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Going Under - Teil 2

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von

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„Hier bist du!“

Unsanft wurde er vom leicht nervösen Matt aus seiner Starre gerissen. Er stand in makellos gebügelter Uniform, auf der einige Abzeichen glänzten, vor Jason und starrte ihn, seinen Hut in den Händen haltend, an.

„Warum bist du noch nicht umgezogen?“

„Was?“

Matt starrte ihn wieder ungläubig und die Augenbrauen hochziehend an.

„Uniformpflicht?!... Garrison hat’s angeordnet!“

Matt hielt inne und wunderte sich, wieso ausgerechnet Jason sich so wenig um die Perfektion von Kate’ s Verabschiedung scherte.

„Wozu soll ich ne Uniform anziehen?!“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“

„Doch Matt!“

„Hallo?! Du kannst dich nicht So von Kate verabschieden!“

„Ich verabschiede mich nicht.“

„Was… Das meinst du doch jetzt nicht Ernst.“

„Ich hab’ es nicht verdient, dabei zu sein. Ich bin schließlich schuld an ihrem Tod.“

„Wer sagt das?!“

„Hoot. Und er hat Recht! Wenn ich nicht gewesen wäre würde sie jetzt noch leben!“

„Jetzt hör’ mir mal zu du Wixxer! Hoot gibt nicht nur dir die Schuld! Ich bin auch schuld! Grimes auch. Und er selbst sowieso!... Du kennst ihn doch… Kate war sein Leben!“

Matt sah Jason an. Jason verinnerlichte, was Matt gesagt hatte. Aber Kate war nicht nur Hoot’ s Leben. Sie liebte ihn doch auch und nicht nur ihren Bruder. Sie war auch sein Leben.

„Jeder beschuldigt jeden! Aber wirklich schuld ist nur Alex!... Er hat Kate… er hat sie…!“

„Nein, Matt! Wenn ich nicht gewesen wäre -“

„Hätte Alex sie vergewaltigt!!!“

Jason fuhr sich mit zitternden Händen durch die kurzen Haare.

„Und wäre das vielleicht besser gewesen?“

„Matt! Sie ist tot!!! Alex wollte MICH erschießen! Nicht sie!“

„Zieh dich um! Du hast 10 Minuten.“

„Ich komme nicht mit!“

„10 Minuten!“, dann drehte Matt sich um und ging nach draußen.

Vor der Halle sah er Hoot vor einem Black Hawk sitzen und an einer Zigarette ziehen.

„Seit wann rauchst du?“

„Seit gerade eben.“

Er stieß einen Rauchschwall aus.

„Was geht’s dich an?!“

Matt ließ sich neben ihm auf dem Boden nieder.

„Du weißt, dass Jason nicht schuld ist!“

Er drehte sich zu Hoot, sah ihn kurz an und blickte dann wieder geradeaus.

„Lass’ mich mal überlegen! Jason hat sich mit Stone geprügelt, der wollte IHN erschießen und nicht Kate! Kate hat sich bloß wegen ihrer Liebe zu ihm vor die Kugel geschmissen! Oder warte! Dir kann ich auch die Schuld geben! Du mieser Arsch hast sie geschwängert! Das ist Grund genug, dir den Arsch aufzureißen!“

Matt schüttelte den Kopf.

„Ich wusste es nicht mal.“

„Ein Grund mehr dich zu erschlagen!... Du kümmerst dich nicht mal um sie!“

„Hey!!! Es reicht, Man!... Sie hat nicht mit mir geredet! Ich wollte wissen wie es ihr geht!“

Er stand auf.

„Und du gibst Jason nur die Schuld daran, weil du es nicht ertragen kannst, das Kate gelernt hat, jemand anderen mehr zu lieben als dich!!!“

Hoot’ s Auge zuckte kurz vor Wut.

„Fick dich!!!“

Wieder schüttelte Matt leicht den Kopf und konnte sich das sarkastische Grinsen

dabei nicht verkneifen.

„Du hast nichts verstanden!“

Er drehte seinen Kopf zurück zu Hoot und fuhr fort.

„Es geht nur um Kate!“

Dann wandte Matt sich von Hoot ab und ging wieder in die große Halle. Als er zu den Betten kam, stand Jason vor ihm und setze sich gerade sein Barett passend zur „ausgeh- Uniform“, auf der auch einige Abzeichen zu sehen waren, auf. Er hatte Matt zuerst nicht bemerkt, doch dann sah er ihn an.

„Danke.“ Jason nickte Matt zu.

„Ich mache das für Kate!“

„Ich weiß.“

„Matt… Ich… -“

Er hielt kurz inne und rieb sich die Stirn.

„Ich hör’ auf!“

„Ich weiß.“

Jason sah ihn fragend an und erhielt prompt eine Antwort.

„Grimes.“

Jason stöhnte leise und dachte sich ‚Das war so klar.’

„Er war ziemlich verzweifelt.“

„Das ist mir im Moment scheißegal!“

Er wurde laut und ungehalten.

„Ihr könnt mich nicht umstimmen! ...Und du schon gar nicht.“

„Das will ich auch nicht.“

„Ich sollte dich hassen! Das weißt du, oder?“

„Vermutlich. Und ich dich!“

„Könnte sein.“

Die beiden sahen sich tief an. Plötzlich streckte Jason die Hand aus. Matt sah ihn verdutzt an und griff danach. Ein starker Händedruck gefolgt von einer Umarmung. Es kostete beide viel Überwindung.

Den Tränen nah, drückte Jason Matt wieder weg.

„Komm’ jetzt!“

„Warte.“

Jason ging an Matt vorbei nach draußen und zu Hoot. Er war gerade aufgestanden und hatte eine weitere Zigarettenkippe weggeschnipst, als Jason auch ihm die Hand hinhielt. Hoot starrte kurz auf die ausgestreckte Versöhnungsgeste.

"Ich weiß, dass ich schuld bin."

Stumm ergriff Hoot kurze Zeit später auch Jason’ s Hand. Wieder eine kurze Umarmung. Hoot räusperte sich und schlug Jason auf die Schulter. Er nickte und beide kehrten zu Matt zurück.
 

Alle Feldbetten waren zu Seite geschoben oder zusammen geklappt worden. Ein Podest war aufgebaut und gerade wurde von einem uniformierten Soldaten ein Mikrofon befestigt. Die Halle füllte sich mit Soldaten und Jason, Matt, Hoot und Grimes reihten sich vorne in die erste Reihe und jeder andere gewährte ihnen diese Plätze. Jason fühlte sich in diesem Moment am unwohlsten denn schon wieder hatte er das Gefühl von mitleidigen Blicken verfolgt zu werden. Er beobachtete einen seiner Kameraden wie er eine große Leinwand rechts vom Podest aufstellte und ein großes bedrucktes Bild befestigte. Kate.

Er stockte und fing an zu zittern als er es sah. So stark und ausdrucksvoll sah sie im Großformat aus.

Diese starken wunderschönen Augen. So klar. Sie hatte denselben respektvollen, starken und ungebrochenen Blick wie an ihrem ersten Tag. Jason atmete tief und musste sich arg zusammenreißen.

Matt hatte seinen Blick verfolgt und hing nun auch an dem großen Bild fest. Bevor er etwas zu Jason sagen konnte, wurde er von Hoot unterbrochen. Auch er hatte das Bild in Augenschein genommen.

Doch Angst, Verzweiflung, Trauer oder Wut waren in seinem Blick nicht zu sehen. Nur Stolz.

„Es gibt bloß ein Bild auf dem sie aufrichtig lacht!“

Grimes, Jason und Matt sahen ihn entgeistert an.

„Sie war 16 und wir waren am Lake Tahoe.“

„Hast du das Bild hier?“

Jason hätte Kate nur zu gerne wirklich aufrichtig lachen gesehen. Hoot antwortete nicht. Stattdessen öffnete er den Knopf an seiner Brusttasche und zog ein leicht verknittertes stück Papier hervor.

„Ich hab’s immer mit.“

Er faltete es behutsam auseinander und drehte es auf die interessante Seite.

Kate war darauf zusehen. Sie saß auf einem, am Boden liegenden Baumstamm und drehte sich nur ein Stück zur Kamera. Jason blickte sofort in das wunderschöne Gesicht.

Sie lachte. Seine Kate. Er hatte sie niemals lachen sehen. Nie so aufrichtig und strahlend.

So wunderschön sah sie auf diesem Bild aus, auch wenn es fünf lange Jahre her war. Er griff nach dem Bild und betrachtete es noch einmal genau. Es war kein dezentes Lächeln. Es war ein wirklich glückliches Lachen. Es schien, als würde sie ihn ansehen. Jason’ s Blick fuhr über das ganze Bild.

Vom sonnig blauen Himmel, über den Wald im Hintergrund und zum klaren Wasser, vor dem dieses wunderschöne 16 jährige Mädchen, auf einem Baumstamm saß. Der Anblick brachte ihm ein leichtes Lächeln ins Gesicht. Doch dem Lächeln folgte eine Träne. Er schob das Bild zurück in Hoot’ s Richtung und wischte sich das Gesicht trocken. Jason wandte das Gesicht von den anderen ab, in der Hoffnung, sie hätten seine Tränen nicht gesehen. Er erspähte den leicht verwirrt wirkenden General Garrison, der sich gerade mit zitternden Händen die Krawatte zu Recht zupfte. Er bewegte sich auf Jason zu, klopfte ihm nickend auf die Schulter und ging zum Podest. Schluckend und weiter an der Krawatte zupfend, begann Garrison nervös das Mikrofon hin und her zuschieben. Er räusperte sich und ergriff das Mikro. Er schloss einen Moment die Augen, holte tief Luft und öffnete sie wieder.

Die Soldaten hatten sich in einem großen Quadrat aufgestellt und sahen ihn gebannt an. Zögernd begann er.

„... Vor ein paar Tagen... Ist etwas... ganz furchtbares passiert. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber es ist so. ...Lieutenant Kate Gibson... ist verstorben. Für manche bedeutet ihr viel zu frühes Ableben, einen eigenen Teil von sich zu verlieren. Für andere, geht eine Kameradin und Freundin.“

Er hielt inne und blickte quer durch die Halle.

„Sie war eine der wenigen Frauen, die sich durchgesetzt haben... und die einzige, die den Weg ins Ziel geschafft hat. Hier her. ...Lieutenant Gibson hatte enorme Kräfte und Energien in sich. Sie hat die U.S. Rangers verändert. …Sie hat die Army verändert.“

Jason hörte ihm gebannt zu und dachte wieder an Kate. Er stand fest am Boden, die Hände nach unten an den Körper gedrückt. Unter seinem Barett fiel es nicht weiter auf, dass er in seinem starken und noch immer ungebrochenen Blick weitere Tränen verlor. Er vermied es zu blinzeln, in der Angst, Kate komplett aus seinen Gedanken zu verlieren. Es vergingen einige Minuten und Hoot war wie versteinert. Er hörte nichts, sah nichts und fühlte nichts. Da war nur dieser erdrückende Schmerz. Er reagierte aus wie Reflex, als Captain Steele, der links von General Garrison stand, die Soldaten aufforderte zu salutieren. Hoot salutierte, Matt, Grimes und Jason taten es ihm gleich. Alle anderen um sie herum taten es auch, doch sie bemerkten es nicht. Noch immer hielten sie die Hände nah an die Schläfen und erst als sich General Garrison für den Moment verabschiedete, nahmen sie sie wieder runter. Eine Träne lief Matt übers Gesicht. Er drehte sich zu Jason und klopfte ihm kurz auf die Schulter. Dann nickte er und ging ohne ein Wort. In seinen Gedanken tat sich eine Menge. Er dachte an Kate. An den Schuss und an den dumpfen Aufschlag von Kates Körper auf den Boden. Dann schweiften seine Gedanken zu seiner Dienstwaffe, die sich unter seiner Uniform befand. Er könnte sie nehmen und sich an die Schläfe halten. Er konnte abdrücken. Matt dachte darüber nach, wie es am schnellsten ginge. An der Schläfe, am Hals, an die Kehle oder sollte er sich seine Waffe vielleicht doch in den Mund stecken und dann abdrücken. Er sah Kate vor sich. Sah ihren Blick, ihren Körper und sah sich wie er sie küsste. War Selbstmord wirklich die richtige Lösung? Er wollte bei ihr sein. Egal was es kostete. Matt dachte an Jason. Kate hatte sich von ihm verabschiedet. Ihm den Abschiedskuss gegeben, und sie hatte ihm gesagt, das sie ihn liebte. Matt überlegte kurz. Vielleicht wäre es besser wenn er Jason erschoss. Was Alex nicht geschafft hatte, würde Matt doch auf alle Fälle schaffen. Andererseits würde er Jason vielleicht einen Gefallen tun. Denn dann wäre Jason bei Kate und nicht er selbst. Matt verwarf die Gedanken, blieb kurz stehen und schüttelte verwirrt den Kopf.

Dann machte er kehrt und blieb nach ein paar Metern wieder stehen. Wenn ihn jemand so gesehen hätte… Matt sah sich um. So verwirrt war er ewig nicht gewesen. Er erblickte ein leeres Feldbett und ließ sich darauf nieder. Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Matt schloss die Augen und schon hätte er wieder weinen können. „Kate.“ Leise seufzend versuchte er, sich wieder zu fangen. Er starrte mit aufgerissenen Augen zu Boden und eine Träne lief über sein Gesicht. Matt war gefangen. Gefangen am Leben. Ein Leben ohne Kate, war seine Strafe, die er tragen musste. Er gab sich die Schuld. Es war sicher seine Schuld; seine Schuld das Kate fast gestorben wäre; seine Schuld das sie mit Alex alleine gelassen wurde; das sie fast vergewaltigt wurde; das sie starb.

„Oh Gott!!!“ Matt atmete tief.
 

„Ey.“ Matt schreckte hoch, nachdem er den leichten Tritt gegen seine Stiefel registriert hatte und sah einen Augenblick später in Jason’ s entschlossene Augen. Jason stand vor ihm, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Er setzte sich neben Matt auf das Bett und spähte in die Luft.

Jason seufzte, senkte den Kopf und versuchte eine Erklärung für seine Entschlossenheit zu finden.

„Morgen bin ich weg.“ Matt überlegte kurz was das für einen Sinn hatte, dass Jason ihm das sagte.

Stirn runzelnd sah er ihn an. Jason sah Matt auch an.

„Was?!“

„Was sollte mir das jetzt sagen?“

„Ich dachte, dass wir vielleicht noch mal reden sollten!“

Er hielt inne. „Matt. Wenn… wenn Kate… beerdigt ist; dann sehen wir uns, hoffe ich, nicht wieder! Und ich will, dass du dich bei mir entschuldigst! Dafür das du -“

„Ich soll mich entschuldigen?! Sag mal hast du zu viel Salat gefressen du kleiner Mistkäfer?“

„Matt!!!“

„Was willst du eigentlich? Ich soll mich entschuldigen? Wofür verfluchte Scheiße?!“

Matt sah Jason vorwurfsvoll an. Er konnte nach seinen Schuldgefühlen selbst nicht so ganz glauben, dass er auf einmal keinerlei Schuld mehr tragen sollte.

„Dafür, dass ich mich in Kate verliebt hab? Dafür das ich sie geküsst hab? Das ich mit ihr geschlafen hab? Für die Schwangerschaft von der ich nichts wusste?!“

Zwischenzeitlich war Matt aufgestanden und er hoffte auf Verständnis in Jason’ s Blick.

Auch Jason war aufgestanden. Statt des erhofften Verständnisses, bekam er einen Faustschlag ins Gesicht. Die Wucht des Aufpralls, ließ ihn zwei Schritte zurück weichen. Sein Gesicht fiel zur Seite weg und seine Nase begann zu bluten. „Ja, Matt! Du sollst dich entschuldigen!“

Er ging einen Schritt auf Matt zu und schlug ihn erneut. Matt war unsicher. Er wich einen weiteren Schritt zurück und kam erst gar nicht dazu, zu reagieren.

„Du wusstest die ganze Zeit was sie mir bedeutet! Du bist mir in den Rücken gefallen!“

Durch den zweiten Schlag in die Magengegend, rang Matt nach Luft. Er versuchte, sich wieder zu fangen. „Beruhig dich…“

Jason kam erneut auf ihn zu. Seinen nächsten Schlag konnte Matt abfangen. Er hielt Jasons Faust fest in beiden Händen und ließ sie ruckartig und sich mit einem Schlag wehrend los.

Er traf Jason in die Seite und auch er wich jetzt einen Schritt zurück.

„Kriegst du dich jetzt endlich wieder ein?!“ Matt holte tief Luft und sah Jason dabei zu, wie er sich an die Rippen fasste und sich an einem Feldbett abstützte. Jason ließ sich schwer atmend auf dem Bett nieder. „Nicht nur du hast jemanden verloren! Mir fehlt Kate auch! Und hast du mal eine Sekunde an Hoot gedacht?“ Jason sah Matt an. Matt spürte den Hass und den Vorwurf auf seinem Gesicht brennen. Kopfschüttelnd ging er. Jason sah ihm kurz nach. Seufzend und sich noch immer an die Seite fassend ließ er erneut den Kopf hängen.

Er schloss die Augen und biss die Zähne zusammen.

Jason konnte nicht umhin, schon wieder an Kate zu denken. Er sah sie wieder vor sich.

Er öffnete die Augen, doch Kate wollte nicht gehen.

Sie blieb.

Jason wollte sie dafür hassen, dass sie ihn zwang sie zu lieben. Wie konnte Kate einfach von ihm gehen und ihn allein, lebend und trauend zurücklassen. „Wieso tust du mir das an?“ Er sah von seinem Platz aus auf seine wunderschöne Einbildung hoch. Wie sie in ihrer vollen Schönheit vor ihm stand und ihn verständnisvoll anlächelte. Jason seufzte erneut und versuchte krampfhaft, nicht mehr an Kate zu denken. Aber er liebte sie doch. Wieso, wenn er sie doch so sehr liebte und er wusste, dass Kate ihn auch liebte und genau wusste, er würde sie immer lieben; wieso also, sollte er sie vergessen.

Es ergab keinen Sinn. Aber genau so wenig ergab es einen Sinn, dass Jason anderen die Schuld für den Tod von Kate gab. Alex Stone. Er allein war schuld. „Du hättest mich töten sollen!“

In Jason’ s ausdruckslosen, leeren Augen sammelten sich erneut Tränen, die ihm kurze Zeit später das Gesicht hinunter liefen. Er hätte wahnsinnig werden können. Sich genau wie Hoot auf den Mörder schmeißen und ihn mit bloßen Händen erschlagen. Jetzt würde er sich am liebsten selbst erschlagen.

Wie konnte er zulassen, dass Kate ihm das Leben rettete. Es hätte doch anders rum sein müssen.

Vielleicht war es Schicksal, dass Kate für ihn starb und dass sein Leben durch sie gerettet wurde.

Aber wer hatte dieses Schicksal für Kate und ihn bestimmt. War es ihnen nicht bestimmt gewesen zueinander zu finden? Er sah auf die Uhr. Es war schon weit nach einundzwanzig Uhr.

Nur noch ein paar Stunden musste er hier ausharren. „Sie können es wohl kaum erwarten hier weg zu kommen, Lieutenant.“ Er schaute nach oben und sah, wie General Garrison durch Kate hindurch ging.

Sie verschwand. Einen Moment trauerte er seiner Illusion hinterher. Es war grotesk.

„Umstimmen kann ich Sie nicht mehr?“

Jason sammelte sich und schüttelte still den Kopf. Seine Augen waren noch immer glasig und er spürte, wie die Tränen auf seiner Wange zu trocknen begannen. „Wissen Sie, was sie machen werden, wenn Sie nach Hause zurückkehren?“ Er schüttelte wieder den Kopf. „Ich werde zu meiner Schwester ziehen.“ Jason richtete seinen leeren, ausdruckslosen Blick nach vorn.

„Das ist alles. Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich weiß nicht wie ich weiter machen soll. Es ist mir egal.“ Garrison sah ihn ruhig von oben an. Sein Blick wanderte zu Jasons ineinander gefalteten Händen. Er sah wie sie hoch und wieder runter schaukelten… Jason stützte seine Ellenbogen auf den Knien ab. Er sah aus als würde er beten. Doch selbst wenn Jason beten wollte. Für ihn gab es nichts mehr. Was sollte das für ein Gott sein zu dem er beten würde? Was für ein Gott könnte existieren, der ihm sein Leben nahm und ihm beim leiden zusah. Jason hatte jede Art von Glauben verloren.

Sein Glaube an etwas übernatürliches, an eine bessere Welt, sein Glaube an die gute Sache, für die er zu kämpfen versuchte. Es war alles dahin. Alles zerstört, in einem einzigen, kurzen und doch so langen Moment. Zerstört mit dem letzten Atemzug seiner großen Liebe.

Eine weitere Träne lief sein Gesicht hinunter. „Reißen… Reißen Sie sich zusammen, Lieutenant.“

Er räusperte sich und zog seinen Hemdkragen zu Recht.

Garrison klopfte Jason auf die Schulter. „Nicht unterkriegen lassen, mein Sohn.“

Dann ging er. Jason saß da und starrte weiterhin nach vorne.

Da war sie wieder -Kate. Lächelnd stand sie vor ihm. Er wünschte sich so sehr, sie würde einfach aufhören ihn anzulächeln und gehen. Jason wollte nicht, dass sie ging. Sie sollte immer bei ihm bleiben. Doch nicht in einer unwirklichen Illusion. Sie sollte leben. Sie sollte wirklich und wahrhaftig neben ihm stehen, ihn ansehen, lachen, sagen dass alles gut wird und ihn küssen.
 

Jason hatte sich schon längst unterkriegen lassen. Wenn er so darüber nachdachte, dann war er tiefer am Boden zerstört als es je hätte gehen können. Was machte es dann für einen Sinn, wenn er sich einen neuen Job suchen würde. Es war alles sinnlos.

Er hatte aufgehört zu leben. Aufgehört, als er Kate in seinen Armen hat sterben lassen.

Wieder gab Jason sich die Schuld am Tod der einzigen Frau, die er je wirklich geliebt hatte.

Wie konnte sie? Ihn einfach zu verlassen.

Er würde sterben. Er wollte sterben. „Das hat alles keinen Sinn.“, flüsterte er, wischte sich die Tränen weg, stand auf und ging.
 

Still und sich auf der Lippe kauend, stand Jason am nächsten Morgen vor dem Hubschrauber, der ihn wieder zurück in ein „normales“ Leben bringen würde. Die ganze Nacht hatte er nicht ruhig schlafen können. Immer wieder wachte er auf und neben ihm lag, ihn wieder anlächelnd, Kate. Bei jedem Atemzug war sie da. Wenn er die Augen schloss und krampfhaft hoffte, sie möge gehen, war sie da. Sie wich nicht von seiner Seite. Diese wunderbare Einbildung. Er war nervös.

Gleich würde er den Mörder seines Lebens sehen. Er würde an Jason vorbei geführt werden.

Lange hatte er über den Moment nachgedacht. Wie würde er reagieren, wenn Alex ihn ansah?

Würde Kate ihn immer noch lächelnd ansehen? Von hinten schlug ihm jemand auf die Schulter und Jason erschrak. Ruckartig drehte er sich um. Vor ihm stand Hoot.

„Du willst abhauen ohne dich von allen zu verabschieden?!“

„Ihr wisst… dass ich heute fliege!“

Ohne darauf einzugehen, bekam Hoot einen festen und zornerfüllten Blick.

„Tu’ mir einen gefallen, Johnson.-“

Er hielt kurz inne und sah in Richtung der großen Halle, als ob er befürchtete, Luzifer selbst würde gleich durch die Tore geführt.

„Bring ihn um!“

Er wandte seinen Blick ruckartig wieder zurück zu Jason und sah ihn mit seinen wutentbrannten Augen an.

„Mach ihn fertig! Mach ihm das Leben zur Hölle. Und dann töte ihn!“

Hoot blieb noch einen Moment vor dem verdutzten Jason stehen und biss verkrampft die Zähne zusammen. Dann löste er seinen Blick und ging schnellen Schrittes zurück in die Halle, aus Angst den Mörder seiner Schwester gleich sehen zu müssen. Jason sah ihm nach.

Kurze Zeit später, verstarrte er in seinem Blick. Durch den Eingang in die große Halle traten zwei bewaffnete Soldaten, die einen dritten, in Handschellen gelegten, in ihrer Mitte führten.

Es war Alex. Jason starrte wie gebannt in seine Richtung. Er hielt die Luft an und regte sich keinen Millimeter mehr. Ohne dass Jason es gewollt hätte, liefen ihm erneut Tränen das Gesicht hinunter.

Langsam kamen sie auf ihn zu. Es kam ihm vor wie in Zeitlupe. Als Alex an ihm vorbeigeführt wurde, wagte Jason einen Blick. Er sah in Alex’ rücksichtsloses, kaltes Gesicht. Jason fixierte ihn und den Bruchteil einer Sekunde später erwiderte Alex seinen Blick. Jason nahm sein Grinsen wahr.

Er musste doch Schuldgefühle haben. Hatte er sich dieses hämische Grinsen nur eingebildet?

Wie konnte er so schmutzig über den Tod der Frau grinsen, die er vorgegeben hatte zu lieben?

Es war Jason unbegreiflich. Er wollte die Kontrolle verlieren. Er wollte sich auf Alex stürzen und ihm das Leben aus dem Leibe prügeln. Doch es ging nicht. Er fasste sich und sah noch mal genau hin.

Kein Grinsen. Jason war starr vor Schreck. Wieder sah er dieses fiese Grinsen vor sich.

Langsam holte er tief Luft. 'Nur Einbildung.", dachte er.

„Lieutenant Johnson. Abflug in 2.“

Er hörte den Piloten und folgte seiner stillen Aufforderung, in den Hubschrauber zu steigen.

Als er den Hubschrauber betrat, wurde Alex gerade von den beiden Soldaten am Sitz fixiert.

Er schluckte und setzte sich drei Sitze vor ihn. Jason hatte sichtlich Mühe damit, sich darauf zu konzentrieren, Alex nicht im Entferntesten anzusehen. Er dachte an Kate und ballte seine Hände zu Fäusten. Jason schloss die Augen und atmete tief. Seine Fäuste lösten sich und sein Atem beruhigte sich. Noch immer hielt er die Augen geschlossen. Um nichts in der Welt wollte er jegliche Art von Erinnerung an Kate jemals wieder vergessen und als er die Augen öffnete, sah er sie neben sich. Er sah ihr zu, wie sie ihre Hand auf seine legte. Minuten lang starrte er auf seine Hand. Als Jason sich wieder sammelte dachte er an etwas. Er zog das Bild, das er von Hoot bekommen hatte aus seiner Brusttasche. Das Bild. Das einzige, auf dem Kate so unendlich, ehrlich und aufrichtig lachte.

Wie kam es, das er sie nun immer lächelnd vor sich sah, wo sie doch nie wirklich so herzlich gelächelt hatte. Er verlor sich in dem Bild. In dem Bild, in ihr, in einem Lächeln. Doch durch die Realität, durch den, seiner Meinung nach, abstosendsten Menschen auf diesem Planeten, wurde er aus seinem Traum gerissen. Wie konnte Alex es wagen, seine Worte an ihn zu richten?

„Na? Vermisst du sie?“

Jason zuckte zusammen. Er wollte ihn überhören. Jason versuchte seinen Kopf so wenig wie möglich zu bewegen, verdrehte die Augen um Alex in sein Blickfeld zu bekommen. Sein Blick strahlte so viel Hass und Verachtung aus. Doch der größte Teil seiner Augen wurde von Schmerz und Trauer beherrscht. Sein Blick schweifte zurück auf das Bild in seinen Händen. Seine Finger strichen darüber.

Leise hauchte er etwas in die Richtung des Bildes, was niemand um ihn rum zu hören vermochte.

„Ich liebe dich.“

Jason schluckte erneut. Die Kate neben ihm hatte gehört was er geflüstert hatte, lächelte ihn an und schenkte ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Sofort hätte er wieder weinen können.

Aber er wollte ihrem Mörder nicht diese Genugtuung verschaffen. Jason wollte aufstehen. Er wollte Alex packen und mit bloßen Händen erschlagen. Wenn da bloß nicht die Kameraden wären, dachte er.

Langsam wandte er sich wieder der lächelnden, kleinen Kate auf dem Bild zu. Sie würde immer in seinem Herzen sein. Jasons Blicke wanderten immer wieder über das ganze Bild. Er versuchte möglichst wenig auf die Illusion neben sich zu achten, in der Hoffnung, sie würde gehen. Und jedes Mal stockte sein Atem wenn er in Kates wunderschöne Augen sah. 2 Stunden lang, bis er einschlief.
 

Er fing an zu träumen. Kate tauchte vor Jason’ s Augen auf. Sie lachte. Sie strahlte ihn an. Leise rief Jason ihren Namen. Er wollte auf sie zu gehen und ihr sagen wie sehr er sie liebte, doch es ging nicht.

Steif stand Jason einfach nur da. Er bewegte seine Lippen, doch es kam nichts. Das Bild vor seinen Augen verdunkelte sich. Kate’ s Strahlen verschwand. Ihre Augen verloren die Liebe. Ein Schuss.

Wieder wollte Jason Kate’ s Namen rufen. Sein Herz fing an schneller zu schlagen.

Da war wieder die Angst. Die Angst sie zu verlieren. Nichts geschah. Kate stand da. Langsam wurde sie kleiner und kleiner. Jason’ s Angst weitete sich immer mehr aus. Er wollte sie nicht vergessen. Niemals und um keinen Preis der Welt. Doch es geschah. Kate verschwand mit den Worten: „Du bist Schuld! Ich hasse dich!“

„Kate! Kate!... Verlass mich nicht!“

Doch es war zu spät. Jason sah nur noch Dunkelheit. Kate war verschwunden und nur das Echo blieb ihm. Immer wieder hörte er ihre Worte.

Bis er durch das Aufsetzen des Hubschraubers, auf den Boden, geweckt wurde.
 

Er öffnete verdutzt die Augen und blickte um sich. …Kate.

Jason sah wie Alex von den beiden Soldaten vom Sitz befreit und weggeführt wurde. Er fasste sich wieder und realisierte, dass alles nur ein Traum war und dass er endlich wieder amerikanischen Boden unter seinen Füßen spüren würde. Kate hasste ihn nicht. Oder?

Er vertrieb den Gedanken aus seinem Kopf, sprach einen Soldaten an, der an ihm vorbei ging, und fragte ihn wo Alex hingebracht würde. Er zuckte im vorbeigehen mit den Schultern und sah Jason kopfschüttelnd an. Jason blieb kurz stehen und überlegte.

Er wollte nicht näher nachfragen. So wichtig war der Mörder seiner fast Freundin ihm nicht, dass er alles hinterfragen musste. Einen Augenblick lang dachte Jason über Hoot' s letzte Worte an ihn nach.

Er sollte Alex das Leben zur Hölle machen und ihn umbringen. Zu spät. Alex war weg. Würde er ihn noch mal wieder sehen? Er dachte an die Verhandlung. Und Jason wusste, dass er aussagen musste.

Alles würde sich wiederholen. Er müsste alles noch mal und noch mal erzählen. Ein Preis, den er bereit war, für seine Rache an Kate' s Tod zu bezahlen.



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