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Schreibübungen

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Platzverweis

100-Themen-Challenge +

Platzverweis (Titel)
 

Platzverweis. Marius, du bist ein Arsch. Hast den Bogen überspannt, die Zeichen nicht gesehen. Die gelbe Karte ist bloß ein Stück Papier. Jaja, schon klar. Das hast du jetzt davon.

Dass du dich auch immer in den Vordergrund spielen musst. Dass du denkst, du kannst mit dem Ball besser umgehen als elf Brasilianer auf einmal. Zweikämpfe hältst du für die Gelegenheit, dich den Talentscouts zu präsentieren. Würde mich nicht wundern, wenn du bald noch ein Schild auf der Brust trägst. "Ich bin der Beste im Team! Nehmen Sie mich!"

Aber du denkst ja sowieso, nächste Woche bist du schon bei Barce. Die Arroganz verspeist du wohl auch morgens zum Frühstück. Du verdammter Trottel.
 

Ich trete nervös von einem Bein auf das andere, während du mit zornesrotem Kopf und an manchen Stellen wütend Stücke aus dem Gras tretend vom Platz gehst. Und mich einfach im Stich lässt.

Wie soll ich das denn ohne dich schaffen? Ich habe auf dich gezählt! Denn auch wenn du der größte Angeber bist, den ich kenne, hast du ganz schön was drauf. Du hast gestern Abend noch groß getönt, dass du uns heute in die Regionalliga schießt. Hast du ja klasse hingekriegt, Marius. Du hast dich höchstens vom Platz geschossen.
 

Du hättest diesem Wenzelmann ja auch wirklich nicht ins Gesicht schlagen müssen, nur weil er dir den Ball an eine empfindliche Stelle geschossen hat. Wir sind doch nicht mehr auf dem Bolzplatz.

Aber du musstest ja mal wieder beweisen, dass du dir sowas nicht gefallen lässt, weil du der Größte bist und blablabla, das kennen wir alle inzwischen.
 

Und jetzt stehe ich allein im Sturm und hoffe, dass ganz plötzlich faustgroße Hagelkörner vom Himmel fallen.

Das hier hätte unser Aufstieg werden können. Das können wir uns jetzt abschminken. Danke, Marius!

Denn aus mir wird innerhalb der nächsten Minuten wohl kein gefürchteter Torjäger werden. Ich bin der Typ, der die Flanke mit dem Oberschenkel erwischt, dabei fast über seine eigenen Füße stolpert und den Ball dann irgendwie rüber zu dir manövriert, sodass du deine Show abziehen und das Ding reinhauen kannst.
 

Ich habe genau zwei verzeichnete Saisontore auf dem Papier stehen. Das eine war pures Glück, weil ich mich aus einem Pulk von gegnerischen Defensiven befreien wollte und dabei plötzlich ein Ball an meinem Bein abgeprallt ist, das andere war ein unangenehmes Eigentor, das mir jetzt noch übel genommen wird.

Miserable Aussichten also auf einen Sieg. Es steht zwei zu zwei, ich bin ein lausiger Stürmer und du bist auf dem Weg in die Kabine. Ich könnte in die Luft springen vor Freude.
 

Der Schiedsrichter steckt die rote Karte sorgfältig zurück und pfeift unseren Untergang an.

Ich tu wirklich mein Bestes und versuche, noch irgendetwas aus der Situation rauszuholen. Doch sobald ich irgendwie an den Ball gelangt bin, spiele ich bloß ins Leere, wenn ich dir zuspielen will. Es will einfach nicht in mein Hirn – Du wurdest zum wahrscheinlich ersten Mal in deinem Leben für dein Verhalten bestraft. Vielleicht hast du das mal gebraucht. Helfen tut es mir und der Mannschaft gerade trotzdem nicht.

Wenzelmann grinst mich jedesmal, wenn ich mich ihm nähere, provozierend an, aber ich bin nicht so der Typ, der sich aufstacheln lässt. Das übernimmst eigentlich du.

Ich unternehme ein paar klägliche Versuche, den Ball in Richtung Tor zu bewegen. Es ist hoffnungslos. Ich bin ein furchtbarer Spieler, noch nie ist mir das so klar geworden. Ich glaube, ich darf überhaupt nur auf dem Feld stehen, weil du auch da bist. Wir funktionieren nur in Kombination, hat der Trainer einmal gesagt. Er hat sowas von recht.
 

Vier Minuten später renne ich einen meiner Teamkollegen um, strauchele und lege mich fast noch selbst lang.

Das scheint endlich Grund genug für den Trainer zu sein, mich zu erlösen und Tim Tegel für mich einzuwechseln.

„Mann, Hannes“, empfängt er mich und hat nur ein müdes Kopfschütteln übrig. War es wirklich so schlimm?
 

Ohne mich zu verteidigen, wofür es eigentlich auch keinen Anlass gibt, steuere ich auf die Kabine zu.

Ich hoffe für dich, du sitzt heulend in einer Ecke und bereust deine bescheuerte Aktion! Meinetwegen sollst du deine Show haben, aber wenn deshalb die Mannschaft für die nächsten zehn Jahre in Kuhdörfern wie diesem hier spielen muss, darf das nicht ohne Konsequenzen…
 

Hä?
 

Ich muss zweimal hingucken, als ich die Umkleide betrete. Denn eigentlich fläzen sich Spieler, die gerade einen Platzverweis bekommen haben, nicht gemütlich zwischen Taschen und Jacken und…

Ich glaub’s ja nicht!

Ist das da eine PSP in deiner Hand? Du zockst in aller Seelenruhe Mario Kart, während wir auf dem Feld eine bittere Niederlage erleben? Mann, du bist echt noch dreister als ich gedacht hätte.

Ich räuspere mich auffällig laut, woraufhin du dich überrascht umdrehst. Als du mich siehst, breitet sich doch tatsächlich ein Lächeln auf deinem Gesicht aus.

„Auch rausgeflogen?“

„Ich habe gespielt wie ein Affe mit Knieproblemen und bin fast über Lukas gestolpert.“

„Typisch“, lachst du. „Ohne mich geht halt gar nichts.“

Mein Ärger verpufft mehr und mehr, wenn du mich so triumphierend grinsend ansiehst. Wie machst du das bloß immer?

„Ganz schön dumme Sache“, sagt er schulternzuckend.

„Du hast ihm deine Faust ins Gesicht gerammt!“, gebe ich zu bedenken.

„Aber er hat es verdient.“

Ich kann nichts dagegen tun, dass ich jetzt lachen muss. Du bist wirklich unverbesserlich. Du sitzt hier, nimmst selbst eine rote Karte völlig locker und bereust natürlich nichts. Du bist eben wie du bist und irgendwie bist du genau deshalb der beste Freund, den ich jemals hatte.
 

„Auch mal?“, fragst du auf einmal und hältst mir die PSP hin.

Ohne zu zögern nehme ich sie und setze mich neben dich. Noch acht Minuten sind da draußen zu spielen. Genug Zeit für die Mario Kart-Meisterschaft.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ditsch
2010-10-26T14:34:44+00:00 26.10.2010 16:34
Noch gar kein Kommentar? Könnte daran liegen, dass die ganzen Mädchen im Zirkel sich von der Fußballthematik abschrecken lassen :D

Also, mir hat's ziemlich gut gefallen! Es war interessant, nach und nach mehr Aspekte über die Beziehung zwischen Hannes und Marius zu erfahren. Am Anfang dachte man, er hasst ihn für seine Unüberlegtheit, aber dann hat man doch gemerkt, wie sehr er ihn im Spiel braucht und schließlich, dass sie sogar privat ziemlich unzertrennlich sind. Fand ich gut gelungen :)
Auch die Beschreibung des Fußballspiels fand ich gut. Vielleicht hätte es noch etwas lebhafter sein können, aber sowas zu beschreiben stell ich mir auch gar nicht so einfach vor...

Etwas gewundert hat mich, dass Hannes, der ja eher ein ruhiger, fügsamer und besonnener Typ zu sein scheint, auch gleich in die Kabine geht. Gehört es sich nicht eigentlich als guter Kamerad, den anderen wenigstens noch seelisch beizustehen? Bzw. auch bereitzustehen, falls jemandem etwas passiert und man doch noch mal eingewechselt wird?

Das mit der PSP und Mario Kart am Ende fand ich klasse :D Besonders, dass er ihn durch ein Grinsen so schnell überzeugen konnte, nicht mehr böse zu sein xD

Na ja, ich hoffe jetzt mal für sie, dass sie es durch irgendeinen glücklichen Umstand trotzdem in die Regionalliga geschafft haben :D

Ditsch


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