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Riddle's Assassins

Im Auftrag des Dunklen Lords
von

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Luck

Ginny saß mit den Beinen baumelnd auf einer alten Kommode, die ihre besten Tage längst hinter sich gelassen hatte. Die weiße Farbe war teilweise abgeblättert und die Griffe der Schubladen fehlten. Ihr Blick glitt über den endlosen Raum, der unzählbare Gegenstände beherbergte.
 

In ihrem vierten Schuljahr hatte sie diesen magischen Raum kennen gelernt, der je nach Belieben desjenigen, der ihn zu benutzen verlangte, die Form des gewünschten Raumes annahm. Die DA, die Armee, der Ginny im letzten Schuljahr angehörte, hatte ebenfalls diesen Raum genutzt, um dort Treffen abzuhalten, Zaubersprüche zu erlernen und Duelle zu proben, da das Unterrichten im Verteidigung gegen dunkle Künste Unterricht alles andere war, als das, was sie gebrauchen konnten.

Schon damals war der Raum der Wünsche groß und geräumig gewesen, doch nun hatte er eine gigantische Größe angenommen, die einer Kathedrale gleichkam. Wenn man im siebten Stock gegenüber von dem Wandteppich von Barnabas dem Bekloppten stand, könnte man sich wohl kaum vorstellen, dass sich hinter dieser Wand ein derartiger Raum befand.
 

All die Gegenstände, die sich hier ansammelten, waren wohl in den vergangenen Jahren dort zurückgelassen, versteckt oder vergessen worden. Und doch verschwanden diese Gegenstände wieder, wenn der Raum verlassen wurde und verschwanden im Nichts.
 

Malfoy hatte Ginny hierher geführt mit dem Versprechen sie in seinen Plan einzuweihen und sie wartete schon gespannt darauf, worum es sich handeln mochte und vor allem, was diese übergroße Rumpelkammer damit zu tun hatte.
 

Geduldig wartete sie und mittlerweile waren sie bestimmt schon seit zehn Minuten hier, doch anstatt endlich mit der Sprache herauszurücken stand der Slytherin ihr nur gegenüber und sah sich die vielen Habseligkeiten an.
 

„Wolltest du mir nicht etwas zeigen, um mir zu beweisen, dass du es ernst meinst?“ Sie hatte die gleichen Worte benutzt wie er zuvor im Verbotenen Wald. „Du enttäuscht mich, Malfoy. Ich habe etwas Spannenderes erwartet.“ Demonstrativ ließ sie ihren Blick umher wandern.
 

Endlich brach er sein Schweigen und sagte etwas völlig Unerwartetes. „Du hattest Recht, was... den dunklen Lord betrifft...“
 

Malfoy stand jetzt vor einem zwei Meter hohen Spiegel, dessen Scheibe von einer so dicken Staubschicht bedeckt war, dass das Spiegelbild nur noch einen verschwommenen Schatten wiedergab. Er hob die Hand und zeichnete mit dem Finger einige Linien in die Staubschicht, sodass es das Zeichen einer Schlange präsentierte. Sie ähnelte der Schlange auf dem Hauswappen von Slytherin.
 

Verblüfft sah sie ihn an und wusste zuerst nicht recht was er meinte. Sein Blick verharrte auf dem Tier, welches er auf Augenhöhe hinterlassen hatte.
 

„Er ist nur ein Halbblut.“ Seine Stimme klang gebrochen, so als würde es ihm grad selbst bewusst werden.
 

Ginny erinnerte sich an den Tag, als sie Malfoy die Wahrheit über Voldemort an den Kopf geschmissen hatte, als sie sagte, er wäre nur ein Halbblut. Sie konnte sich noch genau an das empörte Gesicht des Blonden erinnern und den Zorn und seinen Widerwillen. Sie konnte verstehen, dass Draco diese Einsicht verwirrte. Man konnte nicht leugnen, dass es seltsam klang, wenn jemand Muggelgeborene, sowie Hexen und Zauberer unreinen Blutes verachtete und seinem Ideal der Reinblütigkeit selbst nicht entsprach.
 

Ginny kannte Toms Familiengeschichte. Seine Mutter war eine Nachkommin Salazar Slytherins, eine Hexe von reinem Blut und hoher Abstammung. Sein Vater hingegen war nur ein einfacher Muggel, den Tom von ganzen Herzen gehasst hatte. Damals, als Tom ihr von seinem Muggelvater, erzählt hatte und sie in den Zeilen, die in dem Tagebuch erschienen, nichts anderes als Hass entziffern konnte, war es ihr unverständlich gewesen, so für jemanden - für ein Familienmitglied - zu empfinden. Tom hatte die Bindung zu seinen Muggelvorfahren getrennt und sich einen neuen Namen geschaffen.
 

Anscheinend hatte Draco irgendwie davon erfahren. Egal woher er dieses Wissen bezogen hatte, es führte dazu, dass ein Malfoy zugab, dass eine Weasley Recht hatte.
 

Mit der Hand wischte er über Slytherins Symbol und sah nun sich selbst in der freien Fläche, die sein Gesicht widerspiegelte.
 

„Ändert das irgendwas?“, fragte sie.
 

Malfoy drehte sich zu ihr um und antwortete nicht. Doch sein Blick sprach Bände.
 

„Darf ich überhaupt darauf antworten?“ Er stellte eine Gegenfrage. „Wie wahrscheinlich ist es wohl, dass er – auch wenn er nicht wirklich präsent ist, wenn er sich dir zeigt – einen Teil seiner Magie besitzt? Immerhin ist er ein hervorragender Legilimentiker.“
 

Der Junge war nicht dumm. Er kannte die Durchschauungskünste des dunklen Lords, denen Ginny selbst schon zum Opfer gefallen war. Draco schien sich denken zu können, dass er durch Legilimentik alles erfahren würde, was er zu Ginny sagte. Also hielt er lieber den Mund. Ob er schon einmal in den Genuss eines Legilimens-Zaubers gekommen war?
 

„Unvorstellbar, wie er es schafft, durch die Schutzzauber von Hogwarts zu kommen, nicht wahr?“, sagte sie. „Zwar schafft er es allein nur mit seinem Geist, dennoch ist es bemerkenswert. Selbst Hogwarts hat Lücken und er findet einen Weg, sie sich zu Nutze zu machen. Er ist einfach...“ Der Satz ging in einem Seufzen unter. Was sie für Tom empfand war unbeschreiblich. Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen und dachte an das hübsche Gesicht, die schwarzen Haare, seine sinnlichen Lippen...
 

Sie sah ihn im Geiste vor sich und sah die dunklen Augen, die wie endlose Tiefen wirkten und die den Anschein machten, als würden sie direkt in einen hinein sehen.
 

„Er ist mächtig“, hauchte sie hingebungsvoll. „Er beherrscht die Magie, wie kein anderer. Er ist der mächtigste Zauberer, den die Welt je gesehen hat. Nicht nur durch Zaubersprüche kann er die Menschen verhexen, er schafft es allein durch seinen Willen. Wenn er etwas begehrt, kriegt er es auch. Die Menschen fügen sich ihm, weil sie ihm alle unterlegen sind und nicht gegen seine Macht ankommen. Niemand ist ihm gewachsen.“
 

Sie erinnerte sich an ihr erstes Schuljahr, wie sie zu seiner Marionette geworden war. Tom hatte sie Dinge tun lassen, die sie nie für möglich gehalten hätte und als er es nicht mehr schaffte, sie mit Worten dazu zu bringen, dass sie nach seinem Willen handelte, sorgte er mit aggressiveren Mitteln dafür. Im Tagebuch hatte nur ein Teil von ihm selbst gesteckt und doch hatte er es geschafft, sie zu kontrollieren, sie nachts umherwandern zu lassen, Botschaften an die Wände zu schreiben und die Kammer zu öffnen. Selbst heute hatte er sie noch unter Kontrolle und schaffte es mit einfachen Mitteln sie gefügig zu machen.
 

„Viele fürchten ihn und die meisten dienen ihm nur aus Angst. Die wenigsten verstehen, dass er Großartiges vollbringt.“
 

Ginny war völlig hingerissen und ins Schwärmen geraten, aber alles, was sie sagte, war schließlich die Wahrheit.
 

„Du solltest dich mal hören!“
 

Seine Stimme war kalt wie Eis. Ihre Stimmung sank augenblicklich als sie in Dracos aufgebrachtes Gesicht sah.
 

„Du weißt gar nicht wovon du redest! Hast du ihn überhaupt schon einmal gesehen? Ich meine, so richtig gesehen und nicht dieses Abbild eines harmlosen Schülers! Ich rede von dem wirklichen Zauberer, der, von dem kaum noch etwas menschliches übrig ist!“
 

Sie erwiderte nichts darauf. Die Antwort war, dass sie Voldemort noch nicht in die Augen gesehen hatte. Sie kannte nur Tom Riddle. Gab es denn, abgesehen von dem Namen, einen Unterschied? Blieb die Persönlichkeit denn nicht dieselbe?
 

„Du himmelst ein falsches Bild an! Es ist wie du sagtest, er kriegt mit seiner Macht jeden dazu für ihn zu arbeiten, nur dass du es noch aus freien Stücken tust!“
 

Malfoy schüchterte sie mit jedem weiteren Wort mehr ein. Selten hatte sie ihn so die Nerven verlieren sehen und niemals hätte sie angenommen, diese Worte aus seinem Munde zu hören.
 

„Was verspricht er dir dafür?“
 

Wieder sagte sie nichts, sondern hatte die Lippen fest aufeinander gepresst. Niemals würde sie darauf antworten, denn damit würde sie ihr sehnlichstes Begehren offenbaren.
 

„Ich weiß nicht, was du dir erhoffst, aber denke nicht, dass er sich mit so einer Göre wie dir lange herumplagen wird! Es gibt niemanden für den er sich interessiert, außer sich selbst! Du bist nur eine Spielfigur in seinem Spiel, um die Herrschaft über die Zaubererwelt zu erlangen! Genauso eine Spielfigur wie alle anderen, genauso wie ich auch! Austauschbar und unwichtig!“
 

Mit jedem Satz war er lauter geworden und untermalte seine Worte mit so einem Nachdruck, dass es ihr glatt die Sprache verschlug.
 

Stumm sah er sie an und Ginny konnte seinem kritisierenden Blick nicht länger standhalten. Er hatte ja Recht. Er hatte schließlich schon die Bekanntschaft mit Voldemort gemacht und wusste nur zu gut über die Machenschaften Bescheid.
 

Malfoy schien sich ziemlich aufgeregt zu haben. Seine Atmung ging heftig und um die Nase herum war er vor Wut leicht rosa.
 

„Alles was du siehst, ist ein Geist,“, sagte er kurze Zeit später wieder ruhig und kontrolliert, „eine harmlose Erscheinung, die dir nichts tun kann.“
 

„Er würde mir nie etwas tun“, entgegnete sie sofort und klang dabei wie ein trotziges Kind. Was sie darauf zu sehen bekam, war ein mitleidiger Blick, aufgrund ihrer Naivität.
 

„Was meinst du passiert, wenn es dir nicht gelingt, Potter umzulegen? Was ich im Übrigen stark annehme. Meinst du, er ist dann immer noch so gnädig?“
 

Ginny schauderte bei dem Gedanken an Toms schönes Gesicht, wutverzerrt zu einer Grimasse verunstaltet. Allein die Vorstellung machte ihr Angst. Sie wollte nicht, dass Tom böse auf sie war.
 

„Du wirst dir wirklich etwas einfallen lassen müssen“, sagte Draco und sein Blick strahlte Mitgefühl aus, als würde er wissen, was sie erwartete. „Nicht nur weil Potter Felix Felicis besitzt.“
 

Die Worte klangen in ihren Ohren wider und die Rothaarige konnte nicht glauben, was sie da gehört hatte. Harry besaß Felix Felicis?
 

“Ist das dein Ernst?”, fragte sie und hoffte auf einen schlechten Scherz, aber Malfoy nickte ernst.
 

„Es reicht nicht, dass der Trottel der Überlebte nicht nur andauernd Glück hat, nein, jetzt hat er es auch noch in flüssiger Form, allzeit bereit in einem kleinen Flakon für unterwegs, wenn es mal brenzlig wird.“ Malfoy schüttelte entrüstet seinen Kopf. „Dabei hätte ich es so gut gebrauchen können“, murmelte er.
 

Seine Reaktion war sehr gut nachzuvollziehen. Andauernd fiel dem Gryffindor alles in die Hände.
 

„Aber... wo hat er es her?“ Und woher wusste ausgerechnet der Slytherin davon?
 

„Von Slughorn. Er hat im Zaubertränke Unterricht einen einwandfreien Trank der lebenden Toten gebraut und Felix Felicis als Preis erhalten.“
 

„In Zaubertränke?“
 

„Ja, er war selbst besser als das Schlammblut! Jeder Squib hätte bemerkt, dass er geschummelt hat!“
 

Ginny zog grübelnd die Brauen zusammen. Malfoy hatte Recht. Harry war zwar keine Niete in Zaubertränke, dennoch gab es mit Sicherheit andere Schüler, die besser waren als er. Wie also hatte er es geschafft, Felix Felicis zu erhalten? War es Zufall oder tatsächlich Können?
 

Und dann fiel der Knut. Das Buch! Am Anfang des Schuljahres hatte sie mitbekommen, dass Harry an ein Schulbuch gekommen war, in welchem Anweisungen einer Person standen. Sie wusste noch genau, wie sie damals die Ähnlichkeit mit Toms Tagebuch bemerkt hatte. Wohlmöglich war es ihm somit gelungen diesen Trank zu brauen.
 

„Das ist doch ungerecht“, sagte sie frustriert, obwohl Jammern sehr untypisch für sie war. Es machte sie einfach wahnsinnig, wie es ihm andauernd gelang an irgendwelche Trümpfe zu gelangen. Natürlich musste der Trank erst getrunken werden, um zu wahrem Glück zu verhelfen, doch wer wusste schon, wann dieser Moment käme?
 

Sie konnte nur eins tun: Ihn schwächen und das hieß ihm Felix Felicis abzunehmen!
 

„Ich werde es ihm entwenden“, sprach sie ihren Entschluss laut aus und schlug mit der Faust in die offene Handfläche der anderen Hand.
 

„Aha“, sagte Malfoy langgezogen. „Sag mir bescheid, wenn du es hast, dann kannst du mir ein paar Tröpfchen abgeben.“ Er schüttelte über ihre Naivität den Kopf und Ginny wusste, auch wenn Malfoy daran zweifelte, es würde ihr gelingen, wenn sie es richtig anstellte.
 

Es war mal wieder eine gute Gelegenheit in Harrys persönlichem Eigentum herumzuwühlen. Das flüssige Glück würde sie ihm schon noch stibitzen können. Ansonsten hatte sie keine Chance, ihm auch nur ein Haar zu krümmen.
 

Nun musste sie nur noch die richtige Gelegenheit finden.
 

„Wann ist wieder der Apparierkurs?“, fragte sie. Alle Sechstklässler lernten gerade zu apparieren, das bedeutete, dass für eine Weile die Schlafsäle der Jahrgangsstufe über ihr leer blieben.
 

„Du meinst das ernst“, sagte er und es glich eher einer Feststellung als einer Frage. Eine Weile schwieg er, die Arme vor der Brust verschränkt und mit einem grübelndem Blick. „Der nächste Kurs ist am Mittwoch.“
 

Ginny grinste ihn an. „Vielen Dank für die Auskunft.“
 

Die grauen Augen fixierten sie immer noch. Draco schien abzuschätzen, ob es ihr zuzutrauen war. „Du überrascht mich immer wieder.“
 

„Es gibt einiges von mir, dass dich überraschen würde.“ Sie legte den Kopf schief und einige Sekunden lang sahen sie sich einfach nur an. Wenn sie so darüber nachdachte, dann war der Junge vor ihr der Einzige, der wirklich über sie Bescheid wusste. Er kannte ihre Aufgabe und er war es, mit dem sie sich darüber unterhalten konnte. Wer hätte schon gedacht, dass sie einmal eine Verbindung zu Draco Malfoy haben würde? Dass sie einander heimlich trafen, sich austauschten, Sachen einander anvertrauten, die sonst niemand wissen durfte? Wie würde es weitergehen? Würden sie gemeinsam den Weg der dunklen Seite gehen?
 

Draco spielte plötzlich eine Rolle in ihrem Leben, vom Schicksal dazu bestimmt. Angefangen hatte es damit, dass sie ihn unterstützen und ein Auge auf ihn haben sollte und mittlerweile hatte sie sich diese Aufgabe zu Herzen genommen, denn wie der Malfoyerbe schon sagte, man sollte es sich nicht mit dem dunklen Lord verscherzen. Ginny wusste, dass ein Scheitern nicht ungestraft blieb.
 

Und sie wollte nicht, dass ihm so ein Schicksal widerfuhr.
 

Die Person, die gerade ihre Gedanken einnahm, hatte sich längst wieder abgewandt und betrachtete gedankenverloren das Möbelstück, das in ihrer Nähe stand.
 

„Was ist das für ein Schrank?“, fragte sie, da ihr nicht entgangen war, dass dieses Objekt die meiste Aufmerksamkeit von ihm forderte. „Was ist da drin?“
 

„Nichts“, antwortete er knapp und ließ mit einem Schwenk seines Zauberstabs die Türen öffnen. Es war, wie er gesagt hatte: der Innenraum war leer. Ginny fragte sich, wozu er mal gebraucht worden war und was man darin wohl unterbringen konnte.
 

„Willst du darin deine Schrumpfköpfe aufbewahren?“, kicherte sie.
 

„Die habe ich alle daheim“, murmelte er abwesend, während er die Tür wieder schloss, die Arme vor der Brust verschränkte und das Kabinett grübelnd betrachtete.
 

Ginny rutschte von ihrer Kommode herunter und näherte sich dem schwarz-goldenen Schrank, um ihn aus der Nähe betrachten zu können. Er sah ein wenig heruntergekommen aus, aber früher war er bestimmt sehr schön gewesen.
 

Ginny sah zu Draco, der neben ihr stand und so wie er das Objekt betrachtete, schien er etwas darüber zu wissen.
 

„Verrat’ mir sein Geheimnis“, hauchte sie in einem mysteriösen Tonfall.
 

Draco hob fragend eine Augenbraue. „Was meinst du?“
 

„Er hat bestimmt ein Geheimnis!“ Sie stellte sich zwischen ihn und den Schrank, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst. „Jedes Ding hier hat möglicherweise eine spannende Geschichte zu erzählen.“ Sie sah die meterhoch gestapelten Sachen, hinter denen sich vielleicht Kostbarkeiten verbargen. Wer weiß, vielleicht waren hier einige Schätze versteckt?
 

In ihrer Fantasie malte sie sich die zauberhaftesten Sachen aus, der Slytherin sah jedoch nur skeptisch drein und schnaubte. „Tz, das ist alles Müll, Weasley. Abfall und Schrott.“
 

Er kickte gegen einen ramponierten Garderobenständer, der neben ihm stand und nun gefährlich ins Schwanken geriet. „Vielleicht findest du ja etwas Nützliches, das du deiner Familie mitbringen kannst.“
 

Da war er wieder, der spöttische Ton und der Ansatz eines höhnischen Lächelns um seine Mundwinkel, welches so oft seine Gesichtzüge schmückte, wenn er jemanden beleidigte.
 

Die Beschimpfung ging jedoch an ihr vorbei, da ihr gerade etwas anderes in den Sinn kam, als er ihren Nachnamen nannte. Etwas, dass ihn mehr verletzen würde, als eine plumpe Beleidigung, wie er sie oft gebrauchte: Die Wahrheit.
 

Angriffslustig stemmte sie die Hände in die Hüften. „Sind wir wieder bei Weasley?“, fragte sie. „Vorhin hast du mich aber noch Ginny genannt.“
 

Sie beobachtete seinen ertappten Gesichtsausdruck mit Zufriedenheit. Als er sie im Verbotenen Wald angesprochen hatte, war es ihr gar nicht aufgefallen. Doch nun drang es wieder an ihr Bewusstsein und nach seiner Mimik her zu urteilen hatte sie sich nicht verhört.
 

„Du träumst wohl“, versuchte er zu kontern.
 

„Ich habe es klar und deutlich gehört.“ Feixend sah sie ihn von der Seite an, ergötzte sich an seinem gequälten Gesicht.
 

Kurzerhand packte er sie an den Schultern und schob sie in den Schrank. Völlig überrumpelt ließ sie es geschehen und registrierte nur noch, wie alles um sie herum schwarz wurde, als er die Türen verschloss.
 

„Hey!“, Ginny hämmerte mit den Fäusten gegen die Türen. „Sag mal spinnst du? Lass mich hier wieder raus! MALFOY!“
 

Sie versuchte die Tür zu öffnen, doch es gelang ihr nicht, egal wie sehr sie dagegen drückte. Als sie aufgab und nach Geräuschen lauschte, vernahm sie nur Stille. Auch von draußen war nichts zu hören. War Malfoy schon fort? Er würde sie doch nicht etwa hier zurücklassen?
 

Ginny versuchte sich in der Enge umzudrehen, doch großartig bewegen konnte sie sich nicht. Nach einigen Sekunden, als sie gerade nach ihrem Zauberstab greifen wollte, öffnete sich langsam die Tür. Gedämpftes Licht drang zu ihr hindurch und das Erste was sie sah, war Malfoys blasses Gesicht, dass vorsichtig hineinlugte und enttäuscht wirkte, als er sie ansah. Als hätte er erwartet, etwas anderes zu sehen.
 

Ginny reagierte sofort und riss die Türen auf, trat hinaus und ging um Malfoy herum, sodass er nun zwischen ihr und diesem merkwürdigen Schrank stand und er nicht noch einmal die Gelegenheit bekam sie dort einzusperren.
 

„Was sollte das?“, keifte sie gereizt. „Machst du das, wenn du jemanden loswerden willst? Du steckst mich einfach in einen Schrank! Unglaublich! Was hast du gehofft? Ich würde verschwinden?“ Ginny hatte sich in Rage geredet und ihre Gedanken einfach laut ausgesprochen ohne darüber nachzudenken. Seine Antwort darauf überraschte sie aber.
 

„Wäre möglich.“
 

Ginny sah ihn ungläubig an, da sie mit dieser Antwort nicht gerechnet hatte. Schließlich war es unmöglich, dass man einfach so verschwand und sich in Nichts auflöste.
 

„Montague ist im letzten Jahr darin verschwunden.“ Malfoy sprach in einem Ton, als würde er über das Wetter reden.
 

„Was!?“
 

Ginny wirbelte herum und sah zu diesem großen Schrank hinauf, der nun auf einmal viel größer und bedrohlicher wirkte. Montague ... verschwunden ...
 

Und dann kam die Erkenntnis!
 

Fred und George hatten Montague letztes Jahr in ein Verschwindekabinett gesteckt, dass wusste sie. Der Slytherin war wenig später völlig verwirrt wieder aufgetaucht und lag wochenlang im Krankenflügel. Wenn Malfoy die Wahrheit sagte und es sich bei diesem Ding um das besagte Verschwindekabinett handelte, dann hätte sie um ein Haar das gleiche Schicksal erlitten wie Montague und wäre wer weiß wo gelandet.
 

„Du mieser Flubberwurm!"
 

Mit erhobenem Zauberstab drehte sie sich um, aus seiner Spitze stoben rote Funken. Malfoy wollte ebenfalls seinen Stab ziehen, doch Ginny hatte ihn im nächsten Augenblick schon entwaffnet. Der Stab fiel mehrere Meter entfernt klackernd zu Boden.
 

„Was bildest du dir ein?!“
 

„Reg dich ab!“ Malfoy hielt entschuldigend die Hände vor sich. Seine Stimme war nicht nur nervös, sondern beinahe schon panisch. „Das Ding funktioniert doch gar nicht! Wirklich! Es ist kaputt!“
 

„Ich will kein Wort mehr hören! Langlock!“
 

Augenblicklich verstummte der Slytherin, da ihm nun die Zunge am Gaumen kleben blieb. Er schlug sich die Hand vor den Mund und brummte etwas, doch sprechen konnte er jetzt nicht mehr.
 

„Ich habe genug von dir!“, spie sie ihm entgegen. Sein Augen funkelten voller Zorn angesichts dieser Demütigung. Er biss die Zähne zusammen, die Wangenknochen stachen deutlich hervor und seine Atmung beschleunigte sich. Immer wieder schielte er zu seinem Zauberstab und schien die Entfernung abzuschätzen.
 

„Wenn du willst, das ich verschwinde, dann will ich dir diesen Wunsch erfüllen“, sagte sie nicht weniger erzürnt. „Ich verschwinde.“
 

Mit erhobenem Haupt schritt sie an ihm vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Sie bahnte sich einen Weg durch den angehäuften Plunder, der sie momentan nicht interessierte. Sie wollte nur noch hinaus aus diesem Raum, weg von diesem verlogenen Drecksack, und fand den Ausgang schließlich nach einer Weile.
 

Ginny tadelte sich in Gedanken selbst. Was hatte sie denn erwartet? Jedes Mal bewies Malfoy ihr aufs Neue, dass eine Zusammenarbeit nicht funktionierte, dass sie von ihm nicht erwünscht war.
 

Auf dem Weg zurück zum Gemeinschaftsraum vergaß sie sogar, dass die Ausgangssperre längst ausgesprochen war. Die wenigen Meter die sie unentdeckt überbrückte, verwünschte sie den Slytherin mit den schlimmsten Schimpfwörtern die sie kannte, für die ihre Mutter ihr mit Sicherheit Hausarrest aufgebrummt hätte.
 

Dieses mal hatte er es eindeutig zu weit getrieben! Ginny kochte vor Wut und Empörung, doch ein winziger Teil in ihr musste sich eingestehen, dass sie auch noch etwas anderes verspürte: Es war Enttäuschung.
 

Mit der Zeit hatte sie sich an den Blonden gewöhnt, schließlich gab es doch gewisse Gemeinsamkeiten, welche die beiden miteinander verbanden. Sie fühlte sich vor den Kopf gestoßen und hatte ihre Zeit und Energie sinnlos verschwendet, währenddessen sie sich doch eigentlich um andere Aufgaben Gedanken machen musste. Aber das war jetzt vorbei. Sie hatte nun einen neuen Plan und der bestand darin, Harry Potter ein wenig von seinem Glück zu nehmen um ihrem eigenen ein wenig nachzuhelfen.
 

~
 

Die untergehende Sonne schien durch die Fenster des Gryffindorturms und hüllte den Gemeinschaftsraum in ein orangerotes Licht. Schüler saßen an den Tischen und erledigten ihre Hausaufgaben, spielten Zauberschach oder saßen gemütlich beisammen. Der allgemeine Unterricht war vorbei und für die meisten Schüler war dies wohl die beste Zeit des Tages.
 

Die Sechstklässler unter ihnen konnten die freie Zeit jedoch noch nicht genießen, denn heute mussten sie wieder zum Apparierkurs, der in der großen Halle statt fand.
 

Heute war Mittwoch. Der Tag, auf den sie gewartet hatte.
 

Ginny saß am Ende des Raumes in der Nähe der Treppen und gab vor in einem Buch zu lesen. Tief in den roten Polstern versunken beobachtete sie, wie die Schüler aus dem Jahrgang über ihr sich versammelten um gemeinsam in die große Halle zu gehen, während andere schon voraus gegangen waren.
 

In mehreren Grüppchen gingen die Jungen und Mädchen durch das Portrait. Gerade verließen Dean Thomas und Seamus Finnigan mit zwei weiteren Jungen den Ausgang. Und vor einigen Minuten hatte sie gesehen, wie Neville ebenfalls gegangen war. Somit fehlten nur noch zwei, um die Liste der Jungen aus Harrys Schlafsaal komplett zu machen.
 

Sie musste sichergehen, dass wirklich alle nicht mehr anwesend waren, denn wenn auch nur einer sehen würde, wie sie unerlaubt den Schlafsaal betrat, gäbe es eine Menge Ärger.
 

Parvati Patil und Lavender Brown tänzelten nun an ihr vorbei und Ginny wunderte sich darüber, diese Kichererbse Brown mal nicht an dem Arm ihres Bruders hängend zu sehen.
 

„Die Prüfung ist bereits im April! Ich kann es kaum noch erwarten bis ich endlich apparieren darf!“, seufzte Lavender.
 

„Vorausgesetzt du schaffst es“, sagte Parvati.
 

„Aber natürlich schaffe ich es. Wär’ ja total peinlich, wenn man durchfällt! Stell dir das mal vor!“
 

„Ach, viel schlimmer ist es, wenn man zersplintert! Weißt du noch was Susan Bones passiert ist?“
 

„Urgh! Erinnere mich nicht daran!“
 

Die beiden Mädchen gingen auf das Portraitloch zu und Ginny fragte sich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn man zersplinterte, bis sie sah, wie Ron und Harry die Treppen herunter gestiegen kamen.
 

Ginnys Blick verhärtete sich als ihr Blick auf den Brillenträger fiel. Wie konnte jemand nur so ein unverschämtes Glück haben und an ein Fläschchen von Felix Felicis gelangen? Unwillkürlich musste sie schmunzeln, bei diesem Wortspiel.
 

Hermine war nicht mit dabei. Seitdem Ron mit Lavender ging, sah man das Trio nicht mehr zusammen.
 

Beim Vorbeigehen winkte ihr Ron kurz zu. Sie erwiderte diese Geste mit einem Nicken und behielt sie im Auge, bis die zwei den Gemeinschaftsraum verließen. Mit ihnen waren nun alle Sechstklässler fort.
 

Sofort klappte sie das Buch in ihren Händen zu und erhob sich. Unbeachtet lies sie es einfach liegen. Niemand bemerkte, dass Ginny Weasley die falsche Treppe zu den Schlafsälen emporstieg. Anstatt die Treppe zu wählen, die den Weg zu den Mädchenschlafsälen wies, betrat sie die, die zu den Jungen führte. Merlin sei Dank, war es den Mädchen erlaubt, diese Treppen zu besteigen, während es andersherum nicht der Fall war. Rasch ließ sie die Stufen hinter sich und näherte sich der Tür, hinter der die Betten der Jungen der sechsten Klasse lagen und legte die Hand auf den Knauf. Sie verspürte keine Nervosität. Es bestand keine Sorge, alle Sechstklässler waren fort. Aufregung war unangebracht, denn dies sorgte in solchen Situation meist für Fehler. Ihr blieb vermutlich eine Stunde. Das sollte genügen.
 

Ginny warf einen letzten Blick zu den Schülern im Gemeinschaftsraum, doch alle Anwesenden schienen mit sich selbst beschäftigt zu sein und bemerkten die Rothaarige nicht. Ginny zog ihren Zauberstab und öffnete mit einem Alohomora die Tür. Flink betrat sie das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich, in der Hoffnung, in diesen vier Wänden ein wenig Glück zu finden.
 

Nur wenige Minuten später sah der Schlafsaal nicht mehr aus wie zuvor. Ginny durchwühlte alles, was als Versteck dienen konnte: Kleiderschrank, Nachtschrank, das Bett und zuletzt der Koffer. Ginny durchstöberte Harrys privates Eigentum und hatte bis auf Kleidung und Schulutensilien, Federkiele und Pergament nichts gefunden. Die Suche nach dem Trank blieb erfolglos. Die Gegenstände, die ihr bei ihrer Durchsuchung in die Finger kamen, warf sie achtlos hinter sich, sodass Harrys Habseligkeiten auf dem Boden verstreut lagen.
 

Ginny fühlte sich in ihr erstes Schuljahr zurück erinnert. Schon damals hatte sie dieses Zimmer durchstöbert um Toms Tagebuch aus Harrys Besitzt zurück zu holen.
 

Auf dem Boden kniend zog sie den schweren Koffer unter dem Bett hervor, öffnete ihn und bekam eine Ladung an Kleidung in die Hände. Wo war dieser verfluchte Trank? Weit und breit gab es keine Spur! Der Koffer war ihre letzte Möglichkeit. Beinahe alles hatte sie schon herausgenommen, bis zum Schluss nur noch ein paar zusammengerollte Socken auf dem Boden zurück blieben. Verdammter Doxymist!
 

Konnte es sein, dass Harry den Trank bei sich trug? Oder hatte er ihn längst aufgebraucht?
 

Ginny versuchte sich an irgendetwas Heldenhaftes zu erinnern, dass der Gryffindor in der letzten Zeit vollbracht und dazu Felix Felicis gebraucht haben konnte, doch ihr fiel nichts Nennenswertes ein.
 

Mit einem Schwenk ihres Zauberstabes fingen die herumliegenden Sachen an sich zu bewegen. Sie flogen wieder an die Stelle zurück, an der sie vorher gelegen hatte. An Ginny flog Im Angesicht des Gesichtslosen vorbei, ein Schulumhang und einige zerbröselte Eulenkekse für Hedwig, die sich in der Luft wieder zusammensetzten. In nur wenigen Sekunden sah das Zimmer wieder so aufgeräumt aus, wie zuvor.
 

Niemand würde bemerken, dass sie hier gewesen war.
 

Mit ihrem Misserfolg wollte sie sich jedoch nicht zufrieden geben. Wenn eine einfache Suche nicht half, dann musste sie eben einen Aufrufezauber benutzen.
 

Gerade als sie ihren Stab ziehen wollte, hörte sie ein Geräusch hinter sich, dass sie zusammenfahren ließ. Als sie sich umdrehte, sah sie jemanden, der das Zimmer betrat und überrascht in der Bewegung innehielt, als er feststellte, dass der Schlafsaal nicht leer war, so wie er eigentlich sein sollte. Versteinert blieb sie stehen und starrte in grüne Augen, die sie zuerst verwirrt ansahen, dann wütend.
 

Beide zückten gleichzeitig ihren Zauberstab...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SnoopFroggyFrog
2010-01-18T19:21:54+00:00 18.01.2010 20:21
Mann, Ginny macht Dray ja Feuer unterm Hintern^^
Bin ja mal gespannt, was im nächsten Kappi passiert^-^
Lg^.~


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