This is...
Es war tatsächlich passiert. Das Unfassbare, das Unglaubliche, das Unwiderrufliche. Ai hatte es sich nur wenige Minuten nach dem stundenlangen Gespräch mit dem freundlichen Takeo eingestanden. Sie kam nicht drum herum und dafür hasste sie sich. Sie war sich vollkommen sicher, was sie empfand, wie es um ihre Gefühle stand. Und dazu hatte es nur eine Unterhaltung mit einem wildfremden Typen gebraucht. Wobei sie eine Menge über diesen Mann erfahren hatte und selber auch unheimlich viel von sich preisgegeben hatte. Nun ja, viel, auf eine ziemlich Ai-mäßige Art. Doch selbst nach dieser Eingeständnis, war sie nicht unbedingt glücklich über ihre Gefühle.
Ihre Gefühle für ihn.
Unglaublich, wie sie sich dagegen gewehrt hatte, wobei sie doch eigentlich schon immer wusste, dass es so war. Viel zu lange, für ihren Geschmack. Und alles, was dieser Idiot tat, war ihr überladenes, gebrechliches Herz nur noch mehr auszulaugen. Es jeden Tag aufs Neue einen 500 Meter-Lauf machen zu lassen, nur um ihm dann entgegenzubrüllen, wie schwach es ist. Doch von diesem ständigem Auf und Ab hatte sie nun gehörig die Nase voll und musste dem ein Ende bereiten.
Wie auch immer sie das anstellen sollte.
Jedoch war sie sich sicher…die Proben für ‚Romeo und Julia’ würden nicht auf ihrer Seite stehen. Solche Dinge gesellten sich meist zu der gegenüberliegenden Partei. Ihrem armen, ausgelaugten Herzen, welches einfach nicht loslassen konnte, selbst wenn ihm schon weniger erfreuliche Dinge angetan wurden.
Sie stand an Genta’ s heiligem Pult gelehnt und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sie beachtete nicht das kontinuierliche Kopfnicken des Jungen hinter ihr, der die Kopfhörer fest über den Ohren trug und anscheinend für Romeo und Julia unpassende Musik anhörte. Sie beobachtete, wie Ayumi herumlief, einige Schauspieler herumscheuchte, die ihre kostbaren Requisiten herum tragen durften und an verschiedenen Plätzen aufstellen sollten, damit das kleine Prinzesschen sah, wie sich ihre Babys an den besagten Stellen machten.
Sie seufzte und kreuzte die Beine in einer Art die von so unglaublicher Langeweile zeugte, dass sie sich selber fast wunderte nicht schon lange eingeschlafen zu sein. Konnte nicht endlich mal etwas passieren? Das einzige, was sie tat war rumstehen. Ihr Text war im Kopf, die Nummer lief perfekt, nur die Kussszene hatten sie nicht geübt, nicht dass sie schon bei den restlichen Szenen von ihrem Herz beredet wurde oder von ihrem rauschenden Blut.
Auf dem Sommerfest, das übrigens am kommenden Sonntag schon stattfand, würde sie sterben!
Seltsamerweise hatte der kleine Schülerdetektiv die Hälfte seines Textes nicht im Kopf, was schon sehr überraschend war, doch als er bei den vorigen Proben auch noch stotterte, wie ein kaputtes Radio, war Ai bedingungslos verblüfft gewesen. Dazu hatte er sich auch noch ganz schön blöd angestellt die ganze Zeit. So einen Conan hatte sie noch nie gesehen.
Sehr Mysteriös.
Besagter Schülerdetektiv, der unter unheilbarer Arroganz und unübertrefflich klugem Gehirn litt, stand einige Meter vor einem Pappbusch, hielt das Textbuch zusammengerollt in der Hand und versuchte mit einer ‚gefälschten Julia’ den Text auswendig zu lernen, wobei es aussah, als würde er versagen.
Er benahm sich schon den ganzen Morgen seltsam. Ob es wohl etwas mit ihrer kleinen…Auseinandersetzung und den wechselhaften Stimmungen vom vorigen Tag lag?
Jedenfalls fiel er vor der erschrocken dreinblickenden Momoko auf die Knie und hielt die Arme weit gespreizt in die Luft.
Gut, dass Frau Izumi gerade nicht anwesend war. Bei dem Anblick ihres demokratisch gewählten Romeo’ s würde die arme Frau einer Herzattacke unterliegen.
Ai verdrehte die Augen.
So ein Idiot.
„Hey, Julia“, hörte sie eine Stimme nahe ihres linken Ohrs und hüpfte ruckartig einige Schritte in entgegen gesetzte Richtung.
Ein kichernder Takuya stand lässig vor ihr, die Hände in den Hosentaschen der Jeans und das Hemd so weit aufgeknöpft, dass man schon einige dunkle Brusthaare erkennen konnte.
Angewidert zog Ai die Nase kraus, sah einmal zu Genta, nur um festzustellen, dass der immer noch zu seiner Niez-Musik kopfnickte und wandte den Blick anschließend wieder dem Jungen mit den nun schwarzen Haaren zu.
Seltsam. Es kam ihr vor, als hätte er mal eine andere Haarfarbe gehabt, doch ihr fiel einfach nicht ein welche. Anscheinend hatte sie nicht genug auf ihn geachtet.
„Was tust du denn hier?“, fuhr sie ihn unfreundlich an und lehnte sich wieder mit dem Hintern an das Schaltpult. „Verbringst du deine Zeit immer noch mit seltsamen Nachhilfestunden?“
Leise lachend stützte Takuya sich neben Ai mit den Armen am Pult ab.
„Ab und zu“, erwiderte er grinsend und schaute das rotblonde Mädchen von der Seite her an. „Sag bloß, du bist eifersüchtig?“
„Natürlich“, spottete Ai und verdrehte die Augen. „Ich konnte die ganzen Nächte nicht mehr schlafen, weil ich daran denken musste, dass du wohl an jedem Tag zigtausend verschiedene Mädchen Kuss-Unterricht geben wirst, die bestimmt allemal hübscher sind als ich.“
Oh, ja. Die Ironie war wohl kaum herauszuhören.
Sie linste unauffällig auf ihre Uhr. Gott sei Dank. Bald war sie erlöst.
„Keine Sorge, Schätzchen“, lachte Takuya und stupste Ai’ s Schulter mit der eigenen an. „Ich bin noch keiner hübscheren als dir begegnet.“
Sie schmunzelte. „Das erzählst du jeder, stimmt’ s?“
„Jap“, antwortete Takuya und das Grinsen war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören. „Eigentlich…“, fügte er hinzu „bin ich hier, um meine Perle abzuholen.“
„Aha?“, erwiderte Ai und hätte, nur dem Effekt wegen, sehr gerne gegähnt.
Sie hatte schon eine vage Vorstellung, wer seine ‚Perle’ war.
„Takuya!“, hallte auch schon der schrille Ruf durch die Halle und eine kurvige Blondine kam auf den dunkelhaarigen Jungen zu.
Natürlich. Marron.
Ai salutierte einmal, wozu Takuya breit grinste und es ihr nachtat, während er mit dem zusätzlichen Gewicht, das ihn gegen das Pult presste, kämpfte. Schmunzelnd eilte Ai davon und gesellte sich zu Mitzuhiko, der mit Yamato und Junpei in einer kleinen Männerrunde stand.
Das Gespräch verstummte, als sie neben Mitzuhiko zum Halt kam und sie schaute mit gehobener Augenbraue in die winzige Runde.
„Störe ich vielleicht?“, fragte sie in ungehalten kaltem Ton.
„Nein, nein“, kam es von allen Seiten, die Blicke überall nur nicht in ihrer Richtung, selbst der von dem selbstverliebten Mädchenschwarm Yamato.
Argwöhnisch zog Ai die Augenbrauen zusammen. „Okay“, sagte sie langsam und entfernte sich mit schlurfenden Schritten.
Aus den Augenwinkeln konnte sie beobachten, wie die Köpfe der drei Jungen wieder zusammen gesteckt wurden und ihr unterdrücktes Tuscheln war sogar noch einige Meter entfernt zu hören, jedoch ohne nur ein einziges Wort zu verstehen.
Den Blick immer noch auf die Männerrunde gerichtet schlenderte sie weiter und rannte prompt in eine ungewöhnlich große Person. Jedenfalls ungewöhnlich groß für ihre Klasse. Die Berührung war so heftig, dass sie mit extrem langsamer Lichtgeschwindigkeit nach hinten geschleudert wurde und gerade noch von dem Baum von einem Menschen am Arm festgehalten wurde. Ihr Kopf flog unkontrolliert von der einen zur anderen Seite, was wohl ein recht seltsamen Anblick bot und sie selber fühlte sich wir ein Hamster auf Drogen.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht massierte sie sich den gefühlt verstauchten Nacken und blickte zu ihrem…wie auch immer sie ihn nennen konnte, hoch.
Prompt sahen sie zwei lächelnde braune Augen an.
„Hoppla“, begrüßte Takeo sie mit einem sympathischen Lachen.
Ohne sich selbst kontrollieren zu können, lachte Ai leise mit. Sein Lachen war einfach so ansteckend, wobei es sie überhaupt nicht störte. Sie hatte gestern Takeo’ s Anwesenheit sehr genossen.
„Hi“, kicherte Ai, Takeo’ s Hand immer noch fest um ihren Arm.
„War das nicht eine ‚umwerfende’ Begrüßung?“, fragte der junge Mann, beugte sich etwas hinunter und zwinkerte, den Mund hatte er dabei weit geöffnet.
Ai lachte leise und schubste ihn neckend von sich.
„Was für ein lahmes Wortspiel“, spottete sie und streckte dabei die Zunge heraus.
In gespielter Arroganz spitzte Takeo die Lippen und schaute Ai unter seiner schwarzumrandeten Lesebrille her überheblich an. Dann löste sich sein gesamter Gesichtsausdruck und er schob schmollend die Unterlippe hervor, seine Augen wurden noch größer, als sie ohnehin schon waren.
„Gar nicht lahm“, klagte er und zwinkerte oftmals hintereinander, was ihm einen so verwirrten Blickfang machte, dass sich gleich mehrere Köpfe in die Richtung der beiden drehten. Conan’ s eingeschlossen.
Ai lachte und schnippste dem kindlichen Erwachsenen gegen die Stirn.
„Du bist so ein Idiot“, schmunzelte sie und hob belustigt eine Augenbraue.
Takeo erhob sich, streckte den Rücken durch und setzte eine verdammt gute Maske voller Ernsthaftigkeit auf. Sein Mund formte eine gerade Linie, die Augenbrauen senkten sich streng nach unten herab, nur seine Augen funkelten lustig und klagten seinem Gesicht Lügen.
„Wo bleibt dein Respekt, Mädchen?“, sprach er mit verstellt tiefer Stimme.
Ai konnte das aufkommende Gefühl, dass ihren Hals von innen kitzelte, nicht unterdrücken und lachte laut auf, dabei suchte sie mit der Hand nach Takeo’ s Unterarm und umklammerte ihn, nachdem sie ihn gefunden hatte. Die beiden mussten nun einen noch seltsameres Bild darstellen.
Der erwachsene Mann, der sich die ganze Zeit verstellte, als sei er ein erfolgloser Komiker und das eiskalte, gefühlslose Mädchen, dass sich kaum vor Lachen halten konnte und sich fest an den Arm des armen Clowns hielt.
„Lass das!“, beschwerte sich Ai, nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte.
Ihre Schultern bebten noch unkontrolliert und eine winzige Lachträne stahl sich aus ihrem Augenwinkel. Sie lockerte ihren schon fast krankhaften Griff um Takeo’ s Arm und legte sich selbst beschwichtigend eine Hand auf den Bauch, wonach ein tiefer Atemzug folgte.
Der dunkelhaarige Mann lächelte sie lieb an und ließ die Arme stumpf neben seinem Körper baumeln. Dieser Mann war so sehr wie ein kleines Kind, dass Ai der Ironie ihrer Situation wegen beinahe wieder gelacht hätte.
„Was tust du überhaupt hier?“, fragte sie, ein breites Grinsen auf den Lippen, und verschränkte die Arme aus Gewohnheit vor der Brust.
Der Angesprochene sah sich erstmal in der Sporthalle um, der Mund zu einem niedlichen Lachen geöffnet, kein Laut war aus seiner Kehle zu hören, bis er den Blick Ai zuwandte und seine Augen sie witzig anfunkelten.
„Du meintest doch, du gehst hier zur Schule“, erklärte er. „Da dachte ich, ich komm mal vorbei.“
Den letzten Satz sprach er mit aufquellendem Enthusiasmus aus, wodurch seine Stimme an Lautstärke wuchs, und sie sich erneut einige Blicke einfingen.
Plötzlich kramte Takeo in seiner Hosentasche herum und zog einen kleinen Gegenstand heraus. Stolz hielt er Ai’ s Mini-Block vom vorigen Abend in die Höhe.
„Und bringe dir das hier vorbei!“, rief er freudig aus, das ganze Gesicht in kindlichem Stolz in die Länge gezogen. Die Augenbrauen verschwanden unter dem Vorhang von dichten, schwarzen Locken, der Mund öffnete sich weit genug, dass Ai problemlos einen Marshmallow hineinwerfen könnte. „Deine Hausaufgaben“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
Auf eine angenehme Art und Weise kam er Ai an dem Tag sehr viel kindischer und lustiger vor, als an dem davor. Trotzdem war der sympathische junge Künstler, der auch erwachsen sein konnte, zu erkennen. An den leuchtenden Augen, dem wissenden Lächeln und der zuckenden Augenbraue. Er lebte in einer On-Off-Kindheit.
Ai streckte den Arm danach aus, doch bevor sie ihren Block ergreifen konnte, kam eine andere Hand in den Weg. Der geschrumpfte Schülerdetektiv schaute angestrengt auf die gekritzelten Notizen und seine Augenbraue zuckte gefährlich.
Die Blicke des jungen Mannes und der geschrumpften Erwachsenen ruhten auf Conan, der über den Rand des Blockes auf Ai starrte. Er ließ seinen Arm sinken.
„Haibara“, sagte er nur und schaute fragend von ihr zu dem Block in seiner Hand, dann wieder zu ihr.
„Oh!“ Takeo sah sie ebenfalls an. „Das ist also dein Nachname!“
Ai schmunzelte. „Ganz richtig. Ehm, Takeo, das ist…“
Sie zögerte, während ihr Arm einmal zwischen den beiden männlichen Menschen hin und her eilte, wie ein aufgeschrecktes Huhn. Conan senkte mit leicht rosanen Wangen den Kopf.
Okay, Ai gab ja zu, dass sie nicht wenig Schuld an der Kluft hatte, die zwischen ihr und dem geschrumpften Schülerdetektiv entstanden war. Sie hatte ihn das erste Mal geküsst, sie hatte ihn das erste Mal umarmt, sie war das erste Mal einfach so in der Nacht zu ihm gekommen. Sie hatte sich als erste, und einzige, in ihn verliebt.
„Das ist mein bester Freund, Conan Edogawa.“
~
Sie wusste nicht, ob sie das tun sollte, ob sie damit wieder irgendetwas zerstörte oder ob sie sich selber damit kaputt machte. Sie hatte keine Ahnung, dass einzige, was sie wirklich wusste, war, dass sie es mochte, dass Conan und sie sich öfter berührt hatten, dass sie es mochte, wenn ihr Herz auf einmal einem Rennwagen Konkurrenz machte, dass sie einfach nur bei ihm sein wollte. Oder wenigstens ein wenig von dem beibehalten wollte, was ihr in der kurzen Zeit so sehr ans Herz gewachsen war.
Erst, als sie am Sonntag mit Takeo geredet hatte, war ihr aufgefallen, wie gut es tat mit fremden Menschen zu reden, die einem noch nicht das Herz ausgelaugt hatten, mit denen man keine Probleme hatte, keine geheimen Gefühle oder auch überhaupt keine Gefühle dieser Art, die der andere sich von einem wünschte. Es tat gut über belanglose Dinge zu reden, etwas von ihm zu erfahren, etwas von sich zu erzählen. Es hatte Spaß gemacht sich mit ihm über Kunst zu unterhalten, über Mona Lisa, über seine Gemälde, seine Skizzen anzusehen, die er in der großen Mappe hatte, die die ganze Zeit unter dem Tisch stand, darüber zu reden, wie er sie zeichnen wollte, welche Pose, welche Frisur, das Outfit, der Hintergrund, ob noch etwas in dem Gemälde sein sollte oder nur sie. Es war etwas völlig Neues gewesen mit Takeo über seinen verstorbenen Vater zu reden, seine etwas verwirrte Mutter und die lässige Großmutter, die er liebevoll „Nana“ zu nennen pflegte.
Doch bei diesem langen Gespräch war ihr auch aufgefallen, wie sehr sie solche Unterhaltungen mit Conan vermisste, mit ihm zu reden, ohne sich selber oder die Beziehung zueinander in den Vordergrund stellen zu müssen. Einfach nur reden.
Und genau das wollte sie jetzt tun. Sie wollte einmal ihre Gefühle zur Seite legen, er sollte seine Verwirrung und die verdammten Hormone für einen Augenblick vergessen und sich mit ihr unterhalten, wie er es mal mit Ran getan hatte. Über Nichtigkeiten, Dinge, die keinen interessierten. Wie sein Toaster hieß, ob er Shorts in seinem Kleiderschrank hatte oder sich mal selber die Haare geschnitten hatte, was er so an Krimis liebte, wieso er sich niemals Mary Poppins angesehen hatte, ihn mit seinen Gesangskünsten aufziehen, dabei in der Detektei sitzen, Kaffee, Tee, Kakao oder Eistee oder jedes andere x-beliebige Getränk und später dort auf den Sofas einschlafen, so wie sie es nur ein einziges Mal getan hatten.
Nachdem die ganzen Formeln für das Gegengift gelöscht waren, saßen sie in der Detektei, Ran kam alle zwei Stunden hinunter, beschwerte sich, wieso die beiden nicht schon längst im Bett lagen, ob sich der Professor nicht Sorgen um Ai machte oder ob Ran ihr helfen solle das Sofa zu beziehen.
Sie hatten die Nacht durchgemacht, Ai hatte eine Menge über ihre Familie erzählt. Sie hatten ein Spiel daraus gemacht, hatten sich Zettelchen geschrieben, mit den Erzählungen aus ihrer Kindheit und hatten sie sich zugeworfen, wer sie nicht fing musste als Strafe zu Kogoro ins Zimmer und, in Conan’ s Fall, eine Feder aus einem seiner Kissen unter die Nase halten, und Ai musste für den Trunkenbold singen. Dann hielt er sie immer für Yoko Okino und die beiden Teenager konnten sich gar nicht halten vor lauter Lachen.
Noch später in der Nacht saßen sie auf einem der Sofas, Ai an Conan’ s Schulter gelehnt, sie hörte ihm zu, wie er erzählte. Von dem Haus neben dem des Professors, von seiner Mutter, wie sie immer jämmerlich in der Küche versagte, wenn sie für den kleinen Shinichi und ihren Mann eine Mahlzeit kochen sollte. Dass sein Vater ihm immer jugendfreie Krimis mit Winnie the Pooh erzählte, die er sich selber zusammengereimt hatte, bevor der fünfjährige Shinichi ins Bett ging, dass er sich mit drei Jahren an dem Herd verbrannt hatte, seine ganze Hand war voller Blasen gewesen, dass er etwas mehr als ein Jahr später an das Bügeleisen fasste und sich dieselbe Hand erneut verbrannte.
Das war es, was Ai so vermisste und genau aus diesem Grund stand sie nun an der Treppe, die hinauf zur Detektei führte, die Arme vor der Brust verschränkt, die Schultern hochgezogen. Sie trug eine schwarze Sporthose mit Gummiband, dass die Hose unter ihren Knien fixierte, ein schlichtes weißes Top und ihre alten, weißen Ballerinas, die Ayumi sich schon unzählige Male ausgeliehen hatte.
Zögernd angelte Ai ihr Handy aus der Hosentasche und tippte schnell, dennoch mit zitternden Fingern, eine Nachricht, um den Schülerdetektiv zu wecken. Sie wollte reden. Jetzt sofort. Seit der Party hatte gar nichts mehr zwischen den beiden funktioniert. An diesem einen Wochenende war Ai’ s Leidenschaft schon zwei Mal mit ihr durchgegangen, was dann in einer unmoralischen Knutsch-Session endete und eine Menge an Verwirrung, Verzweiflung, Wut, Trauer und Müdigkeit hinterließ.
Sie wollte mit ihm reden und das alles für einige Zeit vergessen, wie sie es auch bei Takeo getan hatte.