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Licht und Schatten

von

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5. Kapitel

Nach ungefähr anderthalb Stunden kamen sie endlich beim Motel an.

Dean konnte nur erleichtert aufatmen, als er die vertraute Fassade erblickte. Schon viel zu lange war er durch diese verdammte Stadt gestiefelt, vollbepackt mit einer Tasche, die mit einigen Utensilien aus dem Impala gefüllt war, und diesem außerordentlich unmännlichen roten Disney-Ball in der Hand, wegen dem er ein paar amüsierte Blicke von irgendwelchen Halbstarken hatte ertragen müssen.

Sam hingegen hatte sich die kleine Amy auf den Rücken geschultert und schien damit plötzlich automatisch für die gesamte Frauenwelt noch um einiges attraktiver geworden zu sein. Unzählige Damen, die sonst wahrscheinlich Dean ein Lächeln zugeworfen hätten, hatten keinerlei Interesse an dem älteren Bruder gezeigt, sondern stattdessen Sam und das Mädchen verzückt betrachtet.

Es schien tatsächlich wahr zu sein, dass Kinder und Tierbabys Frauen geradezu magisch anzogen.

Amy hatte die ganze Aufmerksamkeit nicht im Mindesten interessiert, viel zu sehr war sie damit beschäftigt gewesen, Sam auszufragen. Alles Mögliche hatte sie wissen wollen, angefangen von seiner Schuhgröße bis hin zu allen Freundinnen, die er je in seinem Leben gehabt hatte. Als es Sam mit der ganzen Fragerei etwas zu sehr ins Private abgedriftet war, hatte er schließlich begonnen, dem Mädchen einige Geschichten zu erzählen, um sie ein wenig zu unterhalten. Zunächst hatte er ihr irgendwas von Blümchen und Schmetterlingen auftischen wollen, einfach etwas total harmloses, aber Amy hatte geradezu beharrlich auf Gruselgeschichten bestanden. Somit war Sam dazu übergegangen, ihr von einzelnen Episoden aus dem Leben der beiden Brüder zu erzählen, schön verpackt und ausgeschmückt, sodass es kindergerecht wurde. Nicht immer ganz einfach, wie Sam hatte feststellen müssen.
 

„Endlich sind wir da!“, stieß Dean aus. Er wollte in diesem Moment nicht darüber nachdenken, dass er irgendwann den ganzen Weg wieder zurückmusste, um den Impala abzuholen, sondern einfach nur die schmerzenden Füße hochlegen.

„Du bist ganz schön aus der Übung, wenn dich so ein kleiner Spaziergang schon schlaucht“, meinte Sam kopfschüttelnd. „Aber im Grunde kein Wunder bei all dem ungesunden Zeug, das du dauernd in dich reinstopfst.“

Was sollte das jetzt werden? Eine Standpauke? Dean hatte wirklich wenig Lust dazu, sich über seine Ernährungsweise zu unterhalten. Immer noch dröhnte ihm der Schädel von der äußerst schmerzhaften Begegnung mit dem Baum im Park, für längere Diskussionen war er wirklich nicht zu haben.

„Und dort wohnt ihr?“ Über Sams Schulter hinweg beäugte Amy skeptisch das Motel. Es wirkte von außen zwar ein wenig schäbig, war aber trotzdem noch besser als so manch andere Absteigen, die sie schon besucht hatten.

„Nur vorübergehend“, meinte Sam zu ihr.

Während sein Bruder der Kleinen erklärte, was es mit einem Motel auf sich hatte, kramte Dean den Schlüssel aus seiner Hosentasche hervor, öffnete die Tür des Zimmers und schaltete alle Lampen an, die er finden konnte. Noch am Abend zuvor hatte die Dame von der Rezeption alle explodierten Glühbirnen ausgetauscht, da auch in den Zimmern nebenan alle Lichter ausgefallen waren und sich die Gäste lautstark über diesen plötzlichen Stromausfall beschwert hatten.

Sam trug Amy schließlich umsichtig ins Zimmer und setzte sie auf einen großen, gepolsterten Sessel ab, neben dem sich eine helle Leselampe befand. Das Mädchen wurde angestrahlt wie die Kandidatin eines Schönheitswettbewerbs. Dean reichte ihr den Ball, den sie dankend entgegennahm, auf ihren Schoß legte und zu streicheln begann wie ein kleines Hündchen.

„Was passiert denn jetzt?“, erkundigte sich Amy, während Sam alle Vorhänge aufriss, um soviel Sonnenlicht wie möglich ins Zimmer strömen zu lassen.

„Nun ja, wir werden … einen Zauberspruch aufsagen“, versuchte es Dean zögerlich mit einer Erklärung, die auch ein so junges Mädchen verstehen konnte, ohne dabei aber gleichzeitig in Panik zu geraten. „Wenn alles gut läuft, bist du deine Sorgen los.“

„So einfach geht das?“ Amy starrte ihn ungläubig mit großen Augen an.

„Ja, so einfach“, bestätigte Dean nickend. In Wahrheit jedoch war er nicht sonderlich überzeugt davon, dass alles so reibungslos vonstatten gehen würde. Alyssa hatte sicherlich andere Pläne und würde bestimmt nicht allzu erfreut reagieren, wenn zwei Jäger ihr einen Strich durch die Rechung zu machen gedachten.

Auch Sam hatte seine Zweifel, das sah man ihm aus zehn Meter Entfernung mehr als deutlich an. Sie hatten schon einige Exorzismen durchgeführt, aber niemals an so einem kleinen, zarten Kind. Niemand konnte vorausahnen, was für Folgen das für Amy haben könnte.
 

„Möchtest du vielleicht etwas zu essen?“, erkundigte sich Sam bei der Kleinen. „Oder was trinken?“

„Habt ihr Schokolade?“, wollte sie mit freudig strahlenden Augen wissen.

Eine Frage, die Dean getrost mit ‚Ja’ beantworten konnte. Aus seinem privaten Lebensmittelvorrat holte er einen Schokoriegel hervor und gab ihn Amy. Lächelnd packte die Kleine den Riegel aus, während sie fröhlich mit ihren Beinen wippte und ein Lied summte.

Unterdessen ergriff Sam seinen Bruder am Arm und zog ihn in eine Ecke des Zimmers, von der aus Amy ihr Gespräch nicht würde belauschen können.

„Wir müssen sehr vorsichtig sein“, flüsterte er. „Das Ganze kann mehr als nur schief gehen.“

Dean nickte grimmig. Noch war alles Friede-Freude-Eierkuchen, aber sobald sie die ersten Worte des Exorzismus ausgesprochen hatten, würde sich Alyssa gewiss regen. Sie mochten noch so viele Lampen einschalten, dieses kleine Miststück war wirklich ausgesprochen mächtig und würde sich nicht so einfach in die Knie zwingen lassen. Dean sah sich vor seinem geistigen Auge wieder durch die Luft segeln.

„Irgendwie müssen wir ihre Kräfte unterbinden“, sagte Sam nachdenklich. „Nicht für lange, höchstens ein paar Minuten, mehr bräuchten wir gar nicht.“

„Und wie sollen wir das anstellen, du Schlaumeier?“, erkundigte sich Dean. „Wir können sie natürlich höflich bitten, uns nicht quer durchs Zimmer zu schleudern, aber irgendwie glaube ich nicht so recht, dass das funktionieren wird.“

„Ich glaub, ich hab da mal irgendwas in Dads Tagebuch gelesen.“ In seine Gedanken versunken griff er nach dem Buch, das auf einem der Nachttischschränkchen lag, und blätterte darin herum. Amy beobachtete ihn dabei interessiert.

„Was sucht er?“, fragte sie. „Den Zauberspruch?“

„So ungefähr.“ Deans Mundwinkel zuckte. Irgendwie fühlte er sich unter dem Blick des kleinen Mädchens ein bisschen unwohl. Im Umgang mit Kindern war er noch nie besonders talentiert gewesen. „Er sucht ein Hilfsmittel, um Alyssa … schlafen zu legen.“

Amy schaute ihn verwirrt an. „Wieso?“

„Damit sie uns nicht dazwischenfunkt“, erklärte Dean. „Du hast doch sicher keine Lust, dass sie uns stört, oder etwa doch?“

„Und warum sollte sie stören, wenn ihr uns helfen wollt?“, erkundigte sich die Kleine.

Dean bekam keine Gelegenheit mehr, auf diese Frage zu antworten, denn schon im nächsten Augenblick war das Zimmer von einem erschreckenden Getöse erfüllt, als alle Glühbirnen mit einem lauten Krachen zerbarsten. Glassplitter fielen klirrend zu Boden. Dean konnte nicht umhin, zusammenzuzucken, und auch Sam ließ vor Schreck das Tagebuch aufs Bett plumpsen.
 

„So ein Mist!“, knurrte Dean. Alyssa war offenbar näher, als sie gedacht hatten.

Zu seiner Überraschung funktionierte die Lampe neben Amy aber noch völlig einwandfrei. Sie hatte als einzige das kleine Inferno überstanden und strahlte das Mädchen weiterhin munter an. Amy währenddessen lächelte vor sich hin und schien sich vor dem ganzen Lärm nicht im Mindesten erschreckt zu haben.

Und ihr unschuldiges Lächeln jagte Dean einen jähen Schauer über den Rücken. Irgendwas stimmte mit der Kleinen nicht und das hatte sicherlich nicht nur damit zu tun, dass ein Dämon in ihr steckte. Da war einfach noch mehr, dessen war sich Dean ziemlich sicher. Sein Gefühl trog ihn nur selten.

„Nun gut, ich glaube, die nette und sanfte Tour wird wohl nicht so wirklich klappen“, erhob Sam seine Stimme und riss Dean damit aus den Gedanken. In seinen Händen hielt er die Wasserflasche, die mit Weihwasser gefüllt war, und das Tagebuch hatte er inzwischen wieder aufgehoben und auf der Seite aufgeschlagen, auf der die lateinische Formel für den Exorzismus stand.

Er wollte offensichtlich keine Zeit verlieren.

„Ich werde Alyssa sagen, dass sie euch nichts tun soll“, schlug Amy großmütig vor, während sie genüsslich ihren Schokoriegel mampfte. „Sie tut euch ganz bestimmt nicht weh.“

Dean brachte daraufhin nur ein schwaches Lächeln zustande. „Oh doch, das wird sie sicherlich. Und möglicherweise wird sie dir auch wehtun.“

Amy schaute von der Schokolade auf und runzelte verwundert die Stirn. „Warum sollte sie das denn tun?“

Sollte er ihr jetzt lang und breit die Bösartigkeit von Dämonen darlegen? Für einen kurzen Moment war Dean ehrlich gewillt, das Mädchen mal ordentlich durchzuschütteln, um ihr ein für allemal klarzumachen, dass Alyssa ganz gewiss nicht ihre Freundin war, aber er ließ davon ab. Im Augenblick fehlte ihnen einfach die Zeit dazu.

Es wehte bereits eine eisige Brise durch das Zimmer. Sam hatte eilig das Weihwasser an seinen Bruder weitergereicht und wollte sich gerade für die bevorstehende Tat sammeln, als hinter ihnen lautstark eine Fensterscheibe in tausend Stücke zersplitterte.

Ganz klar, Alyssa war anscheinend mächtig sauer!

„Sie macht noch euer ganzes Zimmer kaputt.“ Amy zog ihre Mundwinkel nach unten und starrte in den dunklen Raum. „Warum tust du das?“

„Weil sie nur zwei hirnverbrannte Jäger sind, die keine Ahnung haben, was eigentlich los ist.“
 

Ein eisiger Schauer fuhr durch Deans Körper, als er diese Stimme hörte. So kalt und erbarmungslos … das war ohne Zweifel Alyssa!

Aber die Stimme war nicht aus Amys Mund gekommen.

Sam hatte seine Aufmerksamkeit auf die Stelle gerichtet, in die auch Amy schaute, und seine Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. Fast wie in Zeitlupe, seine Hand auf die Waffe in seinem Hosenbund gepresst, drehte Dean sich um.

Und dort, im dunklen Teil des Zimmers, konnte er vage eine vertraute Gestalt ausmachen.

„Ihr seid wirklich unwahrscheinlich dumm.“ Alyssas schneidende Stimme schien sich direkt in ihre Haut zu bohren. „Ein Exorzismus, also wirklich! Als ob mich das in irgendeiner Weise beeindrucken würde.“

Dort stand sie und starrte sie mit ihren glühenden Augen an, als wären sie bloß irgendwelche Insekten, die es zu zertreten galt.

Einen Moment noch war Dean völlig verwirrt, dann aber zwang er sich selbst zur Ruhe und zum logischen Nachdenken. Es musste für all das eine simple, rationale Erklärung geben … auch wenn sie ihm gerade nicht einfallen wollte.

Er warf einen Blick zu Amy, die wieder begonnen hatte, an ihrem Schokoriegel zu knabbern. Für sie schien das Ganze in keiner Weise beängstigend zu sein.

Nun gut, beide Mädchen sahen sich wirklich ähnlich, das konnte Dean trotz dem Kontrast zwischen Licht und Dunkelheit durchaus erkennen. Aber was war nun genau los? Hatte Alyssa eine Möglichkeit gefunden, Amys Körper zu verlassen und in ihrer Gestalt aufzutreten? Oder hatten er und Sam von Anfang an falsch gelegen?

„Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht mit Fremden mitgehen sollst, Süße“, wandte sich Alyssa an Amy. Ihr Tonfall war dabei dermaßen sanft, dass Dean es kaum zu glauben vermochte, dass er es mit einer Dämonin zu tun hatte. „Du bist viel zu leichtgläubig.“

„Aber sie haben gesagt, dass sie uns helfen können“, entgegnete Amy in einem leicht trotzigen Unterton.

Alyssa seufzte. „Glaub mir, Schatz, diese Idioten verstehen gar nicht, was mit uns los ist. Sie denken, ich wäre ein böser Dämon, der in deinem Körper feststeckt und dich furchtbare Dinge tun lässt. Sie haben nicht mal erkannt, dass du ebenfalls kein Mensch bist.“

Dean merkte, wie Sam neben ihm zusammenzuckte und sich unwillkürlich von Amy entfernte.

„Soll das etwa heißen …?“, fragte er unsicher.

Alyssas spöttisches Lächeln war bestens zu erkennen. „Wir sind Schwestern!“, sagte sie hämisch. „Zwillinge!“
 

Sam schüttelte ungläubig den Kopf und auch Dean konnte es einfach nicht glauben. Zugegeben, ihm war Amy merkwürdig vorgekommen, aber für eine Dämonin hätte er sie nie im Traum gehalten. Ausgerechnet dieses süße, kleine Mädchen, das Nagetiere, Gruselgeschichten und Schokolade liebte? Das entsprach nicht gerade dem Typus eines grausamen Monsters.

Dieser Fall schien von Minute zu Minute verrückter zu werden.

„Dann können sie uns also nicht helfen?“, fragte Amy enttäuscht. „Wir müssen weiter mit diesem Fluch leben?“

Sam hatte sich inzwischen eins der Gewehre gegriffen, schien aber nicht recht etwas damit anfangen zu können. Bei Alyssa hatte es schon am Abend zuvor keine Wirkung gezeigt und es auf Amy zu richten, brachte er augenscheinlich einfach nicht über sich.

„Ein Fluch?“ Trotz seiner Verwirrung funktionierten seine Ohren immer noch bestens. „Was für ein Fluch?“

„Der Fluch von Licht und Schatten.“ Amys Stimme klang mit einemmal ganz leise. „Wir können nichts dagegen tun. Und irgendwann werden wir deswegen sterben, ganz sicher.“

Tränen kullerten über ihre Wangen und mehr denn je konnte Dean einfach nicht glauben, dass sie nicht bloß ein harmloses, menschliches Kind war.

„Wovon redet sie?“ Sam hatte sich an Alyssa gewandt, die beim Anblick ihrer weinenden Schwester einen Fluch in einer fremden Sprache ausgestoßen hatte.

Für Alyssa schien es außerhalb ihrer Würde zu liegen, einem Menschen irgendwelche Erklärungen zu liefern, und für einen kurzen Augenblick machte es den Anschein, als wollte sie die Winchesters wieder durch die Luft schleudern, aber Amys Schluchzen vermochte sie offenbar letztendlich zu beruhigen.

„Wir sind Gefangene“, sagte sie, wenn auch recht widerwillig. „Ich bin gefangen in der Dunkelheit und Licht kann mich töten. Bei meiner Schwester ist es genau umgekehrt.“

Dean sah zu Amy hinüber, die von der Leselampe angestrahlt wurde. Langsam aber sicher ergab das alles irgendwie Sinn. Es war zwar immer noch verrückt, aber wenigstens formte sich allmählich ein Bild.
 

„Und wie seid ihr verflucht worden?“, erkundigte sich Sam.

Alyssa warf ihm einen giftigen Blick zu, woraufhin es im Zimmer von einem Moment auf den anderen plötzlich eiskalt zu werden schien. Dean hatte alle Mühe, ein Zittern zu unterbinden.

„Warum willst du das wissen?“, zischte sie ungehalten. „Willst du uns etwa tatsächlich helfen? Dass ich nicht lache! Euresgleichen erfreut sich doch an unserem Leid! Du würdest doch am liebsten hier und jetzt einen Lichtstrahl auf mich richten, wenn ich nicht bereits alle Lichtquellen vernichtet hätte, habe ich nicht Recht? Du brauchst also gar nicht erst so scheinheilig zu tun!“

„Ich … ich könnte vielleicht wirklich …“ Sam brach mitten im Satz ab. Anscheinend wusste er selbst nicht einmal, was er eigentlich tun sollte.

Und wenn Dean ehrlich zu sich war, war ihm ebenfalls schleierhaft, was nun als nächstes zu tun sei.

Die beiden waren offenbar Dämonen, soviel stand schon mal fest, und während Dean Alyssa liebend gern übers Knie gelegt hätte, mochte ihm der Gedanke gar nicht gefallen, Amy ebenfalls etwas anzutun oder sie auch nur weinen zu sehen. Entweder spielte die Kleine die Rolle des unschuldigen Mädchens absolut perfekt oder sie war wirklich so harmlos und naiv, wie es den Anschein hatte. Dean konnte nicht genau sagen, welche von beiden Möglichkeiten ihm besser gefiel.
 

Amy war währenddessen von ihrem Sessel gesprungen. Vorbildlich warf sie die Verpackung des Schokoriegels in einen Mülleimer und trat schließlich in die Richtung ihrer Schwester. Sobald sie den Lichtkegel der Leselampe verließ, geschah etwas ausgesprochen eigenartiges: Der Ball in ihrer Hand bebte kurz und strahlte schließlich ein helles Licht aus, welches Amy umgab und sie somit vor der Finsternis schützte. Offensichtlich eine Art Schutzvorrichtung.

Nun verstand Dean auch, warum sie so seltsam reagiert hatte, als er auf dem Weg zum Motel den Ball unbekümmert in die Luft geworfen hatte. Er hatte ihr versprochen, ihr bei einem eventuellen Verlust sofort einen neuen zu kaufen, aber sie hatte energisch den Kopf geschüttelt und ihn angewiesen, besser aufzupassen.

Nun, im Grunde kein Wunder, wenn ihr Leben davon abhing.

Amy näherte sich ihrer Schwester, achtete aber sorgsam darauf, dass Alyssa nichts von dem Licht abbekam. So standen sie dort, die eine im gleißenden Licht, die andere im finsteren Schatten, und konnten nichts weiter tun, als sich anzusehen.

Und sosehr sich Dean dagegen wehrte, er konnte nicht umhin, so etwas wie Mitleid für diese beiden zu empfinden.

„Wie ich sehe, habt ihr das, was ich euch aufgetragen habe, noch nicht zu Ende geführt.“ Alyssa bedachte sie mit einem zornigen Blick. „Ihr seid wohl nicht mal in die Nähe von Spencers Keller gekommen, sondern wart vielmehr damit beschäftigt, mich zu töten.“ Sie legte ihren Kopf schief. „Ehrlich gesagt hätte ich große Lust, euch hier und jetzt einfach zu töten, aber das würde uns nichts bringen. Dann ständen wir wieder am Anfang und hätten nicht das Geringste erreicht.“

Deans Mitleid verflüchtigte sich wieder so schnell, wie es gekommen war. Er zog die Waffe aus dem Hosenbund und war bereit, seine ganze Ladung abzufeuern, auch wenn es keine Wirkung auf sie haben sollte. Allein das laute Krachen der Pistole war überaus entspannend für ihn.
 

„Wir lassen uns von niemanden erpressen“, erklärte er. „Und schon gar nicht von so einem Miststück wie dir.“

„Na-na-na, du solltest wirklich aufpassen, was für Kraftausdrücke du benutzt“, meinte Alyssa mahnend. „Es befinden sich Minderjährige im Raum, also sei etwas taktvoller. Und außerdem hast du sowieso keine Wahl. Entweder ihr beide geht in Spencers Keller oder aber ich mache euch das Leben zur Hölle.“

Dean schnaubte. „Und wie, wenn ich fragen darf?“

Alyssa lächelte heimtückisch. „Der Tod wäre viel zu gut für euch. Aber wie wäre es stattdessen, wenn ich euch Nacht für Nacht die schlimmsten Albträume schicke? Du, mein Kleiner, würdest von Flugzeugabstürzen und Ratten träumen, und du, Sammy, von Clowns und deiner brennenden Freundin.“

Sam verkrampfte sich zusehends und brauchte offenbar all seine Willensstärke, um sich nicht kopflos auf den Dämon zu stürzen. Dean währenddessen registrierte beunruhigt, wie viel Alyssa über sie wusste. Sie schien tatsächlich Gedanken lesen und sogar darüber hinaus ihre tiefsten Empfindungen und Ängste erkennen zu können. Ein Gegner, der dich buchstäblich wie ein Buch lesen konnte, war immer überaus gefährlich.

„Oder ich schicke euch die schlimmsten Dämonen und Geister auf den Hals und sorge dafür, dass ihr zum falschen Zeitpunkt Ladehemmungen habt oder euer Steinsalz sich in Zucker verwandelt. Glaubt mir ruhig, ich kann euch das Leben so schwer wie möglich machen … außer ihr tut das, was ich euch sage.“

Ohne ein weiteres Wort löste sich ihre Erscheinung auf und verschwand in der Finsternis. Amy hob ihren Arm, winkte den Winchesters lächelnd zu und verschwand dann auf dieselbe Art und Weise wie ihre Schwester.

Und zurück blieben zwei völlig verwirrte Brüder.
 

„Tja, Sammy, ich würde sagen, du lagst mit deiner Vermutung ziemlich falsch“, meinte Dean schließlich. Immer noch hatte er die Waffe in der Hand und war noch nicht bereit, sie wieder wegzustecken. Alyssa konnte immer noch irgendwo in der Dunkelheit lauern und nur auf einen geeigneten Zeitpunkt warten.

„Nun ja, so falsch lag ich nun auch wieder nicht“, erwiderte Sam. Er seufzte schwer: „Okay, anstatt einem Problem weniger haben wir nun einen Dämon mehr. Allerdings einen reichlich seltsamen Dämon …“

Seinem Tonfall war anzumerken, wie sehr ihn diese unerwartete Wende bedrückte. Er hatte das kleine Mädchen ins Herz geschlossen, in den Arm genommen, sie getröstet und ihr Geschichten erzählt. Und in ihr nun einen Feind zu sehen, fiel ihm augenscheinlich ziemlich schwer.

Dean konnte es ihm aber nicht verübeln, er selbst vermochte es auch kaum zu fassen.

„Wie auch immer, wir sollten Alyssas Rat befolgen“, fuhr Sam fort. „Ich weiß, den Befehlen eines Dämons nachzugeben, ist normalerweise nicht unsere Art, aber bleibt uns eine andere Wahl? Du hast ja gehört, was sie alles mit uns anstellen wird, und ehrlich gesagt glaube ich ihr auch jedes einzelne Wort. Uns Albträume zu bescheren, wäre für sie wahrscheinlich ein Kinderspiel.“ Er fuhr sich durch das zerzauste Haar und meinte: „Und außerdem möchte ich endlich erfahren, was hier eigentlich gespielt wird. Und ich denke, die Antwort darauf werden wir in Spencers Keller finden.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-02-16T12:57:26+00:00 16.02.2010 13:57
wow!!! Das Kapitel war wirklcih super spannend. Und du hast es geschafft eine 180° Wende zu erzielen.....beeindruckend! Okay...meine Theorien kann ich jetzt ja in den Mülleimer werfen, den dean so böse angeschaut hat ;P

Das die beiden Mädchen Zwillinge sind hätte ich nicht gedacht.....das ist echt eine klasse Konstruktion: 2 Schwestern, Licht und Schatten, was die eine fürchtet, umgibt die andere.....echt toll xD

Ach.....ich kann nicht genug von Sam und Dean bekommen :D

Bis bald, deine Janine :)
Von:  DoctorMcCoy
2008-05-19T18:06:13+00:00 19.05.2008 20:06
Das Kapitel war wirklich klasse. Richtig cool. Und mit dem Ball habe ich nach langer Überlegung ja wirklich richtig gelegen. Endlich darf ich auch hier im Kommi schreiben, dass die beiden Zwillinge sind. Es ist ja schrecklich, sowas so lange geheim zu halten. Aber ich wäre wahrscheinlich auch nie darauf gekommen, hätte ich nicht den Arbeitstitel gelesen.
Den Spaziergang zum Motel stelle ich mir sehr witzig vor. Dean, der von allen Frauen ignoriert wird und dann auch noch von ein paar Halbstarken dumm angemacht wird, und ein Sam, dem alle Frauen zu Füßen liegen und von einen kleinen Kind gelöchert wird. Tja, die Abenteuer von den beiden eignen sich besonders gut für Horrorgeschichten. Vielleicht sollten sie mal auf so ne Campingtour für Kinder mitgehen. Die kämen da bestimmt bestens an.
Amy finde ich einfach zu süß, auch wenn ich jetzt die Bestätigung habe, dass sie ein Dämon ist. Wie sie da auf dem Sessel saß, mit den Beinen gewackelt hat und an ihren Schokoriegel geknabbert hat. Ich finde dieses Bild einfach zu putzig. Aber ich frage mich, genau wie Dean, ob Amy jetzt nur so tut oder ob sie wirklich so naiv ist. Vielleicht ist sie ja wirklich so, dann wären Amy und Alyssa wie Ying und Yang. Kann doch gut sein. Nur weil sie Zwillinge sind, müssen sie ja nicht gleich auch selben Charakter haben.
Ich finds gut, dass die Jungs endlich den Auftrag von Alyssa annehmen. Hat ja auch lang genug gedauert. Und wenn es Dämonen sind, Amy könnte ich, glaube ich, nichts abschlagen, und Alyssa hatte ja auch sehr überzeugende Argumente. Ich meine Clowns und Ratten sind ja wirklich schlimm.

<Uns Albträume zu bescheren, wäre für sie wahrscheinlich ein Kinderspiel.>
Diesen Satz finde ich wirklich sehr toll. Ist ein geniales Wortspiel.

So, jetzt frage ich mich aber immer noch, was jetzt genau in dem Keller von diesem Spencer versteckt ist. Es wird ja irgendwas sein, dass den Fluch aufheben kann. Aber es muss wohl auch was sehr grässliches sein, denn der Typ, dessen Name ich schon wieder vergessen habe, hat ja gesagt, dass es das Schlimmste war, das er je gesehen hat. Vielleicht sitzt ja ihre Mami da unten. Zumindest etwas lebendiges, da Sam ja ein Kratzen gehört hat. Natürlich könnte das ja auch von Ratten stammen. Naja, ich mach jetzt mal Schluss, bevor meine Theorien noch zu unglaubwürdig werden.
Warte sehnlichst aufs nächste Kapitel.
HDGDL
Lady_Sharif (man, ist das ein toller Name.)


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