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Hebt die Gläser

von

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... nie hatte

Es war kalt, als sie die Wohnung betraten. Bianca fröstelte bereits den ganzen Tag, jetzt begann sie zu zittern. Sebastian legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. Beinahe wären dem Mädchen bei dieser aufmunternd gemeinten Geste die Tränen in die Augen gestiegen. Aber sie beherrschte sich und schniefte nur vernehmlich durch die Nase und schloss die Tür hinter sich.

„Schön, dass ihr da seid. Setzt euch ins Zimmer, ich bringe gleich den Tee.“

Schweigend kamen die Gäste dieser Aufforderung nach. Endlich schloss Anni auch das Fenster in der Küche.

„Ich wollte einfach ein bisschen frische Luft herein lassen“ entschuldigte sie sich als sie die bunten Tassen auf dem niedrigen Tisch abstellte. Aus der Seitentasche, die an ihrem Rollstuhl befestigt war, holte sie einen kleinen silberfarbenen Flachmann und goss großzügig einen Schluck in ihren Tee.

„Hast du nochmal etwas von Joe gehört“ fragte Bianca um nicht auf den Alkohol zu sprechen zu kommen.

„Ach, habe ich das nicht erzählt?“ Der höhnische Ton ließ nichts Gutes ahnen.
 

***
 

Joe rief seine Freundin jeden Tag im Krankenhaus an, meistens mehrmals. Er beschrieb wie alle nach ihr fragen würden und wie sehr sie fehle, erkundigte sich nach ihrem Befinden und den Fortschritten ihrer Genesung. Anni freute sich über seine Anteilnahme und ließ immer Grüße an seine Kumpanen ausrichten, besonders natürlich an Sandra. Am Tag vor ihrer Entlassung in die Reha kam der Anruf kurz vor der Nachtruhe. Die Geräusche ließen auf eine Kneipe oder Heffers Partykeller schließen. Doch die Stimmen waren trotz allem gut zu verstehen. Besonders als Anni nach Joes obligatorischem „Wie geht’s meinem Sternchen?“ den Ruf aus dem Hintergrund hörte: „Ey Alter, quatschste wieder mit dem Krüppel?“ Das schlecht unterdrückte Lachen in der Antwort „Fresse halten, Onder!“ bestätigte Annis lange gehegte Befürchtungen. Kein Wunder, dass sie nie Besuch von Joe bekommen hatte.
 

***
 

„Darauf hin habe ich aufgelegt und der Kontakt ist abgebrochen.“

Bianca nickte nur, während Sebastian ihre Hand drückte.

„Was hat der Typ eigentlich bekommen?“

Biancas Miene verfinsterte sich. „Nur das Übliche: Führerscheinentzug und eine lächerliche Bewährungsstrafe wegen schwerer Körperverletzung in Folge von Fahrens unter Alkoholeinfluss.“

„Tja, war wohl nicht anders zu erwarten. Das Schmerzensgeld ist fast vollständig für den Wohnungsumbau und die stationäre Reha drauf gegangen.“ Anni seufzte.

„Und was hast du jetzt vor?“

„Ich bin in einer Selbsthilfegruppe, die unterstützt mich auch bei der Jobsuche. Und die Schmerzen betäubt mein kleiner Freund ganz gut.“ Dabei strich sie nahezu zärtlich über den Flachmann.
 

~Ende~



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  MaiRaike
2009-08-24T15:30:05+00:00 24.08.2009 17:30
Wirklich sehr aufrüttelnd und trocken geschrieben ohne ins sentimentale abzudriften.

Alkohol ist ein schwieriges Thema.
Viele Jugendliche sind nicht mehr in der Lage Spass ohne zu haben.
Bei einer Party waren nach zwei Stunden mit einigen Getränken die anderen Gäste soweit so viel herumzuhüpfen und Spass zu haben, wie meine Freundin und ich es schon von Anfang an ohne einen einzigen Tropfen hatten.
Ich fand das unfassbar traurig.

Du hast wirklich ziemlich viele verschiedene Emotionen in diese drei Kapitel gepackt.

~present~

Von: abgemeldet
2009-07-19T01:56:42+00:00 19.07.2009 03:56
Und jetzt flüchtet sie sich (wieder) in den Alkohol?

Anscheinend hatte dieser Unfall sehr schwere Folgen. Ich weiß gar nicht, was ich nun schreiben soll...

Irgendwie ironisch, dass Anni ausgerechnet jetzt zur Flasche greift, wo sie doch immer so konsequent gehandelt hat.
Du hast aber alles wirklich gut rüber gebracht, das ernüchterne Ende hatte dabei wohl besser gepasst, als alles andere.

Alkohol kann so viel Schaden anrichten. Das hat man ja nun gesehen, das sollte man aber auch wissen.
Und die Strafen für solch einen Missbrauch und deren Folgen sind sowieso zu milde.
Langsam kommt mir auch der Gedanke, dass du gar nicht über Annis Leben direkt geschrieben hast, sondern nur vermitteln wolltest, wie viele Facetten der Gebrauch von Alkohol mit sich bringt?

Irgendwie kann ich gerade keine klaren Überlegungen führen, hau mich, falls ich Unsinn rede. ^^"
Auf jeden Fall hat mir die kurze FanFic gefallen, sehr gut gemacht. Kritik bekommst du keine. =)

Bis denn also. =3
Edelweiss.♥
Von:  Suzame
2009-05-07T14:25:05+00:00 07.05.2009 16:25
Hi

Ich habe deine Story gerade spontan entdeckt und muss sagen ich bin wirklich begeistert.
Du hast das alles in diesen "kurzen" Kapitel sehr gut rübergbracht. Man konnte mit Anni mitfühlen...schon allein, weil die meisten wohl das Gefühl kennen von sogenannten Freunden verraten zu werden.
Außerdem ist das mit Alkohol ja wirklich so ein zweischneidiges Schwert. Zum einen vergisst man, wird lockerer oder wie auch immer, aber zum anderen kann das einem das Leben doch auch ziemlich kaputt machen...
Das letzte Kapitel war wirklich aufrührend...irgendwie habe ich noch nie wirklich über so eine Situation nachgedacht, in der Anni sich jetzt befindet...und wenn wenn man es so nimmt, muss es doch ziemlich hart sein. Immerhin fängt sie auch zu trinken an....
Nun ja, ich werde die Story wohl nicht so schnell vergessen ;D

lg
Suzame
Von:  cookiie
2009-01-26T13:14:54+00:00 26.01.2009 14:14
oh mann, irgendwie tut mir anni voll leid
und dieser bescheuerte joe, den könnte ich ...
naja, du weißt sicherlich was ich mein, auf jeden fall waren die gefühle und alles einfachh, ahhhhh, zu gut gemacht
und auch wenn das ende kurz war, war es trotzdem gut und irgendwie traurig
auf jeden fall ist dir die ganze ff wirklich gelungen
weiter so
glg cookiie^^
Von: abgemeldet
2009-01-26T13:05:50+00:00 26.01.2009 14:05
*Gänsehaut habz*
Die Realität.... die einfach nur fiese und doch so schrecklich wirkliche Realität

Alkohol... dein Freund, dein Feind... allgegenwärtig in guten wie in schlechten Zeiten und dennoch immer der Grund warum aus guten schlechte Tage werden.

Das letzte Kapitel ist aufrüttelnd, traurig, verzweifelt und mit dieser Spur bitterer Ironie, die einem eine wirklich unsägliche Gänsehaut verursacht.

Du hast es geschafft, dass ich wirklich schlucken musste und einfach nur dachte... Scheißkerl... verf*biep* Onder... dämliche Kerle, elende... wo doch gerade diese Situation Zuwendung und vor allem Unterstützung erfordert.
v.v *dich mal dolle durchknuddel*

Danke für diese wirklich wunderbare Geschichte, die mich in drei Teilen die verschiedensten Gefühle durchleben lassen hat.
Dankeschöööön! :)


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