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Drachenkind

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Es tut mir leid!!!
Ich weiß, ich bin viel zu spät mit dem Kapiteln und wenn ich mich zurück erinnere, weiß ich gar nicht, warum ich nicht schon eher gepostet habe! Irgendwas hat mich aufgehalten! Das Üblich wohl – Arbeit und Seminar. Vergebt mir!
Mit meiner Vampire Knight FF ist es das Gleiche. Ich schäme mich. Ich hoffe auf das nächste Kapitel, muss nicht wieder so lange gewartet werden! Ich gebe mir wie immer die größte Mühe!
Dieses Kapitel ist eigentlich... spontan entstanden und nichts davon war geplant.^^; Ich weiß noch nicht, ob das gut oder schlecht ist. Wenn ich mir das dann allerdings so durchlese, frage ich mich echt, was ich gegen meine Charaktere habe. Eigentlich nichts! Aber trotzdem... *seufz*
Im nächsten Kapitel geht es dann rasant (haha... doch nicht bei mir!) weiter und der Grundstein für das Ende wird gelegt (wenn nichts dazwischen kommt) Hätte ich das vielleicht nicht sagen sollen? O.o

Viel Spaß beim lesen!

lg maidlin
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In der Stille des Winters

Am nächsten Tag nach Alexanders Besuch setzte der Schnee ein und zwar so heftig, wie es Annie noch nicht erlebt hatte. Sie hatte geglaubt, der letzte Winter wäre unerbittlich gewesen, aber dieser schien noch schlimmer zu werden.

Dieses Mal würde sich niemand nachts heimlich neben sie legen, an den sie sich würde anschmiegen können und der sie wärmte.

Annie stand am Fenster und betrachtete das Treiben da draußen. Die Flocken fielen so groß und dicht, dass sie den Wald kaum noch sehen konnte. Sie wusste, dass er da war und das gab ihr Sicherheit und besänftigte ihr unruhiges Herz etwas, dennoch war ihr wohler, wenn sie ihn sehen konnte.

Semerloys Worte verfolgten sie immer noch. Woher kam dieser plötzliche Wandel? Nein, das war falsch. Es hatte sich nicht wirklich etwas geändert. Er betrachtete sie immer noch als ein Objekt, dass er sein machen würde, sobald sie ihre Aufgabe als Barringtons Ehefrau erfüllt hatte. In diesem Moment dachte sie wieder, wie viel besser es doch war, kein Kind zu haben. Barrington war grob zu ihr und nahm sich was er wollte, aber sie wusste, dass Jonathan Semerloy noch weniger auf sie achten würde. Vielleicht würde er noch viel schlimmer sein. Er hatte etwas in seinem Blick, was sie erschaudern ließ. Er konnte bestimmt sanft und zärtlich zu einer Frau sein, aber genauso gut auch grausam und unerbittlich. Aber ganz egal, sie wollte keine dieser Seiten je kennenlernen.

Annie atmete schwer durch. Es war nicht einmal Mittag und sie fühlte sich wieder so müde, als könnte sie den ganzen Tag über durchschlafen. Sie wusste, dass sie sich das nicht erlauben konnte. Inzwischen war John Barrington gewiss wieder nüchtern und würde sie aufsuchen. Ihr wurde allein bei dem Gedanken daran schlecht. Trotzdem sah sie keinen Ausweg. Es gab keinen, das wusste sie. Es wäre sinnlos sich weiter Hoffnung zu machen. Sie konnte nur versuchen es so gut wie möglich zu ertragen, bis ihr Körper es nicht mehr aushalten könnte. Ihr Gedanken in eine andere Richtung lenkend, überlegte sie, dass sie nach dem Essen in die Küche gehen würde. Sie wollte sich erkundigen, ob ihre Anweisung, dass alle noch genießbaren Überbleibsel des Essens in die Stadt geschafft und unter den Leuten aufgeteilt werden, befolgt worden waren. Der Küchenchef hatte sich wenig begeistert davon gezeigt, aber in dem Falle hatte sie ihm gezeigt, wer sie inzwischen war. Es konnte nicht sein, dass all dieses Essen sonst den Schweinen vorgeworfen wurde. Es blieb jedes Mal so viel übrig, dass sie eigentlich gleich alles von vornherein wegwerfen konnten.

Sie machte sich nichts vor, in dem sie glaubte, dass sie Leute diese Gabe mit offenen Armen empfangen würden, aber der Winter war bereits jetzt hart und da würden sie je Hilfe brauchen, die sie bekommen konnten.
 

Die Tage zogen sich dahin und der Schnee ließ nicht nach. Es gab nur wenige Augenblicke in denen die Schneeflocken nicht vom Himmel fielen und die Welt in ein neues prächtiges, weißes Kleid hüllten. Ausritte mit Hera waren für Draco so gut wie unmöglich. Der Schnee, der unten lag, begann zu frieren und überall konnte man ausrutschen. Es war zu gefährlich für das Tier. Da hatte er sogar Alexander rechtgeben müssen, als dieser es ihm eines Morgens erklärt hatte. Also blieb er auf dem Anwesen und ging seinen täglichen Beschäftigungen weiterhin nach. Er fühlte sich regelrecht eingesperrt und die Stunden, die er im Stall verbrachte, konnten ihn nicht davon ablenken.

Zumal seine Gedanken immer wieder zum letzten Jahr zurückkehrten, als er seinen ersten Winter als Mensch erlebte. Wie fremd und unwirklich ihm das alles erschienen war, dachte er. In jenem letzten Winter hatte er zum ersten Mal wahrgenommen, dass Menschen frieren konnten und das er ebenfalls dazu in der Lage war, auch, wenn es bei ihm um einiges länger dauerte als bei den Menschen, und er hatte zum ersten Mal erfahren, wie lieblich sie doch roch.

Was würde diesen Winter geschehen?

Wie würde er die Kälte empfinden?

Wie würde sie sie empfinden?

Würde sie nachts in ihrem Bett liegen und frieren? Oder würde er...

Er biss sich auf die Lippen bis es schmerzte. Er durfte nicht einmal daran denken, um nicht so wütend zu werden, dass ihm ganz heiß wurde!

Um sich abzulenken nahm er noch einen Ballen Stroh und verteilte ihn mit der Heugabel in den vorderen zwei Pferdeboxen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er das den ganzen Winter über tun würde, ohne jemals etwas anders zu sehen. Wenn er Hera nicht benutzen konnte, konnte er vielleicht zu Fuß in den Wald gehen, dachte er. Es wäre besser, als den ganzen Tag Alexander oder auch seine Frau um sich zu haben. Inzwischen hatte er sich mit ihnen... abgefunden, dennoch sehnte er sich nach Momenten in denen er allein war. Ganz allein, ohne ihre Stimmen oder Schritte hören zu müssen.

Als er auch das letzte Pferd gefüttert hatte, legte er den Umhang wieder um und trat nach draußen. Er sah Alexander aus dem anderen Stall kommen und dieser nickte ihm kurz zu. Sie liefen beide über den frisch gefallenen Schnee und Draco wusste, was als nächstes zu tun war. Sie mussten die Wege zu den Ställen und vor allem zum Brunnen freihalten, um zu verhindern, dass sich dort eine ebenso dicke Eisschicht bildete, wie auf dem restlichen Gelände. Außerdem musste auch die Wasseroberfläche des Brunnen vom Eis befreit werden, dass sich des nachts darauf legte. Alexander gab ihm einen Besen und die beiden Männer verrichteten schweigend ihre Arbeit, während der Schnee um sie herum tanzte und der kalte, blasende Wind in ihren Augen schmerzte.

Die Abende verliefen auf die gleiche Art und Weise, wie zuvor. Alexander lehrte Draco die Buchstaben – inzwischen waren sie bei dem Buchstabend U – und er konnte inzwischen schon recht viele Wörter lesen. Zumindest war es das, was Alexander glaubte. Doch Draco konnte die Wörter weniger lesen, als das er sich vielmehr daran erinnerte, wie eine bestimmte Anordnung und Abfolge von Buchstaben ausgesprochen wurde. Hatte ihm Alexander einmal ein neues Wort gezeigt und ihm vorgesprochen, prägte es sich in seinem ewigen Gedächtnis ein. Immer wenn er es brauchte, griff er darauf zurück. Es war als würde er die Wörter auswendig lernen, nur dass dies ohne Mühe geschah. Alexander konnte sein Erstaunen nicht zurückhalten und sagte Draco eines Abends, wie bemerkenswert er seine Auffassungsgabe fand, doch Draco schwieg dazu – wie bei fast allem was er tat.

Das Schreiben viel ihm leichter und ging inzwischen fast flüssig von der Hand. Neue Buchstaben konnte er schon bald genauso sauber schreiben, wie Alexander. Gleiches galt für Worte und Sätze. Und auch das Verschmieren der Buchstaben hatte aufgehört, als Alexander ihm geraten hatte, das Papier ein wenig nach schräg nach links zu legen. Es zeigte sich, dass es ihm wirklich leichter viel auf diese Weise zu schreiben. Da Draco schon bald alle Buchstaben und Laute beherrschen würde, hatte Alexander bereits davon gesprochen, ihm auch die Zahlen und das Rechnen beizubringen. Der Winter würde offenbar noch lange dauern und sie würden noch eine Menge Beschäftigung brauchen, hatte er gesagt. Draco hatte daraufhin mit den Schultern gezuckt. Er würde ohnehin keine Wahl haben und es war immer noch besser als nichts zu tun.
 

Es war eine der Nächte in denen es selbst für den Schnee zu kalt war. Draußen gefror es beständig und Draco wusste, dass er noch einmal nach draußen musste, um den Brunnen vom Eis zu befreien. Allerdings wusste er ebenso wie Alexander, dass es sinnlos sein würde. Bis zum Morgen, wenn sie wieder aufstehen würden, würde es abermals zugefroren sein. Vorräte konnte sie keine anlegen, da es sich nur ein oder zwei Tage halten würden.

Draco lag wach in seinem Bett. Es war warm und angenehm und doch ließ ihn etwas nicht schlafen. Seine Sinne waren alle angespannt und sein Herz schlug ungewöhnlich schnell und gleichzeitig schwer in seiner Brust. Als würde jedem Augenblick etwas geschehen, ein Feind in der Tür auftauchen und ihn angreifen. Dabei wusste er doch, dass es vollkommener Unsinn war. Nichts würde hier erscheinen. Es war eine Nacht, wie jede andere.

Der Schein des zunehmenden, halben Mondes wurde auf dem Schnee reflektiert und ließ die Nacht beinah taghell erscheinen. Draco legte den Kopf schief, sah den Mond einen Moment an und spürte die selbe, altvertraute Sehnsucht in sich. Wenigstens war ihm das geblieben.

Dann schloss er die Augen und versuchte sich vom Schlaf finden zu lassen.

Es war still, dachte er. Sehr still. Kein Wind ging, kein Schnee fiel vom Himmel. Schon lange hatte er so eine Nacht nicht mehr erlebt. Gleich nach diesen Gedanken öffnete er die Augen ruckartig wieder. Jetzt wusste er, was ihn wachhielt. Es war diese Stille. Es war zu still.

Unheilverkündend.

Er stand auf und trat an das Fenster heran. Draußen schien alles normal. Er hatte einen Blick auf den Stall, der inmitten des Schnees lag und eine hohe Schneedecke hatte sich auf das Dach gelegt. Am Morgen würden sie den Schnee beräumen müssen, dachte er kurz, als er sah, dass der Weg schon wieder vollkommen zugeschneit war. Dann ließ er seinen Blick noch einmal über das Gelände wandern, um sich wirklich davon zu überzeugen, dass alles so war, wie es sein sollte. Das beklemmende Gefühl schien nur noch stärker zu werden. Sein Blick glitt noch einmal zum Pferdestall und blieb daran hängen. Der Mond schien direkt darauf zu scheinen. Er erleuchtete das Gebäude hell und klar, als wollte er einen Hinweis geben. Draco betrachtete das Dach weiterhin, besah sich das ganze Gebäude soweit er es erkennen konnte, doch nichts schien ihm auffällig. Er drehte sich um und war gerade dabei sich wieder hinzulegen, als er inne hielt. Er würde keine Ruhe finden, ehe er nicht nachgesehen hatte, sagte er sich. Außerdem musste er den Brunnen vom Eis befreien.

Er zog sich die Schuhe an und warf den dicken Mantel über. Es sollte nicht lange dauern.

Als er die Tür öffnete schlug ihn der eisige Wind ins Gesicht und sofort begann es ihn leicht zu frieren. Der Wind drang erbarmungslos durch den Mantel, seine Kleidung, durch seine Haut in seine Knochen hinein.

Schnellen Schrittes bahnte er sich einen Weg durch den Schnee, bis er vor dem Stall stand. Er lauschte kurz an der Tür. Die Pferde wieherten leise, was ihn verwunderte, schliefen doch auch sie zu dieser Zeit meist. Vielleicht hatten sie ein ähnliches Gefühl, wie er selbst. Noch einmal sah er zum Mond und er konnte wieder nicht anders denken, als das das helle Licht direkt auf den Stall gerichtet war. Draco trat einen Schritt zurück und noch einen. Er ging langsam durch den hohen Schnee. Er konnte einfach nichts Ungewöhnliches feststellen. Sollte er sich so sehr geirrt haben?

Vielleicht spielte das eisige Wetter auch ihm einen Streich.

Gerade wollte er sich zum gehen wenden und zum Brunnen laufen, als er ein kurzen Knacken hörte. Nur kurz und nicht laut, als hätte jemand einen Ast entzwei gebrochen. Er dreht sich um und seine Augen suchten ein letztes Mal den Stall ab. Sein Blick huschte über das Dach und blieb plötzlich an einer Stelle hängen.

Bildete er sich das ein, oder war da wirklich eine Vertiefung im Dach? An einer Stelle schien es, als würde das Dach uneben sein und nach innen eingedrückt werden. Aber er war sich sicher, dass das Dach am Morgen vollkommen in Ordnung gewesen war. Andererseits... so genau hatte er nicht darauf geachtet. Draco beobachtet die Stelle noch einen weiteren Augenblick, dann abermals ein kurzes Knacken, dass umso grausamer klang, gefolgt von einem Ächzen und Stöhnen. Die Stelle, an der das Dach so uneben schien, war noch tiefer geworden.

Plötzlich begriff er.

Das Dach würde zusammenbrechen.

Und es würde die Pferde unter sich begraben!

Augenblicklich rannte er zurück zur Tür, löste den Verschluss so schnell es seine Finger es ihm erlaubten und trat ein. Abermals ertönte ein Ächzen über ihm, dieses Mal länger und gefährlicher. Er riss die Tür auf und die Pferde standen bereits nervös in ihren Boxen, bewegen den Kopf unruhig hin und her und scharrten mit den Hufen. Hastig legte er den ersten Metallriegel um und öffnete die Box. Das Pferd – Sonnentanz – stieb sofort aus der Box und rannte nach draußen, als er schon im Begriff war das nächste rauszulassen. Sie witterten die Gefahr von allein. Wieder Stöhnten die Holzbalken über ihm. Er schaute nach oben und dann sah er es. Ein Balken hatte bereits einen Knick, als hätt wäre jemand dabei ihm mit den Händen zu zerbrechen. Ein erneutes Knacken und er Balken brach weiter. Konnte von einem gebrochenen Balken wirklich alles einstürzen? Doch als sein Blick weiter das Dach absuchte, da er neben dem in seinem Sichtfeld liegenden Balken einen weiter, der bereits gebrochen war.

Sein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich und das Blut begann ihm in den Ohren zu rauschen. Er musste sich beeilen!

Er befreite auch das zweite Pferd aus seiner Box, öffnete sie halb, so dass das Tier allein gehen konnte und machte sich an der dritten Verriegelung zu schaffen. Die letzen beiden waren Wüstensand und Hera. Vom hinteren Teil des Stalles hatte er nun einen genauen Überblick. Es waren bereits zwei Balken gebrochen und auch, wenn er nichts von der Konstruktion dieses Gebäudes verstand, wusste selbst er, dass es ein Wunder war, dass das Dach noch nicht eingestürzt war. Wieder ächzten die umliegenden Balken und Bretter unter der Last, die sie zu tragen hatten und Dracos Bewegungen wurden fahriger. Seine Finger schmerzen, als er den Metallriegel von Wüstensands Box umlegte. Für einen kurzen Moment bliebe er mit dem Daumen an einer vorstehenden Spitze hängen und er riss sich den Handballen auf. Doch er spürte es nicht einmal. Die Angst, dass sie unter der Last des Daches begraben würde, lies keinen Platz für weiteren Schmerz. Nur wage nahm er das Blut war, welches aus auf den Boden tropfte, als er Wüstensands Box endlich öffnete.

Ein erneutes Ächzen, ein kurzer Blick nach oben.

Er würde es nicht schaffen.

Draco drehte sich um, begann Heras Box zu öffnen. Anders als die anderen Pferde sah sie ihn ruhig an und schien keineswegs nervös. Als würde sie wissen, dass er es schaffen würde. Draco blickte ihr kurz in die Augen und hoffte, dass sie sich nicht irrte.

Der Riegel sprang auf und Hera trat mit großen Schritten heraus. Sie galoppierte nach draußen. Zur gleichen Zeit gab es einen letzten lauten Knack und dann herrschte wieder diese seltsame, alles verschlingende Stille, die nur durch seinen Atem unterbrochen wurde. Sie hielt nur für einen einzigen Wimpernschlag an, dann setzte ein Ächzen und Stöhnen ein, so laut und unvorstellbar, dass es Draco durch Mark und Bein ging. Der dritte angebrochene Balken gab endgültig nach und das Dach über ihm begann einzustürzen.

Draco rannte so schnell er konnte. Der Ausgang schien unendlich weit von ihm entfernt. Über all um sich herum sah er herunterfallende Bretter, Balkenstücke und Stroh, dass von dem Zwischenboden viel, welchen die herabstürzenden Balken zerrissen hatten. Es nahm ihm die Sicht, doch er kannte den Ausgang. Er hätte ihn auch blind gefunden. Plötzlich mahnte in seine innere Stimme stehen zu bleiben und er sah kurz nach oben. Ein Balken viel direkt vor seine Füße und hätte ihn erschlagen, wenn er auch nur einen Schritt weiter gegangen wäre. Draco überlegte nicht, sondern sprang über den Balken und lief weiter. Er hörte kurz ein Pferd schmerzvoll wiehern – Hera? – doch da hatte er endlich das Tor erreicht. Er durchquerte es und lief weiter. Hinter ihm wurde das Krachen und Dröhnen lauter, war grauenvoll in seinen empfindlichen Ohren, als der Rest des Stalles, kaum dass er ihn verlassen hatte, gänzlich in sich zusammenbrauch und in einer Wolke aus Stroh, Staub und Schnee verschwand.

Erst als Draco das Haupthaus fast wieder erreicht hatte, spürte er, wie sehr seine Lungen brannten. Kurz nahm er die entsetzten Gesichter von Alexander und Susan war, als er sich vorn überbeugte und die Hände auf die Knie stütze. Er war vollkommen am Ende seiner Kräfte.

Er war schon oft gelaufen, lange und schnell, aber das hier hatte alles andere bisher übertroffen. Dieses Mal war er wirklich um sein Leben gerannt. Er schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Etwas, was ihm schwer fiel, denn ein ganz anderes Bild war vor seinen Augen aufgetaucht. Er, hoch in den Wolken, mit Verletzungen, von denen er sicher war, sie würden ihn töten. Damals hatte er die gleiche Angst empfunden. Auch, wenn er schon oft hatte sterben wollen, so wollte er es nun nicht mehr. Es gab noch etwas was er tun musste. Er konnte noch nicht sterben.

„Bist du verletzt?“, fragte Alexander ihn, der plötzlich vor ihm stand. Draco versuchte zu antworten, doch war er immer noch nicht in der Lage Worte zu formulieren. Stattdessen schüttelte er kurz den Kopf. Ein Fehler, denn gleich darauf wurde ihm auf einmal schwindlig und er hatte das Gefühl sich übergeben zu müssen. „Komm hoch.“, sagte Alexander weiter und stützte ihn mit seinen Händen. Erst jetzt viel Draco auf wie zittrig Alexanders Stimme sich anhörte und dass dessen Hände zitterten.

„Wie konnte das passieren?“, hörte er Susan neben sich fragen, die vollkommen aufgelöst klang.

Da richtete sich Draco auf und wagte es sich umzudrehen. Seine Beine zitterten und er atmete immer noch viel zu schnell, aber er wusste, dass es bald vergehen würde. Es war nichts worüber er sich Sorgen machen musste. Die Wolke, die den eingestürzten Stall umgeben hatte, legte sich langsam und gab den Blick auf das Frei, was noch übrig geblieben war.

Lediglich zwei Wände standen noch. Die linke und die hintere. Die anderen beiden waren nach innen oder außen zusammengeklappt, die Bretter aus denen sie gemacht waren, waren zersprungen. Das Dach vermutete er in der Mitte, des einstigen Stalles. Vereinzelt ragten dicke Balken in den dunklen Himmel, die vor wenigen Augenblicken noch das Dach getragen hatten. Über all dem lag Stroh und Schnee. Es war ein seltsam grotesker Anblick. Man konnte nicht einmal mehr vermuten, dass es einmal ein Pferdestall gewesen war.

„Was ist passiert?“, fragte Alexander ihn noch einmal. Fassungslos starrte er auf die Trümmer.

„Der Schnee...“, brachte Draco schließlich heraus und atmete immer noch schwer. „Ich glaube er war zu schwer und hat das Dach zum Einsturz gebracht.“

Draco sah, wie Alexander heftig schluckte. „Ich glaube es einfach nicht.“, brachte er schließlich hervor. Draco sah ihn kurz an und es ging ihm ebenso. Noch nie hatte er diesen Mann so bestürzt gesehen.

„Warum haben wir vorher nichts gemerkt?“, fragte Alexander weiter. Draco konnte nicht antworten.

„Was das Holz bereits so alt?“, fragte Susan, die einen Schritt vor ging, bis sie vor den Trümmern stand.

„Nein, eigentlich nicht.“, antwortete Alexander ihr. „Es muss vielleicht wirklich am Schnee gelegen haben, aber dann...“ Er ließ seinen Blick zu dem anderen Stall und anschließend zu seinem Haus wandern. Abermals schluckte er heftig. Er hatte offenbar den gleichen Gedanken wie Draco, als er es sah. Auf beiden anderen Gebäuden lag ebenso viel Schnee. Wenn das Dach des Pferdestalles nachgegeben hatte, dann konnte das mit diesen Gebäuden ebenso geschehen.

„Wir müssen die Dächer räumen.“, sprach Alexander den Gedanken laut aus und Draco nickte kurz.

„Wo sind die Pferde?“, fragte Susan nun und alle drei sahen sich suchend um. Die drei Tiere, die vorn gestanden hatten, standen am Brunnen und schienen sich wieder beruhigt zu haben. Ein wenig weiter daneben stand Wüstensand, aber wo war Hera?

„Ich kann sie nicht sehen.“, sagte Alexander.

Draco schüttelte den Kopf. Er auch nicht. Er erinnerte sich, dass sie vorhin gewiehert hatte.

„Vielleicht ist sie verletzt?“, sagte er schließlich.

„Was?“

„Ich habe sie vorhin gehört, als ich nach draußen gerannt bin.“

„Auch das noch.“, murmelte Alexander. „Wir müssen sie suchen gehen und den Schnee von den Dächern schieben, heute Nacht noch.“

„Heute noch?“, fragte Susan ungläubig. „Aber es ist viel zu kalt und dunkel. Ihr friert euch die Finger ab.“

„Wir haben keine andere Wahl. Ich kann nicht wieder ins Bett gehen, wenn ich weiß, dass die Last des Schnees auf das Dach drückt und es uns genauso gehen kann.

„Draco sieh zuerst im anderen Stall nach, ob du irgendwas sehen kannst. Irgendwas, das die Balken nachgeben. Ich sehe im Haus nach. Dann holst du die Pferde und bringst sie, wenn alles in Ordnung ist, in den Stall. Danach suchst du Hera. Ich glaube sie würde eher mit dir mitgehen, als mit mir, wenn sie wirklich verletzt ist. Ich versuche schon mal ein wenig

Schnee von den Dächern zu schieben.“

Draco nickte kurz zustimmend. Er ging zum zweiten Stall und sah kurz zu den Überbleibseln des anderen. Der Schrecken saß ihm noch immer in den Gliedern.

Er schob den Riegel der Holztür zur Seite und kurz durchzuckte ihn ein Schmerz. Er sah auf seine recht Hand und nahm zum ersten Mal die Wunde wahr. Es war ein tiefer Schnitt, der sich vom Daumen über seinen Handballen zog. Ein wenig blutete es noch, aber er hatte jetzt keine Zeit um sich darum zu kümmern. Er betrat den Stall und sah zur Decke. Auf den ersten Blick konnte er nichts Ungewöhnliches feststellen. Sie war genauso ebenmäßig, wie sonst auch. Dennoch betrat er die Leiter und kletterte auf den Zwischenboden. Er lief oben entlang und hob den linken Arm. Mit der Hand fuhr er das Holz entlang, um irgendwelche Unebenheiten zu bemerken, doch alles schien ihm normal. Dieses Dach war noch nicht so gefährdet. Aber Alexander hatte recht. Sie würde das Dach vorsichtshalber räumen müssen.
 

Als er draußen war, kam Alexander gerade aus dem Haus zurück.

„Und?“, fragte er ihn und Draco schüttelt kurz den Kopf.

„Es sieht alles normal aus.“, antwortete er.

„Im Haus auch. Der Kamin hat das Dach offenbar gewärmt. Ist dir nicht kalt?“, fragte Alexander ihn und reichte ihm gleichzeitig ein paar Handschuhe.

„Nein.“, antwortete er ihm. Er nahm die Handschuhe dennoch und zog sie über die Hände. Abermals zuckte er zusammen, als er den Stoff über die rechte Hand schob.

„Hol die Pferde und such Hera. Wenn du fertig bist, hilf mir. Ich fange schon mal an.“

Er nickte als Antwort und ging dann zu den Pferden. Sie standen ruhig da und wurden auch nicht unruhig, als er sich ihnen näherte. Anscheinend hatten sie den Schreck bereits überwunden. Er streichelte Wüstensand kurz an der Nase und gab ihm dann einen Klaps auf den Hintern. Das Pferd trabte los. Genauso machte er es auch bei den anderen. Dann ging er voraus und sie folgten ihm in den anderen Stall. Dort war nur noch wenig Platz. Die paar Kühe, Ziegen, Schweine und Hühner, die Alexander hielt, waren erwacht und starrten ihn ängstlich an. Offenbar ahnten sie, was geschehen war. Draco trieb die Ziegen mit zu den Kühen, so dass die Pferde erst einmal Platz fanden. Es war eng und Hera würde ebenfalls noch dazu kommen, aber es war besser, als sie draußen zu lassen. Er schloss die große Box hinter den Pferden und machte sich dann auf die Suche nach Hera.
 

Die Suche nach ihr war allerdings alles andere als leicht. Sie hatte sich nicht mehr in der Nähe aufgehalten, wie er gehofft hatte, sondern war weiter zum Wald hoch gelaufen. Er hatte ihren Spuren im Schnee sehen können. Es war der Weg, den sie immer nahmen, wenn sie ausritten. Seine Augen waren gut an das Licht des Mondes gewöhnt und es kam ihm vor, als würde er genauso gut sehen, wie am Tag. Schließlich, hatte es eine Zeit geben, in der der Mond wirklich seine einzige Lichtquelle gewesen war.

Draco stand am Waldrand und lauschte. In der Nähe glaube er das Schnauben eines Pferdes zu hören. Er war auf dem richtigen Weg. Er folgte dem Geräusch und fand Hera schließlich vor einem großen, mächtigen Baum stehen. Ihre Gestalt verschmolz mit dem Schwarz der Umgebung und nur die Bewegung ihres Schwanzes, ließ sie deutlich als Lebewesen erkennen. Er näherte sich ihr vorsichtig von der Seite, um sie nicht zu verschrecken. Dennoch hörte sie ihn und hob augenblicklich den Kopf. Bisher konnte er keine schweren oder lebensbedrohlichen Verletzungen ausmachen. Er erwartete, dass sie davon laufen würde, es wäre die erste logische Reaktion eines Tieres, doch sie blieb wo sie war und schien darauf zu warten, dass er zu ihr kam. Draco streckte den linken Arm aus und streifte den Handschuh ab. Behutsam strich er über ihre Nüstern und sie ließ es geschehen.

„Komm mit mir.“, flüsterte er und Hera bewegten den Kopf. Offenbar in Zustimmung, denn sie lief wirklich neben ihm. Draco versuchte einen Blick auf ihren Körper zu werfen und glaubte etwas rot Schimmerndes an ihrer Flanke zu erkennen. Dort muss sie wohl ein herunterstürzender Balken getroffen haben. Aber da sie nicht lahmte oder sich sonst schwerfällig bewegte, schien es nichts Ernstes zu sein.

Er würde es sich bei Tageslicht ansehen müssen.
 

Nachdem Draco das Tier zu den anderen in den Stall gebracht hatte, kletterte er die Leiter zu Alexander auf das Dach herauf. Er sah kurz zum Haus. Dort lag der Schnee noch auf dem Dach, aber er sah jetzt, dass es weitaus weniger war, als auf den Stall. Offenbar hatte die Wärme des Kamins wirklich dafür gesorgt, dass nicht allzu viel darauf liegen geblieben war.

„Pass auf wo du hintrittst. Es ist verdammt glatt.“, sagte Alexander durch seinen dicken Schal hindurch und reichte Draco schließlich einen Spaten, den Alexander im Sommer wohl für die Felder und den Garten benutzte. „Einfach runter schieben.“, wies Alexander ihn an und setzte seine Arbeit fort. Draco sah ihm kurz zu und tat es ihm dann gleich. Es war glatt und nicht ganz ungefährlich, das sah sogar er ein, aber sie kamen gut voran. Störender und vor allem schmerzvoller empfand er das Gefühl in seiner rechten Hand. Der Handschuh scheuerte bei jeder Bewegung unangenehm auf der Wunde und schien sie jedes Mal aufs Neue aufzureisen. Die Stelle begann zu jucken und brennen, doch er beklagte sich nicht. Es war nicht mehr viel und sie würden es bald geschafft haben, sagte er sich selbst. Wenn sie auch das Hausdach vom Schnee befreit haben, würde er die Wunde auswaschen und zu Bett gehen. Am Morgen würde er nichts mehr davon spüren.

Sie kamen gut voran, dennoch brauchten sie länger als erwartet, bis sie den letzten Schnee nach unten geschoben zu hatten. Als sie wieder nach unten geklettert waren, mussten sie zudem den Weg abermals freiräumen. Zum Schluss blieb noch ein letzter Blick auf die Tiere zu tun, die die ganze Zeit unruhig gewesen waren, und den Stall zu verriegeln. Sie machten sich sogleich an das Hausdach. Dies allerdings war nach kurzer Zeit getan. Als sie den letzten Schnee nach unten geschoben hatten, kehrten sie ins Haus zurück.

Dort war es angenehm warm und Susan wartete bereits mit einem heißen Tee auf sie.

„Du solltest dich doch schon längst wieder hingelegt haben.“, mahnte Alexander sie sanft, nahm die Teetassen aber bereitwillig entgegen.

„Als ob ich jetzt schlafen könnte!“, erwiderte Susan und reichte auch Draco einen Becher mit der dampfenden Flüssigkeit. Draco nahm sie dankbar an. Er trank sie nicht gleich, sondern wollte sie mit auf sein Zimmer nehmen. Erst musste er sich der Handschuhe entledigen, aber er wollte nicht, dass die beiden es sahen. Er würde es nicht ertragen können, sich schon wieder von ihnen versorgen lassen zu müssen.

„Bevor du zu Bett gehst, Draco...“, unterbrach Alexander ihn auf seinem Weg und Draco blieb entnervt stehen. Was denn noch? „Danke für deine Hilfe.“, beendete er seinen Satz und Draco sah in seinen Augen, dass er es durchaus so meinte. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn du die Pferde nicht herausgelassen hättest und erst recht nicht, was geschehen wäre, wenn du es nicht...rechtzeitig herausgeschafft hättest. Meinen Dank dafür.“

Draco nickte zur Erwiderung kurz. Nie hätte er damit gerechnet einmal einen Dank von Alexander zu bekommen. „Aber noch etwas... wir sollten das Feuer im Kamin immer brennen lassen, um zu verhindern, dass sich über Nacht zu viel Schnee auf dem Dach sammelt. Solltest du also sehen, dass es abgebrannt ist, sei bitte so gut und lege ein paar Holzscheite nach.“

Wieder nickte Draco kurz, dann ging er in sein Zimmer.

Dort stellte er den Becher ab und zog den Handschuh der linken Hand aus. Bei der rechten verzog er schmerzvoll das Gesicht. Das Futter der Handschuhe klebt an dem getrockneten Blut und mit jedem Stück, dass er die Handschuhe herunter rollte, riss er ein Stück Haut mit ab. Wieder begann es zu bluten. Er wusch die Wunde in der Waschschüssel sauber, die neben seinem Bett stand und umwickelte sie dann provisorisch mit einem Hemd. Die Stelle in seiner Hand pochte und der Schmerz zog sich durch seinen Arm. Dann trank er einen Schluck Tee um sich innerlich aufzuwärmen und ließ sich dann aufs Bett fallen. Erst da merkte er, wie müde er war. Er wusste, dass er sofort würde schlafen können, wenn er nicht dieses Pochen in seiner Hand verspüren würde. Es schien den ganzen Raum einzunehmen und mit der Zeit immer lauter zu werden. Draco starrte zum Mond und hoffte, dass dieser ihn beruhigen würde. Draußen hörte er Stühle über den Boden scharren und dann Schritte auf der Treppe. Susan und Alexander gingen zu Bett. Dann lauschte er abermals dem Pochen in seiner Hand. Es sollte bis zum Morgengrauen dauern, ehe er endlich schlaf fand.
 

Draco wurde vom stechenden Schmerz geweckt, der noch immer in seiner Hand saß. Das Pochen war stärker geworden und als er sich aufsetzte wurde ihm schwindlig. Behutsam löste er das Hemd, welches er in der Nacht zuvor darum gewickelt hatte. Es blutete nicht mehr, aber es heilte auch nicht. Aber das würde es schon, dachte er und stand auf. Er musste langsam gehen und schnelle Bewegungen vermeiden. Draco kannte schlimmere Schmerzen, aber für seine Aufgaben, die er zu erledigen hatte, musste er diese Hand gebrauchen. Es würde abermals ein anstrengender Tag werden.

Bevor er den Raum verließ sah er zum Fenster. Es war bereits hell und er überlegte kurz, wie lange er geschlafen hatte. Als er die Küche betrat, sah er Alexander bereits am Tisch sitzen und Draco erkannte, dass er müde aussah.

„Ich dachte ich lass dich noch ein bisschen schlafen, aber offenbar kannst du auch nicht mehr länger im Bett liegen.“, sagte Alexander freundlich. Ein Ton der Draco ungewohnt vorkam und dem er nicht ganz traute. „Es ist schon Mittag. Susan wird gleich etwas Kochen, deswegen fällt der Frühstück kleiner aus. Wir müssen erst nach den Pferden sehen, ob sie wirklich nicht verletzt sind. Außerdem müssen wir sehen, dass sie alle Platz haben. Ich will gar nicht wissen, wie es da draußen jetzt aussieht.“, murmelte Alexander, als er sich auch schon erhob.

Die beiden Männer gingen nach draußen und im schwachen Sonnenlicht, sahen die Trümmer noch erschreckender aus, als in der Nacht. Sie konnten den Stall nicht wieder aufbauen, sagte Alexander nach wenigen Augenblicken, die sie herumgegangen waren. Sie würden das Holz beiseiteschaffen müssen und im Frühjahr einen neuen bauen lassen müssen.

„Das Holz können wir verbrennen. Das Stroh allerdings ist nutzlos. Vollkommen nass und zerdrückt und ich weiß auch nicht, wie man es jetzt trocknen könnte. Lass uns nach den Satteln und Zaumzeug suchen. Vielleicht haben sie es heil überstanden.“, sagte Alexander, als er sich schon an die Arbeit machte.

In den dicken Wintermänteln fiel das Arbeiten schwerer und Draco versuchte nur die linke Hand zu benutzen, als er die Holzbretter umdrehte und beiseite räumte, die einmal die Wände des Stalles gewesen waren. Am Ende fanden sie tatsächlich noch drei Sattel die zu gebrauchen waren, das Zaumzeug, Heugabeln und noch andere Kleinteile, für die Pferde und die sie somit nicht ersetzen mussten.

Den Tieren ging es gut. Hera hatte wirklich nur einen Kratzer auf der Flanke. Allerdings war es wirklich recht eng und Alexander überlegte mit ihm bis zum Mittag, wie sie die Tier anders aufteilen konnten – zu einem befriedigenden Ergebnis kam er dabei aber nicht.
 

Am Nachmittag räumten Draco und Alexander die Überreste des Stalles beiseite. Bretter die noch in Ordnung waren stapelten sie hinter dem zweiten Stall, die anderen kamen zu dem Haufen hinter dem Haus, der das Feuerholz lagerte. Das Stroh ließen sie liegen. Es hatte keinen Sinn es zusammenzutragen, da sie ohnehin nicht wusste, wohin damit.

Draco fiel es schwer diese Aufgaben zu verrichten. Der Schmerz war schlimmer geworden und er konnte die Bretter nicht richtig anfassen. Packte er nur mit Links zu hatte er das Gefühl nicht genügend Kraft dafür zu haben und es kostete ihn Mühe sich vor Alexander nichts anmerken zu lassen. Und als dieser ihn aber doch darauf ansprach, nahm Draco lieber die verletzte Hand hinzu als zuzugeben, dass er Schmerzen hatte. So lange wie er arbeitet bemerkte er auch den Schwindel nicht. Nur wenn er sich kurz ausruhte, schien sich alles um ihn herum zu drehen. Aber sein Stolz verbot ihm, etwas zu sagen.

Selbst als Susan ihn am Abend fragte, woher das Blut in seiner Waschschüssel kam, log er und sagte es sei von Hera.

Allerdings bereute er es am nächsten Morgen bereits.

Die ganze Nacht hatte er vor Schmerzen kaum geschlafen und als Susan ihn am nächsten Morgen weckte, stolperte er mehr zur Tür als das er ging. Er schaffte es bis zum Tisch und ließ sich dann auf seinen Stuhl sinken. Ihm war nicht mehr nur schwindlig, sondern schlecht. Seine Beine fühlten sich an, als würden sie sofort nachgeben, wenn er auch nur einen weiteren Schritt tat. Als er seine Hand kurz besehen hatte, war es nicht besser geworden. Inzwischen war die Wunde merkwürdig gelb. Auch, wenn er keine Erfahrung mit dererlei Dingen hatte, so wusste er doch, dass es nicht normal war.

„Alles in Ordnung mit dir? Du siehst so blass aus?“, fragte Susan ihn, als sie ihm das Frühstück hinstellte. Draco unterdrückte ein würgen. Das letzte was er sehen wollte, war etwas Essbares.

Einen Moment zog er es in Erwägung es zu bejahen und die Sache auf sich beruhen zu lassen. Aber er konnte die Hand kaum noch bewegen. Nicht nur den Daumen, sondern auch die anderen Finger. Und der Schmerz würde nicht geringer werden, sah er ein.

Doch statt zu antworten zog den Arm nach oben und legte die recht Hand auf den Tisch, mit der Handfläche nach oben, so dass die Wunde zu sehen war.

Augenblicklich ließ Alexander den Löffel sinken, mit dem er gerade sein Frühstück gegessen hatte und stieß einen Fluch aus: „Verdammt!“

Auch Susan schnappte laut nach Luft, als sie es erblickte.

Alexander besah sich die Verletzung. Erst betrachtete er es nur, doch als er Dracos Hand berühren wollte, zuckte dieser bereits vorher zusammen, wissend, dass es schmerzen würde. Dann er ließ er es geschehen.

„Wann ist das passiert?“, fragte er und sah Draco dabei in die Augen.

„Vorgestern.“, presste dieser hervor.

„Wie?“

„Ich bin an der Verrieglung abgerutscht, als ich Wüstenssand rausgelassen habe.“

„Und da sagst du erst jetzt was?!“, fuhr Alexander ihn an. „Es eitert bereits! Du kannst von Glück reden, wenn du keine Blutvergiftung hast!“

Draco blickte ihn stumm an und versuchte hinter die Bedeutung seiner Worte zu kommen. Aber sein Kopf war so vernebelt, dass er es nach wenigen Augenblicken aufgab.

„Ich dachte es heilt von allein.“, sagte er schwach zu seiner Verteidigung, da er das Gefühl hatte, das tun zu müssen.

„Das sehe ich.“, knurrte Alexander. „Susan setz bitte heißes Wasser auf.“ Dann stand Alexander auf und verschwand in der Kammer, in der er all seine Kräuter lagerte.

Als er zurück kam warf er ein paar Blätter in eine Schüssel und stellte sie auf den Tisch. „Übergieß sie, wenn das Wasser kocht.“, sagte er kurz zu Susan. Diese nickte.

Dann ging Alexander zum Schrank und holte etwas aus einer Schublade heraus. Es war ein kleines Messer mit einer spitzen Klinge. Draco fragte sich, was er damit wohl vorhatte. Als Alexander es neben ihn auf den Tisch gelegt hatte, öffnete er einen anderen Schrank. Über die Schulter hinweg fragte er Draco: „Hast du schmerzen?“

Was für eine dumme Frage, dachte dieser bissig. Aber er nickte bloß.

„Freu dich daran. Es wird gleich noch schlimmer.“ Mit diesen Worten nahm er einen Becher aus dem Schrank und ging damit in die Vorratskammer für Lebensmittel. Das Wasser kochte inzwischen und Susan übergoss damit die Blätter in der Schüssel, wie Alexander es ihr aufgetragen hatte. Draco erkannte den Geruch sofort. Es war Kamille. Sollte er etwa die ganze Schüssel trinken?

Doch stattdessen stellte Alexander den Becher vor ihm ab und sagte: „Trink das. Langsam und nicht so hastig. Du wirst es brauchen. Susan, bring mir bitte ein Tuch und wenn du noch heißes Wasser übrig hast, das auch.“

Draco nahm den Becher und setzte ihn an die Lippen. Was immer sich darin befand, er kannte es nicht, aber es roch anders, als alles was er bisher zu sich genommen hatte. Es brannte scharf in seiner Nase und er war sich nicht sicher, ob er es wirklich trinken sollte. Dennoch setzte er an und nahm einen kleinen Schluck. Kaum schmeckte er es, spuckte er es auch schon wieder in den Becher zurück. Es war scharf und bitter zugleich, aber hauptsächlich schien es seinen ganzen Rachen zu verbrennen und seine Geschmacksnerven zu töten.

„Trink es.“, mahnte Alexander noch einmal.

„Was ist das?“, stieß Draco aus, fest entschlossen lieber den Schmerz zu ertragen, als das Gebräu noch einmal zu schmecken.

„Whisky. Trink es, es wird den Schmerz lindern.“, sagte Alexander in Gedanken versunken, als er sich die Wunde noch einmal genauer besah.

Wiederstrebend setzte Draco noch einmal an und trank vier große Züge auf einmal und ohne es zu schmecken, schluckte er es augenblicklich herunter.

„Langsam! Du weißt nicht, wie du es verträgst.“ Aber da war es bereits zu spät. Draco schmeckt es zwar nicht ganz so intensiv, aber er spürte wie es sich in seinen Köper blitzschnell ausbreitet und ihn von innen zu wärmen begann. Weitere Augenblicke später war die Wärme nicht nur in seinem Bauch, sondern auch in seinen Beinen und Armen. Er trank einen weiteren Schluck und nach diesem spürte er die Wärme auch in seinem Kopf. Plötzlich erschien ihm das alles nur noch halb so schlimm und schmerzvoll. Er hätte Alexander gar nicht davon erzählen müssen. Sicher wäre es auch so verheilt. Er hatte zu voreilig und schnell reagiert.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Alexander dann.

„Gut.“, antwortete Draco und war überrascht, dass er Alexander so ohne weiteres geantwortete hatte.

Alexander grinste. „Anscheinend wirkt es schon. Bei Menschen, die noch nie Alkohol getrunken haben, kann das ziemlich schnell gehen. Glück für dich.“

Fragend sah Draco ihn an und verstand wieder nicht, was er eigentlich meinte. Aber sein Kopf fühlte sich inzwischen nicht nur warm, sondern auch wunderbar leicht und befreit an, dass er sich gar keine Mühe mehr machte, darüber nachzudenken.

„Dann wollen wir mal.“, murmelte Alexander und setzte die Spitze des kleinen Messer auf die Wunde. „Vielleicht solltest du lieber wegsehen.“, mahnte er Draco noch. Doch dieser schüttelte kurz den Kopf. „Wenn du es nicht mehr aushältst, trink noch einen Schluck.“, sagte Alexander und dann fuhr er mit der Spitze langsam in die Wunde und öffnete sie wieder.
 

Draco erwachte in seinem Bett und ihm war einfach nur schlecht. Er versuchte das Würgen zu unterdrücken, das sich in seinem Hals festsetzte. Er brauchte Wasser und zwar sofort.

Er richtete sich langsam auf, ließ es aber gleich wieder bleiben, als er merkte, dass die Übelkeit noch mehr anschwoll, als wenn er lag.

Er hasste dieses Leben als Mensch. Egel wie sehr er glaubte sich bereits damit arrangiert zu haben, es war einfach nicht sein Leben.

Draco hatte Alexander dabei zugesehen, wie er die Wunde geöffnet und den Eiter entfernt hatte. Er war unfähig gewesen seinen Blick zu lösen, obwohl das Summen in seinem Kopf immer lauter geworden war. Selbst das seltsame Gebräu, was Alexander ihm zu trinken gegeben hatte, hatte seine Übelkeit nicht zu stillen vermocht. Vielmehr hatte es sie noch bestärkt, aber der Schmerz war weniger geworden. Allerdings konnte er sich nicht daran erinnern, wie er überhaupt in sein Zimmer gekommen war.

Sein Kopf fühlte sich immer noch trübe an und in seinem Mund hatte er einen seltsamen, und widerwärtigen Geschmack. Was für ein Zeug war das bloß gewesen?, fragte er sich, ärgerlich über sich selbst, dass er es einfach so getrunken hatte.

Träge drehte er den Kopf und blickte seinen rechten Arm hinab. In seiner Hand pulsierte der Schmerz noch immer, auch wenn er inzwischen dumpfer war. Dort wo die Wunde war kribbelte es leicht.

Auf dem Stuhl stand die Schüssel, die Alexander mit Kamille gefüllt hatte und Dracos verletzte Hand lag darin. Langsam zog er die Hand zurück und richtete sich mühevoll auf, langsam und äußerst behutsam. Die Wunde blutete nicht mehr und auch das merkwürdige gelb, welches Alexander als Eiter benannt hatte, war verschwunden. Die Wunde war noch offen und das rot seines Fleisches leuchtete ihm entgegen. Aber es war besser, dachte er.

Die Tür ging auf und Alexander trat ein. „Du bist wieder bei Bewusstsein.“, merkte er kurz an, als er Draco sah. Mit sich brachte er eine kleinere Schüssel in der wohl irgendeine Salbe war und einen Becher.

„Ich sagte doch, du sollst mit dem Whisky vorsichtig sein und dann schaust du auch noch die ganze Zeit zu, wie ich den Eiter entferne. Kein Wunder, dass du umgekippt bist.“, erzählte Alexander, während er Draco den Becher reichtet. Ohne zu zögern setzte dieser ihn an die Lippen und trank das Wasser gierig in einem Zug aus. Währendessen nahm Alexander ungefragt Dracos Hand in seine und besah sich sein Werk.

„Sieht gut aus.“, murmelte er.

Als er ausgetrunken hatte, sah Draco Alexander dabei zu, wie er die Wunde vorsichtig mit einem Tuch trocken tupfte und dann nach der Schüssel griff, die er mitgebracht hatte.

„Was ist das?“, fragte Draco sofort. Wenn er eines gelernt hatte, dann dass er nie wieder etwas von Alexander nehmen würde, ohne zu wissen, was es war. Alexander schien seine Gedanken zu erahnen und grinste ihn breit an.

„Honig und Kapuzinerkresse. Es verhindert Entzündungen und hilft der Haut sich schneller zu regenerieren.“ Er wartete nicht einmal Dracos Einverständnis ab, sondern schmierte die Paste behutsam auf seine Hand. Im Anschluss deckte er sie mit einen Stück Stoff ab und legte einen Verband an.

„Halt die Hand möglichst still und schlaf noch ein bisschen deinen Rausch aus. Susan wird dir noch einen Becher Wasser bringen und dich dann zum Abendessen holen. Ich bin so lange draußen.“

Draco ließ sich zurück in die Kissen sinken und starrte auf den Verband an seine Hand. Die Menschen waren so viel verletzlicher. Ihre Haut war empfindlich und dünn. Die Verletzungen, die er einst gehabt hatte, hatten einen ganz anderen Ursprung gehabt, als diese. Das selbst so etwas Geringfügiges menschliche Haut so verletzen konnte, erschreckte ihn ein wenig.

Draco schloss die Augen und es dauerte nicht lange ehe er wieder eingeschlafen war.
 

Sie war so furchtbar müde. Schlaf war alles, was sie sich wünschte.

Annie drehte sich zu Seite und schaute auf die andere Wand ihres Zimmers. Sie betrachtete das Muster der Steine, wie sie es zuvor schon bei der Tür getan hatte, auf die sie die ganze Zeit gestarrt hatte. Die Steine waren grob und ungeschliffen. Der Mörtel dazwischen saß fest. In der Dunkelheit wirkte die Mauer schwarz und bedrohlich. Am Tage waren die Wände um sie herum trist und beengend, sprachen von der Gefangenschaft, in der sie sich eigentlich befand. Aber egal, wie langweilig das Muster auch sein mochte auf das sie starrte, sie konnte keinen Schlaf finden. Zwei Tage und Nächte ging das bereits so und sie merkte wie müde sie war, wie erschöpft ihr Körper und doch konnte sie ihre Augen nicht schließen und in den Schlaf hinüber gleiten.

Wollte Alexander ihr nicht ein paar Kräuter mitbringen? Er war vor Tagen das letzte Mal bei ihr gewesen und obwohl sie wusste, dass es besser war, wenn er sie nicht so oft besuchte und schon gar keine Kräuter mitbrachte, wünschte sie sich genau das. Vielleicht würde es ihr helfen endlich Schlaf zu finden. Was hielt ihn dieses Mal so lange auf? Die Geschäfte waren erledigt und sein Hof musste doch inzwischen winterfest sein oder nicht? Hatte er denn keine Zeit um sie zu besuchen.

Annie schloss die Augen und atmete scharf aus. Was für selbstsüchtige Gedanken sie hatte, schallte sie sich selbst. Alexander hatte ein eigenes Leben, mit einer Frau und bald würden sie ein Kind haben. Sie war verheiratet und musste sich um sich selbst kümmern. Sie konnte sich nicht immer auf ihn verlassen. Wenn das Kind geboren würde, würde er sie noch weniger besuchen, dachte sie schmerzhaft. Es war sein recht und sie machte ihm keine Vorwürfe. Aber was würde sie dann tun? Seine Besuche waren das Einzige, was sie manche Tage überstehen ließ, immer in der Hoffnung, dass er vielleicht zu ihr kommen würde, mit neuen Nachrichten von ihm. Sie bezweifelte, dass es genügend Ablenkung geben würde. Nicht in diesen Mauern und nicht mit den Personen, die sie umgaben.

Semerloy hatte sie nicht wieder aufgesucht, aber wahrscheinlich waren es seine Worte gewesen, die sie seitdem noch weniger Schlaf finden ließen. Annie hatte Angst, dass er eines nachts zu ihr kommen könnte. Sie würde versuchen sich gegen ihn zu wehren. Sie würde nicht irgendein Ding sein, das er benutzen konnte, wie es ihm beliebte, auch wenn sie vielleicht wusste, dass es aussichtslos war. Dieser Mann machte ihr noch mehr Angst als Barrington. John Barrington war offensichtlich böse und grausam. Seine Worte, seine Taten, selbst sein Aussehen ließen darauf schließen. Er tat nicht so, als sei er jemand anderes. Er war durchschaubar. Bei Jonathan war nichts von dem der Fall. Er war stets adrett gekleidet, seine Wortwahl war höfflich und ausgesucht, er verhielt sich allen anderen Damen gegenüber respektvoll – selbst den Kammerfrauen gegen über zeigte er mehr Respekt als ihr – und sein Gesicht, seine Stimme ließ nichts Böses vermuten. Genau das machte ihn so gefährlich, dachte Annie. Man wusste nie, was er dachte oder was er vorhatte. Wie konnte John ihm vertrauen? Sie würde nicht überrascht sein, wenn Jonathan John eines Tages hintergehen würde. Nicht das sie für einen der beiden Männer Mitleid empfand, aber sie dachte an ihr eigenes Schicksal.

Seufzend atmete sie aus. So würde sie niemals schlafe finden. Jonathan würde sich nicht an ihr vergehen, solange sie nicht von Barrington schwanger war. Und da dieser sie seit einigen Tagen nicht mehr aufgesucht hatte, würde es auch noch eine Weile dauern, hoffte sie zumindest inständig.

Annie zog die Decke weiter über ihre Schultern. Das Bett war warm, der Raum erwärmt und draußen hörte sie auch keinen Wind. Der Schnee hatte vor dem Abendessen aufgehört zu fallen und alles schien ruhig zu sein. Es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, um einzuschlafen. Keine lauten Stimmen, keine Schritte auf den Gängen.

Im letzten Winter hatte sie an seiner Seite geschlafen, dachte sie wehmütig. Sie vermisste seine Nähe, seine Körper, seine Umarmung, seinen Geruch, seine Küsse. Eines mehr als das andere. Nach dem sie eingeschlafen war, hatte er sich zu ihr gelegt und sie mit seinem Körper gewärmt und später dann, als der Winter schon längst vorbei gewesen war, hatte sie immer noch nebeneinander geschlafen. Er hatte den Arm um sie gelegt und sie hatte ihn an ihrem Rücken spüren können.

Ihr Atem wurde ruhig und gleichmäßig, als sie sich in dieser Erinnerung verlor. Schon lange nicht mehr war die Erinnerung so intensiv gewesen. Sie spürte seinen Körper an ihrem und wie er den Arm um sie legte. Sie konnte seinen warmen Atem in ihrem Nacken spüren, konnte seinen Duft riechen. Sie kuschelte sich an ihn, schloss die Augen und genoss das Gefühl, wieder bei ihm zu sein. Sie spürte wie das Feuer im Ofen langsam herunter brannte, wie es knisterte und knackte und sie in die Welt des Traumes begleitet. So war es perfekt. So war es gut. So musste es sein. Nur sie und er. Nichts weiter.

Ein Knall ließ sie ruckartig ihre Augen aufreisen. Ihr Herz raste in ihrer Brust. Verwirrt sah sie sich um. Wo war der Ofen mit dem knisternden Feuer? Wo war Draco? Wo ihre Hütte? Nur langsam erkannte sie die Steinmauer vor sich.

Richtig, sie war auf dieser Burg, ergriff es sie, wie ein heftiger Schlag.

Dann drehte sie den Kopf und sah, wie die massige Gestalt von Barrington auf sie zuwankte. Sie konnte den Alkohol schon von weitem riechen. Angewidert zog sie die Nase kraus.

„Weib!“, brüllte er auf einmal, so dass sie zusammenzuckte. „Wo bist du – hicks – “, verlangte er nach ihr.

Annie war erstarrte. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was geschehen würde, wenn er sie entdeckte. Vielleicht... wenn sie einfach starr sitzenbleiben würde, nicht atmen würde, keinen Ton von sich gab, würde er sie übersehen und unverrichteter Dinge wieder gehen.

Doch mit Schrecken realisierte sie, dass er den Weg zu ihrem Bett stolperte. Er schwankte gefährlich und sie hätte alles dafür gegeben, wenn er hinfiel und dort für den Rest der Nacht dort liegen blieb. Aber das tat er nicht. Stattdessen setzte er seinen Weg fort.

Wie konnte es sein, dass er überhaupt noch laufen konnte, bei den Mengen die er bereits zu sich genommen haben musste? Wie konnte es sein, dass er den Weg in ihr Zimmer gefunden hatte? Wie konnte es sein, dass er genau wusste, wo sie sich nun befand?!, dachte sie verzweifelt.

Da stand er schon vor ihrem Bett und Annie sah, wie er die Augen zusammenkniff um sie erkennen zu können. Von Anfang an, war ihre Hoffnung vergebens gewesen.

„Da bist du – hicks – ja! – hicks – “ , lallte er, als er sie erkannte hatte.

Annie wich zurück, wusste aber gleichzeitig, dass es vollkommen sinnlos war. Warum gerade jetzt?, fragte sie sich gequält. Jetzt, da sie endlich in der Lage gewesen war zu schlafen. Jetzt, da sie sich endlich ein Traumbild geschaffen hatte, in das sie nur zu gern eintauchen wollte!

„Komm – hicks – her!“, rief Barrington und griff nach hier.

„Nein!“, rief sie entsetzt aus. Er war zu betrunken. Jetzt hatte sie die Möglichkeit ihm zu entkommen. Sie sprang aus dem Bett und suchte Halt an einer der Bettpfosten. Schwer atmend sah sie ihn an. Allein sein Anblick ließ sie beinah erbrechen. Die Vorstellung ihn jetzt näher an sich heran zu lassen, war ihr unerträglich.

„Du kleines – hicks -“ stieß er wütend aus.

Panisch schaute sie zum einzigen Ausgang aus diesem Zimmer. Sie könnte es schaffen. Sein Reaktionsvermögen war noch langsamer als sonst. Aber dann? Wo würde sie hinlaufen? Wo sich verstecken?

Ganz egal, sie musste nur weg von ihm und das so schnell wie möglich. Sie würde schon einen Platz finden.

Sie sah ihn noch einmal an. Er bewegte sich auf wackligen Beinen auf sie zu. Sie wartete bis er sie fast erreicht hatte, bis sie einen stinkenden Atem riechen konnte. Dann rannte sie los.

Annie spürte, wie seine fettigen Finger ihre Haut streiften, aber sie wich nur ein klein wenig zurück und entkam ihm. Sie rannte an ihm vorbei, zur Tür zu.

„Mist – hicks – stück!“, rief er polternd aus.

Sie riss die Türen auf und ihm gleichen Moment rief Barrington über ihren Kopf hinweg: „Haltet sie!“ Nur einen Wimpernschlag später wurde sie grob an beiden Armen gepackt und festgehalten.

Sie hatte die Wachen vergessen!

Schwer atmend sah sie in die Gesichter der Männer. Ihre Blicke waren ausdruckslos. Sahen sie denn nicht was geschah? Warum taten sie das?

Verzweifelt versuchte sie sich von ihnen loszureisen. Bewegte ihren Körper ruckartig, um sie abzulenken und wollte dann gleichzeitig nach links davon laufen, doch die Hände der Männer hielten sie fest umklammert.

„Bringt sie – hicks – her!“, befahl Barrington abermals. Die Wachen begannen sie in das Zimmerinnere zurückzuziehen. Vergeblich versuchte sie sich dagegen zu wehren. „Nein, bitte nicht...“, wisperte sie flehentlich.

Aus dieser Hölle gab es kein Entkommen.

Sie schleiften sie ins Zimmer zurück, zu Barrington, der sich inzwischen auf das Bett gesetzt hatte. Sonst wäre er wahrscheinlich schon längst umgefallen, dachte sie in einem letzten Anflug von Sarkasmus.

Er packte sie grob am Arm und zog fest an ihr. Im gleichen Moment ließen die Wachen los und sie stolperte zum Bett. Gerade so konnte sie sich mit den Armen abfangen. Doch sie hatte keine Zeit das überhaupt zu realisieren, als er sie schon wieder packte.

„Du kleine Hure!“, fauchte er sie gefährlich an und eine Wolke aus den Gerüchen von Alkohol, Abendessen und faulen Zähnen traf auf ihr Gesicht. Annie musste würgen.

Ihr Körper lag halb auf dem Bett und nur mit dem Füßen fand sie am Boden halt, um nicht wegzurutschen. John Barrington drückte sie auf das Bett, so fest, dass sie glaubte ihre Handgelenke würden jeden Moment brechen.

„Du bist meine Frau!“, sprach er fest. „Und du wirst mir zu Diensten sein! Wann immer ich es will!“ Seine Stimme war merkwürdig klar, aber seine Augen nicht. Sie wusste, dass der Alkohol seinen Verstand noch immer benebelte. Dabei war sie sicher, dass es ohnehin keinen Unterschied machen würde.

„Nein, lasst mich los!“, sagte sie unter Aufbringung all ihrer Kräfte, doch seine Körperfülle war ihm zum Vorteil und sie schaffte es nicht einmal ansatzweise sich gegen ihn zu stemmen.

Dennoch gab sie nicht auf. Sie konnte einfach nicht mehr. Weder ihr Körper, noch ihr Herz oder ihre Seele konnten sich länger von ihm benutzen lassen.

„Nein!“, schrie sie noch einmal, doch plötzlich traf sie etwas so unerwartet hart im Gesicht, dass sie augenblickblich erstarrt.

Er hatte sie geschlagen.

Vor ihren Augen tanzen auf einmal schwarze und weiße Punkte. Annie schluckte heftig und schmeckte Blut - ihr eigenes.

„Dir werde ich zeigen, wie du dich zu verhalten hast.“

Was dann geschah spürte sie nicht mehr. Ihr Körper gab den Wiederstand auf, ließ es geschehen, während sie dieses grausame Szenario, wie von außen zu beobachten schien. Sie konnte nicht wegschauen, sie konnte nicht gehen, sie sah es und doch wieder nicht. Sie spürte weder seine Berührungen, noch wie er sie nahm. Sie war eine leere Hülle, die benutzt wurde. Ganz so, wie man auch einen Handschuh benutzte. Nicht mehr war sie wert.

Nein, nicht einmal das.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: enni
2010-04-26T11:32:23+00:00 26.04.2010 13:32
ACHTUNG, hier kommt etwas was du schon längst verdient hättest! Aber wie heißt es doch so schön? Lieber später als nie! XD

1+2. Absatz
Arme Annie, sie hat sich nicht nur mit ihren Ekel von Ehemann auseinander zusetzten, sondern auch noch mit Semerloy. Ein übel schlimmer als das andere obwohl man vom Semerloy nicht wirklich weiß was man halten soll. Ich werd mich überraschen lassen. XD Aber wenigstens hat Annie noch ein paar dinge, mit denen sie sich von ihrer lage ablenken kann, gut so! Schön finde ich es auch, daß du uns zeigst, daß es Draco ganz genauso macht >.<. Ich könnte fast ein wenig wehmütig werden, wenn ich lese, wie er an Annie denkt. Außerdem bin ich eifersüchtig auf Dracos Fähigkeit! XD Aber will ich ein ewiges Gedächtnis? Wohl eher nicht! ^^°

3. Absatz
Mir gefällt wie du die spannung und die stille beschreibst, das gefühl von Draco das etwas kommen wird. Man fängt unbewusst an schon zu überlegen was wohl genau nicht stimmen könnte oder was als nächstes passiert. Das hast du gut beschrieben, genauso wie die rettungsaktion die Draco durchführt. Besonders das immerwieder unheilvolle knarzen, läßt bei mir das Herz höher schlagen. Draco mach schneller! O.O Das Draco Todesangst hatte, finde ich verständlich, allerdings denke ich fast, die hättest du noch ein wenig stärker ausdrücken können. Er geht mir fast ein wenig zu schnell und unbekümmert drüber hinweg. Lass ihn da noch ein wenig mehr zittern, atmen... noch stärker zurückdenken an das wie es sich damals und jetzt angefühlt hat. Drück es mir als leser rein, damit ich selber todesangst bekomme! XD Ansonsten mag ich aber an den absatz nicht bemängeln. ^^

die restlichen Kapitel XD

Ich bin zufrieden wie du die aufräumarbeiten beschreibst, klar und verständlich, auch mit solchen dingen wie zb. das Stroh da man nicht mehr gebrauchen kann. Und ganz klar, Draco ist eindeutig ein Mann! Warum sollte man es auch sagen, wenn man irgendwo schmerzen hat, die vergehen schon von alleine wieder...*seufz*. Willkommen in der Menschenwelt, Ex-Drache! Mein Gott der Kerl macht einen echt wahnsinnig! Wiedermal so ein moment, wo ich den guten Draco am liebsten mit etwas gegen den Kopf schlagen möchte. Von demher bin ich äußerst zufrieden, wie Alexander reagiert! ^^; Hast schon recht, mach es denn Jungen nicht so leicht! XD Ich hab echt geschmunzelt über den Alkohol, interessant zu sehen, daß es auf Draco auch seine nette wirkung hat! >.< Wohl bekommts mein guter! *Fies grins*

Annies Hölle (aka der letzte absatz!) ^^°

Maidlin was machst du? ;__; Es ist erschreckend das zu lesen und geht mir durch Mark und Bein. Was ich aber am schlimmsten fand, war die szene mit den Wachen, ich glaub das hat mich genauso geschmerzt wie Annie! Da packt mich das kalte grauen, genauso wie bei den letzten Satz. Einfach die Hölle....

Ich find dein Kapitel klasse geschrieben, du hast auch schön die kleinigkeiten mit eingebracht und man konnte wieder herrlich mitfühlen und mitleiden. Herz was will man mehr! ^^

Weitermachen! XP
hdgdl enni



Von:  Cygni
2010-03-29T11:15:44+00:00 29.03.2010 13:15
igentwie glaub ich langsam auch das du deine charaktere tief in deinem innern hasst O.ô

es ist grausam zu sehen wie sie so leiden, jetzt find gefälligst einen weg um sie da wieder rauszuholen!
ich will nicht dass das so endet! mach weiter!(bitte?)

lg stellax3


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