ein zunehmend dichter werdenden Nebel. Als die Halbbrüder endlich darauf aufmerksam wurden, war bereits ein einziges Feuerwesen entstanden, ebenso kugelrund wie die kleineren, die noch um sie schwirrten, allerdings mit einem Durchmesser von fast drei Metern.

„Mist“, murmelte Inuyasha, der zwar wusste, dass Größe nicht gleich Stärke war, aber ungemütliche Erinnerungen an die immer stärker werdenden Zombies der Seelenarena besaß: „Wie in der Arena.“

Das wurde seinem älteren Halbbruder gerade auch bewusst: „Zerstöre die restlichen.“

„Was?“

Man konnte doch nicht auf Ohren sitzen, die oben am Kopf angebracht waren? „Zerstöre sie!“ Ohne weiter auf diesen Mischling zu achten, machte Sesshoumaru einen Satz voran, um dem neu entstandenen Wesen zu zeigen, dass er sein Gegner wäre. Trotz allem hatte er in den vergangenen Tagen genug Vertrauen sammeln können, um zu wissen, dass der Hanyou seinen Teil erledigen würde.
 

Etwas verständnislos befolgte Inuyasha die Anweisung und wich etwas zurück, um sich den restlichen Lampionwesen zu stellen. Was versprach sich Herr Ach-so-perfekt denn davon? Auch diese würden doch zu dem Größeren schweben, das noch ausdehnen? Wollte er alle auf einen Haufen haben, um dann das voluminösere Monster zu zerstören?

Klar, erkannte er, wie in der Seelenarena. Da hatte er auch dafür sorgen sollen, dass alle Widersacher auf einem Platz versammelt waren. Also hatte der liebe…nun, nicht ganz so liebe Herr Halbbruder seine Idee tatsächlich aufgegriffen? Ihm einmal zugehört? Interessant. Das war allerdings im Moment unwichtig, und so jagte er erneut die Windnarbe gegen die fliegenden Feuerwesen. Wer davon getroffen wurde, löste sich in viele bläulich leuchtende Funken auf, die unverzüglich zu dem neu entstandenen Feuergeist flogen, den und dessen Macht vergrößerten.
 

Dies bekam Sesshoumaru direkt zu spüren. Im Gegensatz zu den anderen kleineren, feurigen Köpfen, versuchte dieser nicht zuzubeißen, sondern spuckte Feuerkugeln. Der Hundeyoukai vermochte diese zwar mit Tenseiga abzulenken, aber eine kleine Unaufmerksamkeit würde unangenehme, vielleicht sogar fatale Folgen haben. Er konnte nicht den Kopf wenden, um zu sehen, was Inuyasha trieb, aber die schlichte Tatsache, dass weitere Feuerfunken seinen Gegner verstärken, ließen ihn annehmen, dass sich das Halbblut gut schlug. Er hatte eigentlich nichts anderes erwartet, nach allem, was er in den vergangenen Tagen so gesehen hatte.

Seiner Ansicht nach gab es nur eine Lösung, diese Feuergeister auf Nimmerwiedersehen loszuwerden – seine Giftklaue. Aber dazu müssten sie alle an einem Ort sein, oder besser alle in diesem Wesen vor ihm. Wie lange brauchte denn Inuyasha noch, bis er alle Feuerköpfe erledigt hatte?
 

In nächsten Moment bekam er die Antwort in einem leisen „Tapp“, das ihm verriet, dass sich der Hanyou auf eine Linie mit ihm bewegt hatte, bereit, einzugreifen. Allerdings überließ er ihm tatsächlich die Initiative, etwas, das er vor wenigen Tagen sicher noch nicht gemacht hätte. Hatte das Halbblut auf dieser Reise etwas dazugelernt?

Nun, etwas anderes hatte Priorität. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung steckte er Tenseiga in die Scheide zurück und hob die Hand erneut, die bereits grün aufleuchtete. Die ätzende Säure daraus schoss wie ein Sprühregen auf den schwebenden, riesigen Feuerkopf zu, der noch versuchte, eine weitere Feuerkugel in seinem Mund zu formen, dies aber unterlassen musste, als sich die Giftklaue auf, in ihm ausbreitete.

Es gab etwas wie ein Zischen, dann erlosch das Feuer.

Für einen Augenblick war in dem deutlich matteren Licht der Laterne noch zu erkennen, dass das Wesen schwarz aussah, sich dann in Russ- und Staubteilchen auflöste – ungewöhnlich bei jemandem, der die Wirkung der Giftklaue zu spüren bekommen hatte.

Aber Sesshoumaru wandte sich bereits ab um seinen Halbbruder anzuschauen. Der verstand das zu Recht als Aufforderung und schob Tessaiga zurück, um die Laterne aufzunehmen. Seltsamerweise hatte es ihm schon in den Höhlen von Karu nichts ausgemacht, diese zu tragen. Er hatte immerhin zwei Hände.
 

Der Gang, dem die Hundebrüder nun folgten, führte sie nicht weiter in die Tiefe. Dessen ungeachtet spürten sie mit jedem Schritt, dass es wärmer wurde. Bald erkannten sie auch die Ursache.

Vor ihnen öffnete sich eine weitere Kaverne. Sie standen direkt an einem See aus Lava. Die glühende Masse war zähflüssig und bildete kleine Wellen. Der Weg schien genau darüber hinwegzuführen, denn sie erkannten schwarze Steine, die wie Ruhepole in Sprungweite dort waren, geradeaus. Im Licht der Lava war jenseits des glühenden Sees zunächst eine größere ebene Fläche, wohl aus Felsen, dann weitere Gänge zu entdecken, die weiter liefen, ein auf den ersten Blick kompliziertes Gewirr aus Eingängen.

Ohne ein Wort zu sagen sprang der Hundeyoukai voran, auf den ersten der deutlich kühleren Felsen. Lava war auch für ihn heiß und er spürte keine Lust, sich Verbrennungen zuzuziehen. Flüchtig dachte er daran, wie das für Inuyasha mit seinen bloßen Füßen sein mochte, aber dann unterdrückte er diesen Gedanken rasch wieder.
 

Ohne Zwischenfälle erreichten beide jedoch das gegenüberliegende Ufer. Sesshoumaru blieb dort allerdings stehen. Da war doch…?

Inuyasha kam sofort neben ihn, vom gleichen Gedanken bewegt. Aus dem labyrinthischen Eingangswirrwarr vor ihnen drang ein Geruch, den er kannte. Und dann entdeckten beide Halbbrüder die leuchtenden Augen in der Dunkelheit der vielen Höhlen vor ihnen, die immer näher kamen.

Der Hanyou fasste es zusammen: „Feuerratten!“ Und er war wohl derjenige, der am Besten abschätzen konnte, wie stabil und schützend deren Haarkleid war. Immerhin trug er seit Jahren ebenfalls eines. Es war jedoch kaum davon auszugehen, dass die Feuerratten von dieser Tatsache angetan sein würden. Die, die jetzt in den Schein des Lavasees kamen, wirkten nicht sehr freundlich. Sie sahen wirklich wie Ratten aus, nur deutlich größer und mit dem dichten, roten, sichernden Haarkleid versehen, aus dem seine Kleidung geschneidert war.

Da die Angreifer im weiten Halbkreis auftauchten, drehten sich die Hundebrüder seitlich, um sich so gegenseitig zu decken, sich aber nicht gegenseitig zu behindern. Beide zogen. Inuyasha war klar, dass das Fell der Feuerratten selbst gegen die Windnarbe schützen würde. Man konnte es versuchen, aber das würde nicht viel bringen. Zum Glück hatte Tessaiga ja auch noch andere Techniken drauf.

Die Ratten blieben stehen. Sie hatten ihren Halbkreis so gezogen, dass die Besucher hinter sich nur Lava hatten, griffen jedoch nicht an. Auf was warteten sie? Im nächsten Moment schienen sie sich abgesprochen zu haben und sprangen alle gleichzeitig auf die Hundebrüder zu.

„Kongoseki!“

Mit diesem Ausruf ließ Inuyasha eine Welle von diamantharten Splittern auf die Angreifer zurasen, sich dabei in einem Halbkreis drehend, um sie so von sich und seinem Halbbruder abzuhalten. Wenn er sein eigenes Gewand richtig kannte, würde diese Attacke selbst dem harten Fellkleid dieser Ratten Schaden zufügen. Er war nur ein wenig überrascht. Warum schickte Sesshoumaru sein Youki gegen sie? Wieso öffnete er nicht den Pfad der Dunkelheit? Würde das nicht schneller gehen?

„Äh, das Meidou?“ erkundigte er sich darum hastig.

Sesshoumaru hätte um ein Haar geseufzt. Taktik oder Strategie war eindeutig nicht die Sache des Halbblutes. Man zeigte doch seinen mächtigsten Angriff erst am Ende, gegen einen wirklich starken Gegner. Und der Herr des Abgrundes schien ein solcher zu sein, wenn er an die Magie der Seelenarena oder die der Ubi dachte. Es war nicht notwendig, dass sich der auf den Pfad der Dunkelheit vorbereiten konnte – wenn dieser denn überhaupt funktionieren würde. Schon in der Arena war dies nicht gelungen. „Erledige sie!“

Das war keine Erklärung in dem Sinn, aber Inuyasha nahm es, wie es gemeint war. Aus irgendeinem Grund sollte er allein mit den Feuerratten zurande kommen. Funktionierte der Pfad der Dunkelheit hier etwa nicht? In der Seelenarena hatte Sesshoumaru den auch nicht einsetzen können und Shiraga hatte doch gemeint, dass das eigentlich die Magie des so genannten Herrn des Abgrundes gewesen sei. Das sah dann nicht so gut aus. Aber was sollte es. Sie hatten mit einem Kombiangriff die Zombies geschlagen, da würden sie doch mit einem einzelnen Typen fertig werden.

Erneut ließ er die Kongoseki losfliegen. Die scharfen Splitter waren auch in der Lage, selbst das harte Fellkleid der Feuerratten zu durchschlagen, etwas, das er selbst schon zu seinem Leidwesen erlebt hatte. Und auch Naraku hatte nicht besonders gut ausgesehen.
 

Der dritte Angriff mit den Diamantsplittern ließ die Feuerratten erkennen, dass sie hier trotz ihrer Überzahl nicht weiterkamen. So wandten sich die Überlebenden um und verschwanden in den Tiefen der Gänge.

„Na also, warum nicht gleich!“ Der Hanyou steckte sein Schwert weg. Als er beiseite blickte, erkannte er, dass auch Sesshoumaru dies bereits getan hatte und fuhr fort: „Wolltest du nicht oder funktioniert es nicht?“

„Beides.“ Der ältere Halbbruder ignorierte die im Schein der Lava sichtbaren Fragezeichen im Gesicht des Jüngeren und ging weiter. Er vermutete, dass dieser Herr des Abgrundes durchaus wusste, dass sie hier waren, ja, womöglich ihren Unterhaltungen zuhören konnte. Dann war es nicht notwendig, diesem die eigenen Schwächen zu offenbaren.

„Keh!“ machte Inuyasha leise. Aber eigentlich war es verwunderlicher, dass er überhaupt eine Antwort bekommen hatte, als die Tatsache, dass er mit der nichts anfangen konnte. Moment mal. Hatte der Herr Halbbruder immerhin zugegeben, dass er den Pfad der Dunkelheit nicht öffnen konnte? Wollte das aber nicht aussprechen? Klar, das war sicher peinlich. Warum verstand er diesen Misthund jetzt eigentlich so gut? Egal. Jedenfalls würde der in dem bevorstehenden Kampf gegen dieses Abgrundwesen einen erheblichen Nachteil haben. Nun gut, sie würden ihn haben. So erklärte er nur: „Wir werden gewinnen.“

Das stand ja wohl außer Frage. Aber wieso fragte dieser unüberlegte Hanyou nicht wie gewohnt nach? Stimmte seine Vermutung von zuvor, dass der in den vergangenen Tagen tatsächlich etwas dazugelernt hatte? Bedacht, dem möglichen Zuhörer nichts zu verraten, antwortete er: „Natürlich. So wie zuvor.“

Wie in der Seelenarena? Aber warum sagte dieser Idiot das nicht, sondern ließ ihn raten? Nahm der etwa an, dass der andere zuhören konnte? Wie sollte das gehen? „Natürlich.“ Also dieser Kombiangriff der Zwillingsschwerter. „Ich will das hier endlich erledigt haben. – Wohin gehen wir eigentlich gerade?“

„Halber Hundeyoukai – halber Geruchssinn.“ Warum erklärte er dem tatsächlich so viel?

„He!“ fuhr der Hanyou prompt auf, ehe er die fast schon stickige Luft nach Verbranntem und Kohle vor ihnen erkannte. Er hatte sie schlicht überrochen, nicht darauf geachtet. „Schon gut“, murrte er daher nur: „Lass das nur immer wieder raushängen.“

Der Hundeyoukai wandte sich nicht um, aber er entdeckte in sich ein eigenartiges Gefühl. Wie hatte das Halbblut zuvor gesagt: es sei für ihn, Sesshoumaru, kalt in Vaters Schatten? Galt dies für Inuyasha etwa in Bezug auf ihn? Der war ein halber Dämon, da konnte er machen, was er wollte – nie würde er ihn erreichen. Er unterdrückte diesen unerwarteten Gedanken sofort.

Aber er war da gewesen.
 

Nur Minuten später erreichten die Hundebrüder eine weitere riesige Höhle. Gewiss zwanzig Flammengeister wie die, die sie an der Quelle der Togol mit diesem überheblichen Hundeyoukai getroffen hatten, schwebten an den Wänden und erhellten diese. In der Mitte der Kaverne befand sich eine Art natürliches Becken und beide waren sicher, dass es sich um die eigentliche, magische Quelle des Ursprungs handeln musste. Jetzt allerdings war dort weder Wasser zu sehen noch zu wittern, statt dessen loderte ein helles, mächtiges Feuer, dass fast heißer schien als die Lava, die sie zuvor überquert hatten. Daraus erhob sich eine menschliche Gestalt, nun, von Größe und Form eines Menschen. Beide Halbbrüder hatten schon verbrannte Menschen gesehen und das war ein ähnlicher Anblick. Vom Geruch ganz zu schweigen, der in ihre Nasen drang.

„Ihr habt es also bis hierher geschafft, “ sagte die verkohlte Gestalt, von der sie annahmen dass es sich um den Kerl handeln musste, der den ganzen Ärger auf der Insel der Vier Jahreszeiten ausgelöst hatte. „Ich hatte schon lange keine Unterhaltung mehr….Ah…ihr seid die gleiche Sorte Wesen, der mir zwei meiner Diener raubte. Wisst ihr etwas über sie?“

„Sie sind tot.“ Inuyasha ergänzte ehrlich: „Auch der Typ, der sie dir entführte.“ Na, wenn dieser dämliche Nadare dem zwei Feuergeister entführen konnte, war der so genannte Herr des Abgrundes ja wohl nicht der Renner. So legte er die Hand an sein Schwert.

Sesshoumaru hatte unterdessen rasch den gesamten Raum betrachtet, auf der Suche nach möglichen Kampfplätzen, Wegen, Möglichkeiten. Er konnte bei dieser so erbärmlich aussehenden Kreatur vor sich eine überaus mächtige Magie erkennen, der er schon in der Seelenarena und bei den Ubi begegnet war. Zauber der anderen Welt. Das würde nicht einfach werden. Zwar besaß er Tenseiga, aber er konnte es wohl kaum als Waffe einsetzen. Der Pfad der Dunkelheit allein würde wenig gegen diesen Gegner wirken. Und da war die Überzahl der Flammengeister, mit der auch der Hanyou seine Probleme bekommen würde. Zwar hatte er zwei von ihnen bereits getötet, aber das hier waren an die zwanzig.

Das würde nicht einfach werden.
 

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Teamwork ist etwas Feines - nur sollte es nicht dazu verleiten, zu selbstsicher zu sein.Im nächsten Kapitel bekommen es die Zwei mit dem Herrn des Abgrundes und einer gewissen Übermacht aus Feuergeistern zu tun. Stärke und Durchhaltevermögen sind da sicher ebenso gefragt, wie eine gute Idee...
 

bye
 

hotep

Der Herr des Abgrundes

Man sollte sich nie mit den falschen Leuten anlegen....
 

23. Der Herr des Abgrundes
 

In the warriors code there is no surrender

Though his body says stop, his spirit cries never...
 

Survivor: Burning heart
 

Die seltsame Feuerkreatur vor den beiden Hundebrüdern schien mit ihrem verkohlten Gesicht zu lächeln, als sie sagte: „Nun, dann sorgt ein wenig für meine Unterhaltung, ihr zwei Idioten. Gegen zwanzig Flammengeister habt ihr keine Chance.“

„So sicher?“ erkundigte sich Inuyasha prompt und nahm Tessaiga, das sich rasch vergrößerte.

„Oh, Kleiner….“ Das klang spöttisch: „Ist dein Schwert nicht ein wenig zu groß für dich? Kannst du das überhaupt heben?“

„Das kannst du getrost mir überlassen. Hast du eigentlich auch einen Namen?“

„Yarou nannte man mich einst. Eure Namen brauchen mich nicht zu interessieren, da ihr gleich Geschichte seid.“ Sein nächstes Wort galt den Feuergeistern: „Erledigt sie.“
 

Sesshoumaru zog. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Gegen die Flammengeister, das hatte Inuyasha bei dem Kampf gegen diesen selbsternannten Herrn der Hunde gezeigt, half das geschuppte Tessaiga. Das musste der Hanyou also allein hinbekommen. Und er selbst würde versuchen, den so genannten Herrn des Abgrundes so lange zumindest zu beschäftigen, bis sie gemeinsam gegen ihn vorgehen konnten. So ähnlich hatten sie gegen den Schatten und sein Gefolge in den Höhlen von Karu gewonnen, vor allem jedoch in der Seelenarena. Und mit ein bisschen Glück würde sogar der Pfad der Dunkelheit funktionieren. Aber das sollte er sich erst als letzte Option aufheben, so unsicher, wie es war, das dies gelingen würde.
 

Inuyasha warf einen raschen Blick beiseite. Als er erkannte, dass sich sein Halbbruder diesem Yarou zuwandte, begriff er. Der würde sich nicht um die Flammengeister kümmern – konnte es wohl auch nicht. Gegen die hatte nur Tessaiga in seiner geschuppten Form geholfen, besaßen sie doch eine Energiequelle, die es zerstören konnte. Und bei diesem Abgrundwesen war keinerlei Youketsu zu erkennen. Der musste irgendwie anders beseitigt werden.

Irgendwie…

Er war doch ein Wesen des Abgrundes, womöglich aus der Hölle selbst.

Und hier…

Es waren nicht nur zwei Flammengeister, die auch noch fusionierten, nein, es waren doch an die zwei Dutzend. Alle wie glühende Lava, aber mit durchaus menschlicher Fassung. Und sie formierten sich zu einem Halbkreis zwischen ihrem Herrn, ihn und seinen Halbbruder, bereit, auf ihn, auf sie, loszugehen.

Wie sollten sie hier nur gewinnen können? Er allein gegen zwanzig…und Sesshoumaru nur Stahl auf Stahl, nur mit seiner Giftklaue gegen ein Wesen der anderen Welt? Für einen Moment packte ihn der ungewohnte Impuls einfach umzudrehen und wegzulaufen, aber etwas in ihm ließ es nicht zu.

Er hatte noch nie kapituliert in seinem Leben und er würde nicht auf einmal damit anfangen, schon gar nicht seinen Partner der letzten Tage und Kämpfe, seinen einzigen Bruder, hier allein lassen. Seine Finger pressten Tessaigas Griff. Zu seiner Beruhigung spürte er das vertraute Pulsieren seiner Klinge, die sich verwandelte, geschuppt wurde. Nein. Er würde nie aufgeben.

Sie würden nie aufgeben, ergänzte er unverzüglich, als er erkannte, dass sich Sesshoumaru mit leicht erhobenem Schwert Yarou zuwandte, die Flammengeister dazwischen scheinbar ignorierte.

„Inuyasha.“

„Ja?“ Wollte der jetzt hier einen auf Taktikbesprechung machen? Sie würden gewinnen, genauso, wie sie es schon öfter getan hatten, seit sie auf diese dämliche Insel gekommen waren. Gemeinsam. Alles, was er selbst tun musste, war, diese Flammengeister ins Jenseits zu befördern. Das war doch hinzubekommen.

„Wie lange brauchst du?“

Bis er allein die Flammengeister erledigt hatte? Und in der Zwischenzeit würde Sesshoumaru dieses Abgrundwesen beschäftigen, von ihm abhalten, bis sie es gemeinsam dahin schicken konnten, woher es gekommen war? Das war nur sinnvoll. Er konnte die Youketsu der Flammengeister zerstören, der Hundeyoukai nicht. Aber der war in seiner Magie mächtiger. Dass der Ältere ihm jedoch diesen Kampf gegen eine derartige Übermacht offenbar zutraute, ihm zutraute, dem den Rücken freizuhalten, verursachte irgendwie ein angenehmes Gefühl im Herzen. So erwiderte er nur: „Ich werde mich beeilen.“

Yarou lachte auf: „Du willst mit mir selbst kämpfen, Youkai? Du gegen mich, eines der mächtigsten Wesen, die je existierten? Nun, dein Schwert, deine dämonische Macht werden mir nie etwas anhaben können. Ich lebe nicht in dem Sinn, wie du es kennst. Aber ich kann dich töten.“

„Du weißt gar nicht, was wahre Macht ist.“ Sesshoumaru machte einen Sprung beiseite, um seinem Widersacher direkt gegenüberzustehen: „Geschweige denn, wie man sie einsetzen muss.“

Dieser zuckte ein wenig die Schultern: „Aussichtslos. - Greift endlich den anderen Bengel an.“

Die Flammengeister gehorchten, kamen langsam, aber unaufhaltsam wie eine Wand aus Asche und Feuer näher.

Inuyasha hob unverzüglich Tessaiga.

„Aussichtslos, ja?“ dachte er. „Mann, Yarou, du hast echt keine Ahnung, mit wem du dich hier eingelassen hast.“

Er schlug mit der geschuppten Klinge zu, durchschnitt möglichst viele der Youketsu, die er so erkennen konnte. Jeder Hieb musste sitzen, je mehr auf einmal er töten konnte, desto besser war es. Immerhin standen die anderen auch nicht nur herum, sondern versuchten ihn mit ihren Feuerangriffen zu treffen, die wie Wasserstrahlen aus ihnen schossen.

Zum Glück sicherte ihn das Gewand aus Feuerrattenhaaren, aber Hände, Kopf, waren doch ungeschützt. Außerdem würde er irgendwann müde werden, aber er musste eben zusehen, dass das erst passierte, wenn auch das letzte dieser Feuerwesen seinen Geist aufgegeben hatte. Wenn er hier versagte, zu langsam war, würde er sich die gesamte Ewigkeit von seinem Halbbruder anhören dürfen, wie unbrauchbar, wie nutzlos er sei.
 

Sesshoumaru hatte unterdessen bereits festgestellt, worin die Attacken des Herrn des Abgrundes bestanden. Wie schon der große Lampiongeist zuvor, schoss dieser Feuerkugeln aus seinem Mund ab, die er mit Tenseigas Stahl zerstören musste. Allerdings verfügte Yarou über eine noch unangenehmere Art dieses Angriffs: das Feuer war heiß, würde Verletzungen selbst bei ihm zur Folge haben – aber darin verbarg sich auch die Magie, die ihn schon in der Seelenarena gehindert hatte, den Pfad der Dunkelheit zu öffnen, die Todesmagie der Ubi. Wenn eine derartige Kugel traf, wäre das wohl selbst für ihn das Ende. Und Inuyasha würde sowieso nichts dagegen setzen können. Würde er hier verlieren, konnte er sich im Jenseits vermutlich in alle Ewigkeit die Vorwürfe des Hanyou anhören. Nein, das durfte nicht geschehen.
 

Falls Inuyasha in den folgenden endlosen Sekunden einen Gedanken daran hätte verschwenden können, was er da tat, hätte er es selbst wohl als albernes Gehopse bezeichnet: beiseite schnellen, drehen, zuschlagen, ducken, empor springen, hin und her, immer wieder, immer wieder…

Obwohl es ihm mit seinen ersten Angriffen gelungen war, einige der Energiequellen zu zerstören und damit auch die Flammengeister, waren fünfzehn noch immer eine beachtliche Überzahl. Sie hatten einen fast vollständigen Kreis um ihn gebildet und versuchten, ihn mit ihren Feuerangriffen zu treffen. Er musste diesen ständig ausweichen, unaufhörlich in Bewegung bleiben, um immer wieder der Umzingelung entkommen. Gleichzeitig bemühte er sich allerdings beharrlich, die Youketsu zu entdecken und zu treffen, seine Gegner so in das Jenseits zurückzuschicken, aus dem sie angeblich gekommen waren, um ihre Zahl weiter zu verringern.

Er hatte keine Zeit, auch nur einen Blick hinüber zu werfen, um zu sehen, wie es Sesshoumaru erging, aber er vertraute darauf, dass sein Halbbruder wirklich niemand war, den man leicht um die Ecke bringen konnte. Überdies wäre dieser dämliche Yarou inzwischen auch schon höchstpersönlich bei ihm aufgekreuzt.
 

Die Zahl der Flammengeister schien nicht weniger zu werden, aber er würde nicht aufgeben. Und so ignorierte er die Verbrennungen an den ungeschützten Körperteilen, die Tatsache, dass seine Haare angesengt, seine Arme immer schwerer wurden.
 

Wieder einmal sprang er beiseite – und prallte um ein Haar gegen die Felswand. Sie hatten es geschafft, ihn in ein Eck zu treiben, in die Falle. Und alle gemeinsam jagten nach einer geheimnisvollen Absprache Feuerstrahlen auf ihn zu.

Seltsamerweise war das Einzige, an was er in diesem Moment noch dachte, dass er, wenn er jetzt einatmete, nur Feuer atmen würde.
 

Sesshoumaru hatte keine Zeit, seine Aufmerksamkeit von dem Feuerwesen vor sich auch nur einen Sekundenbruchteil abzulenken. Dessen Kugeln waren glühend heiß, aber die Magie des Jenseits darin war der gefährlichere Teil. Immer wieder sprang er seitwärts, vorwärts, zurück, um es dem Herrn des Abgrundes zu erschweren ihn zu treffen und zerstörte mit dem blanken Stahl die Feuerkugeln. Inzwischen war ihm klar geworden, dass sein erster Eindruck richtig gewesen war: keine einzige dieser Kugeln durfte in seinen Körper eindringen. Schon, wenn er sie zu knapp an sich heran ließ, konnte er die Kälte des Zaubers der anderen Welt spüren – gemeinsam mit der unsäglichen Hitze glühender Lava.

Seine Haare, sein Fell mochten inzwischen bereits schwarze Russflecken zeigen, versengte Stellen, aber das war vollkommen gleichgültig. Es gab nur zwei Punkte: zu überleben und diesen törichten Yarou daran zu hindern, in den Kampf zwischen dem Bast…zwischen Inuyasha und den Feuergeistern einzugreifen.
 

Deren Herr stellte unterdessen fest, dass dieser Youkai schnell wie eine Schlange war, ausweichen konnte, wie er es nie zuvor erlebt hatte. Anscheinend wusste der genau, was ihm blühte, wenn eine der Feuerkugeln ihr Ziel traf. Aber was sollte das dennoch erreichen? Außer, natürlich, seine Zeit zu verschwenden? Mit diesem Ausweichen und Fliehen zögerte der Hund sein Ende nur heraus. Irgendwann würde er müde werden, zu langsam. Und einen Sieg würde er damit nie erringen.

Er war Yarou, das Wesen aus dem Abgrund der Hölle. Und seit ihn diese Unverschämten geweckt hatten, der Herr dieser Quelle, die ihm ewiges Leben versprach. Gerade in Verbindung mit dem Leben des Wassers dieser Quelle, auf der er ruhte, war er, der Herr der Feuergeister, unbesiegbar.
 

Sesshoumaru war soeben zähneknirschend zu der gleichen Ansicht gekommen. So und allein würde er nie gegen dieses Wesen siegen. Wie lange brauchte denn Inuyasha noch? Aber er fand keine Gelegenheit, sich umzudrehen. Immerhin konnte er weiterhin Kampfgeräusche vernehmen. Wittern war durch die Hitze dieser ganzen Feuergeister unmöglich.

In diesem Moment hörte er hinter sich ein Fauchen, spürte eine Hitze, als ob sich die gesamte Höhle in eine Flammenhölle verwandelt hatte – und vernahm etwas, das er als instinktiven Schmerzlaut seines Halbbruders identifizierte.

Allein durch die Tatsache, dass er gelauscht hatte, war er abgelenkt gewesen. Er erkannte gerade noch, dass er zu langsam gewesen war, Tenseigas Abwehr zu spät kommen würde. Yarous Feuerkugel mit der Todesmagie raste auf ihn zu.
 

Inuyasha benötigte einen Moment, um zu begreifen, dass die Flammengeister einen Fehler begangen hatten. Ganz offenkundig hatten sie nicht verstanden, dass sein Gewand feuerfest war, und hatten ihren vermeintlich letzten Angriff gebündelt, als Strahl auf sein Herz gerichtet. Es hatte wirklich höllisch gebrannt, als sie damit sogar das Feuerrattenhaar beschädigt hatten, aber Schmerz war er gewohnt. Und er war noch immer am Leben, das war alles, was zählte.

Noch ehe seine Gegner erkannt hatten, dass ihr finaler Schlag ein Fehlschlag gewesen war, griff er seinerseits mit aller Kraft an, die er noch auftreiben konnte, seine Verbrennungen, die verkohlten Haare ignorierend. Das war wohl seine letzte Chance, ihre letzte Chance….
 

Sesshoumaru hatte die tödliche Feuerkugel auf sich zurasen sehen, in der sicheren Gewissheit, dass selbst er diesmal zu langsam in der Abwehr sein würde, als er begriff, was da geschah. Instinktiv und unbewusst hatte er sich etwas gedreht, als er das Feuer und Inuyashas Schmerzenslaut hörte. Yarous Feuerkugel fuhr daher durch seinen linken Ärmel – und er ertappte sich zum ersten Mal dabei, froh zu sein, dass dieser leer war.

Er durfte sich nicht selbst ablenken, ermahnte er sich.

Inuyasha, worauf wartest du?
 

Der Hanyou hatte mit seinem wilden Vorstoß die meisten Youketsu der Feuergeister zerstören können, die für eine Sekunde zu überrascht gewesen waren, ihn noch am Leben und kampffähig zu sehen.

Die letzten Vier hatten daraufhin ihre Taktik geändert. Wie schon Hel und Acer bei den Togol, waren sie miteinander verschmolzen. Allerdings waren sie nun zu viert – und entsprechend größer und ihre Attacken mächtiger.

Inuyasha starrte nach Atem ringend das riesige Wesen aus glühendem Staub und Feuer an. Er war erschöpft, aber das war vollkommen gleich. Er musste gewinnen, je schneller, desto besser. Tessaiga begann hektisch in seiner Hand zu pulsieren, sicheres Zeichen, dass sein Schwert etwas wollte. Verdammt! Nicht nur seine Bewegungen waren schon langsamer, als es gut gewesen wäre, sondern anscheinend auch seine Gedanken. Was hatte er denn vergessen?

Natürlich!

Auch die Energiequellen waren verschmolzen. Jetzt erkannte er sie in der Brust seines Gegenübers – oder der Stelle, wo bei einem lebenden Wesen die Brust gesessen wäre. Auch Hel und Acer hatte er mit einem Schlag getötet, als er ihr gemeinsames Youketsu vernichtet hatte.

„Tessaiga!“

Sein Ausruf war Ermutigung und Dank gleichzeitig an seine Klinge, als er mit einer gewaltigen Anstrengung vorsprang und zuschlug.
 

Sesshoumaru hörte den Ausruf und bemerkte gleichzeitig eine gewisse Beunruhigung, die sein Gegner zeigte. Yarou wollte sich von ihm abwenden, bestimmt, um gegen seinen Halbbruder vorzugehen. Mit einem Satz sprang der Hundeyoukai seitwärts, absichernd dazwischen, nun überzeugt, dass Inuyasha es geschafft hatte, die dienstbaren Feuergeister zu vernichten.

Ein leises Geräusch ließ ihn wissen, dass der Hanyou neben ihm war.

„Hat ein bisschen gedauert“, keuchte Inuyasha, ohne den Triumph in seiner Stimme unterdrücken zu wollen: „Wie in der Arena?“

Natürlich, dachte der Ältere nur und hob Tenseiga.
 

In der Arena, wunderte sich Yarou. Wie konnten sie auf die verrückte Idee kommen, er sei ebenso leicht zu besiegen, wie ein gewöhnliches, sterbliches Wesen? Beide waren sichtlich angeschlagen durch die bisherigen Kämpfe oder Angriffe, versengte Stellen an Kleidung und Haaren verrieten dies nur zu deutlich. Beide wirkten auch etwas außer Atem. Der Jüngere keuchte geradezu, als er sein überdimensioniertes Schwert hob. Er konnte es kaum mehr tragen, wie wollte er damit weiterkämpfen?

Das Abgrundwesen sprach diese Frage laut aus.

„Keh!“ Der Hanyou konnte nicht anders als zu grinsen: „Hat dir noch nie jemand beigebracht, dass man sich nicht mit den falschen Leuten anlegen sollte?“

„Das sagst ausgerechnet du?“ Yarou holte tief Atem. Die nächste Feuerkugel würde diesem Dummkopf zeigen, wer hier welchen Fehler gemacht hatte.

In diesem Augenblick schlug Inuyasha zu. Die helle Energie Tessaigas raste auf den nur zehn Meter entfernten Herrn des Abgrundes zu, der darin keine Bedrohung für sich selbst erkennen konnte. Seine Energie wurde aus keinem Youketsu abgeleitet. Er erfasste jedoch, dass auch der Youkai vor ihm sein Schwert bewegte, bläuliche Macht daraus losjagte – allerdings nicht auf ihn.

Yarou brach vor Erstaunen fast seinen eigenen Angriff ab, als er bemerkte, dass die Attacke des Älteren anscheinend der Energie des Jüngeren gegolten hatte. Erst dann bemerkte er, wie sich die beiden Wirbel umeinander schlangen, vereint auf ihn zurasten. Er verstand jedoch noch immer nicht. Was sollte das bringen? Er war niemand, den sterbliche Wesen umbringen konnten.

Als er endlich begriff, war es zu spät. Die gemeinsame, einige Attacke hatte den Pfad in die Hölle geöffnet. Und Yarou hatte nichts, was er dem Sog seiner Heimat entgegensetzen konnte, als er lebendig in die Schwärze stürzte.
 

Für einen langen Moment war das Keuchen des Hanyou das einzige Geräusch in der Höhle, ehe Sesshoumaru langsam Tenseiga in die Scheide schob, bemüht, seinen eigenen Atem zu beruhigen, und sein Halbbruder diesem Beispiel folgte.

Dann wandten beide fast synchron die Köpfe. Leise plätscherte Wasser aus dem Felsbrunnen, in dem Yarou sich aufgehalten hatte. Immer schneller quoll die klare Flüssigkeit hinaus, suchte sich den Weg durch Rinnen im Boden – sicheres Zeichen, dass der Bann aufgehoben worden war.

„Wir sollten hier verschwinden“, stellte Inuyasha fest, musste aber nach Atem ringen, ehe er weiterreden konnte: „Hoffentlich war´s das jetzt und dieser Kingyo kann uns sagen, wie wir eine Abkürzung zur Quelle des Lebens finden können…“ Da er nur mehr mit sich selbst sprach, folgte er dem Hundeyoukai, so rasch es bei seiner Müdigkeit ging.

Auch Sesshoumaru war angeschlagen, aber er bemühte sich, es nicht zu zeigen. Endlich sollte es doch nun möglich sein, die Schwertscheiden in der Quelle des Lebens zu baden, zumal er hinter sich immer deutlicher das Plätschern des Wassers hörte, feuchte Luft riechen konnte, die aus der Tiefe der Höhlen stieg. Vermutlich speiste diese magische Quelle nun nicht nur die eigentliche Quelle des Lebens sondern auch andere, wie es der einstige Herr des Binnenmeeres zuvor erwähnt hatte.
 

Ohne weitere Zwischenfälle gelangten die Halbbrüder zu dem Ort, an dem Hakari dreißig Stunden auf sie warten wollte. Der froschähnliche Diener sprang auf, als er sie sah: „Und? Habt ihr den Herrn des Abgrundes getroffen?“

„Ja, kann man so sagen“, murmelte Inuyasha: „Jedenfalls läuft das Wasser wieder.“

„Oh, das ist schön, das wird Kingyou-sama freuen!“ Hakari drehte sich um und rannte los.

„He!“ protestierte der Hanyou: „Du solltest uns doch führen…“ Aber das war nicht direkt notwendig. Der Gestank, den der verbreitete, machte es einfach, der Spur selbst durch das Felslabyrinth zu folgen.
 

Und es wurde notwenig, das immer rascher zu tun. Hinter ihnen, unter ihnen plätscherte kein Wasser mehr, es gurgelte, brauste. Ganz offenkundig wurden die Höhlen unter Wasser gesetzt.
 

Als sie bei dem unergründlichen, gigantischen See unter dem Eis eintrafen, blieben sie für einen Moment nebeneinander stehen und betrachteten das völlig veränderte Bild. Dort, wo zuvor der einstige Herr des Binnenmeeres in seiner schützenden Blase im Fels gewesen war, lag nun ein sich stetig verbreiternder Riss, durch den Wasser abfloss. Der riesige Fisch schwamm jetzt im See. Als er sie entdeckte, eilte er zu ihnen:

„Komm, rasch, springt auf meinen Rücken und haltet euch gut an den Kiemenbüscheln fest. Gleich wird dieser gesamte See wieder einen Fluss bilden und auslaufen. Das würdet ihr nicht überleben!“

Obwohl die Halbbrüder an der letzten Aussage zweifelten, sprangen sie hintereinander auf den Nacken des Fisches. Inuyasha setzte sich hinter Sesshoumaru und suchte die Kiemen.

Kingyo spürte es zufrieden. „So habt ihr den Herrn des Abgrundes getötet und der Insel das Wasser zurückgebracht. – Ich bin froh, dass ihr es noch rechtzeitig zu mir geschafft habt, ehe…“

Er brach ab. Das Wasser hatte nun eine so breite Schneise in die Felswand gerissen, dass das Gestein dem Druck nicht mehr standhalten konnte und in seiner vollen Breite nachgab. Im gleichen Moment stürzte das Wasser des Sees dort hindurch, den gigantischen Fisch und seine Passagiere mit sich reißend.

Inuyasha hatte das Gefühl, unter einem Wasserfall zu sitzen, der nicht enden wollte. Es war nichts zu sehen, nichts zu hören, er bekam keine Luft mehr. Alles, was er tun konnte, war, sich an den Kiemenbüschel festzuhalten, seine Arme um seinen Halbbruder zu klammern. Seltsamerweise fühlte sich das fast angenehm an.

Als er glaubte, langsam ersticken zu müssen, ließ die Dusche nach. Keuchend rang er nach Luft und sah sich um. Sie befanden sich in einer weiteren Höhle, auf einem unterirdischen Fluss. Der würde sicher in das Binnenmeer fließen. Rechts war Licht von oben und Kingyo schwamm dort hinüber. Zu seinem Leidwesen entdeckte der Hanyou in der schwachen Beleuchtung, dass Sesshoumaru anscheinend von der Nässe unberührt geblieben war. Zumindest Haar und Fell schienen trocken. Er ließ die Kiemenbüschel los und schob sich selbst das nasse Haar zurück. Das war einfach unfair.

„Wieso bist du nicht nass geworden?“ beschwerte er sich.

„Youkai“, kam nur als Antwort. Auch der Ältere ließ nun den Fisch los: „Was ist?“

Kingyo bezog das zu Recht auf sich: „Dort, wo das Licht ist, könnt ihr hinaufsteigen. Wir haben mit dem Strom nun das Gebirge unterquert. Ihr werdet dort oben das Gebiet des Menango-Stammes erreicht haben. Ich dagegen werde weiterschwimmen, um zuzusehen, wie sich das Herz des Mirtal wieder mit Wasser füllt und mein Zuhause neu entsteht. – Wenn ihr eure Scheiden in die Quelle des Lebens getaucht habt, kommt zu mir. Bis dahin wird auch der unterirdische Fluss wieder fließen, wenn auch noch nicht so groß, wie er einst war. Aber ihr könnt auf ihm durch das Land des Herbstes bis zum Meer gelangen. Wenn er noch nicht existiert, müsst ihr den Weg zurück durch das Mirtal nehmen, den ihr kamt.“

Sesshoumaru sprang ohne weiteres Wort auf einen kleinen Felsgrat, der vom Tageslicht beschienen wurde.

„Wie sollen wir denn auf dem Fluss reisen?“ erkundigte sich Inuyasha noch: „Ein Boot?“

„Ich werde es sehen…“

Kingyo wandte sich ab und tauchte unter. Er sehnte sich nach dem Brackwasser des Binnenmeeres. Der Fluss aus reinem Süßwasser war nur sehr kurzfristig etwas für ihn. Aber er war glücklich, nach all den langen Jahren wieder zurückkehren zu können. Die beiden Hundebengel würden mit Sicherheit auf der Insel der Vier Jahreszeiten unvergessen bleiben, Legenden für alle Zeit.
 

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Ob das die beiden interessier? Aber sie haben noch eine Kleinigkeit zu erledigen, ehe sie wieder nach Hause können.
 

Yarou soll übrigens Dummkopf bedeuten....
 

bye
 

hotep

Die Rückkehr

Endlich haben die beiden Halbbrüder es geschafft: die Quelle des Lebens läuft wieder...
 

24. Rückkehr
 

Die Hundebrüder blieben stehen, als sie vor sich das Lager des Menango-Stammes entdeckten. Zuvor war es auf einer Insel über einem Trockental gelegen, aber nun floss auch dort ein Bach, ein noch kleiner, aber deutliches Zeichen dafür, dass in der Tat das Wasser in das Mirtal zurückgekehrt war.

Auch sie waren bemerkt worden. Cassana und Raglah beeilten sich sichtlich, ihnen entgegenzugehen. Hane verneigte sich schon in Entfernung.

„Ich war mir sicher, dass ihr die Auserwählten seid!“ rief sie: „Ihr habt uns das Wasser zurückgebracht!“

„Läuft die Quelle des Lebens wieder?“ erkundigte sich Inuyasha, der es zwar schön fand, dass alle Leute glücklich waren, aber sein Ziel deswegen nicht aus den Augen verlor.

„Ich...ich denke schon. Ich war noch nicht dort, da ich auf euch warten wollte. – Ihr wollt sofort dorthin, nicht wahr? Und danach?“

„Danach sollen wir zum Binnenmeer gehen und Kingyo, das ist der Herr des Binnenmeeres, will uns dann sagen, wie wir nach Hause kommen.“

Hane sah zu ihrem Ehemann: „Das Binnenmeer….Das Herz des Mirtal beginnt wieder zu schlagen.“

„Ich werde Sandwürmer satteln lassen“, meinte Orna: „Dann könnt ihr sofort aufbrechen, wenn ihr von der Quelle des Lebens zurück seid.“ Auch in seiner Stimme lag nicht mehr nur der Respekt, den Sieger eines Seelenturniers verdienten, sondern fast etwas wie Anbetung. Vor ihm standen in der Tat lebende Legenden, die Auserwählten, um die die Stämme des Landes so lange gebetet hatten.

Sesshoumaru sparte sich das Nicken und blickte nur zur Cassana. Hane verstand das richtig als Aufforderung: „Dann folgt mir, bitte.“
 

Die Halbbrüder folgten ihr durch die Ebene, den Weg, den sie bereits zur Zeremonienhöhle zurückgelegt hatten. Diesmal ging die Cassana allerdings daran vorbei, stieg einen Berghang empor. Sie hatte bislang geschwiegen, aus Respekt vor den Auserwählten, aber auch in gewisser Spannung, ob die Quelle des Lebens nun auch wirklich ebenso wieder floss, wie das andere Wasser.

„Hier, durch diese Spalte muss man gehen“, meinte sie stehen bleibend: „Nun badet eure Scheiden, obwohl ich nicht glaube, dass es noch notwendig ist.“

„Wieso?“ erkundigte sich Inuyasha prompt.

„Die Baumgeister wurden krank und hatten keinen Nachwuchs, da die Quelle des Lebens versiegt war. Existiert sie nun wieder, wird es auch den Baumgeistern besser gehen.“

„Na, sicher ist sicher.“ Der Hanyou bemerkte, dass sein Halbbruder bereits im Spalt verschwand und beeilte sich, hinterherzukommen.

Vor ihnen lag eine kleine Grotte. Erleichtert erkannten beide, dass in dem gefassten Steinbecken Wasser sprudelte. Das war mit Sicherheit die Quelle des Lebens. Mit fast identischen Bewegungen zogen sie die Schwerter samt Scheiden und legten sie nebeneinander in das klare Nass.

„Da passiert ja nichts…“ murmelte der Hanyou etwas enttäuscht, bemerkte dann den Blick seines Nachbarn: „Was ist? Ich habe gedacht, dass ein Bannkreis kommt oder sonst etwas…“

„Genau das.“

„Hm?“ Nun gut, er hatte es nicht so mit Magie, aber es war ein wenig peinlich, wieder als der dumme kleine Bruder dazustehen – und das diesmal auch noch bloß, weil er den Mund nicht halten konnte.

Sesshoumaru wollte schon sagen: halber Youkai - halbes Können, ließ es aber aus einem ihm selbst unbegreiflichen Grund sein, als er den Ausdruck in den Augen des Halbblutes…Inuyashas sah. Natürlich. Dem blieben bestimmte Fähigkeiten schlicht versagt, auf dieser seltsamen Insel anerkannter Mischling hin oder her. Nie würde er ihn selbst erreichen können. So nahm er nur Tenseiga und schob es zurück.

Inuyasha folgte diesem Beispiel, ein wenig überrascht, dass keine dämliche Bemerkung zu seinem Patzer gekommen war. Aber er wollte dazu lieber nichts mehr sagen, ehe seinem Halbbruder doch noch die nächste Beleidigung einfiel.

Als sie sich umdrehten, entdeckten sie Hane im Spalt stehen, Die Cassana betrachtete die Quelle fast andächtig. So lange war hier kein Wasser mehr geflossen und sie nahm es als Versprechen, dass sich vieles im Land des Sommers zum Guten wenden würde – und auch in dem des Herbstes, das wohl am meisten unter dem Wassermangel zu leiden gehabt hatte. Im Winter hatten Eis und Schnee Ersatz geboten, in dem des Frühlings hatte es ab und an geregnet. Da sie bemerkte, wie sich die Auserwählten zu ihr umdrehten, neigte sie höflich den Kopf.

„So kommt. Orna wird gewiss uns schon mit den Sandwürmern entgegenkommen. Ihr wollt sicher wieder so rasch es geht nach Hause.“

Das bedufte keiner Antwort, entschieden beide Hundebrüder in seltsamer Eintracht und folgten der Hüterin des Wassers schweigend.
 

In der Tat hatte sich das Binnenmeer etwas verändert. Als der Raglah die Sandwürmer halten ließ, sprangen beide Halbbrüder hinunter und sahen sich um. Unter ihnen rauschte der Fluss, der nun wohl wieder aus dem Land des Winters das Wasser brachte. Wo vor ihnen noch vor wenigen Tagen eine trostlose Salzwüste gelegen hatte, zeigten sich nun vereinzelte Teiche, kleine Seen, die sich vergrößerten. Selbst die Hitze hatte es nicht vermocht, das Wasser zu verdunsten – und es kam immer mehr.

„Hallo, Kingyo?“ rief Inuyasha: „Wir sind hier.“ Er nahm an, dass der riesige Fisch sich an der Mündung des unterirdischen Flusses aufhalten würde: „Das sieht nicht so aus, als ob wir auf dem Wasser fahren können.“

„Nein, könnt ihr nicht“, kam die Antwort scheinbar aus den Tiefen der Erde: „Wenn ihr nicht warten wollt.“

„Nein, eigentlich wollen wir so schnell es geht hier weg.“

„Ungeduldige junge Hunde!“ kommentierte eine bekannte Stimme hinter ihnen.

Noch während die Halbbrüder sich umdrehten, hörten sie, wie der Raglah und der Herr des Binnenmeeres gleichzeitig überrascht sagten: „Tokage-sama!“

Hinter ihnen stand der riesige Herr der Echsen, in Begleitung zweier nur wenig kleiner geratener Untertanen, die den Wesen ähnelten, die Hitoshi und seine Krieger in der Stadt als Reittiere benutzt hatten, zweibeinig und mit Schwänzen, auf die sie sich stützten. Tokage lächelte – was mehr wie ein Zähnezeigen wirkte. „Nun, offenbar hat sich Cassana Hane nicht in euch getäuscht. Wenn ich mir das hier so ansehe, kehrt das Wasser nicht nur in das Herz des Mirtal zurück. – Ihr seid die, auf die wir so lange gewartet haben. Darum haben sich meine beiden Freunde hier bereit erklärt, euch bis zu den Höhlen von Karu zu tragen. Zum ersten und sicher auch letzten Mal.“

„Oh, das ist nett“, sagte Inuyasha sofort: „Ich meine, nichts gegen eure Insel, wir haben hier nichts mehr verloren.“

Tokage sparte sich den Hinweis, dass sich sein Halbbruder damals ihrem Vater unterworfen hätte, zu sicher, dass beide Hundejungen nicht am Land des Frühlings interessiert waren: „Hier. Springt auf ihren Rücken und sie werden euch tragen. – Kingyo, Shiraga lässt dich grüßen. Er wird dir über den Fluss, wenn sich das Wasser beruhigt hat, wie einst Nachrichten schicken.“

„Das ist gut“, erklärte der Herr des Binnenmeeres: „Alles, wie es geschrieben steht. - Lebt wohl, ihr zwei.“

Sesshoumaru sprang bereits auf den Rücken einer Echse. Inuyasha folgte ihm eilig, irgendwie nicht überrascht, dass sich Orna und Hane noch einmal vor ihnen verneigten.

„Es war schön, die Auserwählten kennen gelernt zu haben“, sagte der Herr der Echsen fast amüsiert. „Schade, dass ich nun auf so viele Neuigkeiten verzichten muss….“ Aber das klang nicht erst gemeint.

Die beiden Träger legten die Vorderbeine so, dass sie die Halbbrüder abstützten, ehe sie mit überraschender Geschwindigkeit losrannten, in Richtung Westen, das dortige Gebirge und die Höhlen von Karu.
 

Als er sich ein wenig an diese Reisemethode gewöhnt hatte, blickte der Hanyou zu seinem Bruder. Sesshoumaru tat erfolgreich so, als sei er so etwas gewohnt. Vielleicht erinnerte ihn das auch an das Reiten auf seinem Drachen. Wieder war Inuyasha, als spüre er eine Kälte, die nicht von ihm selbst ausging.
 

Ich habe Recht, dachte er. Es ist kalt in Vaters Schatten. Und da kann dir niemand helfen, außer du dir allein. Selbst, wenn ich dir erzählen würde, dass ich dich, als ich dich das erste Mal sah, einfach als großen Bruder angesehen habe, würdest du mir kaum glauben. Du warst mein Held, mein Vorbild, und ich wollte so sein wie du, ehe ich erkannte, was du für ein eiskalter Mistkerl bist.

Nun, das glaubte ich wirklich. Erst jetzt, auf der Suche nach Naraku und dieser Reise habe ich begriffen, dass du nicht mal unbedingt mich umbringen wolltest. Du wärst auf jeden losgegangen, der Tessaiga trägt. Du hast geglaubt und glaubst es immer noch, dass du nur mit diesem Schwert Vater endlich übertreffen kannst. Und du hast mich gehasst, weil du gedacht hast, Vater hätte dich nicht für würdig gefunden, sondern mich. Darum hast du mich immer runtergemacht, nicht wahr, nii-chan? Ich bin nur der passende Gegner, weil ich Tessaiga habe und noch erschwerend Vaters Sohn bin.

Aber soll ich dir was sagen, auch, wenn ich das nie wirklich sagen werde?

Ich habe lange Zeit gedacht, eben nur ein Hanyou zu sein, ein Mischling, den nicht mal der eigene Bruder für voll nimmt, den niemand gern hat. Aber meine Mutter hat mich geliebt, mein Vater sicher auch, hat er doch noch über den Tod hinaus an mich gedacht. Ich habe Freunde, die mich endlich so annehmen, wie ich bin.

Und ich sehe dich nicht mehr als meinen Helden.

Ich kann dir nur wünschen, dass auch du das eines Tages schaffst, auch du eines Tages zufrieden damit bist, was wir haben.

Und dass du sehen kannst, dass ich nie dein Feind war. Nur dein kleiner Bruder…
 

Weit von der Insel der Vier Jahreszeiten rauschte eine Baumkrone. Der Besucher blickte besorgt auf: „Bokuseno?“

„Sie haben es geschafft“, murmelte der alte Baumgeist: „Sie haben sicher zumindest die Scheiden gebadet. Aber ich glaube fast, dass sie mehr getan haben.“

„Meinst du? Nun, Hauptsache, die Scheiden und die Schwerter sind in Sicherheit….“

„Du bist ein wenig taktlos, Toutousai. Freut es dich nicht, dass ich gesund werde?“

„Oh..“ Der Schmied kratzte sich: „Natürlich, aber sie…wie sollen diese Idiotenbrüder das denn hinbekommen haben?“

„Ich weiß nicht. Aber die Magie der Baumgeister fließt wieder, ja, ich kann spüren, dass neue entstehen werden.“

„Na ja, sie sind Idioten, aber immerhin doch die Söhne des Herrn. – Also kommt alles wieder in Ordnung.“

„Ja, das haben die Hundejungen gut gemacht. – Aber, Toutousai, du denkst, sie haben alles von ihrem Vater?“

„Na ja, nicht alles. Ich meine, Sesshoumarus Mutter und auch Izayoi haben schon mitgeholfen, zu, schon jeweils äußerlich,…aber sie kommen beide sehr nach ihm.“

„Möglich. Aber du solltest dich hüten, einen Sohn an seinem Vater zu messen.“

„Oh, wenn sie den Herrn mal erreichen…Schön, ich weiß ebenso wie du, wie kurz Sesshoumaru davor steht, seinen Vater zu übertreffen. Aber dazu müsste er über seinen eigenen Schatten springen.“

„Seinen und den seines Vaters, ja. Aber wenn sie es gemeinsam vermochten, die Baumgeister zu retten, werden sie auch anderes schaffen.“

„Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.“

„Du wirst es sehen, Toutousai, und ich glaube, schon sehr bald.“
 

Vor dem Eingang der Höhlen von Karu ließen die schnellen Echsen ihre Reiter absteigen. Beide ertappten sich unwillkürlich bei dem Gedanken, dass diese Rückreise deutlich schneller gewesen war als der Hinweg. Aber natürlich war das auch die direkte Route gewesen, keine Bedingungshandel hatten sie aufgehalten – und diese Echsen waren die reinsten Schnellläufer.

„Äh…nett von euch…“ murmelte Inuyasha, in der unklaren Meinung, dass ihm Kagome die Hölle heiß machen würde, würde er nichts dazu sagen. Die Echsen drehten bereits um und verschwanden, nur Staubwirbel hinterlassend.

Der Hundeyoukai betrachtete kurz den Höhleneingang, ehe er in die Dämmerung trat. In der Tat, dachte er: auch den Erdmenschen hatte ihr Besuch genutzt. Hier, wo einst der Hauptweg durch das Gebirge gewesen war, standen nun wieder in regelmäßigen Abständen die leuchtenden Laternen für die Durchreisenden. Diese würden wie einst dafür den Erdmenschen Teile des Proviants dalassen, die diese mit den Harpyien teilen konnten. Selbst Megaira und ihrem Schwarm würde es jetzt besser gehen. Dafür, dass er eigentlich sich selbst nicht gerade als Wohltäter sah, hatte sich mit seinem Besuch auf dieser Insel wirklich viel verändert für die hier Lebenden. Und natürlich hatte er sein eigenes Ziel erfüllt, Tenseigas Scheide gebadet. Tessaigas natürlich auch. Hoffentlich würde dieser törichte Wasserdrache Izumi auf ihn an der Küste warten...auf sie, korrigierte er sich dann doch. Es war auf dieser Reise schließlich manchmal nicht ganz unnütz gewesen, Inuyasha dabei zu haben.

Dieser war bereits an seiner Seite.
 

Sie hatten den Hauptweg zur Hälfte passiert, als sie bemerkten, dass sie erwartet wurden. Zwei der Erdmenschen standen dort, ließen sich höflich auf die Knie fallen. Die Hundebrüder erkannten Takuro, den Sprecher des Volkes, mit dem sie einen Bedingungshandel abgeschlossen hatten, und den König Ryuhito.

Dieser sagte: „Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Euch noch einmal für Eure Hilfe zu danken. Jetzt werden wieder Händler und andere Reisende hier entlang gehen können und unser Volk ernähren. Ihr habt Euer Ziel im Land des Sommers erreicht…“ Darin lag keine Frage.

„Das Mirtal hat wieder Wasser“, erklärte Inuyasha, der annahm, daran seien auch die Erdmenschen interessiert.

„Oh“, war alles, was der kleine König hervorbrachte.

Der Sprecher nickte leicht: „Edler Herr und Ihr, junger Herr, wart es, nicht wahr? So werden bald viele kommen, die nun in das Mirtal wollen, nicht nur Händler aus dem Land des Sommers. Ihr seid die Auserwählten.“ Und so gesehen war es kein Wunder, dass sie mit den Harpyien einig wurden, den Schatten und sein Gefolge vernichten konnten. Er bemerkte, dass der Hundeyoukai bereits weiterging: „Wir werden Euch nie vergessen, Ihr Herren.“

Das war das Letzte, was die Halbbrüder von den Erdmenschen hörten.
 

Ohne weitere Begegnungen gelangten sie an der Hauptstadt vorbei zum Meer. Sie mussten nur kurz warten, ehe sich der Kopf des Wasserdrachen zeigte. Izumi nickte etwas.

„Das Wasser fließt wieder durch die Länder des Sommers und des Herbstes.“ Er hob die Hände, um die durchscheinende Kugel zu bilden, in die seine Passagiere springen konnten. Die Nachrichten hatten sich unter allen Wassergeschöpfen rasch verbreitet, begann doch der Abfluss aus dem Binnenmeer wieder in das Meer zu münden, noch stark salzhaltig und schwach, aber immerhin. Diese beiden hatten, ob mit Absicht oder ohne, der Insel der Vier Jahreszeiten das Wasser und damit den Frieden zurückgebracht. Niemand dort würde sie je vergessen, nun, er selbst wohl auch nicht. Schon ihr Vater war mit seinem Sieg im Seelenturnier eine Berühmtheit geworden. Seine Söhne hatten ihn eindeutig übertroffen. Aber das war nichts, worüber ein Wasserdrache mit Youkai reden sollte und würde.

Er wartete kurz, bis die Halbbrüder in der Blase standen, ehe er ohne weiteres Wort hinunter tauchte, bis auf den Grund des Meeres, um an diesem entlang den unterseeischen Strömungen zu entgehen, die die Insel schützten.

Erst, als er seine Gäste an Land entließ, meinte er: „Deine Freunde, Inuyasha-sama., lassen ausrichten, dass sie entsprechend deinem Wunsch zu Kaede und Shippou gegangen sind.“

„Äh, ja…schon klar.“

Der Hanyou drehte sich ein wenig zögernd zu seinem Halbruder um, der neben ihm am Strand stand, während Izumi bereits wieder in den Wellen verschwand. Was sollte er noch sagen?

Gute Jagd nach Naraku?

Den Mistkerl wollte er eigentlich selbst erledigen.

Erfolg im nächsten Kampf?

Der fand womöglich gegen ihn selbst statt.

Schlicht: war eine nette Reise?

Das klang auch eigenartig. Aber nach all den Erlebnissen der letzten Tage schweigend auseinander zu gehen, war irgendwie auch nicht richtig.

„Na, dann….“ meinte er.

Sesshoumaru betrachtete für einen Moment den Hanyou.

„Es ist kalt in Vaters Schatten, hast du gesagt?“ dachte er: „Mein törichter kleiner Halbbruder, der nie weiß, was er spricht: ja. Es ist sehr kalt. Und darum werde ich dich noch einmal zu einem letzten Duell um Tessaiga fordern. Tenseiga mit dem vollständigen Meidou – du und Tessaiga. Denn eher wächst mir der zweite Arm nach, als dass es mir ohne Tessaiga gelingen wird, Vater zu übertreffen.“

Ohne ein Wort wandte er sich um und ging.
 

Inuyasha sah ihm nach. Sein Halbbruder war unzufrieden, das wusste er inzwischen nur zu gut, und früher oder später würden sie sich noch einmal gegenüberstehen – zum letzten Mal. Er verspürte nicht die mindeste Lust, Sesshoumaru zu töten, aber er vermutete, dass ihm nichts anderes übrig bleiben würde, in dem Moment, in dem der Hundeyoukai den Pfad der Dunkelheit öffnete.

Er drehte sich um und ging in die andere Richtung, wo seine Freunde sicher schon auf ihn warten würden. Die Sache mit der ominösen Hochzeit würde er allerdings besser nicht vor Kagome erwähnen. Noch ehe er ihr erzählen könnte, dass es sich nur um ein Ritual mit seinem Halbbruder gehandelt hatte, wäre sie schon wütend genug auf ihn, um ihn zu Boden zu schicken. Und das musste nicht sein, freute er sich doch schon auf sie.

Unwillkürlich warf er noch einmal einen Blick über das Meer, wo nun unsichtbar die Insel der vier Jahreszeiten lag. Schade, dass die Wertschätzung von Hanyou darauf beschränkt war, aber nicht zu ändern. So musste er sich eben die Achtung anderer buchstäblich erkämpfen.
 

**************************************
 

Wie der Kampf der beiden Hundejungen ausging, könnt ihr im Manga lesen.
 

Kleine Information in eigener Sache: wer mehr über die beiden lesen will, kann nächsten Dienstag bei mir reinsehen. Da beginnt die dritte, in sich abgeschlossene, Geschichte aus dem Verworrene Pfade-Universum: Schatten. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf dem Verhältnis der beiden Hundejungen zu Papi - und aller drei zur holden Weiblichkeit. Dazu einige Intrigen und Kämpfe.
 

bye
 

hotep



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Von:  Schalmali
2010-07-10T15:41:17+00:00 10.07.2010 17:41
Es ist vollbracht. Inuyasha steht im Geiste zumindest nicht mehr im Schatten seines Halbbruder, Sesshoumrau, derzeit, aber noch im Schatten seines Vaters, ja wohl gar eher im eingebildeten Schatten seines Vaters. Das ändert sich ja mit dem Manga ja. Eine Vorbereitung zu der Begegnung im Manga, netter Gedanke find ich. Die Insel der vier Jahreszeiten hat nun zwei Legendengestalten, die sie nie vergessen werden, und von der nur wenige wissen wie es den beiden wirklich ging, wer sie waren außer eine Legende und welche Ziele sie noch zu ereichen suchten. ... Hmm *nick* Nette Geschichte.
Von:  Schalmali
2010-07-10T15:26:26+00:00 10.07.2010 17:26
Etwas angekohlt aber gut gegangen. Zum Glück hat Inuyasha das Feuerrattengewand und zum Glück, hat Sesshoumaru sich bei seiner Ablenkung tatsächlcih etwas gedreht um nicht kaputt zu gehen. Aber ein Schlag reichte? Gut zu wissen, aber wieso auch nicht, Sounga musste auch mit einem mal dran glauben. Das letzte Kapitel kommt, mal sehen...
Von:  Schalmali
2010-07-10T15:09:43+00:00 10.07.2010 17:09
Im Zweifelsfall immer der Nase nach *nick* Immer stickiger und wärmer. Feuervögel, Feuerlaternen, Feuerratten... und jetzt wohl zoszusagne der Feuerfürst, der aber zusätzlich noch Magie as der anderen welt beherrscht? Dazu noch weitere Feuergeister, das könnte haarig werden, meine brennzlig. Aber wäre ja gelacht wenn sie jetzt umdrehen würden... auf ihn! ^^
Von:  Schalmali
2010-07-10T14:46:19+00:00 10.07.2010 16:46
Blubb... ich musste unwillkürlich an einen dicken Fisch in so einem kleinen Goldfischaquarium denken xD Und ein Diener der wohl genauso Treu zu seinem Herrn ist wie Jaken... na wieso nicht, die muss es ja auch mal geben! Und jetzt wirds wohl "brennzlig"
Von:  Schalmali
2010-07-10T14:30:36+00:00 10.07.2010 16:30
Bei solchen Leuten die tatsächlich mal nicht kämpfen obwohl sie es wohl könnten, fragt man sich doch, so finde ich, ob sie gegen die Halbbrüder bestanden hätten. Immerhin ist Vernunft und Selbstbeherrschunb bei solchen Leuten zu finden, so wie Verstand. Ein Magier wäre wohl interessant gewesen und vermutlich gerade für Inuyasha recht schwer, der hat ja mit Magie wenig am Hut.

Aber jetzt gehts in die Tiefe... und bei dem Kerl zu dem sie sollen, .. dagegen ist die Arena ein Abklatsch? Das hört sich wirklich nicht so wunderbar an. Da kann man ja nur hoffen das Tensaiga und Tessaiga reichen.
Von:  Schalmali
2010-07-10T14:12:23+00:00 10.07.2010 16:12
Oh da rettet Inuyasha mal eben eine Prinzessin... Glück für ihn und Pech für seinen Halbbruder, vielelicht, hätte eine andere Schneefrau ja eine andere Bedingung gestellt? Armer Sesshoumaru. Jedenfalls sind sie auf dem richtigen Weg wie immer.
Von:  Schalmali
2010-07-09T22:38:50+00:00 10.07.2010 00:38
Das war einfach... dafür kommt es danach wohl umso härter nehm ich an. Und die Echse hat sozusagen live TV mit Magie wohl xD Lustig. Dann sollen die beiden mal fein beweisen dass sie die Auserwählten sind... morgen *gähn und erstmal ins Bett geh*
Von:  Schalmali
2010-07-09T16:44:22+00:00 09.07.2010 18:44
Inuyasha und Sesshoumaru waren von dem anfänglichen Gedanken verheiratet zu werden ganz und gar nicht angetan, sehr verständlich. Es hört sich aber so an, als wäre die Verbindung ein bisschen weniger mystisch und doch noch ein wenig existenter als es sich die Halbbrüder dachten. Nun ja das wird man dann ja sehen, jetzt haben die bei "legänderen" Hundebrüder jedenfalls eine Aufgabe, die wohl noch legendärer sein wird als das Seelenturnier
Von:  Schalmali
2010-07-09T13:25:26+00:00 09.07.2010 15:25
Interessanter Aspekt. Ich versteh jetzt nicht viel von Züchtung, aber glaub auch das ohne das was neues anderes dazu kommt, irgendwann nichts gutes mehr rauskommt. Wenn man an Menschen denkt, gibt es nicht umsonst Gesetze die sozusagen Inzucht verhindern. Cousin/Cousine ist da wohl das nähste, aber alles was näher ist... aber es gibt doch eigentlich so viele Youkai.. und auch so viele Menschen, da sollte es eigentlich nicht passieren, oder? Hmm jedenfalls, hat Inuyasha eine Fähigkeit die sein Halbbruder nicht zu besitzen schient. Interessant, wahrlich.
Von:  Schalmali
2010-07-09T12:55:54+00:00 09.07.2010 14:55
Das scheint ja in der Tat sehr fiese Magie gewesen zu sein. Und Inuyasha hat nichtmal nur Lähmung überstanden sondern Todesmagie. Nun gut, ohne die Hilfe der beiden anderen wäre es dennoch schlecht ausgegangen, so aber nicht. Sich anätzen zu lassen um zu üerleben, brr, armer Hanyou.. der hier aber so sehr gewehrtschätzt wird. Selbst die Ubi hatten ja wohl was größeres mit ihm vor. Ach ja.. Ripchin las ich anfangs fast immer wie Rippchen ^^ *kicher*


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